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Full text of "Archiv für österreichische geschichte"

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Archiv 


fUr 


Österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

▼on  der 

m  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commlssion 

der 

kmlserllehen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundachtzigster  Band. 

Erste  Hälfte. 


Wien,  1896.-/^79 


In    CommisBion    bei    Carl   Gerold's    Sohn 

Bneliblndl«r  d«r  kalii.  Akadcmi«  dw  WfMMuebkft^ 


W4CKS 


Inhalt  des  dreiandachtzigsten  Bandes. 


Erste  Hälfte. 


Seit« 
Lndorico  Gritti.   Eine  Monographie.  Von  Dr.  Heinrich  Kretschmayr         1 

Verhaftung   und  Gefangenschaft   des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 
1647—1660.    Von  Dr.  Gustav  Turba 107 


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Pü.T^ 

Inhalt  des  dreiandachtzigsten  Bandes. 


Erste  Hälfte. 


Seit« 
LudoTico  Gritti.  Eine  Monographie.  Von  Dr.  Heinrich  Kretschmayr         1 

'^erbaftnng  und  Gefangenschaft   des  Landgrafen  Philipp  von  Hessen 

IW7-1660.  Von  Dr.  Gustav  Turba 107 


LUDOVICO   GRITTI. 


EINE  MONOGRAPHIE. 


VON 


T>^  HEINRICH  KRETSCHMAYR. 


AnhiT    LXSXril.  B4.  I.  H&lfte. 


Vorbemerkung. 


Unter  den  zahlreichen  Abenteurern,  die  in  den  ungari- 
schen Tbronkämpfen  des  16.  Jahrhunderts  ihre  Absichten  ver- 
wirklichen zu  können  glaubten,  ist  Ludovico  Gritti  der  inter- 
essantesten einer.  Der  natürliche  Sohn  des  Dogen  von  Venedig 
und  spätere  Kaufmann  in  Constantinopel  verstand  es  so  gut, 
sein  Talent  und  sein  Geld  zu  gebrauchen,  dass  er  sich  zur 
Würde  eines  der  ersten  Rathgeber  des  türkischen  Grossherm 
erheben,  die  politischen  Verhandlungen  mit  Venedig  und  viel 
mehr  noch  mit  den  Habsburgem  leiten  konnte.  Dabei  ist  er 
zu  jenem  Einfluss  und  jener  Macht  in  TJugam  gelangt,  die  es 
ihm  ermöglichten,  geraden  Weges  die  Königskrone  des  Landes, 
in  dem  er  als  Reichsgouvemeur  mit  fast  königlicher  Macht- 
vollkommenheit schaltete,  anzustreben  oder  doch  ein  einträg- 
Kehes  Besitzthum  herauszuschlagen,  Pläne,  welchen  sein  uner- 
warteter Tod  ein  rasches  Ende  gemacht  hat. 

Die  Geschichte  dieses  Mannes  darzustellen,  ist  öfter  ver- 
sucht worden.  Solche  Darstellungen  enthalten*  die  Sammel- 
werke der  Biographie  universelle,  der  Biographie  g^nörale  und 
der  A%emeinen  Encyklopädie  von  Ersch  und  Gruber.  Der 
von  Sataberry  verfasste  Artikel  ,Louis  Gritti'   der  Biographie 


^  Ich  will  von  der  ganz  kleinen  ^biographischen  Skizze  nach  historischen 
QnellenS  welche  A.  R.  (August  Roth?)  in  den  »Blättern  für  Geist,  Ge- 
müth  und  VaterlandskundeS  gedruckt  bei  Johann  GOtt,  Kronstadt,  Heft  II, 
29,  30,  verfasst  hat,  absehen. 

1* 


4 

universelle  ^  strotzt  von  groben  Unrichtigkeiten.  Von  dem  gleich- 
lautenden Artikel  E.  Beauvois'  in  der  Biographie  g^n^rale  *  gilt 
im  Allgemeinen  dasselbe;  hingegen  trifft  der  von  R.  Pallmann 
für  das  letzte  obgenannte  Sammelwerk  geschriebene  Aufsatz' 
in  der  Hauptsache  das  Richtige.  Von  ihm  beeinflusst  ist  die 
jüngst  erschienene  Arbeit  von  Franz  R^v^sz:  ,Gritti  Lajos  szerep- 
16se  Magyarorszägon'  (Ludwig  Gritti's  Wirken  in  Ungarn)  in 
Erd^lyi  muzeum-egylet  kiadvinyai  (Mittheilungen  des  Sieben- 
bürgischen Museumvereines),*  die  auf  Grund  gedruckter,  nicht 
immer  kritisch  gesichteter  und  auch  nicht  vollständig  verwerthe- 
ter  Quellen  und  ohne  Benützung  von  Archivalien  zusammen- 
gestellt wurde  und  in  ihren  Resultaten  nicht  viel  über  den  Auf- 
satz Pallmann's  hinauskommt. 

Die  folgende  Arbeit  ist  entstanden  über  Anregung  meines 
verehrten  akademischen  Lehrers  Professor  Dr.  Alfons  Hub  er, 
dem  ich  hiefUr  geziemenden  Dank  abstatte;  sie  wurde  ausge- 
flihrt  auf  Grund  der  erreichbaren,  ich  hoffe  vollständig  benütz- 
ten gedruckten  Quellen  und  Bearbeitungen  und  auf  Grund  der 
theils  von  mir,  theils  von  den  betreffenden  Herren  Vorständen 
vorgenommenen  oder  veranlassten  Durchforschung  der  nach- 
stehend angegebenen  Archive  und  Bibliotheken,  beziehungs- 
weise der  Benützung  ungedruckter  Abschriften  von  Acten  aus 
denselben. 

Bistritz Altes  Comitatsarchiv. 

Brück  a.  d.  Leitha    .  Archiv  der  Stadt 

Brüssel Archives  gönörales  du  Royaume. 

Budapest Archiv  der  Stadt. 

„         Egl.  Ungar.  Landesarchiv. 

Esseg Archiv  der  Stadt. 

„      Comitatsarchiv. 

Gran Primatial-ifÜrsterzbischöfliches  Archiv. 


»  xvn,  572.        »  xxn,  126/7. 

»  I.  Sone.  91,  432  f. 

*  VII  (1891/92),  134—160,  211—267. 


5 

Gran Archiv  der  Stadt. 

Hermannstadt   ....  Archiv  der  sächsischen  Nation. 

Kaschau Stadtarchiv. 

K]aiisenbui^ Stadtarchiv. 

Krenmitz Stadtarchiv. 

Kronstadt Archiv  der  Stadt. 

London Record  office. 

Marktscheiken  ....  Archiv  der  Stadt. 

„  ....  Archiv  der  evang.-luth.  Kirchengemeinde. 

Mediasch Archiv  der  Stadt. 

„         Gymnasialbibliothek. 

yy         Evang.  Pfarrarchiv. 

München Kgl.  bayr.  Reichsarchiv. 

Padua Universitätsbibliothek. 

Paris Archives  Nationales. 

Pressburg Archiv  der  kgl.  Freistadt. 

Rom Vaticanisches  Archiv. 

^       Bibliotheca  Barberini. 

Simancas Archive  General  de  Estado. 

Stuhlweissenborg    .  .  Gräfl.  Nddasdy'sches  Familienarchiv. 

Venedig R.  Archivio  di  Stato. 

„  Biblioteca  Marciana. 

„  Museo  civico  Correr. 

Wien K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv. 

yj      Archiv  des  k.  k.  Ministeriums  des  Innern. 

„      K.  u.  k.  Hof  bibliothek. 

„      K.  u.  k.  Fideicommissbibliothek. 

„      K.  u.  k.  Kriegsarchiv. 

Dadurch  ist  es  möglich  gewesen,  den  Absichten  und  Plänen 
L.  Qritti's  nachzugehen,  darüber  Klarheit  zu  gewinnen  und  somit 
die  Arbeit  zu  einer  abschliessenden  zu  gestalten.  Absehen  musste 
ich  freilich  von  den  nicht  zugänglichen  Archiven  Constantino- 
pels;  fraglich  genug,  ob  sie  überhaupt  werth volle  Beiträge 
bieten  würden. 


Ich  habe  für  die  gütige  Förderung  meiner  Arbeit  Dank 
zu  sagen  den  Herren  Directoren  der  oben  angeführten  An- 
stalten ^  besonders  Sr.  Excellenz  Alfred  Ritter  v.  Arneth, 
Director  des  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchives  in  Wien, 
Dr.  Julius  V.  Pauler,  Director  des  kgl.  ungar.  Landesarchives, 
Commendatore  Federico  Stefani,  Director  des  Staatsarchives 
in  Venedig,  Conte  Camillo  Soranzo,  Vicepräfect  der  Marcus- 
bibliothek in  Venedig,  Freiherrn  von  Oefele,  Director  des 
kgl.  bayr.  Reichsarchives  in  München,  Charles  Piot,  Director 
der  Archives  g^nörales  von  Brüssel,  Herrn  Archivar  Dr.  F. 
Zimmermann,  den  Herren  Stadtarchivaren  von  Budapest, 
Kronstadt  und  Eremnitz,  Dr.  L.  Toldy,  Fr.  Stenner  und 
P.  Krizko,  Herrn  Archivar  Prof.  Dr.  A.  Berger  (Bistritz)  und 
den  anderen  Herren  Vorständen  der  angeführten  Institute,  dem 
Herrn  Sectionsrath  Dr.  A.  Kärolyi,  Dr.  H.  v.  Voltelini, 
Dr.  A.  Dopsch,  Dr.  W.  R.  v.  Ambros  und  A.  Veress  in 
Wien,  Dr.  A.  v.  Pettkö  in  Budapest,  Mr.  E.  Verkooren  in 
Brüssel,  Mr.  Fulcher  in  London,  Dr.  R.  Theil  in  Neudorf 
(Siebenbürgen),  Cav.  Dr.  Vincenzo  Joppi  in  Udine  und  Luigi 
Ferro  in  Venedig. 


Wien,  im  September  1895. 


Dr.  Heinrich  Eretschmayr. 


Capitel  L 
Jugend  und  Emporkommen. 

Das  Geschlecht  der  Gritti  war  in  Venedig  zu  immer 
höheren  Ehren  gekommen.  Sie  hatten  früher  Gratolani  ge- 
beissen^  zur  Zeit,  als  sie  von  Sorio,  einer  kleinen  Stadt  in  der 
yenetianischen  Provinz  Vicenza,  nach  Venedig  kamen,  um  dort 
als  tribuni  antichi  und  savii  dem  Staate  zu  dienen.  Ihre  Haupt- 
thätigkeit  aber  galt  dem  Handelswesen;  rühmend  heisst  es  von 
ihnen,  sie  hätten  stets  mit  Allen  gute  Freundschaft  gehalten, 
seien  gut  katholisch  gewesen  und  hätten  zahlreiche  Almosen 
gespendet.* 

Diesem  Geschlechte  entstammte,  als  Sohn  eines  Francesco 
Gritti   um    die   Mitte   des    15.  Jahrhunderts  geboren,    Andrea 


^  Im  3.  Bande  des  ^Hi^toriBchen  Magazins  für  Ungarn'  (Magyar  tört^nelmi 
tki),  A.  Folge,  1S57,  hat  J.  Nagy  —  allerdings  in  durchaus  nicht  muster- 
giltiger  Weise  —  folgende  vier  auf  Ludovico  Gritti  bezughabende  Quellen 
herausgegeben:  1.  Una  breve  narrazione  della  grandezza,  vertu,  valore 
et  della  infelice  morte  delV  illustrissimo  signore  comte  Aloise  Gritti  dell^ 
serenissimo  signore  Andrea  Gritti  Principe  dl  Venetia,  Comte  del  gran 
Contado  di  Marmaros  in  Ongaria  et  generale  govematore  di  esso  Regno 
et  general  Capitaneo  dell*  esercito  regio  appresso  Sulimanno  Imperatore 
dei  Tnrchi  et  alla  Maestä  del  re  Giovanni  von  Francesco  della  Valle, 
9  ff.  —  2.  Fr.  Augnstini  Musöi  Tarvisini  de  expugnatione  Megghes  cui 
interfuit  ad  Franciscum  Contarenum  oratorem.  63  ff.  —  3.  Fr.  Augustini 
Musei  Tarvisini  constitntio  sive  interrogatio  a  mareschalco  Caesariae 
Mmiestatis  sibi  et  socio  Petro  Cremensi  facta  post  de  Buda  in  Yiennam 
reditom.  Anno  1535.  75  ff.  —  4.  Registrum  litterarum  magnifici  domini 
Francisci  Contareni  oratoris  ad  serenissimum  regem  Romanorum.  82  ff. 
Eine  eingehendere  Besprechung  der  Quellen  folgt  am  bezüglichen  Orte. 
In  dieser  Publication  ist  S.  12  eine  italienische  Stelle  über  das  Geschlecht 
enthalten,  die  hier  benutzt  wurde.  Vgl.  hiezu  auch:  Marco  Barbaro, 
Famiglie  nobili  venete.  Cod.  Nr.  6155/6  der  k.  u.  k.  Hofbibliothek  zu 
Wien,  8.  195^/196'. 


8 

Gritti;^  oratore  straordinario  bei  der  Pforte,  in  welchem  Amte 
er  viel  diplomatisches  Geschick  bekundete,  als  Kriegsmann  her- 
vorragend in  den  Qleichgewichtskämpfen  in  Italien,  selbst  wäh- 
rend seiner  Gefangenschaft  in  Frankreich  ,mehr  Gesandter  als 
Gefangener',*  hatte  er  1523  als  Nachfolger  Antonio  Grimani's 
die  Dogenwürde  erreicht.  Er  hatte  sich  etwa  1497  mit  Bene- 
detta  di  Luca-Vendramin  verheiratet,  aus  welcher  Ehe  Fran- 
cesco, sein  einziger  legitimer  Sohn,  stammte.  Er  starb  im  zar- 
testen Alter  schon  1505.'  Die  vier  anderen  Söhne  waren  die 
Kinder  einer  Griechin-  —  wie  es  scheint,  eben  keiner  Dame 
von  Stande*  —  die  der  damalige  Orator  der  Republik  in  Con- 
stantinopel  irgendwie  kennen  gelernt  hatte.  Sie  hiessen:  Pietro, 
Gregorio,  Lorenzo  und  Luigi.*  Vom  ersten  wissen  wir  nichts. 
Lorenzo  blieb  als  Kaufmann  in  Venedig  und  stand  mit  seinem 
Bruder  Ludovico  in  steter  Geschäftsverbindung.  Später  wurde 
er  auch  in  diplomatischen  Sendungen  verwendet  und  starb  1539 
in  Constantinopel.^  Gregorio,  oder  wie  er  sonst  immer  heisst, 
Georg,  der  viel  zu  politischen  Diensten  gebraucht  wurde,  ver- 
schwindet mit  seines  grösseren  Bruders  Tode  aus  der  Geschichte, 
ist  aber  noch  vor  seines  Vaters  Ableben  —  1538  —  im  kräf- 
tigsten Alter  gestorben.'^ 


*  Alb6ri,  Relationi  venete,  Serie  III,  3,  6  ff.,  wo  eine  kurze  Biographie 
aufgeführt  ist    Sein  Vater  heisst  Francesco  nach  Sanuto,  Diarii  IV,  244. 

*  Giucciardini  bei  Alböri,  Ser.  III,  3,  6. 

'  So  Nicolo  Barberigo  in  seiner  Andrea  Gritti  gehaltenen  Leichenrede 
bei  Komanin,  Storia  docamentata  di  Yenezia  V,  385,  und  AlbSri, 
Ser.  in,  3.  7. 

*  Romanin  V,  386  (Nicolo  Barberigo's  Leichenrede),  ,di  nna  sua  amante'. 
Vgl.  auch  das  Wort  Junisbeg's,  ,filius  meretricis*  in  G6vay,  Urkunden  «ad 
Actenstücke  zur  Gescjhichte  der  Verhältnisse  zwischen  Oesterreich,  Un- 
garn und  der  Pforte  im  16.  Jahrh.  U,  1634,  62. 

*  In  dieser  vermuthlich  nach  den  Geburtsjahren  geordneten  Reihenfolge 
nennt  sie  Nicolo  Barberigo  in  seiner  Leichenrede.  Alb^ri,  Ser.  III,  3,  7  f. 

*  Venetianische  Depeschen  vom  Kaiserhofe  (Dispacci  di  Germania).  Wien, 
Tompsky,  1889.  I,  312.  317.  322.  323.  327.  334.  341.  362.  Vgl.  Alessandro 
Cappellari,  Campidoglio  Veneto  (Hs.  der  Biblioteca  Marciana,  Venedig): 
Lorenzo  Gritti  Cavaliere  figlio  legittimo  del  Doge  nel  1638  era  spedito 
dalla  repubblica  a  Constantinopoli  a  stipulare  tregua  per  tre  mesi  e  ivi 
mori  di  peste  1639. 

'  Alb^ri,  Ser.  III,  3,  7  f.  Er  begegnet  uns  schon  im  Jahre  1627  (Marino 
Sanuto,  Diarii,  vol.  44,  26.    1627,  6.  Febr.). 


9 

Luigi  oder  Ludovico  —  von  den  Venetiancrn  Alvise  ge- 
nannt^ —  war  1480  in  Constantinopel  geboren  worden.^  Dass 
ihn  sein  Vater  bei  seiner  Rückkehr  nach  Venedig  —  1496  —  mit 
genommen  hat,  und  dass  er  dort  und  in  Padua  eine  höhere  Ausbil- 
dang  genossen,  wird  richtig  sein.^  Seine  Geburt  schloss  ihn  von 
höherer  Carriere  in  venetianischem  Dienste  aus.  Nach  etwa  zehn- 
jährigem Aufenthalte  kehrte  er  daher  im  Jahre  1507  oder  1508, 
27jälirig,  nach  Constantinopel  zurück,*  um  sich  dort  als  Kauf- 
mann  zu   etabliren.     Er   scheint  sich   in   den   kaufmännischen 


*  Kessler  hat  seine  apodiktische  Behauptung,  dass  Ludwig  der  falsche  Narao 
»ei  (Fesßler-Klein,  Gesch.  von  Ungarn  III,  430),  vielleicht  Verancsics' 
^memoria  rerum,  quae  in  Hungaria  a  noto  rege  Ludovico  ultimo  acci- 
dertint*  entnommen,  nach  dem  Gritti*s  eigentlicher  Name  Alovizius  war, 
die  Türken  in  Ungarn  aber  ihn  im  Allgemeinen  Ludwig  Gritti  hiessen 
(Monumenta  Hungariae  Historica  [Magyar  tört^nelmi  eml^kirök]  Scrip- 
tores  III,  30).  Er  selbst  unterzeichnet  sich  —  einen  mit  AI.  G.  unter- 
schriebenen Brief  an  Marco  Contarini  in  Venedig  ausgenommen  (s.  An- 
hang Nr.  1)  —  immer  Ludovicus.  Luigi  und  Alvise  sind  übrigens  damals 
nnd  auch  noch  später  in  Venedig  mit  Vorliebe  für  denselben  Namen 
gebraucht  worden. 

*  S.  della  Valleys  Biographie  (S.  7,  A.  1),  die  er  für  den  Procurator  der 
Republik  Venedig,  Matteo  Dandolo,  bestimmte,  dann  mehrere  Male,  zu- 
letzt für  Alois  Pisani  aus  Gozzo,  abschrieb.  Er  kam  am  1.  October  1531 
in  die  Dienste  Gritti^s,  in  dessen  Gefolge  er  fortan  blieb.  Damals,  so 
schreibt  er,  war  Gritti  ,di  eik  d'anni  cinquanta  dua  in  circa'  (18).  In 
dem  Buche  Viaggi  fatti  da  Vinetia  alla  Tana,  in  Persia,  in  India  et  in 
Constantinopoli  (kurz  Viaggi  alla  Tana  genannt),  Venedig,  Aldo  1543, 
finden  sich  libri  III  delle  cose  de  Turchi;  sie  sind  verfasst  von  einem 
gewissen  Benedetto  Ramberti,  der  1634  nach  Constantinopel  reiste  und 
in  seinem  Buche  sich  zum  Schlüsse  eingehend  mit  Ludovico  Gritti  he- 
scbäfügt.  Damals,  sagt  er,  war  Gritti  ,di  etk  di  anni  cinquantaquatro 
in  circa'  (157').  Beide  Angaben  weisen  auf  das  Jahr  1480  als  Geburts- 
jahr hin.  —  Bei  R^v^sz  (s.  Vorbemerkung)  fällt  gleich  zu  Beginn  seiner 
Artsführungen  eine  breit  gerathene  Auseinandersetzung  über  Gritti^s  Ge- 
burtigahr  auf;  übrigens  ist  auch  in  dem  von  Dr.  W.  Friedensburg  heraus- 
gegebenen Bande  I,  1  der  Nuntiaturberichte  aus  Deutschland  irrig  1501 
alfs  Geburtftjahr  angegeben  (125,  Anm.).  Die  ebenda  erwähnte  Reise- 
beschreibung in  der  Biblioteca  Barberini  in  Rom  (Cod.  LVIII,  12,  fol.  274 
bb  306)  ist  mit  Ramberti*s  ,Viaggi'  identisch  und  das  Gleiche  gilt  von 
der  in  Cod.  3922  der  bibliotheca  Vaticana  (f.  151'-  160')  gebrachten  An- 
gabe: ,I>i  Soleyman  gran  Turco  et  di  S<>'  Aluiggi  Gritti  1534.' 

'  So  wenigstens  Viaggi  alla  Tana  155^  (poi  f&  a  Venezia  et  k  Padova, 
ove  imparö  lettere). 

*  Ego  fai  hie  viginti  sex  annis,  sagt  er  1584  zu  dem  kaiserlichen  Ge- 
sandten Com.  Dupl.  Schepper.    G^vay  II,  1534,  35. 


10 

Kreisen  der  Stadt  bald  eine  geachtete  Stellung  errungen  zu 
haben.  Seine  Bildung  imponirte  den  Anderen,  die  gerne  auf 
seine  Gedanken  eingingen.  Er  unterstützte  arme  und  unver- 
schuldet bankerott  gewordene  Kaufleute  und  übernahm  wohJ 
auch  gelegentlich  deren  juridische  Vertheidigung.*  Stets  rührig 
—  er  machte  Geschäftsreisen  bis  nach  Venedig*  —  und  von 
seltener  Fähigkeit,  gegebene  Situationen  auszunützen,  gelang 
es  ihm,  bei  Christen  und  Türken  sich  gleichen  Einfluss  zu  ver- 
schaffen.' Er  war  in  allen  kaufmännischen  Branchen  wohl  er- 
fahren, besonders  widmete  er  sich  dem  Handel  mit  Edelsteinen, 
wodurch  der  Sultan  auf  ihn  aufmerksam  geworden  sein  soll;^ 
doch  erfreuten  sich  auch  seine  Weine  des  besten  Rufes.^ 

Da  wurde  im  selben  Jahre,  als  Andreas  Gritti  im  Dogen- 
palaste  einzog,  der  junge,  kaum  SOjährige^  Ibrahim  Pascha 
zum  Grossvezier  ernannt.  Gritti  stand  mit  ihm  auf  vertrautem 
Fusse;  waren  es  nun  wirklich  die  geistigen  Fähigkeiten  des 
venetianischen  Dogensohnes,  die  Ibrahim  bewogen,  ihn  sich  zu 
seinem  intimsten  Rathgeber  zu  erwählen,  oder  hatte  der  junge 
Grossvezier  finanzielle  Verpflichtungen  gegen  den  reichen  Kauf- 
herrn, die  er  wettzumachen  suchte,^  genug,  dieser  wurde  durch 


*  Viaggi  alla  Tana  166^. 

'  Mar.  Sannto,  Diarii  XTX,  441  (di  quelle  occorentie  portate  per  il  fiol  na- 
tural di  aier  Andrea  Griti  procurator,  venuto  di  Constantinopoli  qui  con 
nave  di  salumi).  Bei  Gelegenheit  einer  solchen  Geschäftsreise  -wird  es 
wohl  geschehen  sein,  dass  Ludovico  von  seinem  Vater  bei  den  Unter- 
handlungen wegen  der  Uebergabe  von  Verona  an  Venedig  1517  be- 
schäftigt und  als  Geisel  von  Seite  der  Republik  für  die  Einhaltung  der 
Uebergabsbedingungen  gestellt  wurde  (Mocenigo,  Bellum  Cameracense, 
Venedig  1585,  cit.  von  Pallmanu  in  Ersch  und  Gruber  I,  91,  432,  A.  3). 

»  Viaggi  alla  Tana  155^. 

*  Della  Valle  20.  Jovius,  Paulus,  libri  XLV  historiarum  sui  temporis 
Paris  1553.  Üb.  XXXII,  131'.  Simigian,  Historia  rerum  Hnngaricarum 
et  Transsilvanicarum  (bei  Ekler,  Scriptores  rerum  Transsilvanic.  I.),  54.  — 
A.  Cappellari,  Campidoglio  veneto. 

*  Relation  Pietro  Zens',   18.  Nov.  1530,  bei  Alböri,  R.  V.,  Ser.  in,  3,  122: 
Ibrahim  diceva,  non  bevea  moscatello  di  altri,  se  non  quello  d*  esso  ora- , 
tor  e  del  Gritti.  J 

^  Er  ist  1493  oder  1495  geboren.    In  Pietro  Zens'  Relation  vom  24.  Nov. 

1524  erscheint  er  als  29jährig,  in  der  Pietro  Bragadino^s  vom  Jahre  1526 

als  3djährig  angegeben.    Alb^ri,  R.  V.,  Ser.  III,  8,  95.  103. 
^  Daniello  de'  Ludovisi  spricht  1534  (3.  Juni)   im  Senate  in  Venedig  von 

grossen  Diensten,    die  Gritti  Ibrahim  als  Statthalter  von  Griechenland 

geleistet  habe.    Alb^ri,  R.  V.,  Ser.  III,  1,  29.  30. 


11 

ihn  über  seine  bisherige  Sphäre  erhoben;   und  dies  umsomehr, 
als  Ibrahim   ihn   auch   beim  Sultan  einführte.     Qritti  verstand 
es  meisterlich,   den   prachtliebenden   stolzen  Tyrannen   zu  be- 
hAndeln.     Er  fiel,  erzählt  Della  Valle,  vor  ihm  auf  die  Erde, 
und  als  der  Sultan  erklärte,  er  solle  das  nur  lassen,  erwiderte 
er:  wie  die  Sonne  Macht  in  sich  habe,  dem  Menschen,  der  sie  be- 
wundem will,  das  zu  verwehren  und  ihn  zu  blenden,  so  hätte  ihn 
auch  sein  Anblick  geblendet  und  zu  Boden  geworfen.   Lächelnd 
and  huldvoll  entliess  ihn  der  Gewaltige.*  Sein  Glück  war  gemacht. 
Er  wusste  dies  wohl  zu  schätzen.     Er,  den  man  früher 
nur  Lonys,  den  Bastard,  hiess,  Hess  sich  jetzt  prunkend  den 
ySohn  des  Fürsten',  Begogly,  nennen.*    Nur  selten  und  dann  in 
glänzender  türkischer  Kleidung  —  wie  er  ja  stets  sich  als  Voll- 
törke  gerirte,*   freilich    zu   gelegener  Zeit  auch   viel  von  der 
Aufrichtigkeit  seines  Christenthums  redete*  —  meist  zu  Pferde 
und  umgeben  von  seinen  Sclaven,  verliess  er  den  prächtigen 
Palast  in   Galata^*  den  er  in  italienischem  Style  hatte  anlegen 
und  mit  Gärten   umgeben  lassen.     Oft  ergingen  sich  Ibrahim 
und  Suleiman  selbst  in  diesen.^    Er  hatte  sein  Serail,  gerade 
80  wie  der  Sultan,  nur  etwas  kleiner  als  dieses.   Er  gab  gerne 
Einladungen,   hielt   dann   grosse  Tafel,   ass  aber  selber  wenig 
und  trank   nur  stark   gewässerten  Wein.     Nachgerühmt  wird 
ihm  eine  gewisse  Freigebigkeit  gegen  seine  Sclaven,  deren  er 
immer  mehr  in  seinem  Hause  hatte.     Freilich  wollte  er  diese 
Freigebigkeit  auch  stets  gepriesen  wissen.' 

'  Della  Valle,  20.  So  hat  es  ihm  ein  Türke  erzählt,  der  es  seinerseits 
aus  dem  Mande  Ibrahims  haben  will. 

*  Viaggi  alla  Tana  156^.  Jovius  XXXII,  131  a.  Ebenso  in  der  in  der 
Vorrede  zu  Della  Valle  genannten  Biographie  Nicolo  Barberigo*s  über 
Andrea  Gritti,  10. 

»  Viaggi  alla  Tana  167'.  Della  Valle  19.  Vgl.  Nagy  in  Magy.  tOrt.  tAr  HI,  Einl. 

*  So  besonders  gegenüber  den  österreichischen  und  kaiserlichen  Gesandten, 
8.  Cap.  ni,  §.  6. 

*  So  wenigstens  heisst  es  in  den  Berichten  Hieronymns  Laski^s  (bei  B^l, 
Apparatos  ad  historiam  Hungariae,  Posonii  1735,  177),  und  Vespasian^s 
▼onZara,  Gövay  II,  1534,  106  und  116.  Nach  Della  Valle,  19,  wohnt  er 
4iiori  di  Pera',  bei  späteren  Schriftstellern  ist  dann  einfach  Pera  als  Wohn- 
ort angegeben,  so  bei  Simigian,  54  (. .  .  hortos  quos  apud  Peram  habebat). 

*  Della  Valle  18.  Jovius*  Erzählung,  Gritti  habe  Ibrahim  Pascha  eine 
Villa  mit  Gartenanlagen  zum  Geschenk  gemacht,  in  der  sich  dieser  und 
der  Sultan  oft  aufhielten  (XXXII,  131'),  ist  durch  nichts  bestätigt. 

'  Viaggi  alla  Tana  157',  158'.     Della  Valle  19  f. 


12 

Sein  Aeusseres  schildern  Della  Valle  und  Ramberti:  trotz 
seiner  50  Jahre  war  sein  Haar  noch  ungebleicht,  was  ihm  ein 
bedeutend  jüngeres  Aussehen  gab.  Er  war  sehr  gross  und 
schön  gebaut,  sein  Haar  war  schwarz,  seine  Gesichtsfarbe  tief- 
braun, seine  grossen  schwarzen  Augen,  über  denen  die  Brauen 
zusammengewachsen  waren,  erschienen  von  ungemeiner  Leb- 
haftigkeit. Er  sprach  mit  Wärme,  begleitete  jedes  seiner  Worte 
mit  lebhaften  Bewegungen  von  Auge  und  Hand  und  wusste 
selten  ein  Ende  seiner  Reden  zu  finden.  Sein  ganzes  Gebahren 
machte  den  Eindruck  des  Hastigen,  Uebereilten.*  Des  Oefteren 
bemerkte  er,  dass  er  stolz  darauf  sei,  Alles,  was  er  sei  und 
habe,  durch  Tüchtigkeit  erlangt  zu  haben,  während  es  Andere 
zumeist  nur  der  Gewalt  oder  dem  blinden  Glücke  einer  Erb- 
schaft verdankten.  Er  verstand  griechisch,  türkisch  und  ita- 
lienisch,  aber  nicht  lateinisch.^  In  seinen  Händen  häufte  er 
ungeheure  Reichthümer  auf.  Es  war  ihm  dies  um  so  leichter 
möglich,  als  sein  mächtiger  Gönner  ihm  die  Steuern  ganzer 
Länder  zu  eigen  geben  konnte  oder  ihm  so  viele  Handels- 
monopole verschaffte,  als  er  wollte.^  Denn  als  Kaufmann  ftihlte 
er  sich  auch  noch  zur  Zeit  seiner  glänzendsten  Stellung.  Der 
Ausspruch  des  italienischen  Renegaten  und  Pfortendolmetschers 
Junisbeg  dem  kaiserlichen  Gesandten  Schepper  gegenüber:  ,Er 
will  Herr  sein  und  zugleich  Kaufmann  —  er  kann  seine  eigent- 
liche Natur  nicht  vergessen^,*  war  ganz  richtig;  es  wird  oft 
genug  zu  constatiren  sein.  Der  Standpunkt  des  Profites  hörte 
nie  auf,  für  ihn  eine  Rolle  zu  spielen. 

Es  lag  in  der  Natur  der  Sache,  dass  der  so  gross  Ge- 
wordene bald  Gelegenheit  finden  musste,  sich  in  politische  Dinge 
zu  mengen;  vorerst  in  die  die  Republik  Venedig  betreffenden 
Fragen,  für  deren  Verhältnisse  er  ehestens  Verständniss  haben  oder 
doch  zu  haben  vorgeben  konnte.  Greifbare  Formen  nahm  seine 
Einwirkung  erst  zu  einer  Zeit  an,  zu  deren  Erkenntniss  ein  Ein- 
gehen auf  die  Zustände  in  Ungarn  seit  1526  unerlässlich  ist. 


»  Viaggi  allaTana  167  «^/^  Della  Valle  18.  —  Ein  Bild  Gritti^s  findet  sich 
in  der  k.  u.  k.  Fideicommissbibliothek  in  Wien.  (M.  Beather  von  Karl- 
stadt, Bildnisse  vieler  .  .  .  Kaiser,  Könige,  Fürsten  n.  s.  w.  Basel  1682 
S.  276  f.). 

«  Viaggi  alla  Tana  167  ^  168'.    Della  Valle  18.    G6vay  II,  1634,  120. 

■  Jovius  bei  Katona,  Historia  critica  Regum  Hungariae  XX,  917.  —  Vgl. 
Cap.  m,  §.  3.  *  G4vay  II,  1634,  38. 


13 


Capitel  IL 

Lndovico  Oritti  als  Mittelsperson  in  Constantinopel. 

Die  Sendung  Hieronymns  Laski^s. 

Um  Ungarn  stritten  seit  König  Ludwigs  IL  Tode  bei  Mo- 
hAcs  (26.  Augast  1526)  zwei  Prätendenten;  der  vertragsmässige 
König  Ferdinand  L  und  der  nationale  Candidat,  der  Woiwode 
von  Siebenbürgen,  Johann  Zäpolya.^ 

Auf  des  Ersteren  Seite  stand  nicht  blos  sein  mächtiger 
Bruder,  Kaiser  Karl  V.,  sondern  es  sympathisirte  mit  ihm  auch 
der  Schwager  seines  Gegners,  König  Sigismund  von  Polen. 
Auf  Zäpolya's  Seite  traten  Bayern,  Venedig  und  —  wenn  auch 
mit  Vorsicht  —  der  Papst  Clemens  VIL,  vor  Allem  aber  der 
erbittertste  Feind  des  habsburgischen  Hauses,  Franz  I.  von 
Frankreich.  Schon  am  2.  JuU  1527  brachte  Hieronymus  Laski  ^ 
als  Gesandter  Zdpolya's  bei  König  Franz  eine  französisch-unga- 
rische Allianz  zu  Stande,  der  vorläufig  auch  Venedig  beitrat. 
Der  Definitivvertrag  zwischen  den  zwei  erstgenannten  Mächten 
folgte  am  28.  October  1528.  —  Im  Juli  1527  fand  auch  des 
Woiwoden  geflirchtetster  Gegner,  der  Serbe  Jovan,  bei  Tomyos 
sein  Ende  —  ein  letzter  Lichtblick  für  den  nationalen  Präten- 
denten. 

Mit  einer  verschwindend  kleinen  Armee*  begann  König 
Ferdinand  den  Krieg.  In  rascher  Folge  —  kaum  einem  hal- 
ben Monat  —  fielen  Raab,  Komorn,  Tata,  Gran,  Visegrad  und 
endlich  am  20.  August  Ofen  in  seine  Hände,  von  wo  aus  der 
si^reiche  König  einen  Reichstag  auf  den  29.  September  aus- 
aehrieb.  Niclas  Salm  erstürmte  Erlau  imd  zersprengte  das  Heer 
Zdpolya's  bei  Tokaj  am  26.  September;  dessen  fähigster  Partei- 


'  Die  Skixze  der  ungariflchen  Verhältnisse  bis  zur  Sendung  Laski*s  ent- 
nehme ich  aus  Hnber,  Gesch.  Oesterreichs  IV,  6  ff.,  und  Fessler-Klein, 
Gesch.  von  Ungarn  HI,  421  ff. 

*  Laski  war  polnischer  Senator  und  Palatin  von  Siradien,  stand  zuerst  in 
Diensten  bei  König  Sigismund  von  Polen  und  begab  sich  dann  zu  Z4- 
polya.    Vgl.  S.  14  A.  8. 

*  Pessler-KIeiu  III,  422. 


14 

ganger,  Christoph  Frangepan,  fand  bei  der  Belagerung  von 
Warasdin  seinen  Tod.  Am  7.  Oetober  wurde  Ferdinand  in 
Ofen  zum  König  von  Ungarn  gewählt,  am  3.  November  in 
Stuhlweissenburg  gekrönt.  Verzweifelnd  war  Z&polya  nach 
Siebenbürgen  geflohen.  Aber  auch  dieses  musste  er  schon  im 
November  (1527)  wieder  verlassen.  Ferdinand  aufzuhalten  ver- 
mochte höchstens  der  mächtige  Nachbar,  der  Sultan.  Der 
nationale  ungarische  König  wandte  sich  an  den  ttlrkischen 
Despoten. 

Die  türkische  Regierung,  besser  gesagt,  der  sie  repräsen- 
tirende  allmächtige  Ibrahim  Pascha,  kam  ihm  dabei  auf  halbem 
Wege  entgegen.  Ein  Agent  des  Qrossveziers  hatte  Zäpolya 
besucht  —  vermuthlich,  ihm  die  Unterstützung  der  Pforte  an- 
zutragen — ,  bevor  dieser  sich  entschloss,  Hieronymus  Laski 
nach  Constantinopel  zu  senden.* 

Schon  war  der  Ruf  Ludovico  Gritti's  nach  Ungarn  ge- 
drungen; hatte  er  doch  im  Vereine  mit  Venedig  die  Türken 
von  ihrer  Absicht,  in  Ungarn  einzufallen  und  Zäpolya  zu  de- 
possediren,  abgebracht.*  Dieser  gab  also  seinem  Abgesandten 
ein  Schreiben  an  ihn  mit,  mit  welchem  Laski  am  22.  December 
1527  am  goldenen  Hom  anlangte.^ 

Der  Empfang  bei  den  türkischen  Herren  war  nicht  der 
beste.*  Mustapha  Pascha  war  kurz  angebunden,  bei  Ibrahim 
kam  er  gar  nicht  vor.  Da  besuchte  ihn  —  am  26.  December 
—  Ludovico  Gritti.  Der  schlaue  Pole  hatte  ihn  bald  durch 
Versprechen  von  Belohnungen  und  Geschenken  gewonnen.  Zwar 


*  Mar.  Sanato,  Diarii  V,  43  bei  Lamansky,  Secrets  d^^tat  de  Venise. 
St.  P^terebourg  1886,  782,  A.  1. 

'  Hierauf  hat  zuerst  Simigian  66  ff.  aufmerksam  gemacht,  wenn  auch  darin 
zu  weitgehend,  dass  er  Gritti  einen  Parteigänger  Johanns  von  allem  An- 
fange nennt  Vgl.  die  von  Ibrahim  an  Laski  gerichteten  Worte  (in  der 
Historia  arcana  legationis  nomine  Johannis  Regis  ad  Solymannum  Tur- 
carum  Imperatorem  bei  B61,  Apparatus  169—189  (s.  S.  11,  A.  5),  167: 
Si  non  fuissent  oratores  veneti  et  filius  illius  reipubUcae  ducis,  ad  quem 
etiam  tu,  scio,  litteras  attuUsti,  hac  elapsa  aestate  gustassemus  et  Ferdi- 
nandum  et  dominum  tuum.    Vgl.  8.  15,  A.  2. 

'  B61  159  und  165.  Vgl.  die  auf  eingehende  archivalische  Forschungen 
gegründete  Monographie:  Hieronim  Laski  przez  Aleksandra  Hirschberga. 
We  Lwowie  1888  (Hieronymus  Laski  von  Alexander  Hirschberg.  Lem- 
berg.1888). 

*  Hiefür  und  für  das  Folgende:  B^l,  160—189. 


15 

konnte  ihm  Gritti  vorderhand  nur  schrifUich  und  mündUch  ver- 
sichern^ dass  das  Wohlwollen  des  Sultans  ftlr  Ungarn  durch 
jährlichen  Tribut  erworben  werden  müsse^  erwirkte  ihm  aber 
eine  Audienz  bei  Ibrahim  Pascha  —  am  28.  December  — ,  in 
welcher  der  Grossvezier  allerdings  nicht  sehr  entgegenkommend 
war,  schliesslich  jedoch  Gritti  die  Leitung  der  Verhandlungen 
übertrug,  was  ein  günstiges  Resultat  kaum  mehr  zweifelhaft  er- 
scheinen liess.  Thatsächlich  gelang  es  Gritti,  trotzdem  er  ge- 
rade am  Wechselfieber,  das  ihn  häufig  befiel,  Utt,  Ibrahim  dazu 
SU  bringen  —  nach  dem  Laski'schen  Tagebuche  war  dies  schon 
am  2.  Jänner  der  Fall  —  auf  den  Tribut  zu  verzichten  und 
sich  mit  jährlicher  Sendung  von  Gesandten,  welche  ,Geschenke' 
von  10.000  Gulden  Werth  mitbringen  sollten,  zu  begnügen; 
auf  Laski's  Ansinnen,  die  Pforte  möge  Syrmien,  wo  viele  un- 
garische Edelleute  Weingärten  hätten,  zurückstellen,  ging  der 
Grossvezier  freilich  nicht  ein.  Dass  bei  dieser  Sendung  von 
,6eschenken'  nur  das  Wort  ein  anderes,  die  Sache  aber  die- 
selbe war  wie  fiiiher,  war  Laski  nicht  im  Geringsten  zweifel- 
haft. So  arbeitete  er  nun  mit  allen  Mitteln;  er  bestach  Gritti, 
dorch  dessen  Hand  nach  Ibrahim  Pascha's  ausdrücklichem 
Wunsche  alle  Verhandlungen  gehen  sollten,  mit  dem  durch 
seine  Unterschrift  bekräftigten  Versprechen,  ihm  die  Einkünfte 
eines  ungarischen  Bisthums,  vorläufig  ein  Jahreseinkommen  von 
3000 — 4000  Gulden,  zu  sichern.  Mit  Aufwand  aller  Ueber- 
redungskunst  brachte  nun  Gritti  Ibrahim,  dem  er  nach  seiner 
eigenen  Aussage  mit  guten  Worten  mehr  abzuringen  vermochte 
als  mit  Vemunfl;gründen,*  endlich  dazu,  auf  die  von  Laski  vor- 
geschlagene Sendung  von  Gesandten  mit  ,Geschenken*  von  je 
fönf  zu  ftlnf  Jahren  einzugehen.  Laski  war  sich  bewusst,  was 
er  Gritti  verdankte.  In  seinen  an  Zäpolya  und  Statilius,  Bischof 
von  Weissenburg  in  Siebenbürgen,  gerichteten  Briefen  vom 
23.  und  24.  Jänner  1528  betont  er:  ,Der  Hilfe  Ludovico  Gritti's 
verdanken  wir,  dass  Alles  glücklich  zu  Ende  gediehen  ist. 
Wäre  er  nicht  gewesen,  wir  hätten  nichts  erreicht;  wie  gut 
doch,  dasB  wir  jene  Briefe  an  ihn  richteten,  die  uns  weit  mehr 
nützten  als  die  an  die  Paschas.'  ^    Am  27.  Jänner  empfing  ihn 

*  Er  selb«!  sagt  zu  Laski :  . .  .,  qaia  plus  humanis  verbis  efficere  deberem 
quam  rationibuB  apud  illum!    Bei  174. 

*  K.  o.  k.  Haas-,  Hof-  o.  Staatsarchiv,  Wien.     H.  Laski  an  Z^polja.    Con- 
stantinopel,  23.  Januar  1528:   . . .  tarnen  adiutns   hie  fideli  obsequio   ac 


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17 

•»*   Karl  V.  ihren   Untergang  beflirchtend,  schmiegte  sich  an 
•»   gewaltige   Osmanenreich,^   von   dem   es   Hilfe    gegen   den 
aiser  und  Schonung  seiner  SchiflFahrt  erhoffen  konnte.     Die 
•maoenmonarchie  und  das  Habsburgerreich  zu  kriegerischem 
läammenprall  zu  bringen,  wurde  jetzt  das  Hauptziel  venetia- 
*cber  Staatsweisheit.    Der  Gedanke  war  um  so  verlockender, 
•   die  Republik  in  Ludovico  Gritti  den  einflussreichsten  Vor- 
^aipfer  an  der  hohen  Pforte  besass.    Schon  im  Mai  1527  for- 
t'rte  der  Rath  der  Zehn,  der  die  diesbezüglichen  Verhandlun- 
■a  mit  Ausschluss  des  Senates  pflog,^  in  einer  Depesche  zum 
age  nach  Wien  auf.^    Es  ist  nicht  ganz  klar,  welche  Stellung 
iitti  hiezu  eingenommen  haben  mag.     Er  hatte  sich  ja  eben 
.mals  gegen  eine  Depossedirung  Johanns,  die  bei  Gelegenheit 
aes  Zuges  nach  Wien,  wenn  auch  durchaus  nicht  in  der  Ab- 
gilt Venedigs,  so  doch  in  der  Suleimans  liegen  konnte,  ver- 
-«det.^   Als  aber  im  Frühjahre  1528,  da  Zäpolya  selber  Krieg 
igen  Oesterreich  erklären  zu  können  vermeinte,  die  Republik 
m  Neuem  die  Türken  auf  Wien  zu  hetzen  begann,  hernach 
*m  Sandschak   von   Bosnien   und   Andere   mit   Geld   bestach, 
*JKit  sie    in    die   habsburgischen   Erblande   einfielen*   —   ein 
Zugang,   der   übrigens   in   Wien   nicht  unbekannt  blieb  ^  — , 
4»d  Gritti  mit  der  weiteren  Durchflihrung  dieser  Aufgabe  be- 
OBt'   Venetianische  Arbeit  war  es,  welche  die  Gefangennahme 
•fcr  Gesandten  Hoberdanacz  und  Weixelberger  bewirkte;^   in 
d5cr  Depesche  vom  21.  Jänner  1529  trägt  der  Rath  der  Zehn 
im  venetianischen  Gesandten  auf,  Ibrahim  Pascha  zu  bitten, 
m  solle    losschlagen,    bevor   Ferdinand   Zdpolya   überwältigte, 
4mn  Oesterreich  wolle  nur  Alles  heimtückisch  in  die  Länge 
Ahcn;^    so    ging    es    fort    das   ganze   Frühjahr   hindurch,   im 


»  Lamansky  772—780. 

'  Ebendaa.  787. 

■  Ebenda«.  780.    Die  Urkunden  sind  datirt  vom  13.  und  27.  Mai. 

*  s.  S.  14,  A.  2. 

»  Lamansky  782,  A.  3.  Venedig,  22.  April  und  24.  Juli  1628. 

♦Ygl.  S.  18,  A.  1. 

'  Vgl.  Lamansky  782.  787.  788.  789.  790. 

■Gevay  I,  1528,  64  (Gesandtschaftsbericht  der  Beiden):  ,Pro  qua  deten- 
tione  Veneti  ipsi  Ibraim  Bassae  sponte  sna  promiaerunt  100.000  florenos 
et  pro  Caesare  lapidem  quendam  potissimum  Venetiis  existentem,  quem 
ab  eis  a  multis  temporibus  habere  cupit.* 

*  Lamansky  785. 

AnUr.  LXXXIU.  Band.  I.  HUfU).  2 


18 

grössten  Geheimniss,  Alles  nur  durch  Gritti's  Hände;  aus- 
drücklich versichert  ein  an  Ferdinand  I.  gerichtetes  anonymes 
Schreiben  aus  Constantinopel^  dass  Ludovico  Qritti  die  Seele 
aller  gegen  das  Haus  Oesterreich  gerichteten  Entwfirfe  und 
Rüstungen  sei,  und  dass  die  Venetianer  40.000  Reiter  bei  einem 
derartigen  Kriege  auf  eigene  Kosten  erhalten  wollten.*  Venedig 
sah  all  sein  Heil  nur  in  einem  erfolgreichen  Verstösse  der  Tür- 
ken gegen  Oesterreich.* 

Als  Suleiman  den  Krieg  wirkUch  begann,  hatte  Gritti  genug 
damit  zu  thun,  die  unermüdlichen  Ergebenheitsversicherongen 
dem  Sultan,  wie  der  Rath  der  Zehn  verlangte,  zur  Keimtniss 
zu  bringen,'  um  nach  Suleimans  erfolglosem  Zuge  wieder  die 
Aufgabe  übernehmen  zu  müssen,  Venedig,  das  jetzt  in  schneller 
Wendung  nicht  genug  Worte  der  Freude  über  die  Abwendung 
der   Gefahr,    die    der    gesammten   Christenheit  gedroht   habe,* 

*  K.  u.  k.  HauÄ-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  —  Anonymes  Stück  vom 
10.  Mftrz  1529  mit  der  Aufschrift:  «Serenissimo  et  inWctissimo  principi 
meo  clementissimo  Ferdinand©  Ungarin  et  Boemi^  regi.  —  Tureos  et 
Veneti.  —  (Chiffrirt:)  .  .  .  Dicunt  aliqui  pro  certo,  quod  omnia  ista  facit 
Aloisius  Gritti,  filius  bastardus  ducis  Venetorum,  cui  Johannes  Scepn- 
siensis  promisit  archiepiscopatom  Strigoniensem,  episcopatum  Quinque- 
ecclesiamm  et  Transilvaniarum  (?).  Dictus  .  .  .  Aloisius .  .  .  nomine  do- 
minii  Venetorum  promisit  imperatori  Tnrcarum,  quod  non  timeat  per 
mare  dominium  Venetorum,  bene  provideret  per  mare  cum  maxima  ar- 
mata.  Itaque  Caesarea  Maiestas  cogetur  amittere  regnum  Neapolitanum 
et  Apuliam  et  rogaverunt  Veneti  imperatorem  Turcarum,  quod  faciat 
apparatum  contra  Maiestatem  Vestram  in  Hungaria  et  solvunt  sibi  quadra- 
ginta  millia  equitum  in  ipsorum  expensis  .  .  .*  Vgl.  auch  Propst  Johann 
von  Agram  an  König  Ferdinand  I.,  1.  Juni  1529:  .  .  .  Praeterea  nequa- 
quam  imperator  Turcharum  fuisset  ausus  movere  se  de  Constantinopoli, 
ut  iret  in  Hungariam,  sed  perfidi  Veneti  semper  mittebant  postas  ad 
Constantinopolira  et  referebant,  quae  subsidia  habuit  Maiestas  Veatra  in 
imperio,  quae  et  in  aliis  regnis  suis,  anuendo  esse  illa  parvi  momenti; 
ista  faciunt  Veneti  et  maiora,  et  forsan  Dens  amovet  istius  nephandissimi 
inimici  et  animum  et  vires.* 

*  Venedig,  Archivio  di  Stato,  Senato  Secreti  t.  53,  187^.  188^  189^—198': 
Senat  an  L.  Gritti,  1529,  25.  Aug.:  ,Noi  habbiamo  tutta  1a  speranza  nostra 
nelli  prosperi  successi  del  serenissimo  Gran  Signor  et  ö  necessaxio  che 
per  liberame  da  questo  .  .  .  periculo  tu  debbi  sollicitar  il  magnifico  Bassa 
ad  penetrar  nella  Austria*  (190');  199 '—200'. 

Briefe  Gritti's  (Originale)  sind  trotz  angestellter  Nachforschungen 
im  Archivio  di  Stato  nicht  aufzufinden  gewesen. 

*  Lamanskj  788.  789. 

*  Ebendas.  773.  791. 


19 

« 

finden  konnte^  bei  der  Pforte  wegen  des  mit  Karl  V.  abge- 
schlossenen Friedens  von  Bologna  —  am  23.  December  1530 
—  zu  entschuldigen  und  die  hierüber  entstandene  Missstimmung 
zu  bannen.^ 

Diese  Verdienste  um  die  Repubhk  haben  es  ihm  wohl 
ermöglicht,  seine  Tochter  Marietta  mit  dem  Angehörigen  eines 
hochstehenden  venetianischen  Patrizierhauses,  Vincenzo  Cicogna, 
za  vermählen.* 

Dass  nun  Gritti,  der  seit  1530  das  Feld  seiner  Thätigkeit 
nach  Ungarn  verlegt  hatte^  seit  dieser  Zeit  auf  eine  enge  Allianz 
der  Pforte  mit  Venedig  hinarbeitete,  war  nicht  im  Sinne  der 
Republik,  ja  der  Gesandte  Daniello  de'  Ludovisi  erklärte  im  Senate 
nmdweg,  es  scheine  ihm,  dass  es  Ludovico  bei  diesem  Be- 
streben hauptsächhch  um  seinen  Vortheil  zu  thun  sei;'  dass 
CT  sich  mit  dem  Vicebaylo  Venedigs,  Pietro  Zen,  nicht  vertrug, 
machte  ihn  dort  schwerlich  sympathischer;*  so  ist  es  verständ- 
lich, dass  Alvise  Mocenigo  dem  Dogen  in  offener  Senatssitzung 
zarufen  konnte,  es  wäre  besser,  der  Mann  wäre  nicht  geboren 
worden;^  gleichwohl  haben  sich  die  venetianischen  Behörden 
auch  weiterhin  seines  Einflusses  bei  dem  mächtigen  Nachbar, 
dem  sie  sich  immer  gerne  entgegenkommend  erwiesen,'^  bedient 


»  Lamimsky  791.  Venedig,  Archivio  di  Stato,  Sen.  Secr.  t  53,  271'/^,  t.  54, 
1^/2'.  Diese  Missstimmung  war  aber  so  stark,  dass  Ibrahim  Pascha,  der 
zuerst  türkische  Geschwader  in  die  venetianischen  Häfen  hatte  legen 
wollen,  trotz  der  Gegenvorstellungen  Gritti*s  die  türkische  Flotte  auf 
eine  für  Venedig  bedenkliche  Weise  verstärken  liess  (Pamta,  Historia 
VinetUna.  Venedig  1645,  388-390). 

'  L.  Gritti  an  Marco  Contarini.  Ofen  1529,  Sept.  17.  Original  in  der 
Biblioteca  Marciana,  Venedig.    S.  Anhang  Nr.  1. 

'  Relation  Daniello  de'  Ludovisi^s  vom  3.  Juni  1534.  Alberi,  Rel.  Yen., 
Ser.  in,  1,  29—32.  Vgl.  übrigens  auch:  Senat  an  Pietro  Zen,  15.  Dec. 
1531  (er  soll  Gritti  ermahnen,  Venedig  treu  wie  bbher  zu  bleiben), 
Sen.  Secr.  54,  100^101^  (Venedig,  Archivio  di  Stato). 

*  Venedig,  Archivio  di  Stato,  Secr.  Consiglio  X,  LXXXIV,  3,  59^/60^ 
Sen.  Secr.  54,  1'/^ 

*  Venedig,  Biblioteca  Marciana.  Marino  Sanuto,  Diarii,  Bd.  54,  244  "^ 
(Juni  1531). 

*  So  theilen  der  Doge  und  die  Capi  del  Consiglio  Gritti  am  11.  Juli  1533 
mit,  der  Proweditore  del  Zonte  habe  Auftrag  erhalten,  den  türkischen 
Flottencommandanten  von  einem  von  Seite  Genuas  vorbereiteten  Ueber- 
£alle  des  von  den  Türken  besetzten  Corone  zu  unterrichten.  Venedig, 
Archivio  di  Stoto,  Secr.  Cons.  X,  LXXXIV,  4,  Nr.  12. 

2* 


20 

und  ist  derselbe  noch  öfter  Venedig  nützlich  geworden.  An- 
lässlich eines  Zusammenstosses  des  venetianischen  Proweditore 
Canale  mit  türkischen  Raubschiffen  hat  er  sich  möglichst  ftlr 
ersteren  eingesetzt  und  überhaupt  sich  sehr  bemüht,  den  Sultan 
von  dem  Gedanken  eines  für  Venedig  leicht  bedrohlichen  See- 
krieges abzuhalten.^  Seiner  Einwirkung  ist  auch  hauptsächlich 
die  rasche  und  entgegenkommende  Erledigung  der  Bitten  Ve- 
nedigs um  Getreide  im  Jahre  1533  zuzuschreiben.*  In  Geschäfts- 
verbindung mit  venetianischen  Kaufleuten,  besonders  mit  seinem 
Bruder  Lorenzo,  ist  er  bis  an  sein  Lebensende  gestanden.^ 
Auch  scheint  er  gelegentUch  die  venetianischen  Bibliotheken 
mit  Beiträgen  aus  den  wissenschaftUchen  Schätzen  des  von  ihm 
jverwalteten'  Königreiches  Ungarn  bereichert  zu  haben.* 

Diesem  Lande  wendete  er  nun  sein  politisches  Literesse  zu. 


Capitel  IIL 

Die  Rolle  Gritti's  in  Ungarn. 

§1. 
Erste  Entwttrfe.    Das  Jahr  1529. 

Zdpolya's  Lage  war  im  Laufe  des  Jahres  1528  bedeutend 
günstiger  geworden.  Das  Bündniss  mit  der  Pforte  allein  hätte 
dies  bewirken  können;  dazu  kamen  einige  glückliche  Gefechte, 
die  klägliche  Niederlage  der  Gesandten  Ferdinands  I.  in  Con- 
stantinopel,  endlich  der  definitive  Abschluss  des  ungarisch-fran- 
zösischen Bündnisses  am  28.  October  1528.^ 


»  Paruta  365.  366.  386. 

'  Die  Richtigkeit  des  Berichtes  Della  Valleys  (34),  dass  eine  in  Venedig 
herrschende  Getreidenoth  den  Dogen  und  den  Rath  der  Zehn  bewogen 
habe,  sich  nach  Constantinopel  um  Getreide  zu  wenden  und  LudoYico 
von  Ibrahim  den  Befehl  zur  Sendung  von  fünf  mit  Getreide  beladenen 
Schiffen  erwirkt  habe,  wird  durch  die  einschlägigen  Actenstücke  des 
Archivio  di  Stato  in  Venedig  bestätigt  (Secr.  Cons.  X,  LXXXIV,  3,  Nr.  9. 
23).     Aehnliches  in  Sen.  Secr.  66,  125'/^  140'--141^  142^— 143^ 

»  s.  S.  33. 

*  So  soll  Cod.  644  der  Wiener  Hof  bibliothek  nach  darin  enthaltener  An- 
gabe von  ihm  der  Bibliothek  des  Mathias  Corvinus  entnommen  und  nach 
Venedig  gesendet  worden  sein. 

«  Fessler-Klein  UI,  429  ff.    Huber  IV,  9-12. 


21 

Und  nun  begann  noch  Suleiman  seinen  zweiten  grossen 
Eriegszog. 

Der  Antheil  Venedigs  und  Gritti's  als  dessen  Vertreter 
hieran  ist  früher  erörtert  worden.  Sie  hatten  unaufhörlich  zum 
Kriege  gehetzt.  Aber  das  bereits  genannte  anonyme  Schreiben 
an  König  Ferdinand  versichert  auch^  Suleiman  trage  sich  mit 
der  Idee,  Gritti  zum  Gouverneur  von  Ungarn  zu  machen,  eine 
Meldung,  deren  Richtigkeit  der  Briefschreiber  bezweifelt.^  Hält 
man  hiezu  die  allerdings  etwas  wunderliche  Nachricht  bei  Ber- 
nardin  von  Pisino,  dass  Ibrahim  Pascha  für  Gritti 's  Ernennung 
zam  König  von  Ungarn  gegen  eine  jährliche  Tributzahlung 
von  80.000  Ducaten  eintrete,*  so  dürfte  daraus  zur  Genüge  er- 
hellen, wie  vermessen  Gritti  seine  Pläne  ausspannte  und  wie 
wenig  Zipolya  sich  auf  seinen  ,Ge8andten  und  Sachwalter^ 
verlassen  konnte.  Wie  ein  Hohn  klingt  dagegen  die  Versiche- 
nmg  des  Dalmatiners  Tranquillus,  Gritti's  Secretärs,  an  den 
Gesandten  Zäpolya's  in  Venedig,  Bonzano,  dass  Ludovico  Gritti 
das  königliche  Interesse  auf  das  Genaueste  und  Umsichtigste 
versehe.'  So  weit  kam  es  nun  freilich  nicht.  Als  Suleiman 
am  10.  Mai  1529  Constantinopel  verhess,  ward  Gritti  die  Rolle 
eines  Armeelieferanten  zugedacht.*    In  dieser  Eigenschaft  wur- 


'  8.  S.  18,  A.  1.  Es  heisst  dort  im  Weiteren:  ,Et  dicant  quidam,  impera- 
torem  Turcarum  velit  constituere  predictum  Gritti  gubematorem  in  Hun- 
gmria,  quod  ego  non  credo,  quia,  si  posset  occupare  Hungariam,  aliud 
baberet  in  animo.' 

*  K,  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarcbiv  in  Wien.  Anonymes  Scbreiben,  offen- 
bar an  König  Ferdinand  (obue  Adresse),  vom  29.  September  1528,  Wien. 
Ibrabim,  beisst  es  bier,  der  Gritti  50.000  Ducaten  scbuldig  ist,  ,per  in- 
stantia questa,  cbe  Abraim  Bassa  stentasse  per  esso,  cbe  gran  turco  fa- 
cesse  esso  Re  de  Ungaria  et  questo  fiolo  de  Principe  (Ludovico  Gritti) 
8«  obligato  dare  ogni  anno  millia  ottanta  ducatorum  de  tributo  a  gran 
Turco  et  per  questo  e  statto  Abraim  Bassa  da  gran  Turco'. 

*  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarcbiv  in  Wien,  13.  März  1529.  ,Magnificu8 
dominus  Ludovicus  Gritti  ^enuissime  ac  fideliter  procurat  negotia  regia.* 
Seine  (Gritti's)  Bebauptung,  man  babe  ibm  Ungarn  angeboten,  er  es  aber 
zurückgewiesen,  kann  sieb,  wenn  sie  überbaupt  erfolgt,  nicbt  bieber  be- 
siehen,  weil  der  dabei  gemacbte  Zusatz,  er  kenne  dieses  Volk,  nur  mit 
Beziehung  auf  die  Opposition  gegen  seine  Ernennung  zum  Reicbsguber- 
nator  verständlicb  wird.     (G^vay  H,  1534,  49.) 

*  Della  VaUe  21.  ,Non  cioö  da  maravigliarsi,  perch^  deir  anno  1529  .  .  . 
Solimanno  .  .  .  diede  canco  al  mio  signore  di  far  condare  infinitta  vitto- 
vaglia  dietro  V  esercito.* 


22 

den  ihm  wohl  die  von  Suleiman  in  seinem  Tagebuche  erwähnten 
30.000  Ducaten  und  30.000  Piaster  geliehen.^  Am  19.  August 
war  der  Sultan  in  Mohäcs;  dort  huldigte  ihm  Zdpolja;  am 
3.  September  kam  er  vor  Ofen  an,  wo  Thomas  Nddasdy  an 
der  Spitze  einer  kleinen  Besatzung  die  Vertheidigung  leitete. 
Aber  schon  fünf  Tage  später  musste  er  die  Stadt  räumen,  am 
10.  September  auch  das  Castell,  wohin  er  sich  zuletzt  zurück- 
gezogen hatte.  Er  verdankte  seine  Rettung  dem  Schutze  Gritti's, 
sowie  der  Fürsprache  der  Bischöfe  Broderics  und  Statilius. 
Gegen  das  Versprechen,  nicht  zu  Ferdinand  zurückzukehren 
und  nie  gegen  Zäpolya  zu  kämpfen,  wurde  er  freigelassen.* 
Dieser  wurde  am  14.  September  durch  die  Janitscharen  in  Ofen 
inthronisirt,^  der  Sultan  aber  verliess  die  Stadt,  um  gegen  Wien 
zu  ziehen.  Gritti  als  Beirath  des  von  der  Pforte  Gnaden  ein- 
gesetzten Königs  blieb  in  Ofen  zurück,  mit  ihm  Hassanbeg 
und  3000  Türken.*  Die  Quellen  berichten  nichts  daiüber,  wie 
Gritti  seine  Rolle  als  Rathgeber  auffasste.  Sicher  ist  nur,  dass 
er  noch  vor  Abreise  des  Sultans  von  Ofen  —  29.  October  — 
von  seinem  König  zum  Generalschatzmeister  und  zum  Bischof 
von  Erlau  —  das  war  das  von  Laski  versprochene  Bisthum  — 


*  Suleimans  II.  Tagebuch  auf  seinem  Marsche  von  Constantinopel  nach 
Wien  1629.  Mit  deutscher  Uebersetznng  herausgegeben  von  Behmauer, 
Wien  1868.  Unter  (2)  11.  Mai:  ,Dem  in  Galata  wohnenden  Sohne  des 
fränkischen  Fürsten  (Ludwig  Gritti)  wurden  30.000  Ducaten  und  30.000 
Piaster  baares  Geld  geliehen/  —  Für  das  Folgende  Huber  IV,  20—22- 
Fessler-Kleln  lU,  436  ff. 

»  ürsinus  Velins,  De  hello  Pannonico,  106  (bei  Katona  XX,  478).  Vgl. 
Istvanfi,  EUstoriarum  de  rebus  ungaricis  libri  XXXIV.  Coloniae  Agrip- 
pinae  1622,  166. 

^  Dass  hiebei  Gritti  hervorragend  beschäftigt  wäre,  habe  ich  nicht  wie 
Fessler-Klein  in,  438  aus  dem  von  diesem  citirten  Berichte  herauszu- 
lesen vermocht 

*  Nach  Zermegh  (im  Dienstverhältnisse  zu  Stanislaus  VÄrallyai,  Propst  in 

Ofen,  stehend)  401  waren  die  zurückgelassenen  Türken  theils  Cavalleri- 

sten  unter  Hassanbeg,  theils  Seemannschaft  für  die  türkische  Donauflotille 

unter  Mumyiibeg.  —  Brutus,  Mich.,  Ungaricarum  rerum  libri  XIII  in  Mo- 

numenta  Hungariae  historica  scc  (Bd.  XII — XIV),  XIII,  386.  —  Velius  106. 

—  Simigian  66:  ,Solimanus  .  .  .  adiunxerat  ei   (Z4polya)  Grittium,  nt  ea 

pararent,  quae  confirmando  regno  opportuna  viderentur.*  Die  Behauptung 

R^v^z\  Gritti  sei  mit  nach  Wien  gezogen  (8.  166),  ist  falsch  und  scheint 

auf  einem   Miss  Verständnisse  der  8.  21,  A.  4  mitgetheilten  Stelle  zu  be- 
ruhen. 


23 

^nannt  wurde,^  zwei  recht  einträgliche  Posten,  die  dem  hab- 
süchtigen Manne  recht  gelegen  kommen  mochten.  So  traurig 
Zäpolja's  Lage  in  dem  mit  türkischen  Soldaten  erfüllten  Ofen 
war^  so  konnte  er  doch  gerade  jetzt  am  allerwenigsten  seines 
arglistigen  ,Rathgebers^,  der  ihn  auf  jede  Weise  ausnützte  — 
noch  im  Oetober  hatte  er  ihm  2000  Ducaten  geben  müssen  *  — 
entrathen;  war  doch  von  dem  Missmuthe  Solimans  über  die 
erfolglose  Belagerung  Wiens,  anderseits  auch  von  dem  Reichs- 
tage in  Augsburg,  von  dem  Ferdinand,  der  unterdessen  Lam- 
berg  und  Jurisics  nach  Constantinopel  geschickt  hatte,  sich  aus- 
giebige Hilfe  versprach,'  Alles  zu  fürchten.  Das  war  auch  der 
Grund,  der  Zäpolya  seinen  Schatzmeister  in  Begleitung  eines 
Johann  Fekete  an  die  Pforte  zu  schicken  bewog.* 

In  den  ersten  Tagen  des  Jänner^  yerhess  Gritti  Ofen, 
nachdem  er  für  Allerheiligen  1530  einen  Landtag  einberufen 
und  die  Nichterscheinenden  mit  Bestrafung  durch  Feuer  und 
Schwert  bedroht  hatte,^  um  nun  in  Constantinopel  seinen  Herrn 
zu  vertreten.  Wie  viel  diese  Vertretung  werth  gewesen,  beweist 
das  Schreiben  Zdpolya's  an  Gritti  vom  6.  Oetober  1530,  worin 
er  in  möglichst  unköniglichem  Tone  seinen  Gesandten  bittet, 
sich  bei  der  Pforte  zu  verwenden,  dass  dem  Pascha  von  Se- 
mendria, Mehemetbeg,  den  er  gegen  Ferdinand  herbeigerufen 
habe  und   der  ihm  jetzt  seine  eigenen   Länder   grausam   ver- 


'  Bereits  am  2.  November  1529  richtet  der  Senat  in  Venedig  ein 
Gratalationsschreiben  an  Ludovico  Gritti,  der  yarcivescovo  d^Agria  e  te- 
soriere  generale  del  re  d'  Ungheria*  geworden  war.  Romanin  V,  463.  — 
Demgegenüber  kann  von  einer  Ernennung  im  Februar  1530  —  abge- 
sehen daTon,  dass  Gritti  um  diese  Zeit  Ofen  längst  verlassen  hatte  — 
nicht  die  Rede  sein  (Fessler-Klein  III,  443).  —  Vgl.  hiezu  Kropf,  Gritti 
%ri  pospOks^e  (Gritti's  Erlauer  Bischofswürde)  in  Erd^lyi  miizeum  1896, 
15-21. 
'  Hammer,    Geschichte  des   osmanischen  Reiches,    II,    67    (nicht  quellen- 

mSssig  belegt). 
'  Fessler-Klein  lU,  US. 
*  Verancsics  31   (Mon.  Hung.  bist.  scc.  III).  —  Pray,  Epistolae  procerum 

Begni  Hungariae,  I,  352. 
'  Frater  Bernardin  Pomasanich  schreibt  an  Nicolo  Pomasanich,  Frater  des 
Klosters  8.  Vito  in  Ancona,  am  12.  Jänner  1530:  Ofen  sei,  wie  er  es  be- 
treten, ganz  voll  Türken  gewesen;  jetzt  ,Alui8  Griti  se  parti  de  Buda*. 
K.  Q.  k.  Hans-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 
*  KoTschich,  Supplementa  zu  Vestigia  comitiorum  Hungariae  IH,  134. 


24 

wüste,  das  Handwerk  gelegt  werde.*    Der  Brief  traf  Gritd  nicht 
mehr  in  der  türkischen  Hauptstadt' 


§2. 

Emennuns:  zum  ReiehsgouTerneun    Diplomatischer 

Kampf  gegen  Ferdinand  I. 

Ludovico  Gritti  war  ak  ,orator  Turci^  nach  Ungarn  ge- 
schickt worden,  um  entweder  König  Ferdinand  zum  Verzicht 
auf  Ungarn  zu  bewegen,  oder  aber  dort  Verpfl^smittel  f&r  das 
zum  nächsten  Angriff  ausersehene  Heer  aufzustapebi;»  dann 
sollte  er  in  Bälde  nach  Constantinopel  zurückkehren.  Die 
Situation,  die  er  vorfand,  zwang  ihn  allerdings  zu  längerem 
Verbleiben;  denn  am  2.  August  1530  hatte  Ferdinand  I.  von 
Augsburg  aus  Rc^endorf,  seinem  Feldherm,  Befehl  gegeben, 
nach  Ofen  vorzurücken.*  Rogendorf  eröffnete  den  Feldzug 
Mitte  October,  verlor  aber  mehrere  Tage,  so  dass  es  Gritti, 
der  am  10.  October  in  Ofen  eingetroffen  war,  die  Stadt  aber 
dann  wieder  verlassen  zu  haben  scheint,  eben  noch  möglich 
war,  in  aller  Eile  mit  2000  Türken,  wenn  auch  ohne  irgend- 
welches Kriegsmaterial,  sich  in  die  Stadt  zu  werfen,^  vor  der 


*  Pmy,  Ep.  proc^  I,  869. 

*  K.  u.  k.  Hjui5-,  Hof-  a.  Staatsarchiv  in  Wien,  31.  October  1530.  Marcian 
Bagochi  nach  Wien  (Copie  und  Excerpt).  JEt  item  qaod  Aloisiiis  Griti 
prima  octobris  profectns  sit  versus  Hxingariam  et  pootea  die  21  eiasdem 
transieeit  Georgias  firater  eins  versus  Constantinopolim,  a  quo  aoditum 
est,  quod  Aloisius  debebat  in  celeritate  redire  ab  Hungaria  et  fderat  ut 
orator  Turci  ad  Johannem  Vajwodam/  —  Die  Zeitangabe  ist  nicht  richtig, 
da  Gritti  (an  die  Comitate  Zala  und  Eisenburg)  am  11.  October  1530 
(t.  8.  28,  A.  1)  selbst  bemerkt:    ^Sciatis  nos  .  .  .  hestemo  die  Budam  ad- 


'  Gritti  an  KOnig  Sigismund  von  Polen,  23.  December  1530,  in  Quellen 
und  Erörterungen  cur  bayrischen  und  deutschen  Geschichte,  ed.  Muffat, 
TV,  81  ...  4n  mandatis  habeo,  ut  in  praeparandorum  commeatnum,  qui 
ex  hoc  regno  Hungariae  tanti  tamque  numerosi  exercitns  Caesariae  Maie- 
statis usui  suppeditari  possent,  curam  haberet* 

*  Bucholtx,  Gesch.  Ferdinands  I.,  IV,  579. 

*  L.  Gritti  in  seiner  Instruction  für  Stanislaus  Costka  an  den  KOnig  von 
Polen,  7.  Jinner  1531.  Quellen  und  Erörterungen  IV,  90,  Nr.  12.  Vgl. 
ebendas.  FV,  112. 


25 

Rogendorf  am  31.  October  ankam.  ^  Zäpolya^  auf  dessen  Kopf 
Rogendorf  den  hohen  Preis  von  1000  bis  10.000  Ducaten  ge- 
setzt haben  soU,^  befand  sich  damals  in  der  Stadt^  mit  ihm  der 
Bischof  von  Grosswardein,  Emerich  Czybak,  der  königUche 
Rath  Gregor  Pöstieny,  Zäpolya's  Kanzler  Stephan  Verböczy 
and  Simon  Literatus  Athinaj;  Hassanbeg^  Thomas  Nädasdy 
and  Johann  Szerecsen^  die  in  Szigetvdr  lagen,  g^l&ng  es  durch 
List  in  die  Stadt  zu.  kommen.^  Verancsics  nennt  ausserdem 
noch  den  Bischof  von  Weissenburg,  StatiUus  und  Georg  Marti- 
auzzi/  Die  Seele  des  Widerstandes  war  Gritti.  Er  hatte  dem 
verzagenden  Könige  alle  Gedanken  an  Nachgiebigkeit  ver- 
scheucht und  sich  angeboten,  allein  den  Platz  halten  zu  wollen, 
wenn  Zäpolya  nicht  zu  bleiben  wage;^  die  zahlreichen  Türken 
der  Besatzung  wusste  er  mit  Geldbelohnungen  anzuspornen,^ 
fährte  selbst  Ausft,lle  an,  ohne  sein  Leben  zu  achten '  —  Grund 
genug,  dass  ihn  Zäpolja  stets  auszeichnend  behandelte.  Als 
aber  schUessUch  das  Ausgehen  der  Lebensmittel  alle  Tapferkeit 
iüusorisch  machte  —  schon  am  7.  December  hatte  man  be- 
gonnen, Pferdefleisch  zu  essen®  —  wandten  sich  Zäpolya  und 


^  Szer^mi  György  (Georg  Syrmiensis)  Eml^kirata  in  Mon.  Hung.  hist.  scc. 
I,  1  ff.  Szer^mi  hat  als  Hofcaplan  des  Königs  die  ganze  Belagerung 
miterlebt  und  kommt  sohin  als  Quelle  in  erster  Linie  in  Betracht.  Doch 
ist  nicht  blos  sein  Latein,  sondern  auch  seine  ganze  Darstellungsmanier 
so  confos,  dass  man  berechtigte  Zweifel  an  der  Richtigkeit  seiner  Be- 
obachtungen hegen  kann.  Ueber  Szer^mi  vgl.  SzAdeczky,  Szertoi  Gyb'rgy 
^lete  ia  eml^kirata  (Leben  und  Memoiren  des  Georg  Szer^mi)  in  £rte- 
kez^k  a  tört^neti  tudomAnyok  köreböl  (Abhandlungen  aus  dem  Ge- 
biete der  Geschichte),  Bd.  XV,  Heft  7  und  8.  —  Hiezu  Szer^mi  283, 
Uninufi  Velins  167. 

'  Nie.  Olah  an  Dr.  Michael,  Propst  in  Köln.  Augsburg,  11.  Nov.  1530. 
Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  105. 

'  Szerömi  282.  Genauer  bei  Zermegh  (401.  402),  der  als  Diener  des  Ofener 
Propstfifl  StanislauB  V4rallyai  gleichfalls  Augenzeuge  war. 

*  Verancsics  33.   Vgl.  auch  Magyar  tört^nelmi  tir,  N.  F.  11,  799. 

*  8.  8,  24,  A.  5. 

*  Dieselben  waren  oft  recht  bedeutend.  Einem  Tflrken  bot  er  acht  Gold- 
gulden an.     Szer^mi  286—289. 

'  Ebendas.  ,.  .  .  Gritti  cum  Turcis  et  cum  Tracianis  adversus  eos  (die  Be- 
lagerer) irruit  et  audacter  cum  pugnabat  adversus  eos  propter  aureos 
florenos,  quae  ante  projiciebant  de  manica.* 

*  Sseremi  290.  Ein  Gerücht,  das  Nie.  Olah  am  6.  December  aus  Krems 
dem  Bischof  Thomas  von  Kaachau  meldet,  weiss  schon  von  der  Gefangen- 
nahme Zipol/a^s  und  Gritti^s  zu  berichten.  (Mon.  Hung.  hist.  Dipl.  I,  113). 


26 

Gritti  neuerlich  an  Mehemetbeg.  Die  Deutschen,  durch  Krank- 
heiten decimirt,  zogen  bei  der  Nachricht  von  dessen  Heran- 
kommen am  23.  December  von  Ofen  ab.*  Gritti,  dem  der 
österreichische  Gesandte,  Rodrigo  Nigno,  in  Venedig  gewünscht, 
er  möge  in  Stücke  gerissen  werden,*  hatte  sich  mit  Ruhm  be- 
deckt.    Ofen  blieb  Zdpolya  erhalten. 

Was  ihm  das  galt,  bewies  sein  Dank.  Er  adelte  sämmt- 
liche  Bürger  Ofens,  jeder  sollte  frei  sein  von  Kriegsdiensten 
und  sonstigen  Leistungen  und  nur  für  die  Stadt  zu  sorgen 
haben,  der  er  überdies  einige  Landstriche  schenkte.  Nädasdy 
erhielt  Fogaras,  Laski  kam  zu  einer  billigen  Auszeichnung 
durch  Ernennung  zum  Titular-Woiwoden  von  Siebenbürgen. 
Die  höchste  Auszeichnung  musste  Gritti  zu  Theil  werden.' 
Zdpolja  ernannte  ihn  am  26.  December  zum  Reichsgouvemeur, 
verbunden  mit  der  Obergespanswürde  der  Märmaros,  die  jähr- 
lich 80.000  Thaler  eingetragen  haben  soll;*  er  verlieh  ihm 
ausserdem  das  Recht,  als  Wappen  ein  Löwenhaupt  zu  fUhren;^ 
seinen  16jährigen  Sohn  Anton  ernannte  er  zum  Bischof  von 
Erlau,  während  ihm  sein  Vater  einen  Hofineister  verschrieb, 
den  Augustinermönch  Museus  aus  Treviso.^ 

Aber  diese  Ernennung  zum  Reichsgouverneur  war  nicht 
so  glatt  vor  sich  gegangen.  Hieronymus  Laski  hatte  Zäpolya 
zuerst  den   betreffenden  Vorschlag  gemacht,'  Verböczy   unter- 


^  ,Usque  ad  secundum  diem  post  Beaü  Thomae  apostoli.*  Szer^mi  293.  — 
Im  Uebrigen  s.  Zermeg^h  403—404.     Brutus  393. 

^  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  Rodrigo  Nigno  an  Ferdi- 
nand I.,  22.  December  1530.  ,.  .  .  toda  esta  cibdad  dessea  que  luys  Griti 
fuesse  preso  y  hecho  quartos  porque  tienen  porcierto  que  el  ha  sido 
causa  que  el  Turco  trayga  la  espeeieria  a  Constantinopoli.' 

^  Fessler-Klein  HI,  444. 

*  Vom  26.  December  (datum  Budae  in  festo  St.  Stefani  protomartyris)  Lst 
wenigstens  das  betreffende  Decret  datirt  (Pray,  Ep.  proc,  I,  367.  — 
Katona  XX,  699  ff.),  doch  nennt  sich  Gritti  schon  am  23.  December 
,g^bemator  regni  Hungariae'  (Gritti  an  König  Sigismund,  Quellen  IV, 
83  und  a.  a.  O.).  Szer^mi,  immer  confus,  spricht  vom  12.  März  1530 
als  Emennungstag.  Auch  nach  Yerancsics  erfolgte  die  Ernennung  zn 
Weihnachten  1630.  Veranc^ics  34.  —  Zermegh  406  nennt  kein  Datum, 
ebensowenig  Jovins  XXXH,  131  a. 

«^  Della  Valle  21. 

•  Magyar  tört^nelmi  tAr,  Ul,  78.  —  Della  Valle  21. 

'  Zermegh  404.  —  Peter  de  R^wa,  de  monarclua  et  sancta  Corona  regni 
Hungariae  bei  Schwandtner,  See.  rerum  Huugaricarum  H,  721.  —  Simi- 


27 

st&tzte  ihn  hierin.  Mit  diesem  Plane  trat  der  König  vor  seine 
Edlen.  Nidasdj,  Emerich  Czjbak^  Statihus^  Simon  Literatus 
Athinay^  Stanislaus  Värallyai  widersprachen  aufe  Heftigste.^ 
Ihr  NationalgeftLhl  empörte  sich  gegen  diese  Erhebung  eines 
Fremden.  ^Bist  Du  denn  ein  Eand^  König/  fragten  sie^  ^dass 
Du  thust^  was  einem  Kinde  ziemte  zu  thun?  Denn  nur  einem 
unmündigen  Fürsten  wird  so  ein  Vormund,  wie  Du  Dir  ihn 
jetzt  erschaffen  willst,  zur  Seite  gegeben/*  Bethlen,  der  oft 
wörtlich  seine  Quelle  Zermegh  ausschreibende  Verfasser  einer 
Geschichte  Siebenbürgens,  lässt  Nädasdy  eine  lange  Rede  halten: 
dass  niemals  ein  Venetianer  zu  solchen  Ehren  gekommen  sei, 
ja  dass  eine  derartige  Ernennung  geradezu  die  Gesetze  Ungarns 
verietze;  dass  eine  solche  Stellung  des  Königs  nicht  blos  un- 
würdig, sondern  sogar  gefUhrlich  f)ir  ihn  sei;  nie  dürfe  es  dies 
geschehen  lassen.'  Zdpolya  aber  entschied  im  Sinne  der  Oppor- 
tonitätspartei,  an  deren  Spitze  der  Kanzler  Verböczj  und  Laski 
standen,  die  ihm  zu  bedenken  gaben,  dass  nur  im  Falle  einer 
fer  Gritti  günstigen  Erledigung  dieser  Frage  auf  den  Beistand 
Ibrahims  zu  rechnen  wäre.*  Daraufhin  verweigerten  die  ge- 
nannten Edlen  ihre  Unterschrift  und  ihre  Siegel  fiir  das  von 
Zapolya  ausgestellte  Decret  vom  26.  December  1530,^  das  dem 
zu  «unserem  und  unserer  Reiche  Gouverneur^  Ernannten  Macht 
und  Recht  zuerkennt,  Alles,  was  der  Würde  und  dem  Wohle 
des  Reiches  entspräche,  durch  Erlässe,  beziehungsweise  Mass- 
nahmen festzusetzen  und  ihm  hieftir  den  königlichen  Schutz 
^arantirt.^ 


g}Mn  behauptet  wohl  mit  Becht,  dass  Laski  dadurch  das  allgemeine  Mis}<- 
£&llen  von   seiner  Ernennung  zum  Woiwoden  von  Siebenbürgen  abwen- 
den wollte.    Simigian  130,  adnot.  4  zu  Cap.  XHI. 
^  Sxer^mi  29S.  —  Zermegh  404  zählt  die  obg^nannten  Fünf  als  Haupt- 
gegner einer  Ernennung  Gritti's  zum  Reichsgonvemeur  auf. 

*  Szer^mi  29S.  —  Zermegh  404. 

»  Wolfg.  Bethlen,  Historia  de  rebus  Transsilvanicis.  Cibinii  1782—1793.  186. 

*  Zermegh  404. 

*  Ebendas.  —  Vgl.  Pray,  Annales  regum  Hungariae  ab  997 — 1564,  III,  240. 
—  Koch  zur  Zeit,  als  Gritti  Ofen  verlassen  hatte,  beklagte  sich  Emerich 
Czybak  in  Beisein  Szer^mi's,  der  es  erzählt,  beim  Könige  bitter,  ,quam- 
obrem  istum  paganum  elegisset  in  gubematorem?*    Szer^mi  307. 

'  Pray,  Ep.  proc.  I,  367.  Der  Wortlaut  der  Ernennung  ist:  J^udovicum 
Gritti  in  gnbematorem  nostrum  ac  regni  nostri  Hungariae  eligendum  duxi- 
mns  et  constituendum,  dantes  eidem  omnem  auctoritatem  et  potestatem 


28 

Gritti  hatte  schon  im  October  1530  die  ungarischen  Stände 
auf  einen  Landtag  zu  Allerheiligen  einberufen  und  im  Falle 
des  Nichterscheinens  mit  Güterconfiscation  und  der  Rache  des 
Sultans  gedroht;^  die  Abhaltung  des  Landtages  wurde  durch 
die  Belagerung  Ofens  unmögUch  gemacht;  so  traten  die  Stände 
erst  in  den  letzten  Tagen  des  Jahres  1530  in  Ofen  zusammen 
und  stellten  am  31.  December  Gritti  ein  Garantiedecret  als 
Keichsgouvemeur  aus;*  manche  der  Einberufenen  waren  säu- 
mig; so  musste  Gritti  die  Vertreter  der  Bergstädte  am  6.  Jänner 
1531  neuerlich  auffordern,  sich  zu  ihm  zu  verfügen.* 

Den  Widerstand  gegen  seine  Ernennung  konnte  der  rach- 
süchtige ItaUener  nicht  vergessen;  Nädasdy,  den  er  einst  — 
1529  —  gerettet  hatte  und  der  nun  nicht  nur  seine  Ernennung 
bekämpfte,  sondern  auch  die  ihm  von  Gritti  zugedachte  Würde 
eines  Vicegouvemeurs  von  Ungarn  stolz  ausschlug,*  entging  ihm 
nur  durch  eigene  Vorsicht  und  fremde  Warnungen;^  Czybak 
musste  sterben,  und  es  scheint,  als  hätte  er  dessen  Loos  auch 
dem  Statilius  bereiten  wollen;^  Athinay  verlor  seinen  Posten 
als  Provisor  Budae,  sobald  Gritti  dort  freie  Hand  hatte.  ^ 

So  hatte  nun  Zdpolya  seinen  Statthalter,  der  sich  freilich 
in  Constantinopel  erst  anfragen  musste,  ob  er  die  Stelle  denn 
annehmen  dürfe.®  Es  war  derselbe  Mann,  den  Hieronymus 
Laski,  sein  guter  Freund,  vor  wenig  Wochen  flir  König  Ferdi- 


agendi,  tractandi  faciendique  omnia  ea,  quae  ad  dignitatem  nostram  con- 
serrationemque  regni  nostri  videbuntur,  imo  eligimns  constituimusque 
ac  omnem  potestatem  ad  tale  officium  pertinentem  eidem  concedimtu« 
ipsamqae  in  honore  et  dignitate  dicti  officii  conservabimus  tuebimurque 
ac  defendemos/ 

^  Gritti  an  die  Comitate  Zala  und  Eisenstadt,  11.  October  1530.  Fraknöi, 
Monnmenta  comitialia  regni  Hungariae,  I,  257. 

'  Anhang  Nr.  2.  —  Vgl.  Kovachich,  Vestigia  comitiorum  I,  647.  —  Fraknöi, 
Mon.  comit.  I,  251. 

^  Anhang  Nr.  2  a  (Gritti  an  Rath  und  Bürger  von  Kremnitz,  Sehern  nitz, 
Bistritz,  6.  Jänner  1521.  —  Kremnitz,  städtisches  Archiv). 

*  Anhang  Nr.  3  (Gritti  an  Nadasdy,  12.  Jänner  1531.  —  Kgl.  ung.  Landes- 
archiv).  —  Maylath,  Gesch.  der  Ungarn  III,  28. 

»  s.  Cap.  IV,  §.  1. 

•  Verancsics  36. 

'  s.  Cap.  m,  §.  5. 
«  Della  Valle  21. 


29 

nand  zu  stimmen  gehofft  hatte.  ^  Konnte  da  sein  König  sich 
aaf  ilm  verlassen? 

Sich  auf  den  treuen  Diener  seines  Herrn  hinauszuspielen 
and  dabei  doch  nur  fllr  sich  zu  arbeiten,  hat  er  freilich  vortreff- 
Kch  verstanden;  besonders  jetzt,  da  er  einen  förmlichen  diplo- 
matischen Feldzug  gegen  Ferdinand  I.  herbeizuführen  strebte. 

Im  November  1530  waren  nämlich  Bevollmächtigte  der 
beiden  Gegenkönige  unter  polnischer  Vermittlung  in  Posen  zu- 
sammengetreten, ohne  sich  jedoch  über  die  Forderung  Zäpolya's, 
bis  zu  seinem  Ende  das  Reich  besitzen  zu  dürfen,  das  hierauf 
an  Ferdinand  fallen  sollte,  einigen  zu  können;  schhesslich  be- 
schloss  man  übereinstimmend  die  Durchführung  eines  Waffen- 
stillstandes vom  13.  December  1530  bis  zum  gleichen  Tage  des 
nächsten  Jahres.*  Am  23.  December  1530  schrieb  nun  Gritti 
sowohl  an  Kaiser  Karl  V.  wie  an  König  Sigismund  von  Polen 
zwei  reichlich  mit  Versicherungen  seiner  ehrlichen  christlichen 
Gesinnung  versehene  Schreiben,  in  welchen  er  unter  Hinweis 
auf  den  Bruch  des  Waffenstillstandes  durch  die  über  den 
13.  December  hinaus  fortgesetzte  Belagerung  von  Ofen  und  die 
grossartigen  Rüstungen  des  über  diese  ergrimmten  Sultans  Kaiser 
und  König  beschwört,  auf  König  Ferdinand  einzuwirken,  dass  er 
Ungarn  seinem  Gegner  überlasse  und  hiedurch  die  Christenheit 
vor  einem  neuen  ttlrkischen  Zuge  bewahre,  welcher,  wenn  er, 
Gritti,  nicht  mit  befriedigender  Antwort  zur  Pforte  zurückkäme, 
anvermeidlich  wäre.^    Dasselbe  Hess  er  durch  den  polnischen 


*  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  n.  Staatsarchiv  in  Wien.  Hofrath  Herberstein  an 
Ferdinand  I.,  9./10.  November  lö30.  Es  sei  ihm,  schreibt  H.,  gelungen, 
LaskiZipolja  abwendig  zu  machen,  und  wolle  dieser  einen  G^leitbrief, 
um  nach  Wien  kommen  zu  kOnnen,  und  ,er  verhofft  Ludovicum  Gritti 
zu  bewegen  solhe  Rayß  und  dienst  mit  Ime  anzwenden.  Wolt  doch  nit, 
dass  desselben  Nam  im  glaidten  erwent  soll  werden,  ob  er  dann  nit 
mocht  darzue  bringen,  das  Ime  solhs  zu  khainer  Leichtvertighkait  ge- 
rechnet wurde*. 

»  Fessler-Klein  IH,  446.  —  Huber  IV,  34. 

•  L.  Gritti  an  Karl  V.  in  Lanz,  Correspondenz  Karl  V.,  1844,  I,  411 
(in  französischer  Sprache).  —  L.  Gritti  an  Sigismund,  S.  24  (A.  3).  Der 
KOnig  von  Polen  sandte  das  Schreiben  Gritti's  in  Copien  an  Karl  Y., 
Ferdinand  L  und  den  Kurfürsten  von  Sachsen  (Sigismund  an  den  Herzog 
von  Sachsen,  24.  Jänner  1531,  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchive), 
der,  Gritti  nicht  viel  trauend,  dieses  Beginnen  warm  billigte.  (KurfUrst 
von  Sachsen  au  König  Sigismund,  11.  Februar  1531,  ebendas.). 


30 

Unterhändler  Stanislaus  Costka  bei  König  Sigismund  vorstellen/ 
während  der  in  polnischen  Diensten  stehende  sächsische  Ritter 
Nicolaus  von  Minckwitz  bei  den  Zäpolya  so  günstig  gesinnten 
Herzogen  Ludwig  und  Wilhelm  von  Bayern  in  gleichem  Sinne 
interveniren  sollte;*  selbst  dem  Papste  machte  er  Mittheilung 
von  den  Rüstungen  der  Türken,  die  gegen  das  habsburgische 
Brüderpaar  gerichtet  seien,  wohl  kaum  ohne  Nebenbemerkungen 
nach  Art  der  obigen.* 

So  verliess  er  Ende  Jänner  1531  *  in  aUer  Eile  Ofen,  um 
in  Constantinopel  von  Suleiman  wenigstens  die  Bestätigung  des 
in  Viöegrad  zwischen  Laski  und  Rogendorf  abgeschlossenen 
dreimonatlichen  Waffenstillstandes  —  bis  22.  April  —  zu  er- 
langen,^ während  welcher  Zeit  eben  Bayern  und  Polen  den  in- 
zwischen zum  römischen  Könige  gekrönten  ^  Ferdinand  I.  zum 
Verzicht  auf  Ungarn  bringen  sollten.  Die  Gründe,  die  den 
Gouverneur,  von  dem  eine  anonyme  Schrift  meldet,  dass  eine 
Partei  ihn  gerne  als  Herrn  Ungarns  sähe,'  bewogen,  scheinbar 
so  energisch  für  seinen  König  einzutreten,  sind  ziemlich  durch- 
sichtig: es  war  ja  doch  im  Falle  der  Verzichtleistung  König 
Ferdinands  ein  recht  angenehmes  und  erträgnissreiches  Ver- 
gnügen, weiterhin  den  Vormund  des  schwachen  Zdpolya  abzu- 
geben.    So  lange  der  Streit  aber  dauerte,  konnte  es  doch  ein- 


^  Vgl.  Instmetion  L.  Gritti*8  für  Stanislaus  Costka  an  den  König  von  Polen 
(in  17  Punkten  und  2  Zusatzpunkten)  in  Quellen  und  ElrOrterungen 
IV,  88—92,  datirt  vom  7.  Jänner  lö31. 

'  Ludovico  Gritti's  Credenz  für  Nicolaus  von  Minckwitz  an  die  Herzoge 
von  Bayern.  Ofen,  10.  Jänner  1531.  In  Quellen  und  Erörterungen  IV, 
94—95.    Weiteres  über  diese  Sendung  Quellen  IV,  99.  101.  119. 

'  Negociations  de  la  France  dans  le  Levant,  publi^s  par  £.  Charriere 
(I,  24  der  Collection  des  documents)  I,  184.  Franz  I.  an  den  Erzbischof 
von  Auxerre,  25.  Jänner  1531. 

^  KresAdorfer^s  Bericht  an  die  Herzoge  von  Bayern  in  Quellen  IV,  113. 
Doch  ist  hier  falsch  statt  21.  Jänner  23.  Jänner  als  Ausgangstag  des 
Waffenstillstandes  angegeben.  Buchholtz  IV,  541  und  Urknndenbuch  44. 
46.  —  Pray,  Ep.  proc.  I,  371.  Die  Abreise  fällt  zwischen  21.  Jänner  und 
1.  Februar,  da  Kressdorfer^s  Bericht  auf  einer  an  diesem  Tage  von  Sigis- 
mund von  Polen  gewährten  Audienz  beruht. 

^  Ebenda«. 

*  8.  Jänner  1531.    Fessler-Klein  lU,  446. 

'  Hatvani,  Magyar  tört^nelmi  okm4nytir,  I,  122.  ,Ay  tanbien  nna  secta, 
en  qne  te  platica  de  dar  este  neyno  Gritty  y  claramente  diaen,  qne  si 
hfn  HungMio»  quieren  toroarle  por  sefior.* 


31 

mal  dem  Sultan  einfallen^  seine  Drohung  wahr  und  Ungarn  zu 
einer  türkischen  Sandjakie  zu  machen^  in  welchem  Falle  alle 
GubematorenherrUchkeit  zu  Ende  gewesen  wäre. 

§.3. 

Neue  Stellung  In  Constantlnopel  und  weitere  Plane 
einer  Besitzergreifung  Ton  Ungarn. 

Als  Held  gefeiert,  mit  Würden  und  Ehren  tiberhäuft,  war 
Gritti  Ende  Februar  1531  nach  Constantinopel  gekommen.  Er 
stand  auf  dem  Gipfelpunkt  seiner  Macht,  seines  Einflusses;  mit 
Recht  konnte  er  jetzt  der  ,zweite*  Diener  des  Sultans  heissen,^ 
der  mit  ihm  in  der  jovialsten  Weise  verkehrte.*  Kein  Act  von 
Bedeutung  an  der  Pforte,  der  nicht  durch  seine  Hände  ge- 
gingen wäre,  und  voll  aufgeblasenen  Hochmuthes  sprach  er 
dch  jede  Autorität  in  ttirkischen  Landen  zu.^  Es  war  die  Zeit, 
wo  man  ihm  nachsagte,  dass  er  seine  Religion  abgeschworen 
habe  und  unter  die  Veziere  aufgenommen  sei.*  Und  doch  war 
iD  dieser  Einfluss  nur  durch  Ibrahim  bedingt.  Sobald  dieser 
im  Herbst  1533  Constantinopel  verliess,  hörte  Gritti  auf,  ton- 
tDgebend  zu  sein;^  dass  er,  der  ,Giaur^,  damals  schon —  1531 
—  viele  Feinde  und  Neider  gehabt,  will  wenig  besagen.  Was 
konnten  sie  ihm  schaden!® 


'  VUggi  idla  Tana  156\  —  Cornelius  8chepper  schreibt  1534:  ,JoDusbeg 
hat  mir  erzählt,  alia  haec  tempora  esse  quam  ea  fuere,  cum  esset  Budae 
obsessns  clarissime  sine  ulla  dissimulatione.*    G^vay  II,  1534,  63. 

'  Kressdorfer's  Bericht  (s.  oben):  eine  türkische  Gesandtschaft  in  Krakau 
erzahlt,  ,da88  der  Griti  bei  dem  Kaiser  in  grossem  treffenlichen  Ansehen 
sei,  dann  sie  inen  (Sultan)  mermaln  denselben  an  der  Hand  füm  und 
nur  Ueblich  und  freuntlich  mit  ime  reden  gesehen  habend 

»  G6vay  n,  1532,  31. 

*  Joyios  XXXII,  131'';  er  glaubt  übrigens  selbst  nicht  daran. 
»  Cap.  lU,  §.  6,  n. 

*  K.  n.  k.  Haas-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  Herberstein  an  Ferdinand  I., 
9./10.  November.  —  In  diese  Zeit,  wenn  nicht  in  die  nach  der  Abhaltung 
der  Relation  Ludovisi^s  Juni  1534  (s.  S.  19,  A.  3),  fällt  wohl  der  Brief 
Andrea  Gritti's  an  Ludovico,  worin  er  ihn  ermahnt,  ,ne  Turcarum  con- 
silia  nimis  exquireret  neve  ad  barbarorum  regna  et  imperia,  quae  nee 
sine  pericnlo  quaeri,  nee  sine  magnis  opibus  magnoque  negotio  retineri 
poMent,  uUo  modo  etiam  affectaret  neque  se  publicis  negotiis  omnino 
admisceret,  nid  quatenus  patriae  rationibus  exemplo  suo  posset  consulere 
(Biogr.  von  Nie  Barberigo  über  Andrea  Gritti,  Magyar  tört.  t4r.  Hl,  10). 


32 

Sorgfältig  war  er  darauf  bedacht^  der  Steigerung  seiner 
Würden  nach  Aussen  hin  Ausdruck  zu  verleihen.  Niemand 
schildert  dies  genauer  als  sein  Kämmerer  Francesco  della  Valle^ 
der  damals,  im  October  1531,  in  seine  Dienste  trat,^  Er  klei- 
dete sich  in  prunkvoller  Weise,  nach  türkischer  Art  in  Gold 
und  Seide,  auf  dem  Haupte  eine  Zobelmütze,  wie  sie  die  Un- 
garn zu  tragen  pflegten;  jeden  Tag  änderte  er  seine  Kleidung 
und  trug  dasselbe  Kleid  sieben-  oder  achtmal,  nie  öfter,  um 
es  dann  seinen  Dienern  zu  schenken.  Seine  Art  zu  leben  er- 
forderte eine  zahlreiche  Dienerschaft.  Wer  ihn  sprechen  wollte, 
konnte  nur  durch  zwei  Reihen  Wachen  zu  ihm  gelangen,  die 
er  nicht  etwa  aus  Misstrauen,  sondern  lediglich  aus  seiner  Sucht 
zu  glänzen  hielt.  Prunkvolle  Aufzüge  waren  überhaupt  seine 
Sache,  man  lese  nur  bei  Della  Valle  den  Einzug  in  Ofen  (Juli 
1531)  oder  bei  Museus  sein  Erscheinen  in  Siebenbürgen.*  Seine 
Wagen  —  er  blieb  ja  noch  immer  Kaufmann  —  brauchten 
150  Kameele  und  60  Maulthiere,  sein  Marstall  zählte  100  Pferde. 
Benedetto  Ramberti  schätzt  1534  seine  Dienerschaft  auf  mehr 
als  500  Menschen  und  sagt,  dass  die  Zahl  Derer,  die  von  seiner 
Tafel  assen,  tausend  überstieg.  Diese  Zahlen  gelten  mindestens 
auch  für  1532,  wo  seine  finanziellen  Verhältnisse  die  denkbar 
besten  waren.  Sein  Freund  Ibrahim  übertrug  dem  von  Ofen 
Zurückgekehrten  die  Verwaltung  sämmtlicher  Steuern  aus 
Griechenland  und  stellte  ihm  zu  seinem  Privatgebrauche  ausser- 
dem die  Einkünfte  der  Städte  Gallipoli,  Anguri  und  Cargadori 
zur  Verfügung,  eine  Summe  jährlicher  40.000  Ducaten,  wozu 
noch  die  von  Ramberti  und  Della  Valle  ziemlich  übereinstim- 
mend auf  25.000  Ducaten  (80.000  Thaler)  geschätzten  Einkünfte 
aus  Ungarn  kommen.*  Dazu  schuldete  ihm  Zdpolya  die  er- 
kleckUche  Summe  von  300.000  Ducaten,*  übertrug  ihm  die 
Jahreszinse,  die  Ragusa  an  Ungarn  zu  leisten  hatte  ^  —  auch 

^  Della  VaUe  14 — 18.    Er  ist  ein  treuer  Diener  seines  Herrn,  daher  anch 

ein  zu  günstiger  Beortheiler  desselben,  leichtgläubig  und  besonders  in 

den  Zeitangaben  Öfters  confus  (s.  Cap.  IV,  §.  1). 
«  Della  Valle  27  (Cap.  HI,  §.  4).  Museus  (s.  S.  1,  A.  1),  65/66  (Cap.  IV,  §.  1). 
'  Diese  Schilderungen  sind  entnommen  aus  Della  Valle  18  ff.,  und  Viaggi 

alla  Tana  166'— 157  ▼. 
*  So  sagt  er  selbst:  ,Ioannes  rex  debet  mihi  magis  quam  trecenta  millia 

ducatorum,  quae  ego  ipsi  dedi  mutuo  de  meo.'    G^vay  ü,  1534,  37. 
^  Pray,  Ep.  proc.  I,  370.    Zipolya  an  die  Ragusaner,  8.  JKnner  1532  (falsch 

1530  angegeben). 


33 

der  französische  Gesandte  Rincon  war  mit  12.000  Thalem  sein 
Schuldner.^  Als  Kaufmann  blieb  er  sich  trotz  alles  Glanzes 
und  aller  Würde  gleich,  staYid  bis  an  sein  Lebensende  in  reger 
Handelsverbindung  mit  venetianischen  Handelsleuten,'  besonders 
mit  seinem  Bruder  Lorenzo;'  die  alte  Vorliebe  für  den  Edel- 
steinhandel  verliess  ihn  nicht,  doch  auch  in  allen  anderen  com- 
merciellen  Zweigen  war  er  wohlbewandert,  und  man  wundert 
sich  bei  Leetüre  der  betreffenden  Briefe,  in  welche  minutiösen 
Details  sich  der  Prätendent  um  die  Krone  Ungarns  dabei  ein- 
gelassen hat! 

Es  ist  recht  begreiflich,  dass  die  Glanz  und  Prachtent- 
faltung, die  Ludovico  entwickelte,  auf  das  gewöhnliche  türki- 
sche Volk,  das  vor  Allem,  was  goldig  schien,  eine  scheue  Ehr- 
furcht empfand,  den  grössten  Eindruck  machte;  reizte  doch 
sein  Reichthum  auch  den  jeden  Mann  von  einer  Bedeutung 
und  einigem  Vermögen  ansingenden  Peter  Aretin,  ihm  die 
sieben  Busspsalmen  Davids,  mit  erbaulichen  Sprüchen  aus  sei- 
ner Feder  versehen,  zu  verehren.* 

^  K.  u.  k.  Hau8-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  Snmmario  di  quello  ha 
deponuto  el  si^or  Oeorgio  Gritti  1532  sine  dato.  —  Archivio  di  Stato. 
Venedig.     Secr.  Cons.  X,  LXXXIV,  3,  90 '/^ 

'  Ueber  seine  Vermittlung  kaufte  Sultan  Suleiman  1534  von  veneziani- 
schen Kauflenten  ein  reich  mit  Edelsteinen  verziertes  GeflUs  von  Gold 
um  200.000  Ducaten,  wovon  jedoch  nur  90.000  Ducaten  zur  Auszahlung 
gelangten,  während  der  Rest  in  Folge  des  inzwischen  eingetretenen  Todes 
6ritti*s  nicht  ausbezahlt  und  dadurch  der  Bankerott  jener  Kaufleute  her- 
beigeführt wurde.     Della  Valle  35. 

'  E^  sind  echte  Geschäftsbriefe,  die  sein  Bnider  Lorenzo  aus  Venedig  im 
September  1534  (vom  15.  und  16.  dess.)  an  ihn  richtet:  der  fallit  ge- 
wordene Kaufmann  braucht  eine  Provision,  die  ihm  sein  reicher  Bruder 
liefern  sollte.  Ludovico  Gritti  hat  die  Briefe  nicht  mehr  erhalten.  Edel- 
steine spielen  in  demselben  eine  Hauptrolle,  es  dreht  sich  aber  auch 
um  eine  ganze  Menge  von  anderen  Geschäftssachen ;  so  berichtet  Lorenzo, 
dass  es  ihm,  trotz  aller  Nachfragen,  nicht  gelungen  sei,  die  Gattung 
Hunde,  wie  sie  der  Gubemator  gewünscht  hatte,  irgendwo  in  Oberitalien 
zu  erhalten,  und  verwendet  seine  ganze  stylistische  Fähigkeit  auf  die 
Beschreibung  einer  sehr  schönen  Katze,  ,wie  er  sie  in  seinem  Leben 
nicht  gesehen^  die  er  zweifellos  Ludovico  zum  Ankauf  empfehlen  will. 
Beide  Briefe,  sowie  ein  dritter  ähnlichen  Inhalts,  datirt  vom  15.  Sep- 
tember 1534,  von  einem  gewissen  Johann  Maria  Pictor,  im  k.  n.  k.  Hans-, 
Hof-  n.  Staatsarchive  in  Wien. 

*  K.  u.  k.  Hans-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  Peter  Aretin  an  Ludovico 
Gritti,  14.  September  1534,  s.  Anhang  Nr.  19.  Uebrigens  ist  er  auch, 
AxeluT.  LUXUX.  Band.  I.  Hftlft«.  3 


34 

Alles  das  ist  im  Ghimde  Aeosserlichkeit,  Ludovico  Gtritti 
yergass  keinen  Augenblick  auf  die  politische  Rolle,  die  er  noch 
spielen  wollte. 

Hieronjmus  Laski  war  nach  den  Abmachungen  in  Vise- 
grad^  nach  Constantinopel  gegangen,  mit  ihm  ein  gewisser 
Ferdinand  Kyros,  der  Gritti  einen  Brief  Rogendorfs,  betreffend 
den  Waffenstillstand,  für  dessen  Zustandebringen  seine  Ver- 
wendung erbeten  ward,  zu  überbringen  hatte.  Diesen  Brief 
erwiderte  jener  am  7.  März  1531  und  bat  unter  den  nachdrück- 
lichsten Versicherungen  seines  aufrichtigsten  Bemühens  ftbr  das 
Wohl  Ungarns  und  den  Waffenstillstand  Rogendorf,  seiner- 
seits Ferdinand  I.  zur  Verzichtleistung  auf  Ungarn  zu  bewegen, 
wodurch  allein  der  unvermeidliche  Ruin  des  Landes  würde 
femgehalten  werden*  —  eine  Fortsetzung  des  diplomatischen 
Kampfes  im  December  und  Jänner! 

Vorläufig  zeigte  sich  der  Sultan  auch  ohne  diesen  aus- 
gesprochenen Wunsch  bereit,  den  Waffenstillstand  zu  geneh- 
migen, ja  ihn  sogar  bis  9.  Mai  1532  zu  verlängern,  und  im  Mai 
1531  traten  die  Vertreter  beider  Gegenkönige  zu  neuen  Ver- 
handlungen in  Visegrad  zusammen.^ 

Aber  Gritti  hatte  Anderes  im  Sinne,  ab  sich  für  Zäpolya 
zu  bemühen;  was  sollte  den  Liebling  Ibrahims  hindern,  auf 
die  Erwerbung  Ungarns  hinzuarbeiten,  dessen  König  Zdpolya 
auf  dem  besten  Wege  war,  alle  Sympathien  zu  verlieren?* 
Wenn  nur  einmal  König  Ferdinand  verzichtet  hätte,  mit  Zäpolya 
wollte  er  schon  fertig  werden.    Darum  strebte  er  in  Ueberein- 


als  er  am  31.  Jänner  1633  nach  Erlau  kam,  in  einem  66  Zellen  langen 
Qedichte  als  der  Retter  Ungarns  aus  Noth  und  Trübsal  gepriesen  worden, 
auf  den  die  Tugenden  seines  Vaters,  der  in  sich  die  guten  Eigenschaften 
des  Camillus,  Numa,  Fabricius,  der  Decier  und  anderer  Römer  ver- 
einigte, überkommen  seien.  (K.  u.  k.  Hof  bibliothek  in  Wien,  Cod.  15.023 
Ib— 2  b.) 
»  s.  8.  30. 

*  Buchhol tz,  Urkundepbuch,  46. 
»  Fessler-Klein  HI,  447.. 

*  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  —  Conte  d'  Ella  an  Nicolo 
Ferrari,  Hersog  von  Ancona.  Ragusa,  29.  M&rs  1531.  ,Preterea  audio 
ex  non  pervolgari  loco  Aloisium  Grit!  regnum  Vayvodae  affeetare,  an  id 
consequatur  incertum,  confidit  tamen  plurimum  sui  amicitia  Ibrahlmi  Basse 
et  non  minus  in  odio  quo  intelligo  lohannem  apud  suos  laborare.' 


35 

sdmmang  mit  Venedig,  wie  es  scheint/  ausser  der  polnischen 
lach  eine  dem  Könige  Ferdinand  gewiss  feindliche  französische 
Vermittlung  an  und  sandte  deshalb  seinen  Bruder  Georg  — 
übrigens  erfolglos,  denn  derselbe  wurde  gefangen  und  nur  mit 
RQcksicht  auf  seinen  Bruder  Ludwig  entlassen  —  nach  Paris.^ 
Aber  so  gar  kurzsichtig  war  man  nun  auch  in  Visegrad 
nicht.  Der  Woiwode  der  Moldau^  Peter,  hatte  durch  einen 
Einfall  in  Polen  König  Sigismund  auf  das  Empfindlichste  be- 
leidigt, and  Letzterer  sandte  deshalb  einen  Gesandten  nach  Con- 
stantinopel  mit  der  Bitte  um  Genugthuung  hiefUr.^  Das  war 
fiir  Gritti  eine  willkommene  Gelegenheit,  sein  begehrliches  Auge 
auf  die  Moldau  zu  werfen  und  dort  unter  dem  Scheine,  den 
Ausgleich  zwischen  Polen  und  dem  Woiwoden  herzustellen, 
Peter  zu  vertreiben  und  sich  selbst  oder  Laski  in  Besitz  des 
Landes  zu  setzen.*  Aber  Laski  war  nun  gewiss  nicht  wenig 
frappirt,  durch  einen  ganz  plötzlich  in  Visegrad  ankommenden 
türkischen  Kämmerling  von  den  Verhandlungen  abberufen  zu 
werden,  der  ihm  in  hochmlithigster  Form  den  Befehl  des  Gou- 
verneurs mittheilte,  es  seien  20.000  Reiter  an  der  Grenze  auf- 
zustellen, welche  auf  den  von  ungarischen  Grossen  beider 
Parteien  unter  Per^njn's  Führung  abgehaltenen  allgemeinen 
Landtag    in    Veszprim    achthaben    sollten;^    so    hat    er    denn 


*  ArchiTio  di  Stato,  Venedig.  Der  Rath  der  Zehn  theilte  am  14.  Juli  1631 
dem  Bajlo  in  Constantinopel  mit,  er  habe  Georg  Gritti  beauftragt,  Al- 
rise  (Ludovico)  über  den  Erfolg  seiner  Verhandlungen  genau  zu  unter- 
richten.   Secr.  Cons.  X,  LXXXIV,  3,  92 '. 

*  Summario  s.  S.  33,  A.  1.  —  Signor  Georgio  de  comisione  de!  signor  Alvisio 
fuo  fratello  gubematore  de  esso  vaivoda  ha  ricercato  dal  Re  di  Franza  che 
mandasae  uno  ambasciatore  alla  dieta  in  Pollonia  per  tractare  la  pace  con 
la  Haesti  del  Re  di  Romani  et  esso  Re  di  Franza  probasse  di  mandarlo.  — 
Gefangen  wurde  Georg  Gritti  am  28.  Juni  1631  von  dem  kaiserlichen  Gou- 
verneur Ton  Asti,  Descanlinghes;  Karl  V.  hat  ihn,  trotz  Widerrathens  König 
Ferdinands,  der  ihn  bei  seiner  ,mucha  yntelligencia  y  noticia*  nicht  so  leicht 
ziehen  lassen  wollte,  freigegeben,  um  sich  seines  und  seines  Bruders  Lud- 
wig guten  Willens  zu  versichern.  Lanz  I,  490.  494.  604.  605.  606.  609.  — 
Papiers  d^tat  de  Granvella  I,  666  (Collection  des  Documents,  Ser.  I,  31). 

*  Dmntiscua,  Bischof  von  Chulm,  poln.  Gesandter  an  Karl  V.  (18.  Februar 
1631),  auszugsweise  bei  Buchholtz  IV,  642. 

*  Buchholtz,  Urkundenbuch,  61.  —  Hurmuzaki,  Monumente  privitöre  la 
istoria  Rominilor.    Bukarest  1887.    8uppl.  2  zu  I,  64—66.  66. 

*  Buchholtz  rV,  646.  —  Zu  diesem  Landtage  wurden  auch  die  nieder- 
Osterreichiacben  St&nde  eingeladen,  weil  sie  gleichfalls  an  der  Haupt- 

8* 


36 

Zäpolya^   und  vielleicht  auch   der  Versammlung  in   Visegrad 
über  die  Absichten  Qritti's  Mittheilungen  gemacht. 

Die  Aufstellung  dieser  20.000  Reiter,  die  doch  immer  ein 
Operationsobject  in  Qritti's  Händen  blieben,  um  die  Veszprimer 
Versammlung  auseinanderzujagen  und  gegebenenfalls  sein  eige- 
nes Königreich  zu  proclamiren,  musste  bedenklich  genug  er- 
scheinen; man  ist  versucht,  einen  Zusammenhang  zwischen 
dieser  Forderung  und  den  Absichten  Qritti's  auf  das  von  Peter 
Erusich  glänzend  vertheidigte  croatische  Felsenschloss  Clissa 
anzunehmen,  aus  dem  der  Gouverneur  einen  Handelsdurch- 
gangspunkt fiir  den  Weg  von  Ofen  nach  Venedig  schaffen 
wollte;'  der  Plan  ist  ihm  misslungen;  erst  nach  seinem  Tode 
hat  der  muthige  Vertheidiger  die  Veste  aufgeben  müssen.' 


frage,  Schatz  vor  der  TQrkennoth,  intereasirt  waren.  (Wien,  Archiv  des 
k.  k.  Ministeriums  des  Innern.) 

^  Herberstein  an  Ferdinand  I.,  2.  November  1531.  Bnchholtz,  Urkunden- 
buch,  61.  —  Die  richtig^  Stelle  sei  hier,  obwohl  schon  gedruckt,  noch- 
mals angeführt:  ,Der  Ludovicus  Gritti  soll  seines  Fumemens  gen  Hun- 
gern abgestanden  sein,  also  wie  Laski  sein  Hern  bericht  der  reden  so 
Griti  mit  Ime  getan,  darauß  zu  vernemen  gewest,  das  er  Graff  Hansen 
welle  vergaben  und  das  Griti  zuvor  die  Wollacheien  einnemen  thue, 
darnach  dem  Laski  zuestellen;  hat  Herr  Graff  Hans  mit  seinem  Biacholff 
Statilio  geratschlagt,  also  das  derselb  Statilius  den  Moldauschen  Wal- 
lachen solhs  in  gehaim  zugeschrieben  und  geraten,  das  der  selb  wallach 
dem  Janusch  solhs  zuschreiben  und  warnungsweiß  verkhunden  soll,  alls 
wäre  Ime  solhs  von  des  Türken  Hoff  verkhundt  worden.  Der  hat  die  Sachen 
laut  vor  meneglichen  geworben,  das  also  lautmarig  worden.  Darumb  so 
scheucht  der  Griti  das  Ungerland,  vermaint  Laski:  Er  kheme  nit  mer  heraus.* 

'  Collection  des  Voyages  des  Souverains  des  Pays-Bas,  publik  par  M.  Ga- 
chard  et  Ch.  Piot.    Brüssel,  1874—1882,  IH,  532. 

'  Gritti  hatte  schon  im  Frühjahre  1530  in  Venedig  angefragt,  wie  die 
Republik  über  die  von  ihm  beabsichtigte  Erwerbung  der  Schlüsser  Segna 
(Zengg)  und  Clissa  (Schloss  südlich  von  Vo^in  in  Croatien)  denke,  die  ihm 
Züpolya  geschenkt  habe  und  die  nun  im  Besitze  KOnig  Ferdinands  seien ; 
der  Rath  der  Zehn,  des  mit  Karl  V.  geschlossenen  Friedens  froh,  gab 
eine  ausweichende,  eher  abrathende  Antwort  (Archivio  dl  Stato,  Venedig, 
8ecr.  Cons.  X,  LXXXIV,  3,  58'/^.  21.  April  1530).  Als  dann  Peter  Km- 
sich,  der  Commandant  des  Schlosses,  im  Frühjahre  1532  den  Burghaupt- 
mann Nicolaus  von  Lupoglav  (Croatien,  Comitat  Agram)  nach  Venedig  mit 
der  Anfrage  schickte,  ob  man  dort  mit  den  Absichten  Gritti*s  einverstanden 
sei  und  ob  die  Sperrung  der  Lebensmittel  zufuhr  aus  Dalmatien  durch 
Venedig  veranlasst  sei,  erwiderte  der  Senat,  er  mische  sich  in  die  Sache 
nicht  ein,  machte  aber  wegen  der  Verproviantirung  keine  Zugeständnisse 
(k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien:  Nicolaus,  Gastellanus  Lupo- 


37 

Mehr  aber  noch  als  die  oberwähnte  strategische  Mass- 
nahme musste  die  arrogante  und  verletzende  Manier,  die  Gritti 
Allen  gegenüber  geradezu  zur  Schau  trug,  mussten  dessen 
offenkundige  Absichten  auf  die  Moldau  und  vor  Allem  seine 
Conspirationen  gegen  das  Leben  des  Königs  das  ungarische 
Nationalgeflihl  verletzen.^  Kurz,  die  Commissäre  beider  Parteien 
in  Visegrad  waren  darüber  einig,  vorerst  den  Woiwoden  vor 
dem  Vermittler  recht  gründlich  zu  warnen  und  ebenso  dem 
Könige  von  Polen  nahezulegen,  nicht  durch  Bedrängimg  oder 
gar  Vertreibung  des  Woiwoden  Gritti's  Plane  indirect  zu  unter- 
stützen.' Zäpolya  andererseits  beklagte  sich  in  öffentlicher  Ver- 
sammlung, dass  sein  Gouverneur  ihm  nicht  nur  nicht  Treue 
wahre,  sondern  mit  kaltem  Blute  ihm  nach  dem  Leben  strebe; 
er  that  dies,  um  Laski  nicht  zu  compromittiren,  unter  dem 
Scheine,  als  habe  er  es  vom  Woiwoden  der  Moldau,  dieser  es 
aas  Constantinopel  erfahren.^ 

Dies  —  und  nicht  etwa  der  Streit  zwischen  Perinyi  und 
Zipolya^  —  benahm  nun  Gritti  jede  Lust,  den  heissen  Boden 
Ungarns  zu  betreten,  von  welchem  ihn  sein  König  so  sehnlich 
wegwünschte,    dass    er   die   Verhandlungen   mit   Suleiman   nur 

gUri  an  Ferdinand  I.,  10.  Mai  1532;  Rodrigo  Nigno  an  Ferdinand  I., 
11.  Mai  1632.  —  Venedig,  Archivio  di  State,  Sen.  Secr.  t.  66,  16'/'); 
gleichzeitig  suchte  er  Gritti,  der  sich  beklagte,  seine  Plane  seien  darch 
einige  übelwollende  Leute  in  Zengg  durchkreuzt  worden,  mit  dem  Hin- 
weise auf  die  Nothwendigkeit  einer  neutralen  Stellung  Venedigs  zu  be- 
Khwichtigen  [Venedig,  Archivio  di  State,  Sen.  Secr.  t.  66,  16' — 17']. 
Krosich  begab  sich  im  Juli  1532  selbst  zum  Papste  und  zu  den  Ge- 
nndton  des  Kaisers  und  König  Ferdinands,  wo  er  1600  Ducaton  und 
die  besten  Versprechungen  erhielt;  zurückgekehrt,  fand  er  die  Burg  in 
den  Binden  der  Anhänger  Gritti's,  eroberte  sie  aber  wieder  und  hielt 
ne,  allen  Anschlägen  zum  Trotz,  bis  1636  [k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staats- 
irchiv  in  Wien.  Bericht  P.  Krusich's  vom  26.  September  1632.  —  G6vay 
n,  1682,  48.  —  Vgl.  auch  Nuntius  Vergerio  an  Geheimsecretär  Came- 
lecchi.  Prag,  28.  Juli  1634.  Nunt-Ber.  aus  Deutschland  I.  288.  —  Col- 
lection  des  Voyages  des  Souverains  des  Pays-Bas  HI,  620—621.] 
'  Bttchholtz  IV,  645.  —  Urkundenbuch  61  (S.  36,  A.  1).  —  IV,  666  (Paul 
Bikics  theilt  unter  dem  7.  October  1681  nach  Wien  mit,  dass  er  mit 
einem  vertrauten  Bathe  Züpolya's  gesprochen  und  erfahren  habe,  dass 
es  Gritti  auf  Johanns  Verderben  und  auf  Er^'erbung  Ungarns  für  sich 
nlbet  abgesehen  habe). 
'  Rogendorf  an  Ferdinand  I.  Gran,  22.  Mai  1631.  Bnchholtz  IV,  546. 
'  Bochholts,  Urkundenbuch  61  (S.  36,  A.  1). 
*  K.  tLk.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien:  ex  literis  Bucignoli. 


38 

deshalb  aufgehoben  wissen  wollte,  um  Gritti's  Erscheinen,  das 
damit  verbunden  gewesen  wäre,  zu  verhindern;*  und  merk- 
würdig genug,  gerade  damals  war,  wenn  man  Alexius  Thurz6 
Glauben  schenken  darf,  die  Stimmung  für  Gritti  sehr  günstig; 
eine  grosse  Partei  im  Lande,  die  schon  zu  Anfang  des  Jahres 
1531  in  kleinerem  Massstabe  bestand,'  wollte  Gritti  als  König 
anerkennen,  wenn  er  zuwege  brächte,  was  sie  in  erster  Linie 
von  einem  Könige  von  Ungarn  verlangte,  die  Wiedererwerbung 
der  verlorenen  Grenzlande.  Wenn  auch  einer  der  Hauptfbhrer 
dieser  Richtung,  Thomas  NAdasdy,  Gritti's  Gegner  war,  so 
musste  doch  die  Erwägung,  dass  unter  einer  Herrschaft  Gritti's 
am  ehesten  ein  erträgUches  Auskommen  mit  der  Pforte  zu 
hoffen  war.  Viele  bestechen.' 

Trotz  alledem  zog  sich  das  Kommen  Ludovico's  von  Tag 
zu  Tag  hin.*  Er  wollte  offenbar  nicht  ziehen,  bevor  er  nicht 
das  grosse  Heer  Suleimans  hinter  sich  wusste;  als  Vorläufer  des 
Sultans  **  und  ,protector*  Ungarns  ^  brach  er  endlich  am  26.  Fe- 
bruar 1532  von  Constantinopel  auf.^ 

LudoTlco  Orittl  im  zweiten  Feldznge  Snieimans,   1533. 

Die  Belagerung  von  Oran. 

In  Ungarn  standen  sich  zu  Ende  des  Jahres  1531  drei 
Parteien  gegenüber:    Ferdinand  I.  und  sein  Anhang,  Zäpolya 


^  Buchholtz  IV,  546.  —  In  merkwürdigem  Gegensatze  hiezu  steht  das 
Gerttcht,  welches  Nicolans  Olah  aus  Brüssel  meldet  (23.  November  1531), 
wonach  Gritti  mit  einigen  Anderen  zu  dem  für  September  1531  beab- 
sichtigten Speyerer  Reichstage  hätte  kommen  sollen.  (Mon.  Hnng.  bist. 
Dipl.  I,  169.)  •  s.  S.  30,  A.  7. 

'  Buchholtz  rv,  654.  —  Alexius  Thurz6  an  Nicolaus  Olah,  6.  December 

1531.  (Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  171.) 

*  Rodrigo  Nigno  an  Ferdinand  I.  Venedig,  16.  Jänner,  3.,  21.,  24.  Februar 

1532.  —  Conte  d'Ella  an  Ferrari,  20.  März  1532,  Bagusa.  K.  u.  k.  Haus-, 
Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 

^  Er  schrieb  am  30.  December  1531  an  KOnig  Ferdinand,  die  Türken 
kämen  mit  einer  unerhört  grossen  Armee.  Hatvani  M.,  Brüsseli  okminy- 
ÜT  I,  81.) 

*  Unter  diesem  Titel  nennen  Suleiman  und  Ibrahim  ihn  am  4.  Juli  1533. 
Dass  er  ihn  schon  jetzt  bekommen,  ist  naheliegend. 

»  Della  Valle  21. 


39 

and  eine  dritte,  man  könnte  sie  Unabhängigkeitspartei  nennen^ 
an  ihrer  Spitze  Peter  Per^nyi,  der  es  im  Uebrigen  weniger 
ehrlich  gemeint  zu  haben  scheint  als  die,  welche  er  fUhrte. 
Zipolya  blieb  in  Verbindung  mit  dem  Auslande,  die  Unabhän- 
gigkeitspartei fUhlte  ihre  Kraft  in  sich  selbst,  Ferdinand  musste 
sich  bequemen,  neuerlich  Gesandte  an  den  Sultan  zu  schicken, 
welche,  sollte  es  nöthig  sein,  seinen  Verzicht  auch  auf  ganz 
Ungarn  —  so  lange  Zdpolya  lebte  —  aussprechen  sollten.  So 
viel  hatte  der  von  Gritti  geleitete  diplomatische  Angriff  doch 
bewirkt  Aber  die  Gesandten,  Nogarola  und  Lamberg,  begeg- 
neten dem  Grossherrn  schon  auf  dem  Wege  nach  Oesterreich.^ 
Der  Gouverneur  Ungarns  war,  da  er  Constantinopel  verliess, 
von  500  theils  griechischen,  theils  türkischen  Reitern  und  200 
Fasssoldaten  begleitet.'  Anfangs  März  kam  er  nach  Adriano- 
pel, hielt  sich  dort  einige  Tage  auf  —  ein  Fieberanfall  ver- 
zögerte ausserdem  seine  Reise*  —  und  ging  dann  nach  Nico- 
polis,  wo  er  vom  dortigen  Sandjak  ehrenvoll  empfangen  wurde; 
er  scheint  die  Stadt  in  den  ersten  Tagen  des  April  verlassen 
zn  haben  ^  und  kam  um  die  Mitte  dieses  Monats  in  Tirgowischt 
an  der  oberen  Jalomitza  an.^  Auf  dem  Wege  dahin  erliess 
er  Schreiben  an  den  Papst,  den  Kaiser  und  den  römischen 
König,  deren  Inhalt  er  später  allem  Anscheine  nach  Gerendi, 
einem  habsborgisch  gesinnten  katholischen  Geistlichen  —  mit 
Mtfcus  PemfBinger  die  Seele  des  Widerstandes  Hermannstadts 
g^n  Zäpolya  —  mittheilte;  sie  Alle,  Papst,  Kaiser  und  König, 
bürden  unmöglich  stark  genug  sein,  dem  Anprall  der  Türken 
«1  widerstehen,  die  in  den  habsburgischen  Erblanden  zu  tiber- 
^tem  gedächten;  Ferdinand  habe  jetzt  keinen  Ausweg  mehr, 
wenn  er  auf  ganz  Ungarn  verzichte.^  Es  ward  ihm  damit 


*  Hnber  IV,  36—89.  —  Fessler-Klein  HI,  449—462. 
'  HiesQ  und  för  das  Fol^nde:  Della  Valle  22. 

*  Oritti  an  Thomas  Nidasdy,  22.  März  1532.    Pray,  Ep.  proc.  II,  12. 

*  QneQen  zur  Geschichte  der  Stadt  Kronstadt,  Bd.  II,  1889,  258.  259. 

^  Pny,  Historia  regnm  Hangari^.  Wien  1801,  26  Anm.  —  Quellen  zur 
Geschichte  der  Stadt  Kronstadt,  II,  260—261. 

*  Vgl.  ein  an  Ferdinand  I.  gerichtetes  daten-  und  namenloses  Schreiben 
m  Chiffren  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchive  in  Wien  (1532): 
• . .  inter  alia  Gritti  dicit,  pap^  cesari,  regi  pescripsisse  imperatorem  Tur- 
carum  adventum  dicit  non  sufficiunt  obstare  .  .  . ;  Turcus  decrevit  in  Hun- 
|tria  Tel  Bohemia  aut  Germania  hyemare,  Maiestati  vestr^  nulla  spes 
paeif  com  Turco  ipse  dicit,   etiamsi  totum  regnum  Hungarie  vaivoda 


40 

gleichsam  bewieseD,  wie  gut  es  Gritti  doch  mit  seinem  Rathe 
zum  Verzicht  gemeint  hatte!  In  Siebenbürgen,  besonders  in 
dem  treuen  Hermannstadt,  erwartete  man  von  seinem  Kommen 
nichts  Gutes.  ^Gritti  hat  es  nur  auf  unsere  Stadt  abgesehen/ 
schreibt  Marcus  Pemfflinger  an  den  römischen  König,  ,er  hetzt 
wohl  auch  die  ganzen  Wallachen  und  Moldaver  gegen  uns; 
erobert  er  die  Stadt,  dann  ist  sie  unwiderbringlich  verloren 
und  ganz  Siebenbürgen  mit  ihr/  ^  Der  Vicegouverneur  Thomas 
Nädasdy,  den  Gritti  in  einem  im  schönsten  Geschäftsstyle  gehal- 
tenen Schreiben  nach  Tirgowischt  einlud,  dort  über  wichtige 
Fragen  mit  ihm  zu  verhandeln,^  blieb  in  berechtigtem  Misstrauen 
ferne  und  kümmerte  sich  ebenso  wenig  um  eine  zweite  an 
ihn  als  Gritti's  Statthalter  gerichtete  Aufforderung,  für  den  be- 
vorstehenden Krieg  200  tüchtige  Reiter  zu  werben  und  im 
Uebrigen  den  Weisungen  des  Bischofs  von  Sirmium,  Stephan 
Brodarics,  nachzukommen.^  Gritti  hat  ihm,  in  Ofen  angekommen, 
darüber  lebhafte  Vorwürfe  gemacht  und  ihn  nochmals  aufgefor- 
deil,  zu  erscheinen,^  natürlich  umsonst;  NAdasdy  kam  nach  wie 
vor   nicht.  —  Auch   der  Woiwode   der  Moldau,   zu   deni   sich 


Joannes  et  Maiestas  Regia  cederet;  de  oratoribus  et  pace  optata  et  quo- 
raodo  nunc  rez  Poloni<^  laboret,  malta  dizit  non  ipse  non  alii  (seine 
Begleiter).   Ich  vermuthe  als  Schreiber  des  Berichtes  Qherendi. 

^  Marcos  Pemfflinger  an  Ferdinand  I.,  23.  März  1632,  Pressburg,  im  k.  u.  k. 
Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchive  in  Wien:  ,Hiis  prozimis  diebns  yenit  ex 
Transilvania  castellanus  castri  Fogarensis,  qui  refert,  Grithy  Moldaviam 
et  terram  Transalpinam  totam  nunc  ad  se  subigere  et  eos  omnes  secum 
adsumere  et  ad  expugnandam  civitatem  Cibiniensem  et  castrnm  Fogaras 
educere  iam  tentat,  pertinentia  etiam.  Fogaras  iam  per  eosdem  occnpat, 
Dicuntur  omnia  pecora  et  armenta,  quibus  se  civitas  Cibiniensis  alebat, 
qu^  non  pauca  erant,  qnantnm  pro  eorum  uecessitatibus  sunt  abacta  et 
abdncta  si  Maiestas  vestra  gentes  et  expedicionem  quam  fieri  supplica- 
bamus,  expediebat,  nulla  ratione  ipse  Qritthy  audebat  etiam  cum  Mol- 
daviensibus  et  Trausalpinensibus  Transsylvaniam  intrare.  Si  Cibinium 
quod  deus  avertat  occupaverit,  non  pro  lohanne  ipse  Gritthy  occupabit, 
sed  Cesari  Turcarum.  Et  autem  sepius  Maiestati  vestr^  significavimos, 
qui  possidet  Cibinium,  possidet  et  totam  Transsilvaniam.* 

2  Gritti  an  Thomas  NÄdasdy,  22.  März  1532.  Pray,  Ep.  proc.  II,  12  (vgl. 
darin  die  Wendung  ,offero  me  promptum^). 

*  Kgl.  Ungar.  Landesarchiv,  Budapest.  Tirgowischt,  16.  April  1532.  Gritti  an 
Nüdasdy  [Thoraa  Nadasdino  teneuti  nostro  sincere  dilecto],  s.  Anh.  Nr.  4. 

*  Ebendas.  Gritti  an  Nidasdy.  Ofen,  11.  Juli  1632.  —  Vgl.  auch  Gritti 
an  NÄdasdy.  Gran,  19.  August  und  31.  August  1632  (s.  Anhang  Nr.  7, 
11  und  12). 


41 

Gritti  jetzt  wendete,  hatte  sich  die  ihm  aus  Visegrad  zuge- 
kommene Warnung  zu  Herzen  genommen  und  das  dem  Könige 
Ton  Polen  sehr  deutlich  gesagt;^  nun  aber  begrüsste  er  den 
Friedensvermittler  mit  einer  ansehnlichen  Truppenschaar  — 
Della  Valle  spricht  sogar  von  15.000  Mann  —  ein  Umstand, 
der  es  dem  Reichsgouverneur,  trotz  der  freundlichen  Miene, 
die  Peter  hernach  annahm,  zweckmässig  erscheinen  Hess,  wei- 
tere Schritte  zu  unterlassen  und  umzukehren;  *  doch  vergrösserte 
dch  seine  Mannschaft  beträchtlich  durch  Schaaren  von  ihm  zu- 
lAoienden  Wallachen  und  Moldauern,  die  wohl  der  hohe  Sold, 
den  er  zu  zahlen  pflegte,  anlockte.*  So  zog  er  nach  Sieben- 
bürgen, erreichte  nach  Pfingsten  Kronstadt  und  begann  noch 
im  Mai  die  Belagerung  Von  Hermannstadt,  freilich  ohne  Erfolg,* 
selbst  wenn  Frangepan,  Erzbischof  von  Kalocsa,  mit  seiner  Mel- 
dong  Recht  hat,  dass  er  von  den  Einwohnern  Geiseln  und  das 
Versprechen  der  Uebergabe  nach  sechs  Monaten  erhielt,  fUr 
den  Fall,  als  Ferdinand  im  Zusanmienstosse  mit  Suleiman  unter- 
l^;^  das  hielt  Grritti  wohl  ftlr  ausgemacht. 

In  diesen  Tagen  traf  er  mit  Zdpolya  zusammen,  der  ihn 
übrigens  bald  verlassen  zu  haben  und  nach  Ofen  vorausgezogen 
zu  sein  scheint;®  noch  berief  Gritti  eine  Versammlung  der 
siebenbürgischen  Stände  nach  Vizakna  —  in  der  ersten  Hälfte 


*  HnrmosiLki,  Documente  privitöre,  Suppl.  2  zu  I,  65. 

'  DeUa  Valle  22 — 24;  die  Angabe  der  Truppenzahl  ist  wohl  übertrieben. 

*  Hatvani,  Magyar  tört^nelmi  okmAnyliir.  I,  156—158.  —  Quellen  und 
Erörterungen  lY,  220. 

*  Ebendas.  —  Chronik  des  Hieronymus  Ostermayer  1520 — 1561  in  Kem^ny, 
6.  J.,  Deutsche  Fundgruben  der  Geschichte  Siebenbürgens,  1839,  Klausen- 
bürg,  I,  1—69.  18.  ,Nach  Pfingsten  ist  L.  Gr.  . .  .  nach  Cronen  kommen, 
Ton  da  er  wider  die  Hermannstadt  gezogen,  und  sie  dem  Joanni  König 
. . .  onterUiänig  machen  wollen,  aber  nichts  ausg^richt.'  —  Ostermayer 
Itot  hierauf  Gritti  curioserweise  in  Ofen  belagert  und  ,so  bedrängt  wer- 
den .  .  .,  dass  sie  Esels-  und  Rossfleisch  haben  essen  müssen*.  Offenbar 
Ut  die  Belagerung  von  Ofen  im  Jahre  1530  gemeint. 

*  Franciscus  Frangepan  an  Thomas  Nddasdy,  14.  Juni  1532.  Pray,  Ep.  proc. 
n,  13 — 15.  Näheres  über  Hermannstadt  in  dem  Aufsätze  Schuller's  ,Georg 
Reichersdorffer  und  seine  Zeit*.  Archiv  für  Osterr.  Gesch.  XXI,  247.  — 
Die  Nachricht  bei  Della  Valle,  dass  ihn  Gherend  (,vescoyo*)  nach  Her- 
maiinstadt  eingelassen,  ist  eine  alberne  Fabel ;  vielleicht,  dass  damit  nur 
ein  Privatbesuch  gemeint  ist.  —  Vgl.  Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  XXV,  229.  230. 

*  Laiki  an  Herzog  Ludwig  von  Bayern.  Krakau,  4.  Juni  1532.  Quellen  und 
firSrtemngen  IV,  220. 


42 

des  Juni  — ,  dort  einen  Landtag  ,pro  conservatione  regni^  ab- 
zuhalten/ und  traf  einige  Verfügungen  in  seiner  Eigenschaft 
als  Gouverneur  und  Generalsehatzmeister.  Er  bestätigte  der 
Stadt  Kronstadt  flir  ein  Jahr  den  Zwanzigsten  von  den  durch- 
gehenden Waaren  gegen  eine  Pachtsumme  von  2500  Gulden 
und  erkannte  derselben  durch  Decret  eine  dreijährige  Freiheit 
von  allen  ausserordentlichen  Steuern  wegen  der  erUttenen  Boiegs- 
unbilden  zu.'  Den  Anhängern  König  Ferdinands  I.  schickte 
er  Drohbriefe  zu  mit  gleichzeitiger  Versicherung,  es  sollte  Alles 
vergessen  sein  im  Falle  ihres  Wiederabfalls  zu  Zäpolya.'  Dann 
brach  er  endHch  über  Grosswardein  und  Debreczin  gegen  Ofen 
auf,  wo  er  am  6.  oder  7.  Juli  ankam.^  Sein  Empfang  war 
grossartig.  Frangepan,  der  ,Gros8kanzler'  Ste£Ekn  Brodarics  und 
der  Schatzmeister  Johann  D6czy  zogen  ihm  entgegen,  begleitet 
von  zahlreichen  Edelleuten  und  einer  ungeheuren  Menge  Volkes, 
ihn  im  Triumph  vor  den  König  zu  fuhren.  Es  war  ein  glän- 
zender Zug,  der  sich  zur  Königsburg  bewegte;  voran  die  tür- 
kischen Soldaten  in  ihrem  kleidsamen  Costüme,  hierauf  die 
Leibgarde  des  Königs,  hinter  dieser  die  Magistratspersonen  von 
Ofen  und  Pest,  dann  Anton  Gritti  in  der  Mitte  zwischen  Szere- 
csen,  Bischof  von  Fünfkirchen,  und  Johannes  D6czy,  endUch 
nach  einer  ganzen  Schaar  von  Edelleuten  Gritti  selber,  hoch 
zu  Ross,  in  prunkvoller  türkischer  Kleidung,  in  seinem  Gefolge 


^  Frangepan  an  N^dasdy,  S.  41,  A.  5.  —  Vgl.  HarmtuEaki  II,  4.  36  (anter 

7.  Mai). 

'  Dazu  ein  Prachtstück  damaliger  Justiz:  Dem  Kanzler  VerbScsy  war  von 
einem  Menschen  ein  Pferd  und  andere  Sachen  im  Werthe  von  32  Qulden 
gestohlen  worden;  derselbe  war  nach  Kronstadt  geflohen;  Gritti  verlangte 
dessen  Ehruirung  und  Bestrafung  mit  dem  Qalgen  (!);  sollte  er  nicht  zu 
finden  sein,  so  wären  mehrere  von  einem  Beamten  Verboczj^  zu  be- 
zeichnende Leute  ins  Gef&ngniss  zu  setzen  und  bitten  so  lange  zu  haf- 
ten, bis  dem  Verlustträger  genuggethan  sei.  —  Arohiv  der  Stadt  Kron- 
stadt, Urkundenabth.,  Fr.  SchnelPsche  Sammlung,  Bd.  2,  Nr.  96.  98. 100, 
ddto.  Kronstadt,  25.  Mai;  Sdrk&nj,   1.  Juni;   Debreczin,  28.  Juni   1532; 

8.  Anhang  Nr.  6.  6.  7. 

*  Kgl.  Ungar.  Landesarchiv,  Budapest.  Gritti  an  den  Bischof  von  Agr&m, 
Simon  de  ErdSd.  Ofen,  16.  Juli  1582  (s.  Anhang  Nr.  9).  —  Eine  in 
,Tran8ilvania'  (Beiblatt  zum  SiebenbOrger  Boten,  Hermannstadt)  VI,  1845, 
Nr.  31,  aufgeführte  Originalurkunde  fUr  Marktscheiken  ähnlichen  Inhalts 
ddo.  Csanad,  2.  November  1532,  ist  im  Archive  von  Marktscheiken  nicht 
mehr  aufzufinden. 

*  Della  Valle  26.  27. 


43 

eine  Compagnie  Janitscharen  und  zwei  Abtheilungen  ungarischer 
Reiter.  Zipolya  zog  ihm  entgegen^  und  der  Erzbischof  von 
Kalocsa  celebrirte  ein  feierliches  Hochamt,  dem  der  König  und 
Gritti  beiwohnten.  Noch  an  demselben  Tage  wurde  Gritti  zum 
Generalcapitän  von  Ungarn  ernannt  und  vom  Könige,  als  Zeichen 
der  Generalswürde,  ein  Marschallsstab  und  eine  Standarte  in 
Bdne  Hand  gegeben.    Den  Schluss  bildete  das  leidige  Bankett.^ 

Des  neuen  Generalcapitäns  warteten  aber  wichtige  Ge- 
schäfte. 

Am  25.  April  1532  hatte  Suleiman  seine  Hauptstadt  ver- 
käsen und  zog  gegen  Ungarn  heran.  Nicht  Zdpolya,  der  seine 
Edlen  für  den  24.  Juni  zur  Begrüssung  des  Grossherm  nach 
Ofen  beschieden  hatte,  sondern  Gritti  eilte  ihm  entgegen;  am 
17.  JuK  verKess  er  Ofen*  und  traf  den  Sultan  bei  Essegg;* 
ob  die  dort  gepflogenen  Verhandlungen  lediglich  dem  Interesse 
Zipolja's  galten,  mag  im  Hinblicke  auf  spätere  Ereignisse 
billig  bezweifelt  werden.*  Auf  sein  Anstiften  wurde  dort  auch 
Peter  Perdnyi,  Gritti's  geftlhrlicher  Gegner,  als  Haupt  der  Un- 
abhängigkeitspartei, der  von  seinem  Schlosse  Yalpö  aus  den 
Grossvezier  zu  besuchen  kam,  gefangen  ;'^  bei  seiner  Rückkehr 
nach  Constantinopel  hat  ihn  der  Sultan  Gritti  übergeben,  der 
ihn  mit  sich  nach  Ofen  ftlhrte,  dann  aber  freiliess;  seinen  Sohn 
Franz  nahm  er  in  die  Türkei  mit,  als  er  im  März  1533  Ofen 
yerliess;  der  arme  Elnabe  hat  Vater  und  Vaterland  nie  wieder 
g^ehen.* 

Nach  Beendigung  der  Audienzen  und  Verhandlungen 
kehrte  der  Gouverneur  in  die  ungarische  Hauptstadt  zurück, 
die  ihn  sammt  dem  Castell  von  Zäpolya  übergeben  wurde;  zu 


^  Della  Valle  26  ff. 

'  Stefan  Brodarics    (der  Name  Brodarics    und  Broderics  geschrieben)   an 

Thomaa  Nidasdy,  16.  Juli  1532,  Ofen    Pray,  Ep.  proc.  ü,  18.  ~-  Quellen 

und  ErOrtemngen  IV,  240. 
'  Dieser  kam  dort  am  20.  Juli  an  (Huber  IV,  40).  —  Vgl.  Pray,  Ep.  proc.  II,  16. 

*  Dam  die  hier  durch  Gritti  gepflogenen  Verhandlungen  in  Vertretung  der 
Hercoge  Bayerns  mit  den  Hoffnungen  auf  eine  Neutralität  des  Reiches, 
die  Laski  fGlr  den  Fall  eines  türkischen  Einfalles  in  Böhmen  yermuthete, 
sQsammenhängen,  ist  naheliegend.  Huber  IV,  40.  Quellen  und  Erörte- 
mngen  IV,  264. 

*  Zermegh  bei  Schwandtner  II,  406.  407. 

*  Ebendas.  —  Della  Valle  32.  —  Verancsics  34.  —  Quellen  und  Erörte- 
rungen IV,  259. 


44 

dessen  tiefstem  Schmerze  —  er  soll  darüber  wie  ein  Kind 
geweint  haben  —  ersetzte  er  in  Folge  Auftrages  des  Sultans 
alle  christlichen  Soldaten  und  Officiere  durch  Türken.^  Es  ist 
einleuchtend^  dass  der  Befehl  hiezu  in  Essegg  erfolgte^  und  es 
ist  keine  müssige  Vermuthung,  dass  Suleiman  fUr  den  Fall  einer 
Eroberung  Wiens*  auch  jetzt  wieder  an  eine  Depossedirung 
Zäpolya's  dachte;  die  Richtigkeit  einer  solchen  Annahme  wäre 
als  ausgemacht  zu  betrachten^  wenn  sich  die  Nachricht  bei 
Jongelinus  beweisen  liesse^  dass  Gritti  dem  Könige  zugeredet 
habe^  er  solle  einen  besonderen  bedeutenden  Reichstag  za- 
sammenberufen,  den  man  dann  türkischerseits  auseinandeijagen, 
die  ttlrkische  Herrschaft  decretiren  und  dass  Zäpolya  in  seiner 
Einfalt  auch  darauf  eingehen  wollte,  wenn  nicht  Gritti 's  Secre- 
tär  Tranquillus  dem  Nädasdy,  dem  er  verpflichtet  war,  das 
Ganze  mitgetheilt  und  dieser  hierauf  die  betreffenden  Entschlüsse 
des  Königs  rückgängig  gemacht  hätte.^  Charri^re  bringt  die 
Vorgänge  in  Ofen  mit  einer  Erhebung  Gritti's  auf  den  Thron 
Ungarns  zusammen;^  dass  dieser  die  vom  Sultan  erhaltenen 
Aufträge  fllr  sein  Interesse  auszubeuten  Willens  war,  beweisen 
die  von  ihm  veranstalteten  erfolgreichen  Truppenwerbungen  in 
Ofen.*  Dort  war  übrigens  seines  Bleibens  nicht  lange.  Schon 
am  15.  August  musste  er  dem  Befehle  Zäpolya's,  Gran,  das  von 


^  Charriöre,  N^ociations  de  la  France  dans  le  Levant  I,  212.  14.  August 
1532, .  .  .  le  jour  22*  joar  de  juillet  (natürlich  falsch,  da  Gr.  17.  JnU  Ofen 
verlassen  hatte)  a  rendu  la  ville  et  le  chasteau  de  Budles  a  Lojs  Gripty, 
lequel  Qriptj  a  ostä  tons  les  chresstiens  desdictes  places,  et  y  a  mis  en 
leur  liea  des  Turcs  par  commandement  du  grand  turc;  de  qaoy  ledlct 
Tayraulde  a  est^  merveilleusement  raarry,  et  en  a  pleurö  comme  an  en- 
fant;  car  on  dit  davantage,  que  ledit  Gripty  aora  le  gonvemement  de 
toute  THongrie.* 

'  S.  Brodarics  berichtet  dem  Octavio  Grimaldi,  Rath  des  französischen 
Königs,  unter  dem  14.  August  folgende  abenteuerliche  G^eschichte:  ,yene- 
runt  literae,  ch'  el  imperator  de  Turci  era  passato  Vienna,  va  dritto 
verso  Ratisbona,  non  so  que  4000  todeschi,  che  erano  venuti  non  lon- 
tano  da  Vienna  k  incontrarse  con  li  Tnrchi,  sono  tagliati  a  peeso.*  — 
K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 

'  Jongelinus,  Catalogus  palatinorum  regni  Hungariae,  bei  Katona  XX,  869  ff. 

*  N%ociations  de  la  France  dans  le  Levant  I,  212. 

^  Szerömi  299.  300.  —  Vgl.  hiezu  auch  die  im  Anhang  Nr.  10  mitgetheilte 
Urkunde  (altes  Bistritzer  Comitatsarchiv)  vom  5.  August  1532,  in  der 
Gritti  vom  Bistritzer  Rath  zu  Kriegszwecken  1000  fl.  und  eine  Anzahl 
Wagenpferde  fordert 


45 

Ferdinands  Truppen  besetzt  war,  zu  belagern,  Gentige  thun 
md  reiste  auch  noch  an  diesem  Tage  ab.^  So  war  es  Sulei- 
maos  Wunsch  —  und  das  erklärt  Gritti's  raschen  Gehorsam  — ; 
denn  es  musste  dem  Sultan  doch  sehr  gelegen  kommen,  wenn 
durch  einen  solchen  Angriff  ein  Theil  der  Streitkräfte  König 
Ferdinands  in  Anspruch  genommen  wurde.' 

Mit  10.000  Mann  Landtruppen,^  der  türkischen  Donau- 
fiotiUe,  ausgerüstet  mit  allen  sonstigen  Belagerungswerkzeugen, 
begann  Gritti  die  Belagerung  Grans,  einer  vorzüglich  befestig- 
ten Stadt,  welche  Thomas  Lascano  mit  spanischen,  deutschen 
and  croatischen  Landsknechten  und  Bartholomäus  HorvAth 
mit  den  Lehensmännern  des  aus  der  Stadt  entflohenen  Erz- 
bischofs VArday  vertheidigten.*  Alle  Stürme  waren  vergebens; 
im  Gegentheile,  die  Belagerten  fügten  durch  gelungene  Aus- 
fälle —  Istvdnffy  hebt  besonders  zwei,  einen  von  Martinus  Las- 
cano, Bruder  des  Befehlshabers,  den  andern  von  Horväth,  her- 
vor* —  dem  belagernden  Heere  empfindlichen  Schaden  zu, 
motten  sich  aber,  da  die  Lebensmittel  zu  mangeln  begannen, 
OÄch  Pressburg  um  Zufuhr  von  solchen  wenden.  Die  dort 
^tionirten  Räthe  fragten  bei  Ferdinands  Feldhauptmann 
Eatzianer  in  Wien  an  und  erhielten  den  Auftrag  —  Katzianer, 
stets  einen  Angriff  Suleimans  befürchtend,  wagte  keine  Ver- 
minderung der  bei  Wien  aufgestellten  Truppen  —  sie  sollten 
mit  den  sechzig  bei  Pressburg  liegenden  Nassadien  —  kleinen 
und  schnellen  Fahrzeugen  nach  Art  der  Piratenschiffe  —  nach 
(rran  eilen;  er  selbst  würde  mit  grösseren  Schiffen  zur  Deckung 
oachkonmien.  Der  Befehlshaber  der  Nassadien,  Corporanus, 
gedachte  vorerst  diese  Verstärkung  bei  Komom  abzuwarten; 
doch  Gritti  hatte  von  Allem  erfahren  und  sandte  die  türkische 
Flotille  gegen  Komom;  trotz  des  Rathes  des  Pesthanus,  des 
zweiten  Befehlshabers  der  Flotte,  sich  auf  Pressburg  zurück- 
zuziehen,  wagte  Corporanus  den  Kampf;  so  kam  es  im  Morgen- 
grauen —  an  einem  Tage  des  Monates  September  —  zu  einem 


'  St,  Brodarics  an  Orimaldi.    K.  u.  k.  Haas-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 
'  So  bat  es  zuerst  scharfsinnig  and  einleuchtend  Pray  in  den  Annales  re- 
gxiin  Hungariae  lU,  251  klai^elegt 

*  Hatrani,  Okminytir.  I,  176. 

*  Hieför  und  für  die  folgende  Beschreibung  der  Belagerung  Grans  Jovius, 
XXX,  101'— 103^  —  Della  Valle  29—32. 

'  Istrinff/  176. 


46 

blutigen  Seegefechte,  das  mit  einer  gänzlichen  Niederlage  der 
Pressburger  endete. 

Aber  Gritti  war  nicht  in  der  Lage,  den  Sieg  zu  benützen; 
er  hatte  nicht  genügend  Pulver,  mehrere  seiner  Belagerungs- 
maschinen waren  gebrochen,  sein  Heer  schmolz  immer  mehr 
zusammen,  die  Ungarn,  die  unter  ihm  dienten,  machten  gar 
kein  Hehl  aus  ihren  Sympathien  für  die  Belagerten.  Suleiman, 
so  erfuhr  er  jetzt,  hatte  Güns  verlassen  und  befand  sich  in 
vollem  Rückzuge,  und  Ratzianer,  der  mit  dem  statüichsten 
Heere,  das  König  Ferdinand  je  gehabt,  bei  Wien  stand,  konnte 
jeden  Tag  erscheinen.*  Diese  Erwägung  wog  so  stark,  dass 
Gritti  seinen  Plan,  die  Stadt  auszuhungern,  schleunigst  aufgab 
und  in  einem  fluchtähnlichen  Rückzuge  Ende  September  nach 
Ofen  eilte.*  lieber  das  Ergebniss  der  von  Gritti  angebUch  in 
königlichem  Auftrage  Anfang  September  angeordneten  Kriegs- 
steuereinhebungen  zum  Zwecke  der  ,Vertheidigung  Ungarns* 
liess  sich  nichts  finden.^ 

Von  Ofen  weg  begab  er  sich  so  schnell  es  ging  nach 
Belgrad,  wo  er  Mitte  October  den  Sultan  erreichte.*  Suleiman 
empfing  ihn  leutseUg,  durchritt  mit  ihm  und  Ibrahim  plaudernd 
das  Lager  und  behandelte  ihn  auszeichnend.*  Er  erfüllte  die 
durch  Gritti  überbrachte  Bitte  Zäpolya's,  eine  Armee  an  der 
(Jrenze    zum   Schutze    gegen    etwaige   habsburgische   Offensiv- 


^  Simancas,  Archivo  de  Estado,  Berichte  des  kais.  Commiasärs  Prantner  an 
Karl  V.  aus  Pressbarg,  4.,  10.  und  26.  September  1532  (Regesten  bei 
Ovary,  A  magyar  tud.  akad^mia  tttrt^nelmi  bizottsiginak  oklevöl-mäso- 
latai  [Urkundenabschriften  der  histor.  Commission  der  kgl.  ungar.  Akademie 
der  Wissensch.],  Budapest  1890,  11,  Nr.  248.  261.  261).  —  SzerÄmi  303. 

'  Della  Valle  31.  Die  Ankunft  in  Ofen  wird  nach  der  Nachricht  bei 
Szer^mi  303:  ,rex  loannes  cum  gubematore  Gritti  ita  venimus  et  in  die 
feste  .  .  .  sub  papilionem  suam  rex  missam  audivit  et  ad  Budam  yenera* 
mus  ad  horam  prandii*  auf  den  Michaelstag  (29.  September)  anzusetzen 
sein.  Die  traurigen  Folgen  der  Belagerung  fdr  die  Stadt  und  Umgebung 
schildert  in  lebhaften  Farben  der  Erzbischof  Paul  V^rday  in  einem 
Briefe  an  Papst  Clemens  VII.  (Gran,  3.  April  1533),  worin  er  den  Papst 
bittet,  er  mOchte  KOnig  Ferdinand  von  dem  an  ihn,  Virday,  gestellten 
Verlangen  abbringen,  6000  Gulden  zur  Erhaltung  der  Graner  Burgwache 
beizutragen.    Rom,  Yatican.  Archiv,  bei  Ov^ry  Nr.  270. 

'  Gritti  an  die  Städte  Eremnitz  und  Schemnitz,  5.  September  1533.  Krem- 
nitz,  städt.  Archiv.    (Anhang  Nr.  12  a.) 

*  Fessler-Klein  IH,  467. 

»  DelU  Valle  31  f. 


47 

s^tte  zurückznlasseD,^  indem  er  60.000  Mann  unter  neun 
SandjakSy  mit  einer  auf  sechs  Monate  reichenden  Munition  ver- 
leben,  zu  f^egg  überwintern  liess.^  Gritti  selber  brachte,  als 
er  gegen  Ende  November  *  nach  Ungarn  zurückkehrte,  reiche 
Unterstützung  an  Soldaten,  Pferden,  Waffen,  Schiffen  und  Geld 
xit^  Mitte  December  stiess  er  zu  Zdpolya,  der  sich  an  der 
Theiss  aufhielt,^  und  erstattete  Bericht  über  seine  Sendung, 
indem  er  gleichzeitig  ein  officielles  ^  Handschreiben  Suleimans 
überreichte,*  worin  dieser  neuerUch  Zäpolya  Beistand  verhiess 
nnd  das  Versprechen  eidlich  bekräftigte,  dass  er  König  Ferdi- 
nand ,8achen  wolle  in  allen  seinen  Landend 

Am  21.  December,  bei  starkem  Schneefall,  so  dass  man 
kaum  vorwärts  kommen  konnte,  traf  er  in  Ofen  ein,'  wo  Nä- 
dasdy,  Athinay  und  Paulus  Pozaka  das  Gerücht  verbreitet 
hatten,  der  Sultan  hätte  ihn  schmählich  hinrichten  lassen;^ 
bald  sollte  man  von  der  Unwahrheit  desselben  furchtbar  über- 
zeugt werden. 

§.5. 
Die  Wnikflrlierrscliaft  In  Ofen  (Winter  1533). 

Voll  Hochmuth  und  Stolz  kam  der  Reichsgouvemeur  nach 
<Jfen  zurück.  So  nahe  glaubte  er  sich  der  Verwirklichung 
sdner  Plane,  dass  er,  ohne  sich  um  den  ohnmächtigen,  ausser- 
dem bei  ihm  tief  verschuldeten®  König  auch  nur  im  Gering- 


*  Schepper  An  Karl  V.  Innsbruck,  15.  Jänner  1533.  Hatvani,  Okmünytir 
I,  194.  —  Schepper  an  Nie  Olah.  Linz,  8.  Februar  1533.  Mon.  Hang, 
bist  Dipl.  XXV,  286  f. 

*  St  Brodaricfl  an  Simon  ErdSdy,  16.  October  1533,  bei  Koller,  Historia 
episcopatufl  Qainqneecclesiarum.  Posonii  1801,  V,  226.  —  C.  Winzerer 
an  Herzog  Ludwig  von  Bayern,  18.  u.  20.  December  1532.  Quellen  und 
Erörterungen  IV,  259.  262. 

'  C.  Winzerer  an  die  bayrischen  Herzoge  (21.  November  1532):  Gritti  hat 
beute  geschrieben,  er  ...  ist  zu  Peterwardein.  Quellen  und  Erörterungen 
IV,  253.  —  Della  Valle  32.  —  Öviry  Nr.  265. 

*  C.  Winzerer  an  Herzog  Ludwig.    Quellen  und  Erörterungen  IV,  259.  262. 

*  Quellen  und  Erörterungen  FV,  258. 

*  Ebendas.  259. 

'  DelU  Valle  32. 

*  Sier^mi  309. 

*  ».  8.  32. 


48 

sten  zu  kümmern,  schon  ganz  den  Herrn  und  Gebieter  des 
Königreiches  spielte,  dabei  aber  nicht  vergass,  sich  seiner  Gegner 
unter  den  ungarischen  Edlen  zu  entledigen  oder  wenigstens  den 
Versuch  zu  wagen.  Nddasdy  freiUch  wusste  sich  ihm  zu  ent- 
ziehen, indem  er  Ofen  verliess;  aber  andere  Opfer  fielen.  Paulus 
Pozaka  (Literatus)^  der  mit  Athinay  und  Nddasdy  das  Gerücht 
von  Gritti's  Hinrichtung  verbreitet  hatte,  ward  in  seinem  Hause 
aufgehängt.  In  seinem  Kachlasse  fanden  sich  4000  Gulden; 
für  ein  Viertel  der  Summe,  behauptet  Szerimi,  hätte  er  sich  sein 
Leben  erkaufen  können.  Athinay  ward  seiner  Stelle  als  Platz- 
commandant (provisor)  Ofens  verlustig  erklärt  und  durch  ,Bru- 
der  Georg'  —  Georg  Utijessenich  —  ersetzt.'  Diesen  Gewalt- 
thaten  setzte  der  Freche  die  Krone  auf  durch  die  Ermordung 
der  in  Ofen  hochangesehenen  Brüder  Paul  und  Blasius  ÄrthAndy, 
die  ZApolya,  als  verrätherischer  Beziehungen  zu  Ferdinand  ver- 
dächtig, am  9.  Jänner  1531  hatte  einkerkern  lassen.*  Gritti 
Hess  beide,  während  der  König  sich  auf  der  Jagd  befand,  in 
der  Morgendämmerung  des  10.  Jänner  vor  die  Stadt  hinaus- 
führen und,  Blasius  zuerst,  dann  Paulus,  ohne  auch  nur  einen 
Schein  von  Rechtsprechung  enthaupten.  Ihr  Verrath  an  der 
Sache  Zdpolya's,  später  wohl  klargelegt,'  war  für  Gritti  noch 
durchaus  nicht  erwiesen,  wohl  aber  hatten  die  Brüder  in  Be- 
ziehungen zu  der  Opposition  gegen  Gritti  gestanden  und 
waren  ausserdem  reich,  Grund  genug,  sie  aus  dem  Wege  zu 
räumen.  Wieder  war  es  der  verhasste  NAdasdy,  der  ihn  um 
die  Früchte  dieser  That  brachte,  indem  er  das  reiche  Vermögen 
des  ermordeten  Paul  Arthändy  vor  ihm  sicherstellte.* 

Das  waren  nun  die  Consequenzen  des  Gritti'schen  Grund- 
satzes, wie  er  ihn  Schepper  gegenüber  aussprach:  ,Wer  herr- 
schen will,  darf  kein  Blutvergiessen  scheuen  !*  ^    Was  war  ihm 


^  Szertoi  311. 

*  Ebendas.  818. 

>  Fessler-Klein  in,  460. 

*  Sserömi  320.  —  N.  Olah  an  Schepper.  Brüssel,  14.  Jänner  1533.  — 
Schepper  an  N.  Olah.  Wien,  2.  April  1533.  —  Mon.  Hang,  hist  Dipl. 
I,  333  f.,  XXV,  272  f.  —  Vgl.  auch  kgl.  ungar.  Landesarchiv,  Maylath 
an  NAdasdy,  25.  Februar  1533,  Pressburg:  ,Malta  de  dominatione  yestra 
magnifica  mala  loquutus  est  Gritti.  Ibraim  eciam  intimavit  loanni  regi  ex 
suasionibus  Gritti,  ut  dominationem  vestram  captivent*  —  S.  Nachtrag. 

»  Gövay  U,  1534,  65. 


49 

ZipotjAf  in  dessen  nächstem  Kreise  ganz  unverhüUt  davon  ge- 
sprochen wurde,  dass  Qritti  seinen  Untergang  ersehne,  um 
selbst  mit  des  Sultans  Zustimmung  den  Thron  von  Ungarn  zu 
besteigen!^  Der  bedauemswerthe  König  wagte  auch  kaum 
mehr  Widerstand.  Gritti  hielt  einen  glänzenden  Hofstaat,  7000 
türkische  Soldaten  standen  unter  ihm;  in  seinem  Dienste  waren 
mehr  ungarische  Kriegsleute  als  in  dem  des  Königs,  und  immer- 
während gab  es  Streitigkeiten  zwischen  seinen  und  den  könig- 
Bchen  Truppen,  deren  Anzahl  sich  täglich  verringerte,  indem 
viele,  durch  den  hohen  Lohn,  den  Grritti  zahlte,  verlockt,  zu 
ihm  übergingen.  Zweihundert  Bewaffnete  mit  brennenden  Lun- 
ten und  geladenen  Gewehren  begleiteten  ihn  eines  Tages  in 
den  königlichen  Palast;  die  Situation  war  derartig,  dass  Szer^mi 
dem  königlichen  Rathe  Pösti^ny  zurufen  konnte:  ,Gebt  nur 
Acht,  dass  ihr  nicht  einmal  Alle  sammt  dem  König  eure  Köpfe 
verliert!'  Als  seine  Helfershelfer  bezeichnet  jener  schon  damals 
ürban  Batthydny  und  den  an  Stelle  Nädasdy's  zum  ,Vice- 
gubemator'  ernannten  Johannes  Döczy,  einen  niedrig  gesinnten 
Menschen,  der  nach  der  Szerömi  von  Zäpolya  selbst  gegebenen 
Versicherung  die  Abscheulichkeit  beging,  Gritti  seine  eigene 
Frau  zuzuführen.^ 

Und  nun  begann  er  einen  neuen,  vorerst  diplomatischen 
Kampf  gegen  den  verhassten  römischen  König.  Abgesehen  von 
einer  —  erfolglosen  —  Belagerung  des  Raubnestes  Palota,  der 
Burg  des  berüchtigten  Ladislaus  More,  im  Februar  1533,^  ver- 
nthen  alle  seine  Massnahmen  diese  Absicht.  Er  richtete  an 
die  Ferdinand  treuen  Bergstädte  Oberungarns  die  Aufforderung, 
durch  angesehene  Abgesandte  mit  ihm  und  dem  Könige  in 
Unterhandlung  zu  treten,  offenbar  nur  um  durch  Gefangen- 
Qehmung  dieser  Abgesandten  einen  Zwang  auf  dieselben  aus- 
rauben,* wie  denn  die  Räthe  Ferdinands  in  Pressburg,  dies 
erkennend,  die  Sendung  sofort  widerriethen.  Das  treue  Her- 
mannstadt   zu   erobern,   lag  ihm  schon  lange  im  Sinn; ^   doch 


^  Paul  Bakics  an  Ferdinand  I.,  7.  October  1632.    s.  S.  37,  A.  1. 

*  Szer^mx  311—313.     Qaellen  und  Erörterungen  IV,  269. 

'  K.  Tl.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien.  Die  ungarischen  Commis- 
•arii  an  Ferdinand,  27.  Februar  1533.  —  Kgl.  ungar.  Landesarchiv,  Fest 
Maylith  an  N&dasdy.    Pressbarg,  25.  Februar  1633. 

*  8.  Anhang  Nr.  13. 

*  8.  Anhang  Nr.  14. 

ArektT.  LXXXm.  Bd.  I.  Hilfto.  4 


50 

war  er  jetzt  zu  weit  davon  entfernt,  um  eine  Entscheidung 
fkllen  zu  können.  Zugleich  verhandelte  er  durch  den  Agenten 
Georg  Weinmeister  mit  den  Herzogen  von  Bayern,  denen  er 
versprach,  er  ,wol  alczeit  geflissen  und  ungespart  erfunden 
werden',  ihnen  guten  Willen  zu  beweisen.  Hatte  er  doch  von 
ihnen  die  Zusage,  sie  würden,  wenn  kein  Friede  zu  Stande 
käme,  in  die  habsburgischen  Länder  einfallen.^  Nun  aber  sollte 
der  Hauptschlag  gegen  Ferdinand  fallen. 

Im  März  1533  berief  Gritti  eine  Staatsversammlung  nach 
Ofen  in  das  Johanneskloster  und  Hess  den  Versammelten  durch 
seinen  Vertreter  Döczy,  der,  mit  Szer^mi  zu  reden,  ,wie  der 
Satan  neben  ihm  stand',  verkünden:  ,Keine  Gefahr  droht  Un- 
garn von  den  Türken,  so  lange  ich  hier  bin;  nicht  bedarf  es 
mehr  der  Kriege,  sondern  Ihr  werdet  in  aller  Ruhe  leben, 
selbst  Syrmien  hoffe  ich  für  Euch  zu  erlangen.'  —  Das  war  ja 
das  Verlangen  einer  grossen  Partei.  —  ,Aber  eines  ist  noth- 
wendig:  die  Bezwingung  König  Ferdinands,*  Eures  Erbfeindes 
und  die  ist  ohne  Geldopfer  von  Eurer  Seite  unmögKch.'  Die 
Stände  waren  nicht  wenig  gereizt  über  das  herrische  Auftreten 
des  verhassten  Venetianers.  ,Der  König  ist  ja  doch  kein  Kind, 
wenden  wir  uns  an  ihn!'  Aber  der  gute  König  wies  die  zwei 
an  ihn  geschickten  Abgeordneten  kleinlaut  zurück,  mit  der 
Aufforderung,  dem  Gubemator  zu  gehorchen;  auch  Verböczy, 
zu  dem  sich  die  Gesandten  hierauf  begaben,  wusste  ihnen  keine 
andere  Antwort  zu  geben.  So  mussten  sie  sich  die  Forderungen 
Gritti's  gefallen  lassen.  Diese  waren  nicht  gering;  Adel  und 
Clerus  sollten  die  Hälfte  ihres  beweglichen  Vermögens  zu  Steuer- 
zwecken hergeben;  mit  der  Eintreibung  sollte  in  jedem  Comitat 
der  Vicegespan  betraut  werden.  Und  eine  originelle  Steuer- 
schraube ersann  er  noch.  Er  besass  grosse  Mengen  Safrans, 
und  diese  mussten  von  Comitaten,  Gemeinden  und  Edelleuten 
t  unfreiwiUig  gekauft  werden.  Er  habe  in  Siebenbürgen  einen 
Goldberg  entdeckt,  erzählt  er  der  etwas  überraschten  Versamm- 
lung, imd  den  zu  bebauen  brauche  er  Geld;   verlasse  er  Un- 


^  Georg  Weinmeister's  Bericht  Über  seine  Sendung  nach  Ungarn  au  die 
Herzoge  von  Bayern,  Punkt  2:  ,Wa0  ich  mit  Herren  Ludwigen  Grytti 
gehanndlt*  Quellen  und  Erörterungen  IV,  26S/9. 

■  8.  S.  62,  A.  8. 


61 

»am,  so  bleibe  ihnen  der  Berg  ohnehin.^     Gleich  neben  impe- 
ratorischen  Entwürfen  der  kaufmännische  Geschäftsgeist!' 

Wer  weiss,  wie  weit  die  Dinge  gerathen  wären,  hätte  ihn 
aicht  ein  stricter  Befehl  des  Sultans  nach  Constantinopel  be- 
fohlen. So  sah  er  sich  gezwungen,  Ofen  —  am  25.  März  — 
m  verlassen  und  zog,  von  seinen  Trabanten  Batthyäny  und 
Döczy  begleitet,  über  Debreczin  und  Gross  wardein  *  nach  der 
Türkei,  nicht  ohne  sich  auf  diesem  Marsehe  bei  den  Bewohnern 
ein  trauriges  Andenken  zu  sichern.  Seinen  Sohn  Anton,  den 
neunzehnjährigen  Bischof  von  Erlau,  Hess  er  bei  Zäpolya  zu- 
rück, während  er  Perenyi's  Sohn  Franz  mit  sich  in  die  Türkei 
nahm.  —  In  Ofen  aber  gab  es  keinen  Menschen,  der  die  Ab- 
reise Jener  Schlange^  nicht  mit  Vergnügen  zur  Kenntniss  ge- 
nommen hätte. ^ 

§.6. 
Die  Yerhandlungen  in  Constantinopel. 

I. 

Gritti'8  und  Ibrahim's  eigenmäohtige  Politik. 

König  Ferdinand  I.  hatte  am  30.  December  1532  durch 
K^tzianer  und  andere  Bevollmächtigte  sich  mit  den  Vertretern 
Zipolya's  über  einen  viermonatlichen  Waffenstillstand  geeinigt, 
während  dessen  am  7.  Februar  1533  Friedensverhandlungen  in 
Pressburg  eröffnet  wurden.^  Einen  Monat  früher  hatte  er  Hiero- 
njmos  von  Zara  als  Gesandten  nach  Constantinopel  gesandt; 
am  10.  Jänner  war  dieser  in  die  türkische  Hauptstadt  gekommen. 


^  Sser^mi  313 — 315.  Bezüglich  der  Saüransteaer  vgl.  Ostermeier  18:  ,Gritti 
. .  .  viel  Safimn  in  Siebenbürgen  geschickt,  welche  in  die  Städte  denen 
Leuten,  nachdem  sie  Zins  getragen,  mit  Gewalt  ist  aufgesezt  worden. 
AUhier  zu  Cronen  aber  ist  viel  von  den  Bürgern  in  die  Bach  geworfen 
worden,  ob  sie  ihn  gleichwohl  haben  zahlen  müssen.^ 

'  So  hatte  er  auch  eine  Transportspeculation,  betreffend  eine  ,mit  geriugist 
Kosten*  durchzuführende  Verfrachtung  des  im  oberungarischen  Berglande 
gewonnenen  Kupfers  in  die  Türkei,  im  Sinne.  K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  und 
Staatsarchiv  in  Wien. 

*  DeUa  VaUe  33. 
«Szer^mi  312.  321.  322. 

*  Huber  IV,  46.  47.  —  Fessler-Klein  lU,  460.  461. 

4* 


52 

Schon  11  Tage  später  konnte  er  berichten,  dass  der  Sultan^ 
unangenehm  von  den  Erfolgen  des  Kaisers  berührt,  dessen 
Generalcapitän  Andreas  Dona  die  auf  der  peloponnesischen 
Halbinsel  gelegene  Festung  Corone  eingenommen  hatte,  dem 
Frieden  zugeneigt  sei  und  bereits  an  Zäpolya  und  Gritti  habe 
Befehle  ergehen  lassen,  jede  Belästigung  oder  Beleidigung  der 
Unterthanen  König  Ferdinands  in  den  Grenzlanden  zu  unter- 
lassen.^ In  einem  Schreiben,  das  Ibrahim  Pascha  dem  vom 
Sultan  in  diplomatischer  Sendung  nach  Wien  gesandten  Mehe- 
metbeg  mitgab,  ward  dem  Könige  die  Belassung  in  den  zur 
Zeit  thatsächlich  besessenen  Gebieten  Ungarns  zugesichert.  Der- 
selbe bewiUigte  die  von  Mehemetbeg  tiberbrachte  Forderung 
des  Sultans,  ihm  als  Zeichen  der  Ergebenheit  die  Schlüssel 
der  Festung  Gran  zu  tibersenden,  und  entliess  den  Gesandten 
in  allen  Ehren.* 

Mit  begreiflichem  Misstrauen  hatte  man  von  Constantinopel 
aus  das  Treiben  Ludovico  Gritti's  beobachtet.  Sein  despoti- 
sches Auftreten  in  Ofen  musste  bei  der  Pforte  umsomehr  ver- 
stimmen, als  er  in  directem  Widerspruche  zu  den  vom  Sultan 
erhaltenen  Befehlen  fortfuhr,  gegen  Ferdinand  I.  —  wenn  auch 
zunächst  nur  diplomatisch  —  zu  arbeiten.^     Sein  Mass  voll  zu 


»  GÄvay  U,  1632,  66.  68.  71.  73  etc. 

'  Katona  XX,  881.  883.  —  Dass  die  Znsicherung  des  momentanen  Besitz- 
standes eine  Eigenmächtigkeit  Ibrahims  gewesen  ist,  scheint  mir  aus 
Folgendem  hervorzugehen:  In  keinem  einzigen  der  an  Ferdinand  selbst, 
femer  an  die  Hauptleute  in  Corone,  an  Katzianer,  Lascano,  die  nieder- 
österreichische  Regierung  und  andere  gerichteten  Schreiben  des  G^esand- 
ten  Hieronymus  von  Zara  ist  von  einer  solchen  Bedingung  die  Bede, 
ebenso  nicht  in  Briefen  des  Königs  Ferdinand  an  seine  Commiss&re  in 
Ungarn  und  an  seine  Schwester  (G6vay  II,  1532,  62—96.  112).  Sie 
findet  sich  zuerst  in  einem  Ende  März  nach  Mehemef  s  Sendung  (s.  Ka- 
tona XX,  881—883)  gehaltenen  Vortrag  in  Wien  an  Ferdinands  unga- 
rische Käthe  (G6vay  H,  1532,  101—103).  Nicht  verständlich  wäre  dann 
femer,  warum  Aias  Pascha  sich  im  Frühjahre  1534  solche  Mühe  gab, 
dem  Sultan  nichts  von  einer  derartigen  Bestimmung  zu  Ohren  kommen 
zu  lassen;  unverständlich  auch,  dass  den  Gesandten  Hieronymus  von 
Zara  und  Com.  Duplic.  Schepper,  die  doch  eine  sehr  günstige  Stimmung 
in  Constantinopel  vorfanden,  kein  derartiges  Versprechen  gegeben  wurde 
(s.  Gesandtschaftsberichte  bei  G^vay  n,  1532  und  II,  1534). 

'  Dass  er  die  Verständigung  in  die  Hände  bekam,  beweist  ein  Schreiben 
König  Ferdinands  an  seine  ungarische  Commission  in  Pressbuig  vom 
7.  März  1533,  in  welchem  die  Uebargabe  des  von  Hieronymus  an  Las- 


53 

machen^  meldete  er  selbst  nach  Constantinopel,  dass  der  König 
Ferdinand  und  der  König  von  Polen  sich  mit  ihm  und  Zdpolya 
über  den  Abschluss  eines  Friedens  ins  Einvernehmen  gesetzt 
liätten.  Das  war  gar  nicht  im  Sinne  der  türkischen  Politik. 
Zornig  rief  Ibrahim  Pascha,  weder  Zdpolya  noch  Gritti  hätten 
aber  den  Friedensschluss  zu  bestimmen;  das  stände  allein  beim 
Sultan.*  AugenblickUch  ward  Zäpolya  angewiesen,  seinen  Gou- 
Temeur  an  die  Pforte  zu  schicken.*  Dass  man  sich  dort  ausser- 
dem seiner  Kenntniss  der  ungarischen  Verhältnisse  bedienen 
wollte,  beweist  die  von  Mehemetbeg  an  Ferdinand  I.  über- 
brachte Meldung,  Ludovico  Gritti  habe  Befehl,  Zdpolya  zur 
fonnellen  Abtretung  jener  Gebiete,  die  der  König  zur  Zeit  be- 
sässe,  zu  bewegen.* 

Gritti  beruhigte  den  über  diesen  Auftrag  nicht  wenig  be- 
troffenen Zäpolya  und  versprach,  bei  der  Pforte  das  Unterste  zu 
obcrst  kehren  zu  wollen,  wenn  er  nur  einmal  dort  wäre.  Ob  gerade 
immer  zu  seinem  Vortheile,  konnte  Zdpolya  billig  bezweifeln.* 

Nach  mehr  als  einmonatlicher  Reise  kam  Ghritti  am 
29.  April  in  Constantinopel  an  und  stellte  sich  am  3.  Mai  Ibra- 
him Pascha,  einige  Tage  später  dem  Sultan  vor;*^  ein  ganzes 
Heer  von  Dienern  hatte  die  kostbaren  Gold-,  Silber-  und  Seiden- 
arbeiten zu  tragen,  die  er  dem  Grossherm  zum  Geschenke 
machte.  Dieser  zeigte  sich  durch  die  Sendung  von  zwölf  reich 
mit  Ducaten  beladenen  Pferden  hieftir  erkenntHch.^ 

Die  Verhandlungen  zwischen  Hieronymus  von  Zara  und 
der  Pforte  waren,  als  Gritti  ankam,  in  vollem  Gange.     Schon 


cano  gerichteten  Briefes  als  durch  Gritti  bewerkstelligt  angegeben  wird. 
(G^vay  II,  1632,  84-86.)  —  Vgl.  auch  Hnrmuzaki  U,  1.  82. 

*  Gesandtschaftsbericht  Hieronymus  von  Zara's  und  C.  D.  Schepper's  vom 
27.  September  1533.  G^vay  II,  1532,  4.  Vgl.  auch  in  Cod.  9026,  f.  7'— 
27'  der  Hofbibliothek  in  Wien  enthaltene  Tagebuchfragment  der  Ge- 
sandten, das  zalilreiche  interessante  Details  enthält  —  Hieronymus  von 
Zara  an  Ferdinand,  4.  März  1533.     G^vay  II,  1532,  82. 

•  Alexius  Thurzö  an  Ferdinand  I.,  8.  März  1633.    G^vay  II,  1532,  91. 
»  «.  8.  52,  A.  3.    (Katona  XX,  881—883). 

*  Kurz  darauf  erklärte  er  (wenn  Bethlen,  der  meist  Zermegh  oder  Jovius 
aasschreibt,  Recht  hat),  sollte  sich  von  Seiten  Zipolya's  irgend  ein  Wider- 
stand gegen  die  Realisirung  des  Friedens  zeigen,  so  werde  er  diesen  zu 
bannen  wissen.    Bethlen  I,  204.  ^  G^vay  H,  1532,  516. 

•  Della  Valle  33.  —  Quellen  und  Erörterungen  IV,  290.  —  Lopez  de  Soria 
an  Ferdinand  (l.  Juli  1533).    K.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv  in  Wien. 


54 

fiiiher  hatte  Ibrahim  Pascha  versprochen,  er  wolle  durch  Gritti 
den  König  Johann  zur  Verzichtleistung  auf  Land  und  Krone 
von  Ungarn  sogleich  oder  für  seine  Erben  zu  bewegen  suchen.^ 
Die  Erwartungen  des  Gesandten  waren  hoch  genug  gespannt. 
Und  nun  sollte  Gritti  die  Verhandlungen  leiten,  derselbe  Mann, 
dessen  Ehrlichkeit  König  Ferdinand  so  wenig  Vertrauen  ein- 
flösste,  dass  er  schon  am  7.  April  1533  Hieronymus  aufgefor- 
dert hatte,  Alles  aufzubieten  imd  Ibrahim  Pascha  ,mit  pessten 
und  schikhlichsten  Worten  dise  Mainung  anzuzaigen^,  ,da8s  der 
Gritti  nit  darzue,  noch  sonst  in  ainicher  anndem  Handlung  ge- 
braucht, sonder  ausgeslossen  wurd^'  Der  Anfang  war  kein 
hoffnungsreicher:  die  ungarischen  Erwerbungsgedanken,  meinte 
Gritti,  sollte  sich  das  Haus  Oesterreich  nur  aus  dem  Kopfe  schla- 
gen, Ungarn  bliebe  in  Zäpolya's  Händen;  die  übrigen  Verhand- 
lungen, damit  auch  die  so  werthvollen  Versprechungen  Ibra- 
hims sollten  rückgängig  gemacht,  Karl  V.  nur  gegen  unbedingte 
Abtretung  Corones  zum  IVieden  herangezogen  werden.'  Dass 
Hieronymus  bei  Allem  artig  und  höflich  blieb,  war  dem  selbst- 
gefälligen Venetianer  gegenüber  nicht  ohne  Wirkung.* 

Die  Verhandlungen  stockten,  bis  am  24.  und  25.  Mai 
Vespasian  von  Zara,  der  Sohn  des  Hieronymus,  und  Cornelius 
Duplicius  Schepper  mit  den  verlangten  Schlüsseln  von  Gran 
und  Geschenken  an  den  Grossvezier  erschienen,  von  Ferdinand 
in  der  Art  instruirt,  dass  sie,  wenn  ganz  Ungarn  nicht  zu  er- 
langen wäre,  sich  mit  dem  zwischen  Donau  und  Theiss  ge- 
legenen Gebiete  begnügen  sollten.^  Man  sieht,  König  Ferdi- 
nand war  nicht  pessimistisch.  Auch  Karl  V.  war  es  nicht.  Die 
Bedingimgen,  die  er  durch  Schepper,  den  inofiiciellen  Vertreter, 


*  G^vay  II,  1532,  6.  —  Voyage«  des  Souverains  des  Pays-Bas  III,  464. 
'  Ferdinand  I.  an  Hieronymus,  7.  April  1533.  —  Gtövay  II,  1532,  118. 

'  Betreffs  Corones  wandte  sich  Gritti  auch  an  den  Papst,  dass  er  in  be- 
zeichnetem Sinne  den  Kaiser  beeinflusse.  Der  Ori^naltext  der  betreffen- 
den ,opinio'  ist  im  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchive  nicht  vorhanden. 
Der  Papst  sandte  sie  oder  eine  Copie  davon  an  den  Kaiser.  Anderer- 
seits wollte  der  Papst  durch  Gritti's  Vermittlung  von  den  Türken  einen 
zehnjährigen,  allgemeinen  Waffenstillstand  erlangen,  wofür  sich  dieser 
lebhaft  einsetzen  zu  wollen  versprach.  —  Jovius  bei  Katona  XX,  913  f. 
—  Pray,  Ann.  III,  262.  —  Gövay  II,  1634,  77-81. 

*  G6vay  II,  1632,  6. 
'  Ebendas.  106. 


56 

ils  Preis  ftlr  Corone  melden  liesSj  waren  keine  geringen;  ganz 
Ungarn  sollte  Ferdinand  erhalten,  die  Türken  sich  nicht  in  die 
internen  Zwistigkeiten  in  der  Christenheit  mengen,  alle  Christen- 
Staaten  sollten  zum  Frieden  beigezogen  werden.^  Die  vorläufige 
Auskunft  Gritti's  hierüber  am  28.  und  30.  Mai  und  die  end- 
gfltige  Antwort,  welche  Ibrahim  Pascha  nach  einem  tiraden- 
reicben  Wortschwall,  den  die  Gesandten  über  sich  ergehen 
Hessen,  diesen  am  2.  Juni  gab,  deckten  sich:  Karl  V.  sollte 
dnen  officiellen  Vertreter  an  .die  Pforte  senden  und  erhielte 
Torlftnfig  einen  dreimonatlichen  Wafi^enstillstand.  So  war  es 
auch  des  Sultans  Wille,  wie  er  in  der  Audienz  vom  23.  Juni 
verkündete.*  Eine  ^Eigenmächtigkeit  war  es  aber,  wenn  Ibra- 
him ohne  Wissen  des  Sultans  Gritti  die  Regelung  des  Verhält- 
nisses zu  Karl  V.  übertrug  und  es  dem  Ermessen  Gritti's  über- 
Hees,  welche  Staaten  zu  dem  abzuschliessenden  Frieden  heran- 
geiogen  werden  sollten.^ 

Die  Regelung  der  ungarischen  Frage  war  von  Anfang 
Gritti,  dem  besten  Kenner  derselben,  anvertraut  worden;  sehr 
ZOT  Unlust  der  österreichischen  Gesandten,  die  bei  dieser  Kunde, 
eingedenk  der  Weisungen  König  Ferdinands,  sich  befremdet 
ansahen  and  schweigend  niedersetzton,  so  dass  Ibrahim  Pascha 
sich  veranlasst  fand,  sie  durch  die  Worte  zu  beruhigen,  dass 
Crritti  nur  seine  Befehle  ausfahren  werde.*  Gritti  begann  die 
Verhandlungen  mit  einer  möglichst  energischen  Dementirung 
seiner  Absichten  auf  Ungarn.  Er  solle,  drückte  er  sich  mehr 
scharf  als  geschmackvoll  aus,  wie  ein  Hund  sterben,  wenn  dies 
wahr  wäre.  Und  um  diesen  Worten  gleichsam  eine  Stütze 
durch  Vemunftgründe  zu  geben,  beschäftigte  er  sich  in  langer 
Rede  und  zu  wiederholten  Malen  mit  der  Schilderung  des  ,treu- 
losen,  schändlichen  Ungarvolkes^  Was  hätte  ihm,  dem  Ver- 
theidiger  der  Christenheit  gegen  die  Türkenraacht,  die  Krone 
von  Ungarn  gelten  können,  wo  es  Niemanden  gab,  der  nicht 
schon  den  Herrn  —  Ferdinand  oder  Zäpolya  —  gewechselt 
hätte.^ 


>  O^aj  n,  1532,  13. 

'  Ebendu.  16.  17.  27.  37.  3S. 

*  Ebendas.  40-42.  43;  1533,  40—42. 

*  EbendM.,  1532,  14. 

*  Ebenda«.  19.  45.  46. 


66 

Wieder  schmeichelte  ihm  Hieronymus  mit  der  Mittheilung, 
der  König  Ferdinand  suche  ein  geheimes  Einverständniss  mit 
ihm.^  Am  11.  Juni  1533  war  er  in  der  Lage^  den  Gesandten 
endgiltig  mitzutheilen^  dass  er  Vollmacht  habe^  die  zwischen 
den  beiden  Gegenkönigen  in  Ungarn  schwebenden  Differenzen 
zu  lösen  und  die  Abgrenzung  ihrer  Gebiete  mit  ihrer  gegen- 
seitigen Zustimmung  zu  bestimmen.*  Diese  Verftlgung  wurde 
in  zwei  officiellen  Schreiben  des  Sultans  und  Ibrahims^  in  wel- 
chen Gritti  die  Titel  ,von  Seiten  der  hohen  Pforte  Protector 
in  Ungarn*  und  ,Schützer  und  Anwalt  der  Rechte  des  Sultans^ 
fiihrt,  am  4.  Juli  nach  Wien  mitgetheilt.®  Es  war  wieder  eine 
Eigenmächtigkeit  Ibrahims  und  Gritti'S;  dass  sie  darunter  das 
thatsächliche  Besitzverhältniss  verstehen  wollten,*  und  der  Sultan 
erfuhr  in  der  Audienz  vom  23.  Juni,  in  welcher  Ibrahim  die 
Worte  des  Dolmetschers  Junisbeg  dem  Sultan  in  zum  Theile 
ganz  veränderter  Weise  mittheilte,  nichts  davon.*  Kaum  anders 
steht  es  mit  den  ,secreta*,  von  denen  Ibrahim  in  der  letzten 
Audienz  sagte,  Gritti  würde  sie  dem  .  Könige  Ferdinand  mit- 
theilen. ^  Genug,  Gritti  hatte  nun  eine  ungarische  Würde  mehr. 
Er  war  entgegenkommend  und  liebenswürdig,''  gab  den  Ge- 
sandten mehrmals  die  Versicherung  seiner  warmen  Zuneigung 
zu  König  Ferdinand,  an  den  er  nun  auch  ein  sehr  entgegen- 
kommendes Schreiben  richtete,®  und  bat  zugleich  die  Gesandten, 
darauf  hinzuwirken,  dass  Ferdinand  ihm  seinen  Todfeind  Thomas 
Nädasdy,  dem  er  den  reichen  Besitz  der  Kanizsay  neidete,  der  ihm 
durch  Vermählung  mit  Ursula  de  Kanizsay  in  Aussicht  stand,^  in 


»  GÄvay  II,  1632,  19. 

>  Ebenda«.  30.  —  Brodarics  an  Th.  N^asdj,  19.  Juli  1533,  bei  Praj,  Ep. 
proc.  n,  39  f. 

*  G6vay  II,  1532,  189  f.  —  Voyages  dea  Souverains  des  Pays-Bas  III,  467. 

*  Vgl.  S.  63,  A.  3. 

*  G^vay  II,  1634,  38;  U,  1532,  37—41. 

*  Ebendas.  H,  1532,  42. 

*  Schepper  spricht  in  seinem  Briefe  vom  2.  Juli  1533  an  Ferdinand  von 
seiner  ,Courtoisie*.    Voyages  des  Sonverains  des  Fays-Bas  HI,  466. 

"  G^vay  II,  1532,  140.  141.     Datirt  vom  15.  Juli. 

*  Thomas  von  ZalahÄsa  an  Thomas  K^idasdy,  12.  October  1533,  bei  Pray, 
Ep.  proc.  II,  43.  44.  Um  die  Erbschaft  %n  verhindern,  kaufte  er  um 
80  Goldgnlden  (aurei)  einen  türkischen  Sclaven,  den  er  ftlr  den  Bruder 
der  Ursula  Kanizsay  ausgab.  —  Die  Vermählung  erfolgte  Übrigens  erst 
im  Jänner  1536.    ÖvÄry  Nr.  304. 


57 

£e  Hände  liefere.^  Und  gleichzeitig  schrieb  er  an  Zdpolya,  nicht 
ein  Theilchen  des  Reiches  solle  in  Ferdinands  Händen  bleiben.^ 
Andererseits  forderten  am  4.  August  der  Sultan  und  der  Ghross- 
rezier  alle  ungarischen  Gremeinden  auf^  Zäpolya  auch  fernerhin 
ik  rechtmässigem  Herrscher  zu  gehorchen.' 

Eine  kleine  Probe  der  Treue  seiner  Versicherungen  er- 
fahren die  Gesandten,  kaum  dass  sie  Constantinopel  verlassen 
hatten.  Auf  Clissa  war  trotz  aller  Gegenversicherungen  wieder 
ein  UeberfaU  versucht  worden.* 

Am  21.  December  kamen  sie  nach  Wien  zurück.  König 
Ferdinand^  hoch  erfreut  über  die  Aussichten  auf  einen  nahen 
günstigen  Frieden,  verkündete  diesen  in  allen  seinen  Landen.^ 
Er  hoffte  nun  wirklich  auf  Gritti,  darum  sein  Drängen  nach 
dessen  baldiger  Ankunft.^  In  drei  an  den  Sultan,  Ibrahim  und 
Gritti  gerichteten  Briefen  vom  5.  October  1533  ersucht  er,  die 
Abreise  so  einzurichten,  dass  der  Letzte  am  1.  Jänner  1534  in 
Wien  erscheinen  könne,  dort  die  Streitfragen  mit  Zäpolya  zu 
ordnen.  Er  ersucht  den  Sultan  und  Grossvezier  sogar,  dem 
Venetianer,  der  auch  über  die  Ansprüche  Zäpolya's  in  Mähren 
und  Schlesien  und  die  der  Königin  Maria  verschriebenen  Ein- 
künfte zu  entscheiden  hatte,'  zu  den  Verhandlungen,  die  der 


*  G^ay  II,  1532,  47.  —  Auch  in  der  Art  suchte  er  sich  Ni^asdj's  zu 
bem&chtigen,  dass  er  ihn  und  £rd5dy  ihm  entgegenzukommen  einlud. 
Erdody  an  Nadasdj.     Praj,  Ep.  proc.  II,  45.  —  18.  October  1583. 

'  Katona  XX,  839  (Gritti  an  ZÄpolya,  2.  Juni  1533).  —  Nuntius  Vergerio 
an  Salviati,  Geheimsecretär  Clemens  VII.,  22.  September  1533,  Wien. 
Darnach  äusserte  Gritti  zu  Laski^s  Bruder:  ,Eam  esse  voluntatem  Cae- 
saieae  Majestatis,  ut  nulla  regni  particula  penes  Ferdinandnm  maneat' 
Nontiaturberichte  aus  Deutschland  I,  1,  123. 

'  Alezins  Thnrzö  an  Ferdinand  I.,  4.  August  1533.     G^vay  II,  1532,  144. 

*  G^ay  n,  1532,  48. 

*  Pe«ler-Klein  III,  470.  —  Vgl.  Vergerio  an  Salviati.  Wien,  22.  September 
1633.  Vergerio  rühmt  sich  der  Freundschaft  Gritti's.  Nuntiaturberichte 
1,  1,  121  f.  125.  160.  163. 

*  Im  Entwürfe  zu  einem  Vortrage  an  die  nach  Wien  zu  berufenden  ,un- 
garischen  Herren*  Ferdinands  findet  sich  dessen  Versicherung,  er  wolle, 
to  rasch  er  nur  irgend  könne.  Ort  und  Zeit  einer  Zusammenkunft  mit 
Gritti  bestimmen.    G^vay  II,  1532,  151.  152. 

'  Pray,  Ep.  proc.  II,  40.  —  Quellen  und  Erörterungen  IV,  348.  —  G^vay 
n,  1532,  40.  —  Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  385.  —  Vgl.  Christopher  Mont 
an  Heinrich  VUL,  16.  Februar  1534.  ,1t  is  said  that  Louis  Gritti  is 
Coming  from  king  John  to  the  Diet  at  Viena  to  settle  a  dispute  about 


58 

König  von  Polen  mit  den  Türken  anstrebte,  die  nöthigen  Voll- 
machten zu  geben;  ^  aber  dass  er  dem  arglistigen  Manne 
noch  immer  nicht  ganz  traute,  bewies  der  Auftrag  an  die  Ge- 
sandten, dass,  ,80  sich  der  Qritti  ...  zu  uns  zu  verfuegen  willens 
ist  .  .  .,  soll  der  ain  unser  orator  mit  Ime  ziehen'.*  Wenig 
optimistisch  äusserte  dagegen  Zalahäza,  der  treue  Anhänger 
König  Ferdinands,  dass  Gritti  dem  Könige  Unannehmlichkeiten 
weder  aus  dem  Wege  räumen  könne  noch  wolle;*  doch  die 
eine  Stimme  verhallte.  Alles  erwartete  Gritti,^  der  schon  im 
Juli  den  königlichen  Gesandten  versprochen  hatte,  in  einigen 
Tagen  abzureisen,*  und  nun  noch  immer  nicht  kam.  Die  ür- 
Sachen  dieses  Nichterscheinens  lagen  in  den  veränderten  Ver- 
hältnissen in  Constantinopel  begründet.  Ibrahim  hatte  die  Reichs- 
hauptstadt verlassen. 

n. 

Sinken  des  Einflusses  GMtti's. 

Zäpolya  war  während   des   Sommers   1533  nicht  mtissig 
geblieben.    Verböczy,  sein  Kanzler,  hatte  am  10.  Juni  Ungarn 

Sl^ia  et  Moravia.  —  London,  Record  office,  Letters  and  Papers  in  the 
reign  of  Henry  VIII.,  vol.  7,  193. 
^  Alle  drei  Schreiben  gedruckt  in  Voyages  den  Souverains  des  Pays-Bas 
III,  460  f.  —  Cop.  in  Wien,  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  n.  Staataarchiy,  nnd 
Brüssel,  Archives  g^n^rales  du  Royaume.  Griff,  des  Briefes  Ferdinands 
an  Gritti  in  Wien,  ebenda.     8.  Anhang  Nr.  16. 

•  GÄvay  II,  1534,  69  (October  1633). 

'  8.  S.  66,  A.  9.  Vgl.  auch  Nie.  Olah  an  den  Erzbischof  von  Lunden, 
13.  September  1633.     Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  410. 

*  Briefe  des  Nuntius  Vergerio  an  Clemens  VII.  und  Camesecchi,  päpstl. 
Geheimsecretär,  Wien  und  Prag,  October  1538  bis  Mai  1634.  Nuntiatur- 
berichte  I,  1,  129.  133.  146.  161.  163.  168.  163.  169.  172.  178.  184,  186. 
190.  200.  203.  206.  216  f.  228.  239.  —  Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  426. 
431.  433.  441.  444.  447.  466.  467.  469.  460.  461.  463.  466.  467.  474. 
481.  482.  484.  490,  493.  496.  —  XXV,  320.  828.  (Briefwechsel  swischen 
Ersbischof  von  Lunden,  Nie.  Olah,  Alezius  Thurs6,  M.  Pempflinger« 
C.  Qherend  und  C.  D.  Schepper  vom  November  1683  bis  Juni  1634).  — 
Simon  Erdody  an  Papst  Clemens  VII.  Agram,  11.  M&rs  1634.  Rom, 
Vatican.  Archiv.  Bei  Övary  Nr.  281.  —  Erzbischof  von  Lunden  an  Car- 
dinal Granvelle.  Prag,  16.  Febniar  und  17.  M&rz  1634.  Brüssel,  Archives 
g^n^rales  du  Royaume. 

'  Voyages  des  Souverains  des  Pays-Bas  UI,  468.  464. 


59 

rerla^en^  um  sich  nach  Constantinopel  zu  begeben^  wo  er  im 
September  ankam.  ^  Ihm  folgte  der  schlaue  Laski,  entschlossen, 
^e  ganze  G^e8chicklichkeit  aufzubieten,  um  einen  Umschwung 
bei  der  Pforte  herbeizuflihren.*  Auch  jetzt  concentrirte  sich 
<l4i8  diplomatische  Getriebe  um  Gritti.  Die  Gesandten  Zäpolya's 
wünschten  von  ihm  eine  günstige  Entscheidung  der  Ansprüche 
desselben  in  Mähren  und  Schlesien,^  Ferdinand  gab  Weisung, 
Gritti  neuerlich  zu  bestechen,^  und  dasselbe  rieth  Caspar  Win- 
«erer  den  bayrischen  Herzogen,  die  den  Vielumworbenen  dahin 
bearbeiten  liessen,  dass  bei  dem  abzuschUessenden  Frieden 
zwischen  König  Ferdinand  und  Zäpolya  deutsche  ReichsfÜrsten 
interveniren  sollten.*  Der  Papst  wendete  sich  durch  den  floren- 
tmischen Gesandten  Luigi  Gherardi  an  ihn,  um  durch  ihn  eine 
Einbeziehung  aller  Christenstaaten  in  den  abzuschUessenden 
TOrkenfiieden  zu  erwirken;  er  sei  es  ja,  der  in  höchster  Gunst 
beim  Sultan  und  den  Paschas  stünde,  vor  Allem  bei  Ibrahim, 
der  Gherardi  ausdrücklich  erklärte,  dass  Gritti's  Wille  auch 
ier  seine  sei.*    Der  nun  versprach  und  hielt  hin. 

Da  veränderte  sich  die  Lage  durch  die  Abreise  Ibrahim 
Paschas  im  October  nach  Persien,  um  dort  die  Vorbereitungen  für 
ieü  beabsichtigten  Feldzug  zu  trefl^en.^  Nun  fehlte  der  Vermittler 
zwischen  Gritti  und  dem  Sidtan,  und  die  unter  seiner  Aegide 
gefährte  eigenmächtige  Politik  Hess  sich  nicht  mehr  halten.^ 
Als  er  nun  nach  fiinfwöchentlicher  Abwesenheit  Ende  Novem- 
ber nach  Constantinopel  zurückkam,  erklärte  er  dem  dort  be- 
reits seit  15.  November  weilenden  Gesandten  König  Ferdinands, 
Vespasian  von  Zara,  nach  einem  sehr  liebenswürdigen  Empfange, 
niemals  hätte  man  auf  türkischer  Seite  versprochen,  dass  die 
Orenzregulirung   auf  Basis    des   augenblicklichen  Besitzstandes 


'  Katoiui  XX,  893.  —  Quellen  nnd  Erörterungen  IV,  301. 
'  Hatvani,  OkminyUr,  I,  265. 

*  Qttellen  nnd  Erörterungen  IV,  347.  348. 

*  Katona  XX,  839. 

'Quellen  nnd  Erörterungen  IV,  306.  317.  326. 

'  Gherardi  an  Clemens  II.   Constantinopel,  12.  October  1533.  Voyages  des 

SoQTerains  des  Pays-Bas  III,  477. 
'  Hnber  IV,  49. 

'  Vergerio  an  Camesecchi.  Prag,  30.  Jänner  1534.  Nuntiaturberichte  I,  1, 
164.  —  Mon.  Hang,  bist  Dipl.  I,  455. 


60 

za  erfolgen  hätte.  ^  Und  doch  enthielt  der  durch  Mehemetbeg  an 
König  Ferdinand  übersendete  Brief  Ibrahims  die  ausdrückliche 
Zusicherung  der  Belassung  desselben  in  seinem  derzeitigen  Be- 
sitze.' Schon  dies  war  eben  eine  Eigenmächtigkeit  des  Gross- 
veziers  gewesen  und  sein  guter  Freund  Grritti  musste  nun  das 
leugnen;  denn  weder  Aias  Pascha^  der  jetzt  Ibrahim  vertrat. 
noch  auch  der  Sultan  wussten  von  dieser  Clausel.  E^  mag  ihm 
leicht  genug  gefallen  sein;  denn  die  Concessionen  Ibrahims  an 
Oesterreich  haben  sich  schwerlich  jemals  seiner  Zustimmung  er- 
fireut  Was  einmal  unter  König  Ferdinand  stand^  war  seinem 
Einflüsse  entzogen. 

Diesem  schrieb  er  nun  am  letzten  December  1533  einen  Brief, 
in  dem  er  versicherte,  seinerseits  Alles  thun  zu  wollen,  um  das  all- 
gemeine Beste  zu  fördern,  gleichzeitig  aber  bemerkte,  dass  sich  in 
dem  letzten  Schreiben  des  Königs  an  den  Sultan  vom  ö.  October 
einzelne  ,Artikel  und  Clausein'  ftnden,  die  niemals  an  der  Pforte 
verhandelt  worden  seien  und  eine  Fälschung  der  könighchen 
Oratoren  wären;  ^  mit  Mühe  habe  er  den  hierüber  au%ebrach' 
ten  Sultan  zu  beruhigen  vermocht  Ganz  ähnlich  schrieb  er 
einige  Tage  später  an  Hieronymus  von  Zara.^  Der  liess  sich 
nun  diese  Beschuldigung  nicht  gefallen  und  bemerkte  sehr 
scharf  in  einem  an  den  König  gerichteten  Schreiben,  halb  wahr 
und  halb  erlogen  sei  dieser  Brief  Gritti's,  der  jetzt  in  Ab- 
wesenheit Ibrahim  Paschas  die  mit  diesem  noch  vor  Gritti'& 
Ankunft  getroffenen  Abmachungen  verdrehe,  weil  er  fiir  ZA- 
polya  parteiisch  eingenonmien  sei.  Das  sei  nicht  schwer  fur 
ihn  gewesen,  denn  die  Briefe  des  Königs  an  den  Sultan  oder 
auch  an  Ibrahim  habe  er  niemals  wörtUch  übersetzt,  sondern 
durch  Abänderungen  entstellt  und  so  hergerichtet  erst  an  die 
Adressaten  abgehefert.  Man  ersieht  daraus,  wie  die  ganze 
officielle  Correspondenz  der  Pforte  mit  den  Habsburgem  durch 
die  Hände  Gritti's  ging.  Mit  Aias  Pascha  habe  Gritti  leichtes 
Spiel,  denn  dieser  sei  nicht  wohl  unterrichtet.*  Ganz  Heide  sei 
Gritti  geworden,  versichert  auch  Schepper,  und  habe  sich  dem 

*  G^vaj  n,  1634,  108  (Bericht  Vespasians  von  Zara  an  Ferdinand  L  Prag, 
6.  März  1534). 

«  ■.  8.  6«. 

*  Voja^es  de0  Sonverains  des  Pays-Baa  m,  507. 

*  Ebenda«.  608  (Perm,  3.  Jänner  15S4). 

*  Ebenda«.  513  f. 


61 

Teufel  verschrieben,  um  dem  Sultan  zu  dienen;  so  leugne  er 
am  blind,  was  er  doch  wohl  wisse. ^ 

Zunächst  war  nun  VespasiaQ  darüber  nicht  wenig  be- 
troffen. ,Er  leugnete/  berichtet  er,  ,und  hatte  doch  Alles  aus 
Ibrahims  Munde  im  Beisein  meines  Vaters  imd  Schepper's  ver- 
öonunen.**  Gritti  versuchte  ihn  zu  beruhigen,  indem  er,  un- 
bewusst  ein  von  Thukydides  erzähltes  Stücklein  des  Alkibiades 
nadiahmend,  ihm  rieth,  sich  vorläufig  nicht  als  officieller  Ge- 
sandter vorzustellen,  da  er  schon  Alles  ins  Reine  bringen  werde. 
Das  Schreiben  Ferdinands  an  Ibrahim  sandte  er  ,übersetzt'  an 
diöen.' 

Durch  eine  ganze  Woche  conferirte  Gritti  nun  mit  Aias 
Pascha,  der  ja  von  dem,  was  Ibrahim  so  leichthin  versprochen, 
keine  Ahnung  hatte  und  auf  diese  Neuigkeiten  vorbereitet  wer- 
den musste.  Dass  er  mit  Gritti  gegen  Oesterreich  intriguirt 
katte,  behauptet  Vespasian,  ohne  es  beweisen  zu  können.  Mit 
Mohe  kam  ein  Ausgleich,  dem  auch  der  Sultan  beistimmte, 
dahin  zu  Stande,  dass  Ferdinand  seinen  ungarischen  Besitz,  den 
er  vor  Ludwigs  11.  Tode  gehabt,  behalten  solle.  Damit  waren 
die  eigenmächtigen  Versprechungen  des  Grossveziers  und  Gritti's 
aafgehoben,  über  welche  sich  am  3.  Jänner  1534  ganz  oflfen 
der  Dolmetsch  Junisbeg  aussprach,  der  bitterste  Feind  Gritti's, 
der  jetzt  um  so  kühner  das  Haupt  erhob,  da  Ibrahim  abwesend 
»ar.  Gritti,  sagte  er,  sei  die  Ursache  alles  Unheils,  und  Europa 
und  Asien  könnten  frohlocken,  wenn  er  vom  Erdboden  ver- 
schirände. 

Gritti  aber,  nicht  gewitzigt  durch  das  Geschehene,  er- 
klirte  Vespasian  ganz  unverfroren,  dass  er  sowohl  die  unga- 
^he  Frage  entscheiden  wollte  —  nur  sollten  von  den  Ver- 
!i*ndlungen  die  Ungarn  ferngehalten  werden  —  als  auch  betreffs 


'  Vojagee  des  Soaverains  des  Pays-Bas  III,  529  f.  (Schepper  an  Karl  V. 
rmme,  19.  Februar  1634). 

*  G€viy  n,  1534,  108.  —  Im  Gesandtschaftsberichte  vom  27.  September 
1533  ist  allerdings  yon  einem  derartigen  Yorkommniss  nicht  ausdrück- 
lich die  Rede.  Das  Versprechen  der  Belassung  im  thatsächlichen  Besitz 
war  eben  schon  vor  der  Sendung  der  beiden  Gesandten  gegeben  worden 
and  mochte  für  weiterhin  als  selbstverständlich  gelten.  Und  man  über- 
ieJ»  nicht  die  Bestimmtheit,  mit  der  Hieronymus,  Vespasian  und  Schepper 
davon  sprechen. 

'WTty  II,  1534,  108—111. 


«  mmer  SteAne.  üe  aaci 

rrirfmem  re*ip  wir.  S^ 

-atoni  beriKL'  da  mit  Gritl 

.-:    Hause  bwredtf  gros* 

dort  LatoB  auser  dei 

ttei:  Gritti  selbst  a&cJ 

id  iaai«  er  skk  vm 

—     -TalLe  uimI  4e«  wifde 

•    -  «  r  Hei  möffidöte  Vm 

*     .s^.r^racbtaog«]l  Ttrlicä 

.  .-    ^  -  « HiSterreki  wied« 

'  juiernde  EnFirinnj 

_    -  r:i^  za  haken,  nicl 

-^  ^--^Iji^neD  Plan^  de 

:  -.^rti«!  und  Oestei 

.-  ^-w^  um  Äof  Ostöu 

.  -  .    — .^rtru  Weinmeiste 

^      ■  ^__i.-;    »ritti  und  Könij 

-*     -*■.  zi:  Handlung  gn 

.^t   '----  4»cn  Costen  ni 

.  -    ■  I     r^  «Twartete  mai 

— :-    .-"s-  Mastranens  de 

"-.-.   -rn::  gut  kannte 

--    «::^  1  .-3  Tükenfriedej 

- ,  --.».    ¥-ir5Ciie  seine  An 


3.     ,       -r 


.•«  :=.  .isL   k  J»wc  1334.    Nun« 
IL   ^    «p^i;    n^TinpiB  sei,  Anton 


63 

aft.  Es  ist  erstaunlich  y  wie  leicht  er  die  groben  Unaufrichtig- 
en des  Venetianers  genommen  hat.  Er  ging  über  die  fal- 
pn  Anklagen  Gritti's  gegen  die  Oratoren  schweigend  hinweg 
Terlangte  am  20.  Februar  nur  von  ihm,  er  möchte  seine 
redlich  und  ohne  Arg  vertreten,  ob  Ibrahim  nun  bei  der 
anwesend  wäre  oder  nicht. ^  Mehr  noch:  einen  Isidor 
der  Gritti  und  den  türkischen  Paschas  verrätherische 
itionen  über  die  christlichen  Staaten  gegeben,  hat  er 
aas  Rücksicht  auf  den  Gouverneur  laufen  lassen^  als  er 
in  die  Hände  bekam. ^  Aber  Gritti  kam  nicht;  ^  nur  dazu 
id  er  sich,  in  einem  Briefe  an  den  König  von  Polen  sein 
[es  Kommen  in  Aussieht  zu  stellen,  in  welchem  Schreiben 
fatale  Angelegenheit  mit  der  Grenzregulirung  auf  Grund 
tliatsächlichen  Besitzes  wieder  auf  einen  Irrthum  des  Ueber- 
zurfLckAlhren  wollte,  zugleich  aber  von  seinem  Kommen 
io  anmassender  und  hochtrabender  Ali;  sprach,^  dass  der 
ie  Hofrath  Herberstein  in  einem  Gutachten  hierüber  ärger- 
bemerkte, es  ,ware  besser,  der  Gritti  khame  nicht^  und 
,In  Summa  nach  meinem  ainfaltigen  verstand  So 
ich  auss  des  Gritti  ankhunfft  und  Handlung  E.  M^  nichts 
5I1S  nocb  nützlichst*  Und  so  dachten  viele  Andere  auch.® 
^hzeitig  empfahl  Hieronymus  dem  Könige,  er  möge,  um  mit 
steten  Warten  auf  Gritti  nicht  lächerlich  zu  erscheinen, 
stellen,    als   hätte   er   einen   vorläufigen   Absagebrief  des- 

m  erhalten  und  dann  sein  Kommen  neuerdings  betreiben 
I ' 

Zugleich  drangen  nach  Ungarn  mancherlei  Gerüchte  über 

Gouverneur.    ,Die  Einen',  schrieb  Laski  nach  Polen,  ,mel- 

ihn   todt,   Andere  lassen  ihn  mit  nach  Persien  ziehen;   es 


^  BrfiMel,  Archives  g^n^rales  du  Royaume.    S.  Anhang  Nr.  16  a. 

'  Vergerio  an  Camesecchi.  Prag,  1.  April  1534.  Nuntiaturberichte  I,  1, 
207.  —  Vgl.  auch  derselbe  an  denselben.  Prag,  2.  Märe  1534,  ebenda 
189  (di  Ungheria,  id  est  del  Griti  etc.).  S.  ausserdem  hiezu  Anhang 
Kr.  15  (Bestellbrief  Gritti^s  für  CseglMi). 

"  t.  a  58,  A.  4. 

*  CWray  H,  1534,  129—131. 
'  Ebendas.  132. 

•  Nk.  Olah  an  C.  D.  Schepper.  Brüssel,  24.  April  1534.  ,Nera<i  est  omnium, 
quem  mora  Gritti  non  commoverit;  verentur  omnes,  ne  fraus  lateat  in 
rebn».*    Mon.  Hung.  bist.  Dipl.  I,  493. 

'  G^vay  n,  1534,  136.  137. 


M 


LAiski  i«:!  An^^onh^eiL  rm.  9»  MiiByni  Inner,  als  es 
yetm  «n  La  Fritr?  itr  EnfaoliBs  ier  Woiwodenwürde 
vo«  5äeb«iblr«a  —  iar  Wöiw^^i»  Bma^jr  wmr  gestorben  — 
kmndle.  IWss^Ä  wau^^  ja  Iaj^  katle  mber  dabei  den 
WideR*wi-i  21i^«:iTÄ5  n  tä»»w:n*äfC-   vms   3un  einsg    durch 

Ua^?fü'es5«!l  i»ir?i  Kuivr  Kj--.  V_  ajctjdtui  er  am  31.  De- 
c^iulvr  1^3o  jbX  Orjn  si  Fmn  aiKr  Be^adbtsimg  ftr  C.  D. 
Sch^rjtvr  iiz,  <tijr  i-tL^riw»  Sr'iT*fL>»it  jgrvfcirc*  eben  diesen 
iri  HikTK  lo*^  AZ  i.«  r^.ra*  i»*s*:ti-i'fcL  b.  ier  mitgegebenen 
wifr::x  TerÄii-i-'--ae3  Ix-?crt':c:-.a  rertaa^tte'  «r,  dass  Scbepper 
v.^c  A"  zi  i,i:r  V.i.ai4t:*;:fa  *r-m**  maxL  fr&fe,  rasch  unter- 
Vj^.Il:   x"I  Ax:*  vu  rV'^-;:  i::^  iJer  i.  hrrsaettit&ateii  sowie  Be- 

Ivv-  r  :;»x*ij  Sviv  c.*-r  —  izi  I-L  Apnl  —  Coostantinopel 
Terit?§>en:  ':r*i:re.  ^umx  -:a  -.-m  Ji  :rui**m.  Ar  3m  chankteristi- 
5*:iKZ  ^^-'•e-i?.  5c  jarj?;  ^;i.^^is•£I^^ä  Jini^^oea:  rwamber  Schwel- 
lt 2.  i"  S:v-M:i:^';.  'ijt^  r*r  liz  '^«-l-«:r^  i-cii:  £«!S|»rocben  hätte; 
Sta:r  :;r  ;axr  ri ;  x^a»- .i:*r<  iil'  -tfrÄia^IoiSS^  xl*  Svleiman.  Der 
vrrrl  Ar  i^  y^^rz-lic^c^i-ij:  s*-'Z»r^  S  iiinMm^  Se«?t  in  den  Ver- 
"yüi.i*I!'L^^c.  i>f  er  21  r  hior  rii-^^ce  *ia>;  fi^j«m  mftssen,  und 
iik  -er  itei^*?  >?»f{:c,'C  i.ir..^  äi  -ir  Ivr^n  Hie  JÜLk^zrft  Scbepper's 
i-LTi'-'irii-ii^.j:  w:nl*itj,  Lv'Csc^r-^  T*;ravra**r!3e  er  äi:  am  7.  Mai 
i-D:ä  x-iz^'L::  5_  L^ir^ia  ^j-t  3il3  xcaTf  Wjir^?*.  Abgesehen 
"«^ia  Inc  Ai.:si-vciliv:a«:fa  V^r^jicüieranj:  Jiz:i?c*;^'s.  Gritti  hätte 
iLüT^c  A':r^«j:?«i3  k.'ct*^-!^  w*et:i  ha  x:»:a:  sctl«;  Ptrratgieschäfte 
iTErü!i£*;a^':--i  i*inya^  >^rc>-^c  V:ftHJ«äÄi  T^ja  Zara«  dass  er 
.ib^  ji  Le  X"^  Frbr'iar  AX!  3*  *i  L>ii.*utea  Ei^nfte  aus 
-L_:aa^»tii    i*;-*;ir^.-t   n.in-.'     KA:irixiUL3äic*^*itdn4;  aj««»  aad  wohl 


'  '^m.  ]l  1.  £.  H.ui^f".  H"t^  :i»  >tHtt««rau'r    7  M^  ja  J«)iiiB&  SKvetiU*  des 


65 

weh  die  Besorgniss  vor  dem  Hasse  der  Ungarn,  denen  er  nur 
pi  gerüstet  begegnen  wollte,  waren  der  Grund  seines  Nicht- 
erscheinens. Schliesslich  wartete  er  immer  auf  die  Rückkehr 
[brahims,  um  mit  seiner  Hilfe  seine  gefährdete  Stellung  zu  kräf- 
tigen und  sich  an  seinen  Feinden  —  es  scheint  namentlich  an 
Barbarossa  —  zu  rächen.^ 

Im  Uebrigen  verlor  zur  Zeit,  da  Schepper  in  Constanti- 
Qopel  weilte,  Gritti  täglich  an  Einfluss.  Der  Dolmetsch  Junis- 
beg  war  sein  erklärter  Todfeind,  Chaireddin  Barbarossa,  der 
ihm  sein  Emporkommen  zu  danken  hatte,  zahlte  ihm  nicht  nur 
seine  Schtdden  nicht,  sondern  beleidigte  ihn,  wo  er  nur  konnte. 
So  Bess  er  aus  Uebermuth  die  christlichen  Kaufleute  in  Con- 
^ntinopel,  deren  Pati'on  Gritti  war,  gefangensetzen,  ohne  dass 
dieser  etwas  zu  ihren  Gunsten  erreichen  konnte.  Es  war  dies 
for  ihn  um  so  empfindlicher,  da  Barbarossa  seit  kurzer  Zeit 
den  alleinigen  Befehl  über  die  türkische  Flotte  führte.^  Nicht 
genug  damit.  Gh4tti  hatte  die  Steuern  aus  Griechenland,  die 
er  zu  verwalten  hatte,  bisher  immer  in  Naturalleistungen  — 
besonders  in  Edelsteinen  —  beglichen.  Jetzt  wurde  er  über  Ein- 
schreiten des  Schatzmeisters  verhalten,  die  Zahlungen  in  barem 
Gelde  zn  leisten  und  sofort  zwei  Fünftel  der  200.000  Ducaten 
betragenden  Rückstände  zu  entrichten,  die  aufzubringen  er  sein 
ganzes  goldenes  und  silbernes  Hausgeräth  verkaufen  musste.^ 
Der  Hass  gegen  ihn  war  ein  allgemeiner;  so  versicherten 
Schepper  selbst  vertraute  Freunde  des  Gouverneurs.  Er  war 
nicht  sicher,  ob  im  Kriegsfalle  der  ihm  unterstellte^  Sandschak 
Ton  Semendria  ihm  die  geringste  militärische  Hilfe  angedeihen 
lassen  würde.  Junisbeg  scheute  sich  nicht,  laut  auszurufen: 
Wie  schade,  dass  sich  in  Ungarn  Niemand  gefunden,  der  ihm 
den  Garaus  gemacht  hätte.  Wer  würde  sich  denn  weiter  um 
den  Tod  dieses  Dimensohnes  kümmern  !^ 

Kein  Zweifel,  das  waren  andere  Zeiten  als  nach  der 
Rückkehr  aus  Ofen  im  Winter  1531. ^ 


'  Vojiges  dee  Sonverains  des  Pays-Btis  III,  529.  537. 
*6eTay  II,   1634,  33.  36.  61.  52.  —  Voyages  des  Souveraius  des  Pays- 
Bu  m,  532.  533. 

*  6^y  II,  1634,  51. 

*  Ebendas.  62.  63.  —  Vgl.  Vergerio  an   Carnesecchi.     Prag,  13.  März  und 
1  August  1534.    Nuntiaturberichte  I,  1,  193.  292. 

'  Vöjages  des  Souverains  des  Pays-Bas  III,  529. 

AitkiT   LXXXni.  Bd.  1.  Hftlft«.  6 


66 

Beim  Sultan  verior  er  jeden  Hiüt,  als  dieser  in  einer 
Audienz  vom  17.  Mai  die  eigenmftchtige  üebemahme  der  Ver- 
handlungen mit  Karl  V.  erfuhr  und  entrüstet  und  misstrauisch 
zu  wiederholten  Malen  sehr  kategorisch  erklären  Uess,  Oritti 
habe  nur  über  die  ungarischen  Verhältnisse  und  sonst  nichts 
zu  entscheiden^  ausdrücklich  betonend,  dass  Ungarn  in  der 
Hand  Zdpolja's  zu  verbleiben  habe.^  Dass  er,  mindestens  so 
lange  Ibrahim  Pascha  ferne  blieb,  seine  Rolle  gründlich  aus- 
gespielt  habe,  konnte  Gritti  sich  nicht  mehr  verhehlen.  Nun 
näherte  er  sich  sehr  entschieden  dem  kaiserlichen  Gesuidten 
und  empfahl  diesem  nichts  Geringeres  als  eine  Vereinigung 
des  Kaisers  mit  Venedig  und  Frankreich  und,  da  Schepper 
die  Möglichkeit  einer  Verbindung  zwischen  Karl  V.  und  Franz  I. 
nicht  zugeben  wollte,  wenigstens  eine  Allianz  des  Hauses  Habs- 
burg mit  Venedig,  das  gerade  jetzt,  durch  die  hohen  Forde- 
rungen der  Pforte  erschreckt,  unschwer  zu  gewinnen  schien. 
Die  vereinigte  Flotte  des  Kaisers  und  Venedigs  würde  mit 
Leichtigkeit  die  Piratenschiffe  Chaireddins  auseinanderjagen.^ 
Sie  hätte  die  günstigste  Aussicht,  jetzt,  da  Barbarossa  in  Afrika^ 
die  türkische  Landmacht  in  Persien  weile,  irgend  einen  türki- 
schen Küstenplatz  zu  erobern,  ja  Constantinopel  selbst  zu  neh- 
men. Dieser  Gedanke  eines  Flottenangriffes  auf  die  Türkei  war 
nicht  mehr  neu.  Im  März  1534  hatte  Schepper  dem  Kaiser 
gerathen,  Algier  anzugreifen;  wohl  nicht  damals,  aber  später 
—  1541  —  ist  das  thatsächhch  geschehen.* 

Gritti  erbot  sich  selbst,  jene  Plätze  zu  verrathen,  die  am 
leichtesten  anzugreifen  wären.  Nur  schnell  müsse  man  handeln; 
würde  man  zögern  und  würde  der  persische  Feldzug  den  Tür- 
ken glücken,  stünde  die  ganze  Christenheit  vor  einer  eminenten 
Gefahr;^  und  er  sei  aufrichtig  christlich  und  kaisertreu  gesinnt^ 
versicherte  er  in  einem  Briefe  vom  7.  Juni  dem  Kaiser.^  Merk- 
würdig genug,  dass  nun  Paul  Bakics  mit  derselben  Begrün- 
dung  dem  Könige  Ferdinand  rieth,  nicht  lange  auf  Gritti  zu 


>  G^vay  n,  1534,  41—44.  56-68. 

'  Er  gab  dem  Gesandten  zngleich  den  Rath,  bei  etwaiger  Befragung  um 
die  Stärke  der  Flotte  Karls  V.  dieselbe  recht  hoch,  etwa  auf  80  Schiffe, 
anzugeben.   G^vay  II,  1534,  37.  —  Vgl.  auch  Nuntiatnrberichte  I,  1,  207. 

'  Vgl.  Vojages  des  Souverains  des  Pajs-Bas  m,  449—450. 

*  GÄvay  n,  1534,  35—37.  48-50.  63-65. 

^  Voyages  des  Souverains  des  Pajs-Bas  III,  544. 


67 

varien,  sondern  loBzuschlagen  und  die  zerfallende  Partei  Zä- 
polya's  zu  vernichten.^  Noch  bemerkt  Gritti,  König  Ferdinand 
möge  sich  nicht  wundern,  wenn  er  Anfangs  Schritte  unternähme, 
die  sich  gegen  ihn  zu  richten  schienen.  Die  Klugheit  geböte 
es  so.*  In  der  That  hat  dann  auch  der  Kaiser  in  Zusatzartikeln 
m  der  Instruction  vom  December  1533  empfohlen,  , verschwie- 
ge und  erfahrene^  Leute  zu  den  Verhandlungen  mit  Gritti 
la  senden,  um  allen  Verdacht  von  diesem  und  seinen  Schritten 
fernzuhalten.'  Auch  Cornelius,  empfahl  Gritti  weiter,  möge 
sich,  sobald  er  nach  Ofen  käme,  unzufrieden  stellen,  um  Zä- 
polya  in  Sicherheit  zu  wiegen;  er  selber  würde  durch  Sieben- 
bürgen nach  Ungarn  ziehen,  jeden  Widerstand  würde  er  in 
Blut  ersticken.*  Eine  Woche  darauf  —  am  18.  Juni  —  ver- 
Be«  er  Constantinopel.^ 

Eis  lässt  sich  nur  schwer  denken,  dass  er  noch  in  dem 
Siime  wie  frülier  an  die  Erwerbung  des  Königreiches  Ungarn 
dachte,  so  nahe  eine  solche  Annahme  auch  hegen  mag.^  Durch 
die  Vertraulichkeiten,  die  er  sich  Schepper  gegenüber  erlaubte, 
durch  die  directe  Anerbietung  des  Hochverrathes,  die  ihm,  falls 
der  Sultan  darum  erfuhr,  unbedingt  das  Leben  kostete,  hatte 
er  selbst  die  Verbindungen   mit  der  Pforte  zerrissen.     Der  all- 


^  P.  Bakics  an  Ferdinand  I.     Raab,  1.  August  1534.    K.  u.  k.  Haus-,  Hof- 

u.  Staatsarchiv  in  Wien. 
»  Givay  I,  1534,  65. 
^  Voyage«  des  Souverains  des  Pays-Bas  ID,  503— ÖU5.  ArU  V.  XIU.  XXVI. 

*  Gevay  II,  1534,  65. 

*  VgL  anch  Schepper  an  Nie.  Olah.  Prag,  30.  Juli  1534.  Mon.  Hung.  hist. 
WpL  I,  617  f. 

'  Vergerio  an  Camesecchi.  Wien,  13.  September  1534.  ,Si  ^  diyulgato  per 
U  captnra  di  Hieronimo  Laski,  che  U  bnon  Gritti  bavea  deliberato  di 
Carei  eseo  re  et  occupame  la  Ungheria  a  suo  commodo,  facendone  morir 
Joanne  Vaivoda  et  altri,  che  bavesse  potuto.*  Nuntiatnrberichte  I,  1, 
305.  —  Derselbe  an  Papst  Paul  in.  Wien,  28.  November  1534.  ,Doczy 
...  ha  detto,  se  la  fortuna  non  gli  opponeva,  di  far  morire  etiandio 
Joanne  Vaivoda  come  havea  fatto  Cibac  et  che  non  era  mala  cosa  per 
il  regno  d*  Ungheria  che  esso  Gritti  havea  pensato  di  fame  volendo  in- 
ferire,  per  qnello  che  si  comprese  dal  suo  parlar  cbe  . .  .  se  ne  volesse 
&r  signore.'  Nuntiaturberichte  I,  1,  316.  —  Szer6mi  825  (D6czy  soll 
Ptlatin,  Batthiiny  Woiwode  von  Temesvir,  Laski  Woiwode  von  Sieben- 
b&rgen,  Gritti  König  von  Ungarn  werden).  —  W.  Friedensburg  in  der 
l^nleitnng  za  den  Nonüaturberichten  (I,  1,  46)  und  Hirschberg  (H.  Laski 
105)  and  Andere  halten  oberwähnte  Annahme  für  ausgemacht. 

5» 


68 

gemeine  Hass  in  Constantinopel  gegen  ihn  mochte  es  ihm  räth- 
lich  erscheinen  lassen,  den  heissen  Boden  der  türkischen  Haupt- 
stadt mit  einem  sorgenlosen  Dasein  in  ^Pannonien^  zu  vertau- 
schen; so  hat  schon  Jovius  vermuthet*  Wollte  er  das,  dann 
musste  er  ein  annehmbares  Verhältniss  zu  König  Ferdinand 
und  zum  Kaiser  herstellen  und  jeden  Gedanken  an  eine  Be- 
kriegung derselben  aufgeben.  Darum  die  Rathschläge  des 
Flottenangriffes  auf  Constantinopel,  des  Bündnisses  mit  Vene- 
dig —  Rathschläge,  deren  Ausführung  und  Gelingen  allen 
seinen  Absichten  auf  die  Krone  Ungarns  ein  rasches  Ende 
gemacht  haben  mUsste.  Er  gab  sich,  anscheinend  von  Allen 
verlassen,  in  die  Hände  des  Kaisers.  Er  log  nicht,  wenn  er 
Karl  V.  versicherte,  er  sei  kaisertreu.  Er  war  es  wirklich, 
denn  er  war  dazu  gezwungen.  Und  noch  Eines:  im  Falle 
eines  glücklichen  Ausganges  des  vorgeschlagenen  Krieges  lohn- 
ten Kaiser  und  König  seine  Bemühungen  gewiss,  wenn  schon 
nicht  —  wie  er  gedacht  haben  mag  —  mit  der  Uebertragung 
der  Regentschaft  in  Ungarn,  so  doch  mit  der  Uebertragung 
eines  mehr  oder  weniger  ansehnlichen  Landstriches  an  ihn  und 
seine  Kinder,  wohl  auch  mit  einem  Geschenke  fbr  seinen  in- 
timen Freund  Laski.*  —  Dann  kam  er  nach  Siebenbürgen;  des 
unleidlichen  Druckes  der  Verhältnisse  in  Constantinopel  war  er 
ledig;  Ibrahim  musste  bald  zurückkehren;  seiner  Freundschaft 
war  er  sicher.  Und  da  darf  denn  die  bestimmte  Meldimg  Ve- 
spasians  von  Zara  vom  16.  April  1536  nicht  übersehen  werden,^ 
dass  der  damals  ermordete  Ibrahim  Pascha  seinen  Tod  gefun- 
den habe,  weil  er  dem  Sultan,  ebenso  wie  Gritti  dem  König 
Johann,  nach  Krone  und  Leben  gestrebt  habe.  Diese  Theilung 
musste  verlockend  erscheinen;  jedenfalls  war  es  passend,  jetzt, 
bei   der   Feme   des   türkischen   und   dem  Mangel  eines  könig- 


»  Joviu«  XXXn,  131  ^ 

■  ÖvÄry  Nr.  806  (Contareno  an  die  Signorie,  Wien,  3.  Februar  1535.  Ve- 
nedig, Archivio  di  Stato).  Dem  Berichte,  der  viel  Falsches  enth&lt^  ist 
allerdings  nicht  viel  zu  trauen.  —  Della  Valle  36.  —  Hier  sei  auch  die 
sonderbare  Mittheilung  verzeichnet,  dass  Gritti  den  aus  Venedig  ver- 
triebenen Protestanten  und  Uebersetzer  der  Schrift  Luther^s:  ,An  den 
christlichen  Adel  deutscher  Nation*  ins  Italienische,  den  Bfinoriten  Bar- 
tolomeo  Fontio,  bei  sich  aufgenommen  hat.  Nuntiaturberichte  I,  1,  172. 

•  Q^vay  n,  1636,  106.  —  Vgl.  auch  Verancsics,  De  rebus  gestis  Hnnga- 
rorum  (69)  in  Mon.  Hung.  bist.  See.  IT. 


69 

fich|pi  Heeres  einen  Hauptsehlag  zu  wagen.  Gritti  durfte  das^ 
wenn  er  Ibrahims  sicher  war.  Das  erklärt  die  Wendung  in 
seiner  Gesinnung;  er  wollte  nichts  mehr  hören  von  Begünsti- 
gung des  Königs  und  Kaisers;  mochten  diese  immerhin  seine 
bochverrätherischen  Plane  dem  Sultan  melden;  Ibrahim  würde 
dis  zu  ordnen  wissen. 

Viel  mehr,  als  man  glauben  möchte,  ist  diese  Politik  durch 
Sümmangen  geleitet.  Wie  wir  oft  der  Verhältnisse,  die  wir, 
m  ihnen  stehend,  kaum  ertragen,  aus  der  Feme  leicht  Herr 
xn  werden  hoffen,  so  Gritti  dem  Hasse  der  türkischen  Herren 
gegenüber. 

Die  Meldung  Weinmeister's  an  die  Herzoge  von  Bayern, 
djiss  Gritti  einen  französischen  Prinzen  auf  den  Thron  von 
Ungarn  habe  bringen  wollen,^  will  nichts  besagen.  Ene  Be- 
theiligung  an  den  Verhandlungen  König  Johanns  mit  Frank- 
reich und  durch  dessen  Vermittlung  mit  England  und  Schott- 
land, die  auf  fkrichtung  eines  Bündnisses  zwischen  diesen 
Mächten  abzielte,  ist  wohl  anzunehmen.^  Aber  Heinrich  VHI. 
forderte  von  Frankreich,  nicht  nur  das  Bündniss  mit  dem  Sul- 
tan aufengeben,  sondern  sich  zur  Bekämpfung  desselben  zur 
Verfägung  zu  stellen.'*  So  musste  diese  ungarisch -englisch- 
französische  Allianz  ein  unerfüllter  Wunsch  bleiben.  Auch  in 
Frankreich  aber  traute  man  Gritti  nicht.  König  Franz  I.  for- 
derte ihn  auf,  der  Partei  Zdpolya's  treu  zu  bleiben,*  und  be- 
merkte Corsinus,  dem  Gesandten  Zäpolja's,  gegenüber,  er  wisse 
nicht,    wie   sich    der  Gouverneur  zu  den  Bundesplänen  stellen 


■  Quellen  nnd  Erörteruugen  IV,  408. 

'  Die  «Archives  nationales'  in  Paris  enthalten  keine  einschläg^igen  Docu- 
mente.  Doch  heisst  es  in  einer  (undatirten)  Instruction  für  den  Agenten 
des  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg  am  Hofe  Ferdinands  I.,  Dr.  Wey- 
maus,  er  habe  den  K()nig  von  den  türkisch-französischen  Verhandlungen, 
an  denen  Oritti  betheiligt  sei,  zu  unterrichten  und  diesbezüglich  anzu- 
ratfaen,  Gritti  ,on  yorgeennde  notturfftige  erkundigung  aller  Handlung 
nit  ledig  (zu)  lassen'.  München,  kgl.  bayr.  Reichsarchiv.  Auch  die  Adres- 
simng  des  Anm.  3  aufgeführten  Briefes  an  Gritti  ist  zu  bemerken. 

*  Conte  de  Villanuoya  Abbat!»  an  Ibrahim  und  Gritti,  8.  August  1634, 
Venedig.    (London,  Record  office.) 

*  Frmiu  L  an  Oritti.  Fontainebleau,  24.  August  1534.  Wien,  k.  u.  k.  Haus-, 
Hof-  a.  Staatsarchiv;  s.  Anhang  Nr.  17. 


70 

werde^  da  er  Nachrichten  habe,  die  auf  seine  kaiserlich^Ge- 
sinnung  schliessen  Hessen.^ 

So  zog  er  am  18.  Juni  nach  Ungarn  aus.*  Seine  Abreise 
verbrämt  Dellä  Valle  mit  der  äusserst  merkwürdigen  Nachricht, 
dass  König  Sigismund  von  Polen  durch  Laski  eben  damals 
Gritti  eine  Vermählung  mit  seiner  Tochter  Isabella,  der  spä- 
teren Königin  von  Ungarn,  angetragen  habe,  dass  es  aber  in- 
folge  der  Abreise  Gritti's  zu  keinen  weiteren  Schritten  ge- 
kommen sei.^  Die  Vermuthung,  dass  hier  eine  Eigenmächtigkeit 
Laski's  vorliege,  der  ohne  Vorwissen  des  polnischen  Hofes  Gritti 
diesen  Antrag  gemacht  habe,  um  ihm  zu  schmeicheln,  dürfte 
das  Richtige  treffen.* 


Capitel  IV. 

Ludovioo  Gritti's  Ende. 

§.1. 

Die  e^waltthat  In  Slebenbflrgen  und  der  Tod  C^rittrs/ 

In  Ungarn  hatten  sich  im  Jahre  1534  die  Verhältnisse 
sehr  zu  Gunsten  König  Ferdinands  verändert.  Zahlreiche  Edle, 
darunter  Thomas  Nädasdy,  Simon  de  Erdödy,  Bischof  von 
Agram,  Franz  Bebek,    sogar   der  Sohn    Verböczy's,  Emerich, 


'  Corsinus  an  Gritti  (Bericht),  15.  September  1534.  K.  n.  k.  Hans-,  Hof- 
u.  Staatsarchiv  in  Wien. 

*  G^vay  n,  1534,  148.  —  Della  VaUe  (36)  g^bt  fälschlich  den  15.  Blai  zh 
Abreisetag  an. 

"  Della  Valle  35.  Aach  ein  Bild  Isabellas  soll  —  hienach  -  Gritti  er- 
halten haben. 

*  Hirschberg,  H.  Laski  210. 

^  S.  hierüber  die  hauptsächlich  auf  Musens  and  Della  Valle  bemhende 
Arbeit  von  Joh.  Carl  Schuller  ,Ladwig  Gritti's  Ende.  Ein  geschichtlicher 
Versuch*  (Archiv  des  Vereines  für  siebenbürg^che  Landeskunde.  N.  F. 
n,  1 855).  —  R^v^z,  der  bei  der  Wahl  seiner  Quellen  nicht  immer  sehr 
rigoros  ist  (so  citirt  er  S.  232,  A.  3,  S.  245,  A  2  ohne  Vorbehalt  Bethlen, 
8.  287,  A.  B,  IstvÄnffi),  führt  Schuller*s  Abhandlung  nicht  einmal  an. 

In  Briissel,  Archives  gf^n^rales  du  Royaume,  eine  Reihe  Briefe 
(Orig.)  des  Erzbischofs  von  Lunden  an  Cardinal  Granvella  und  deu  Kaiser 
über  Gritti's  Ende  (Wien,  1.,  3.,  10.,  16.  October  1534). 


i 


71 

btten  sich  ihm  zugewendet.'  In  einem  arroganten  Schreiben 
in  König  Ferdinand  beklagte  sich  Gritti  mit  Bezugnahme  auf 
den  Fall  Bebek,  dass  der  König  durch  Annahme  der  Ueber- 
iiofer  den  Waffenstillstand  verletze.' 

Gleichwohl  war  der  König  über  die  Kunde  von  der  end- 
lichen Abreise  des  Erwarteten  sehr  erfreut  und  hoffte  ihn  schon 
Ende  August  bei  sich  in  Ofen  zu  sehen.'  Weniger  Vertrauen 
luUte  Zdpolya  zu  dem  Manne^  der  ihn  ,nit  fiir  ainen  König 
Sander  gesellen  gehalten'*  und  der  nun  —  wie  im  Jahre  1532 
—  durch  die  Wallachei  gegen  Siebenbürgen  heranzog.*  Grau- 
samkeiten bezeichneten  seinen  Weg.  Einen  Bojaren,  Elias,  soll 
er  an  den  Ufern  der  Donau  haben  hängen  lassen,  weil  er  nicht 
in  genügender  Weise  für  Fahrzeuge,  den  Strom  zu  übersetzen, 
jeresorgt  hatte.  *^  Durch  einen  Bund,  den  ihm  auf  sein  Verlangen 
der  schlaue  Woiwode  Peter  von  der  Moldau  gewährt  hatte,' 
Doch  stolzer  und  hoffärtiger  gemacht,  zog  er  Anfangs  August 
durch  die  transsylvanischen  Alpen  nach  Kronstadt,  erreichte 
die  Stadt  am  7.  August^  und  schlug  in  der  Nähe  derselben  am 
Gesprengberg  sein  Lager  auf.^ 

Sein  Eintritt  in  Siebenbürgen  erfolgte  unter  keinerlei  gün- 
stigen Zeichen.  Zipolya  hatte  ihm  am  21.  März  Szegedin  ver- 
p&nden  müssen,^'*  ein  guter  Theil  der  Einkünfte  aus  Sieben- 
bUrgeo  floss  in  seine  Gasse.  ^^  Jetzt  musste  König  Johann  den 
guten  Gesinnungen  seines  Gouverneurs  wieder  mit  einem  sehr 
ansehnlichen  Geldgeschenk  —  Schepper  spricht  von  200.000 
Dacaten  —  nachhelfen.^*  Kein  Wunder,  dass  er  ihm  gründlich 
abhold  war.     Die  Bevölkerung  sah  in  ihm  nur  den  Vertreter 


>  FeMler-Klein  DI,  472. 

*  Gritti  an  Ferdinand  I.,  17.  Juni  1534,  Constantinopel.  G^ray  II,  1534,  139. 

*  Ferdinand  I.  an  Bernhard  von  Cles.  Prag,  16.,  27.  und  29.  Jali  1534.  — 
G4rwMj  n,  1534,  141.  146.  14S. 

*  QaeUen  and  ErOrtemngen  IV,  409. 
»  DelU  Valle  36. 

*  So  Ifltrinffy  196. 

^  DelU  Valle  37.  —  Jovias  bei  Katona  XX,  916. 

*  Mnaeus^  65   (s.  S.  26,  A.  6).   —  Della  Valle  37   (gibt  falsch  6.  Joli  an). 
->  Padua,  Univ.-Bibliothek,  Mss.  2219,  f.  118  (Biografie  di  Veneti  illnstn). 

*  Ostennayer  20.  21.    (Datum  f&bchlich  20.  August.) 
^  UBgjax  tOrt^elmi  tir,  N.  F.  XU,  317. 

"  Voyages  des  SouTerains  des  Pays-Bas  III,  551. 
a  Ebenda«.  549. 


72 

der  verhassten  türkischen  Zwingherrschaft.  ^     Die  Stadt  Kro 
Stadt  hatte  sich  schon  im  Mai  entschieden  gegen  ihn  gewend 
—  jetzt  legte  er  derselben  zur  Vergeltung  eine  drückende  Steu 
auf.*     Zipolya,   argwöhnend,   dass  zwischen  Gritti,    Laski,  d  j 
den  Gouverneur  im  Juni   1634  besucht  und  ihn  am  ^Herau 
zuge^  theilweise  begleitet  hatte/  und  Cornelius  Schepper  Din|. 
abgemacht  worden  wären,  die  sich  gerade  gegen  ihn  richteten 
liess  durch  ungarische  Edelleute  das  Land  gegen  den  ,Protecto 
aufwiegeln.^     Da  war  es  besonders  der  Vicewoiwode  und  ,B 
schoP  von  Qrosswardein,^  Emerich  Czybak,  in  dessen  Gebie 
durch  Proclamationen  das  Volk  zu  den  Waflfen  gerufen  wurd 
Die  Reichen  sollten  sieh  selbst  bewaffnen,    die  Armen  würde 
Waffen   in   Grosswardein  erhalten;   ganze  Wagenladungen  vc 
Lanzen  hat  Museus  bei  seinem  Zuge  durch  Ungarn  gesehei 
die  theils  nach   Gyalu,    der  Burg  des  Bischofs  Statilius,   thei 
in    die   Moldau   geführt   wurden,'    deren   Woiwode   sich   sehe 
im    April    1534    mit    MayUth,    einem    einflussreichen    Parte 
ganger  König  Ferdinands  in  Siebenbürgen,   ins  Envemehme 
gesetzt    und   die   gleichfalls   habsburgisch   gesinnten   Uermam 
Städter    durch   Sendboten    aufgefordert    hatte,    sich    ihm    anzi 
schliessen.     Er,    der   Woiwode,    werde   unter   dem    Anschein« 
Gritti  zu  helfen,  ins  Land  kommen  —  darum  auch  der  Bunde* 
abschluss  mit  diesem  —  um  ihn  um  so  sicherer  in  die  Hand 
zu  bekommen  und  zu  ermorden.^   Siebenbürgen  befand  sich  i 
voller  Gährung  und  die  Absichten  der  gegen  Gritti  gerichtete 
Verschwörung  waren  in  der  kleinsten  Bauernhütte  bekannt.^ 


'  Jovius  bei  Katona  XX,  915. 

*  Quellen  zur  Geschichte  der  Stadt  RrousUdt  ü,  337  ff. 

*  G6vay  II,  1634,  59. 

*  Quellen  und  Erörterungen  IV,  408. 

^  Valentinus  Lupus  an  Thomas  Nidasdy,  10.  April  1534,  Fünfkircher 
Pray,  Ep.  proc.  II,  47/48.  —  Schaller,  Beichersdorffer  und  seine  Zeit,  ir 
Archiv  für  österr.  Gesch.  XXI,  272,  Anm. 

^  Eine  Menge  Bischofssttthle  waren  damals  von  Weltlichen  besetzt.  Bc 
IstvÄnffj  198  werden  dieselben  aufgezählt. 

^  Museus  64.  65.  «  Schnller  272  f. 

*  Eine  alte  Frau  rief  bei  der  Runde,  dass  Museus  ein  Diener  Gritti^s  se 
seufzend  aus:  ,Wohin,  Unglückselige!  Ihr  werdet  Alle  sterben!*  und  ib 
Mann  fügte  hinzu:  ,Nur  ein  Wink  und  Siebenbürgen  erhebt  sich 
Museus  66.  —  Vgl.  hiemit  den  confusen  Brief  des  Johann  Laski  an  Pet€ 
Tomiczki.  Käsmarck,  22.  Mai  1534.    Övdry  Nr.  284. 


73 

Auf  diesen  machten  indes8.en  diese  Meldungen  Museus' 
ebensowenig  Eindruck  wie  die  schriftlichen  Warnungen,  die 
ihm  bereits  Döczy  und  sein  Sohn  Anton  nach  Constantinopel 
geschickt  hatten,  zumal  da  er  gerade  in  Kronstadt  durch  die 
Vereinigung  mit  seinem  Sohne  Anton,  in  dessen  G^efolge  auch 
Museus  bereits  am  I.  März  Ofen  verlassen  hatte,  mit  Johann 
Döczy,  Urban  Batthy&ny  und  Caspar  Perusich  und  den  von 
ihnen  herbeigeführten  Truppen  sich  stark  genug  fUhlte,  jedem 
Angriffe  zu  begegnen J  Die  Angaben  über  die  Zahl  der  ver- 
einigten Truppen  gehen  stark  auseinander.  Nach  Museus' 
Schätzung,  welche  als  die  eines  Augenzeugen  und  dabei  be- 
sonnenen Berichterstatters  am  meisten  Glauben  verdient,  waren 
es  3000,  2000  Türken,  800  Ungarn  und  300  Wallachen,  aUe 
theils  zu  Fuss,  theils  zu  Pferde.^  Gritti,  der  auch  seinen  jün- 
geren Sohn  Peter  mit  sich  führte,  entfaltete  in  Kronstadt  eine 
pomphafte  Pracht.*  Im  Ucbrigen  inaugurirte  er  eine  Willkür- 
herrschaft kleineren  Styles.*  Auf  einem  flir  den  26.  August 
nach  Mediasch  einberufenen  Landtage  wollte  er  alle  Streitig- 
keiten und  Beschwerden  entscheiden.^  Der  ängstliche  König, 
eingeschüchtert  durch  das  herrische  Auftreten  des  Fremdlings, 
der  in  einem  Edicte  verkünden  liess,  alle  Edlen  hätten  vor  ihm 
als  Vertreter  des  Sultans  zu  erscheinen,^  trug  Statilius  und 
Gotthard  Kun,  einem  einflussreichen  Edelmanne,  auf,  sich  ihm 
vorzustellen.    Sie  kehrten  so  schnell  sie  konnten  wieder  zurück.' 


'  Museus  63.  65.  —  Della  Valle  »7  (erwähnt  Perusichy  nicht).  —  Falsch 
ist  die  Nachricht  SSzer^mi's  334,  die  Vereinigung  mit  Anton  hätte  erst 
vor  Mediasch  stattgefunden. 

*  Museus  66.  Das  Lager  bentand  aus  260  Zelten  (ebendas.).  —  Della 
Valle  37  gibt  die  Stärke  des  Heeres  auf  4000—5000  an,  Szer^mi  334  und 
Weinmeister  (Quellen  und  Eröifterungen  IV,  399)  übertreiben  mit  ihrer 
Angabe  tou  8000. 

'  Museus  66. 

*  VgL  Ostennayer  21.  —  Vgl.  auch  Anhang  Nr.  17  (Gritti  ertheilt  dem 
Bistritser  Richter  Befehl,  sich  aiigenblicks  zu  ihm  zu  verfügen.  Urkunde 
ans  dem  alten  Bistritser  Comitatsarchiv  vom  7.  August  1584). 

*  Gregor  von  Wassrael  an  Ferdinand  I.  (Hermannstadt),  13.  August  1534. 
Brozelles,  Archives  g^n^rales  du  Rojaume  (Cop.). 

*  Jovius  bei  Katona  XX,  916. 

^  Museus  67  erwähnt  einen  Besuch  Statilius'  und  Mayl4th's,  Della  Valle 
38  einen  Besuch  Kun*s  und  Maylith^s.  Ostermajer  21  behauptet»  May- 
lith  habe  den  Befehl,  Gritti  zu  empfangen,  von  ZApolja  bekommen,  ein 
Irrthum,  da  MajUth  damals  auf  Ferdinands  Seite  stand. 


74 

Auch  Majläth  haUe  sich  —  vermnthlich  auf  Befehl  Ferdinands  * 
—  bei  ihm  eingefunden.  Gritti  trug  ihm  auf,  dem  Könige  mit- 
zutheilen,  er  würde  nach  kurzem  Aufenthalte  in  SiebenbOrgen 
zu  ihm  kommen.*  In  Kronstadt  verbreitete  sich  unterdessen 
das  Gerücht  einer  Belagerung  &laus  durch  Bebek  und  Serödy. 
Gritti  scheint  einen  Entsatz  der  Stadt  beabsichtigt  zu  haben, 
wenigstens  ernannte  er  eben  jetzt  Batthjäny  zum  Oberbefehls- 
haber der  Truppen.'   Da  vollzog  sich  ein  schmähliches  E^igniss, 

Emerich  Czybak,  der  Vicewoiwode  von  Siebenbürgen,  er 
freute  sich  überall  der  höchsten  Achtung.  Ein  rauher  Kriege 
mann,  tapfer  und  ehriich,  hatte  er  die  Verwakong  des  Btsthoim 
Grosswardein  in  musterhafter  Weise  geftüirt  und  besass  grossen 
Einfluss.^  Gritti  aber  hasste  den  Mann,  der  sich  so  sehr  gegen 
seine  Ernennung  zum  Gouverneur  gesträubt  und  der  gegei 
seinen  Befehl  dem  Markgrafen  Georg  von  Brandenburg  iii 
Burg  Hunyad  abgestritten  hatte,^  und  war  umsomehr  g^ei 
ihn  erbittert,  da  er  die  Nachricht  von  den  Bewaffnungen  ii 
seinem  Gebiete  empfing. 

Diese  Stimmung  benützte  Döczj,  Czybak's  Todfeind,  dei 
ihm  einmal  bei  einem  Streite  einen  Faustschlag  ins  Gesich 
versetzt  hatte.*  Die  Gelegenheit  bot  sich  um  so  leichter,  di 
Czybak  nunmehr  langsam  heranzog,  von  einem  wirklich  glän 
zenden  Zuge  von  Edlen  und  Holdaten  begleitet.  Gritti  wai 
wütfaend  darüber.  Er  riss  die  Zobelmütze,  die  er  zu  trBgei 
pflegte,  vom  Haupte,  warf  sie  zu  Boden  und  rief:  ,Auf  zwe 
Köpfe  passt  diese  Kappe  nicht;  so  muss  sie  einem  angepass 
werden.* '  Czybak,  der  den  Zorn  Gritti's  und  die  Aufreizungei 
Doczy's  fürchtete,  sandte  den  Mönch  Peter  an  Gritti,  um  ihi 
durch  Geschenke  zu  versöhnen;  der  aber  wies  sie  zornig  al 
Da  gab  Döczy  dem  Mönche  in  heimtückischer  Weise  den  Ratfa 
seinem   Herrn   den   Zorn   des  Gouverneurs,   der  sich    ohnehii 


'  LSsst  schon  die  SteUe  bei  OBtermayer  tl  dArauf  schliessen,  so  auch  di 
schon  1534  herrortretende  Feindschaft  Maylith's.   s.  8.  38.  34. 

*  K.  a.  k.  Hans-,  Hof-  u.  Staatsarchir  in  Wien.    Maylith  an  Ferdinand  I 
12.  August  1634. 

'  Museus  67. 

«  Jovius  bei  Katona  XX,  918. 

'^  Szer^mi  324.  ~  Quellen  und  ErOrteningen  IV,  398. 

*  JoTius  bei  Katona  XX,  918. 
^  Kbendas.  919. 


75 

yd  legen  würde^  zu  verschweigen  und  ihn  einzuladen^  nur 
idher  heranzuziehen;  der  einfältige  Mensch  ging  darauf  ein, 
«in  ar^oser  Herr  schenkte  seinen  Worten  Glauben  ^  und  bezog, 
trotz  der  Warnungen  seiner  Umgebung  —  Szer^mi  nennt  Gott- 
bard  Kun  *  —  ein  Lager  bei  Felm^r  an  der  M aros,  nicht  weit 
Ton  Kronstadt.^  Döczy  aber  drang  nun  in  seinen  Herrn,  er 
»Qe  sich  die  gute  Gelegenheit  zur  Bestrafung  Czjbak's  nicht 
entschltlpfen  las9en>  Gritti,  ohnehin  gereizt,  war  bald  ge- 
wonnen. Gegen  das  Versprechen  des  ganzen  Besitzes  Czybak's 
eridärte  sich  Batthyiny  bereit,  ihn  Gritti  in  die  Hände  zu  lie- 
fern.^ Dieser  wünschte  zunächst  nur  seine  Gefangennahme; 
im  Zweifel  aber,  dass  Batthyiny  für  den  Nothfall  Vollmacht 
eriüek,  ihn  umzubringen.^ 

So  brach  dieser  am  11.  August  mit  200  Reitern  gegen 
Felmör  auf.  Czybak,  der  sein  Zelt  abseits  vom  Lager  hatte 
tofichlagen  lassen  und  bei  Ankunft  der  wenig  vertrauener- 
weckenden Gesellschaft  erschrak,  ergriff,  nur  mit  dem  Hemde 


*  Sser^mi  828^330. 

'  Ebenda«.  —  Gotthard  Knn  muss,  wenn  Szer^mi,  der  doch  leicht  in  der 
Lage  war,  das  Richtige  zu  erfahren,  Recht  hat,  Gritti  bald  verlassen 
haben,  um  Czybak  vor  dem  Gouvemeur,  dessen  UebelwoUen  er  er- 
kannte, zn  warnen  (vgl.  S.  78).  Bei  Della  Valle  erscheint  Kdn  auch  am 
Morgen  des  12.  August,  nach  Czybak's  Ermordung,  wieder  bei  Gritti 
(Della  Valle  39);  wohl  möglich,  dass  er,  um  zn  vermitteln,  zu  ihm  ge- 
eilt war. 

'  Oitermayer  21.  —  Verancsics  85.  —  Musens  67.  —  Della  Valle  88. 

^  Sier^i  330.  331. 

^  Ebenda«. 

•  Della  Valle  38.  —  Jovius  bei  Katona  XX,  920.  —  Quellen  und  Erörte- 
nmgen  IV,  398.  —  E^  ist  sehr  erklärlich,  dass  nach  geschehenem  Morde 
Gritti  nachdrücklich  erklärte,  er  habe  keinen  Befehl  zur  Hinrichtung 
fegeben.  Schon  seine  letzten  Worte  an  Schepper,  er  werde  vor  Blut- 
TQigiessen  nicht  zurückschrecken  (G^vay  II,  1534,  65),  lassen  einen  Be- 
fehl, Czybak  todt  oder  lebendig  einzuliefern,  wahrscheinlich  erscheinen. 
—  Della  Valle,  der  auch  hier  wieder  Gritti  möglichst  günstig  zeichnen 
will,  stellt  die  Vermuthung  auf,  dass  der  Sultan  diesem  einen  gegen 
4ie  Person  Czybak^s  gerichteten  Befehl  mitgegfeben  hätte,  eine  Ver- 
mithang,  die  durch  die  Aeussemng  Suleimans  dem  Gesandten  ZÄpolya^s 
in  December  1534  oder  Jänner  1535  in  Babylon  gegenüber,  er  habe 
Gritti  ,mit  dem  bevelh,  den  Zibach  und  ander  umzubringen,  nit  abge- 
fertigt, hinlänglich  widerlegt  erscheint  (s.  Della  Valle  35.  —  Quellen 
and  Erörterungen  IV,  439).  —  Jovius  und  seine  Abschreiber  nennen  ftlsch- 
lich  Doczy  als  Vollbringer  der  Mordthat  (Jovius  bei  Katona  XX,  921). 


76 

bekleidet^  rasch  gefasst  eine  Waffe  und  schlug,  eingedenk  der 
warnenden  Worte  Gotthard  Kun's  und  entschlossen,  sich  lebend 
nicht  zu  ergeben,  in  verzweifelter  Widerwehr  viele  seiner  An- 
greifer zu  Boden,  bis  diese  in  feiger  List  die  Zeltstricke  durch- 
schnitten und  den  vom  Zelttuche  bedeckten  wehrlosen  Mann 
ermordeten.  Seine  Getreuen  wurden  gleich  ihm,  so  weit  sie  nicht 
entkamen,  erschlagen.  Das  Haupt  des  Ermordeten  an  einem 
Spiesse,  kehrte  die  Rotte  nach  Kronstadt  zurück.^ 

Gritti,  eben  im  Gespräche  mit  Laski,  Eun  und  Mayliith 
begriffen,*  war  über  den  Anblick  nicht  wenig  entsetzt,  der  sich 
ihm  bot.'  War  nun  auch  seine  Rachsucht  befriedigt,^  er  war 
zu  klug,  die  möglichen  Folgen  der  That  zu  verkennen.  Und 
augenblicklich  verliessen  auch  die  Genannten  das  Lager.^  Was 
nützte  es  nun,  dass  er  ein  über  das  andere  Mal  versicherte, 
die  Ermordung  Czybak's  sei  ihm  ferne  gelegen;  lebend  habe 
er  ihn  haben  wollen  und  nicht  todt?  ^  Was  mochte  es  besagen, 
dass  er  das  Haupt  des  Ermordeten,  das  Döczy  noch  im  Tode 
schändete,^  mit  allen  Ehren  in  Kronstadt,  die  Leiche  in  einer 
Kapelle  unweit  Felmör  beisetzen  Hess?®  Die  Unthat  war  nicht 
gutzumachen,  und  die  Aufregung  über  den  Tod  des  allver- 
ehrten Mannes,  auf  dessen  Grabe  man  Wunder  geschehen  Hess,* 
musste  zu  einer  Krise  föhren. 


>  Szer^mi  882.  383.  —  Museus  67.  —  Della  Valle  38.  —  Quellen  and 
Erttiterangen  IV,  399  (Weinmeister  an  die  Herzoge  von  Bayern,  1.  Sep- 
tember 1634:  Czjbak  ,bat  xyj  wunden  und  ein  Stieb  gebabt*).  —  Etwas 
anders  dargestellt  bei  Jovius  (Katona  XX,  926)  und  Abschreibern. 

'  Lrfiski  bei  Museus  67.  —  Kun  und  Maylith  bei  DeUa  Valle  39. 

*  Museus  67,  Della  Valle  39.  Museus  erzäblt  eine  rührende  Geschichte 
von  einem  Hunde,  den  Czybak  einst  Anton  Gritti  zum  Geschenk  gemacht 
hatte  und  der  nun  mit  lautem  Geheul  und  Gewinsel  herbeilief  und  weder 
durch  Schläge  noch  St($sse  zur  Ruhe  gebracht  werden  konnte. 

*  Verancsics  35  behauptet,  Gritti  habe  es  auch  auf  Statilius  abgesehen 
gehabt,  weil  derselbe  ebenfalls  ein  Gegner  seiner  Ernennung  zum  Gou- 
verneur gewesen  war. 

^  S.  A.  3.  —  Laski  wurde  jedoch  von  dem  misstrauischen  Zapolya  gefangen 
genommen  und  in  den  Thnrm,  wo  Arthdndy  eingesperrt  gewesen  war, 
geworfen  und  erst  auf  die  Verwendung  Polens  hin  freigegeben.  Quellen 
und  Erörterungen  IV,  399.  —  Szer^mi  326  f. 

*  DeUa  VaUe  39. 
^  Szer^roi  888. 

*  Museus  67.  —  Della  Valle  39. 

*  Szerömi  333. 


77 

Unter  solchen  Umständen  that  Gritti  gut,  schon  am  13.  Au- 
^  Kronstadt  za  verlassen  und  nach  dem  neubefestigten  ^  Me- 
jiasch  zu  ziehen,  vor  welcher  Stadt  er  bis  23.  August  1534 
ein  Lager  bezog.*  In  ganz  Siebenbürgen  aber  erhob  sich  eine 
angeheure  EIrbitterung.  Es  war  für  Nicolaus  Patochi,  den 
Neffen  des  Ermordeten,  ein  Leichtes,  Edelleute  und  Bauern  zu 
den  Waffen  zu  rufen,  und  in  kürzester  Zeit  war  ein  Heer  von 
40.000  Leuten,  freilich  meist  schlecht  bewaffneten,  wenig  kriegs- 
tüchtigen Bauern  beisammen.^  In  flammender  Rede  forderte 
Gotthard  E&n  die  Versammelten  auf,  Rache  zu  nehmen  an  dem 
Manne,  der  sich  wie  die  Schlange  über  die  Vogelnester  an  das 
Vaterland  gemacht.*  Den  militärischen  Oberbefehl  übernahm 
Maylidi,  dem  Gritti  ebenfalls  nach  dem  Leben  gestrebt  haben 
3oll.*  Und  das  geschah  Alles,  trotzdem  es  hiess,  Gritti  habe  im 
Auftrage  Zäpolya's  gehandelt,^  ein  Gerücht,  sehr  weit  von  jeder 
Wahrheit  entfernt,  da  der  bedauernswerthe  König  vielmehr  in 
zwei  dringenden  Briefen  von  Suleiman  die  Rückberufung  Gritti's, 
der  es  auf  sein  Leben  und  seine  Krone  abgesehen  habe,  erbat ' 
and  andererseits  auch  von  einer  Katastrophe  des  Gouverneurs 
Ar  ach  nichts  Ghites  erwartete.® 

Gritti,  dem  die  Vorgänge  in  Siebenbürgen  naturgemäss 
nicht  verborgen  blieben,  erzwang  sich  nun,  um  nur  halbwegs 
gesichert  zu  sein,  durch  Gefangennahme  der  Häupter  der  Stadt- 


^  A.  Gneser    im  Archiv   des   Vereines  für  siebenbür^che  Landeskunde, 

Bil,  197—200. 
'Mnaeiis  67.  —  Bei  Della  Valle  ist  fiilschlich  statt   13.  August  21.  Juli 

and  sUtt  23.  August  27.  Juli  gesetzt.    Della  Valle  39. 

*  Della  Valle  39/40.  —  Museus  68.  —  Jovius  bei  Katona  XX,  923.  ■- 
Istrintfy^s  Erzählung  (198),  dass  die  Verschwörer  in  Hermannstadt  die 
ente  Zusammeukunft  gehabt  hätten  und  ein  blutiges  Schwert  als  Zeichen 
^  AufSrtandes  durch  alle  Gaue  und  Gemeinden  gesandt  wurde,  worauf 
^  Anfetändischen  zu  ,triumviri  sumendae  vindictae*  Run,  Kendj  und 
XsyliÜi  wählten,  wird  durch  den  —  unzuverlässigen  —  Bericht  Con- 
tireno'i  an  die  Signorie  vom  10.  (?)  Februar  1635  theilweise  bestätigt 
(Orirj  Nr.  306).  Ein  Bericht  des  Rathes  von  Hermannstadt  an  Ferdi- 
nand I.  vom  15.  August  1534  enthält  nichts  dergleichen.  Vojages  des 
SonTerains  des  Pays-Bas  XU,  555. 

*  Snr^mi  334. 

*  V^  Della  Valle  44  f.  —  Voyages  des  Souverains  des  Pays-Bas  111,  356. 

*  Quellen  und  Erörterungen  IV,  424. 
'  G^y  n,  1536,  70. 

*  Qnellen  und  Erörterungen  IV,  400. 


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79 

^hlsttiikenntniss  der  Führer.  Besser  gelang  ein  dritter,  wie 
« scheint,  am  23.  September  ausgeführter  Ausfall,  trotzdem  zu 
lüeser  Zeit  sich  schon  das  ganze,  fast  40.000  Mann  starke  Heer 
der  Belagerer  vor  der  Stadt  versammelt  hatte.  ^  Damit  ging  es 
can  nicht  mehr.  Doch  wies  Gritti  hartnäckig  jeden  Gedanken 
in  Flucht  zurück,  die  auf  dem  Wege  über  Belgrad  noch  ganz 
leicht  möglich  gewesen  wäre  und  die  ihm  sein  Sohn  in  einem 
Kriegsrathe  wann  empfahl.  Vielmehr  folgte  er  Batthyäny  und 
dkzjj  die  ihm  riethen,  mit  den  Belagerern  in  Unterhandlungen 
ra  treten.*  Die  Unterhandlungen  kamen  zu  Stande  und  dauer- 
ten vier  Tage,  vom  24.  bis  27.  September.  Sie  Uieben  resultat- 
l»/  and  am  28.  September  traf  Mayldth  alle  Anstalten  zum 
Sturme.  Das  Heer,  das  aus  siebenbürgischem  Landvolk  be- 
fand, und  zwar  aus  Sachsen  sowohl  wie  Ungarn  und  Rumänen, 
^oiu  noch  die  Völker  der  Wallachei  und  Moldau  kamen  — 
auch  Hermannstadt  betheiligte  sich  an  der  Belagerung,*  ebenso 
Tkomas  Nddasdy  mit  660  Mann  ^  —  ward  nun  concentrirt  und 
rilekte  knapp  an  die  Stadt,  in  der  es  wohl  nicht  an  Gold, 
Jfsto  empfindlicher  aber  an  Lebensmitteln  mangelte.®  Den 
Scladen,  den  eine  Beschiessung  anrichtete,  gelang  es  den  Be- 
werten durch  unermüdliche  Arbeit  wieder  gutzumachen.^ 

In  der  Frühe  des  29.  September  begannen  die  Belagerer 
fc  mitgeftihrten   acht  Kanonen   gegen   eine   schwache  Mauer- 
neuerdings  spielen  zu  lassen.®    Die  Beschiessung,  die  bis 
ühr  Vormittags  währte,   brach   eine   lange  Bresche   in   die 
er,  hinter  der  sich  noch  ein  aus  Erde  und  Holz  con- 


'  Mueos  68.  69.  —  Della  Yalle  42. 

'  DeUi  Yalle  42. 

'  Ebenda«.  43.  44.  Seine  Erzählung,  das^  die  Belagerer  nur  die  Heraus- 
gabe D6cz7*8  verlangt,  dieser  aber  diese  Bedingung  verschwiegen  habe» 
klingt  wenig  wahrscheinlich. 

'Men  und  Erörterungen  IV,  409. 

'Contarini  an  Ferdinand  L,  3.  Februar  1535.  Magyar  tört^nelmi  tir  III 
(1857),  97. 

'Hniens  70.  71.  —  Della  Valle  44. 

'  )imuB  70.  —  Della  Valle  44. 

'Kich  Della  Valle  erfolgte  die  Erstürmung  am  28.  September,  Museus 
onterKheidet  aber  genau  zwischen  28.  und  29.  September;  vermuthlich 
litt  ein  doppelter  Sturm  stattgefunden.  Della  Valle  44.  —  Museus 
10.  71. 


80 

struirter  starker  Wall  erhob.    Noch  gelang  es,  die  bedrohte  Stelle 
zu  schützen.^ 

Da  scholl  vom  Kirchencastell  her  Sturmglockengeläute 
und  heftiges  Kleingewehrfeuer.  Die  Bürger  hatten  dort  eine 
weisse  Fahne  aufgezogen  und  forderten  mit  lauten  Zurufen  die 
Belagerer  auf,  in  die  Stadt  einzudringen.* 

Kein  sicherer  Platz  war  mehr  in  der  ganzen  Stadt,  die 
von  zwei  Seiten  mit  Kugeln  überschüttet  wurde.  Da  zeigten 
die  ungarischen  Soldaten,  dass  sie  Gritti  nicht  falsch  beurtheilt 
habe.  Sie  öffneten  den  Feinden  eine  Pforte,  bei  welcher  diese 
sofort  hereindrangen.  Auch  Batthyäny  und  Perusich  feinden 
es  nun  ftlr  gut,  die  Herren  zu  wechseln.  Ersterer  betheiligte 
sich  sofort  an  dem  Blutbade,  das  die  nach  Ueberwindung  des 
vorzügUch  gebauten  Walles  immer  zahlreicher  hereinstllrmenden 
Belagerer  unter  den  Türken  anrichteten.  Nur  Döczy  blieb  treu, 
Wusste  er  doch,  dass  er  keine  Gnade  zu  gewärtigen  hatte.' 

Gritti  hatte  sich,  fieberleidend,  auf  ein  Pferd  geschwun 
gen,  dann  aber,  da  er  Alles  verloren  sah,  in  sein  Haus  zurück 
gezogen  und,  als  ihm  Peter  von  der  Moldau  auf  seine  Anfrag« 
hin  Hilfe  versprach,  sich  nach  Geiselstellung  seiner  Söhne  ent 
schlössen,  den  Abmahnungen  seiner  Getreuen  entgegen,  voi 
denen  er  in  längerer  Rede  Abschied  nahm,  zum  Woiwoden  z^ 
entfliehen.  Nur  von  Della  Valle  und  einigen  Knappen  begleitet 
veriiess  er  die  Stadt,  um  sofort  von  einem  ungarischen  Reitei 
angefallen  zu  werden,^  den  aber  seine  Begleiter  niederschlugen 
Der  Aufforderung  Della  Valleys,  wieder  in  die  Stadt  zu  eilen 
leistete  er,  den  sicheren  Tod  vor  Augen,  keine  Folge  und  schickte 
den  Kämmerer  mit  dem  Auftrage  zurück,  er  solle,  wenn  c! 
durch  Gottes  Fügung  Venedig  wiedersähe,  seinen  armen  altei 


'  Museus  spricht  von  einem  zweiten  Sturme  nicht.  Della  Valle  über,  de 
den  Vorgang  viel  genaner  erzählt,  verbindet  Sturm  und  den  Verrath  de 
Städter  als  gleichzeitig  (44). 

»  Museus  71.  —  Della  Valle  44. 

»  Museus  71—73.  —  Della  Valle  44—46.  —  Szer^mi  335—336,  sehr  coii 
fus;  seine  Erzählung  von  einer  Mine,  durch  die  Gritti  gerettet  werdä 
sollte,  durch  welche  aber  dann  die  Belagerer  eindrangen,  verdient  keine 
Glauben.  —  Jovius  bei  Katona  XX,  924.  925. 

*  Joviu8  (bei  Katona  XX,  925)  nennt  fälschlich  Kendy. 


81 

Viter  Alles   meldeD,  was  er  hier  gesellen  habe.^     Della  Valle 
ffgriflF  die  schleunigste  Flucht.* 

Gritti  wurde  sogleich  von  den  Moldauern  gefangen  und 
ia  die  Ungarn  ausgeliefert.  Umsonst  war  seine  Behauptung, 
Csybak  sei  gegen  seinen  Befehl  ermordet  worden^  umsonst 
seine  Berufung  auf  die  Würde,  die  ihm  als  Vertreter  des  Sul- 
tans zukomme  und  die  strenge  Bestrafung,  die  dieser  über 
seine  Morder  verhängen  würde.  Wüthend  verlangten  die  Sol- 
daten seinen  Tod.  Da  ei^ab  er  sich  in  sein  Schicksal  und  bat 
Dur  um  Bestattung  in  geweihter  Erde  und  um  raschen  Vollzug 
des  Blutartheils.  Gleich  darauf  fiel  sein  Haupt.'  In  seinen 
Schuhen  fanden  sich  eine  Menge  Edelsteine  von  hohem  Werthe, 
die  unter  die  Leute  —  natürUch  meist  unter  die  Führer  — 
Tertheilt  wurden.*    Döczy  erlitt  die  grässliche  Strafe  des  Vier- 


*  Einen  gleichen  Auftrag  gab  er  Museus  (78). 

»  DelU  Valle  44 — 48.  —  Museufl  71.  73.  —  Della  Valle  wurde  auf  der 
Flucht  gefangen  genommen  und  vor  Patochi  gebracht.  Dort  sab  er  eine 
Menge  der  Edelsteine  seines  Herrn.  Er  stellte  sich  des  Ungarischen 
nnkandig,  um  so  die  Ungarn  belauschen  zu  können.  Patochi,  der  ihn 
gut  behandelte,  entliess  ihn  bald,  und  Della  Valle  kam  über  Wien  am 
14.  Jnni  nach  Venedig  zurück.  Della  Valle  49 — 60.  —  Vgl.  KarAcsonyi  J., 
OUsz  fogoly  Gyula  yär^ban  1534-ben  (Ein  italienischer  Gefangener  in 
der  Festang  Karlstadt  1534)  in  B^k^svirmegyi  r^^szeti  tdrsulat  evkönyve 
(Jahrhnch  des  Geschieh ts Vereins  des  Comitats  B6k6s)  XV,  64  ff. 

Moseus  wurde  mit  einem  anderen  Beamten  Anton  Gritti^s  in  Wien 
(S.  bis  7.  Februar)  scharf  verhört,  dann  aber  auf  Verwendung  Venedigs 
freig^eben.  Museus,  Constitutio,  75 — 81.  —  Vgl.  Univers.- Bibliothek 
Padna  (S.  71,  A.  8).  -—  Övdry  Nr.  305.  308.  309.  (Berichte  des  venetia- 
msehen  Gesandten  in  Wien  nach  Venedig.) 

*  Ich  folge  auch  hier  den  Berichten  der  durch  Augenzeugen  unterrichteten 
Della  Valle  49  und  Museus  73.  —  Della  Valle  48—61.  —  Museus  73. 
74.  —  Jovius  bei  Katona  XX,  925.  926.  —  Szer^mi  336.  337  lässt  die 
Belagerer  Gntti  auf  einem  Thronsessel  in  goldenem  Schmucke  finden, 
TITO  wo  ans  er  ungefähr  dieselbe  Ansprache  an  sie  hält  wie  nach  Delta 
TaUe;  in  einer  originellen,  aus  Bibelsprüchen  zusammengesetzten  Ant- 
wort beweisen  ihm  die  Gegner  die  Todeswürdigkeit  seines  Verbrechens. 
—  Hier  sei  als  Curiosum  die  Mittheilung  Sataberrj^s  (in  Biogr.  univ. 
XVn,  672)  angeführt,  man  hätte  Gritti  in  der  Frühe  die  Hände,  Mittags 
die  Füsse  und  Abends  den  Kopf  abgeschlagen. 

*  Moseiu  74.  —  Della  Valle  49  etc.  —  Die  Angaben  über  die  bei  Gritti 
g^nachte  Beute  an  Geld  und  Werthsachen  gehen  sehr  auseinander;  nach 
eioem  Berichte  Vergerio^s  an  Papst  Paul  III.  sollen  es  gar  800.000  Thaler 
gewesen  sein.    Nuntiatnrberichte  I,  1,  316. 

ArelBT.  LXXXIII  Bd.  I.  Hälft«.  6 


82 

theilens.^  Die  armen  Kinder  des  Gerichteten  wurden  von  Peter 
von  der  Moldau  mitgefuhrt  und  umgebracht.*  Der  Leichnam 
des  Gouverneurs,  den  Della  Valle  noch  am  nächsten  Tage 
nackt  auf  der  Erde  liegen  sah,  wurde  durch  die  Bemühungen 
des  menschenfreundlichen  Gotthard  Kun  im  Franziskanerkloster 
von  Mediasch  beigesetzt^ 

Zäpolya,  der  jetzt  auch  herbeikam,  suchte  in  der  Eile  so 
viel  Geld  zu  erhaschen  als  möglich.  Er  liess  die  Schätze,  die 
Döczy  auf  seiner  Burg  hinterlassen,  auf  drei  Wagen  nach  Ofen 
fuhren,  Franz  Dobö  musste  ihm  einen  Guttheil  von  den  116.000 
Ducaten,  die  er  von  den  Schätzen  Gritti's  auf  die  Seite  ge- 
bracht hatte,  abtreten.  Auch  die  im  Gefolge  Gritti's  befind- 
lichen Juden  und  Griechen,  die  viel  Geld  bei  sich  hatten, 
wurden  säuberlich  ausgeplündert.^  Das  war  Zäpolya's  Rache 
für  Ofen. 

§2. 
Das  Nachspiel  znm  Tode  Grltti^s. 

Zäpolya  war  nun  von  seinem  Gouverneur,  König  Ferdi- 
nand von  seinem  Vermittler  befreit.  Letzterer,  von  den  Vor- 
gängen in  Siebenbürgen  genau  unterrichtet,^  erhoffte  davon  den 
gänzlichen  Niedergang  der  Partei  Zdpolya's.  Schon  am  3.  Octo- 
ber  empfing  er  die  Kunde  von  Gritti's  Tode  und  glaubte  wie 
seine  Schwester  eine  vortheilhafte  Veränderung  der  ungarischen 
Verhältnisse  voraussehen  zu  dürfen,  da  die  Ungarn  ebenso  des 
Königs  wie  des  Gouverneurs  überdrüssig  seien.®  Und  das  nicht 
ohne  Grund:  immer  feindseliger  hatte  sich  Gritti  in  den  letzten 
Tagen  gezeigt;  laut  hatte  er  gesagt,  König  Ferdinand  müsse 
auf  Ungarn  verzichten,  und  so  hatte  Thurzö  schon  am  31.  Au- 
gust 1534  dem  Könige  gerathen,  er  solle  die  Gelegenheit,  sich 
Ungarns  zu  bemächtigen,  ergreifen  und  entweder  Gritti  be- 
kriegen oder  mit  Z^polya  vertragen,  jedenfalls  aber  den  Gou- 


^  Della  Valle  61. 

«  Ebenda«.  —  Szer^mi  338.  —  ÖvAry  Nr.  306.  —  Harmuaaki  II,  1,  LXIU. 
'  Museus  74. 
«  Szerömi  338. 

»  G6vay  II,  1634,  162.  163.  —  U,  1636,  2—7. 

•  Ebendas.  H,  1636,  7.  —  Buchholt«  IV,  131.  —  Vgl.  Nie.  Olah  an  Ghe- 
rendi.    Brttsse],  80.  Jänner  1635,  in  Mon.  Hang.  bist.  Dipl.  I,  643. 


83 

▼emeur  nicht  nach  Ungarn  lassen.  Der  könne  dort  zwar  viel 
schaden,  aber  herzlich  wenig  nützen,  hatte  auch  Schepper  schon 
An&ngs  August  1534  dem  Kaiser  und  Granvella  versichert.* 
Zipolya  hatte  zunächst  Laski,  den  man  allgemein  des  intimen 
Einverständnisses  mit  Gritti  beschuldigte,  gefangen  setzen  lassen^ 
imd  ernannte  Mayläth,  der  König  Ferdinands  Partei  verliess, 
2am  Woiwoden.  Das  Bisthum  Grosswardein  gab  er  an  Bruder 
Georg,  der  nun  seine  kühne  Laufbahn  begann;^  gleichwohl 
wollte  er  nach  wie  vor  als  ganz  unschuldig  an  dem  Morde 
gehen  und  that  bei  dem  Sultan,  vor  dem  er  nicht  geringe 
Angst  hatte,*  Schritte,  sich  aus  der  SchHnge  zu  ziehen.  Er 
schickte  einen  Boten  nach  Bagdad,  der  zu  melden  hatte,  es  sei 
ihm  unmöglich  gewesen,  die  Wuth  des  Volkes  einzudämmen, 
ja  er  habe  sogar  eine  allgemeine  Amnestie  versprechen  müssen, 
tun  einen  Massenübertritt  zu  König  Ferdinand  zu  verhindern.^ 
Er  beschuldigte  diesen,  Urheber  der  ,Unthat'  von  Mediasch  zu 
sein,  und  behauptete,  dass  einige  der  Mörder,  darunter  der 
Woiwode  der  Moldau,  bei  ihm  Schutz  gefunden  hätten.^ 

Suleiman,  der  bei  der  ersten  Kunde  aufgebracht  ausrief, 
der  elende  König  Johann  allein  habe  das  Volk  zu  diesem  Be- 
ginnen getrieben,'  und  von  ihm  die  Zurückzahlung  von  1,200.000 
Dacaten,  die  er  als  Tribut  und  wegen  der  Beraubung  Gritti's 
im  schuldete,  verlangen  wollte,®  beruhigte  sich  auf  diese  Nach- 
richten hin  und  wollte  nicht  nur  ,in  bisher  erhaltener  Freund- 
schaft' zu  Zäpolya  verhangen,  sondern  erklärte  sogar  —  im 
December  1534  — ,   dass  Gritti  nur  gefunden,  was  er  gesucht 


^  Vojages  des  Soarerains  des  Pajs-Bas  III,  549.  551.  557.  558;  auch  554  f. 
556  f.  —  Vgl.  ÖvÄry  Nr.  300:  Contarini's  Bericht  vom  12.  Jänner  1535. 
Statiliaa  äusserte  dem  yenetianischen  Gesandten  in  Wien  (Contarini) 
gegenüber:  ,Gott  yerzeihe  dem  Gritti;  denn  gewiss  hätten  KOnig  Ferdi- 
nands Gesandte  bei  der  Pforte  dessen  Einsetzung  in  den  Besitz  ganz 
Ungarns  erreicht,  wäre  er  nicht  gewesen*  (?). 

'  Näheres  bei  Hirschberg,  H.  Laski,  216  f.  —  Vgl.  ÖvAry  Nr.  286. 

*  Quellen  und  Erörterungen  IV,  427.  —  G6vay  II,  1536,  18.  19. 
34  etc. 

*  Quellen  und  Erörterungen  IV,  422.  —  Pray,  Annales  III,  274. 

*  Contarini  an  Ferdinand  I.,  1.  Jänner  1535.  Mag.  tört.  tAr  III,  86. 

*  Geray  II,  1536,  10.  11. 
^  Ebendas.  70. 

*  Buchholt*,  ürkundenbuch,.  65—69. 

6* 


[ 


84 

habe,   und   dass   er,   wäre   er  in  die  Türkei   entkommen,   dort 
eines  ärgeren  Todes  hätte  sterben  müssen.^ 

Aber  König  Ferdinand  erklärte  sofort  auf  das  Schreiben 
Ibrahims,  das  die  Anschuldigungen  Zäpolya's  ihm  mittheilte, 
alles  das  sei  unwahr,  und  wiederholte  in  seinen  Schreiben  vom 
23.  März  und  3.  Juni  1535  dem  Sultan  und  dem  Grossvezier 
seine  Erklärung,  sie  seien  von  Zdpolya  verleumderisch  betrogen 
worden,  der  jetzt  den  Führer  des  Aufstandes,  Stefan  Mayläth, 
zum  Woiwoden  ernannt  habe  und  die  treu  habsburgisch  ge- 
sinnten Bergstädte  auf  das  Empfindlichste  bedränge.  Zäpolva 
allein  sei  schuld  au  der  Ermordung  des  Gouverneurs.*  Dieser 
nun  vermuthete  eine  ihm  feindliche  Einfiussnahme  der  Signorie 
von  Venedig  in  Wien  und  Constantinopel  und  erklärte  sich 
bereit,  derselben  die  Schätze  Gritti's  auszuliefern,  wenn  sie  den 
Frieden  mit  König  Ferdinand  befördern  und  den  Sultan  be- 
inihigen  wollte  —  doch  ohne  irgendwelchen  Erfolg.'  Suleiman 
hatte  die  Versicherungen  König  Ferdinands  schon  im  Februar 
1535  zur  Kenntniss  genommen  und  sandte  jetzt  den  Dolmetsch 
Junisbeg,  der  durch  Bestechung  von  Hieronymus  von  Zara  und 
Schepper  für  Ferdinand  gewonnen  war  und  schon  im  Winter 
—  wenn  seine  Erzählung  wahr  ist  —  sich  zu  Gunsten  Ferdi- 
nands beim  Sultan  verwendet  hatte,  nach  Ungarn.*  Die  Unter- 
suchung, die  dieser  im  September  und  October  1535  anstellte 
und  bei  der  er  sehr  unzart  mit  dem  armen  ungarischen  Könige 
verfuhr,  bewies  ganz  klar  Zäpolya's  Schuld.  Er  konnte  nicht 
leugnen,  dass  er  eine  Menge  der  Schätze  und  Besitzthümer 
des  Ermordeten  in  seinen  Händen  hatte,  und  Junisbeg,  schon 
früher  durch  Johann  Gritti,  der  dem  Gemetzel  in  Mediasch 
entronnen  war,  und  Andere  sehr  gut  imterrichtet,  wies  ihm 
jede  Unwahrheit  schlagend  und  in  schroffer  Weise  nach.  So 
erzählte  Junisbeg  selbst  im  October,  unmittelbar  nach  der  Unter- 
suchung,  dem  Vertreter  König  Ferdinands,   Grafen  Nogarola.^ 


*  Qaellen  und  Erörterungen  IV,  439.  —  Verancsics,  De  rebus  gestis  Hun- 
garorum,  Mon.  Hung.  Hist.  See.  II,  55 — 56. 

«  GÄvay  U,  1636,  10  ff.  17  ff.  23  ff.  36  ff.  42. 

'  Öy&ry  Nr.  326.  Bericht  des  venetianischen  Gesandten  Contareno  in  Wien 

an  die  Signorie  von  Venedig.   Wien,  23.  März  1535.   (Venedig,  Archivio 

di  Stato.) 

*  G6vay  Hj   1536,    12  f.  58  f.   71.   —  Buchholtz  IV,   132.  —  Vgl.  Öviry 
Nr.  340.  »  G6vay  II,  1536,  69—74. 


85 

Der  König,  der  durch  Junisbeg,  dessen  er  sich  sicher  wähnte, 
wieder  auf  eine  Erwerbung  ganz  Ungarns  hinarbeiten  wollte/ 
hatte  dem  Grafen  in  der  Instruction  aufgetragen,  Junisbeg  in 
fem  Sinne  zu  bearbeiten;  Nogarola  suchte  den  Dolmetsch 
darch  ein  Geschenk  von  1000  Ducaten  noch  mehr  daftir  zu 
gewinnen.* 

Aber  Suleiman  wollte  kein  letztes  Wort  sprechen.  Ihm 
passte  das  Doppelsystem  in  Ungarn  besser. 

Noch  einmal  erhob  sich  die  Erinnerung  an  Gritti's  Namen, 
als  im  Frühjahre  1536  mit  jener  Plötzlichkeit,  die  die  türkische 
Palastpolitik  kennzeichnet,  Ibrahim  Pascha  sein  Ende  fand. 
Wir  hörten  davon.  Für  das  unglückliche  Ungarn  bedeutete 
«ias  wenig.  Es  blieb  nach  wie  vor  ein  Spielball  in  den  Händen 
widerstreitender  Gewalten. 


^  Zonüchst  hat  Ferdinand  in  einem  Briefe  an  den  Sultan  vom  1.  October 
1535  ausdrücklich  auf  die  Ergebnisse  der  Untersuchungen  Junisbegs  und 
die  Verleumdungen  Zapolya's  hingewiesen.  Brüssel,  Archives  gönörales 
du  Royaume  (Cop.). 

*  G^vay  II,  1536,  64—67.  73.  —  Övary  Nr.  "289.  293.  298. 


ANHANG. 


Nr.  1. 
L.  Oritti  an  Marco  Contarini.    Ofen,  17.  September  1529. 

(Venedig,  Marcusbibliothek  class.  VII,  cod.  1933.) 

Rückseite:  AI  molto  magnifico  signor  messer  Marco  Contarini  fo  claiissimo 

messer  Zaccaria  qnanto  fratello  honorando. 

Molto  magnifico  et  honorato  signor  mio.  Havendo  per  el  passato 
havuto  doe  man  de  lottere  insieme  con  una  cassetina  de  christallo,  dentro 
la  quäl  vi  eran  diece  paternostri  capitati  da  Francza  molto  belli,  quali  per 
me  subito  forno  appresentati  al  ill"*^  signor  Ibraim  Bassa  per  una  cosa 
rara  e  bellissima,  ne  V*  M«^®***  se  maraveglara,  si  son  tardato  fin  a  questo 
giorno  iuxta  el  debito  mio  in  farli  vedere  mia  lettera,  perche  aspectava 
debita  occasione,  non  gia  percbe  la  benignita  e  genteleza  Tostra  non  me 
sia  al  continuo  stata  nel  core.  Essendo  al  presente  venuto  a  trovarme 
Giorgi  mio  fratello,  per  el  quäl  mi  ö  sta  data  V  ultima  lettera  de  V*  M^*^*" 
de  28.  Jugno,  per  la  quäl  ho  visto,  quanto  amorevolmente  V*  S^^  con 
tutto  el  core  8*ha  afifatigato  nel  concludere  de  le  noze  de  Marietta  mia 
figliola  nel  magnifico  messer  Vincenzo  Cicogna  e  per  la  relation  conforme 
al  scrivere  de  V"  M^^*^*^  per  mio  fratello  datami  mi  son  certificato  tal 
bona  opera  essere  seguita  et  havere  havuta  la  desidei*ata  conclusione  per 
Tamorevole  diligentia  usata  per  V™  S^**,  de  la  quäl  cosa  ne  resto  im- 
perpetuo  obligatissimo  a  tucta  la  degna  fameglia  de  V"  S«™.  Et  se  Dio 
me  prestara  gratia,  che  con  qualche  magior  effecto  lo  possi  demostrar,  faro 
a  V"  S^'*  cognoscere  V  animo  e  seiTitu  mia  essere  verso  quella  inmor- 
tale.^  Quanto  me  sia  stato  grato  la  bona  conclusione  di  tal  nocze,  haven- 
done  per  lettera  del  serenissimo  principe,  de  V"  M«f^®***  e  de  molti  altri 
amici  et  parenti  nostri  e  per  relatione  datame  da  mio  fratello  de  le  bone 
et  optime  condetione  del  novizo,  potete  essere  certo.   lo  haverne  havuto 


'  Or.  in  mortale. 


87 

iimmo  contento  e  spero  nel  altisssimo  Dio  non  mono  giornalmente  de 
b«De  in  megllo  restara  satisfacto  el  prefato  magnifico  mio  genero  di  tal 
jiirentato,  di  qnel  noe  seamo  satisfacti  tutti  noi,  perche  de  lui  ne  seamo 
per  tener  quel  conto,  che  de  boni  e  carissimi  figlioli  vengono  tenuti  con 
atisfation  de  quelli,  che  saranno  stati  mediatori  di  tal  bona  opei^a,  che 
3'«tro  S.  Dio  li  lassi  vivere  longhi  e  felici  anni.  Per  el  prefato  mio  fra- 
t*Ilo  mi  8on  state  presentate  per  nomo  de  V"*  M«^®*'*  et  suo  alchune  gen- 
telae  et  io  V  ho  accetate  solo  in  nome  de  V^*  M&^<^*»*,  rengraciandola  molto 
che  DOD  solo  de  bone  dimostrazione  de  parole,  ma  ancho  continnamente 
CM  le  opere  quella  mi  mostra  el  suo  bon  animo.  Io  el  tucto  accetto  yo- 
kotieri  con  aagnmentation  de  obligatione.  Ho  con  sammo  piacere  inteso 
de  '1  magnlfico  messer  Polo  fosse  sano  e  che  la  magnifica  madonna  Vienna 
i^^ae  resanata  dala  infirmita.  Idio  laudato,  et  a  V"  M^^^ti»  placera  efficace- 
mate  racomandarme  al  prefato  magnifico  suo  fratello  e  molto  confortar 
fösa  madonna  Vienna,  per  nome  de  la  quäl  Giorgi  mio  fratello  m'  ha  usate 
Dolte  parole  de  allegrai-se  per  suo  nome  de  la  quäl  cosa  essende  quel 
seamo  insieme  el  bene  el  male  allegreza  e  mestitia  convegono  tncte  essere 
comnne.  Spero  di  brevo  anchora  io  allegi'ar  de  simile  sue  consolatione 
ä»  Dio  cussi  permessa  dovendo  retorna  costa  Giorgio  mio  fratello,  ho 
(Idiberato  redrizanri  un  cavallo,  el  quäl  non  e  troppo  grande,  ma  facteza 
beliissimo.  V*  S«"*  se  dignera  accettarlo  e  goderlo  per  amor  mio  piglando 
Utctaria  el  bon  animo  et  voler  mio  in  magior  dono  di  quel  sono  el  cavallo 
«  prego  V*  M^*^^'**,  se  in  queste  bände  li  occunera  cosa,  chi  la  cognosca 
li  possi  essere  satisfacta  per  el  mio  mezo,  La  non  manche  de  comandarme, 
che  promptissimo  La  mi  troTara  sempre  che  io  possi  farli  cosa  grata  et 
all  bona  gratia  sna  sempre  me  racomando. 

A  di  17.  septembris  1529  in  Buda. 

AI.  6.  episcopus  Agriensis  et  genei'alis 
tesaurarius  totius  regni  et  camerarius  ac 
locumtenens  generalis  Regie  Maiestatis. 

Or.  Papier.  (Die  ganze  Unterschrift  und  Adresse  eigenhändig.) 

Nr.  2. 

Qarantiedecret  der  nngarischen  Stande  far  L.  Oritti. 

Ofen,  31.  December  1530. 

(Budapest,  kgl.  ungar.  Landesarchiv.) 

Kos  loannes  Statilius,  episcopus  Albensis  Ti-anssilvanie,  Emericus 
Ciybak,  electos  Waradiensis,  item  loannes  Banffy  de  Alsolyndwa,  comes 


88 

perpetuos  comitatus  de  Werecze  palatinus  regni  Hungarie  ac  iudex 
Romanommy  comes  Gregorius  Pesthyeny  de  Marthonos,  Iudex  curie  Regie 
MaiestatiSy  Hieronymns  de  Lasko,  Stephanus  Bathori  de  Somlyo,  wajwoda 
Transsllvanensis,  et  Siculonim  comites  Caspar  de  Raska,  comes  comitatus 
Newgradiensis,  Stephanus  Druget  de  Homonna,  loannes  Zeyechen  de 
Mezthegnyew,  comes  comitatus  Tholnensis,  Franciscus  de  Bachya,  pi-ae- 
positus  Scepusiensis,  Simon  de  Athyna,  castellanus  et  provisor  curie 
castri  Budensis,  Thomas  de  Nadasd,  administrator  proventuum  Regie 
Maiestatis,  loannes  Doczy  de  Zeg,  Nicolaus  Kozka  de  Zediecz,  capitaneus 
partium  regni  superioris,  necnon  egregii  Benedictus  de  Beken,  locum- 
tenens  personalis  presentie  Regie  Maiestatis,  Emerlcus  de  Saros  protho- 
notarius  iudicis  curie  Regie  Maiestatis,  Albertus  Phylpessy  prothonotarius 
personalis  presencie  Regie  Maiestatis,  Nicolaus  de  Thelegd,  Ticewaywoda 
Transsilvanensis/  Michael  Jakchy,  comes  comitatus  Zolnok  mediocris, 
Michael  Eesseren  de  6ybaii;h,  Stephanus  Balynthyth,  supremus  capita- 
neus Rascianorum,  Nicolaus  Thomori  de  Eewesd,  comes  comitatus  AI- 
bensis,  Petrus  Bodo  de  Mezthegnyew,  loannes  de  Dembo,  Franciscus 
Somogy  de  Endred,  Peti-us  Emreffy  de  Zerdahel,  Ladislaus  Nagh  de  Beer, 
Stephanus  Thomori  de  Chwch,  Blasius  de  Weche  capitaneus  peditum 
Regie  Maiostatis,  Paulus  de  Barcha,  Michael  Somlyay,  Mattheus  Kassono, 
Blasius  Thery,  Michael  Kwnyowyth,  Emericus  Pwthnoky,  loannes  Zthary 
de  Maria,  Franciscus  Dobo  de  Rwzka,  Sigismund  de  Rohman,  Andreas 
Ispan  de  Macha  aliique  universi  et  singuli  fideles  subditi  Serenissimi  domini 
regis  loannis  domini  nostri  glori(?)osissimi,  qui  in  presenti  negocio  inter- 
fuei-unt,  memorie  commendamus  per  presentes  littei^as  nostras,  quod  nos 
illustri  et  magnifico  domino  Ludovico  Gritti,  gubernatori  regis  et  regni 
Hungarie  electoque  ecclesie  Agriensis,  summo  thesaurario  et  consiliario 
Regie  Maiestatis,  in  omnibus,  que  ad  commodum  et  statum  predicti  Sere- 
nissimi domini  nostri  regis  nee  non  libertatem  et  consei*vationem  regni 
pertinerent,  pro  facultate  et  auxilio  esse  volumus  atque  ad  hec  nos  eidem 
promittimus  harum  nostiarum  sigilli  nostri  muminine  manusque  nosti-e 
subscriptione  roboratarum  vigore  et  tostimonio  literarum  mediante. 

Datum  Bude  sabato  proximo  ante  festum  circumclsionis  domini 
anno  eiusdem  millesimo  quingentesimo  tiicesimo. 

Or.  Papier. 

50  Siegel,  18  davon  noch  kenntlich  ausgeprägt. 


89 


Nr.  2  a. 

L  Gritti  an  Rath  und  Bargerschaft  von  Kremnitz,  Schemnitz, 
Bistrits  nnd  anderer  Bergstadte.    Ofen,  6.  Jänner  1531. 

(Kremnitz,  städt.  Archiv,  tom.  I,  18,  Fiwc.  II,  95.) 

Adrmt:  Pmdentibus  et  circumspectis  iudicibus  et  iuratis  ceterisque  ci- 

fÜHiB  Cremniciensibus  Sempniciensibus  et  Bistriciensibus  ceteranimque 

ciTitatum  montanarum  Maiestatis  regie  nobis  syncere  dilectis  etc. 

Pradentes  et  circumspecti  nobis  sjncere  dilecti.  Becordari  potestis, 
qnalem  concordiam  superioribus  diebus  vobiscum  hie  presentibus  fecera- 
miEj.  Postea  eciam  scripseramus  vobis,  ut  ad  nos  veniretis  et  illa  que 
tempore  concordie  Tobis  commiseramus  huc  nobiscum  una  afferetis,  sed 
T06  iporamos  ob  causam  venire  minime  voluistis.  Itaque  nunc  denuo  in 
persona  Maiestatis  regie  domini  nostri  generosissimi  vobis  strictissime 
committimus  et  mandamus,  ut  mox  receptis  presentibus  preter  omnem 
morim  huc  venire  et  illa  eciam  in  quibus  vobiscum  hie  conveneramus 
affere  debeatis.  Nam  si  secus  feceritis,  certo  scitis  periculum  vobis  immi- 
nere.  Aliud  ergo  nulla  racione  feceritis. 

Bude  in  festo  epiphanie  domini  anno  eiusdem  M^.  D^.  xxxj®. 

Ludovicus  Griti  gubernator 
regni  Ungarie  etc.  manu  propria. 
Or.  Ptpier  (mit  Wasserzeichen),  rothes  Wachssiegel,  stark  verletzt,  unlesbar. 

Nr.  3. 
L  Gritti  an  Thomas  V&dasdy.    Ofen,  12.  Jänner  1531. 

(Budapest,  kgl.  ungar.  Landesarchiv.) 

Nos  Ludovicus  Gritti  gubernator  regni  Hungarie  comes  perpetuus 
terre  Marmarusiensis  ac  summus  thesauranus  et  consiliarius  Regie  Maie- 
statis etc.  recognoscimus  per  presentes  litteras  nostras,  quod  nos  magni- 
Scum  Thomam  de  Nadasd  in  absencia  nostra  fecimus  et  constituimus  in 
^cegubematorem  nostrum,  dando  et  conferendo  eidem  plenam  atque 
vomimodam  auctoritatem,  ut  ipse  Nadasdy  intra  adventum  nostrum  vice 
^  in  persona  nostra  omnia  negocia  ad  gubernationem  nostram  pertinentia 
^uwcum  officio  thesaurariatus  exercere  universosque  proventus  regni  ad- 
aunistrare  et  iuxta  necessitatem  negotiorum  Regie  Maiestatis  simul  et 
^^  dispensare  debeat,  et  quod  universi  officiales  et  prefecti  quorumlibet 


90 

bonoram  et  officiorum  ac  proventuuin  rogalium  exactores  ad  prefatum 
Nadasdy  in  omnibus  attendere  omniaquo  officia  ad  libitum  suum  teuere 
proventusque  Hungarie  universos  ad  manus  suas  adiuinisti-are  ac  eidem 
racionem  dare  debeant,  hoc  tamen  non  pretermisso,  quod,  si  Regia  Maie- 
stas  vel  aliqnis  dominorum  aut  alter  quispiam  ad  Hungarie  officium  gu- 
bernacionis  vel  thesaui-ariatus  et  proTentuum  administracionem  sese  im- 
miserit  vel  ipsum  in  eo  quovis  pacto  turbaverit,  extunc  ipse  Nadasdy 
aut  ad  nos  Constantinopolim  aut  alio,  ubi  nos  reperire  poterit,  venire  aut 
ad  domum  suam  se  conferre  ibique  adventum  nostrum  expectare  possit  et 
valeat  harum  nostrarum  vigore  et  testimonio  literarum  mediante. 

Datum  Bude  12.  mensis  Januarii  anno  domini  millesimo  quingen- 
tesimo  tricesimo  primo.  i^em  LudovicusGriti 

manu  propria. 

Or.  Papier.  Siegel :  aufgedrückt,  beschädigt.  In  der  Mitte  Wappen :  oben  Kreuz, 
unten  Ungar.  KOnigskrone.  Legende:  Lndo.  Gritti.  Gub[ern.]  Regni.  [Hun]gari[e]. 

Nr.  4. 
L.  Oritti  an  Thomas  V&dasdy.    Tirgowisoht,  16.  April  1532. 

(Budapest,  kgl.  ungar.  Landesarchiv.) 

Rückseite:  [Tho]ma  Nadasdino  tenenti  nostro  sincere  dilecto. 

Magnifice  nobis  sincere  dilecte.  Cupientes  summopere  eandem  vi- 
dere  et  aliqua  secum  tractare  percepimus  tandem  mandato  Maiestatis  Re- 
gie pro  suo  seiTitio  iter  parasse  ad  illam  congregationem  faciendam  cum 
illis  dominis  Hungaris  sequentibus  partes  Ferdinandi,  quam  rem  libenter 
andivimus  et  non  minus  fuit  ac  si  personaliter  ad  nos  venissetis,  qua  de 
re  amore  nostri  statim  receptis  presentibus  sine  mora  procuretis  ordinäre 
equites  ducentos  optimos  ad  bellum  eosque  ubi  sensieritis  nos  esse  illicho 
remictere  facietisque  nobis  rem  gratissimam  et  non  sine  parvo  servicio 
sue  Maiestatis  Regie,  et  quia  de  presenti  negocio  et  aliis  tractavimus  cum 
reverendissimo  domino  episcopo  Siimiensi  consiliaiio  regio  qui  etiam  scri- 
bet  et  propterea  totum  illud  quod  scripserit  facietis  et  exequcione  man- 
detis  offerentes  semper  ad  sua  vota. 

Datum  in  castris  nostris  prope  Thorgovistam  die  xvj*  mensis  aprilis 
anno  domini  millesimo  quingentesimo  tricesimo  secundo. 

Ludovicus  Gritti  regni 
TJngarie  gubernator  etc. 

Or.  Papier. 
Siegel  abgefallen. 


91 


Nr.  5. 


L  Qritti  an  Rath  und  Bürger  von  Kronstadt.  Lager  bei  Kronstadt, 

25.  Hai  1532. 

(Kronstadt,  Stadtarchiv,  Fr.  Schneirscho  Sammlung.) 

Nos  Ladoricus  Grytti  comes  perpetuus  terrae  Maromorosiensis  regni 
HuDgariae  gubernator  summasqne  thezaurarius  et  consillarius  regius  etc. 
recognoscimns  per  praesentes,  quod,  cum  nos  intelligamus,  regiam  Majo- 
stetem  dominnm  nostrum  clementissimum  Tigesimam  de  rebus  mercimo- 
nialibüs  ad  banc  regiam  civitatem  Brassoviensem  et  terram  Barcza  defe- 
rendis  fisco  regio  exigi  consuetam  prudentibus  et  circumspectis  judici  ac 
joratis  ceterisqne  civibus  et  inbabitatoribus  ejusdem  civitatis  Brassovien- 
äs  pro  boc  anno  praesenti  pro  summa  duorum  milium  et  quingentorum 
florenorum  in  arendam  dedisse  atque  locasse  et  ex  bujusmodi  summa 
miile  jam  florenos  persolvisse;^  ideo  nosque  tanquam  summus  tbezaurarius 
regius  ejoscemodi  arendationem  i*atam  et  acceptem  babentes  yigesimam 
pnenotatam  pro  boc  uno  anno,  incipiendo  annum  a  feste  Pentbecostes 
proiime  praeterito  usque  ad  aiium  festum  Pentbecostes  immediate  futurum 
dnrantem,  apud  manus  ipsorum  judicis  ac  juratorum  ceterorumque  civium 
Brassoriensium  duximus  relinquendam,  ea  tamen  lege,  ut  ipsi  cives  resi- 
daam  summam  mille  videliczet  et  quingentos  florenos  preter  scitum  et 
Tulnntatem  nostram  nemini  dare  solvereque  praesummant;  immo  con- 
üdone  sub  prsemissa  relinquimus  et  committimus  barum  nostrarum  Ti- 
gore  et  testimonio  literarum  mediante. 

Datum  in  castris  exercitus  nostri  prope  Brassoviam  positis  in  feste 
beati  Urbani  papae  anno  domini  millesimo  quingentesimo  tricesimo 
secando.  Ludovicus  Gritti  regni 

Vngarise  gubernator  et  cetera. 

h  dorto  von  späterer  Hand:  Arendatio  vigesimae  a  Ludovico  Gritty  1532. 

Super  solucione  Tigesimae. 

Or.  Papier.   Aufgedrücktes  Siegel. 

Nr.  6. 
L  Gritti  an  die  Stadt  Kronstadt.  Lager  bei  S&rk&ny,  1.  Jnni  1532. 

(Kronstadt,  Stadtarchiv,  Schneirsche  Sammlung.) 

Nos  Ludovicus  Gritti  comes  perpetuus  terrae  Maromorosiensis  regni 
HoBgariae  gubernator  summusque  tbezaurarius  ac  consiliaiius  regius 


^  Die  durch  ,quod*  eingeleitete  Construction  ist  fallen  gelassen. 


92 

etc.  memoriae  commondamus  tenore  praosoucium  signlficantes  qaibu8  ei- 
pedlt  universis,  quod  nos  miserti  ot  conpacientos  ruinae  ac  desolationi 
regiae  civitatis  Bi-assoviensis  villarumque  regiarum  ia  terra  Barcza  ad- 
jacentium  et  ad  eandem  civitatem  Brassoviensem  pertinentium  cou- 
sequenterqoe  inopiae  et  paupertati  colonorum  ac  inhabitatorum  eamndem 
civitatis  et  villarum  in  quam  per  hec  impacata  tempora,  novissime  vero 
per  conflagrationem  ac  incinei'atioiiem  suburbiorum  ipsius  civitatis  et 
praedictarum  villarum  ad  eandem,  ut  praefertur,  spectantinm  per  wala- 
chos  moldauienses  factam  atque  patratam,  quam  experientia  teste  nos 
ipsi  (dum  in  eorum  medio  fuimus  constituti)  palam  agnovimus,  ut  igitur 
huiusmodi  suburbia  villaeque  desolatae  refoimari  et  in  pristinnm  prio- 
remque  statum  reduci  possent,  universos  cives  et  inhabitatores  praedictae 
civitatis  Brassoviensis  ac  praetactarum  possessionum  et  villamm  ejus- 
dem  scilicet  civitatis  pertinentiarum  ab  omni  et  quavis  taxarum  extra- 
ordinariarum  nomine  regiae  Majestatis  domini  nostri  clementissimi,  quali- 
tercunque  imponendai-um  ac  exigendarum  solucione  infra  spacium  triuro 
annorum  integrorum,  a  data  praesentium  conputandorum,  aucthoritate  et 
in  persona  suae  majestatis,  qua  fungimur,  benigne  duximns  eximendos, 
libertandosque  et  suppoilandos,  prout  eximimus  libertamusque  et  suppor- 
tamus  praesentium  per  vigorem:  Quo  circa  vobis  universis  factoribus 
nostris  aliisque  dicatoribus  et  exactoribus  contributionum  taxarumque 
regiarum  praesentes  visuris  injungimus  ac  in  persona  suae  Majestatis 
ürmiter  committimus,  ut  a  modo  deinceps  tempus  infra  pi'aemissum  prae- 
fatos  cives  ac  inhabitatores  praescriptae  civitatis  Bi*as80viensis  prac- 
dlctammque  possessionum  et  villarum  ad  eandem  civitatem  pertinentium 
aliqna  taxa  seu  contributione  exti*aordinaria  onerare  grauareque  aut 
ipsos  propter  non  solutionem  ejusdem  in  personis  vel  rebus  eorum  im- 
pedire  turbareque  aut  damnificare  praesumatis  nee  sitis  ausi  modo  ali- 
quali,  praesentibus  perlectis  exhibenti  semper  restitutis. 

Datum  in  casti'is  nostris  prope  villam  Sarkan  positis  atque  metatis, 
secundo  die  fest!  sacratissimi  coi'poris  Christi  anno  ejusdem  millesimo 
quingentesimo  tricestimo  secundo. 

Ludovlcus  Gritti  regni  Vngariae 
gubernator  etc. 

In  dorso  von  späterer  ffand  ;Litterae  Ludovlci  Gritti  exemptionales  ad 
triennium  propter  Moldauicam  exustionem,  Datum  1532.  —  Super  über- 

täte  tiium  annorum. 

Or.  Papier. 
Aufgedrücktes  Siegel. 


93 


Nr.  7. 

L  Oritti  an  Bath  und  Bürger  von  Kronstadt.    Lager  bei 

Debrecsin,  28.  Jnni  1532. 

(Kronstadt,  Stadtarchiv,  Fr.  Schneirsche  Sammlung.) 

LudoYicus  Gritti  comes  perpetuus  teri*ae  Maromorosiensis  regni 
HuDgariae  gubemator  summusque  thezaurarius  et  consiliarius  regius  etc. 
imdentibQB  et  circamspectis  jadici  et  juratis  civibns  civitatis  Brasso- 
nensis  sahtem.  Sciatis  hominem  qoendam  in  sede  Sepsij  commorantem 
(imnliim  ntputa  nobilis  Joannis  Literati  familiaris  ac  scribae  spectabilis 
yt  magnifici  domini  Stepbani  de  Werbewez  summi  et  secretarii  regiae 
Mij«8tatis  domini  nostri  clementissimi  cancellarii  etc.  cum  uno  equo  et 
^  qaamplarimis  rebus  triginta  duos  florenos  in  tote  valentibus  fmiiim 
"« de  Waradino  ad  propria  in  feste  beati  Ladislai  regis  et  confessoris 
dif^tisse,  qoem  apud  vos  ad  nonnullorum  bonorum  et  honestorum  ^  viro- 
^m  fidelium'  ipse  notarius  domini  cancellarii  conduxerat.  Bogo  igitur 
^^  et  nihilominus  in  persona  ac  auctoritate  suae  majestatis,  qua  fungi- 
3^iir,  Tobis  injungimus,  quatenus  acceptis  statim  praesentibus  pi*aefatum 
lajefictorem  in  medio  vestri  perquirere  inventumque  et  repertum  capti- 
Tve,  res  vero  omnino  apud  se  repertas  eidem  bomini  domini  cancellani 
^Te  persolvere  contentumque  reddere  [et  ad]  extremum  illum  patibulo 
^^re  debeatis.  Quod  si  casu  ipsum  illic  constitutum  minime  in[veni]- 
^*5  et  de  praemissis  dampnis  eidem  illatis  fidejussores  nullam  curam  ac 
i'iTerteDciam  adbi[be]re  agnoveritis,  extunc  tales  omnes  quos  idem  bomo 
^^üni  cancellarii  singillatim  nominandos  dicet,  tarn  in  personis  quam 
'^  rebus  eorum  arestare  et  detinero,  in  arestoque  tarn  diu,  quousque 
'km  satisfactum  quoad  plenum  fuerit  teuere  et  conservare  teneamini. 
Hus  ne  feceritis. 

Datum  ex  castris  nostris  prope  Debreczen  positis  in  crastino  festi 
^ü  Ladislai  r^is  et  confessoris  anno  domini  millesimo  quingentesimo 
trf*«imo  secundo. 

I 

Ludovicus  Gritti  regni  Vngariae 
gubernator  etc. 

Or.  Ptpier. 
A^rttcktes  Siegel. 

'  Or.  bonefttnm. 
Hinter  ^fidelium'  scheint  ein  von  ,ad'  abhängiges  Substantivum,  vielleicht 
tCommendationem*  ausgeblieben  zu  sein! 


94 


Nr.  8. 
Ii.  Gritti  an  Thomas  H&dasdy.    Ofen,  11.  Juli  1532. 

(Budapest,  kgl.  ungar.  Landesarchiv.) 

Rückaeüe:  Magnifico  domino  Thome  de  Nadasd  consiliario  Begie  Maiestatis 

amico  nobis  honorando. 

Magnifice  domine  amice  nobis  sincere  dilecte  salntem.  Sunt  iam 
aliquot  dies,  quod  venimus  Budam  et  vehementer  miramur,  quod  nun- 
quam  hactenus  Yoluistis  ad  nos  yenire,  quum  a  nobis  faeritis  sepius  i'e- 
quisiti  et  vocati ;  libenter  vellemus  intelligero  causas  istius  diuturne  con- 
tumacie,  itaque  quid  in  animo  habetis,  significate  nobis,  veniendum  ne 
Sit  huc  Yobis  an  non  et  si  venire  decreveritis,  ad  quotum  diem  exspectan- 
dus  est  adventus  vester.  Gerte  opoi-tebat  vos  hie  iam  pridem  adesse,  ut 
negociis  Begie  Maiestatis  et  nostris  tempestive  consuleretur. 

Datum  Bude  feria  quinta  proxima  post  octavam  visitationis  beate 

virginis  1532. 

Ludovicus  Gritti  regni 

Ungarie  gubernator  etc. 
Or.  Papiei'. 

Siegel  stark  beschädigt. 

Nr.  9. 

L.  Gritti  an  Simon  de  Erdöd,  Bischof  von  Agram. 

Ofen,  16.  Juli  1632. 

(Budapest,  kgl.  ungar.  Landesarchiv.) 

Rückseite:  Reverendissimo  domino  Simoni  episcopo  ecclesie  Zagrabiensis 

etc.  amico  nobis  honorando. 

Reverendissime  domine  amice  nobis  honorando  salntem. 

Iam  decem  dies  sunt,  quod  venimus  Budam  arbitrabamurque,  nt 
ad  hoc  tempus  veniret  V^  B^  D^ '  vocata  per  litteras  Sacre  Regie  Maiestatis 
domini  nostri  clementissimi,  ut  una  occureret  potentissimo  ac  invictissimo 
Cesari  simul  cum  Sua  Regia  Maiestate  ceterisque  prelatis  et  baronibus. 
Sed  y^  R^  D^  non  videtur  volle  obtemperare  mandatis  Sue  Regie  Maiestatis, 
ut  facile  est  intelligere  ex  litteris  Y*  R"  D^^"  ad  Regiam  Maiestatem  datls. 
Est  autem  necesse,  ut  nos  admoveamus  Cesaream  Maiestatem  ac  declaremns 
Sue  Maiestati  Cesaree,  qui  fideles  inobedientesve  sint  Regie  Maiestati  ac 


1  y»  R»  D<»  =  vestra  reverendissima  dominatio. 


95 

re^o  eins,  quare  animum  etiam  vestrum  adversus  suum  principem  ex- 
pikabimus ;  postea  seiet  Sua  Cesarea  Maiestas,  quid  sit  fiactnra.  Yolumus 
k  his  V»"  ß*"  D®"*"  facere  cerciorem,  ut  si  perstiteritis  in  isto  vestro 
proposito  non  gerendi  morem  voluntati  Begie  Maiestatis  atque  idcirco  aii- 
qaid  detrimenti  acceperitis,  in  neminem  alinm  cnlpam  conferre  debeatis 
Disi  in  TOsmet  ipsos.  Adhuc  est  tempestivnm  declarare  vestram  fidem  et 
'bediendam  erga  Begiam  Maiestatem.  Si  nunc  demum  parebitis  iussis 
Regie  Maiestatis,  omnis  suspicio  preteritoinim  oblitterabitur.  Sin  autem 
presentem  hanc  et  brevem  occasionem  pretermiseritis,  ^sti*a  aliam  que- 
rstis.  Admonuimus  V*"  R*"  D®°*"  de  his,  que  putavimus  maxime  honoris, 
•lignitatis  ac  salutis  eius  interesse  cuius  semper  favimus  commodis  et 
•mainentis. 

Datum  Bude  feria  tercia  proxima  post  festum  beate  Margarethe  yir- 
gioid  et  martiris  anno  domini  millesimo  quingentesimo  tricesimo  secundo. 

Ludovicus  Gritti  regni 
üngarie  gubernator  etc. 

Or.  Papier. 
Sie^l  fehlt 

Nr.  10. 

L  Gritti  an  den  Bath  von  Bistrits.     Ofen,  6.  August  1632. 

(Bistritss,  altes  Comitatsarchiv.) 

BidteiU:  Prudentibus  et  circunspectis  iudici  et  iuratis  ciyibus  civitatis 

Bistriciensis  nobis  sincere  dilectis. 

Prudentes  ad  circumspecti  nobis  dilecti.  Necessitas  ipsa  coegit  nos, 
ei  non  solum  a  vobis,  verum  etiam  ab  aliis  subditis  regiae  Maiestatis  do- 
Kini  nostri  clementissimi  pro  praesenti  nosti*a  expeditione  aliquam  pecu- 
iiiae  smomam  ac  equos  curriferos  erogemus.  Ideo  misimus  ad  vos  hunc 
^egiom  Vitum  Horwath  aulicum  regiae  maiestatis  domini  nostri  clemen- 
^simi  praesentium  scilicet  exhibitorem,  ut  a  vobis  nomine  nostro  mille 
lirenos^  et  certos  equos  curriferos  sub  spe  certae  restitutionis  petat. 
^Mre  Tobis  harum  serie  mandamus  firmiter,  quatenus  acceptis  praesen- 
tibos  illos  mille  florenos  ac  equos  cumferos  quam  primum  de  medio  ve- 
^nuD  disponere  et  ordinäre  illosque  ad  manus  dicti  Yiti  Horwath  dare 
^  ttiiguare  debeatis.   Ut  autem  de  restitutione  illorum  mille  florenorum 


*  An  Stelle  dieser  swei  Wörter  ist  ursprünglich  etwas  Anderes  gestanden, 
tber  ansrmdirt  worden,  nnd  dann  Tom  Schreiber  des  Qanzen  ,mille  flo- 
renos* hingesetzt  worden. 


96 

certi  suis,  assecaramuB  tos  mediantibus  praesentibus  literis  nostris,  quod 
scilicet  illos  rehabebitis  et  si  per  vos  in  hac  re  aliqua  difficnltas  comitte- 
tur,  ceteri  quoqne  a  vobis  exemplam  capientes  in  ipsis  pecuniis  mntuan- 
dis  ne  forte  difficiles  se  praestabunt,  quod  nemini  nisi  vobis  imputare 
poterimns.   Secns  igitur  nuUo  modo  facturi. 

Datum  Budae  in  festo  beatissimae  virginis  Mariae  de  Nivis  anno 
domini  millesimo  quingentesimo  tricesimo  secundo. 

Ludovicus  Gritti  regni 
vngarie  gubernator  m.  p. 

Or.  Papier,  ^/^  Bogen;  stark  beräachert  und  am  unteren  (textfreien)  Sande 
beschädigt    Siegel  war  in  rothes  Wachs  aufgedruckt,  ist  aber  bis  auf  ge- 
ringe Spuren  gans  abgesprungen. 


Nr.  11. 
L.  Gritti  an  Thomas  H&dasdy.   Lag^r  bei  Gran,  19.  August  1532. 

(Budapest,  kg\.  ungar.  Landesarchiy.) 

Rückseite:  Magnifico  domino  Th[o]me  Nadasdy  consiliario  regio  a[mico] 

nobis  honorando. 

Magnifico  domine  amice  nobis  honorande  salutem.  Misit  Regia 
Maiestas  dominus  noster  clementissimus  hunc  fidelem  suum  reverendis* 
simum  dominum  Stephanum  Brodarics  episcopum  Sirmiensem  consiliarinm 
Sue  Maiestatis  cum  plena  authoiitate  et  infoimacione  ad  M^™  Donem  y*",* 
cuius  medio  etiam  nos  eidem  M®"  D°"*  V"*  nonnulla  intimavir»  Refe- 
renda, quare  rogamus  M^"  j)owm  ynm^  ^^  ^i^^jg  ^^^  relatibus  preiati  do- 
mini episcopi  indubiam  velit  prestare  fidem  tamquam  nobis  coram  ioquen- 
tis;  ea  enim  dictuinis  est,  que  ex  animi  nostri  sentencia  accepit.  Eandem 
bene  yalere  optamus. 

Datum  in  castris  nostris  sub  Strigonio  metatis  feria  secunda  pro- 
xima  post  festum  assumpcionis  beatissime  yirginis  Marie  anno  domini 
'millesimo  quingentesimo  tricesimo  secundo. 

Ludovicus  Griti  regni 
Ungarie  gubernator  m.  p. 


.r 


^^)t.  Papier.    Siegel,  theilweise  beschädigt:   Wappen  mit  Umschrift:    [Lnjdo. 
Gritti.  [Gu]b[em].  [regni]  Hungarie.   (Rothes  Wachs). 


*  Magnificam  Dominationem  Vestram. 


99 

quid  illi  man- 
Oibinienses  per 
H>re  ut  Maiestas 
iiisimus,  ne  quid 
titerint  et  nuncios 
{lotestate  Maiestatis 
'  ere,  ut  sub  hiis  iu- 
re agemus  cum  com- 
uus.   Maiestas  Yestra 
i  ac  defensioni  quam 


*•  fldcles  servitores 
.  i  Posonii  constituti. 


tuas  beschädigt. 


.1) 


r  Czegledi.    Constantinopel, 

1533. 

^tato,  ConsigUo  di  X.) 

URS  ten*e  Maromorosiensis  Regni  Uu- 
lalis  ac  summus  thesaurarius  Begiae 
-  Frinio,^  Christoforo  et  Volgango  de 
Modrusa  et  filiis  condam  domini  Michae- 
li nis  et  baronibus  ac  etiam  egi'egiis  in 
:iu)raQtibus  salutem  et  fayorem. 
liunc  magnificum  dominum  Isidorum  de 
■  iliarem  pro  quibusdam  nostris  negotiis  ad 
onficiendis  et  existimamus  etiam  esse  Tobis 
T  animum  et  Studium  adpiibemus],  ut  ün- 
.  atlipiscatur.   Quapropter  hoi*tamur  vesti'as 
'11  um  Isidorum  qui  venerit  ad  vos  comiter 
>uis  pro  viribus  adjuTetis.   Alia  ipse  coram 
vobis  nostro  nomine  dicet,  eque  credetis  ac  si 


7* 


98 

Datum  in  castris  nostris  ad  Strigoniain  qninto  die  mensis  septem- 
bris  anno  domini  milleBimo  qningentesimo  tricesimo  secnndo. 

LudoTicns  Gritti  regni 

Ungarie  gubernator  etc. 
Or.  Papier. 

Rothes  Wachssiegel,  siemlich  deutlich  und  leidlich  erhalten. 

Nr.  13. 
L.  Gritti  an  die  nngaritohen  Bergst&dte.   Ofen,  20.  Februar  1533. 

(Wien,  k.  u.  k.  Hans-,  Hof-  u.  Staatsarchiv,  Hnngarica  1638.) 

Beilage  su  Nr.  8. 

Ludovicns  Gritti  comes  gubernator  ac  capitaneus  generalis  r^oi 
Hungariae  summus  Regie  Maiestatis  thesaurarius  etc. 

Prudentes  et  circumspecti  nobis  dilecti.  Yolunuhs  et  Tobis  harum 
Serie  mandamns  firmiter,  ut  mox  acceptis  presentibns  mittatis  aliquot 
concives  vestros  cum  plena  facultate  ex  medio  vestri  ad  nos,  qaoniam 
habemns  de  quibnsdam  necessariis  huins  regni  negotiis  tractare  et  con- 
cladere;  secus  igitur  nullomodo  feceritis. 

Datum  Bude  vigesimo  die  mensis  Februarii  anno  domini  millesimo 
quingentesimo  tiicesimo  et  tertio. 

Ludovicus  Gritti,  Ungariae  gubernator  etc. 

[Prudentibus  ac  circumspectis  iudicibus  et  iuratis  civibus  civitatum  mon- 

tanarum  Cremnisiensis  ^  nobis  dilectis.] 

Gleichieitige  Copie.   Papier. 

Nr.  14. 

Die  kaiserlichen  Commissare  an  Konig  Ferdinand  L 

Preubnrg,  4.  Wm  1538. 

(Wien,  k.  n.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchir,  Hnngarica  1538.) 

Eudt$eite:  Sacratissime  Regie  Maiestati  domino  nostro  clementissimo. 

Sacratissime  rex  domine  clementissime.  Post  serriciorum  nostro- 
nun  hnmillimam  commendationem.  Quo  in  statu  sit  ciritas  Oibiniensis 
in  Transsilvania,  Maiestas  Vestra  ex  litteris  ipsorum  ciyinm  cognoscet. 


*  Hier  sind  in  der  Abschrift  offenbar  ein  oder  iwei  Namen  (Sempniciensts, 
Bistriciensis)  ans^lassen  worden.    Vgl.  Nr.  2  a.  12  a. 


99 

kielliget  etiain  ex  exemplis  litterarum  loannis  et  Gritti,  quid  illi  man- 
jent  civitatibus  montanis  et  quid  civitates  querantur.  Cibinienses  per 
litia^s  ad  constanciam  cohortati  sumus,  polHcentes  fore  ut  Maiestas 
Vestra  eos  defendat.  Civitatibus  yero  montanis  commisimus,  ne  quid 
löhannl  aat  Gritti  obediant,  sed,  si  urgere  illi  non  destiterint  et  nuncios 
äd  ipaos  miserinty  renuncient  se  semper  fnisse  sub  potestate  Maiestatis 
V^tre  et  non  posse  ipsis  obtemperare  neque  ipsis  licere,  ut  sub  biis  in- 
•inbiis  eos  ad  id  cogere  velint.  Nos  quidem  de  hac  re  agemus  cum  com- 
lüssarüs  loannis.  Quid  efficere  possimus,  viderimus.  Maiestas  Yestra 
oonsulat  fidelium  subditorum  suorum  incolumitati  ac  defensioni  quam 
kos  optimus  maximus  seilet  felicissimam. 

Posoni,  quai*ta  Marcii  1533. 

Einsdem  sacratissime  Maiestatis  Yestre  fideles  seiTitores 

Commissarii  Posonii  constituti. 

Or.  Papier. 

12  Siegel;  10  davon  gauz  gut  erbalten,  2  etwas  beschädigt. 

Nr.  15. 

Bettellbrief  L.  Gritti' s  fnr  Isidor  Czeglidi.    Conitantinopel. 

29.  Juni  1638. 

(Venedig,  Archirio  di  State,  ConsigUo  di  X.) 

Ludoyicus  Gritti  perpetuus  comes  terre  Maromorosiensis  Kegni  Un- 
^e  gubernator  capitaneus  genei*alis  ac  summus  thesaurai'ius  Begiae 
Majestatis  etc.  magnificis  Nicoiao  Prinio,^  Christoforo  et  Yolgango  de 
Biigna,  Stephano  Ferandi  filio  de  Modrusa  et  filiis  condam  domini  Michae- 
lis Comitis  et  aliis  omnibus  dominis  et  baronibus  ac  etiam  egi'egiis  in 
regno  Croati§  constitutis  et  commorantibus  salutem  et  fayorem. 

Mittimus  ad  istas  pai-tes  hunc  magnificum  dominum  Isidorum  de 
Zigledo  specialem  nostrum  familiärem  pro  quibusdam  nostris  negotiis  ad 
r^om  Ungarie  pertinentibus  conficiendis  et  existimamus  etiam  esse  vobis 
perspectum,  quem  admodum  et  animum  et  Studium  ad[hibemus],  ut  ün- 
garia  Teram  pacem  et  quietem  adipiscatur.  Quapropter  hoiiamur  vestras 
•kmunationes,  ut  dictum  dominum  Isidomm  qui  venerit  ad  yos  comiter 
redpiatis  eumque  in  negotiis  suis  pro  viribus  adjuvetis.  Alia  ipse  coram 
[Tobis]  referet,  cui  omnia  que  vobis  nostro  nomine  dicet,  eque  crodetis  ac  si 

*  Fertnyi. 

7* 


100 

nud  ipsi  adesBemus,  oa  vero  que  pro  viribus  vestris  eidem  nostro  senritori 
prestabitis,  per  omnem  occasionem  vobis  cumulate  referemus. 
Datum  Constautinopoli  die  29  juuii  1533. 

LudovicuB  Gritti  Begni 
HuDgarie  Gnbernator. 
Abschrift,  von  dem  Baylo  Pietro  Zeti  am  24.  Juli  1533  nach  Venedig  abgesendet. 

Nr.  16.» 
König  Ferdinand  L  an  L.  Gritti.    Wien,  5.  Ootober  1533. 

(Wien,  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv,  Turcica  1533.) 

Hückstite:  Spectabili  et  excellentissimo  Aloisio  Gritti  syucere  nobis  dilecto. 

Ferdinandus  divina  favente  dementia  Bomanoi*um  Ungarie  Bohe- 
mie  etc.  etc.  rex,  infans  hispaniarum  archidux  austri^  etc. 

Spectabilis  et  excellentissimi  syncere  dilecte!  Literas,*  qnae  ad 
DOS  dedistiS)  ab  oratoribus  nostris  novissime  ad  imperatorem  Turcorum 
patrem  nostrnm  charissimum  destinatis  et  ad  nos  modo  reversis  accepi- 
mus  et  legimus,  ex  quibus  simul  et  eornm  relatione  abunde  cognovimus 
bonam  et  magnam  oblationem  vestram  ore  vestro  proprio  penes  eosdem 
oratoreB  erga  nos  factam,  quam  benigno  pariter  et  grato  animo  a  yobis 
suscipimus.  Nobis  subinde  pollicentes  et  singulariter  confidentes,  ut  quo- 
nlam  vos  omnem  operam  '  dare  velle  et  cupere  scribitis  in  omnibns  iis  pro- 
curandis  adiuvandis  et  promovendis,  quae  ad  commune  benefitium  et  pa- 
cem  bonam  ac  quietem  et  tranquillitatem  reipublicae  Christianae  cedere 
et  pertinere  videantur,  atque  etiam  in  bona  et  mutua  intelligentia  nobiscum 
constituenda  caeterisque  in  vestro  ad  nos  adventu  ad  bonum  et  commodum 
illorum  omnium  dirigendis  et  perficiendis,  eundem  imperatorem  Turcorum 
patrem  nostrum  et  Ibraimum  Bassam  fratrem  nostrum  seniorem  vobis 
plenam  super  omnibus  illis  potestatem  pariter  et  mandatum  daturos  et 
vos  huic  oblationi  vestrae  tam  offitiosae  band  dubio  satisfacturos  pacique 
praesenti  debitam  et  exspectatam  a  nobis  executionem  apposituros  vosque 
in  aliis  etiam  pro  rerum  nostraiiim  utilitate  erga  nos  bene  exhibituros. 
Qua  sane  ratione  nobis  adventus  ille  vester  et  gratus  et  acceptus  est  ac 
multo  etiam,  cum  veneritis,  gratior  futurus.  Quanto  enim  celerius  et 
tompestivius  adveneritis,  tanto  praesenti  negotio  utilius  et  commodius 


*  Gedrackt  in  Collection  des  Voyages  des  Souverains  de  Pays-Bas  HL,  468, 
jedoch  nicht  fieblerlos;  hier  wegen  seiner  Wichtigkeit  wieder  abgedruckt 
»  L.  Gritti  an  König  Ferdinand  I.,  15.  Juli  1533.    G^ray  II,  1533,  140/141. 
^  »operam*  flUchtig  nachgetragen. 


101 

^rbisque  gi'atius  erit.    Quare  vos  ad  diein  primam  mensis  lanuarii  anni 

l^ixiini  Tentoi'i  millesimi  quingentesimi  tricesimi  quai-ti  in  hac  civitate 

S(>9tra  YienDa,  ubi  ad  tale  tempus  nos  quoque  erimus,  omnino  exspecta- 

bifflos.    CommisimuB  autem  seiTitori  nostro  Yespasiano  de  Sara  nunc  a 

Böb'ts  ad  pi-aedictum  imperatorom  Tarcoinim  patrem  nostrnm  et  Ibralmum 

Bassam  fratrem  nostrum  misse  et  destinato  et  cum  quo  eidem  imperatori 

si^nificaTimus,  nos  omnia  ea,  quae  oratores  nostri  de  pace  egerunt  et 

c^iadnsernnt,  teuere  et  efficaciter  adimplere  volle,  ut  iuxta  voluntatem  et 

i^neplacitum  vestrum  Tel  vos,  donec  proficisci  et  ad  has  partes  ire  volue- 

ritis,  exspectet  vobiscum  ad  nos  rediturus,  vel  si  hoc  non  esset  vobis  op- 

portunum,  tos  praecedat  et  ad  nos  redeat,  cui  ad  requisitionem  suam 

superinde  respondebitis.   Yos  nihilominus  singulari  studio  et  affectu  ro- 

gintes,  ut,  si  res  nostras  apud  praenominatum  Turcorum  imperatorem 

patrem  nostrum  et  Ibraimum  Bassam  fratrem  nostrum  ad  nos  deferii 

coQtingat,  easdem  et  totum  id,  quod  ad  plenum  et  bonum  pacis  huius 

effectum  et  stabilimentum  facere  et  conducere  posse  cognoveritis,  fideliter 

et  ex  animo  adiuTare  et  promoTere  Tosque  in  eisdem  iuxta  factam  a  TObis 

iblationem  ita  erga  nos  exhibere  velitis,  uti  in  tos  confidimus.  Quo  facto 

nos  mutuo  habebitis  erga  tos  minime  immemores  aut  ingratos  benefitii 

recepti  compensatores,  verum  cei*to  Tobis  persuadere  poteritis  et  debebitis, 

nos  id,  quod  sie  in  nos  contuleritis,  Ticissim  erga  tos  in  omnibus  iis,  quae 

ad  laudem,  honorem  et  commodum  Testrum  et  amplificationem  status 

Testri  desenrire  Tidebuntur,  omni  gratia  et  offitio  promoturos,  quod  Tobis 

quoque  significare  Tolebamus. 

Datum  in  praefata  ciTitate  nostra  Yienna  die  quinta  mensis  octo- 
bris.  Anno  domini  MDXXXIII,  regnorum  nostrorum  Romani  tertio,  alio- 
mn  vero  septimo.^  Ferdinandus. 

Or.  Papier. 
Ohne  Siegel. 

Nr.  16  a. 
König  Ferdinand  L  an  L.  Gritti.    Frag,  13.  Februar  1634. 

(Brüssel,  'Archives  g^n^ralea  du  Rojaume.) 

Aloysio  Gritti  Ferdinandus  etc. 

lilostrissime  et  generöse,  syncere  dilecte.  Misimus  in  presentiarum  ad 
äerenissimum  et  potentissimum  principem  dominum  Soleymanum  impera- 


^  Du  ,patrein  nostrum*  nach  ,imperatorein  Turcorum  (charissimum)*  und 
das  jfratrem  nostrum  (seniorem)*  nach  Jbraimum  Bassam*  ist  überall  in 
die  Schrift  hineincorrigirt. 


102 

toroni  Turcorum  Asiae  et  Gretiae  etc.  patrem  nostrum  charissimum 
spectabiles  fideles  nobis  diloctos  Hieronymum  de  Sara,  capitaneum  no- 
strum in  Sancto  Yito  teiTe  fluminis  nemommque  nostrorum  in  Istria. 
Foro  Julio  et  Garsia  prefectum  ac  Gornelium  Duplicinm  Scepperum,  con- 
siliarios  et  oratores  nostros  ad  agendum  aliqua  cum  Magnitadine  soa  de 
rebus  nostris,  prout  ab  eis  yel  eorum  altero  presentium  ostensore  cogno- 
scetis,  Yos  ideo  plurimum  hoi*tantes  et  rogantes,  ut,  sive  presens  sit  sive 
absit  in  curia  G^sarea  illustrissimus  dominus  Ibrahimus  Bassa,  supremus 
suae  Magnitudinis  consiliarius  et  mandatarius  etc.,  vos  quoque  non  solum 
oratores  audii-e  eisque  vel  eorum  alteri  fidem  indubiam  in  iis  adhibere, 
verum  etiam  ex  offitiosa  et  benigna  oblatione  vestra  et  afifectione  in  nos 
singulari,  quam  iidem  oratores  nostri  nuper  ad  nos  reverai  nobis  declara- 
runt,  pro  nostra  in  vos  quoque  beneyolentia  non  modica,  presentes  res 
nostras  ita  apud  Gesarem  antedictum,  patrem  nostrum  charissimum,  pro- 
movere  et  commendatas  babere  velitis,  sicut  in  vos  plane  confidimus. 
Quod  erga  vos  omni  occasione  oblata  non  solum  benigne  verum  et  accu- 
mnlate  promereri  et  compensare  volumus,  adeo  quae  vos  omnis  opere 
bone  et  diligentie  pro  nobis  impense  nuUo  unquam  evo  pigere  aut  p^^ni- 
tere  debeat. 

Datum  Pragae,  13.  Februarii  1534. 
Gop.  Papier. 

Nr.  17. 
Franz  I.  an  L.  Gritti.    Fontainebleau,  24.  August  1634. 

(Wien,  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv,  Hungarica  1634.) 

Eückseite:  Ulusti'issimo  domino  d.  Aloysio  Gritti  Begni  HungariQ  guber- 

natori  etc.  amico  nostro  charissimo. 

Franciscus  dei  gratia  Francorum  Bei. 

Beverendissimo  domino  Stephano  Broderico  episcopo  Quinqueecclc- 
siarum,  regis  Hungari^  cancellario  ac  consiliario  optimo  ^  comperta  mibi 
ea  authoritate  et  gratia,  qua  apud  lohannem  Hungari^  regem,  amicum 
mihi  maximum,  affinem  et  confoederatum  plurimum  vales,  singulari  item 
prudentia  et  dexteritate,  qua  in  hunc  diem  in  rerum  omnium  procui-ationc 
et  regni  eins  administratione  usus  es,  postremo  officiis  quibus  hactenuif 
erga  eum  commendari  meruisti  et  quemadmodum  intelligo,  continenter 


^  Vor  dem  ,reyerendi88imo*  ist  wohl  ein  a  weggeblieben. 


103 

aagis  ac  magis  coromendari  mereris,  idque  non  modo  ad  utilitatem  et 
quietem  eius  regniqne  Hungarici,  sed  et  omnis  universim  Christian^  Rei- 
psblic§,  lubeus  feci,  ut  tecum  pro  eo  congratularer  peteremque  abs  te  at- 
qie  adeo  rogarem,  ut  in  hac  tarn  honesta  tarnquam  laudabili  Toluntate  ac 
proposito  tibi  perseverandum  esse  duceres,  quem  admodnm  tibi  enndea- 
Uüs^  aperire  poterit  Andreas  hie  Cnrsinus,  quo  cum  prolixe  accurateque 
iehis  communicayi.^  Itaque  fore  spero  et  de  viri  fidelitate  tantum  mihi 
polliceor  ut  affirmem'  eum  cuncta  tibi  fide  summa  ac  diligentia  relaturum. 
BeTerendissime  domine,  optimus  et  maximus  te  incolumem  servet. 

Datum  apud  fontem  Blavium  die  xxiiij^  mensis  augusti  anno  do- 

ffiini  M^.  D.  trigesimo  quarto. 

Prancoys. 

Breton  m.  p. 

Or.  Pergament 
Siegel  onyersehrt 

Nr.  18. 

L  Gritti  an  Th.  Zewch,  Siebter  von  Bistritz.  Lager  bei  Kronatadt, 

7.  August  1634. 

(Bistritz,  altes  Comitatsarchiv.) 

Budtteite:  Prudenti  ac  circumspecto  Thomae  Zewch  judici  civitatis 

Bystriciensis  nobis  dilecto. 

Pmdens  ac  ciicumspecte  nobis  dilecte  salutem.  Concessimus  tibi, 
it  cum  omni  securitate  possis  venire  ad  nos.  Itaque  volumus  et  tibi  ha- 
rum  Serie  mandamus  firmiter,  ut  sine  ulla  excusatione  difficultateque  ali- 
quaii  ad  nos  accedere  debeas,  quantum  citius  poteris/  ubicunque 
tune  deo  duce  constituemur.  Secus  ne  feceris. 

Daton  ex  castris  nostris  ad  Brassouiam  septimo  die  Augusti,  anno 

^offlini  1534. 

Ludouicus  Gritti  regni 

vngarie  gubernator  m.  p. 
Or.  Papier,  Vi  Bogen. 
Grosseres  kOnigl.  Siegel. 


'  -sdea-  auf  Basar. 

'  Dieser  Bericht,  sechs  enggeschriebene  Seiten   in   italienischer  Sprache, 

ebenfalls  im  k.  n.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchive.   Vgl.  S.  70,  Anm.  1. 
'  Or.  affinnen. 
*  Die  unterstrichenen  drei  WOrter  sind  von  Gritti  selbst  auf  dem  Rande 

lutehgetragen  und  deren  Stellung  im  Text  mit  einem  rechts  unter  ,de- 

beas*  stehenden  f\  bezeichnet 


104 

Nr.  19. 
Peter  Aretin  an  £.  Gritti.    Venedig,  14.  September  1534. 

(Wien,  k.  u.  k.  Haus-,  Hof-  u.  Staatsarchiv,  Hungarica  1534.) 

Rückseite:  AI  felicissimo  et  glorioso  signor  il  signor  Luigi  Gritti, 

mio  psidrone  e  benefattore. 

Magno  et  magnanimo  signor  mio. 

La  credenza,  che  io  havea,  che  messer  Marco,  servo  dei  tuoi  schiavi 
et  mio  compare,  stesse  piü  a  partirsi  dl  qui,  che  non  ha  fatto,  h  cagione, 
che  io  per  Ini  non  ho  mandato  alla  illnstrissima  signoria  Tua  i  sette  salmi 
di  David,  che  io  le  ho  dedicati  et  esposti,  ma  tosto  cbe  saranno  stampati, 
che  fia  presto,  a  quella  gli  mandarö.  Ne  ti  creder,  signore,  di  vedere  teo- 
logia  fratesca  ne  dottrina  pretesca,  ma  preghi  et  orationi,  quäl  si  conven- 
gano  a  dio  et  qaal  si  apartengano  a  te,  che  per  divino  volere  sei  asceso 
nella  gratia  di  Cesare  Imperadore  ottomano,  n§  senza  quäle  vali  et  vieni 
per  coteste  parti,  alle  quali  sei  et  speranza  et  sostegno. 

Certamente  Messer  Marco  indugiava  qualche  giorno  piü  acomparire 
dinanzi  al  reale  conspetto  tuo,  dal  quäle  riceve  quella  beatitndine,  che 
ricevano  le  anime  beate  di  quelle  del  mirabile  Iddio.  Se  non  fussero  stati 
gli  asassinamenti  che  gli  ha  fatti  la  invidia  di  alcuni  maligni  i  quali  con 
ingiuria  del  nome  tuo,  al  quäle  si  doveria  inchinare  tutta  Christianita,  Io 
hanno  perseguitato  con  la  perfidia,  che  perseguiti  tu  V  avaritia  et  V  igno- 
rantia  et  perch^  io  che  hormai  mangio  il  pane,  che  mi  da  la  valorosa  Übe- 
ralitä  tua,  sono  obligato  a  metter  la  vertu  et  la  vita  per  Io  honor  di  tua 
signoria,  ti  dico,  che  cacci  dalla  faccia  tua  quelli  sfacciati  temerari,  che 
ti  sogliono  venire  inanzi,  n^  si  vergognono  i  ribaldi  di  cercar  vituperio 
nei  servi  tuoi,  con  toccar  te  che  gli  hai  fatti  di  fui-fanti  diventar  signori, 
bench^  la  richezza  che  essi  hanno  fatta  con  la  ombra  del  favor  tno  se  gli 
confa  come  alle  asino  il  sonar  la  cetera,  io  sono  huomo  verace  et  ti  parle 
il  vero  et  ti  dico,  che  i  ghiottoni  becchi  et  infami  meiitano  di  essere  cal- 
pestati  da  i  piedi  delle  carette  tue  insieme  con  le  gioie  che  ti  portano 
adarci  vendere  col  dolersi  poi  il  grandissimo  guadagno  di  essere  stati 
sfoi'zati  da  te,  onde  chi  non  h  capace  delia  bontade  tua,  incambio  di  la- 
dai-ti,  ti  biasima  et  perciö  alta  et  ingrandisce  coloro  che  ti  predicano  et  ti 
celebrano  come  un  Dio  et  di  questi  tali  h  uno  Marco  e  credalö  la  tua 
signoria  a  me,  che  son  povero,  perch^  io  sono  executor  del  vero  et  chi 
nol  crede,  nh  domandi  il  mondo,  non  pure  prencipi  christiani;  et  alia 
signoria  tua  mi  inchino  sinceramente. 

Di  Vinezia,  xiiij  di  Settembre  1534. 

Di  tua  magna  et  magnanima  signoria 

obligatissimo  servo  Pietro  Aretino  m.  p. 


NACHTRAG 

(8.  S.  48,  A.  4). 


Nach  den  Ausführungen  V.  Bunyitay's  in  ,A  väradi  püs- 
pöks^g  törtenete^  (Grosswardein  1884,  III,  197—198)  ist  die 
Angabe  Szerömi's,  welcher  auch  ich  folgte,  dass  nämlich  die 
beiden  Ärthändy's  am  25.  Jänner  1533  hingerichtet  worden 
wären,  falsch  und  widerlegt  sich  —  von  anderen  Beweisgrtin- 
len  abgesehen  —  am  schlagendsten  dadurch,  dass  Zapolya  in 
mer  Urkunde  vom  25.  Februar  1531  ausdrücklich  von  ,con- 
*lam  Paulo  et  Blasio'  (Arthdndy)  spricht.  Darnach  wäre  die 
Hinrichtung  in  die  Zeit  zwischen  10.  Jänner  —  ungefähr  von 
&em  Tage  ist  das  in  lateinischer  Uebersetzung  erhaltene,  ur- 
sprünglich ungarische  Testament  Blasius  Arthdndy's  datirt  (circa 
festum  b.  Pauli  primi  eremitae  1531)  —  und  25.  Februar  1531  zu 
^tzen;  möglicherweise  ist  das  Tagesdatum  bei  Szer^rai  (25.  Jän- 
^^t)  richtig;  das  Jahr  1531  gibt  richtig  Verancslcs  (34)  an. 

Für  diese  Mittheilung  schulde  ich  Herrn  A.  Veress  war- 
men Dank. 


Ardh.  LXXXIIl.  Band.  I.  H§lfte.  7*^ 


Eintheilmig  und  Inhaltsangabe. 


S«to 

Vorbemerkung 3 

Capitel    I.  Jagend  und  Emporkommen 7 

Capitel  II.  Gritti  als  Mittelsperson  in  Constantinopel   ...  1-) 

§.  1.  Die  Sendung  Hieronjmus  Laskfs 13 

§.  2.  Ludovico  Gritti  als  Vertreter  Venedigs  bei  der  Pforte  16 

Capitel  III.  Rolle  Ludovico  Gritti's  in  Ungarn ^0 

§.  1.  Erste  Entwürfe.    Das  Jahr  1529 20 

§.  2.  Ernennung  zum  Reichsgouverneur.     Diplomatischer  Kampf 

gegen  Ferdinand  I *24 

§.  3.  Neue  Stellung  in  Constantinopel  und  weitere  Pläne  einer 

Besitzergreifung  von  Ungarn 31 

§.4.  Ludovico    Gritti    im    zweiten  Feldzuge    Suleiman^s    (1582). 

Belagerung  von  Gran 3h 

§.  5.  Die  Willkttrherrschaft  in  Ofen 47 

§.  6.  Die  Verhandlungen  in  Constantinopel 51 

I.  Gritti^s  und  Ibrahim^s  eigenmächtige  Politik     ....  51 

II.  Sinken  des  Einflusses  GrittiV 58 

Capitel  IV.  Ludovico  Gritti*s  Ende 70 

§.  1.  Die  Gewaltthat  in  Siebenbürgen  und  Tod  GriUi's  ....  70 

§.  2.  Das  Nachspiel  zum  Tode  Ludovico  Gritti's 8*2 

Anhang 86 

Nachtrag 105 


VERHAFTUNG 

UND 

GEFANGENSCHAFT 


DES 


LANDGRAFEN 


PHILIPP  VON  HESSEN 


1547—1550. 


VON 


D«  GUSTAV  TüRBA. 


Aiehir.  LUXUl.  Bd.  I.  Hilft«.  8 


Vorwort. 


Im  Jahre  1894  habe  ich  einen  Theil  der  Aufgabe,  die 
icb  mir  in  der  vorliegenden  Abhandlung  gestellt  habe,  in  einem 
Programmaufsatze  schon  behandelt.  Ich  versuchte  damals  die 
Frage  zu  lösen,  ob  die  Verhaftung  des  Landgrafen  Philipp  von 
fl^sen  wirklich  ein  ^listiger  kaiserlicher  Gewaltstreich^  war. 
Hiebei  kam  mir  besonders  zustatten,  dass  ich  im  k.  und  k. 
reheimen  Haus-,  Hof-  und  Staatsarchiv  den  authentischen  Text 
loehrerer  für  diese  Untersuchung  entscheidenden  Documente 
^gefunden  hatte.  Es  waren  dies:  die  deutschen  Artikel,  die 
KätI  V.  auf  Wunsch  der  Kurfürsten  Joachim  von  Brandenburg 
^i  Moriz  von  Sachsen  ausserhalb  des  Vertrages  mit  dem 
Landgrafen  bewilligte,  ferner  zwei  bisher  nur  in  arg  ver- 
«töHuneltem  Text  bekannte  Briefe  des  Bischofs  Granvelle  an 
fc  Königin- Witwe  Maria,  die  Schwester  des  Kaisers,  vom  20. 
wd  21.  Juni  1547,  endlich  des  Bischofs  Darstellung  dieser 
Verhandlungen  etwa  aus  dem  folgenden  Monate. 

Nur  durch  Zufall  bin  ich  dazu  gelangt,  dieselbe  Frage 
ceoerdings  zu  behandeln.  Im  vorigen  Jahre  fand  ich  nämlich 
wf  der  Wiener  Hofbibliothek  die  Abschrift  zweier  bisher  ganz 
unbekannten  kaiserlichen  Patente  vom  12.  Februar  1550,  worin 
äie  Haft  des  Landgrafen  auf  fünfzehn  Jahre,  die  des  Sachsen- 
kraogs  Johann  Friedrich  des  Aelteren  aber  auf  Lebenszeit 
festgesetzt  wurde.  Die  freundliche  Unterstützung,  die  mir  sowohl 
wf  der  genannten  Bibliothek  als  auf  dem  Staatsarchive  von 
sllen  Seiten  zutheil  wurde,  woftlr  ich  hiemit  meinen  besten 
Dank  ausspreche,  bot  mir  dann  Gelegenheit,  die  Verhaftung 
acd  Haft  des  Landgrafen  auf  Grund  vermehrter  Quellen  und 
Ane  die  Rücksichten  zu  behandeln,   die  bei  einem  Programm- 

8* 


110 

aufsatz  fiii*  die  Darstellung  geboten  sind.  Manches  in  meiner 
früheren  Arbeit  musste  darum  auf  Grund  besserer  Kenntniss 
geändert  werden;  dies  gilt  besonders  fUr  alle  die  Aussöhnungs* 
versuche  des  Landgrafen  bis  Ende  Mai  1547. 


1.  Yergebliche  AussOhnungsTersuehe. 

Bevor  sich  das  Heer  des  schmalkaldischen  Bundes  am 
22.  November  1546  bei  Giengen  trennte  und  dessen  geächtete 
Führer  Kurfürst  Johann  Friedrich  von  Sachsen  und  Landgraf 
Philipp  von  Hessen  den  Heimzug  antraten^  versuchte  der  Land- 
graf Stillstand  oder  Frieden  zu  erlangen.  Wenn  er  aber  hoffte, 
versöhnliches  Entgegenkommen  oder  Veilrauen  zu  finden^  so 
täuschte  er  sich;  denn  der  Kaiser  verlangte^  damals  zum  ersten 
Male,  dass  sich  beide  Fürsten  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben 
müssten.  * 

Ende  März*  1546  hatten  der  Kaiser  und  sein  Kanzler 
Nicolaus  Perrenot,  Herr  von  Granvelle,  in  Speier  mit  dem  Land- 
grafen persönlich  verhandelt.  Schon  damals  wurden  sie  mit 
Unmuth  gegen  ihn  erfüllt  und  fanden  sein  Betragen  anmassend 
und  ,wie  immer  verwegen^'  Wie  hätte  der  Kaiser  die  schweren 
Beleidigungen  so  rasch  vergessen  können,  die  er  dann  von  den 
Geächteten  erfahren  hatte!    Am  13.  August  war  in  sein  Lager 


*  Vgl.  Turba,  Zur  Verhaftung  des  Landgrafen  Philipp  (Programm  der  Staats- 
Oberrealschule  im  II.  Bezirke  Wiens,  1894),  p.  5,  Anm.  1. 

'  Druffel,  Briefe  und  Acten  zur  Qeschichte  des  16.  Jahrhunderts  (Mün- 
chen 1873),  III,  p.  IX,  1  f.;  Turba,  Venetianische  Depeschen  vom 
Kaiserhofe  (Wien  1892),  II,  466,  Anm.  1. 

'  ,A  tout  ce,  Madame,  que  j*ay  peu  comprendre  des  parolles  du  lantgrare, 
je  \oy  peu  d'apparence  de  faire  grant  fruict  en  la  prouchaine  diete  et 
Dieu  doiut  [für  donne]  qn*il  en  succede  mienlx.  Ledit  lantgrave  se  de- 
moDstre  aussi  audacieux,  comme  il  a  este  tousiours,  combien  que  a  ce 
que  j'entendz  . .  .'  (In  Chiffren;  das  Folgende  siehe  unten  p.  111,  Anm.  5). 
Der  Kanzler  Oranvelle  an  die  Königin  Maria,  DinkelsbQhl,  6.  April  1546 
(Wien,  Staatsarchiv,  Belgica,  A  56  P).  In  den  Commentaires  de  Charles- 
Quint  (par  Kervyu  de  Letteuhove,  Paris  et  Bruxelles  1862)  heiast  qa:  ,11 
montra  une  si  grande  insolence,  que  Sa  Majest^  le  cong^ia  en  peu 
de  paroles*  (p.  117).  Vgl.  Druffel,  UI,  p.  17  f. 


111 

i  Ingolstadt  ein  hessischer  Page  gekommen^  der  einen  Ab- 
febrief  trug;^  wiederholt  hatten  sie  ihm  den  Kaisertitel  versagt 
id  ihn  ^arl  von  Gent'  genannt.*  Was  erst  am  20.  Juni  1547 
im  Kaiserhofe  aus  berichtet  ward,  galt  von  dem  Landgrafen 
kon  damals:  er  war  gründlich  verhasst.^ 

Nicht  nur  aus  UnversöhnUchkeit,  auch  aus  Misstrauen 
arden  die  Verhandlungen  abgebrochen.  Diesem  gab  der 
»nzler  Granvelle  in  einem  vertrauUchen  Gespräche  starken 
Bsdruck:  er  nannte  den  Landgrafen  einen  Schelm,  vor  dem 
an  bei  Verhandlungen  wohl  auf  der  Hut  sein  müsse.* 

Der  Landgraf  suchte  nun  seine  Absicht  auf  anderem 
fege  zu  erreichen.  Er  war  noch  auf  dem  Heimzuge  begriffen, 
k  er  seinen  Schwiegersohn,  den  Herzog  Moriz,  um  Vermittlung 
wehte.  Der  Herzog  war  mit  Agnes,  einer  Tochter  des  Land- 
fifen  aus  dessen  erster  Ehe,  vermählt.  Zwar  war  das  Verhältniss 
tischen  beiden  Fürsten  vor  dem  Kriege  getrübt,  weil  der  in 
lendicher  Bigamie  lebende  Landgraf  die  Kinder  seiner  Neben- 
iw  Margaretha  von  der  Saal  denen  seiner  rechtmässigen  Ge- 
laUin  Christine  von  Sachsen  auch  bezügUch  ihres  Erbtheiles 
faeh  halten   wollte.^    Aber    der  Herzog   hatte  sich  bei   den 

sbuiger  Bundesverabredungen  mit  den  habsburgischen 
lern  ausdrücklich  vorbehalten,  dass  er  nie  gegen  seinen 
wwiegervater  gebraucht  werde.  ^ 


'  Venetiaiiiscfae  Depeschen  vom  Kaiserhofe  (Wieu  1889),  I,  632.^8 ;  Drutfel, 
I,  p.  15. 

*  Tenetianische  Depeschen,  II,  1892,  64.«,,  67.5^,  243.io6- 
.Qoeeto  ö   ben    cbiaro  che   da  ciascuno  di  questa  corte  ^    tauto  odiato 
CM  Unthgravio  quanto  possibil  sia/    Venetianische  Depeschen  (im  Fol- 
f«»den  immer  V.  D.  abgekürzt),  II,  290.1,5. 

3i9ogiia  veder  molto  bene  come  si  negocia  con  questo  versipelle*,  per 
dire  U  8iia  formal  parola;  ,io  8tar6  espettando  veder  quello  che  '1  far^, 
P«'^  non  credo  cosi  facilmente  a  quello  che  '1  dice.*  Moc^nigo,  20.  No- 
vember 1546.  V.  D.,  n,  101.4S. 

A  ee  qoe  j'entendz,  le  Duc  Manris  est  tres  mescontent  de  ce  que  ledit 
^^Te  tient  sa  seconde  femme  pnblicquement  et  qu'elle  g^uveme  les 
^Siin»  au  g^ant  desestime  et  rebouttement  de  la  premiere  femme,  mere 
^  Celle  dudit  Maoris,  et  si  veult  partaiger  les  enffaus  de  la  seconde 
fenuDe  avec  cealx  de  la  premiere,  voyre  [affirmativ  und  steigernd;  vgl. 
^^^  Dictionnaire]  et  les  avantaiger*  (in  Chiffren  mit  gleichzeitiger 
Anfkiiiuig).  Der  Kanzler  Granvelle  an  die  Königin  Maria,  Dinkelsbühl, 
5- April  1646;  vgl.  oben  p.  110,  Anm.  3. 

'  ^e,  Deutsche  Geschichte  (Leipzig  1873),  VI,  209. 


112 

« 

Als  der  Landgraf  mit  dem  Schwiegersohne  in  Leipzig 
zusammenkommen  wollte,  benachrichtigte  dieser  sofort  König 
Ferdinand  von  solchem  Wunsche  und  sagte  seine  baldige  An- 
kunft in  Prag  an.  ^  Der  Herzog  ti'af  dort  wirklich  am  14.  De- 
cember  1546  mit  einigen  Käthen  ein  und  besprach  sich  mit 
König  Ferdinand  über  die  Vertheidigung  gegen  den  heimge- 
kehrten geächteten  Kurfürsten.  Gleichzeitig  bat  er  den  König. 
die  Aussöhnung  des  Landgrafen  mit  dem  Kaiser  zu  vermitteln. 

Der  König  erinnerte  daran,  wie  schwer  der  Landgraf  den 
Kaiser  durch  Worte  und  Thaten  beleidigt  habe,  daher  möge 
der  Herzog  wohl  tiberlegen,  ob  er  mit  einem  Manne,  der  in 
der  Acht  des  Reiches  stehe,  zusammenkommen  dürfe,  und  dann 
thun,  was  ihm  das  Beste  scheine.^  Schon  damals  aber  machte 
er  darauf  aufmerksam  und  wiederholte  dies  am  12.  Janaar  1547 
schriftlich,  dass  der  Kaiser  Ergebung  auf  Qnade  und  Ungnade 
fordern  werde.' 

Dies  theilte  nun  Herzog  Moriz  zwei  hessischen  Gesandten 
mit,  die  inzwischen  in  Torgau  angekommen  waren,  wo  sie  bis 
zum  21.  Deccmber  auf  ihn  hatten  warten  müssen.  Hierauf 
wurden  auf  des  Herzogs  Geheiss  und  ohne  besondere  Vollmacht 
des  Landgrafen  zum  ersten  Male  Aussöhnungsartikel  verfasst, 
worin  von  Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade  keine  Rede  war. 
Sie  hatten  zur  Voraussetzung,  dass  der  Landgraf  für  sich 
allein  in  Verhandlungen  treten  wolle.  Da  aber  die  hessischen 
Gesandten  den  Auftrag  hatten,  wenigstens  Johann  Friedrich 
von  Sachsen   in  dieselben   einzubeziehen,    so    überbrachte   der 


^  Der  KOnig  an  den  Kaiser,  Prag,  9.  December  1546.  Der  Brief  Ae$ 
Herzogs  Moriz  traf  am  7.  December  in  Prag  ein  (Cod.  683.,,  Copialbuch, 
Wiener  Staatsarchiv). 

'  yPensase  bjen  consigo,  si  deyia  admjtir  semejante  honbre  y  que  estava 
puesto  nel  vano  del  ymperio  j  tener  platicas  con  el,  y  el  contentamient^ 
que  Su  Ma^  podria  sentjr  dello,  y  despnes  de  bjen  pensado  y  mirado  bikiess^^ 
lo  que  mejor  le  p[ar]etie8se  .  .  .'  Unvollständiger  spanischer  Entwurf  zu 
einer  Instruction  für  Sigismnnd  von  Lodron^s  Mission  an  den  Kaiser. 
(Wien,  Staatsarchiv,  Belgica,  PA.  62.)  Lodron  war  vor  der  Ankunft  des 
Herzogs  in  Prag  an  diesen  geschickt  worden,  ,poar  entretenir  ledit  Duc 
en  sa  bonne  devotion  et  empescher  les  practiques  dudit  lantgraveS  Der 
KOnig  an  den  Kaiser,  9.  December  1546  (Wien,  Staatsarchiv,  Copialbuch 
683.,). 

'  Issleib,  Die  Gefangennahme  der  Landgrafen  (Neues  Archiv  für  sächsische 
Geschichte,  1890,  XI),  184,  187. 


113 

ricekanzler  Lersner^  der  am  2.  Januar  1547  nach  Leipzig 
Enrückkehrte,  keine  bindende  Zustimmung  zu  Sonderverhand- 
langen,  sondern  drang  auf  Gesammtverhandlung.  An  dieser 
Forderung  hielt  der  Landgraf  bis  in  den  März  fest,*  wenn  er 
itch  im  December  und  Januar  mit  dem  geächteten  Freunde 
Briefe  wechselte,  in  denen  Vorwtirfe  über  die  vergangene  Krieg - 
tehrung  enthalten  waren.* 

Der  Herzog  lehnte  es  von  allem  Anfang  an  rundweg  ab, 
ach  auch  fUr  den  geächteten  ,dicken'  Vetter,  wie  er  den  Kur- 
fürsten nannte,  zu  verwenden,  und  that  dieses  Wunsches  weder 
in  einem  Briefe  an  den  Kaiser,  noch  in  einem  anderen  an  den 
König  Erwähnung.  Nur  sein  Rath  Carlowitz  schrieb  darüber 
in  Dr.  Jonas  und  an  Hofmann,  von  denen  der  eine  Vicekanzler, 
der  andere  geheimer  Rath  König  Ferdinands  war,  fügte  aber 
itmzu,  die  Bitte  der  Hessen  sei  abgeschlagen  worden,  worauf 
«ie  gebeten  hätten,  sich  wenigstens  für  den  Landgrafen  zu  ver- 
wenden.* Der  Hass  der  feindlichen  sächsischen  Herzoge  wird 
•begreiflich,  wenn  man  erfahrt,  dass  Johann  Friedrich  in  Moriz' 
Lande  aufs  Aergste  hauste*  und  diesen  nicht  nur  im  Felde 
bedrängte,  sondern  auch  von  der  Kanzel  aus  auf  das  Heftigste 
angreifen  Hess.*  Auch  der  geächtete  KurfUrst  wollte  nichts  von 
Aussöhnung  mit  Moriz  wissen.  Sowohl  des  Landgrafen  als  des 
Wtndenburgischen  Kurfürsten  Bemühungen  während  dessen 
lehntägigen  Aufenthaltes  in  Dresden  blieben  fruchtlos.^  Ohne 
Grand  besorgte  König  Ferdinand,   dass   es   den  Händeln   und 


*  I»leib,  Die  Qefangennahme,  182  ff. 

'  Hortleder,  Handlungen  nnd  Ausschreiben  (Gotha  1645),  I,  518;  Rommel, 
Uiimndenband  zur  Geschichte  Philipps  des  Grossmttthigen  (Giessen 
1830),  188  f. 

*  Jiedit  Duc  Mauritz  ny  es  lettres  de  [besser:  a]  Y^  Ma*«*  (für  die  un- 
Tornchtige  Oeffnung  dieses  Briefes  bittet  der  König  einige  Zeilen  früher 
om  Entschuldigung)  »ny  les  myennes  [sie]  ne  fait  aucune  mention  du 
Uotgrare,  mais  bien  escript  le  petit  Karlowitz  a  mon  conseillier  Hoffman 
et  rieechancellier  Jonas  que  iedit  lantgrave  n'est  comparu  a  Leipzig, 
mais  bien  quHl  y  a  eu  mardy  demier  [21  decembre]  deux  de  son  conseil' 
deren  Werbung  wie  oben  mitgetheilt  wird.  Der  KOnig  an  den  Kaiser, 
Prag,  26.  December  1546  (Copialbuch,  683.,). 

*  Bommel,  Urkundenband,  191. 
^bileib,  Die  Gefangennahme,  196,  200. 

'Hortleder,  I,  518;  Rommel,  Urkundenband,  172;  Issleib,  Die  Gefangen- 
nahme, 188,  Anm.  20. 


tu 

Künsten  (trafBques  et  finesses)  des  Landgrafen  gelingen  könnte, 
Herzog  Moriz  zu  Verhandlungen  mit  dem  geächteten  Kurflirsten 
zu  bewegen;^  Solches^  meinte  er^  könnte  ihm  wegen  der  grossen 
Sympathie  der  Böhmen  für  die  Schmalkaldner  —  er  glaubte 
sogar  an  ein  Bündniss  —  verhängnissvoll  werden.*  Zudem  war 
die  Lage  des  Landgrafen  nichts  weniger  als  gut:  er  besass 
wenig  Geld^  erhielt  solches  weder  aus  Süddeutschland  noch 
von  den  Hansestädten^  ebensowenig  hatte  er  von  Frankreich 
und  von  England  etwas  zu  hoflfen,  trotzdem  man  ihm  viel  ver- 
sprochen hatte.  ^Stehen  wir  ganz  hülflos  und  wissen  kein  Trost 
denn  allein  auf  Gott,^  schrieb  er  selbst  am  14.  Januar  1547.^ 
Inzwischen  hatte  Graf  Sigismund  von  Lodron,  ein  Bath 
König  Ferdinands^  in  Heilbronn  dem  Kaiser  die  Prager  Be- 
sprechungen gemeldet.  Kurz  vor  der  Abreise  aus  Prag,  am 
18.  December,  war  er  beim  Herzog  Moriz  gewesen/  am  8.  Ja- 
nuar kehrte  er  vom  Kaiser  nach  Prag  zurück,  um  dann  seine 
Reise  zum  Herzog  fortzusetzen.^  Infolge  der  absichtlich  unge- 
nauen Mittheilungen  des  Herzogs  glaubte  man  am  Kaiserhofe, 
dass  es  dem  Landgrafen  mit  den  Sonderverhandlungen  wirklich 
ernst  sei.  In  der  verächtlichsten  Weise  sprach  sich  daher  der 
Kanzler  Granvelle  am  3.  Januar  darüber  aus.  ^  Wir  kennen 
zwar  nicht  die  mündlichen  Aufträge,  die  Lodron  von  König 
Ferdinand  und  von  Herzog  Moriz  zu  überbringen  hatte,  ebenso- 
wenig, was  ein  am  Kaiserhofe  weilender  Secretär  des  Herzogs 


^  K^nig  Ferdinand  an  seinen  Bruder,  Prag,  29.  December  1546  bei  Bucholtz, 
Geschichte  Ferdinand  I.,  Bd.  IX,  401. 

'  ,Pai8que  ledit  lantgrave  a  commance  ceste  negociation,  je  craina,  Mon- 
seignear,  quo  avec  icelle  se  pourroient  traicter  autres  choses,  en  a;» 
mesmes  que  ledit  Duc  Mauris  se  tronvoist  habandonne  et  sans  secours/ 
Darum  bittet  der  KOnig  den  Kaiser  um  Hilfe.  Prag,  26.  December  1546. 
Am  2.  Januar  schreibt  er:  ,Je  tiens  mesdites  villes  et  subgects  les  pln^ 
affectionnez  au  party  des  protestans  et  que  j*ay  suspicion  qu*ils  soient  de 
leur  confederation'  (Copialbuch  683«).  Vgl.  oben  p.  112,  Anm.  2. 

^  Auf  Eberhards  von  der  Thann  kurs&chsische  Werbung.  Bommel,  Ur- 
kundenband, 180,  194. 

*  Brief  des  Königs  an  den  Kaiser,  Prag,  18.  December  1546  (Copialbuch, 

683.,). 

*  Brief  KOnig  Ferdinands  an  den  Kaiser  vom  8.  Januar  1547  (Copialbuch, 
683.,). 

*  ,Vedete  se'l  i  vigliacco?*  Mocenigo,  Heilbronn,  4.  Januar  1547.  V.  D., 
U,  140.e,. 


115 

ZOT  Antwort  erhielt,  ^  doch  wissen  wir,  dass  der  Kaiser  wieder 
Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade  verlangte  und  die  Aus- 
firferung  der  hessischen  Festungen  zur  Bedingung  weiterer 
Verhandlung  machte.  Dies  liess  er  am  25.  November  1547  auf 
dem  Reichstage  wiederholen,^  und  dasselbe  behauptet  auch 
Bischof  Anton  Perrenot,  Herr  von  Granvelle,  der  Sohn  des 
Kanzlers,  in  seiner  etwa  im  Juli  verfassten  ausfuhrlicheren 
Darstellung  dieser  Verhandlungen.  *  Damit  steht  auch  im  Ein- 
kknge^  wenn  König  Ferdinand  nach  Lodron's  Rückkehr  dem 
Eenog  schrieb,*  der  Kaiser  werde  den  Geächteten  kaum  anders 
denn  auf  Gnade  und  Ungnade  annehmen.  Was  die  Uebergabe 
i^  Festungen  betriflPt,  so  war  sie  auch  von  dem  Herzog  Ulrich 
von  Württemberg  als  Bürgschaft  flir  den  Vertrag,  dessen 
baldigen  Abschluss  Lodron  dem  Könige  und  dem  Herzog  Moriz 
melden*  konnte,  verlangt  worden. 

Gerade    deswegen    drang    nun    Herzog    Moriz    in    den 
^wiegervater,  seine  ELriegsleute  aus  Kursachsen  abzuberufen. 


*  Des  Königs  Brief  vom  8.  Januar  erwähnt  ihn.  Der  Bescheid  des  Kaisers 
fehlt  anch  in  Dr.  Obernburger's  Entwurf  zu  einem  Credenzschreiben  an 
Henog  Moriz  vom  3.  Januar  (Wiener  Staatsarchiv,  Kriegsacten,  1547, 
fasc.ll).  Vgl.  V.  D.,  II,  140  ei,  Anm.  2. 

'  yAh  der  Landtgraff  nach  dem  flüchtigen  Abzug  vor  Gienngen  widerumb 
bey  Irer  Kay.  Majestät  .  .  .  vmb  Aussonung  durch  Hertzog  Moritzen 
von  Sachsen  furpittlich  zum  fleissig-  und  embsigisten  zu  villen  vnder- 
schidHchen  Zeiten  vnd  enden  als  zu  Hailpmn,  Ulm,  Nordlingen  vnnd 
Eger  auch  vnderwegen  in  das  Lanndt  zu  Sachsen  angelangt,  mit  er- 
bietuDg  ...  so  hat  aber  die  kay.  M^  solches  durchaus  abgeschlagen, 
mit  Vermeidung,  das  Ir  M^  sich  auf  des  Lanndtgrafen  wort  als  der  so 
offt  vnd  schwarlich  sich  gegen  Ir  M^  vergessen,  kainswegs  verlassen,  der- 
wegen  auch  mit  kainer  andern  Versicherung  dan  seiner  aignen  person 
benuegig  sein  konndte,  vnd  also  abermals  anders  nichts  fiirgeschlagen 
dann  das  sich  der  Landtgraf  frey  zu  Irer  Maiestat  willen  ergeben, 
auch  vor  aller  handluug  alle  seine  Bevestigungen  in  Irer  Maiestat 
hanndt  stellen  solte.*  Der  Text,  besser  bei  Sastrow  (Herkommen, 
Gebart  etc.,  herausgegeben  von  Mohnike,  Greifswald  1824,  U,  546)  als 
bei  Hortleder  (II,  923),  ist  auf  Grund  zweier  authentischen  Abschriften 
aas  der  Mainzer  Kanzlei  (Wiener  Staatsarchiv,  fasc.  15)  unten  im  An- 
hange sichergestellt. 

'  Lanz,  Correspondenz  Karls  V.  (Leipzig  1845),  U,  689  f. ;  vgl.  hiezu  die 
Texteorrecturen  in  meinem  Programmaufsatze,  p.  31. 

*  I«leib,  Die  Gefangennahme,  187,  Anm.  18. 
»  V.  D.,  n,  140.,<a. 


116 

um  Argwohn  zu  beseitigen.^  Ais  dann  der  hessische  Vice- 
kanzler  Heinrich  Lersner  zum  dritten  Male  beim  Herzog  er- 
schien (er  blieb  nun  bis  zur  Entscheidung  des  Krieges  bei 
ihm),  wurden  auf  des  Herzogs  Geheiss  in  Chemnitz  neue 
Aussöhnungsbedingungen  entworfen.  Der  Herzog  setzte  hie- 
bei  durch;  dass  darein  und  in  ein  Begleitschreiben  Lersner's 
an  seinen  Herrn  nicht  nur  die  Abberufung  des  hessischen 
Kjiegsvolkes  aus  Kursachsen^  sondern  auch  die  Verpflichtung 
zum  Kriegsdienste  gegen  den  geächteten  Kurfürsten  oder  dessen 
Bundesverwandte  aufgenommen  wurden.  Für  andere  Artikel 
bildete  der  Inhalt  des  württembergischen  Vertrages  das  Muster. 
Es  sollten  nämlich  angeboten  werden:  Fussfall,  Abbitte,  Aner- 
kennung des  Kaisers  als  rechtmässiger  Obrigkeit,  Verzicht  auf 
jedes  Bündniss,  im  äussersten  Falle  auch  Uebergabe  von  Fe- 
stungen. Eventuell  sollten  von  den  Söhnen  des  Landgrafen  einer 
oder  zwei  als  Geisel  an  den  Hof  geschickt  und  der  Vertrag" 
durch  die  hessischen  Landstände  ratificirt  werden.  Durch 
diese  letzten  Bürgschaften  meinte  also  der  Herzog  den  Kaiser 
zu  bewegen,  auf  die  unbedingte  Ergebung  des  Landgrafen  zu 
verzichten.* 

Der  Entwurf  war  kaum  vollendet,  als  Graf  Sigismund  von 
Lodron  am  2.  Februar  dem  Herzog  Vorbereitungen  zum  Zuge 
des  Kaisers  und  des  Königs  gegen  Sachsen  meldete.  Ohne 
noch  die  Meinung  des  Landgrafen  darüber  gehört  zu  haben, 
glaubte  Herzog  Moriz  mittheilen  zu  sollen,  dass  sein  Schwieger- 
vater einige  Festungen  zur  Bürgschaft  des  Vertrages  übergeben 
werde.  Damit  wäre  also  der  Bedingung  entsprochen  worden, 
an  die  der  Kaiser  weitere  Verhandlungen  geknüpft  hatte.  Dies 
wurde  nun  dem  Kaiser  mitgetheilt,  wenn  nicht  früher,  so  etwa 
Mitte  Februar  durch  Lodron  und  Boussu,  die  von  König  Fer- 
dinand wegen  der  Kriegführung  an  ihn  gesandt  wurden.* 

Der  Landgraf  wich  aber  jeder  Vollmacht  oder  bindenden 
Erklärung  bezüglich  der  Chemnitzer  Artikel  aus  und  bekämpfte 


^  Issleib,  1S8. 

«  Ißsleib,  190  f. 

•  Ihre  Instraction  vom  13.  Febraar  (im  Wiener  Staatsarchiv,  Copialbach, 
683.])  enthält  nichts  über  die  Aussöhnungsverhandlung.  Vgl.  des  Kaisers 
Brief  an  seinen  Bruder  vom  19.  Februar  1547  bei  Lans,  ü,  539  f.  und 
dessen  Schreiben  vom  10.  März  aus  Dresden  unten  im  Anhange. 


117 

besonders  heftig  die  Vorschläge,  welche  WaflFenhilfe  gegen 
seinen  Bundesgenossen  und  die  Sicherstellung  des  Vertrages 
betrafen.  Mit  Recht  betonte  er,  dass  ihm  der  erste  dieser 
Artikel  allgemein  den  Vorwurf  der  Ehrlosigkeit  zuzöge.*  Bald 
ergab   sich  wieder  eine  günstige  Gelegenheit  zur  Verhandlung. 

Als  nämlich  König  Ferdinand  und  Herzog  Moriz  in  der 
Zeit  vom  17.  bis  20.  Februar  in  Aussig  mit  einander 
unterhandelten,  kam  nicht  blos  die  brandenburgische  Kriegs- 
hilfe von  400  Reisigen  und  das  Erzbisthum  Magdeburg- 
Halberstadt,  sondern  auch  die  Aussöhnung  der  beiden  ge- 
ächteten Fürsten  zur  Sprache.  Als  aber  Herzog  Moriz  daran 
erinnert  wurde,  dass  er  die  üebergabe  der  hessischen  Festungen 
schon  in  Aussicht  gestellt  habe,  musste  er  gestehen,  dass  der 
Landgraf  erklärt  habe,  eher  wolle  er  sich  wie  einen  tollen 
Hand  todtschlagen  lassen,  als  Solches  thun.*  Der  Herzog  war 
sehr  zufrieden,  als  König  Ferdinand  eine  allgemein  gehaltene 
Bitte  des  Kurfürsten  Joachim  um  Verwendung  für  Johann 
Friedrich  von,  Sachsen  wie  schon  im  Januar  abschlug,  weil 
dieser  davon  nichts  wisse,  keine  Bedingungen  gestellt  worden 
seien,  und  weil  der  Kaiser  keine  darauf  bezüglichen  Weisungen 
ertheilt  habe.' 

Als  dann  die  in  Chemnitz  entworfenen  Bedingungen  ver- 
ändert wurden,*  nahm  Herzog  Moriz  darein  wieder  die  Ver- 
pflichtung  auf,    den    Kaiser   bei    keinem,    gegen    wen    immer 


>  Issleib,  1921 

*  ^urqaoj  lui  dis  que  cela  estoit  contraire  a  ce  qae  le  conte  de  Lodron 
m'avoit  dit  de  sa  part :  quo  ledit  lantgrave  seroit  content  de  bailler  aul- 
cune»  places*  [bei  Buchoitz,  IX,  410,  folgt  irrig:  ,forte8*]  ,pour  ladite  as- 
tkearance.  II  me  dit  quUl  estoit  bien  vray  qu'il  en  avoit  tenu  propoz 
audit  conte  de  Lodron  et  qnil  le  pensoit  mener  jnsqnes  a  la,  mais  qu'il 
n'a  ^te  ancnnement  possible  a  ce  Tindnyre,  disant  ledit  lantgrave  par 
mote  expres  qu'il  se  laisseroit  plustost  assommer  comme  nng  cbien  enraige 
que  de  le  faire*.  Der  König  an  den  Kaiser,  Aussig,  21.  Februar  1547. 
'  Ebendas. 

*  Der  deutsche  Text  bei  Rommel  (Urkundenband,  210f.),  dem  auch  Issleib 
folgte  (p.  194),  ist  in  des  Landgrafen  Erklärung  darüber  unvollständig 
erhalten.  Es  fehlen  dort  die  Artikel  1,  4,  7,  8  und  9  ganz  oder  theil- 
weUe.  Die  Ergänzung  des  Textes  wurde  mir  durch  Auffindung  der 
gleichxeitigen  französischen  Uebersetzung,  sogar  in  drei  Copien,  ermöglicht 
(Wiener  Staatsarchiv,  Belgica  A  53  P,  femer  Copialbücher  682.,  fol.  186 
und  683.J. 


118 

gerichteten  Unternehmen,  das  über  kurz  oder  lang  stattfinden 
würde,  weder  heimlich  noch  öffentlich  zu  hindern,  auf  Befehl 
des  Kaisers  den  König  und  Herzog  Moriz  unweigerlich  zu 
unterstützen  (Artikel  5)  und  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig 
sammt  seinem  Sohne  Karl  Victor  freizulassen  (Artikel  6).  Ferner 
sollte  der  Landgraf  zum  Zeichen  seiner  aufrichtigen  Unterwürfig- 
keit sechs  Monate  lang  8  Fähnlein  Fusstruppen  und  500  Reisige 
unterhalten  und  bezahlen  ^  (Artikel  7),  auf  Befehl  des  Kaisers 
sofort  die  Unterthanen,  die  in  fremden  Diensten  sein  könnten,* 
unter  Androhung  von  Güterconfiscation  abberufen  (Artikel  8) 
und  als  Caution  die  Versicherung  dreier  regierenden  Fürsten 
und  die  seiner  Landstände  versprechen,  die  sich  alle  ,ver- 
schreiben'  sollten,  ,der  Kays.  Maj.  beystendig  zu  sein,  dasfs]  er 
zu  der  Haltung  getrungen  werde^  (Artikel  9).  Er  sollte  auch 
seinen  Sohn  als  Geisel  an  den  Kaiserhof  senden  (Artikel  9).^ 
In  anderen  Theilen  dieses  Entwurfes  sollte  sich  der  Landgraf 
verpflichten,  den  Kaiser  in  Zukunft  als  seine  wahre  Obrigkeit 
anzuerkennen  (Artikel  1),*  persönlich  vor  ihm  Abbitte  zu  leisten 
(Artikel  2),  femer  das  Reichskammergericht  anzunehmen,  zu 
dessen  Erhaltung  beizutragen  (Artikel  3),  alle  Bündnisse  gegen 
den  Kaiser  sofort  aufzugeben,  alle  verpflichtenden  Urkunden, 
die  er  darüber  haben  könnte,  auszuliefern,  ebenso,  wenn  ,er 
mit  der  Königlichen^  Majestät  underthanen  Bundnuss  bette, 
dieselb  Verschreibung  der  Königlichen  Majestät'  zuzustellen 
und  zeitlebens  kein  neues  Bündniss  gegen  den  Kaiser  und 
den  König  mehr  zu  schliossen  oder  ihren  Feinden  anzuhängen 
(Artikel  4).  Die  Uebergabe  der  Festungen  wurde  in  den  Ent- 
wurf nicht  aufgenommen. 


^  »Puisqu'il  u'est  en  sa  puissance  de  compenser  les  fraiz  que  pourroieiit  estre 
pretendaz  pour  sa  cause,  et  pour  demonstrer  par  effect  sa  vraye  bumilite 
envers  sadite  Ma^  imperiale,  il  vealt  entretenir  et  soaldoyer  a  sadite 
Ma^  SLX  mois  de  long  huit  enseignes  de  pietons  et  cinq  cens  chovaulx 
armez  .  .  / 

'  ,qai  pourroient  estre au  serviced'autres*.  Vgl.  Rommel,  Urkundeubaud,  215. 

°  ,Enyoyera  aussi  prestement  Tung  de  ses  filz  en  la  court  de  sadite  M^  , 
pour  y  demeurer,  contre  le  quel  en  cas  de  nonobservation  Ton  pourra 
proceder  comme  contre  un  gaige*  [für  gage]  et  bostaigier. 

^  Die  franzOsiscbe  Uebersetzung  dieses  Artikels  beginnt  mit:  ,Puisqae  .  .  . 
veult  et  doibt*.  Rommel,  211. 

^  Bei  Rommel,  212,  irrig:  ,keys.  Maj.* 


119 

Diese  Artikel  wurden  auf  Befehl  des  Königs  ins  Fran- 
zösische übersetzt,  worauf  sie  dieser  am  21.  Februar  an  den 
Kaiser  nach  Ulm  sandte.^ 

Am  Morgen  dieses  Tages  war  Herzog  Moriz  wieder  in 
Dresden  und  betheuerte  dem  hessischen  Gesandten  Lersner,  ^dass 
er  treu  und  ehriich  gehandelt  habe^^  Wahrscheinlich  hatte  Lers- 
Der,  als  Gesandter  eines  Geächteten  ohne  Aussicht  auf  ein 
acheres  Geleite,  in  Dresden  zurückbleiben  müssen. 

Trotz  alles  Drängens  konnte  aber  Herzog  Moriz  in  den 
folgenden  Wochen  von  dem  Landgrafen  nicht  die  Zustimmung 
za  den  Aussiger  Artikeln  erlangen.  Dieser  suchte  vielmehr 
wieder  eine  Annäherung  der  entzweiten  sächsischen  Herzoge 
herbeizuführen.  Abermals  erklärte  er  Hilfeleistung  gegen  seinen 
Bundesgenossen  für  unverantwortlich  und  ehrlos  und  wurde 
darin  auch  durch  ein  Gutachten  seiner  Landstände  bestärkt.' 
Am  6.  März  verlangte  er  im  Einzelnen  Aenderungen  der 
Artikel^  und  wies  dann  auf  den  verhältnissmässig  viel  milderen 
Vertrag  hin,  den  der  Kaiser  Strassburg  gewährt  hatte.  Dies 
beweise,  meinte  er,  dass  der  Kaiser  ,mit  sich  handeln  lasse'.  ^ 
Hiebei  vergass  er  freiUch,  dass  der  Kaiser  den  Strassburgem 
billige  Bedingungen  gewähren  musste,  um  den  sächsischen 
Feldzug  mit  grösserer  Sicherheit  unternehmen  zu  können. 
Schon  2  Stunden  nach  der  Huldigung  der  Strassburger  brach 
er  am  21.  März  von  Nördlingen  nach  Sachsen  auf.*  Der  Herzog 
wollte  auf  die  Wünsche  des  Landgrafen  in  keiner  Weise  ein- 
gehen. In  seinem  Hasse  gegen  den  geächteten  Kurfürsten 
äusserte  er  vielmehr  wiederholt,  dieser  ,müsse  herunter,  müsse 
Ton  Land  und  Leuten  und  allen  seinen  Festungen,  sollte  gleich 
Türk  und  Franzose  daherziehen  und  der  Kaiser  alle  König- 
reiche und  Länder  daransetzend  "^  Sonderbar  klingt  es  aber, 
wenn  er  den  Landgrafen  damit  beruhigte:  wahrscheinlich  werde 
nun    gar   nicht   auf   der  Truppenhilfe   gegen    den    geächteten 


^  KOnig  Ferdinand  an  den  Kaiser,  Aussig,  21.  Februar  1647,  bei  Bucholtz, 
IX,  410. 

*  laileib,  195. 

»  Ebenda«.,  197. 

*  Rommel,  Urkundenbaud,  269  f. 

*  Isileib,  201. 

*  V.  D.,  II,  198.S6,  244.«,,  Anm.  l. 
'  Weib,  196,  200. 


130 

Kurfürsten  bestehen,  der  Landgraf  mUsse  aber  das  Versprechen 
geben,  dem  Kaiser  dienen  zu  wollen.'  Es  war  vergebliche  Muhe: 
der  Landgraf  machte  seinem  Bundesgenossen  von  diesem  schimpf- 
lichen Begehren  Mittheilung  und  versicherte  ihm,  dass  er  darauf 
nicht  eingehen  werde.' 

Der  Herzog  musste  bald  zur  Einsicht  gelangen,  dsss  es 
von  ihm  sehr  voreilig  gewesen  war,  die  Aussiger  Artikel  ohne 
Zustimmung  des  Landgrafen  abfassen  und  absenden  zu  lassen. 

Hat  denn  der  Kaiser  wirklich  die  Bedingung  gestellt,  dass 
der  Landgraf  gegen  seinen  Bundesgenossen  Hilfe  leisten  müsse? 
Schon  am  6.  Februar  sprach  man  am  Kaiserhofe  von  einem 
derartigen  Anerbieten  des  Landgrafen,'  nirgends  aber  begegnet 
man  einer  solchen  Forderung  des  Kaisers  als  AussöhnangB- 
bedingung.  Der  Eindruck,  den  die  irrig  behauptete  Bereitwillig- 
keit des  Landgrafen  am  Hofe  macht«,  war  der  denkbar  un- 
günstigste. Zu  dem  Misetrauen,  das  man  ihm  entgegenbrachte, 
kam  nun  auch  tiefe  Verachtung,  die  der  Bischof  Granvelle  am 
2ö.  März  und  nach  der  Schlacht  bei  Mtlhlberg  nicht  verheUen 
konnte.  Er  hob  hervor,  wie  würdig  und  ehrenvoll  der  Sachaoi' 
herzog  im  Vergleich  mit  dem  Landgrafen  verhandelt  habe.* 

Bevor  noch  der  Kaiser  die  Aussiger  Artikel  empfing,  erwog 
er  srerade  den  Plan,  nicht  gleich  nach  Sachsen,  sondern  soßnH- 


121 

Adel  Hessens  anonterbrochen  in  Verbindung,  so  dass  der 
Landgraf  selbst  ganz  besorgt  Lersner  am  6.  März  schrieb/  der 
Kaiser  habe  dem  Adel  anzeigen  lassen,  die  Ungnade  gegen 
seinen  Landesherm  sei  so  gross,  dass  man  seinethalben  nicht 
handeln  wolle;  ,wann  aber  die  Landschaft  keme  unnd  bett, 
der  mochte  gnad  widderfahren^  Ein  Abmahnungsschreiben 
in  seinen  Adel  vom  13.  März  nützte  wenig.  ^  Zu  dem  Zuge 
g^n  Hessen  gedachte  der  Kaiser  ausser  seinem  Hauptheere 
aaeh  seine  in  Niedersachsen  stehenden  Truppen  zu  verwenden.* 
Hiebei  schwebte  ihm  wohl  ein  ähnlicher  Erfolg  wie  bei  der 
Bewegung  gegen  Württemberg  vor.  Weil  er  die  Einzelheiten 
der  Verhandlung  des  Herzogs  Moriz  mit  dessen  Schwiegervater 
nicht  kannte,  argwöhnte  er,  dass  dieser  die  Uebergabe  der 
Festangen  schon  zugesagt  und  später  seine  Zustimmung  wider- 
rufen habe,  weil  er  vemonmien,  dass  des  Kaisers  Zug  zunächst 
Sachsen  gelte.  Der  Kaiser  meinte,  auch  der  Herzog  Ulrich 
habe  ihm  die  Festungen  übergeben  und  ihn  doch  weniger  als 
der  Landgraf  beleidigt.  Darum  wünschte  er  auf  Grund  der 
AiBsiger  Artikel  nicht  weiter  zu  verhandeln.  In  diesem  Sinne 
schrieb  er  seinem  Bruder  am  28.  Februar  1547.* 

Dieser  Brief  war  schon  in  den  Händen  des  Königs,  als 
Herzog  Moriz  am  4.  März  nach  Dresden  kam,^  wo  der  König 
Tom  1.  bis  21.  März  verweilte.*  Ehe  sich  der  Herzog  von  ihm 
am  5.  oder  6.  dieses  Monates  wieder  verabschiedete,  fragte  er 
ihn,  ob  der  Kaiser  eine  Antwort  auf  die  Aussiger  Artikel  ge- 
schrieben habe.    König  Ferdinand  wünschte,  wie  er  dem  Kaiser 


^  Rommel,  Urkundenband,  217 f.;  vgl.  auch  202 f. 
•Ebendaa.,  219  f. 

*  Brief  des  Kaisers  an  König  Ferdinand  vom  28.  Febmar  1547. 

*  fii  qmmt  a  la  practique  que  meyne  poor  luy  le  Duc  Mauris,  puisqu^il 
recnle '  de  ce  qne  Ton  asseuroit  qu*il  viendroit,  qn^estoit  de  mectre  les 
fortz  de  son  estat  entre  mes  mainsi  comme  le  Duc  de  Wirtemberg  a  fait, 
ayant  toutefois  moings  offense,  dont,  il  semble,  il  se  retire,  peult  estre 
ponr  avoir  entendu  que  enclinons  a  faire  ledit  voiaige  de  Saxen,  esperant 
par  ce  que  Teslongneroye,  je  ne  voys  apparence  de  sur  Toffre,  que  faict 
ledit  Duc  Mauris,  passer  plus  avant  en  ladite  practique.*  Copialbuch 
6S2,i  und  Bncholtz,  IX,  413. 

'  Kach  der  Bandnote  zum  Briefe  vom  28.  Februar  kam  dieser  am  3.  M&rz 
an.  Die  Antwort  des  KOnigs  an  den  Kaiser  vom  4.  März  erwähnt  ausserdem 
nur  die  Ankunft  des  Herzogs  (Copialbuch,  683.}). 

*  laeleib,  202,  Anm.  35. 


122 

am  10.  März  gestand^  ^  die  Verhandlungen  nicht  gänzlich  ab- 
zubrechen^  um  nicht  den  Landgrafen  zu  verzweifelten  Schritten 
zu  treiben.  Er  theilte  darum  dem  Herzoge  mit^  der  Kaiser 
habe  über  diese  Angelegenheit  nur  kurz  geschrieben  und  noch 
keinen  definitiven  Entschluss  kundgegeben^  sei  aber  ganz 
erstaunt^  dass  man  wegen  der  Festungen  Schwierigkeiten 
mache.  Darauf  legte  der  König  unter  dem  ausdrücklichen 
Vorbehalte,  dass  er  zu  gar  nichts  beauftragt  sei,  dem  Herzog 
Folgendes  dar:  Wenn  sich  drei  Fürsten  für  den  Vertrag  ver- 
bürgten, 80  erwüchse  dem  Kaiser  daraus  eventuell  die  Schwierig- 
keit, jeden  einzelnen  zur  ErflÜlung  seines  Versprechens  zu  ver- 
halten; die  Caution  der  Landstände  sei  werthlos,  wenn  der 
Landgraf  die  Festungen  besitze.  Wenn  er  einen  Sohn  ab 
Geisel  stelle,  so  besitze  er  noch  zwei  andere;  wollte  er  sie 
\uch  alle  drei  übergeben,  so  sei  es  doch  des  Kaisers  Art  nicht, 
an  unschuldigen  Kindern  Tyrannei  zu  üben,  wenn  der  Vertrag 
nicht  erfüllt  würde.  Andere,  die  den  Kaiser  nicht  so  schwer 
wie  der  Landgraf  beleidigt,  hätten  feste  Plätze  übergeben.  Der 
Kaiser  wolle  sie  nicht  für  sich  behalten.  Daher  könne  er,  der 
König,  nichts  Besseres  rathen,  als  dem  Kaiser  darin  zu  ver- 
trauen und  sich  ihm  völlig  zu  unterwerfen.  Am  7.  März 
war  der  Herzog  in  Freiberg,  und  von  dort  aus  bat  er  den 
König,  den  Kaiser  zur  Annahme  der  Aussiger  Artikel  zu  be- 
wegen.* Auch  persönliche  Bitten  der  Herzogin  Agnes  blieben 
wirkungslos.  Ihr  und  ihrem  Gemahl,  der  bald  wieder  nach 
Dresden  zurückkehrte,  antwortete  der  König,  dass  er  seit  der 
letzten  Vorstellung  (admonitions),  die  er  an  den  Kaiser  gerichtet, 
noch  keine  Antwort  empfangen  habe.' 

Der  Landgraf  scheint  bald  gefühlt  zu  haben,  dass  sein 
Schwiegersohn  bei  der  Vermittlung  mehr  politische  als  ver- 
wandtschaftliche Rücksichten  vor  Augen  hatte.  Er  warf  seinem 
Bevollmächtigten  Lersner  vor,  dass  er  die  Sache  beim  Herzog 
nicht  energisch  genug  vertrete.*  Nicht  ohne  diesen  zu  ver- 
stimmen,   suchte   er   auch    auf  andere  Weise    zu    einem  Ver- 


>  Siehe  diesen  Brief  des  Königs  unten  im  Anhange. 

*  Iflsleib,  197,  Anm.  29. 

'  König   Ferdinand  an  den  Kaiser,  Dresden,  17.  März  1647   (Copialbuch, 

683.,). 
«  Issieib,  201. 


123 

trage  mit  dem  Kaiser  zu  kommen.  Bei  der  sehr  lückenhaften 
Kenntmss  dieser  Nebenverhandlungen  ist  nur  sicher^  dass  er 
seit  December  1546  bald  beim  G^rafen  von  Büren,  bald  beim 
Bayemherzog  Wilhelm^  bald  wieder  beim  p&lzischen  Kurfürsten 
Vermittlung  suchte.^    Erfolg  hatten  diese  Versuche  nicht. 

Die  Verhandlungen  mit  dem  Landgrafen  hatten  eine  ftlr 
die  Kriegführenden  sehr  wichtige  Folge:  er  blieb  unthätig,  ja 
verbot  sogar  im  März  seinen  Unterthanen,  bei  Johann  Friedrich 
von  Sachsen  gegen  den  Kaiser,  seinen  Herrn,  Dienste  zu 
nehmen.'  Dazu  hätte  sich  der  Landgraf  kaum  entschlossen, 
wenn  er  durch  seinen  Schwiegersohn  von  aUem  Anfange  an 
über  die  Aussichtslosigkeit  unterrichtet  worden  wäre,  unter 
anderen  Bedingungen  als  der  Ergebung  auf  Gnade  und  Un- 
gnade einen  Vertrag  zu  erlangen.  So  deutete  der  Herzog  auch 
im  März  nur  an,  dass  er  eher  eine  Verschärfung  als  eine 
Milderung  der  Aussiger  Artikel  zu  erwarten  habe*.  Wenn^ 
der  ehrgeizige  junge  Fürst  seinen  Schwiegervater  nicht  zur 
Hilfeleistung  gegen  Johann  Friedrich  von  Sachsen  bewegen 
konnte,  so  war  doch  die  Unthätigkeit  des  Landgrafen  während 
der  Waffenerfolge  des  geächteten  Kurftlrsten  in  Sachsen  ein 
nicht,  zu  unterschätzender  Gewinn. 

Da  der  Ausgang  des  Feldzuges  nach  Kursachsen  unge- 
wiss war,  so  lag  es  auch  im  Interesse  des  Kaisers  und  König 
Ferdinands,  die  Verhandlungen  nicht  ganz  abzubrechen.  In- 
dessen verfolgte  der  Kaiser,  durch  nichts  beirrt,  den  Plan,  die 
beiden  Häupter  des  schmalkaldischen  Bundes  ganz  zu  ver- 
nichten. Nur  dann  glaubte  er,  wie  er  seinem  Bruder  schrieb, 
in  Deutschland  die  Ruhe  und  die  kaiserliche  Autorität  sowie 
die  des  Königs  wieder  herstellen  zu  können.^  Die  Verhand- 
lungen rückten  nicht  von  der  Stelle:  weder  der  Kaiser  noch 
der  Landgraf  waren  geneigt,  den  Aussiger  Artikeln  zuzustimmen. 


^  Iwleib,  203;  V.  D.,  II,  llif-M,  HS  Anm.  1,  156.w,  179^9>  ^04.«;  Rommel« 

Urknndenband,  176. 
'  Das   erfahr    der    kaiserliche    General    Markgraf  Marignano    von    Alba. 

Mocenigo,  Nürnberg,    26.  März  1647.     V.  D.,   II,  207.9o;   ^gl.  Druffel,   I, 

49  Anm.  2. 
>  Issleib,  199. 
*  ,£t  congnois  bien  qn'il  est  necessaire  de  exterminer  ledit  Dac  du  tout 

et  aussi  cellni  de  Hessen  et  qne  antrement  Ton  ne  poorra  jamais  rednyre 

ny  paciffier  ceste  (Jermanye  pour  le  service  de  Dien,  votre  aiictorite   et 
ArchiT.  LXXXm.  Bd   I.  H&lfto.  9 


124 

Daher  gab  der  Kaiser  seinem  Bruder  am  21.  März^  nachdem 
er  von  Nördlingen  aus  nach  Sachsen  aufgebrochen  war,  folgende 
Weisung:  wenn  der  Landgraf  in  seinen  Erklärungen  nicht 
weiter  gehe,  möge  der  König  auch  seinerseits  die  Verhandlungen 
in  dem  bisherigen  Stadium  belassen,  bis  man  sehe,  welches 
Ende  der  Feldzug  nehme.  Inzwischen  müssten  solche  Aner- 
bietungen und  mit  solcher  Unterwürfigkeit  gemacht  werden, 
dass  er,  der  Kaiser,  Gelegenheit  habe,  den  Landgrafen  zu 
Qnaden  aufzunehmen;  denn  zu  solchen  Anerbietungen  sei  es 
bisher  nicht  gekommen.  In  diesem  Sinne  möge  er  antworten, 
wenn  man  von  der  Sache  spreche.* 

Der  König  erhielt  diesen  Brief  am  25.  März  in  Teplitz,* 
wohin  er  kurz  zuvor  gekommen  war.  Nicht  früher,  als  er  wieder 
gefragt  würde,  wollte  er  sich  dem  kaiserUchen  Auftrage  gemäss 
äussern.  Dazu  kam  es  aber  vor  der  Ankunft  des  Kaisers  in 
Sachsen  nicht  mehr.  Der  König  war  eben  im  Begriffe,  Tepl 
am  1.  April  zu  verlassen,  als  der  herzoghch-sächsische  Rath 
Dr.  Komerstadt  auf  dem  Wege  zum  Kaiser  bei  ihm  Audienz 
nahm.  Der  König  setzte  dann  die  Reise  fort  und  berichtete 
noch  an  demselben  Tage  von  Haid  aus  an  den  Kaiser,  dass 
Komerstadt  der  Ueberbringer  von  ,Bedingungen  und  Aner- 
bietungen des  Landgrafen'  sei  und  ihn  gebeten  habe,  seine 
Werbung    beim   Kaiser    zu    unterstützen.     Wieweit    diese    Be- 


la  myenne  et  mectre  en  paix  et  traiiquilite  ladite  Germaaye.^  Der  Kaiser 
an  König  Ferdinand,  2.  Februar  1547.  Lanz,  II,  529.  Aehnliches  im 
Briefe  vom  20.  Februar  (bei  Bucholtz,  IX,  412  f.)  und  vom  19.  Fe- 
bruar 1547  bei  Lanz,  II,  540. 

^  ,Et  quaut  k  Tinstance  que  le  Duc  Mauris  et  la  Duchesse  continaent  k 
V0U8  faire  pour  le  landgrave,  il  sera  bien  que  entretenez  la  chose  en  cee 
termes,  jusques  Ton  voye  comme  ceste  emprinse  succedera,  actenda  aussi 
qu'il  ue  se  declaire  plus  avant.  Et  conviendroit  quHl  feist  telles  offres 
et  avec  tel  humiliation,  que  par  icelies  il  me  donna  occasion  le  recep- 
voir  en  grace,  ce  quMl  n*a  fait  jusques  a  maintenant.  Et  si  Ton  retoome 
a  vous  en  parier,  en  pourrez  respondre  en  ceste  conformite  et  substance.* 
(Oettingen,  21.  März  1547.  Drnffel,  I,  49.)  In  diesen  Worten  kann 
man  nicht  einen  ^Auftrag*  sehen,  ,die  Bedingungen  Schritt  vor  Schritt 
zu  steigern*,  wie  Issleib  sag^  (p.  203). 

'  An  diesem  Tage  antwortete  er :  ,Quant  k  ce  que  m^escripvez,  Mon- 
seignenr,  .  .  .  il  me  semble  que,  pour  estre  maintenant  eslongne  dudit 
Duc  Mauritz,  que  je  ne  doibs  faire  semblant  de  riens  jusques  plus 
avant  j'en  soye  requis  de  leur  part;  que  lors  m'j  conduiray  selon  qn'il 
piaist  k  V*  Ma^  me  Commander'     (Copialbuch.  683.^). 


125 

Bedingongen  gingen,  erfahren  wir  nicht;  ans  den  folgenden 
Verhandlungen  geht  aber  hervor,  dass  die  Hauptbedingungen 
des  Kaisers  nicht  angenommen  waren.  Der  König  meinte,  der 
Kaiser  könne  die  Entscheidung  verschieben,  da  sie  ohnedies 
beide  bald  zusammentreffen  würden.^  Das  geschah  am  6.  April 
in  der  Nähe  von  Eger.* 

Weder  Komerstadt's  Werbung,  noch  auch  die  Vermittlungs- 
versuche des  Herzogs  beim  König .  hatten  Erfolg.  Auch  die 
neuen  Vorschläge  wurden  abgelehnt.  Der  Kaiser  war  zu  keiner 
milderen  Erklärung,  als  die  frülieren  gewesen  waren,  zu  bewegen. 
Das  geht  auch  aus  Lersner's  vergeblichen  Bemühungen  beim 
Herzog*  und  aus  den  Erklärungen  des  Kaisers  auf  dem  Reichs- 
tage hervor,  worin  er  ausdrücklich  behauptet,  dass  er  auch  in 
Eger  auf  der  unbedingten  Ergebung  und  auf  der  Uebergabe 
der  Festungen  bestanden  habe.* 

Dem  geächteten  Kurfürsten  gegenüber  war  der  Kaiser 
ebenso  unerbittlich.  Denn  als  der  Herzog  Wilhelm  von  Cleve 
durch  Gesandte,  die  nach  Nürnberg  kamen,  Fürbitte  für 
Johann  Friedrich  einlegen  liess  und  nur  allgemein  um  Aus- 
söbnungsbedingungen  ersuchte,  aber  sich  erbot,  selbst  zur  Ver- 
mittlung zu  kommen,  erhielt  er  die  Antwort,  es  sei  besser,  wenn 
er  sich  diese  Mühe  erspare;  der  Kaiser  könne  nichts  Anderes 
vorschlagen,  als  dass  sich  der  Geächtete  in  seine  Gewalt  über- 
liefere, so  dass  er  mit  ihm  nach  Belieben  verfahren  könne.® 
Den  gleichen  Erfolg  hatten  des  Herzogs  persönliche  Bemühungen 
in  Eger,  wo  er  auch  von  einer  dänischen  Gesandtschaft  unter- 
stützt wurde.  Er  schlug  damals  positive  Bedingungen  vor, 
aber  nicht  unbedingte  Ergebung.  Alles  war  vergeblich.  Der 
Kaiser  hatte   auch   Ursache,   die  Aufrichtigkeit   des   Friedens- 


'  K9iug  Ferdinand«  Brief  aus  Haid  vom  1.  April  1547  (Copialbnch,  683.,) 
«  YgL  V.  D.,  n,  214.„,  215.^. 
'  luleib,  202  ff. 

*  \gi.  oben  p.  115,  Anm.  2  und  des  Bischofs  Granvelle  Darstellung  der 
Yerhandlungen  bei  Lanz,  II,  589. 

*  ßa  Ma*»  s'arreste  en  ces  termes  [que]  eile  n'en  peult  proposer  nulz 
saulf  qu'il  se  Tuelle[I]  rendre  entre  ses  mains  pour  en  user  comme  il 
luy  semblera/  (In  Chiffren.)  Bischof  Granvelle  an  Königin  Maria, 
Nürnberg,  27.  März  1647  (Belgica,  A  74  P,  Wiener  Staatsarchiv).  Damit 
stimmt  überein,  was  Qranvelle  am  27.  April  den  venetianischen  Gesandten 
über  die  Verhandlnngen  raittheilte.     V.  D.,  II,  244.io5- 


126 

Wunsches  bei  Johann  Friedrich  von  Sachsen  zu  bezweifeln; 
denn  dieser  hatte  vorher  nach  Frankreich  geschrieben:  sollte 
er  in  Bedrängniss  Verhandlungen  beginnen^  so  werde  er  sie 
trotzdem  jedesmal  abbrechen,  wenn  er  eine  gute  Gelegenheit 
dazu  sehe.^ 

Inzwischen  war  die  Gefahr,  dass  Frankreich  zu  Gunsten 
der  Schmalkaldner  kriegerisch  eingreifen  könnte,  durch  das 
Ableben  König  Franz'  I.  am  31.  März  geschwunden.  Die  Nach- 
richt davon  erreichte  den  Kaiser  in  Eger.*  Es  ist  bezeichnend 
für  die  damals  am  Hofe  herrschende  Stimmung,  wenn  der 
Herzog  von  Alba  dem  Nuntius  gegenüber  seiner  Ueberzeugung 
Ausdruck  verlieh,  dass  des  Kaisers  Autorität  in  Deutschland 
nur  durch  Beseitigung  der  geächteten  Fürsten  wiederheigestellt 
werden  könne.* 

Während  der  Landgraf  in  Ungewissheit  über  seine 
Lage  immer  ungeduldiger  wurde,  ereignete  sich,  was  doch 
Niemand  erwartet  hatte:  am  Nachmittage  des  24.  Aprils  wurde 
dem  Kaiser  Johann  Friedrich  von  Sachsen  auf  der  Lochauer 
Haide  als  Gefangener  vorgeführt.  Als  er,  unfähig  vom  Pferde 
zu  steigen,  vor  dem  Sieger  das  Haupt  entblösste  und  mit  der 
Anrede:  ,Allergnädigstcr  Kaiser^  um  Verzeihung  zu  bitten  begann, 
wurde  er  etwa  mit  den  Worten  unterbrochen:  , Jetzt  bin  ich 
allergnädigster  Kaiser;  besser  wäre  es  für  Euch  gewesen,  wenn 
Ihr  mich  auch  früher  als  solchen  anerkannt  hättet/  Als  der 
Kurfürst  seine  Bitte  geendet  hatte,  entliess  ihn  der  Kaiser  mit 
den  Worten,  er  werde  behandelt  werden,  wie  er  es  verdient 
habe.*     Die  Wechselrede   fand  in  deutscher  Sprache  statt,^  in 


*  ,S'il  se  trouvoit  press^,  il  traicteroit,  mals  il  ne  delaisseroit  pourtant  de 
rompre  tousiours  qu'il  verroit  son  appoint^  Bischof  Granvelle  an  Königin 
Maria,  Eger,  10.  April  1547,  bei  Draffel,  I,  57. 

"  V.  D.,  U,  216.^. 

»  V.  D.,  n,  227..,. 

^  y.  D.,  II,  235  Anm.  1,  236.io8,  ^^^iM'y  Valentin  von  Teutleben's,  des  Bischofs 
von  Hildesheim,  Bericht  darüber  bei  Bucholtz,  IX,  419,  ist  den  ,Biainzer 
Reichstagsacten  fasc.  12**  des  Wiener  Staatsarchives  entnommen,  aber 
fehlerhaft  abgedruckt.     Vgl.  V.  D.,  II,  777. 

'  ,Omnia  ista  germanice  utrinque  dicta  audivi  et  notavi  et  alüs  Italici«, 
qui  germanice  nesciunt  et  hoc  a  me  postulantiboa  exposoi',  schrieb 
Bischof  Valentin  von  Hildesheim  im  kaiserlichen  Lager  vor  Wittenberg 
am  13.  Mai  1547 ;  ob  in  einem  Briefe,  ist  niigewiss. 


127 

der  sich  der  Kaiser  wohl  nur  unvollkommen  ausdrücken  konnte;* 
deutsche  Schrift  konnte  er  nicht  lesen.* 


2.  Yerhandlungen  ror  Wittenberg. 

Der  ^untreue,  pflicht-  und  eidbrüchige  Rebell,  Verächter 
und  Verletzer  der  kaiserlichen  Hoheit  und  Majestät'  hatte  nach 
der  Auffassung  des  Kaisers  ,wegen  seiner  vielfältigen,  landt- 
kOndigen,  offenbaren,  landfriedbrüchigen  Thaten'  das  Leben 
Tcrwirkt,  daher  wurde  über  ihn  das  Todesurtheil  ausgesprochen.^ 
Was  die  Klugheit  Alba's  und  des  Bischofs  Granvelle  gegen  den 
Willen  des  kaiserlichen  Beichtvaters  Pedro  de  Soto  und  Dr. 
Johann  Figueroa's  durchsetzte*  und  Königin  Maria  sehr  billigte,*^ 
das  sollte  als  besondere  Gnade  erscheinen:  das  Todesurtheil 
ward  vom  Kaiser  nicht  unterzeichnet*^  und  die  Todesstrafe  wurde 
in  lebenslängliche  Haft  verwandelt,  oder,  wie  man  damals  sagte, 
in  ,ewige  Gefengknuss'.     Dieser  Ausdruck  kommt  auch  in  der 


*  Im  Hai  1552  soll  er  Johann  Friedrich  von  Sachsen  im  Pnsterthale  auf 
einige  Dankesworte  4ii  Teutscher  Sprach  verständigliche  Antwort*  ge- 
geben haben.  Hortleder,  II,  d98.  Besser  sprach  er  wohl  Vlämisch.  Vgl. 
Sastrow,  ü,  16,  29,  86. 

'  Man  mnsste  ihm  auch  kleine  deutsche  ActenstUcke,  die  schOn  geschrieben 
waren,  in  französischem  Auszuge  vorlegen.  Dies  beweist  ein  kurzer 
Brief  des  Pfalzgrafen  Friedrich  an  ihn  vom  Jahre  1547,  auf  dem  Bischof 
Granvelle  eigenhändig  schrieb :  yLe  contenu  de  ceste  lettre  est  que  .  .  .*' 
(Wiener  Staatsarchiv,  Kriegsacten  1547,  fasc.  11). 

'  Dieses  bei  Dumont,  Corps  universel  diplomatique  Amsterdam,  1726, 
IV/U,  332. 

*  Baves  an  Königin  Maria  am  21.  Mai  1547  bei  Ranke,  VI,  248,  ferner 
Druffel,  I,  68,  Nr.  97  und  V.  D.,  ü,  252.io8,  257.„o. 

^  ,Les  articles  .  .  .  que  certes  sont  si  'honorables  et  avantaigeux  pour 
Sa  Ma**  Imp.  que  j'espere  qu'elle  en  recepvra  plus  grande  reputation 
quelle  n'eust  de  la  mort  du  dit  jadis  electeur  .  .  .*  Königin  Maria  an 
Bisehof  Granvelle,  2.  Juni  1547   (Wiener  Staatsarchiv,  Belgica,  Ao6P). 

*  Auf  einer  Abschrift  dieses  Urtheils  steht  von  Dr.  Johann  Obernburger's 
Hand:  ,Nota,  das  dises  pluet  urteil  durch  die  Kay.  M*  nit  unterschriben, 
noch  sonst  verfertiget  worden,  sonder  hat  die  Kay.  M^  als  ain  gnedigster, 
milter  kaiser  die  sach  in  ferrer  Bedacht  genommen  und  nach  statlicher 
erwegung  die  straff  auff  andere  miltere  wege  geendert*  (Wiener  Staats- 
archiv, Sazonica  1547). 


128 

peinlichen  Halsgerichtsordnung  Karls  V.  wiederholt  vor.*  Dafür, 
dass  man  dem  Sachsenherzoge  nur  ^das  Leben  zusicherte^, 
musste  er  auf  die  Kurwtirde  und  fast  auf  die  Hälfte  seines 
Landes  zu  Gunsten  des  Herzogs  Moriz  verzichten  und  die 
Schleifung  einiger  Festungen  zugestehen.  Die  flir  die  Zukunft 
des  Gefangenen  wichtigste  Stelle  der  Wittenberger  Capitulation 
lautet:  ,Auf  solche  obgeschriebene  Artikel  ist  Ire  Majestät  zu- 
frieden, dass  die  Straf  des  Lebens,  so  er  von  wegen  dero 
wider  Iro  Majestät  verübten  Rebellion  verdient,  auf  einen  solchen 
Weg  verwandelt  werde,  also,  dass  er  an  Ihrer  M*  oder  Ihres 
geliebten  Sohns,  des  Prinzen  von  Hispanien,  Hofe  nach 
hochgedachter  Kaiserlicher  Majestät  freyen  Wahl,  auch 
so  lange  es  Ihrer  Majestät  gefällig  und  bis  Ihre  Majestät 
anders  verordnen  wird,  bleiben^  [werde].*  Diese  Fassung 
ist  in  zweifacher  Hinsicht  geschickt:  sie  benahm  dem  Gefan- 
genen nicht  die  Aussicht  auf  endliche  Enthaftung,  bot  aber  auch 
dem  Kaiser  1550  die  Handhabe,  die  Haft  für  eine  lebensläng- 
liche zu  erklären.  Aber  so  wie  während  der  Verhandlungen, 
so  sprach  man  auch  nach  dem  Abschlüsse  des  Vertrages  davon, 
dass  das  ,Gefengknuss'  ewig^  sein  werde. 

Es  ist  sehr  gut  bezeugt,  dass  Bischof  Granvelle,  der  diese 
Verhandlungen  von  allem  Anfange  an  führte,*  des  Deutschen 
nicht  blos  für  mündlichen  Verkehr  mächtig  war,*  sondern  auch 
im  Gegensatze  zum  Kaiser  schriftliche  Mittheilungen  in  dieser 
Sprache   lesen®  und   in   andere   Sprachen    übersetzen    konnte. 

^  So  in  den  Artikeln  X,  CI,  CXCII,  Zoepfl'sche  Ausgabe,  Leipzig  1876. 
p.  19,  85,  159. 

«  Dumont  IV/II,  234. 

^  ,Privatu8  Dax  Saxoniae  adhuc  captivns  remanet,  quem  Imperator  secum 
in  exercitu  ducit,  perpetuo,  uti  dicitur,  in  captivitate  permansuru5, 
ne  dimiBsus  novas  tragedias  excitare  valeat  .  .  .'  Valentin  Teutlebeu, 
11.  Juni  1547  (vgl.  oben  p.  126,  Anm.  4).  ,Uti  dicitur*  ist  von  dem  Bischof 
eigenhändig  nachgetragen. 

•  V.  D.,  n,  244.106,  248.106,  262.ii8. 

'  ,A  monsignor  di  Araa,  che  sa  la  ling^a  thedesca,  disse  [Sua  M^]  che'l 
riferisse  prima  aUi  Elettori.*  V.  D.,  II,  290.1^.  Mocenigo  wiederholte 
diese  Angabe  in  seiner  Finalrelation  1548:  ,Lui  che  la  ha  lingua  thedesca' 
(Fiedler,    Relationen,    Fontes    rerum    Austr.,    Wien    1870,   XXX,    171). 

•  Damit  übereinstimmend  berichtete  auch  sein  Vorgänger  Na  vager  1546: 
,Monsignor  d'Aras,  il  quäle  ö  molto  gentile  e  letterato  e  parla  cinqiie  o 
sei  lingue*  (Albiri,  Relazioni,  ser.  I,  I,  346). 

•  Vgl.  oben  p.  127,  Anm.  2. 


129 

Es  kann  gar  nicht  anders  sein,  als  dass  der  damals  gebräuch- 
tche  Ausdruck  ,ewige8  Gfefengknuss^  bei  den  persönlichen 
VerhandluDgen  des  Bischofs  Granvelle  mit  dem  Gefangenen, 
sowie  mit  Herzog  Moriz  und  mit  dem  Kurfürsten  Joachim  von 
Brandenburg  gebraucht  worden  ist.  Denn  auch  dieser  Kurf  iii'st 
bm  nur  zwei  bis  drei  Tage  später  als  Herzog  Moriz,  nämUch 
im  6.  Mai  *  ins  Lager  bei  Wittenberg,  um  für  den  Gefangenen 
und  dessen  Familie  wie  früher  vor  der  Kriegsentscheidung  Für- 
bitte einzulegen.  Er  war  mit  dem  sächsischen  Hause  nicht  blos 
durch  seine  erste,  1534  verstorbene  GemahHn  Magdalena,  eine 
Tochter  des  Herzogs  Georg  von  Sachsen,  verwandt,  sondern 
auch  durch  eine  alte,  zuletzt  1537  erneuerte  Erbverbrüderung 
verbunden,  in  die  auch  das  Haus  des  Landgrafen  von  Hessen, 
seines  Schwagers,  eingeschlossen  war.* 

Kurfürst  Joachim  und  Herzog  Moriz  suchten  nun  auch 
daa  landgräfliche  Haus  vor  dem  Schicksale  zu  bewahren,  das 
Johann  Friedrich  von  Sachsen  und  seine  Kinder  getroffen  hatte. 
Der  Kaiser  bheb  aber  unerbittlich:  er  verlangte  wiederum  Er- 
gebung auf  Gnade  und  Ungnade  und  Auslieferung  der  hessi- 
schen Festungen  sammt  Geschützen  und  Munition.  Die  ver- 
mittelnden Fürsten  glaubten  den  Landgrafen  zur  Annahme 
dieser  Forderungen  in  persönlicher  Zusammenkunft  bewegen 
m  können.  Da  aber  König  Ferdinand  die  Ausstellung  eines 
Geleitbriefes  verweigerte,  so  stellten  sie  einen  solchen  am  10.  Mai 
selbst  aus,  aUerdings  ,mit  besonderer  Bewilligung  kaiserlicher 
nnd  königlicher  Majestät^  Die  Zusammenkunft  wurde  indessen 
verschoben,  und  statt  Quedlinburgs,  wie  ursprünghch  verab- 
redet war,  wählte  man  schliesslich  Leipzig.  Darum  wurde  das 
Geleite  am  21.  Mai,  also  zwei  Tage  nach  dem  Abschlüsse  der 
Wittenberger  Capitulation,  erneuert.  Waffenstillstand  wurde 
"iem  Landgrafen  nicht  bewilligt.^ 

Vor  seiner  Abreise  nach  Leipzig  sprach  Herzog  Moriz 
«a  Kaiserhofe  die  Hoffnung  aus,  dass  sich  der  Landgraf  er- 
h^eben  werde,    wenn  man  ihm  nur  das  Leben  zusichere.     Dies 


'  Btve  an  Königin  Maria   aus  dem  Lager   vor  Wittenberg,   7.  Mai  1547. 

Wiener  Staatsarchiv,  Belgica,  A  74  P.     V.  D.,  H,  254.io8. 
*  Hiberlin,  Neueste  deutsche  Reichsgeschichte  (Halle  1776),  n,  547,  lU, 

12-17. 
'  Weib,  207  f. 


131 

wenn  er  die  Festungen  schleifen  lasse,  so  könne  er  sie  ja  wieder 
aufbauen;  wenn  der  Kaiser  sterbe.^  Statt  der  verlangten 
150.000  Gulden  wollte  der  Landgraf  nur  138.000  Gulden  als 
Stn£summe  zahlen,  weil  nur  so  viel  für  die  in  den  Aussiger 
Artikeln  vorgeschlagene  Truppenhilfe  ausgegeben  worden  wäre. 
Der  Vertrag  sollte  durch  drei  regierende  Fürsten  und  durch 
seine  Landstände  verbürgt  werden.  Der  Landgraf  griff  also  selbst 
&af  einen  Theil  der  damals  ohne  sein  Wissen  vorgeschlagenen 
Bedingungen  zurück. 

Unter  keinen  Umständen  wollte  er  sich  aber  ,auf  Gnade 
and  Ungnade'  ergeben:  das  Wort  ^Ungnade'  strich  er  eigen- 
händig aus  dem  Vertragsentwurfe.  Die  Fürsten  erklärten, 
ihres  Er  achtens  werde  dieser  Artikel  nur  mit  Fussfall  und 
Abbitte  abgethan  sein,  ja  leichtfertig  trösteten  sie  sogar  damit, 
.das  Wort  Ungnade  stehe  hauptsächlich  um  des  herkömndichen 
Gebrauches  willen  und  habe  sonst  keine  Wirkung'.  Der  Land- 
graf liess  sich  ab^r  damit  nicht  beruhigen  und  wollte  ,durch 
Siegel  und  Brief  über  die  Bedeutung  der  ,Ungnade'  gesichert 
werden:  sie  dürfe  nichts  Anderes  als  Fussfall  und  Abbitte  be- 
deuten.* 

Als  sich  die  Fürsten  am  28.  Mai  vom  Landgrafen  verab- 
schiedeten, schärfte  er  ihnen  ein,  sie  möchten  sich  wegen  dieses 
Ausdruckes  ,wohl  vorsehen'.'  Schliesslich  theilte  er  vertraulich 
den  Plan  mit,  dass  er  den  grössten  Theil  seines  Landes  auf 
dne  bestimmte  Zeit  seinen  Kindern  abtreten  wolle,  weil  man 
im  gar  nicht  traue.  Es  wurde  verabredet,  dass  er  auf  die 
Antwort  der  Fürsten  in  Leipzig  warten  solle.  Aber  an  dem- 
selben Tage  befahl  er  seinen  Statthaltern  und  Käthen,  alle 
Trappen  zu  mustern,  die  Festungen  zu  sichern  und  mit  Städten 
und  Truppenführem  in  Niederdeutschland  in  Verbindung  zu 
treten,  da  sich  seine  Unterhandlung  mit  dem  Kaiser  zerschlagen 
habe.*  Tags  darauf  schrieb  er  an  Herzog  Moriz,  er  woUe  die 
Festung  Ziegenheim  [Ziegenhain]  nicht  übergeben,  um  vor 
seinen  Nachbarn  und  eigenen  Unterthanen  sicher  zu  sein. 
Zugleich  widerrief  er  seine  Mittheilung  von  dem  Plane,  Hessen 
an  seine  Kinder  abzutreten. 


>  Inleib,  209. 
'  Ebenda«.,  210  f. 

*  Ebendas.,  213. 

*  Bommel,  Urkandenband,  232  f. 


Ab   die  AnerbietBi^en   des  LudgnfeD    dem  Kaiser  be- 
richtet worden,    lehnte  er  ae  mit  Unwillen  ab.     Er  fand  näm 
lieh,  äe  seien  verf^to^h  und  denil  at^efasat,  das  sie  freien 
Spielraiun  fOr    »pitece  Interpreution  baten,  wie    der  Lam^f 
m  thon  pae^.»      I>i«er  *oOe  nur  Zeil  gewinnen,   aber  nichts 
erfüllen;  darauf  deatrten  die  Vorsehlige  w^eo  der  Festungen 
hin.     So   schrieb    er   seiDem  Bruder  am    I.  und    am  28.  Juni.» 
Den  vermittehiaeii  Farsteo  aber  ertbeihe  er  den  Bescheid,  mm 
erkenne    ans   d>en    Artikehi.    dass  der  Landgraf  nicht   Willens 
sei,  das.  was  er  Tersprecbe.  ni  hatten:  se  mochten  daher  die  Ver- 
huMlhinfeB  icin^cb  abtffecbea.  da  er,  der  Kaiser,  entschlossen 
sei,   den   LKJ.i^rafeo   weaen  seiner  Änmassong  und  Rebellion 
iD  Strafen.     Daan  seien  «ich  die  Grafen  Wilhelm   von  Nassau' 
und   Eeinhanl   von    jWiBS   and   die   Grafen    in    der  Wetteran* 
sammi  den  Truppen  d-«  Gratec  von  Büren  bereit.     Mehrmals 
«ti.)«a  iiob  hierauf  dx  Ffir^ten,  in  Per^n  fiir  den  Landgrafen 
za.  liaÄen.  erhielten  aber  lar  Antwort,  der  Kaiser  wOnsche  nicht, 
da»  ««botsame   Fürsten   in  die  Lage   kimen,   für   den  Land- 
■enf-ti   n   büssen.     Elr  w\»Ue  nur  ^des  Landgrafen   aigen  Per- 
i,:.--.i    .1»   nian   sioh   aaf  seine  Zusagen  nicht  verlassen  könne. 
Er  w:U*  ihn  auch  deswe^x-n  mräckhalten.  damit  er  in  Deutsch- 
land :::--bl  Caruhe  soAe.     Die  Fürsten  entg^:neten,  der  Land- 
graf k^cre   d.vh   niofc:   s*   wie   Johann    Friedrich    von    Sach- 
sen  peJangta    gehalten   wenieu.    da    dieser    durch  Gewalt     in 
diese    Laee     gekoKmi-?n    sei.    jeaer    aber    ach    freiwillig    er- 
geben   wolle.     Daseiren    wanie    «b«   eingewendet,    auch    der 

"  £ftts^  .  .  ovEoec*  vartWKi  «  jv=i  pvviTvir  Vomier  gloso  et  inter- 
pwati-:  >  -.-«ci-  «;  =  ^=i;  >  *«v3«a«.-  Der  KmIsot  a»  Köniff 
P«f^s>»i.  X.  J==i  !>47  U^t,  IL  in  i«ripTit  1«  «rticies  eo«che« 
de  Ä-cw  ^se  ;■  t«37-.t.-  «t  »atiw»  «wiiU  poTOii  «proB  donnor  lien  a 
dü^Bwr.-    GnBic«:V>  l%rM<r::jaf  J^  V«rhaBihiB«M  bei  Linz,  II,   590 

»-Wia-ne  ...   :*(  ^-.-F.■*.   v^  i**i   1i»!r>t«  «roit   tonn  quant'a     la 

r«.-w=;:;r  jeaä  »fvt.it  *#  (*^r— '  »~(w.  pottr   «pendajit    tat 
*I«r«  ««  •■^-w.-     S-»i*';-i  >it>™«*I.Lto.  irrig;  Ortfenthall 

V.«»  s»i«a  «,-fc  -.,  J«  Ert.:i.-4>p  4w  E«iwn  an  aen  Reichstae 
N    X...^W    I.M:    t«i    !?*«r,>-.   IL   MT.     Äoch   im   Briefe    dZ 


133 

Landgraf  ergebe  sich  nicht  freiwillig,  sondern  nur  aus  Furcht, 
Tertrieben  und  sammt  seinen  Kindern  depossedirt  zu  werden.* 

Als  Herzog  Moriz  nach  Leipzig  ritt,  besass  er  nur  die 
Zusicherung,  dass  dem  Landgrafen  ähnlich  wie  dem  Sachsen- 
herzoge  die  Todesstrafe  erlassen  würde.  Sollte  er  damals  wirk- 
lich nicht  gewusst  haben,  dass  der  Kaiser  mindestens  an  eine 
zeitweilige  freie,  weil  freiwiUige  Haft  dachte :  nach  der  Rückkehr 
ins  Lager  vor  Wittenberg  Hessen  ihm  die  Erklärungen,  die  er 
darüber  empfing,  keinen  Zweifel  mehr  übrig. 

Am  31.  Mai  kehrte  er  nach  Leipzig  zurück,  vermochte 
aber  nicht,  den  Schwiegervater  umzustimmen.*  Dort  vernahm 
nun  dieser  von  dem  Siege,  den  niederdeutsche  Truppen,  zu 
denen  sich  eine  Anzahl  detachirter  sächsischen  Fähnlein  gerettet 
iiatte,  am  23.  Mai  über  den  in  kaiserlichen  Diensten  stehenden 
Herzog  Erich  von  Braunschweig  erfochten  hatten.  FreiKch 
erhielt  er  bald  darauf  aus  Kassel  die  Meldung  von  einem  Siege 
der  kaiserlichen  Truppen,'  ritt  aber  trotzdem  davon,  entschlossen, 
die  Unterhandlung  abzubrechen. 

Am  folgenden  Tage  änderte  er  aber  in  der  Nähe  von 
Weiasenfels,  vielleicht  infolge  ungünstiger  Nachrichten,  abermals 
seinen  Entschluss.  Angebhch  führte  ihn  ein  Gespräch  mit  dem 
herz<^ch-sächsischen  Rathe  Christoph  von  Ebeleben,  der  ihn 
auf  der  Heimreise  zu  geleiten  hatte,  zu  der  Erklärung:  um  den 
Krieg  seinen  Unterthanen  zuliebe  zu  vermeiden,  wäre  er  bereit. 


du  qae  ponr  le  complissement  du  traicte,  en  ce  mesmes  que  prompte* 
ment  [bei  Dmffel,  I,  64,  irrig:  presentement]  se  debvoit  complir,  nulle 
aaseorance  se  pourroit  trouver  sonffisante,  que  celle  de  sa  personne, 
s'estant  tousiours  rejecte  ce  que  si  souvent  ils  avoient  dit:  que  Ton 
cbistiast  sur  eulx  la  faulte,  pour  ce  que  je  ne  vouloie  que  bons  et 
obeifisans  princes  portassent  [nicht:  pourtassent]  la  peine  et  cbastoy  de 
U  faulte  d'ung  desobeissant  et  que  ne  me  pouvoye  asseurer  de  sa  parolle, 
U  m'ayant  si  souvent  failly  .  .  .*•  Damit  stimmt  Granvelle*s  Darstellung 
bei  Lanz,  II,  590,  überein. 

'  So  die  Darstellung  Qranvelle^s  bei  Lanz,  II,  590. 

*  laleib,  215  f. 

'  Herzog  Moriz  berichtete  nach  seiner  zweiten  Rückkehr  von  Leipzig  über 
den  Landgrafen:  ,quUl  avait  heu  nouvelles  que  le  duc  Erich  fut  este 
deffaict  et  icelies  bien  publye,  mais  que  despuis  ses  conseilliers  en  Cassel 
lai  avoient  escript  que  Friesperg  avoit  deffaict  les  ennemys  du  tout, 
ee  qn'il  avoit  cele,  et  toutefois  le  confessa  apres  audit  duc  Mauris, 
disant  quMlz  escripvoient  seulement  geiieralement,  sans  venir  a  aulcune 
»pecification*.  Karl  V.  an  Ferdinand  I.,  1.  Juni  1547  (Lanz,  II,  575). 


134 

in  der  Frage  der  Festungen  and  Geschütze  nachzugeben  un^ 
sich  auf  Gnade  und  Ungnade  zu  ergeben,  wenn  er  die  Ver 
Sicherung  erhielte,  dass  damit  nichts  Anderes  als  FussSblU  und 
Abbitte  gemeint  sei.^  Auf  kaiserlicher  Seite  vermuthete  man 
dass  auch  Furcht  vor  den  eigenen  Unterthanen  zur  Aenderun^ 
des  Elntschlusses  beigetragen  habe.  Die  Vermuthung  war  wegen 
der  Verbindung  des  Kaisers  mit  dem  hessischen  Adel  nichj 
unbegründet.«  Als  Ebeleben  den  Wunsch  des  Landgrafen  ver 
nahm,  erbot  er  sich,  sogleich  ins  kaiserliche  Lager  zu  reitenj 
um  den  Fürsten  davon  Mittheilung  zu  machen.  Der  Landgrai 
wünschte  aber  vorläufig  unverpflichtet  zu  bleiben.* 

Herzog  Moriz  war  inzwischen  am  1.  Juni  dahin  zurücki 
gekehrt.^  Als  das  Lager  schon  ans  linke  Elbeufer  verlegt  war,^ 
kam  Ebeleben  am  folgenden  Tage  an.  Man  stand  gerade 
unter  dem  Eindrucke  der  allerdings  noch  nicht  genügend  be- 
stätigten Nachricht  von  Herzog  Erichs  Niederlage.^  Sowohl 
der  Kaiser,  als  auch  seine  Umgebung  erwogen:  die  Truppet 
der  niederdeutschen  Städte  könnten  an  Reiterei  stärker  sein 
als  die  kaiserUchen  Streitkräfte,  so  dass  man  diese  Städte  nui 
mit  grossem  Zeitverluste  zu  Unterwerfung  und  Geldzahlung 
zwingen  würde.  Auf  die  Mitwirkung  der  Greschlagenen  könnte 
bei  einem  Zuge  gegen  Hessen  nicht  mehr  gerechnet  werdenj 
und  der  Landgraf  wäre  von  den  niederdeutschen  Städten  nichl 
mehr  abgeschnitten.^  König  Ferdinand  sei  mit  dem  böhmischen 
Aufetande  beschäftigt,  und  von  Herzog  Moriz  werde  gegen  seincD 
Schwiegervater  keine  Hilfe  zu  erlangen  sein.*  Diese  Besorgnisse 
gewannen  allerdings  erst  volle  Bedeutung,  als  Herzog  Erich 
mit  seinem  Vetter  Phihpp  von  Braunschweig  im  kaiserlichcD 
Lager  erschien  und  seine  Niederlage  bestätigte.     Dies  geschah 


^  laaleib,  216  f. 

'  ,D6  ohunin,  füt  par  crainte,  n'estant  prest  ponr  soustenir  contre  Sa  M&^, 
ou  par  la  doubte  que  penit  estra  U  avoit  de  ses  mesmes  subiects,  il  reif 
Toya  Tn(t  gentilhomme  dadit  duc  Manns  .  .  .*  Granyelle's  Darstellung^ 
Lans,  II,  591.     V{rl.  oben  p.  läl. 

•  Istleib,  Sie  f. 

«  Brief  des  Kaisers  an  K5ni|r  Feidinand  bei  Lana,  II,  675. 

•  QnuiTelle's  Darstellung  vLana,  U)  591;  V.  D.,  II,  276.11»,  Issleib,  217  und 
mein  Pr^ip^ammauf^ta,  p.  29, 

•  V.  a,  11,  tu  Anm.  2,  2T5>u.,  277^1^;  Lan»,  II,  674  f.;  Loserth,  365. 

•  IVr  Kaiser  an  Knni|r  Ferdinand.  1,  Juni  1547  bei  Lana,  II,  574f. 

•  V,  W  U.  27y„„  276.1U 


135 

aber  erst  nach  der  Wiederaufnahme  der  Verhandlungen  mit 
dem  Landgrafen.1 

Herzog  Moriz  bemühte  sich  darin  mit  besonderem  Eifer. 
Mau  glaubte  auf  Seite  des  Kaisers,  dass  dies  deswegen  ge- 
schah, weil  er  vermeiden  wollte,  dass  seine  eigenen  Unter- 
thanen  durch  einen  Zug  gegen  Hessen  geschädigt  würden.^ 
Es  gab  aber  für  den  Herzog  eine  viel  ernstere  Erwägung:  wie 
sollte  er  sich  dem  Kaiser  gegenüber  verhalten,  wenn  es  wirklich 
nun  Zuge  dahin  kam?  Denn  zu  einer  Hilfe  für  diesen  FaU 
▼ar  er  im  Jahre  vorher  nicht  verpflichtet  worden. 

Kaum  hatte  der  Herzog  Ebeleben's  Auftrag  vernommen, 
äü  ging  er  mit  dem  Kurfürsten  Joachim  sofort  zum  Bischof  von 
Arras.  Nur  zwischen  ihnen  wurden  nun  Verhandlungen  ge- 
föiurt,  die  am  2.  Jimi  begonnen  und  am  4.  Juni  beendet  wurden. 
Denn  Dr.  Siegmund  Seid,  ein  Augsburger,  damals  noch  nicht 
Beichsvicekanzler,'  wurde,  wie  die  Fürsten  später  selbst  schrieben, 
Ton  Bischof  Granvelle  nur  ,bisweilen'  zu  den  Verhandlungen 
i^ezogen.^  Konnte  man  einander  also  auch  ohne  Seld's  Hilfe 
Ferstehen?  In  welcher  Sprache  denn?  Doch  nur  in  der,  die 
allen  Dreien  geläufig  genug  war,  in  ihr  zu  verhandeln.  Herzog 
Moriz  verstand  sicher  nicht  Französisch,  das  gestand  er  wieder- 
holt   selbst,^   Kurfürst    Joachim    ebensowenig,*  und    da    beide 

*  Isileib  (217,  Anm.  61)  theilt  mit,  dass  Herzog  Erich  am  2.  Juni  gegen 
Abend  im  Lager  angekommen  sei.  Der  venetianische  Gresandte  weiss  am 
S.  Juni  noch  nichts  davon;  erst  am  6.  Jnni  berichtet  er  darüber.  V.  D., 
n,  276  f-i»,. 

'  jLedit  Dac  Manris  .  .  .  pressoit  au  contraire  tont  ce  qu'il  povoit  pour 
detenir  sadite  Ma** ,  pour  la  crainte  qu'il  avoit  que,  allant  an  pays  du 
lantgrave  ses  snbgectz  propres,  qu^estoient  au  chemin  a  la  Thuringe,  n*en 
receossent  dommaige,  et  ofifrit  de  faire  venir  resolne  responce  dudit  lant- 
grave  deans  six  jours.*    Granvelle^s  Darstellung,  Lanz,  11,  591. 

'  Gfltig-e  Mittheilung  des  Herrn  Dr.  Kretschmayer. 

*  ,Wlr  hmben  mit  Irer  Key.  M^  eigner  person  vor  des  Landgraven  Ein- 
steHung  in  dlser  sache  nichts  gehandelt  .  .  .  Sonder  den  Tractat  und 
Handlange  des  Vorstandts,  worauff  sich  der  Landg^ve  einstellen 
•ölte,  haben  wir  mit  dem  bischoff  von  Arras  .  .  .  gehandelt,  welcher  den 
hem  I>octoren  Seiden  bisweilen  zu  sich  gezogen.*  Instruction  der 
Korfürsten  Joachim  und  Moriz  für  eine  Werbung  beim  Kaiser,  12.  Sep- 
tember 1&51,  bei  Lanz,  Staatspapiere  (Bibliothek  des  literarischen  Ver- 
eines zn  Stuttgart,  1845,  XI),  488. 

*  Inleib,  Die  Gefangenschaft  Philipps  von  Hessen  (Neues  Archiv  für 
Siebs.  Geschichte,  1893,  XIV),  246,  256. 

*  Iselaib,  Die  Gefangennahme,  217. 


186 

Fürsten  auch  des  Latelnischec  zu  den  Verhandlungen  nicht 
mächtig  waren,'  so  ist  wohl  das  Nahehegendste,  anzunehmen, 
dass  der  Verkehr  in  deutscher  Sprache  erfolgte.  Denn  dass 
Bischof  Qranvelle  des  Deutschen  aucli  zu  milndlicher  Unter 
handlang  niftchtig  war,  ist  zu  gut  bezeugt,  um  daran 
zweifeln  zu  können.*  Nicht  blos  die  mttndlichen  Erklärungen 
wurden  damals  in  deutscher  Sprache  aosgetaascht:  auch  die 
Artikel,  die  am  2.  Juni  auf  Qrund  dieser  Erklärungen  Über- 
reicht wurden,  waren  sicher  in  dieser  Sprache  abgefasst,  wie 
wir  bald  sehen  werden. 

Anfangs  wollte  der  Bischof  von  Wiederaufnahme  der  Ver- 
handlungen gar  nichts  wissen.  Als  er,  angeblich  auf  die  Zu- 
sicherung einer  stattlichen  ,  Verehrung',*  dann  doch  mit  sich  reden 
liess,  hob  er,  wie  er  im  JuU  1547  schrieb,  abermals  die  Schwie- 
rigkeiten der  VertragsbOi^schafl  hervor.  Zugleich  wies  er  anf 
ein  vor  Kurzem  abgefangenes  Schreiben  des  Landgrafen  ad 
die  SccstUdte  hin.  das  seine  Unterhandlnngen  mit  ihnen  ent- 
hüllt habe.  Man  begreift,  dass  dies  auf  kaiserlicher  Seite 
gerade  damals  besonders  peinlich  berührte.  Die  ganze  Unter- 
handlung des  Landgrafen,  betonte  der  Bischof,  diene  nur  dazu, 
den  Kaiser  hiniuhatten.* 

Welcher    Vortragsentwurf   lag    den    Unterhändlern    vor? 

TWits   der   uns   unbekannten  .Anerbietungen'    des   Landgrafen, 

<.1ie   der  Kaiser   in  t^'r  vernahm,*   war  fOr   die  Mehrzahl  der 

Artikel  noch  immer  der  in  Aussig  abgefassie  Entwurf  giltig.   Aut 

diesen  hatte  auch  der  Ijindsrraf  in  LeipEig  lurtckgegriffen.  Darin 

stand   die   Bürjrsohaft    dreier  ivgierenden   Fürsten   und    seinei 

rUnde.   Si>wie   die  Stellun;:   eines  Sohnes   des  Landgrafen 

eisel.     l>amii  war  aber  der  Kaiser  nicht   befriedigt    und 

mJs  hatti-  er  vi»r  Wittenberg  wie  früher  verlangt,  Philipp 

Imq^u  miksse  sich  selbst  und  sein  Ijmd  unbedingt  ergeben. 


fV  Ati««  )>   13$^  Ann.  ^  <twl  t 

ins-  <*  i^MlNMat  9*  inceiarHil  W  aTtK-)«s.  n  BM«tuil  toiuionrs  dii 
c^  i*  U  H»T»  i*  s*d)W  M«*  >  i«»f>cT»»«  4b  oomplcment  dn  traictf 
t*nl  t>:J5  ^-'•'  •'^■"«  **"  (*s-rr*r.  -T.Tfrctfaiv  Aadit  lantfrave  l'on  poToi 

•ct«(«  ^s  .'.  rMMwi  »oa<w:':<>  r«wt>.Ni&#  armM  fi-mr  «nlretenir  Sa  Hn" 


137 

ifle  Festongen  sammt  der  ganzen  Artillerie  und  Munition  aus- 
Bdfem  und  statt  138.000  Gulden  150.000  erlegen.  Als  die 
Forsten  auf  den  Vertrag  zu  sprechen  kamen,  bereitete  sogleich 
der  erste  und  wichtigste  Punkt  desselben,  nämlich  die  Ergebung, 
Schwierigkeiten.  Auch  der  Landgraf  hatte  Ebeleben  erklärt, 
ach  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben  zu  wollen,  jedoch  eine 
Versicherung  der  Fürsten  gefordert,  dass  die  Ergebung  nichts 
Anderes  als  Fussfall  und  Abbitte,  also  auch  nicht  Stellung  seiner 
Person  als  Geisel,  bedeuten  dürfe. 

,Die  Fürsten  verlangten  daher,'  allem  Anschein  nach  zuerst 
Dar  ganz  allgemein,  ,eine  Declaration  ausserhalb  der  Capitulation, 
wie  weit  sich  die  Ungnade  erstrecke.'  Wussten  sie  dies  nicht? 
Sie  hatten  doch  nach  der  Rückkehr  von  Leipzig  vernommen, 
«lass  der  Landgraf  als  Bürge  des  Vertrages  zurückgehalten 
Verden  müsse,  damit  auch  Deutschlands  Ruhe  gesichert  werde. 
Sie  verkngten  eine  Nebenerklärung  zum  Artikel  der  Ergebung 
anch  d^wegen,  damit  dieser  in  der  Capitulation  zu  grösserem 
Ansehen  des  Kaisers  unverändert  bleibe.* 

Granvelle  wendete  ein,  das  sei  schwierig,  weil  der  Landgraf 
überallhin,*  besonders  aber  an  die  Seestädte  ^  schreiben  werde, 
^  weit  sich   die  Ungnade  erstrecke.     Man   wollte   dies  ver- 


^  3t  snr  Tarticle  que  conteDoit  au  traicte  que  le  lantgraye  se  rendroit 
ans  aacane  condition  a  la  volonte  [sie]  de  sa  Ma^  ,  ngnad  vnd  yngnad", 
lesdits  electeurs  demandarent,  lors  qu'ilz  proposarent  Toffre  dudit  Unt- 
ere, avoir  qaelqne  declaration  a  part  bors  de  la  capitalation,  afin 
qne  pour  plus  de  repatation  de  Sa  Ma**  Tarücle  an  traicte  detneara  en 
lon  entier.*     Qranvelle's  Darstellang,  591. 

'  ^  pour  ce  qae  Ton  lenr  dit  que  Ton  j  trouvoit  difficulte  a  cause  que 
fj  Ton  osoit  en  cecy  de  declaration  et  que  le  lantgrave  le  sceuHt,  il 
eeeriproit  partout  que,  sy  bien  il  se  yenoit  rendre  a  ngi^&d  ^t  vngnad**, 
il  s^Yois  bien  jusques  ou  ledit  vugnad  se  pourroit  extendre:  ilz  promirent 
qo'ilz  ne  feroient  s^avoir  aucune  chose  audit  lantgrave  de  ladite  de- 
claration, et  qu'il  ne  s<^uroit  autre  chose,  si  non  qu^il  se  rendroit  sans 
condition  comme  conUent  le  traicte.*     Ebendas.,  592. 

'  yAyans  clerement  par  leur  escript  promis  le  contraire,  pour  m'asseurer  que 
ledict  landgrave  n'escripvit  aux  villes,  selon  qu'il  est  coustumier  .  .  .  ' 
(Der  Kaiser  an  KOnig  Ferdinand,  28.  Juni  1547,  bei  Druffel,  I,  64.)  Auch 
im  Jali  1550  erklärte  der  Kaiser  den  Kurfürsten:  Der  Landgraf  sollte 
die  Declaration  nicht  erfahren,  ,damit  Ime  vmb  sovil  desto  weniger 
ranmb  gelassen  wurde,  die  Stette,  so  damals  noch  vngehorsam  gewest, 
lenger  aufzuhalten,  des  er  sich  den  damals  zum  höchsten  beflissen  vnd 

^egen  dieselben  betrieben  het.*    Lanz,  Staatspapiere,  432. 


138 

hindern,  weil  der  Kaiser  damals  mit  Hamburg  schon  seit  der 
dänischen  Vermittlung  in  Eger  in  Unterhandlung  stand/  und 
weil  er  auch  die  anderen  niederdeutschen  Städte  während  der 
Wittenberger  Unterhandlungen  durch  einen  Trompeter  zu 
Friedensgesandtschaften  hatte  auffordern  lassen.^  Musste  der 
Landgraf  schwere  Bedingungen  zugestehen,  so  konnte  der 
Kaiser  auch  von  den  Seestädten  grössere  Strafsummen  erlangen. 

Die  Ftlrsten  versprachen  darum,  eine  derartige  Declaration 
geheim  zu  halten:  der  Landgraf  werde  nur  erfahren,  dass  er 
sich  auf  Gnade  und  Ungnade  ergeben  müsse.  Dann  erst 
scheinen  sie  selbst,  und  zwar  zuerst  mündlich,  den  Wunsch 
ausgedrückt  zu  haben,  dass  die  Ungnade  ,weder  Leibesstrafe^ 
noch  Güterverlust,  noch  auch  ewiges  G^fängniss^  bedeuten 
möge.' 

Darauf  wurde  ihnen  geantwortet,  ihnen  zuliebe  dtUrfte 
der  Kaiser  zu  einer  solchen  Nebenerklämng  wohl  bereit 
sein.  Granvelle  forderte  sie  nun  auf,  sowohl  die  Aner- 
bietungen, die  sie  vorgetragen  hätten,  au&uzeichnen,  damit 
man  auf  dieser  Grundlage  den  Vertrag  abfiisse,  als  auch  die 
Nebenerklärung  hinzuzufügen,  die  sie  bezüglich  der  Ungnade 
wünschten,  ebenso  ihr  Versprechen,  sie  dem  Landgrafen  nicht 
mitxutheilen.^  Denn  auf  Grund  dieser  Aufiseichnung  sollte  dem 
Kaiser  Vortrag  gehalten  werden.* 


^  Bbehof  GfmnT^le  an  KGnigin  Maria,  Halle,  20.  Juni  1647,  p.  24  meines 


*  Venetianiaclie  Depesebe  aas  dem  Lafrer  ror  Wtttanbeii^,  IS.  Mai  1647, 
T.  D^  n,  )68.u*,  Anm. 

'  ,Traj  est  que  ledits  denx  electenra  ont  demande  asseoiance  que  je  ne 
le  ferx»T«  chastier  a  sa  persone  nj  en  ses  bleu«  plns  avant  da  contena 
aadit  trakte,  nl  aa»i  par  prison  perpetoeUe  et  eomiM  ila  ont  use 
de  ee  terme  ^perpetaelle*,  »eloii  qne  ansi  Ui  consentirent  qa'il 
se  meist  an  billet,  qne  snr  oe  ili  ont  denn«  pomr  ■"en  faire  relation, 
}e  m»  sois  ocmdesoendn  .  ,  /  Der  Kaiser  an  KSnif  Ferdinand,  Halle, 
U.  Joni  1S47  bei  Issleib.  Die  G«£ui|rennakme.  228,  Anm.  88. 

^  ^  Q  lenr  Int  lors  res«pondn  qne  ponr  lenr  oonsidentkm  Sa  Ma^  seroit 
eentante  »  dedairer  a  part  arec  enlx  snr  rvnpmd  et  qn^ilx  regardassent 
de  mectre  par  escnpt  tant  Ins  offras  qnlU  Ckisoient  snr  lesqoeUes  se 
drewmit  le  traictes  qoe  bi  declaration  qn^'ils  deeirment  dndit  mgnad, 
arec  la  prwnaaw  de  ncm  en  declairer  ancnne  ckose  andit  lantgrare, 
qne  Si  Ma«  penst  de  tant  plns   oortaincMent  reoir/     GimnTeUe's 


*  Vül  <«Wm.  Anm.  S, 


139 

Hit  ihrer  ZustimmuDg/  in  ihrem  Auftrage'  und  in  ihrer 
Gegenwart,*  also  unter  ihrer  vollen  Verantwortung  wurde  nun, 
was  sie  vorgebracht  und  zugesagt  hatten,  aufgezeichnet,  rein- 
geschrieben  und  überreicht.^ 

Dass  die  Aufzeichnung  in  deutscher  Sprache  erfolgte  und 
nur  in  dieser  am  2.  Juni  überreicht  wurde,  kann  nicht  mehr 
bezweifelt  werden.  Denn  dies  ist  in  Briefen  des  Kaisers  und 
des  Bischofs  Granvelle  an  Königin  Maria  und  an  König  Fer- 
dinand ausdrücklich  bezeugt.»  Wie  erklärt  es  sich  also,  dass 
von  dem  Actenstücke  auch  ein  französischer  Text  vorliegt? 
Dieser  findet  sich  als  Beilage  zu  einem  Briefe  des  Kaisers  an 
König  Ferdinand  vom  15.  Juni.^  Warum  wurde  diesem  nicht 
der  deutsche  Text  gesandt?  Diese  Fragen  sind  leicht  beant- 
wortet, wenn  wir  uns  erinnern,  dass  der  Kaiser  deutsche 
SchriflBtücke  nicht  lesen  konnte,  so  dass  sie  ihm  immer  in 
französischer  Uebersetzung  oder  Inhaltsangabe  vorgelegt  wurden.^ 
Denn  die  französische  Sprache  war  ihm  am  geläufigsten,  in 
dieser  verkehrte  er  auch  mit  seinen  Geschwistern. 

Glücklicherweise  besitzen  wir  den  ursprünglichen,  also 
den  deutschen  Text  der  Nebenerklärungen  vom  2.  Juni  in  einer 
authentischen  Abschrift.  Diese  stammt  von  der  Hand  des 
biseriichen    Secretärs®   Paul  Pfintzing    von  Hessenfeld,    eines 


*  Jus  consentirent.*     S.  oben  p.  138,  Anm.  3  und  unten,  Anm.  4. 
'^Izfeirentd  resser  vng  billet  en  allemand.*  Granyelle*s  Darstellung^,  592. 
'  ,Wie    dan    solches    alles    sampt   obgeschribnen    erpietten    in  beysein 

baider  Churfursten  ynnd  mit  derselben  be willigung  Inn  ain  lauttere 
Verxaichnuss  .  .  .  gepracht  worden.'  Kaiserliche  Erklärung  auf  dem 
Reichstage  bei  Sastrow,  ü,  648. 

*  ,Ung  article,  lequel  ilz  presentarent  a  Sa  Ma^  *.  Granvelle  an  Königen 
Hiria,  Halle,  20.  Juni  1547  (p.  22  meiner  Programmarbeit).  «L'escript . . . 
aroit  ete  donne  par  eulx.'  Der  Kaiser  an  KOnig  Ferdinand,  28.  Juni  1547 
(Dmffel,  I,  66).  ,Billet,  que  sur  ce  ilz  ont  donne.*  S.  oben  p.  138,  Anm.  3. 

'  ,Donne  par  eulx  et  en  alleman' ;  ,rarticle  que  eulx  avoient  conceu  en 
ilsmand*;  ,rarticle  en  allemand,  couche  par  lesdits  electeurs*.  Granvelle 
iB  Königin  Maria,  21.  Juni;  der  Kaiser  an  König  Ferdinand,  28.  Juni 
(p.  27  und  28  meines  Programmaufsatzes  und  Druffel,  I,  66).  Vgl.  oben 
p.  137,  A.  3. 

*  Bei  Issleib,  Die  Gefangennahme,  218  f. 
'  Vgl.  oben  p.  127,  Anm.  2. 

*  Als  solcher  erscheint  er  in  den  Beichshofrathsprotokollen  des  Wiener 
Staatsarchivs  (z.  B.  V.  f.  325,  VI.  f.  216,  XI.  f.  105,  111,  hier  auch  Einipes 
über  diese  Familie). 

AitUr.  LXUIII.  Bd.  I.  H&lfte.  10 


140 

Nümbergers,  der  (wahrscheinlich  1570)  in  Diensten  König 
Philipp's  n.  von  Spanien  verstorben  ist^  und  wenn  nicht  schon 
154 7y  so  mindestens  bald  darauf  des  Französischen^  und  des 
Spanischen^  mächtig  war.  Die  Abschrift  diente  als  Beilage 
zu  Depeschen  des  Kaisers  und  des  Bischofs  Granvelle  an 
Königin  Maria,  die  stets  des  Bruders  rückhaltloses  Vertrauen 
genoss.  Gleichzeitig  erhielt  sie  auch  eine  Abschrift  der  Abbitte 
des  Landgrafen  sowie  der  darauf  verlesenen  Antwort  des 
Kaisers,  ebenfalls  von  Pfintzing's  Hand  und  in  deutscher 
Sprache.  Der  Vertrag  des  Landgrafen  ward  ihr  aber  in  fran- 
zösischer Uebersetzung  vorgelegt.*  An  der  Hand  dieser  Acten 
sollte  sie  sich  selbst  tiberzeugen,  ob  der  Kaiser  zur  Verhaftung 
des  Landgrafen  berechtigt  gewesen  sei.^  Die  Zusendung  der 
Nebenartikel  in  deutscher  Sprache,  also  in  der  des  Originals, 
war  damals  nothwendig  geworden,  weil  die  Fürsten,  die  den  Ver- 
trag zustande  gebracht  hatten,  inzwischen  gegen  die  Verhaftung 
Einspruch   erhoben  und  ein  Missverständniss  behauptet  hatten. 

Die  am  2.  Juni  übergebenen  Nebenartikel  hatten  im  Auf- 
trage der  Fürsten  folgende  Fassung  erhalten: 

,Der  Landgrave  erpeut  sich  von  neuem  vnnd  vber  das 
vorgeend,  dass  er  alle  seine  bevestigungen  ausserhalb  ainer 
als  nemlich  Cassell  oder  Ziegenhaim  schlaiffen  woU. 

,Ferner  so  ist  er  vrputtich®  all  sein  Geschütz  vnnd  Muni- 
tion der  Kay[serlichen]  M[ajesta]t  zw  vberlivern.  Doch  wurd 
er  Ir  M'  bitten,  Ime  sovill  veldgeschutz  zw  der  ainigen  b^- 
vestigung,  die  er  behalten  wurd,  zelassen,  dass  er  sich  allain 
vor  ainem  bösen  Nachpaurn  erhalten  khund;  dan  ander  damitt 
zw  beschedigen  oder  zw  vberziehen,  sei  sein  mainung  gar  nicht. 

,Er  werd  sich  auch  der  Kay  [serlichen]  M*  in  genad  vnnd 
Vngenad  frey  vnnd  one  ainiche  condition  oder  anhang  ergeben, 


^  Piot,  Correspondance  da  cardinal  de  Granvelle  (Brnxelles  1884),  V,  38,  39. 

*  Im  Reichshofrathsprotokolle  VII  des  Jahres  1560  ist  (f.  429)  der  Ver- 
merk: ,Ex  Gallico  per  Pfintzing*.  Vg^l.  Poullet  et  Piot,  Ck>rre8pondaDce 
de  Qranvelle  (Bmzelles  1881),  III,  412,  und  Gachard,  Correspondance  de 
Marguerite  d'Autriche  (Bruxelles  1881),  lU,  206f. 

*  Vgl.  Cbantonnay's  Bericht  vom  Kaiserhofe,  19.  Febraar  1569  (Documentos 
ineditos  para  la  historia  de  Espana,  CUI,  138). 

*  p.  21,  Anm.  4,  und  p.  28  meines  Programmanfsatzes. 

*  p.  28,  ebendas. 

*  Erbötig. 


141 

doch  so  setzen  meine  genedigste  vnnd  genedige  Herren, 
der  Churfurst  von  Brandenburg  vnnd  Hertzog  Moritz  von  Sachsen 
diesem  Artickel  zw,  dass  für  Ire  personen  von  Nöten  sein 
mrd,  einen  verstand  von  Ir  M'  zehaben,  dass  Ime,  dem  Land- 
graven  solche  ergebung  weder  zw  Leyb straff  noch  zw 
Ewiger*  gefencknuss  reichen. 

^Desgleichen  auch,  dass  Er  an  seinem  Land  vnnd  Leuten 
sie]  zur  straff  nicht  mehr  verlieren  oder  Irer  M'  einreumen 
dan  in  den  vorgestelten  Artickeln  begriffen.  Doch  wer  sonst 
gegen  Ime  desshalben  zw  sprechen  hatt,  dass  solches  dem  selben 
an  seiner  gerechtigkhait  vnnd  rechten  vnabpruchig  sey;  darin 
er  zw  guetlicher  oder  rechtlicher  Handlung  Irer  M*  der  selben 
Comi^arien  oder  dem  Chamergericht,  wie  es  Ir  M*^  vffrichten 
wurd,  on  alles  widersprechen  volg  thuen. 

,Das  solt  gleichwoll  der  landgraff  nit  wissen,  sonder  sich 
9chlecht8  vnnd  frey  ergeben,  Aber  allain  auss  dieser  vrsach 
abo  furgenomen  werden,  damitt  hochgedachte  Chur-  vnnd 
farsten  Ime  solches  dest  freyer  vnnd  mitt  weniger  beschwerd 
rfa&ten  vnnd  Ine  darzw  pringen  mögen. 

,Vnnd  wa  Ir  M*  an  solcher  Assecuration  vnnd  versiche- 
nmg  nitt  ersettiget,  so  soll  Ir  M'  selbs  einen  Weg  der  selben 
Versicherung,  wie  sie  zum  aller  höchsten  [sie]  möcht  gesteh 
werden,  erdencken,  den  Ire  Chur-  vnnd  f[urstlichj  g[enadenj 
dem  Landgraven  vorhalten  vnnd  mit  Ime  daruff  handien  möchten 
sich  auch  selbs  derhalben  für  den  Landgraven  verpflichten.' 

Wenn  wir  nicht  wtissten,  dass  die  Nebenartikel  in  deutscher 
Sprache  überreicht  wurden,  so  würden  wir  dies  nach  einer  Ver- 
gleichung  des  französischen  Textes  mit  dem  deutschen  annehmen 
müssen. 

Dieser  enthält  das  Wort  ,Leyb straff.  Nach  dem  da- 
maligen Sprachgebrauche  bedeutete  es  auch  ohne  die  Ver- 
bindung   mit   ,ewige    gefencknuss'    Lebensstrafe,*     ,Straf    des 


^  Die  Ansicht,  dass  «ewiger*  in  »einiger*  verändert  worden  sei,  also  eine 
Fälschung  stattgefanden  habe,  ist  schon  vor  Auffindung  des  authentischen 
Textes  als  ,Fabel'  bezeichnet  worden.  Denn  auch  in  den  Briefen  des 
Landgrafen  aus  der  Haft  ist  nichts  gefunden  worden,  was  diesen  Ver- 
dacht bestätigen  konnte.    Vgl.  p.  13  meiner  Programmarbeit. 

'  Grimm,  Deutsches  W($rterbuch,  VI,  648 f.;  Adelung,  Grammatikalisch- 
kritischeB  W($rterbuch  der  hochdeutschen  Mundart  (Leipzig  1796),  II, 
1991  f.;    Schmeller,    Bayerisches    W($rterbuch   (Stuttgart   und   Tübingen 

10* 


142 

Lebens^/  noch  deutlicher:  ,Leibe8-  und  Lebensstrafe',*  Aus- 
drücke, die  auch  damals  vorkommen.  Leib  (lip)  ist  eben 
noch  fllr  Leben  (hfe)  gebraucht.  In  der  Carolina  wird  unter 
jLeibsstraf  jede  am  Leibe  vollzogene,  also  peinliche  Strafe, 
darum  auch  die  Todesstrafe  verstanden.*  Daraus  erklärt  es 
sich,  dass  dort  statt  des  Ausdruckes  ,Leibstraff  oder  ewige 
gefencknuss'  mit  der  für  den  Juristen  nöthigen  Genauigkeit 
,todt  oder  ewiges  gefengknuss'  gebraucht  wird.*  In  dem  fran- 
zösischen Text  der  Nebenartikel,  der  als  Beilage  zu  dem 
Briefe  an  König  Ferdinand  diente,  heisst  es:  ,ne  .  .  .  a  pain 
corporelle^*  Nicht  viel  besser  als  diese  wörtliche  Uebersetzung 
ist  die  bezügliche  Wendung  im  Briefe  selbst:  ,ne  le  feroye 
chastier  a  sa  person[n]e^*  Erst  in  dem  Briefe  des  Bischofs 
Granvelle  an  Königin  Maria  vom  20.  Juni  1547  und  in  seiner 
Darstellung  der  Verhandlungen  vom  Juli  1547  sind  Wendungen, 
die  mehr  den  Sinn  als  das  Wort  wiedergeben.  Da  heisst  es: 
,ne  la  chätiroit  ne  de  la  vie  .  .  .^'  und:  ,ne  seroit  chastie  de 
la  vie^®  In  diesem  Sinne  verstanden  es  auch  die  vermitteln- 
den Fürsten. 

Dass  der  deutsche  Text  der  ursprüngliche,  der  französi- 
sche aber  eine  Uebersetzung  ist,  ersieht  man  auch  aus  folgenden 
Stellen:  ,doch  so  setzen  meine  genedigste  vnnd  genedige  Herren, 
der   Churfurst    von    Brandenburg    vnnd    Hertzog    Moritz    von 


1827  bis  1837),  1412.  Ein  Ung^enannter  schreibt  wenige  Tage  nach 
der  Verhaftung  des  Landgrafen:  ,Ist  im  [dem  Landgrafen]  geantwort, 
das  Khay.  Mt.  haben  die  Leibstraff,  so  er  woU  verdient,  in  Yolantariam 
captivitatem  ime  zue  gnaden  kheert*.  (Anrede,  Datum  und  Unterschrift 
fehlen,  der  Empfänger  ist  yielleicht  am  Hofe  König  Ferdinands  zu  suchen. 
Wiener  Hof  bibliothek,  Cod.  9363,  f.  27). 
^  Dieses  Wort  wird  in  der  Antwort  auf  die  Abbitte  des  Landgrafen  ge- 
braucht. 

*  Dieses  gebraucht  z.  B.  Sastrow,  n,  665,  wo  es  heisst:  ,zur  Ebcecution  er- 
kanter  Leibes-  und  Lebensstraffe*.  In  der  Erzählung  von  Vogels- 
berger's  Hinrichtung  warnt  nach  ihm  der  Nachnchter,  Frankreich  zu- 
zuziehen, ,bei  Vermeidung  gleicher  Leibstraffe*  (II,  175). 

*  «Einführung  vorgemelter  Leibstraff  halben,  die  nit  zum  Tod  g^procben 
werden.*     Cap.  CXCVH,  p.  163. 

*  Cap.  XCI,  CXCn  (p.  19,  85,  159). 

^  Bei  Issleib,  Die  Gefangennahme,  219. 

*  Ebendas.,  228,  Anm.  88. 

^  p.  22  meiner  Programmarbeit. 
^  Lanz,  Correspondenz,  H,  592. 


143 

Sachsen^  (Absatz  3);  ferner:  , hochgedachte  Chur-  vnnd  fiirsten' 
■  Absatz  5),  endlich:  ,Ire  Chur-  vnd  jF[ur8tlich]  g[enaden]  (Ab- 
satz 6).  In  dem  französischen  Text,  der  dem  Kaiser  vorlag, 
liest  man  dafür  Folgendes:  ,ledit  marquis  et  duc  Maurice  ad- 
jttstent*  (Absatz  3)  und:  ,lesdits  princes^  (Absatz  5  und  6).^ 

Nur  einem  Kurfürsten  und  Erzbischof  gebühren  die 
Worte  ^gnädigster  Herr^,  wenn  man  an  oder  über  ihn  schreibt. 
«Gnädiger  Herr^  wird  jeder  andere  Reichsfürst  genannt.  Das 
geht  so  weit^  dass  selbst  Herzog  Moriz  in  einem  Briefe  an  den 
Landgrafen  vom  12.  Juni,  wo  er  schon  als  Kurfürst  unter- 
seichnet  ist,  den  Kurfürsten  von  Brandenburg  zweimal  seinen 
^edigsten  Herren^  nennt.*  Darum  wäre  es  nicht  undenkbar, 
daÄ  Dr.  Seid,  der  zu  den  Verhandlungen  Qranvelle's  mit  den 
Fürsten  ,bisweilen'  zugezogen  wurde,  die  Artikel  in  deren  Auf- 
trage niedergeschrieben  habe.  Es  ist  aber  ausdrücklich  be- 
zeugt, dass  die  Kurfürsten  diese  Artikel  selbst  abgefasst  und 
selbst  in  deutscher  Sprache  übergeben  hätten,^  daher  muss  sie 
einer  ihrer  Räthe  in  ihrem  Auftrage^  und  mindestens  theilweise 
nach  ihrem  Dictate  aufgezeichnet  haben.  Dies  Alles  ist  von 
den  Fürsten  nie  bestritten  worden. 

Von  ihren  Erklärungen  sollten  nur  die  neuen  Anerbietungen 
des  Landgrafen  (,über  das  vorgeend^)  in  ,die  vorgestelten  Ar- 
tickel*  des  Vertrages  Aufnahme  finden.  Der  übrige  Inhalt  der 
Nebenartikel  sollte  geheim  bleiben;  dies  versprachen  die  Fürsten 
mm  auch  schrifüich.  Wenn  es  im  ersten  Artikel  des  Vertrages 
hiess,  dass  der  Landgraf  ,sich  selbst  und  sein  Land'  auf  Gnade 
und  Ungnade  zu  übergeben  habe,  so  wünschten  nun  die  Fürsten 
eine  Declaration,  dass  diese  Ergebung  ,weder  zw  Leybstraff 
noch  zw  Ewiger  gefencknuss  raichen'  solle.  Bevor  diese  Worte 
aof  dem  überreichten  Blatt  Papier*  aufgezeichnet  wurden,  müssen 
sie  entweder  von  Bischof  Qranvelle  oder  von  den  E'ürsten  selbst 


^  Bei  iBsleib,  Die  Gefangennahme,  2 18  f. 

*  Bommel,  Urkundenband,  246  f. 

*  Jj'asseurance,  qne  eulx  mesmes  avoient  conceu*  —  ,leur  escript.* 
(Brief  vom  28.  Juni,  Druffel,  I,  64.)  ,ayoient  dresse  ung  article*  —  »comme 
ü«  Vayoient  couche*  —  ,que  eulx  avoient  conceu  en  alemand*  —  »couche 
par  lesdits  electeun.'  Briefe  Granvelle's  an  Königin  Maria  vom  20.  und 
21.  Juni  1647,  p.  22,  23,  27,  28  meiner  Programmarbeit.  Vgl.  oben 
p.  189,  Anm.  4  und  6. 

*  Vgl  oben,  p.  139,  Anm.  2. 

*  ,Ung  billet  en  allemand.*     Granyelle's  Darstellung,  592- 


144 

gebraucht  worden  sein.  Aus  dem  Briefe  des  Kaisers  an  seinen 
Bruder  vom  15.  Juni  scheint  hervorzugehen,  dass  die  Fürsten 
diese  Worte  zuerst  gebraucht  haben. ^ 

Warum  verlangten  die  Fürsten  eine  Zusicherung  gegen 
Todesstrafe  und  lebenslängUchesOefängniss?  Hatte  der  gefangene 
Sachsenherzog  als  geächteter  ,Rö^ö11'  und  ,Verletzer  kaiserlicher 
Hoheit'  nach  der  Auffassung  Karls  V.  den  Tod  verdient,*  so 
stand  es  mit  dem  Landgrafen  nicht  besser.  Aus  denselben 
Gründen  hatte  er  dieselbe  Schuld  zu  büssen.  Der  Sachsen- 
herzog wurde  zunächst  zu  lebenslänglicher,  dann  zu  zeitlich 
unbestimmter  Haft  begnadigt.  Die  vermittelnden  Fürsten  wollten 
also  den  Landgrafen,  der  sich  als  Geächteter  auf  Gnade  und 
Ungnade  ergab,  gegen  die  Todesstrafe  sichern  und  vor  dem- 
selben Schicksal  bewahren,  das  Johann  Friedrich  von  Sachsen 
getroffen  hatte:  vor  ,ewiger  gefencknuss'.  Gelang  ihnen  dies, 
so  wurde  er  milder  als  der  Sachsenherzog  behandelt.  Dieser 
war  aber  noch  dadurch  gestraft  worden,  dass  er  fast  die  Hälfte 
seines  Landes  verlor.  Im  ersten  Artikel  des  Vertrages  mit 
dem  Landgrafen  sollte  es  aber  heissen :  dass  dieser,  sich  selbst 
und  sein  Landt'^  auf  Gnade  und  Ungnade  übergeben  müsse. 
Daher  suchten  ihn  die  Fürsten  auch  vor  Landverlust  zu  sichern. 
Im  Vertragsentwurfe  stand  zwar  nichts  von  Landverlust,  sondern 
nur  von  Schleifung  der  Festungen,  aber  Ergebung  auf  Gnade 
und  Ungnade  schloss  auch  Gebietsverlust  nicht  aus.  Erwirkten 
sie  also  eine  Zusicherung  gegen  ewiges  Gefängniss  und  gegen 
Landverlust,  so  stellten  sie  den  Landgrafen  in  zwei  wesent- 
lichen Bedingungen  viel  besser  als  den  gefangenen  Bundes- 
genossen desselben. 

Was  that  der  Kaiser,  als  ihm  die  Nebenartikel  vorgele^ 
wurden?  Er  wendete  nichts  ein,  kein  Wort  der  Vorlage  wurde 
geändert.  Er  gab  keine  andere  Antwort,  als  dass  er  die  Artikel 
annehme.*  Er  nahm  sie  aber  nur  in  der  Absicht  an,  die  er 
den  Fürsten  wiederholt  hatte  kundgeben  lassen,  nämlich  den 
Landgrafen  als  Bürgen  des  Vertrages  zurückzuhalten,  oder  wie 


*  Vgl.  oben  p.  188,  Anm.  3. 
«  Vgl.  oben  p.  127  f. 

'  Bommel,  Urkundenband,  249. 

*  ,L*articl6  .  .  .  le  quel  eile  acorda  sinplement  [sie],  comme  ilx  VaToient 
conche,  sans  y  rien  debastre*  —  ,que  Sa  Majeste,  sans  le  debattre  nj  y 
faire  anlcnne  replicqne,  avoit  accepte.*     (Briefe  Granyelle*»  vom  20.  and 


145 

er  am  15.  Juni  König  Ferdinand  schrieb:  ihn  wenigstens  eine 
Zeitlang  in  seiner  Gewalt  zu  halten.^ 

Mit  Recht  drängt  sich  nun  die  Frage  auf^  ob  den  ver- 
inittebiden  Fürsten  während  ihrer  Verhandlung  mit  Granvelle 
mOndlich  die  Aussicht  eröffnet  wurde^  dass  der  Kaiser  den 
Landgrafen  nach  Fussfall  und  Abbitte  völlig  freigeben  werde. 
Auf  das  Entschiedenste  liess  der  Kaiser  auf  dem  Augsburger 
Reichstage  am  25.  November  1547  erklären:  ,Ist  ferner  der  be- 
nannten Vngnad  halben  ainiche  weittere  verwenung  oder  Ver- 
tröstung, wie  dann  baiden  Churfursten  Sachen  vnd  Brandenburg 
one  Zweifel  noch  wol  bewust,  mit  dem  wenigsten  nit  be- 
schehen.^*  Hätte  es  der  Kaiser  wagen  können^  die  Kurfürsten 
Öffentlich  in  solcher  Weise  an  das  Vergangene  zu  erinnern, 
wenn  er  Grund  gehabt  hätte,  darüber  eher  zu  schweigen?  Was 
damals  öffentlich  erklärt  wurde,  hat  Bischof  Granvelle  schon 
am  21.  Juni  auch  der  Königin  Maria  in  noch  allgemeinerer 
Form  versichert.» 

Erst  als  sich  der  Kaiser  mit  dem  Inhalt  der  von  den 
Fürsten  schriftlich  überreichten  Erklärungen  vom  2.  Juni  ein- 
verstanden erklärt  hatte,  konnten  die  darin  enthaltenen  neuen 
Zugeständnisse  des  Landgrafen  bei  der  endgiltigen  Formulirung 
des  Vertrages  berücksichtigt  werden,  die  am  4.  Juni  vollendet 
wurde.     Nun  wird  Dr.  Seld's  Hilfe  unentbehrlich  gewesen  sein. 

Es  ist  wohl  nach  dem  früher  Bemerkten*  selbstverständ- 
lich, dass  die  Unterhandlung  wieder  nur  in  deutscher  Sprache 
jefiihrt  wurde.  Anders  verhält  es  sich,  wenn  man  fragt,  in 
welcher  Sprache  die  Vertragsartikel  abgefasst  wurden.  Ver- 
omthlich  geschah  dies  zuerst  sowohl  in  deutscher  als  /auch 
in  lateinischer  Sprache.  Denn  auch  1546  bei  Verhandlungen 
sächsischer  Räthe  mit  dem  Kanzler  Granvelle,  dem  Vater  des 
Bischofs,  wurden  Erklärungen  zuerst  deutsch  durch  Dr.  Fachs 

21.  Juni  an  Königin  Maria,  p.  23,  27.)  ,Ledict  billet  accepte  par  Sa 
Ifa^,  Sans  y  adiouster  ny  diminuer  nne  syllabe/  Granvelles  Dar- 
stellung, 592. 

*  Je  me  suis  condescendu  avec  la  fin,  que  yous  scavez  j'ay  tonsionrs  tenn : 
de  s'U  estoit  poseible,  le  tenir  du  moings  ponr  quelque  temps  entre  mes 
maine.*     Issleib,  Die  Gefangennahme,  229,  Anm.  88. 

*  Sastrow,  II,  648. 

•  ,Asseurant  Icelle  [Votre  Ma**  ]  qu'il  n'y  a  passe  anltre  chose,  quelle  qu*el- 
le  soit,  sur  qnoy  Ton  pnisse  prandrep]  anlcnn  fondement*  (p.  28). 

♦  VgL  oben  p.  128  f.  nnd  186  f. 


146 

aufgezeichnet  und  dann  durch  Dr.  Carlowitz  ins  Lateinische 
übersetzt.^  Dieser  Gebrauch  entsprach  auch  einer  Bestimmung 
der  Wahlcapitulation  des  Kaisers  Karl  V.,  wodurch  sich  dieser 
verpflichtete,  ,in  Schrifften  fundj  Handlungen  dess  Reichs  kein 
andre  Zungen  noch  Sprach  gebruchen  [zu]  lassen  wann  die 
Teutsche  oder  lateinisch  Zungen,  es  wer  dann  an  orthen,  do 
gemeinlich  ein  andre  Sprach  in  ubung  oder  Qebruch  stunde* 
Für  den  Kaiser  wai*  auch  eine  Aufzeichnung  der  Vertrags- 
artikel in  französischer  Sprache  nöthig. 

Der  Vertrag  erhielt  nun  folgende  Form.*  Er  wurde  mit 
der  Erklärung  eingeleitet,  dass  der  Kaiser  auf  fieissige  Fürbitte 
der  Fürsten  ,vmb  Aussonung  und  Verzeihung  der  Straff,  darein 
er  umb  seiner  Ungehorsam  und  belaidigung  willen  gegen  Ircr 
Maiestät  verfallen^,  ,gnedigst  bewilligt  und  zugelassen'  habe, 
,das[s]  genanter  Landgraff  auf  Condition  und  Mass  vor  Irer 
Maiestät  erscheinen  möge^  Von  sicherem  Geleite  ist  aber  hier 
keine  Rede.  Der  erste  Artikel  bestimmt  zwar,  dass  der  Land- 
graf ,sich  selbst  und  sein  Landt  der  Kayserlichen  Majestät  in 
gnad  vnd  vngnad  ergeben^  solle,  doch  heisst  es  im  zweiten 
Artikel,  dass  er  sich  ,der  gnedigsten  Verzeihung  halben,  so  Ire 
Maiestät  Ime  thim  wirdet,  dermassen  danckpar  erzeigen'  werde, 
,das[s]  Ire  Majestet  künfftiger  Zeit  dessen  möge  ain  gnedigist 
Benuegen  haben'.  Dieser  Artikel  stellt  ihm  also  Verzeihung 
in  Aussicht. 

Das  Folgende  im  Vertrage  erinnert  an  die  Aussiger  Ar- 
tikel, nur  wurden  diese  in  eine  noch  mehr  verpflichtende  Form 
gebracht:  der  Landgraf  solle  den  Kaiser  als  seinen  ,ober8ten 
ainchen  Herrn'  anerkennen,  ,alles,  was  Ire  Majestatt  zu  guetem 
Fride,  Rhue  und  Ainigckeit  der  Teutschen  Nation  verordnen 
wirdet,  völlig  und  gentzlich  volstrecken'  (Artikel  3),  dem  Reichs- 
kammergericht gehorchen  und  ,sein  Gepumus'*  zur  Unterhaltung 


^  ,Auff  diese  beschehene  des  hem  von  Granvel  mundtlich  Ansaigung 
Haben  wir  am  Sonnabendt  nach  Vocem  iucanditatis  [6.  Jani]  diese 
nacbvorzeichendte  antworth  erstlich  durch  Doctoren  Facbsen  ins  Dentzsch 
gestellet  vnd  folgendt  dnrch  den  amptmann  Carlewitz  ins  Latein  bracht.' 
Ranke,  VI,  209. 

*  Bei  Qoldast,  Imperatorum  Caesarnm  .  .  .  statnta  et  rescripta  imperialis 
(Francofurti  1713)  IV/H,  2. 

'  Rommel,  Urkandenband,  248  f. 

*  Nicht  fOepurensS  wie  bei  Bommel,  Urkundenband,  249,  steht. 


147 

desselben  ,erlegen^  (Artikel  4).  Er  müsse  auf  jede  Art  von 
Eichungen  und  Pundnussen'  für  Gegenwart  und  Zukunft 
Terzichten,  alle  darauf  bezüglichen  Urkunden^  besonders  die 
des  Schmalkaldischen  Bundes  ausliefern^  über  alle  Aufschluss 
geben  (Artikel  6  und  7)  und  Herzog  Heinrich  von  Braunschweig 
and  seinen  Sohn  freigeben  (Artikel  16).  Ebenso  wurde  den 
ÄQSsiger  Artikeln  die  Verpflichtung  entnommen,  dass  der  Land- 
graf den  Kaiser  nicht  hindern,  sondern  unterstützen  müsse, 
wenn  er  gegen  irgend  Jemand  ,StrafiF  fürneme'  (Artikel  9),  und 
daas  er  seine  Unterthanen,  die  Anderen  gegen  den  Kaiser  oder 
den  König  gedient  hätten  oder  dienen  würden,  sogleich  abbe- 
rufen müsse  (Artikel  11). 

Die  Erlegung  der  Strafsumme  von  150.000  Gulden  (Ar- 
tikel 12),*  die  Gestattung  von  ,Pass  und  Öffnung'  in  Hessen, 
^  oSte  und  dicke  es  Irer  Maiestat  gefellig'  (Artikel  10),  war 
erst  vor  Wittenberg  gefordert  worden.*  Ungewiss  ist,  wann 
die  Bedingungen  gestellt  wurden,  dass  er  weder  gegen  den 
dänischen  König,  noch  gegen  jemand  Anderen  wegen  der 
Haltung  im  letzten  Kriege  ,Beschwerung  fümemen'  dürfe  (Ar- 
tikel 18),  femer,  dass  er  Alles,  was  er  dem  deutschen  Orden 
oder  ,8onst  yedem  Andern  unrechtmessiger  weyse  abgetrungen 
and  eingenommen^,  zurückgeben  (Artikel  17)  und  dass  er  ,An- 
sprüche  und  Anforderungen^  auf  sein  Gebiet  der  Entscheidung 
durch  ,Commissarien'  Ihrer  Majestät,  beziehungsweise  durch 
das  Reichskammergericht  anheimstellen  müsse  (Artikel  20). 

Ebenso  wurden  die  letzten  Anerbietungen  des  Landgrafen 
b«Eüglich  der  Festungen  sowie  der  Artillerie  und  der  Munition 
in  den  Vertrag  aufgenommen.  Er  sollte  ,alspaldt  alle  Bevesti- 
gnngen  seines  Landts  ausserhalb  Ziegenhain  oder  Cassell,  nach 
Irer  Majestät  wähle,  schlaiffen';  der  Befehlshaber  der  einen 
ilim  überlassenen  Festung  sollte  dagegen  für  den  Kaiser  und 
auf  den  Vertrag  vereidigt  werden  (Artikel  13  und  14). 

In  den  Vertrag  kamen  nun  auch  die  schon  in  Aussig 
von  Herzog  Moriz  vorgeschlagenen  Garantien:  die  Verschreibung 
,de8  Adels  und  aller  Unterthanen'  von  Hessen  und  die  dreier 
regierenden  Fürsten  (Artikel  22  und  23).  Diese  Fürsten  waren: 
Herzog  Moriz   und  Kurfürst  Joachim,   die   sich  dazu  schon  in 


*  Vgl.  oben,  p.  181. 

'  Lnleib,  Die  Gefangennahme,  210. 


148 

Aussig  bereit   erklärt  hatten/    und  der   zweite  Schwiegersohn 
des   Landgrafen,    Pfakgraf  Wolfgang    von  Zweibrücken.    Sie 
alle  sollten  den  Landgrafen  zur  Erfüllung  des  Vertrages  ,zwingeD 
helflfen',  die  Fürsten  ,mit  allem  tem  Vermögen  und  [mit]  Heres- 
krafft',  ,Adel   und   Unterthanen'   sollten   ^schuldig   sein^,    sogar 
nach   seiner  Person  zu  greiflfen'  und  ihn  dem  Kaiser  ,zu  über- 
antworten^, wenn  er  den  Vertrag  nicht  halte.    In  den  Aussiger 
Artikeln  war  für   diesen  Fall   nur  vorgeschlagen  worden,  dass 
die   drei    regierenden  Fürsten   und    die   Landstände   sich  ver- 
pflichten sollten,  ,beystendig  zu  sein,   das[s]  er  zu  der  Haltung 
getrungen  werdet*    Während  aber  damals  sogar  ein  Sohn  des 
Geächteten   als  Geisel  angeboten  wurde,  setzte   man  jetzt  fest^ 
dass   ,des   Landgraven   Rindere,    so   numehr   bei    Iren  JareO) 
Ratification  diser  Abrede  in  bester  und  sicherster  Formbe  ver- 
fertigen   und    sich   zu   Vollziehung   selben  verpflichten*    sollten 
(Artikel   21).     Gemeint    waren    wohl    nur  die   Söhne   aus  der 
Ehe  mit  Christine  von  Sachsen:  Wilhelm,  damals  fast  flinfzehn- 
jährig,   femer   Ludwig  und  PhÜipp,   von   denen  der  eine   nur 
zehn,  der  andere  nur  sechs  Lebensjahre  vollendet  hatte.    Von 
der   Stellung   eines  Sohnes    als  Geisel    war.  jetzt   keine  Rede 
mehr.     Es  verdient  dies   umsomehr  hervorgehoben  zu  werden, 
als  der  Landgraf  schon  am  6.  März  1547  Herzog  Moriz  gebeten 
hatte,  dahin  zu  wirken,  dass  der  Sohn,  der  als  Bürge  gegeben 
werden  müsste,   am  Hofe  König  Ferdinands   bleibe,  und  ,dass 
auch  ein  Zeit,  Jar,  bestimpt  wurde,  die  unnser  Sohn  an  solchem 
hove  als  ein  Gissel  sein  solt;  dann  für  und  für  daran  gisseis  weis 
zu  pleiben,  das  wolt  uns,   auch  ime,  zum  schwerlichsten  fallen 
und  hette  das  ansehen,  als  wer  er  gefangen'.* 

Alle  Bürgschaften  des  Aussiger  Entwurfes  mit  Ausnahme 
dieser  letzten  wurden  also  in  den  endgiltigen  Text  des  Ver- 
trages aufgenommen.  Nirgend  wird  behauptet,  dass  man  dies 
auf  Seite  des  Kaisers  besonders  gefordert  hätte.  In  Aussig 
setzte  Moriz  von  Sachsen  voraus,  dass  die  genannten  Garantien 
die  Bürgschaft  des  Landgrafen  in  eigener  Person  als  Geisel 
ersetzen  könnten.  Das  hatte  aber  schon  König  Ferdinand  in 
Aussig  für  zweifelhaft  und  später  im  März  während  seines 
Dresdner  Aufenthaltes  für  unmöglich  erklärt.     Nach  der  Rück- 

^  Rommel,  Urkuudenband,  216. 
'  Ebenda«. 
'  Ebendas. 


149 

kehr  von  Leipzig  vor  Ende  Mai  hatte  der  Herzog  die  Forde- 
rung yemehmen  müssen,  dass  der  Landgraf  als  Bürge  zurück- 
eehalten  werden  müsse;  selbst  das  Anerbieten  der  zwei  ver- 
mittelnden  Ftlrsten,  ,mit  ihrer  eigenen  Person'  für  den  Land- 
grafen zu  haften,  war  damals  abgeschlagen  worden. 

Als  man  sich  nach  der  Verhaftung  des  Landgrafen  be- 
mähte,  Widersprüche  zwischen  dieser  That  und  den  Vertrags- 
bestimiDungen  zu  finden,  um  zu  beweisen,  dass  die  Fürsten 
wirklich  an  keine  Haft  gedacht  hätten,  hob  man  hervor,  der 
Vertrag  enthalte  Dinge,  die  nur  für  einen  freien  Fürsten  passten.^ 
Am  deutUchsten  ist  dies  allerdings  in  dem  Artikel  ausgesprochen, 
worin  die  Unterthanen  sich  verpflichten  sollten,  bei  Nichter- 
füllung des  Vertrages  nach  der  Person  des  Landgrafen  zu 
greifen  und  sie  dem  Kaiser  zu  überliefern. 

Zwischen  den  Artikeln  muss  aber  wohl  unterschieden 
werden.  Einige  konnten  allerdings  auch  von  einem  Landes- 
herm,  der  sich  freiwillig  als  Geisel  stellte,  ,alsbald^  oder  in 
brxer  Zeit  erfüUt  werden,  zum  Beispiel  die  Schleifung  der 
Festimgen,  die  Erlegung  der  Strafsumme  und  die  Auslieferung 
der  Bondesurknnden.  Bei  anderen  konnte  erst  die  ferne  Zu- 
kunft lehren,  ob  sie  erftdlt  würden,  so  zum  Beispiel,  wenn  es 
im  Vertrage  hiess,  er  habe  allen  Anordnungen  des  Kaisers 
m  gehorchen,  Truppen  desselben  stets  Durchzug,  Feinden  aber 
keinen  Aufenthalt  in  Hessen  zu  gestatten,  die  Bestrafung  An- 
derer durch  den  Kaiser  zu  unterstützen,  niemals  mehr  Bündnisse 
ZQ  seUiessen,  das  Reichskanmiergericht  zu  erhalten.  Wenn 
iläo  der  Landgraf  persönlich  für  jede  Vertragsbestimmung  hätte 
))tirgen  sollen,  so  hätte  er  zeitlebens  Geisel  bleiben  müssen. 
IWn  wäre  sein  Schicksal  nicht  besser  als  das  des  gefangenen 
^^hsenherzogs  gewesen.  Gerade  dagegen  hatten  ihn  aber  die 
Forsten  zu  sichern  gesucht,  indem  sie  ausdrücklich  ,ewiges' 
^ftngniss  ausgenonmien  wissen  wollten.  Die  Fürsten  machten 
'päter  auch  geltend,  dass  im  Vertrage  von  zeitweiliger  Haft 
keine  Rede  sei.  Man  könnte  sogar  anführen,  dass  sie  dem 
Landgrafen  in  Leipzig  erklärt  hätten,  das  Wort  ,Ungnade' 
stehe  hauptsächlich  um  des  herkömmlichen  Gebrauches  wiUen 
ond  habe  sonst  keine  Wirkung.  Gingen  die  Fürsten  also 
^^ungslos   in    eine    Falle?     War    das    damals    wirklich    ihre 


*  VgL  Druffel,  I,  p.  681  f. 


150 

üeberzeugung  ?  Nach  der  Antwort,  die  ihnen  der  Kaiser  auf 
die  von  Leipzig  überbrachten  Vorschläge  gab,  hatten  sie  keinen 
AnlasB  mehr,  das  zu  glauben.  Sie  selbst  bewiesen,  dass  sie 
nicht  in  diesem  Irrthum  befangen  waren.  Denn  weder  in  den 
Forderungen  des  Kaisers,  noch  in  dem  Vertragsentwurfe  war 
die  Kode  davon,  dass  der  Landgraf  ,an  Land  and  Leuten 
zur  Straf  etwas  verlieren  solle,  und  dennoch  fanden  sie  es 
nothwendig,  gerade  auch  dagegen  eine  geheime  Nebenver 
Sicherung  zu  erlangen.  Sie,  die  in  dieser  Frage  so  vorsichtig 
waren,  sollten  es  für  überflüssig  gehalten  haben,  sich  gegen 
zeitweilige  Haft  vorzusehen,  weil  davon  im  Vertrage  keine 
Rede  war? 

Warum  wählten  die  Fürsten  den  Ausdruck:  ,weder  Leyb- 
straff  noch  Ewige  gefencknuss',  wenn  sie  ,weder  Leybstraff 
noch  gefencknuss'  meinten?  Der  Ausdruck  ,ewig'  wäre  dann 
nicht  nur  ganz  unnöthig,  sondern  auch  ganz  unerklärlich  ge- 
wesen. Er  war  aber  deswegen  gebraucht  worden,  weil  auf 
Seite  des  Kaisers  immer  an  der  Bürgschaft  des  Landgrafen  als 
Geisel  festgehalten  und  weil  diese  Forderung  auch  während 
der  Verhandlungen  vom  2.  bis  zum  4.  Juni  durch  keine  münd- 
liche oder  schriftliche  ,Verwenung  oder  Vertröstung'*  zurück- 
genommen worden  war. 

Nicht  blos  die  angenommene  Erklärung  der  Kurfürsten, 
sondern  auch  der  Vertragsentwurf  Hess  dem  Kaiser  völlig  freie 
Hand,  entweder  auf  der  Erfüllung  seiner  Forderungen  zu  be- 
stehen, oder  dem  Landgrafen  die  Bürgschaft  in  Person  ganz 
zu  erlassen.  Wie  konnten  aber  die  Fürsten  später  behaupten, 
dass  sie  gar  kein  Gefängniss  gemeint  hätten? 

Diesen  Widerspruch  kann  wohl  nur  folgende  Erklärung 
lösen.  Eine  Garantie  gegen  zeitweilige  Cautionshaft  war 
wie  von  allem  Anfange  an  so  auch  damals  unerreichbar. 
Der  Kaiser  hätte  sonst  seinen  eigenen  Aeusserungen  wider- 
sprechen müssen,  die  er  schon  zu  einer  Zeit  gethan  hatte,  wo 
er  nicht  einmal  in  Süddeutschland  seine  Feinde  bezwungen 
hatte.  Was  sich  von  ihm  durch  keine  verbindliche  Dedaration 
erbitten  liess,  so  mochten  die  Fürsten  denken,  das  konnte  er 
schliesslich  freiwillig  thun.  Warum  sollte  auch  Philipp  von 
Hessen  strenger  bestraft  werden  als  Ulrich  von  Württemberg? 


*  Vgl.  oben  p.  146 


151 

Wenn  er  auch  den  Kaiser  schwerer  als  dieser  beleidigt  hatte^ 
so  unterwarf  er  sich  dafür  freiwillig.  Die  Fürsten  scheinen 
in  dieser  Erwägung  auch  durch  die  Nachrichten  bestärkt  worden 
m  sein,  die  ihnen  einen  Sieg  niederdeutscher  Streitkräfte  über 
kaiserliche  Waflfen  bei  Drakenborg  meldeten.  Wenn  Nach- 
richten über  diesen  Sieg  am  2.  Juni,  wo  die  Nebenartikel  der 
Fürsten  überreicht  wurden,  noch  bestritten  werden  konnten, 
so  lagen  die  Dinge  am  Tage  des  Abschlusses  der  Verhandlung 
ganz  anders:  der  Sieg  war  eine  Thatsache,  mit  der  auf  kaiserlicher 
Seite  ernstlich  gerechnet  werden  musste.  Dass  der  Kaiser  trotz 
der  Veränderung  der  Gesammtlage  keine  Grossmuth  üben  werde, 
scheint  den  Fürsten  nicht  in  den  Sinn  gekommen  zu  sein. 
Wenn  sie  im  letzten  Momente  auf  die  veränderte  Lage  nicht 
hinwiesen,  so  lag  die  Rücksicht  zu  Grunde,  dass  ein  solcher 
Hinweis  den  Kaiser  vermuthlich  verletzt  hätte.  Sie  dürften 
überdies  erwogen  haben,  dass  der  Kaiser  ohnedies  Grund  habe, 
auf  sie  und  ihre  Mittlerdienste  mehr  als  früher  Rücksicht,  zu 
nehmen.  Sie  hatten  sich  sogar  selbst  als  Geisel  angeboten. 
Kor  weil  sie  zuversichtUch  hofften,  dass  der  Kaiser  nach  der 
Abbitte  des  Landgrafen  auf  dessen  Zurückhaltung  als  Geisel 
ganz  verzichten  werde,  nahmen  sie  die  Bürgschaften  der  Aussiger 
Artikel  in  den  neuen  Vertragsentwurf  auf  und  verstärkten  sie. 
Denn  diese  Garantien  sollten  als  Ersatz  für  die  Cautionshaft 
des  Landgrafen  dienen,  wenn  dieser  durch  die  Grossmuth  des 
Kaisers  frei  bleibe. 

An  demselben  Tage,  an  dem  die  Verhandlung  endete, 
ertheilte  der  Kaiser  dem  Herzog  Moriz  öffentlich  in  Gegen- 
wart vieler  Zeugen,  besonders  des  Kurfürsten  Joachim,  münd- 
lich die  Belehnung  mit  der  sächsischen  Kurwürde  und  ver- 
sprach, diese  Investitur  auf  dem  nächsten  Reichstage  feierlich 
öl  wiederholen.*  Nun  hatte  der  junge  Fürst  das  Ziel  seines 
Ehi^eizes  erreicht.  Um  diesen  Preis  hatte  er  viel  gewagt. 
Nicht  nur  die  Gehässigkeiten  des  nun  bezwungenen  sächsischen 
Verwandten  hatte  er  erfahren:  bei  seinen  eigenen  Unterthanen, 


'  iQuem  [Mauritiam]  etiam  postmodum  Caesarea  M^  principem  Electorem 
Saxonie  babendam  tenendnm  et  honorandum  publice  principibus  Electore 
marchione  Brandenburgen[8e]  Joachimo  et  pluribiis  aliis  in  vigilia  Trini- 
tatis  [4.  Juni]  declaravit  et  de  eodem  electoratu  verbo  investivit  solenniter 
in  proximis  habendis  imperialibas  comitiis  de  more  investiendum/  Der 
Bischof  Valentin  Teutleben  am  11.  Juni  1547.   Vgl.  oben  p.  126,  Anni.  4. 


152 

besonders  bei  denen  der  neu  erworbenen  Gebiete,  blieb  er  un- 
beliebt.^ In  der  Ffeude  über  den  Erfolg  meinte  der  junge 
Kurfürst  auch  in  der  Sache  des  Landgrafen  etwas  wagen  zu 
können. 

Er  und  Kurfürst  Joachim  wussten  genau,  dass  sich  der 
Landgraf  ohne  eine  sichere  Declaration  über  die  Folgen  der 
Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade  nicht  unterwerfen  werde. 
Eine  solche  hatten  sie  vorgeschlagen  und  zugestanden  erhalten, 
durften  sie  ihm  aber  nicht  mittheilen.  Dieses  Versprechen  zu 
geben  und  zu  halten,  war  für  sie  nicht  allzuschwer.  Denn  nie 
hätte  sich  der  vorsichtige  Landgraf  mit  dem  Wortlaute  ,weder 
zw  Leibstraff  noch  zw  Ewiger  gefencknuss'  zufrieden  gegeben: 
er  würde  auf  die  Tilgung  des  Wortes  ,ewig^  gedrungen  haben. 
Schon  während  der  Aussöhnungsverhandlungen  vor  dem  säch- 
sischen Feldzuge  des  Kaisers  und  während  desselben  hatte 
Herzog  Moriz  dem  Landgrafen  über  die  kaiserlichen  Forderungen 
nicht  die  volle  Wahrheit  bekannt.  Erst  in  Leipzig  erfuhr  sie 
dieser  zu  seiner  schmerzlichen  Ueberraschung.  Auch  als  der 
Herzog  das  zweite  Mal  ohne  den  Kurfürsten  Joachim  nach 
Leipzig  kam  (31.  Mai),  dürfte  er  seinem  Schwiegervater  nicht 
mitgetheilt  haben^  dass  der  Kaiser  verlangt  habe,  der  Land- 
graf müsse  als  Geisel  fUr  die  Erfüllung  des  Vertrages  am 
Hofe  bleiben.  Ebensowenig  wird  dieser  erfahren  haben,  dass 
das  Anerbieten  der  Fürsten,  dies  für  den  Landgrafen  selbst 
thun  zu  wollen,  nicht  angenommen  worden  sei.  Hatte  sich  der 
Landgraf  schon  am  6.  März  gegen  die  Stellung  eines  Sohnes 
als  Geisel  ausgesprochen,  und  hatte  er  verlangt,  dass  die  Zeit 
solcher  Bürgschaft  bestimmt  werden  müsse,  um  wie  viel  weniger 
wäre  er  dazu  zu  bringen  gewesen,  auf  unbestimmte  Zeit  selbst 
als  Geisel  beim  Kaiser  zu  bleiben! 

Da  fassten  nun  die  vermittelnden  Fürsten  einen  verhäng- 
nissvollen Entschluss  von  ungeahnten  Folgen:  am  4.  Juni  em- 
pfahlen sie  brieflich  die  Annahme  des  Vertrages  sammt  der 
Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade.  ,Dan  wir  versprechen 
Euer  Liebte  das  dieselbige  dardurch  vber  die  Artickel  weder 
an  leib  noch  Gut  mit  gefencknuss  Bestrickung  oder 
Seh  meierung  Ires  landes  nicht  sollen  beschwert  werden^ 
vnd    damit  Euer  Liebte    unns    desto  statUcher  zugleuben,   so 


»  V.  D..  U,  268.10«,  267.no,  267.„5. 


153 

rerpflichten  wirunns  mit  dieser  unnserer  SchriflTt,  wo  Euer 
Liebte  über  solliche  articul  (wan  sich  Euer  Liebte  uf  gnad 
flimd  nngnad  stellenn  wirdet)  einiche  beschwerung  begeg- 
nen wurde  —  des  wir  unns  keinswegs  versehenn  —  dass 
wirunns  alsdan  uff  Euer  Liebten  kindernn  erfordern 
personlich  wollenn  einstellen  und  das  erwarten^  das  Euer 
Liebte  über  die  Articul  auf  solliche  einstellung  wurde  auf- 
eri^/  Sieht  man  nlüber  zu,  so  erkennt  man,  dass  die  Fürsten 
dem  Landgrafen  nicht  den  Inhalt  der  Nebenerklärungen  ver- 
riethen.  Es  war  aber  doch  ein  Wagniss^  wenn  sie  in  blindem 
Vertrauen  auf  Grossmuth  und  Milde  des  Kaisers  versprachen, 
dass  er  nicht  mit  GefUngniss,  also  auch  nicht  mit  zeitweiUgem, 
beschwert  werden  solle,  und  wenn  sie  sich  verpflichteten,  im 
entgegengesetzten  Falle  sich  bei  seinen  Kindern  einzu3tellen, 
tun  das  Gleiche  zu  erleiden,  was  ihn  wegen  ^  des  Artikels  be- 
züglich der  Ergebung  treffen  sollte.  Der  Schluss  des  Briefes 
zeigt,  wie  wenig  sie  irgend  eine  Garantie  fUr  ihre  Auffassung 
besassen;  denn  da  heisst  es:  ,Und  ist  hej  der  Key.  Majestät 
nichts  weiters  zu  erhaltenn;  dan  Lre  Majestät  strack  hiruff 
berohet^* 

An  demselben  Tage  stellten  die  Fürsten  dem  Landgrafen 
einen  Geleitbrief  aus,  worin  es  hiess:  ,Wir  .  .  .  bekennen  vnd 
tbon  kund,  dass  wir  aus  sonnderlicher,  gnedigster  Bewilligung 
ond  Nachlassung  der  römischen  kayserUchen  Majestät,  vnsers 
allergnedigisten  Herren,  den  Hochgebomnen  Fürsten  Hern  Phi- 
lippsenn Landtgraffen  zu  Hessen  ...  in  Hochgedachter  Key. 
Majestät  feltlager,  welchs  orts  dasselbig  zu  jeder  2ieit  sein  oder 
uitroffen  wurde,  zu  kommen  verschrieben  und  darzu  unser 
frey,  fhelich'  sicher  und  ungeverlich  Gleidt  zu  unnd  ab  biss 
Widder  zu  Seiner  Liebten  gewarsam.'* 


^  Die  Worte  kennen  an  der  betreffenden  Stelle  wohl  nicht  gedeutet 
«erden:  ,wenn  er  tlber  die  Artikel  hinaus  beschwert  werden  sollte'.  Vgl. 
Dniffel,  I,  p.  684,  Anm.  4. 

*  Eommel,  Urkondenband ,  237  und  Reichstagsact^n  des  Wiener  Staats- 
archiTB. 

'  Sutt:  TOllig.  Bei  Bommel  (a.  a.  O.,  238)  und  bei  Issleib  (Die  Gefangen- 
nahme, 208)  irrig:  ,ehrlich'. 

*  Aehnlich  wie  hier  ist  das  Wort  ,gewarsam*  im  Sinne  von  ^sicherer  Ort* 
im  Geleitbrief  für  Luther  am  6.  März  1521   gebraucht:  ,Haben  wir  dir 


154 

War  das  Geleite  im  Namen  oder  mit  Zustimmung  des 
Kaisers  gegeben?  Wer  die  Worte  genau  erwägt,  und  da^ 
that  gewiss  auch  der  Landgraf,  muss  glauben,  dass  der  Kaiser 
zu  diesem  Geleit  seine  Zustimmung  gegeben  habe.  Philipp  von 
Hessen  war  im  Rechte,  wenn  er  diese  Auffassung  mit  dem 
Wortlaute  des  Geleitbriefes  zu  begründen  suchte.^  Aber  nur  der 
erste  Theil  dieses  die  Fürsten  so  weit  verpflichtenden  Satzes  war 
richtig.  Der  Kaiser  hatte  nach  dem  Vertragsentwurfe  ,gnedig8t 
bewilligt  und  zugelassen^,  dass  der  Landgraf  ,auf  Condition 
und  Mass'  vor  ihm  ,erscheine^*  Diese  Worte  erklären  sich 
daraus,  dass  mit  dem  Landgrafen  trotz  der  Verhandlungen  nicht 
einmal  Waffenstillstand  geschlossen  worden  war.  Allerdings 
hiess  es  im  Texte  ,unser*  Geleit.  Weil  die  Fürsten  aber  einige 
Zeilen  später  schrieben,  dieses  Geleite  solle  ihm  oder  den  Seinigen 
gehalten  werden,  und  hinzufügten:  ,Davon  geschieht  der  Hoch- 
gedachten Kay.  Maiestat  ernst  maynung','  so  musste  der  Land- 
graf glauben,  dass  sie  vom  Kaiser  dazu  ermächtigt  worden  seien. 

Ohne  dass  der  Kaiser  etwas  erfahren  hätte,  verpflichteten 
sich  die  Fürsten.  Es  fehlte  aber  damals  nicht  an  einer  war- 
nenden Stimme.  Der  sächsische  Rath  Ebeleben,  der  Capi- 
tulationsentwurf,  Brief  und  Geleite  dem  Landgrafen  zu  über- 
bringen hatte,  rief  den  beiden  Fürsten  zu:  ,Ir  heri'en,  ir  herren, 
ir  verpflicht  euch  viel,  sehet,  das  ir  der  Sachen  gewis  seiet.' 
Im  August  1550  erinnerte  Dr.  Fachs  seinen  Herrn,  den  säch- 
sischen Kurfürsten,  daran.^ 


3.  Annahme  und  Abschluss  des  Vertrages« 

Der  Landgraf  hatte  während  der  Verhandlung  Ebeleben's 
unverpflichtet   bleiben  wollen.     Daher   unterhielt  er  seine  Ver- 


herzakommen  und  von  dannen  widerumb  an  dein  sicher  ^warsam  unser 

und  des  Reichs  frey,  gestrackt  Sicherheit  und  Qeleit  geben.*     Goldast, 

Reichssatsungen  (Frankfurt  1712)  244. 
^  Vgl.  seinen  Brief  an  den  Kaiser  vom  12.  October  1547  bei  Lanz,  Corre- 

spondens,  II,  606. 
■  Vgl.  oben  p.  146. 

*  Rommel,  Urkundenband,  288. 

♦  ,8o  habe  ich  einmal  von  Christof  von  Ebeleben,  seliger,  gehOrt,  das  er 
EU  beiden  E.  Kf.  G.  gesagt:  „Ir  herren  . .  .**  etc.  Ob  aber  solches  daselbst  [im 


155 

bindang  mit  den  Führern  des  niederdeutschen  Heeres.  Diese 
fODSchten,  dass  er  sich  mit  ihnen  vereinige  und  sich  an  die 
Spitie  ihrer  Truppen  stelle^  beziehungsweise  sie  in  seinen  Dienst 
nehme.*  Am  6.  Juni  schrieb  er  ihnen  ,in  eill*,  sie  möchten 
dlends  jemants  verstendigs'  zu  ihm  schicken^  mit  dem  das 
Sihere  verabredet  werden  könnte.  Unterdessen  sollten  sie 
(b  Kriegsvolk  ,bey  einander*  behalten^  nicht  ,yerziehen  oder 
Terhuffen'  lassen.  ^Brandschatzet  und  machts  wie  Ir  kennet*^ 
iieas  es  in  dem  Schreiben,  ,das  sie  nit  zerlauffen^  Wenn 
weh  der  Kurfürst  zu  Sachsen  (gemeint  war  Johann  Friedrich) 
^e  Seinigen  abfordere  und  diese  abziehen  wollten,  so  mögen 
«loch  die  anderen  beisammen  bleiben.  Nicht  blos  der  gefan- 
gne Sachsenherzog,  sondern  auch  Hamburg  und  andere  Städte' 
iiitten  damals  schon  ihre  Truppen  abberufen.  Den  Truppen- 
fehreni  fehlte  es  an  Geld.  Trotz  des  Sieges  bei  Drakenborg 
war  die  Krieg&casse,  angeblich  mit  60.000  französischen  Kronen 
und  9000  Thalem  gefüllt,  in  die  Hände  des  kaiserlichen  Feld- 
krrn  Wrisberg  gefallen,  der  durch  einen  saumseligen  Marsch 
die  Niederlage  mitverschuldet  hatte.  Nach  dieser  hatte  er  die 
Keste  des  Heeres,  vielleicht  doch  noch  7000  Mann,  bei  Alten- 
Wg  vereinigt.*  Wenn  aber  der  Landgraf  in  demselben  Briefe 
oittheilte,  dass  ,Frankreich'  zu  ihm  geschickt  und  sich  erboten 
^^,  ,mit  reutem,  Knechten  und  gelt'  zu  helfen,*  so  muss  dem 
ect^gengehalten  werden,  was  er  selbst  am  15.  Juni  an  den 
^«lÄÖsischen  König  darüber  schrieb.^  Damach  erhielt  er  nur 
^e  unbestimmte  Zusage,  und  zwar  nicht  einmal  von  dem  fran- 
i^hen  Könige  selbst  sondern  von  dessen  Staatssecretär  Se- 
l*^^  von  Aubespine,  Abt  von  Bassefontaine. 

An  demselben  Tage,  an  dem  der  Landgraf  den  Führern 
niederdeutschen  Truppen    schrieb,    erschien   bei    ihm    ein 

Liger]  im  esszelt  oder  in  des  von  Arras  losament  vor  Wittenberg  geredt, 

bn  ich  mich  nicht  entsinnen.'    Dresden,  20.  August  1560.     Druffel,  I, 

p.486f. 
'  V^l.  das  ,te0tamentarische  Verzeichnis*  aus  der  Haft  in  Donauwörth  vom 

18.  November  1647  bei  Bommel,  Urkundenband,  264. 
'Ebendas. 

*  V.  D.,  n,  282.1M. 

'Roomiel,  Urknndenband,  239. 

*  Jijuki  entendn  ce  qne  Christofle  Adamstet  nous  a  dit  et  rapporte  de 
boaehe,  sans  toutesfojs  nous  monstrer  lettres  de  creance  de  y^  ma^, 
suis  seullement  ung  petit  mot  de  lettre  de  Bassefontaine,  et  ne  pouvant 

ifthir.  LXXXm.  Bd.  I.  HUft«.  11 


156 

Ellbote  aus  dem  Lager  von  Wittenberg  mit  einem  Briefe  der 
Eurftirsten  Joachim  imd  Moriz.  Darin  theilten  sie  ihm  mit, 
dass  Ebeleben  nachfolge,  und  baten  ihn,  sich  mit  Niemand 
irgendwie  einzulassen.^  Wirklich  kam  Ebeleben  noch  am 
6.  Juni  und  tiberbrachte  die  oben  genannten  Schriftstücke.  Zn 
derselben  Zeit  empfing  der  Landgraf  die  Nachricht,  dass  sicli 
die  gesammten  niederdeutschen  Streitkräfte  trennten.  So  schrieb 
er  dem  französischen  Könige  am  15.  Juni.^  Obwohl  er  schon 
wiederholt  bei  den  niederdeutschen  Städten  angefragt  habe, 
hob  er  damals  hervor,  was  sie  zu  thun  gedächten,  habe  er  gar 
keine  Antwort  empfangen.  Von  den  Käthen  des  gefangenen 
Sachsenherzogs  habe  er  kein  Geld  erhalten  können.  Des 
Kaisers  Heer  sei  nur  wenige  Tagmärsche  von  der  Grenze 
seines  Landes  entfernt  gewesen,  er  selbst  habe  keine  Truppen 
mehr  sammeln  können.  Viele  seiner  Nachbarn,  ,besonders 
einige  Bischöfe^  seien  schon  lange  zur  Unterstützung  des 
Kaisers  bei  einem  Zuge  gegen  Hessen  vorbereitet  gewesen. 
Er  habe  ftirchten  müssen,  dass  in  diesem  Falle  vielleicht  der 
grösste  Theil  seiner  Unterthanen  wegen  ihrer  Verbindungen 
mit  dem  Kaiser  von  ihm  abfallen  würde.  Da  auch  der  König 
keine  bestimmte  Hilfszusage  gegeben  habe,  so  sei  er  gezwungen 
gewesen,  den  Vertrag  mit  dem  Kaiser  anzunehmen.' 

In  der  That,  was  bUeb  dem  Landgrafen  Anderes  übrig? 
Gerade  die  norddeutschen  Städte,  die  durch  ihren  Sieg  seine 
natürlichen  Verbündeten  zu  werden  schienen,  waren  im  Gegen- 
sätze zur  kriegerischen  Stimmung  ihrer  siegreichen  Führer  zu 
keinen  Geldopfem  bereit.^  Schon  im  Januar  hatte  der  Land- 
graf geklagt,    dass   die   ,sächsischen'  Städte   sein   Gesuch  um 


par  la  pre&dre  rien  de  certain  de  ce  qne  votre  dite  ma**  estoit  delibere 
de  faire,  qnant  a  nouB  seconrir  et  eu  qnel  temps*  etc.     Lanz,  Correspon- 
denz,  H,  655. 
^  Issleib,  Die  Gefangennahme,  216,  224. 

*  ,Nou8  eusmes  adyis  qne  toute  ceste  force  de  gens  et  de  cheval  se  rompoit 
et  sepparoit.  Et  an  mesme  instant  arriva  Tun  des  conseillers  et  ministres 
dadit  duc  Maarice,  nomme  Christofle  Debleben  .  .  .*  Lanz,  Correspon- 
denz,  n,  654. 

'  Ebendas.  Vgl.  damit  das  ,Testamentarische  Verzeichniss'  bei  Bommel,  Ur- 
knndenband,  264. 

*  ,Non  re8tar6  anco  di  dire  alla  Sublimiti  V*  che,  sl  come  mi  i  stato 
affirmato,  esse  terre  di  marina  il  mese  passato  havendo  per  causa  delU 
guerra  gettata  una  contributione  de  30  mille  fiorini,  non  li  hanno  potuto 


157 

Geldhilfe  abschlägig  beschieden  hätten^  und  wenn  er  damals 
TDD  Frankreich  und  England  sagte,  sie  hätten  viel  verheissen 
and  wenig  geleistet,  so  galt  dies  auch  fUr  die  folgenden  Monate.* 
Er  besass  wenig  Geld  und  hatte  auch  von  Johann  Friedrich 
dem  Mittleren  von  Sachsen  keines  bekommen.^ 

Wenn  er  jedoch  dem  französischen  Könige  gegenüber 
behauptete,  dass  die  von  Ebeleben  überbrachten  Bedingungen 
ihn  nicht  verpflichtet  hätten,  dem  Kaiser  die  hessischen  Festun- 
gen zu  übergeben,  femer,  dass  er  nichts  von  seinem  Gebiete 
veiüere,  und  dass  er  sich  auch  nicht  in  die  Gewalt  des  Kaisers 
zu  überliefern  brauche,  so  erkennt  man  daraus,  wie  sehr  er 
der  Verpflichtung  der  Kurftlrsten  vom  4.  Juni  trauen  zu  können 
ffUabte.'  Er  unterliess  es  sogar  mitzutheilen,  dass  er  alle  seine 
Festungen  bis  auf  eine  schleifen  lassen  müsse,  weil  er  die 
Hoffnung  hegte,  dass  der  Kaiser  ihm  bezüglich  der  Festungen 
and  des  Geschützes  noch  Einiges  erlassen  werde. 

Am  7.  Juni  schrieb  er  den  vermittelnden  Fürsten,  er 
bbe  im  unzweifelhaften  Vertrauen,  das  er  zu  ihnen  habe, 
.<kmit  auch  die  KeyserUche  Majestät  sehen  mugen,  das[s]  wir 
ihr  vertrawen',  die  Artikel  angenommen.  SchliessKch  versprach 
er,  vor  dem  Kaiser  zu  erscheinen,  ,der  trostlichen  Zuversicht, 
dieweill  wir  vns  gegen  Keys.  Majestät  allso  undertheniglich  vnd 
Tertrawlich  ertzeigen,  Ire  Keys.  M.  werde  sich  auch  der  andern 
Vestunng  halben  vnd  von  wegen  des  geschütz  in  allen  gnaden 
g?gen  uns  beweisend*  Auf  einem  beigelegten  Zettel  bat  er  die 
F&rsten,  AJles  dahiii  zu  richten,  dass  ihnen  bei  der  bevor- 
stehenden Begegnimg  ,des  Kaisers  endUch  Gemüth'  bekannt 
sei.    Bei  aller  Zuversicht   mahnte    er  also  doch  zur  Vorsicht.^ 

Die  Vorschläge,  die  der  Landgraf  zur  Aenderung  ein- 
lelner   Bedingungen   machte,    bezeichnete   er  als  unwesentlich. 

acodere,  per  il  che  parlavano  di  concorrere  per  ravenire  in  loco  di  denari 
con  gente  da  gaerra  ciascaduna  per  la  rata  sua.  Questo  fa  credere  che 
quelle  citti  si  attrovino  hora  in  molta  confusione  et  che  la  sua  lega 
babbi  da  durar  poco.'  (In  Chiffren.)  Mocenigo,  Bitterfeld,  9.  Juni  1547. 
V.  D.,  n,  281.,M. 

>  Bommel,  Urknndenband,  174,  180,  194,  208. 

'  yTestamentariaches  YerzeichnissS  a.  a.  O.,  264;  Brief  des  Landgrafen  an 
den  französischen  König  vom  15.  Juni,  Lanz,  Correspondenz,  II,  653  f. 

'  Brief  Tom  16.  Juni,  a.  a.  O. 

*  Bommel,  Urknndenband,  240  f. 

'  Isileib,  Die  Gefangennahme,  225. 

11* 


158 

Wenn  man  aber  näher  zusieht,  so  war  dies  fllr  alle  Vorschlägj 
doch  nicht  giltig.  Das  Verzeichnisse  derselben,  das  der  säcfa 
sische  Rath  Ebeleben  seinem  Herrn  am  9.  Juni  in  Leipzii 
übergab,*  enthielt  die  Bitte,  die  Fürsten  möchten  ihm  eilen! 
eine  Copie  ihrer  Verpflichtung  bezüglich  der  Anerkennung  eine 
Concils  zusenden.  Diese  Verpflichtung  hatte  Herzog  Moriz  ao 
19.  Juni  1546*  und  Kurfllrst  Joachim  am  1.  Jum'  1547*  aus 
gestellt.  Gegen  den  Schluss  des  Verzeichnisses  heisst  es,  sc 
bald  ihm  bekanntgegeben  werde,  wann  und  wohin  er  kommei 
solle,  wolle  er  ,vff  Irer  chur-  vnnd  fürstlich  gnaden  Schreiber 
zugeschickt  geleith  vnnd  Versicherung  komen^  In  einer  Nacl 
Schrift  stand:  wenn  er  auf  Bickenbach,  lugenheim  und  See 
heim,  deren  Werth  er  auf  30.000  Gulden  angibt,  verzichte] 
müsse,  so  sei  das  der  ,Schrifft',  die  ihm  von  den  Fürsten  g€ 
geben  worden,  ,gestracks  zuwider;  dan[n]  die  pringet  mit,  da 
sein  fürstlich  gnaden  an  Iren  landenn  etc.  kein  abbruch  bc 
schehen  solle'.*  Diese  Güter  waren  von  den  kaiserlichen  Feld 
herren  Gruningen  und  Wrisberg  eingenommen  worden.* 

Man  ersieht  aus  diesen  Aeusserungen,  welch'  grosses  G( 
wicht  der  Landgraf  auf  die  ihm  übersandte  ,Versicherung*  de 
Fürsten  legte.  Auf  Grund  derselben  Verpflichtung,  aber  ohn 
sich  darauf  zu  berufen,  wagte  er  in  das  genannte  Verzeichnis 
auch  das  Verlangen  aufzunehmen,  dass  er  durch  einen  vo 
dem  Kaiser  besiegelten  Sühnebrief  von  der  Acht  absolvirt  un 
in  seinen  ,vorigenn  stand  genntzUch  restituirt  vnnd  gesetzt  werde 
und  dass  er  nicht  länger  als  ,funf  oder  sechs  oder  acht  Ta 
aufgehalten'  werde.  Denn  da  in  der  Verpflichtung  der  Fürste 
das  Wort  ,ewig'  vor  ,GefUngniss'  fehlte,  glaubte  er  sich  davc 
gänzlich  bewahrt. 

Nachdem  Eurftirst  Moriz  Ebeleben's  Bericht  vemomme 
hatte,  verliess  er  mit  ihm  Leipzig  und  erreichte  das  kaise 
hche  Hoflager  noch  am  10.  Juni  in  Halle  an  der  Saale.'  Ai 
Morgen  des  folgenden  Tages  sprach  er  dann  sowohl  mit  Bische 


^  Rommel,  240  f. 

*  Issleib,  225  f. 

*  Vgl.  V.  D.,  I,  600.14B,  Anm.  2. 

*  Druflfel,  I,  69. 
^  Rommel,  244. 

*  Ebendas.,  245. 

'  Issleib,  Die  Qefangennahme,  226. 


159 

Granvelle  als  mit  seinem  ,Freunde*,  wie  er  ihn  nannte,^  dem  Herzog 
von  Alba,  über  die  von  dem  Landgrafen  gewünschten  Aenderun- 
ffen,  beziehungsweise  Erklärungen  der  Vertragsartikel.  Die  Ver- 
bttdlung  war  schon  ,im  besten'  Gange,  als  ihm  zwei  kur- 
hnndenburgische  Räthe  die  baldige  Ankunft  ihres  Herrn 
meldeten.  Im  Namen  desselben  nahm  dann  auch  der  Kanzler 
Dr.  Christoph  ,von  der  Strassen'  an  den  Berathungen  theil.* 
Aach  Ebeleben  dürfte  im  Namen  seines  Herrn,  des  Kurftlrsten 
Horiz,  mit  Granvelle  verhandelt  haben.* 

Von  den  Erklärungen  des  Landgrafen  sind  leider  nur 
teasische  Copien  auf  uns  gekommen.*  Wir  vermissen  aber 
nne  Abschrift  dessen,  was  davon  Kurftirst  Moriz  Granvelle 
schriftlich  vorlegte.^  Das  Natürliche  wäre  wohl  gewesen,  die 
Aufxeichnnng  des  Landgrafen  einfach  dem  Bischof  vorzulegen. 
Das  scheint  aber  nicht  geschehen  zu  sein.  Einiges  dürfte  nicht 
ZOT  Eenntniss  des  Bischofs  gelangt  sein.  Besonders  die  Nach- 
schiifi  wird  gefehlt  haben,  da  sich  der  Landgraf  darin  aus- 
i^klich  auf  die  Versicherung  der  Fürsten  vom  4.  Juni  be- 
mjl  Granvelle  hätte  daraus  Verdacht  schöpfen  können,  dass 
»üe  Fürsten  sich  einer  Lidiscretion  und  darum  des  Wortbruches 
^'huldig  gemacht  hätten;  denn  sie  hatten  sogar  schriftlich  ver- 
sprochen, geheimzuhalten,  wie  weit  die  Ungnade  reiche.  Auch 
<ier  Passus,  wo  der  Landgraf  versprach,  auf  das  zugeschickte 
Gtleit  und  die  Versicherung  hin  zu  kommen,  Hess  wegen  des 
Wortes  jVersicherung'  eine  Lidiscretion  ahnen.  Darum  kann 
nicht  behauptet  werden,  dass  er  schriftHch  vorgelegt  worden  sei. 

Die  kaiserliche  Resolution^  wurde  schon  am  IL  Juni 
übergeben.^    Darin    hiess    es    zwar,    der   Kaiser   sei    ,auf  ge- 


^  Brief  an  den  Landgrafen,  Halle,  12.  Juni  1547  bei  Rommel,  246. 

*  Ebenda«,  und  Issleib,  226. 

'  iQuiri  heil  venne  un  huomo  mandato  da  lanthg^ayio,  con  il  quäle  essendo 
stato  monsignor  di  Aras  assai  longamente  con  li  capitoli  in  mano,  and6 
all'  Imperatore,  et  dapoi  che  usci  da  Sua  M^,  si  ö  detto  per  certo 
che  Taccordo  i  concluso.'  Mocenigo,  Halle,  12.  Juni  1647.  V.  D.,  II, 
J83.JJ,. 

*  Wiener  StaatBarchiv,  Belchstagsacten. 

'  J>et  Lantgraven  etlicher  Artikel  der  Capitnlation  gebetene  Declaration, 
welche  dem  Bischof  von  Arras  schriftlich  zngestaldt.*  Werbung 
der  Karfürsten  yom   12.  September  1551   bei  Lanz,   Staatspapiere,   487. 

'  Bommel,  Urkundenband,  244  f. 

^  Vgl.  oben  Anm.  8. 


160 

schehene  Vorbit  zufrieden*,  dass  dem  Landgrafen  Bickenbach, 
lugenheim  und  Seeheim  verbleibe.  Das  beweist  nicht,  dass 
die  Fürbitte  schriftlich  vorgelegt  worden  sei.  Denn  auch  be- 
züglich der  Festungen  und  des  Geschützes  wurde  von  den 
Kurftirsten  Fürbitte  eingelegt,  ohne  dass  davon  in  dem  ge- 
nannten Verzeichnisse  die  Rede  gewesen  wäre. 

Was  nun  die  Bitte  des  Landgrafen  betriflFt,  die  Sachen 
dahin  zu  befördern,  dass  er  nicht  über  acht  Tage  ,aufgehalten' 
werde,  so  war  sie  eigentlich  nur  an  die  vermittelnden  Fürsten 
gerichtet.  1551  behaupteten  diese  in  einer  Instruction,  die  sie 
ihren  Beauftragten  beim  Kaiser  ertheilten,  Granvelle  habe  von 
diesem  Wunsche  durch  die  schriftUch  zugestellte  Bitte  um  De- 
claration  etlicher  Artikel  der  Capitulation  erfahren.^  Dieser 
Wunsch  sei  nicht  abgeschlagen*  worden,  oder  wie  es  in  einem 
Entwurf  hiess,  den  Eurftirst  Joachim  verfassen  Uess:  Ihre  Maje- 
stät habe  diesen  Artikel  ,passiren  lassend'  Der  Eurftirst  von 
Brandenburg  war  während  der  damaligen  Verhandlungen  noch 
nicht  in  Halle.  Was  nun  unter  ,passiren  lassen^  und  ,nicht 
abschlagen^  zu  verstehen  ist,  zeigt  die  kaiserliche  Resolution: 
sie  übergeht  diese  Bitte  des  Landgrafen  mit  Stillschweigen. 
Daraus  kann  aber  unmöglich  Zustimmung  und  Annahme  ge- 
folgert werden.  Denn  bei  einer  Vergleichung  der  dreizehn 
Punkte  des  überreichten  Verzeichnisses  mit  den  Artikeln  der 
kaiserlichen  Resolution  ei^bt  sich,  dass  der  Landgraf  noch  auf 
zwei  andere  Bitten  (Artikel  3  und  11)*  keine  Antwort  erhielt, 
und  gerade  diese  Wünsche  wurden  abgelehnt.  Der  eine  be- 
traf ,Pass  und  Ofinung'  durch  sein  Land  und  seine  Festungen; 
hier  sollten^  die  Worte  hinzugesetzt  werden:  ,da8[s]  doch  die- 
selbe wider  sein  ftirstUch  gnaden  nicht  gebraucht  vnd  in  alwege 
dennselbenn  vnnd  den  Iren  vnschedlich.'*  Der  andere  betraf 
die  Ratification  der  Vertrages  durch  seine  Söhne:  er  halte  dies 
wegen   ihrer  Minderjährigkeit   ftir  unnöthig;   wenn  es  dennoch 


'  y^l.  oben  p.  169,  Anin.  5. 

*  »Welche  inen  dan  nicht  abgeschlagen  worden,  daraaffwiranchxnminehrern 
-theil  resolntion  bekommen  haben.*    Lans,  Staatspapiere,  4^7. 

*  Draffel,  I,  p.  654. 
«  Rommel,  241,  243. 

^  In  der  Schlussredaction  des  Vertrages  hiess  es  nur:  ,Doch  das[s]  sein 
lind  seiner  Unterthanen  Schaden  so  vil  ymmer  möglich  Terhnet  werde/ 
Rommel,  260. 


161 

Döthig  sei,  solle  es  geschehen.  Die  Sache  wird  scheinbar  be- 
denklicher, wenn  man  erwägt,  dass  auch  Kurftirst  Moriz  in 
seinen  Briefen  an  den  Landgrafen,  die  er  am  11.  und  am  12. 
Joni^  Yor  und  nach  Empfang  der  kaiserlichen  Resolution  ab- 
sandte, mit  keinem  Worte  der  Forderung,  nicht  länger  als 
höchstens  acht  Tage  aufgehalten  zu  werden,  Erwähnung  thut. 
Eine  günstige  mündliche  Antwort  Granvelle's  oder  Alba's  würde 
er  gewiss  mitgetheilt  haben.  Nie  haben  sich  die  Fürsten 
später  auf  eine  solche  berufen.  Wir  werden  uns  bald  davon 
aberzeugen,*  dass  Granvelle  am  11.  Juni  nicht  wusste,  dass 
ach  die  Kurfürsten  dem  Landgrafen  gegenüber  zu  mehr  ver- 
pflichtet hatten,  als  sie  nach  den  von  ihnen  selbst  verfassten  und 
vom  Kaiser  bewilligten  geheimen  Nebenartikeln  hätten  thim  dürfen. 
Wain  er  daher  am  11.  Juni  Gelegenheit  erhielt,  zu  erfahren, 
dass  der  Landgraf  nicht  länger  als  höchstens  acht  Tage  auf> 
gehalten  zu  werden  wünsche,  so  muss  er  sich  darüber  ver- 
wundert haben,  dass  der  Landgraf  Derartiges  erwarten  konnte. 
Wenn  er  nun  im  Namen  des  Kaisers  erklärt  hätte:  ,Dieser 
Wunsch  des  Landgrafen  wird  erfüllt',  so  hätte  der  Artikel  der 
Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade  gar  keinen  Sinn  mehr 
gehabt,  weil  der  Landgraf  dann  mehr  als  die  KurfUrsten  selbst 
durchgesetzt  hätte.  Diese  hatten  ihn  bei  dem  Kaiser  nur  vor 
ewiger  gefencknuss'  sichern  können,  obwohl  sie  selbst  wahr- 
ächeinhch  hofften,  dass  der  Kaiser  auf  jedes  Gefängniss  ver- 
achten werde. 

Wenn  daher  Granvelle  bei  den  mündUchen  Verhandlungen 
Diit  Kurftirst  Moriz  überhaupt  Gelegenheit  zu  einer  Aeusserung 
fc  den  genannten  Wunsch  des  Landgrafen  erhielt,  so 
^  er  diese  Forderung  als  dem  Vertrage  und  den  Neben- 
*rtikehi  zuwiderlaufend  abgelehnt  haben.  So  wird  es  begreif- 
'ich,  warum  der  Kurfürst  Moriz  seinem  Schwiegervater  gegenüber 
der  Sache  mit  keinem  Worte  gedachte.  Eine  nicht  völhg  be- 
friedigende Mittheilung  hätte  den  Landgrafen  vielleicht  wieder 
'oischlüssig  gemacht  und  sein  Vertrauen  in  die  Versicherung 
der  Kurflirsten  vom  4.  Juni  erschüttert. 

Der  Landgraf  suchte  sich  durch  das  Verlangen  nach  einem 
^ühnebrief  über  sein  Schicksal  zu  vergewissern.  Dadurch 
^oDte  er  ,von  der  acht  absolvirt^  und  in  seinen  ,vorigen  stand 

'  Weib,  226.  a  Bommel,  242. 


162 

genntzlich  restituirt  und  gesetzt^  werden.^    Wäre  diese  Fassung 
bewilligt  worden,  so  hätte  damit  jede  Art  von  Haft  im  Wider- 
spruch gestanden.     Der  Kaiser  entschied  auch   hierüber,   aber 
nur  ^ausserhalb    der  Artikel'    und    nicht  in   der  gewünschten 
Form.     Denn  in  seiner  Resolution  hiess  es,  er  wolle  ihn  ,nach 
beschehener  Abbitt  Yon  der  ausgekundigten  Acht  entbinden  vnnd 
einen  vnderschriebenen   vnnd  besiegelten  Sunebrieff  vber   alle 
Hanndlung  verferttigen  vnd  Ime  zustellen  lassenn^   Gerade  die 
entscheidenden   Worte,    nämlich    die  gänzliche  Restituinmg    in 
seinen  vorigen   Stand,    wurden  gestrichen.     Dieses  Verlangen 
wiederholte  daher  der  Landgraf  in  seiner  Abbitte  am  19.  Juni.^ 
Die  Resolution  enthielt  auch   eine  Antwort  auf  die  Bitte 
des  Kurflirsten  Moriz  um  MÜderung  derjenigen  Artikel,  welche 
die  Festungen  und  die  Artillerie  betrafen.  Diese  Bitte  war  nur  in 
dem  Briefe  des  Landgrafen  an  den  Kurflirsten  enthalten.   Aber 
die  Antwort  des  Bischofs  Granvelle  lautete  ablehnend,  ,dieweil 
man    bei   Irer   Majestät    disser  Zeit  aus  Vrsachenn,    so  dem 
Kurfürsten  vonn  Sachssen   angezeigt  worden,   weiter   mit   fiig 
nicht  woll  anhaltenn  mag^'    Aehnlich  könnte  auch  die  Antwort 
gelautet  haben,   die  Granvelle  auf  die  Bitte,   den  Landgrafen 
nicht   länger   als   acht   Tage   aufzuhalten,    eventuell   ertheilen 
musste.     Damit  hingen  also  die  ,Bedenklichkeiten'  des  Bischofs 
zusammen,   von   denen  Kurfürst  Moriz   dem  Landgrafen    am 
11.  Juni  schrieb!     Wegen   derselben,   hiess   es  in   dem  Briefe, 
werde    vor    der   Demüthigung    schwerUch    irgendwelche   Er- 
leichterung hinsichtlich  der  Festungen,  der  Geschütze  und  der 
Strafsumme   zu   erlangen  sein.    Man  habe  gehofft,  dass  er  mit 
Ebeleben  gleich  eintreffen  werde.     Durch  solche  beherzte  An- 
kunft hätte  man  beim  Kaiser  gewiss  mehr  erreicht.     Weil  der 
Schwiegervater  fem  bleibe,   errege  er  Misstrauen.     Das  Beste 
sei,  so  schnell  als  möglich  zum  Kaiser  zu  kommen.     Li  einem 
beigelegten  Zettel  wurde  der  Landgraf  ermahnt,  10.000  Kronen 
für  den  Bischof  Ghranvelle  mitzubringen,  weil  sie  nach  erfolgter 
Abbitte    hoffentUch    etwas    wirken    würden.     Sie    sollten   nicht 
eher  gegeben  werden,  als  bis  man  sehe,  was  sie  Gutes  schaffen 
könnten.*    Meinte  der  Kurfürst  durch  eine  solche  ,Verehrung', 


1  Bommel,  242. 

*  In  mehreren  Abschriften  in  den  Reichstagsacten  des  Wiener  Staatsarchivs. 

*  Rommel,  245. 

*  Issleib,  226. 


163 

will  sagen  Bestechung)  auch  die  Freiheit  des  Landgrafen  zu 
erlangen?  Wie  unterschätzte  er  doch  den  Einfluss  des  jungen 
Bischofs  auf  den  Kaiser^  der  schon  seit  so  vielen  Jahren  ge- 
wohnt mrar^  seine  eigenen  Wege  zu  gehen! 

I>as  Resultat  der  Verhandlungen  des  Kurfürsten  am 
11.  Juni  war  also^  dass  bezüglich  der  persönlichen  Freiheit  und 
der  Festungen  des  Landgrafen  keine  grösseren  Zugeständnisse 
als  die  vom  4.  Juni  erlangt  wurden.  Da  sich  aber  der  Kur- 
fürst dem  Schwiegervater  gegenüber  schon  so  weit  verpflichtet 
hatte,  so  glaubte  er  auch  diesmal  nicht  anders  handeln  zu 
sollen,  als  ihn  zu  ermahnen^  unverzüglich  nach  Halle  aufzu- 
brechen, und  zwar  ,auff  das  gleit  vnd  [die]  Verpflichtung^  vom 
4.  Jnni  hin. 

Mit  dieser  Mittheilung  ^  und  mit  dem  Bescheid  des  Kaisers 
eihe  Sbeleben  schon  am  Morgen  des  12.  Juni^  von  Halle  zu 
dem  Landgrafen. 

Wenn  auch  die  Verhandlungen  des  Landgrafen  halber 
theflweise  geheim  gehalten  wurden,  so  gab  es  doch  am  Kaiser- 
hofe Leute,  die  es  aussprachen,  dass  dem  Landgrafen  nach 
der  Abbitte  Haft  bevorstehe.  Wir  besitzen  dafUr  das  Zeugniss 
des  Hildesheimer  Bischofs  Valentin  von  TeuÜeben.  Er  befand 
sich  ivährend  des  Krieges  meist  im  Lager  des  Kaisers  und 
wurde  im  Juni  1547  in  sein  Bisthum  wieder  eingesetzt  Am 
11.  Juni  schrieb  er  in  Halle  mit  eigener  Hand  Folgendes:  ,Von 
Vielen  wird  geglaubt,  der  Landgraf  von  Hessen  werde  bald 
die  Gefangenschaft  des  Sachsenherzogs  theilen,  obwohl  es  auch 
nicht  an  Solchen  fehlt,  die  meinen,  er  werde  bald  sogar  Erbarmen 
und  Gnade  bei  Seiner  Majestät  finden,  wie  er  denn  [selbst] 
von  seiner  Ankunft  viel  [Gutes]  erwartet.'*    Diese  Worte  lassen 


>  Bommel,  246  f. 

'  ^i  intende  che  U  Dnca  Mauritio  11  ha  espedito  qaesta  mattina  un  cor- 
riero  che  U  venga  a  Sua  M^.     Mocenigo,  Halle,  12.  Juni  1547.     V.  D., 

'  ,PriTatiiB  dnx  Saxoniae  .  .  .  (vgl.  oben  p.  128,  Anm.  3)  landgravium 
Haflsie,  ut  multi  opinantar,  brevi  sue  captivitatis  sotiam  et  collegam 
hatritaroB.  Et  hactenus  statum  belli  in  hone  usque  diem  habet.  [Bei 
Bocholts,  IX,  421,  veretümmelt:  bellici  saccessos  dncem  habet.]  Licet, 
noa  desint,  qui  patent  landgrayinm  Hassie  brevi  etiam  in  g^atiam  Ce- 
otreae  M^  recipiendom,  si  venerit  misericordiam  et  veniam  petitams, 
pront  [bei  Bucholts  irrig:  propria]  de  adventu  suo  ad  hoc  oppidum  Hal- 
lensiiim  multa  opinatnr'  [bei  Bncholtz  irrig:  dicuntnr]. 


164 

erkennen^  dass  die  Absicht,  den  Landgrafen  zurlickzulialten^ 
nicht  ängstlich  geheim  gehalten  wurde,  wie  es  hätte  geschehen 
müssen,  wenn  man  geplant  hätte,  sich  seiner  durch  Täuschung 
des  Kurfürsten  Moriz  zu  bemächtigen. 

Der  Kaiser  bUeb  in  Halle,  um  die  Ankunft  des  Land- 
grafen abzuwarten.  Am  12.,^  14.,*  15.*  und  am  17.*  Juni 
drückte  er  in  Briefen  an  König  Ferdinand  und  an  Königin 
Maria  seinen  Zweifel  aus,  ob  der  Landgraf  konmien  werde. 
Denn  er  besorgte,  wie  er  selbst  gesteht,  dass  der  Landgraf 
die  ganze  Verhandlung  rückgängig  machen  könnte,  wenn  er, 
der  Kaiser,  Halle  verlasse.  Er  bezeichnete  seinen  Gegner  als 
unbeständig.  Zugleich  war  er  wegen  des  böhmischen  Auf- 
standes in  Sorgen.*  Durch  sein  Verweilen  in  Halle  glaubte  er 
auch  die  niederdeutschen  Städte,  von  denen  einige  schon  Miene 
zur  Unterwerfting  machten  und  ihre  Truppen  entlassen  hatten, 
in  ihrer  Absicht  zu  bestärken.^  Wie  es  scheint,  konnte  er  es 
kaum  glauben,  dass  der  Landgraf  die  ihm  so  widerwärtige  und 
gefUhrliche  Bedingung  der  Ergebung  auf  Gnade  und  Ungnade 
am  Ende  doch  annehmen  werde.  Denn  er  hatte  keine  Ahnung, 
wie  weit  sich  inzwischen  die  KurfUrsten  dem  Landgrafen  gegen- 
über verpflichtet  hatten. 


'  jComme  ledit  lantg^aff  est  variable  et  inconstant,  je  ne  rae  puis  assheurer 
de  ce  qu'il  traicte  qae  je  n*en  voye  Teffect.  Pourtant  deltbere  je  de  me 
tenir  icj  jusques  a  sa  venue  .  .  .*  An  König  Ferdinand.  Lans,  Cor- 
respondenz,  II,  582  f. 

*  ,Sejonme  sa  majeste  ici  expressement  a  cest  effect  Et  toutesfois,  jusqnes 
je  le  Tois,  n*en  yeulx  plus  avant  asshearer  votredite  majeste/  Bave  an 
Königin  Maria,  ebendas.,  584. 

'  ,Le  lantgrave  de  Hessen  se  doibt  tronver  icj  deans  deux  ou  trois  jours 
s'il  ne  se  retire  de  ce  que  ledit  electeur  de  Saxen  et  celluj  de  Bran- 
dembnrg  ont  traicte  pour  luy/  An  König  Ferdinand.  Issleib,  Die  Ge- 
fangennahme, 228,  Anm.  88. 

*  Eine  deatsche  Inhaltsangabe  bei  Dmffel,  I,  59. 

^  Brief  an  König  Ferdinand  vom  12.  Juni  bei  Lanz,  II,  583. 

*  ,Poartant  delibere  je  de  me  tenir  icy  jusques  a  sa  venue,  8*il  ne  survient 
aultre  chose,  tant  pour  donner  chaleur  a  la  reddicion  des  viUes,  dont 
aulcunes  fönt  demonstracion  de  vouloir  venir,  que  pour  non  faire  re- 
tirer  ledit  lantgraff  de  [bei  Lanz  irrig :  et]  ladite  practique,  s'il  me  veoit 
prandre  aultre  chemin,  pensant  par  ce  avoir  echappe  le  dange.*  Der 
Kaiser  an  König  Ferdinand,  12.  Juni  1547,  Lanz,  II,  588.  Vgl  den 
Brief  vom  17.  Juni  bei  Druffel,  I,  69. 


165 

Nachdem  König  Ferdinand  den  Brief  des  Kaisers  vom 
12.  Joni  erhalten  hatte^  antwortete  er  am  15.  in  Leitmeritz:  er 
zweifle  nicht^  dass  der  Kaiser  den  Vertrag  so  habe  abfassen 
lassen,  dass  man  von  dem  Landgrafen  ftir  die  Zukunft  volle 
ächerheit  besitze.^  Also  auch  der  König  hielt  hier  grosse 
Vorsicht  fllr  geboten.  An  demselben  Tage,  an  welchem  der 
KSnig  seinem  Bruder  schrieb,  theilte  ihm  dieser  Folgendes  mit: 
Der  Landgraf  müsse  binnen  zwei  oder  drei  Tagen  kommen, 
wenn  er  sich  nicht  dem,  was  die  Kurfürsten  von  Sachsen  und 
Brandenburg  für  ihn  verhandelt  hätten,  entziehe.*  Man  sei 
Dämlich  unter  Anderem  übereingekommen,  dass  der  Landgraf 
sich  einfach  und  bedingungslos  auf  Gnade  und  Ungnade  er- 
geben solle,  wie  der  König  aus  der  mitgesandten  Copie  des 
Artikels  ersehen  werde.  Allerdings  hätten  die  beiden  Kurfürsten 
eine  Versicherung  verlangt,  dass  er  weder  an  Leib  noch  Gut  über 
den  Inhalt  der  Vertragsartikel  hinaus,  noch  auch  durch  ,ewiges 
6e&ngniss^  gestraft  werde,'  und  da  sie  sich  dieses  Ausdruckes 
jCwig*  bedient  und  demgemäss  ihn  auch  schriftlich  so  vorgelegt 
hätten,  so  habe  er  sich  dazu  herbeigelassen,*  in  der  Absicht, 
die  er,  wie  der  Bruder  wisse,  immer  gehabt  habe,  nämlich  den 
Landgrafen  wenigstens  einige  Zeit  in  seiner  Gewalt  zu  haben, 
Qod  habe  sich  entschlossen,  wenn  er  komme,  um  sich  zu  er- 
geben, ihn  als  Gefangenen  zurückzuhalten.^  Dadurch  könnten 
sich  die  Kurftirsten  nicht  verletzt  fühlen,  da  er  der  Versiche- 
nmg  nicht  zuwiderhandeln  würde,  die  er  ihnen  gegeben  habe, 
worin  von  Geftlngniss  mit  dem  Zusätze  ,ewig'  die  Rede  sei. 
Dennoch  wünsche  er  des  Königs  Meinung  darüber  zu  hören, 
ebenso  über  die  Dauer  der  Haft.     In   dieser  Hinsicht  habe  er 


*  ,Ne  doubtant  que  V.  Ma*«  aura  fait  dresser  le  traicte  tellement  que  Ton 
pourra  prendre  bonne  asseurance  en  son  endroit  pour  Tadvenir.*  Wiener 
Staatsarchiv,  Gopialbuch,  683.]. 

'  V^l.  oben,  p.  164,  Anm.  3. 
'  Vgl.  oben,  p.  138,  Anm.  8. 

*  Vgl.  oben,  p.  140  f. 

*  Vgl.  oben,  p.  145,  Anm.  1.  ,Je  me  suis  condescendn  avec  la  fin  .  .  .  de, 
s'il  estoit  possible,  le  tenir  da  moings  ponr  qnelqne  temps  entre  mes 
mains,  me  deliberant  de,  quant  il  se  viendra  rendre,  le  faire  retenir 
prisonnier.'  Die  Worte:  ,Obgleich  er  selbst  sein  Vorhaben  erwäge, 
Philipp  nach  der  Ergebung  gefangennehmen  zu  lassen  ...  so  wünsche 
er  doch  des  Königs  Meinung  zu  yemehmenS  entstellen  den  Sinn.  Iss- 
leib, 228  f.,  Anm.  88. 


166 

schon  daran  gedacht^  ob  es  gut  wäre^  zu  sagen,  sie  solle  dauern, 
bis  dass  er,  der  Kaiser,  sehe,  welchen  Verlauf  die  Angelegen- 
heiten Deutschlands  nehmen  würden;  denn  dann  stünde  es  bei 
ihm,  die  Zeit  genauer  zu  bestimmen,  sei  es  bis  zum  Ende  des 
Reichstages,  oder  sei  es  bis  zu  seiner  Rückkehr  nach  Deutsch- 
land. Dann  wünschte  der  Kaiser  auch  über  die  Art  der  Haft 
des  Königs  Meinung  zu  vernehmen.  Hiebei  sei  zu  berück- 
sichtigen, schrieb  er,  dass  freiere  Haft  schwieriger  sei,  grössere 
Strenge  aber  die  Kurftlrsten  etwas  verletzen  und  den  Land- 
grafen zur  Verzweiflung  bringen  könnte,  so  dass  er,  wenn  er 
aus  der  Haft  entlassen  und  er,  der  Kaiser,  von  Deutschland 
abwesend  sei,  mögUchst  viel  Unheil  anstiften  könnte,  dem  Ur- 
theil  gemäss,  das  man  von  seiner  guten  Gesinnung  haben  kann.^ 
Wenn  auch  der  Kaiser  davon  überzeugt  war,  dass  er 
kraft  der  Nebenversicherung  berechtigt  sei,  den  Landgrafen 
gefangen  zu  halten,  so  wünschte  er  doch  des  Königs  Gutachten 
über  Art  und  Dauer  der  Haft.  Es  sei  daran  erinnert,  dass  die 
Haft  ursprünghch  nicht  als  Strafe  sondern  zur  Bürgschaft  ftir 
den  Vertrag  und  für  die  Ruhe  Deutschlands  gedacht  war.  Der 
Kaiser  musste  auf  die  Kurfürsten  Rücksicht  nehmen,  die  als 
nahe  Verwandte  des  Landgrafen  sich  so  sehr  um  dessen 
Aussöhnung  mit  ihm  bemüht  und  während  des  Eoieges  solche 
Dienste  geleistet  hatten,  dass  sie  beide  Anspruch  auf  Dank 
hatten.  Ausserdem  hatten  sie  beide  die  Anerkennung  des  Con- 
cils  versprochen,  und  ihre  Hilfe  schien  bei  der  Ordnung  der 
religiösen  Angelegenheit  auf  dem  Reichstage  unentbehrlich. 
Zudem  wurden  sie  von  König  Ferdinand  gerade  in  jenen  Tagen 
inständig  um  eilige  Hilfe  gegen  den  noch  unbewältigten  böh- 
mischen Aufstand  gebeten.^     Der  Kaiser  verschob  damals  eine 


^  Der  Text  (bei  Issleib)  muss  lauten:  ,Toateffois  snr  cecy  youldroje  je  bien 
avoir  votre  advls  et  aassi  sc^voir  le  temps,  pour  le  quel  il  yous  sein- 
blera  je  me  debvroye  resouldre  de  le  tenir  prisonnier,  sur  qnoy  j'&voye 
pense  s'il  seroit  bien  de  dire  que  ce  fat  pour  jusques  je  puisse  veoir 
quel  chemin  les  affaires  de  la  Germanie  prendront;  car  apres  il  seroit 
en  ma  main  de  le  definir  [Handschr.:  desiner;  Issleib:  delivrer]  pre- 
cisement,  [bei  Issleib  folg^  irrigerweise:  ,et  ce(pendant^)]  ,f(^t  ^Jusques  au 
boult  de  la  diette",  ou  „jusques  a  mon  retour  en  la  Gtormanie".  Aussi 
desireroye  je  bien  avoir  votre  advis  sur  la  forme  de  la  prison*  etc. 

*  ,yeant  Tinstance,  que  faictes  par  voz  lettres  ausdits  electeurs  de  Saxen 
et  Brandembourg,  pour  avoir  leur  secours/     Der  Kaiser  an  KOnig  Fer- 


167 

&mahiiaiig  an  eine  böhmische  Gesandtschaft,  die  bei  ihm  er- 
schienen war,  ,damit  diese  den  Landgrafen  sehen  könne,  und 
dann  selbst  über  das,  was  geschehen  werde,  daheim  Bericht 
erstatten  könne*.  ^ 

Schon  am  17.  Juni  beantwortete  der  König  den  Brief  des 
Kaisers  vom  15.  Juni.  ,Es  wäre  wirklich  gut,'  schrieb  er, 
,wenn  man  den  Landgrafen  zur  Annahme  des  Artikels  über 
die  Ergebung  bringen  könnte;  ich  glaube  aber,  dass  er  es 
nicht  gerne  thun  werde,  besonders  was  irgend  welche  Haft 
betrifit.  Wenn  man  sie  nicht  erlangen  könnte,  so  scheint 
mir,  dass  Eure  Majestät  ihm  lieber  -die  Haft  erlassen  sollte, 
als  mit  ihm  deswegen  zum  Bruche  zu  kommen,  wenn  er  auch 
60  lange  in  guter  Bewachung  gehalten  wird,  bis  er  den  Vertrag 
bezüglich  der  Festungen,  der  Geldsumme,  der  Artillerie  und 
dergleichen  erflillt  hat.  Wenn  man,  was  das  Uebrige  betrifft, 
gute  Büi^chaft  und  Sicherstellung  von  ihm  und  ebenso  von 
seinen  Bürgen  das  Versprechen  erlangen  könnte,  dass  er  ver- 
halten sei,  bei  jedesmaUger  Ladung  vor  Eurer  Majestät  zu  er- 
scheinen, so  scheint  mir  dies  das  am  meisten  Entsprechende 
zu  sein/  Auf  diese  Weise,  fligt  der  König  hinzu,  würde  der 
Landgraf  immer  wie  ein  Gefangener  sein,  den  Kurfiirsten 
würde  kern  Anlass  zu  Groll  und  dem  Landgrafen  keiner  zu 
Verrweiflung  gegeben  werden.  SchUesslich  stellte  er  doch  Alles 
dem  Kaiser  anheim.  Gleichzeitig  gab  er  den  Rath,  den  Sach- 
senherzog nach  Tirol  oder  Spanien  zu  senden,  um  von  der 
Sorge  wegen  seiner  Bewachung  befreit  zu  sein.* 


dioand,  12.  Juni  1547  bei  Lanz,  11,  683.  In  dem  schon  citlrten  Schreiben 
des  Kaisers  Tom  15.  Juni  heisst  es:  »J^aj  entendu  par  le  duc  Mauritz  de 
Saxen  electeur  la  haste,  qne  yous  luj  donnez,  ponr,  suyvant  la  capi- 
tnlation,  qa*il  a  avec  yous,  vous  enYojer  gens,  ponr  voos  assister  au 
coostel  de  'Boheme  et  m*a  dite  Pespoir  que  yous  aYez  de  ce  moyen  tost 
acheYer  et  bien  yoz  afifaires  en  ce  constel  la  (Wien,  StaatsarchiY,  Co- 
pialbuch,  682.t). 

'  ,Et  desideroje  bien,  si  ledit  landgpraf  Yient,  ils  le  Yojent,  afin  qne  lors 
partissent,  poor  donner  enlx  mesmes  relation  en  ce  coostel  la  de  ce  que 
paasera.*  Der  Kaiser  an  König  Ferdinand  am  17.  Juni  (Dmffel,  I,  60). 
Die  Antwort  an  die  Böhmen  bei  Dmffel,  I,  60. 

*  Der  französische  Text  bei  Issleib,  230,  Anm.  89  und  bei  Bucholtz,  IX, 
428.  Issleib  hat  einige  sehr  sinnstörende  Interpunctionsfehler  übersehen. 
Dies  ergibt  sich  ans  der  Vergleichung  des  Textes  mit  dem  Copialbuch 
und   mit  dem  Briefe  des  Königs  Yom  14.  Juli  (Bucholtz,  IX,  433),  wo 


168 

Als  der  Kaiser  diesen  Brief  am  Tage  des  Fussfalles  des 
Landgrafen  erhielt,  vermisste  er  darin  eine  entschiedene  Ant- 
wort darüber,  ob  man  den  Landgrafen  zoröckhalten  solle  oder 
nicht^  König  Ferdinand  gestand  am  14.  Joli  diesen  Mangel 
selbst  zUy  begründete  ihn  aber  damit,  dass  die  Sache  zu  wichtig 
sei,  und  dass  er  bei  den  letzten  Verhandlungen  mit  den  Kor- 
ftirsten  abwesend  gewesen  sei.*  Er  schwankte  zwischen  seiner 
Ueberzeugung  und  der  Rücksicht,  die  er  auf  seine  treuen 
Helfer  und  Nachbarn  zu  nehmen  hatte.  Der  Kaiser  konnte 
aus  der  Antwort  seines  Bruders  den  Wunsch  erkennen,  dass 
der  Landgraf  bis  zur  Erfüllung  einiger  Artikel  des  Vertrages 
als  Geisel  am  Hofe  bleibe,  also  nicht  in  Strafhaft.  Da  die 
Strafsumme  in  zwei  Zielen,  spätestens  aber  in  dreieinhalb 
Monaten  ganz  erlegt  sein  musste,^  so  hätte  der  Landgraf  min- 
destens eine  Reihe  von  Wochen  am  Hofe  bleiben  müssen,  auch 
wenn  König  Ferdinands  Wunsch  erfüllt  worden  wäre. 

Am  17.  Juni  erhielt  der  Kaiser  zuerst  sichere  Kunde, 
dass  der  Landgraf  auf  dem  Wege  nach  Halle  sei.  Ehe  ihm 
aber  die  Kurfürsten  Joachim  und  Moriz  nach  Naumburg 
entgegenritten,  erbaten  sie  sich  ^ine  Audienz  und  theilten  dem 
Kaiser  mit,  dass  sie  sich  auf  Wunsch  des  Landgrafen  dahin 
begäben,  ,damit  ehr  sich  noch  etlicher  Sachen  halben'  mit  ihnen 
,unterreden'  könne.  Damals  wollen  sie  den  Kaiser  erinnert 
haben,     dass    Philipp    von    Hessen    auf   Treu    und    Glauben 


ein  grosser  Theil  des  Briefes  vom  17.  Juni  inserirt  ist.  Der  Text  dieses 
Briefes  lantet:  »Mais  je  tiens  qn*il  n*acceptera  voulentiers  ledit  article, 
[kein  Pnnktl]  principallement  quant  a  tenir  prison  quelconqae,  [kein 
Punkt!]  et  a'ii  ne  se  povoit  obtenir  et  que  plustost  que  a  ceste  occasion 
venir  en  rompture  avec  luj,  me  semble  que  V.  M.  luy  doibt  condonner 
la  prison,  bienqu'il  se  tienne  [im  Briefe  vom  14.  Juli :  bien  qu^on  le 
deust  tenir]  soubz  bonne  garde,  jusques  il  ait  accomplj  le  traicte  [kein 
Punkt!]  quant  anx  articles  du  rasement  des  places  fortes,  delivrance 
d^argent,  artillerie  et  samblables,  et  a  la  reste  [im  Briefe  vom  14.  Juli : 
,et  que  si  pour  la  reste  poviez*]  si  poviez  avoir  bonne  caution  et  sehurte 
de  luy  et  que  les  fidejusseurs  le  promeissent  [kein  Beistrich!]  aussi: 
qu*il  fut  tenu  comparoir  [am  14.  Juli :  quHl  compareroit]  deyers  V.  M. 
toutes  les  fois  qu*il  seroit  appelle,  me  semble  [ce]  seroit  les  plus  con> 
yenable*  etc. 

^  Brief  des  Kaisers  an  den  König   vom  28.  Juni  1547   bei  Druffel,  I,  63. 

»  Bucholtz,  IX,  433. 

'  Bommel,  250. 


169 

komme,  und  wollen  ihn  gebeten  haben^  diesen  wegen  ihrer 
treaen  Bemühungen  und  wegen  der  Wichtigkeit  des  Handels 
nicht  jüber  die  Capitulation  und  wie  allenthalben  davon  geredt^ 
worden  sei,  zu  beschweren.^  ^So  pflegt  man  nicht  zu  sprechen, 
wenn  man  seiner  Sache  sicher  ist.  Wenn  die  Fürsten  den 
Kaiser  fragen  wollten,  ob  er  den  Landgrafen  gefangen  halten 
wolle,  warum  thaten  sie  es  in  dieser  so  ausweichenden  Form? 
Die  Antwort  des  Kaisers  entsprach  der  Frage.  Er  wusste  ja  nicht, 
diss  die  Kurfürsten  dem  Landgrafen  mehr  versprochen  hatten, 
als  sie  hätten  thun  dtlrfen.  ,Eigner  Person',  erwiderte  er  daher, 
der  Landgraf  werde  nicht  über  die  Artikel  gefährdet  werden; 
es  sei  nicht  seine  Sitte,  Jemand  wider  die  Abrede  zu  belasten.^ 
So  ritten  sie  denn  nach  Naumburg.  Ob  wirklich  beruhigt, 
wie  sie  später  behaupteten  ?3  Dahin  begleitete  sie  Herzog  Ernst 
von  Braunschweig,  der  zugleich  mit  Johann  Friedrich  von 
Sachsen  gefangen  worden  war  und  am  13.  Juni  nach  einer 
Abbitte  mit  dem  Kaiser  versöhnt  war:  dieser  hatte  ihm  hiebei 
die  Hand  gereicht.  Tags  zuvor  war  der  gefangene  Sachsen- 
berzog  Alba's  Gast  auf  der  Morizburg  bei  Halle.  Muss  dies 
Alles  deswegen  geschehen  sein,  damit  der  Landgraf  imd  die 
Korfärsten  daraus  trügerische  Hoffnung  schöpfen  sollten?*  Von 
dem  Sachsenherzog  ist  vielfach  bezeugt,  dass  er  am  Kaiser- 
hofe  sehr  hoch  geachtet  war,  so  dass  ihm  wiederholt  verschiedene 
Erieichterungen  seiner  Haft  bewilligt  wurden.^ 

Worüber  die  Fürsten  mit  dem  Landgrafen  zu  sprechen 
hatten,  wissen  wir  nicht.  VermuthUch  wird  er  sie  wieder  mit 
der  Frage  nach  ,des  Kaisers  endlichem  Gemüthe^  in  einige 
Veriegenheit  gebracht  haben.® 

Noch  am  Nachmittage  des  18.  Juni  ritt  Philipp  von 
fieasen  zwischen  den  Kurfiirsten,  die  ihm  das  schriftliche  Geleit 
g^ehen  hatten,  in  Halle  ein  und  stieg  in  der  Herberge  seines 
Schwiegersohnes  ab.'  Auch  als  er  mit  Bischof  Gran  volle  den  Ver- 


'  laileib.  Die  Gefangennahme,  231;  Instruction  für  eine  Werbung  beim 
Kiiier,  12.  September  1551,  bei  Lanz,  Staatspapiere,  488. 

•  EWdas. 

'  Laos,  Staatspapiere,  488. 

•  Vgl.  Issleib,  281. 

»  V.  D.,  II,  201.„,  244f.io6,  248.106,  254.iot,  273.n7  Aniu.  1,  279.i,o»  Düffel, 
I,  71;  Bommel,  Geschichte  von  Hessen  (Cassel  1830),  IV,  328. 

•  Vgl  oben  p.  157.  '  Issleib,  231. 


170 

trag  abschlosS;  waren  die  Kurfürsten  anwesend.  Hiebei  wurde  der 
Zusatz  entdeckt:  ,Und  soll  diese  Capitulation  zur  Erklärung 
kaiserlicher  Majestät  Willens  stehen/  Nur  die  KurfUrsten 
setzten  es  durch,  dass  er  gestrichen  wurde. ^  In  ihrer  Gegen- 
wart fand  die  Unterzeichnung  und  Besiegelung  des  Vertrages 
durch  den  Landgrafen  statt,  ebenso  wurden  die  Bürgschaften 
der  beiden  Schwiegersöhne  und  des  Schwagers  des  Landgrafen 
ausgestellt.*  Erst  nach  längerer  Disputation  und  nachdem  ihm 
die  Kurf\irsten  schriftlich  die  Versicherung  gegeben  hatten, 
bei  der  Augsburgischen  Confession  bleiben  zu  wollen,  stellte  er 
eine  Verpflichtung  bezüglich  der  Religion  aus.*  Darin  erklärte 
er,  sich  nur  so  weit  wie  die  Kurfürsten  selbst  verbindlich  zu 
machen.  So  wie  sein  Schwiegersohn  von  dem  Kaiser  im  Jahre 
1546  in  Regensburg  das  Versprechen  empfangen  hatte,  nicht 
beschwert  zu  werden,  wenn  man  sich  auf  dem  Concil  ,dreier 
oder  vierer  Artikel'  wegen  nicht  vei^liche,  so  versprach 
auch  der  Kurfürst  seinem  Schwiegervater,  ihn  nicht  zu  ,ver- 
lassen,  sondern  Leib,  Hab  und  Leben'  bei  ihm  ,zuzusetzen^, 
wenn  er  sich  ,in  drei  oder  vier  Articuln,  als  nemlich  belan- 
gende die  Justification,  die  Communion  und  Sacramenta  mit  sampt 
der  Messe,  Priesterehe  und  Abgötterey,  mit  dem  Beschluss  des 
Concilii  nicht  würde  vergleichen  mügen'  und  deswegen  ,tiber- 
zogen  oder  beschwerdt'  würde.* 

Als  die  Stunde  des  Fussfalles  nahte,  wurden  die  Kur- 
fürsten wieder  besorgt.  Denn  als  sie  Mittags  in  ihre  Herberge 
zurückkehrten,  wünschten  sie  zu  wissen,  ob  der  Kaiser  dem 
Landgrafen  nach  der  Abbitte  die  Hand  reichen  werde.  Gran- 
velle,  darum  gefragt,  antwortete  dem  kursächsischen  Rathe 
Dr.  Fachs,  er  könne  nicht  wissen,  ob  der  Kaiser  das  thun 
werde.  ,Weil  Fachs  glaubte,  er  dürfe  den  Bescheid  in  Gegenwart 
fremder  Gäste  nicht  laut  sagen,  schrieb  er  ihn  auf  einen  Zettel 
und  überreichte  diesen  einem  der  drei  Fürsten/^ 


^  Ebendas.  und   Bommel,    Urkandenband,    265    (»Testamentarbchos    Ver- 

zeicbniss*). 
*  Vgl.  oben  p.  147  f. 
»  Issleib,  231  f. 

^  Bommel,  Urknndenband,  256. 
^  Issleib,  232  f.,  wo  auf  Fehler  eines  bei  Druffel  (I,  487)  mitgetheilten 

Ausxuges  aus  einem  ActenstQoke  aufmerksam  gemacht  ist. 


171 


4.  Die  Verhaftung. 


Fassfall  und  Abbitte  fanden  in  Halle  am  19.  Juni  um 
6  Uhr  Nachmittag^  statt.  Viele  Zuschauer  drängten  sich  in  den 
dazu  bestimmten  grossen  Saal^  während  das  ungewohnte  Schau- 
spiel an  diesem  Sonntage  unzählige  Neugierige^  auf  den  Strassen 
angelockt  hatte^  von  wo  sie  es  auch  theilweise  durch  die  Fen- 
ster beobachten  konnten.'  Unter  X>enen^  die  damals  den 
K&iserthron  umgaben^  befand  sich  Erzherzog  Maximilian,  fünf 
Herzoge  von  Braunschweig  und  Prinz  Emanuel  Philibert  von 
Savoyen.  Unter  den  anwesenden  Gesandten  waren  solche  aus 
Hamburg,  Bremen,  Lübeck  und  anderen  Städten,  die  vor 
Kurzem  erschienen  waren,*  um  Frieden  zu  suchen,  auf  beson- 
deren Wunsch   des  Kaisers   auch   die   aus  Böhmen^  zu  sehen. 

Die  beiden  Kurflirsten  geleiteten  den  Landgrafen  vor 
den  Kaiser.  Nnn  hörte  aber  nach  dem  Wortlaute  des  Ver- 
trages ^  ihr  Schutzrecht  für  Philipp  von  Hessen  auf  Während 
dieser  kniete,  verlas  neben  ihm  sein  ,Kanzler  und  Secretär^ 
Dr.  Tileman  Gunterrode  ebenfEÜls  knieend  die  Abbitte. 

Während  derselben  liess  aber  Kurfürst  Joachim  den 
Kaiser  fragen,  ob  er  dem  Landgrafen  ,wie  sy  dann  mit  ann- 
dem,  so  sy  zu  gnaden  auffgenommen,  gepflogen,  gleicherweise 
zusprechen  vnnd  die  band  geben  wurde'.'  Der  Kaiser  ant- 
wortete: ,Nein',  er  behalte  sich  das  vor,  bis  der  Landgi*af 
,gentzlich  erlediget*®  sei,  da  er  ihn  wegen  der  Erfüllung  des  Ver- 
trages zurückhalten  müsse.  Wenn  der  Kurflirst  die  Antwort 
anhöre,  die  er  dem  Landgrafen  geben  lasse,  werde  er  sich 
überzeugen,  dass  Alles  gewährt  werde,  was  beide  Kurfürsten 
ausserhalb  des  Vertrages  verlangt  und  zugestanden  erhalten 
hätten.    ,Zum  Ueberfluss*^  werde  der  Landgraf  ,von  der  auss- 


^  iBoleib,  233. 

*  GrmnYelle  an  Königin  Maria,  20.  Juni  1547;  a.  a.  O.,  24. 

*  8«fltrow,  II,  29. 

*  V.  D.,  n,  290.M5. 

*  V^l.  oben  p.  167. 

*  V^L  oben  p.  146. 

^  So  in   der   Erklärung   des  Kaisers    an   die   Reichsstände   yom    25.  No- 
vember 1547  bei  Sastrow,  II,  548.     Vgl.  oben  p.  115,  Anm.  2. 

*  £beadas. 

*  Ebendas. 

▲rdÜT.  LXXXm.  Bd.  I.  Hüfte.  12 


172 

gegangenen  Achterclerung*  absolvirt  werden.  Die  Kurflirsten 
mussten  sich  damit  zufrieden  geben,  sie  gaben  darauf  keine  Ant- 
wort; ^  man  kann  sich  denken,  wie  enttäuscht  sie  nun  waren.  Es 
war  aber  schon  zu  spät;  die  Sache  war  nicht  mehr  zu  ändern. 

Nun  verlas  Dr.  Seid  die  öffentliche  Antwort  des  Kaisers. 
Darin  hiess  es,  der  Landgraf  habe  die  kaiserliche  Majestät 
schwer  beleidigt  und  darum  ,die  allerhöchste  Straff*  wohl  ver- 
dient. Weil  er  aber  den  Fussfall  gethan  habe,  so  sei  der 
Kaiser  aus  angeborener,  gewohnter  Milde  (der  Ausdruck  ,guete 
vnnd  genade^  der  Abbitte  ist  vermieden)  und  wegen  der  Für- 
bitte etlicher  Kurfürsten  und  Fürsten  zufrieden,  dass  die  Acht 
,aufgehoben'  und  ihm  die  ,Straff  dess  Lebens*,  die  er  ,wegen 
geübter  [!]  Rebellion  woll  verdient'  habe,  erlassen  werde,  ,des- 
gleichen,  dass  auch  sein  fürstliche  Gnaden  mitt  ewiger  g^e- 
fencknuss  noch  mit  confiscation  oder  entsetzung  der 
selben  gueter,  mehrers  oder  weiters  dan  die  Artickel  der  abred, 
so  Ir  Majestät  genedigest  bewilliget,  innenhalten,  nicht  beschwerd 
werden'  solle.* 

Philipp  wartete  nun  auf  das  Zeichen,  sich  erheben  zu 
dürfen.  Der  Kaiser  zögerte;  da  stand  er  ungeheissen  auf.  Der 
Kaiser  reichte  ihm  auch  nicht  die  Hand.  Vielmehr  hatte  er 
den  Herzog  von  Alba  zu  sich  berufen  und   ihm  befohlen,   den 


^  ,Je  prins  resolution  [fehlt  bei  Droffel,  I,  64]  de  le  retenir  et  a  ceste 
cause  feis  respondre  au  marquis  de  Brandenbourg,  lorsque  ledit  landgrave 
fit  ladite  humiliatioii,  sur  ce  quMl  demaodoit,  „si  je  ne  luy  donneroye  la 
mjun*,  que  «non"  et  que  je  le  resenroie  jusques  a  son  entiere  delivrance, 
mais  que,  s'il  escoutoit  la  responce,  que  je  faisoye  faire  andit  landgrave, 
U  verroit  que  je  luy  accordoye  tout  ce,  que  luj  et  Telecteur  de  Saxen 
avoient  demande  höre  du  traicte.  Et  Tayant  ouy,  demonstra  s^en  con- 
tenter.* Der  Kaiser  an  KOnig  Ferdinand,  28.  Juni  1547  (Druffel,  I,  64). 
,Et  cesy  ce  [sie]  dit  bien  expresement  ansdicts  denx  electeura,  es  taut 
ancores  le  landgraffe  a  genoulx  devant  Sa  Majeste,  et  leur  fit 
desclairer  apart  la  raison  pourquoj  il  ce  faisoit  [«pour  ayoir  seurete  de 
Tacomplisement  de  c«  qu*a  eete  trecte*]  et  que  par  la  responce,  que  8a 
Majeste  ayoit  faite,  IIa  ayoient  connu  qu^elle  leur  observoit  precisement  ce 
qu*elle  leur  avoit  promia,  et  que  partant  ne  doneroit  il  la  main  audict 
landgraffe,  jusque  a  ce  que  apres  le  compliment  dudlet  trecte  Sa  Majeste 
le  delivreroit  Et  pour  lors  n'y  firent  aucune  difigulte  .  .  .*  Granvelle 
an  Königin  Maria,  SO.  Juni,  a,  a,  O.,  p.  22.  Damit  stimmt  überein  Gran- 
velle's  Daretellung  Tom  Juli  1547  bei  Lana,  Correspondens,  II,  592  und 
die  Erklärung  des  Kaisere  auf  dem  Reichstage,  a.  a.  O. 

*  Nach  Pfintaing's  Abschrift.    S.  oben  p.  140. 


173 

Landgrafen  in  Haft  zu  setzen^  Granvelle  aber  angewiesen,  dies 
vorerst  den  Kurfürsten  mitzutheilen.^ 

Der  Befehl  wurde   mit  Schonung  der   fUrstlichen  Würde 
des  Landgrafen   vollzogen;   die   Haft  sollte   auch   keine  Strafe 
bedeuten.     So  ergriff  denn  Herzog  Alba  den   Landgrafen   bei 
der  Rechten  und  lud  ihn  mit  den  Kurftlrsten  zum  Abendessen 
em.*     Früher   oder   gleichzeitig   wandte   sich  Granvelle  an  die 
Kurfürsten.     Um  Alles,   wie  sich's  gebühre,  sagte  er  etwa  zu 
ihnen,    ohne   Lärm  auszuftlhren,    thäten   sie   gut  daran,    den 
Landgrafen  bis    zur  Morizburg  zu   geleiten   und   dort  mit  ihm 
zu  speisen.    Die  Kurftlrsten  gaben  sich  damit  zuftieden.'     Man 
voUte    also  Aufsehen   vermeiden.     Man   erinnere   sich   nur  der 
Menschenmenge  im  Saale  und  auf  der  Strasse.     Die  Kurfürsten 
wnssten   nun,   dass   der  Landgraf  der  Erfüllung  des  Vertrages 
halber    zurückgehalten  werde;    der  Landgraf  selbst    wusste    es 
aber    noch  nicht.     Weder  der  Kaiser  noch  Granvelle   ahnten, 
wieweit  sich  die  Kurftlrsten  dem  Landgrafen   verpflichtet   und 
welche  Zuversicht   sie   darum   in  ihm  erweckt  hatten.     So  be- 
stiegen denn  die  Fünf  die  Pferde:  der  Landgraf  mit  den  Kur- 
färsten,  Alba  und  Granvelle.    Vielleicht  waren  auch  Bewafinete 
in  ihrer  Begleitung;  ob  zweihundert  spanische  Hakenschützen, 
wie    ein    unbekannter  Berichterstatter,    der  nicht  Augenzeuge 
war,*    wissen    will,    bleibe    dahingestellt.     Warum    die    Band- 


et Ceeare,  chiamato  il  Daca  d'AWa,  li  ordin6  che  U  fasse  menato  prig- 
gione,  et  a  monsignor  d^Aras,  che  sa  la  lin^a  thedesca,  disse  che'l 
riferime  prima  alli  Elettori,  che  erano  a  canto  esso  lantbgravio,  quanto 
harea  ordinato  la  MaestJi  Sua,  si  come  il  tatto  fu  esequito/  Mocenigo 
an  den  Dogen,  20.  Juni  1547.  Y.  D.,  U,  290.1».  ^Demnach  Ir  M^  dem 
Hertzogen  yon  Alba  bevolhen,  den  Lanndtgraven  in  das  Schloss  daselbst 
m  Hall  Eufaeren  vnnd  in  sichere  yerwhamng  zunehmen.'  Erklärung 
des  Kaisers  auf  dem  Reichstage  (Sastrow,  II,  549). 
Isileib,  Die  Gefangennahme,  234. 

,£t  quant  Ton  lenr  dit  que,  pour  faire  tout  ce  que  convenoit  sans  bruit, 
ih  feroient  bien  d'accompaigner  ledit  lantgrave  jusques  au  chasteau  et 
soapper  avec  luy,  Hz  le  consentirent  voluntiers  et  aussy  le  firent'  Gran- 
▼eile's  Darstellung,  592. 

,H&ben  sich  Ir  M^  zum  Duca  d'Alva  gewendt  und  bevolhen,  den  Landt- 
l^yen  in  verwarung  zunemen,  darauff  Inn  200  spanischer  Hackhen- 
schützen  hinwegkh  in  das  Schloss  gefuert  und  verwart .  .  .*  Der  Schluss 
lies  xmdatirten  Berichtes  an  einen  Ungenannten  lautet:  ,Die  franzosisch 
Botschafift,  so  dise  tag  alhie  [wo?]  durchzogen,  hatt  für  ein  warhait  an- 

12* 


174 

reichung  verweigert  worden  war,  erfuhr  der  Landgraf  wahr- 
scheinlich auch  jetzt  noch  nicht.  Auch  scheint  er  den  Wort- 
laut der  öffentlichen  Antwort  nur  theilweise  verstanden  und  nicht 
erwogen  zu  haben.  Es  ist  ein  Beweis  seiner  Ahnungslosigkeit 
wenn  er  unterwegs  äusserte,  er  hoffe,  dass  der  Kaiser  ihm  die 
Schleifung  der  Festungen  und  die  Auslieferung  der  Artillerie 
erlassen  werde.  Diese  Hoffnung  wurde  ihm  aber  durch  die 
Antwort  benommen,  man  habe  den  Kaiser  in  dieser  Hinsicht 
schon  ausgeholt,  und  es  sei  wenig  Aussicht  vorhanden,  dass  er 
von  der  stricten  Ausführung  des  Vertrages  abgehen  werde. 
Da  erwiderte  der  Landgraf  in  lateinischer  Sprache  nach  den 
Worten  des  Heilands:^  ,Sunt  duodecim  horae  diei'  und  ritt 
weiter.*  So  sprach  er  vermuthlich  mit  Granvelle.  Da  er  aber 
Französisch,  wenn  überhaupt,  so  wahrscheinlich  nur  sehr  un- 
vollkommen sprach,^  so  fand  wohl  die  Wechselrede  in  deutscher 
Sprache  statt. 

So  beschämend  es  auch  fUr  die  KurflLrsten  sein  mochte, 
es  geschah  doch:  sie,  die  dem  Landgrafen  insgeheim  die  Frei- 
heit verbürgt  hatten,  geleiteten  ihn  jetzt  in  die  Haft  Es  zeigt, 
wie  bitter  fUr  sie  die  Erinnerung  daran  war,  aber  es  wider- 
spricht den  Thatsachen,  wenn  sie  im  September  1551  durch 
eine  Gesandtschaft  dem  Kaiser  vorstellen  Hessen:*  sie  hätten  die 
Einladung,  Alba's  Gast  zu  sein,  ,nach  fürstlichem  Gebrauch 
der  loblichen  deutzschen  Nation  dahin  nit  vorstehen'  können, 
,das[8]  der  landgraff  bey  ihme,  dem  Herzogen  von  Alba,  in 
Custodien  gehen  und'  sie  ,ihnen  darein  geleiten  selten.  Solchs 
betten  wir  auch  in  keinem  wege  gewilligt,   nach[!]    gethan,  da 


gezai^rt:  alss  die  khay.  M*  den  20.  [irrig  statt:  23.]  von  Hall  aum  ver- 
rackht,  hab  Er  den  Churfuraten  auf  aim  wagen  nnd  den  Landtgraven 
auf  aim  klepper  woU  verwart  mitfüeren  sehen.«  Zu  Beginn  des  Berichte» 
stehen  die  Abbitte  des  Landgrafen  und  die  Antwort  dos  Kaisers.  Cod. 
9363  der  Wiener  Hofbibliothek.    Vgl.  oben  p.  142,  Anm. 

*  ,Nonne  duodecim  sunt  horae  diei  ?•    Ev.  Job.  XI   9. 

*  ,11  replicqua  en  latin:  ...  et  passa  oultre.*  Qranvelle's  Darstellung, 
692  f. 

«  Im  Jahre  1630  sagte  er  selbst,  das  PraMösische  sei  ihm  nicht  gans  ge- 
läufig. 1634  verkehrte  er  mit  König  Franz  I.  in  Bar-le-Duc  nur  durch 
Dolmetscher  (Rommel,  Geschichte  von  Hessen,  IH,  167,  IV,  61)  1549  er- 
bot er  sich  aber  su  einem  ,leiplichenn  eydt  vor  Irer  Mt.  Hoffgesindt, 
teutsch  oder  welsch,  wie  es  Irer  Mt.  gevellig«.     Lana,  H,  634. 

*  Lan»,  Staatspapiere,  489  f. 


175 

wir  mit  dem  wenigsten  vormerkt  betten^  das  der  landgraff  solte 
aufgehalten  vnd  eingezogen  werden,  vil  weniger  betten  wir  uns 
als  deatzscbe  gebome  forsten  und  des  belügen  reicbs  Cbur- 
iursten  darzu  begeben  und  gebraueben  lassen,  einen  wenigem, 
gesch^^eige  dan  einen  gepornen  forsten  des  beiligen  reicbs 
deutzscber  nation  und  unsem  blutsfreund  in  die  eustodien  zu 
beredeD,  vil  weniger  eigner  person  dabin  zu  überantworten/ 

Auf*  der  Morizbui^  speiste  der  Landgraf  mit  den  Kur- 
flirsteii.^  Fanden  sie  damals  den  Mutb,  ibm  mitzutbeilen,  was 
Kurfürst  Joacbim  von  dem  Kaiser  wäbrend  der  Abbitte  er- 
fahren batte?  Mag  dem  wie  immer  sein.  Sollte  Herzog  Alba 
nicht  der  Erste  gewesen  sein,  der  den  Landgrafen  über  sein 
Schicksal  aufklärte,  so  wird  doch  richtig  sein,  dass  er  den 
Korftirsten  und  diesem  selbst  zuerst  anzeigte  oder  anzeigen 
li^s,  kaiserUchem  Befehle  gemäss  müsse  er  auf  dem  Schlosse 
bleiben.*  Die  Kurforsten  waren  nämUch  nach  mehr  als  ein- 
stundigem Aufenthalte^  damals  schon  im  Begriffe,  es  wieder  zu 
Tomassen.*  Der  Landgraf,  der  bisher  der  schriftlichen  Zusage 
der  Kurfürsten  getraut  hatte,  argwöhnte  in  dem  ganzen  Vor- 
gange nur  Trug  und  Hinterlist.  Im  Jahre  1552  bat  noch  sein 
Sohn  das  Abendmahl  auf  der  Morizburg  ein  Judasmahl  ge- 
nannt.^ Von  der  Absiebt  des  Kaisers,  den  Landgrafen  zurück- 
zuhalten, erfuhren  die  Kurfürsten,  mindestens  Joachim,  schon 
widirend  der  Abbitte.  Dass  er  auf  dem  Schlosse  bleiben  müsse, 
mögen  sie  erst  damals  gehört  haben.  Aber  es  bloss  die  That- 
sachen  entstellen,  wenn  sie  im  September  1551  behaupteten: 
,Wir  haben  auch  nicht  eher  erfharen,  das  der  landgraff  ge- 
fenglich  enthalten  werden  solte,  dan  do  wir  sampt  dem  land- 
graffen  als  eingeladene  geste  mit  dem  Herzogk  von  Alba  in 
guter  ergetzbchkeit  gesessen,  das  uns  sein  liebte  nach  gehal- 
tener nudzeit  allererst  angezeigt,  das  der  landgraff  vfoi  scbloss 
m  der  Custodie  bleiben  solle  .  .  /^ 


^  JLaaägnffe  .  .  .,  avec  le  qnel  ilz  saparent.*    Granrelle,  20.  Juni   1647, 
an  Königin  Maria,  a.  a.  O.,  22. 

*  Inleib,  234. 

'  yComment  ilz  forent  pour  departir  et  qn^ilz  apersnrent  qne  Ton  retenoit 
ledict  landgraffe.'     Granyelle's  Brief  vom  20.  Juni,  p.  22. 

*  4^epQb  estans  andit  chasteau  et  plus  d*une  benre  apres  j  estre  venns.* 
GranTelle*8  Darstellung,  693. 

*  Rommel,  Qeechichte  Ton  Hessen,  lY,  309,  Anmerkungen. 

*  IjAuz,  Btaatspapiere,  490. 


176 


5.  Anerkennung  der  Berechtigung  zur  Verhaftung. 

Als  die  Kurfürsten  Alba's  Erklärung  vernahmen^  erhoben 
sie  gegen  die  Zurückhaltung  des  Landgrafen  fansprache. 
Oranvelle  und  Alba  mussten  herbeigerufen  werden.^  Ihnen 
gegenüber  beschwerten  sie  sich  nun  und  erklärten^  so  hätten 
sie  es  nicht  verstanden,  dass  der  Landgraf  gefangen  gehalten 
werden  solle;  sie  hätten  sich  darum  dem  Landgrafen  gegenüber 
persönUch  verbürgt.*  Hätten  sie  oflfen  gesprochen^  so  würden  sie 
gesagt  haben^  sie  hätten  nicht  gehofft^  dass  der  Kaiser  von 
dem  ihm  durch  ihre  eigenen  mündUchen  und  schriftlichen  Er- 
klärungen vom  2.  Juni  eingeräumten  Rechte  zur  Verhaftung 
des  Landgrafen  Gebrauch  machen  werde. 

Dieser  Einspruch  verwunderte  die  kaiserlichen  Räthe  and 
auch  den  Kaiser.  Solches  hatten  sie  nicht  erwartet.  Man  er- 
kennt dies  aus  den  Briefen  des  Kaisers  und  Granvelle's  an 
König  Ferdinand  und  Königin  Maria.  Sie  suchten  nach  Gründen  ^ 
um  sich  das  Vorgehen  der  Kurftirsten  zu  erklären.  Sie  ver- 
mutheten^  der  Einspruch  gehe  auf  eine  Verabredung  mit  deren 
Käthen  oder  mit  dem  Landgrafen  selbst  zurück^  mit  dem  sie 
gespeist  hätten.  Granvelle  neigte  der  Ansicht  zu^  die  Sache 
gehe  doch  hauptsächlich  von  Kurftirst  Moriz  aus^  der  dadurch 
bösen  Reden  in  Deutschland  begegnen  wolle.  Denn  man  habe 
ihm  schon  fi'üher  zum  Vorwurfe  gemacht,  dass  nur  durch  seine 
Unterhandlungen  der  Braunschweiger  Herzog  Heinrich  im  Jahre 
1545  in  des  Landgrafen  Gewalt  gekommen  sei.^    Später  ver- 

^  ,£t  snr  ce  me  firent  appeller  ayec  le  dnc  d*Albe,  pour  debatre  ce  polnt., 
Granvelle,  20.  Juni,  23. 

'  ^Ils  demonfltrarent  de  n'avoir  entendu  qae  [dieses  fehlt  bei  Druffel,  I,  64] 
ledit  landgrave  se  deust  [nicht:  peast]  detenir  prisonnier,  disans  Tavoir 
de  ce  aBseure;  et  sur  ce  Ton  leur  donna  raison  [nicht:  raisons]  an  [nicht: 
du]  contraire  .  .  .'  Brief  des  Kaisers  an  König  Ferdinand  vom  28.  Juni 
1547  (Wiener  Staatsarchiy,  Copialbuch,  682.|). 

'  yApres  le  soupe,  füt  qu'il[z]  ce  [sie]  fusent  consilles  ayec  leurs  conaillers 
ou  ayec  ledict  landgraffe  mesmes,  avec  le  quel  ilz  suparent  .  .  .  ilz 
commensarent  a  ce  resentir  grandement,  et  je  tiens  qne  le  prinsipai 
yient  du  consel  dudict  duc  Mauritz,  pour  ce  que  ja  Ton  Ta  sarge  [für: 
chargä]  en  la  Qennanie  que  avec  ses  trectes  il  euk  sirconvenu  le  duc 
de  Brunswick  et  este  cause  de  sa  prison.*  Granvelle,  20.  Juni,  22  f.  yl>e- 
puis,  aians  lesdits  electeurs  devlse  avec  ledit  landgrave  et  aussi  avec 
leurs  conseillers,  ils  demonstrarent'  etc.  Brief  des  Kaisers  vom  28.  Juni 
(Druffel,  I,  64). 


177 

matliete  der  Bischof^  dass  die  abschlägige  Antwort^  die  der 
Landgraf  bezüglich  der  Festungen  und  der  Geschütze  auf  dem 
^ege  zum  Schlosse  empfangen^  den  Einspruch  veranlasst  habe.^ 
Am  weitesten  ging  der  Kaiser,  als  er  seinem  Bruder  gegen- 
über den  Argwohn  ausdrückte,  dass  Alles,  was  die  EurfUi*sten 
mit  den  Ihrigen  bezügUch  ihrer  Verpflichtung  gegen  den  Land- 
grafen geäussert  hätten,  von  ihnen  an  diesem  Abende  erfunden 
worden  sei,  weil  es  in  directem  Widerspruche  mit  ihren  Ver- 
handlungen stehe.^  Kann  man  da  noch  an  eine  durch  den 
Kaiser  oder  durch  Bischof  Granvelle  beabsichtigte  Täuschung 
der  Kurftirsten  denken? 

Bis  2  Uhr  Nachts  dauerte  die  Disputation.  Die  Kurftirsten 
vorden  von  ihren  Käthen  unterstützt.  Granvelle  wies  ihnen  an  der 
Hand  des  ersten  Vertragsartikels  und  der  Nebenerklärungen  vom 
2.  Juni  nach,  wie  unberechtigt  ihr  Einspruch  sei.  Er  hob  hervor, 
dass  sie  selbst  es  gewesen  seien,  welche  die  Nebenartikel  in  deut- 
scher Sprache  hatten  abfassen  und  überreichen  lassen,*  ferner,  dass 
der  Kaiser  dieselben  angenommen  habe,  ohne  auch  nur  einen 
Bachstaben  daran  zu  ändern  oder  eine  Bemerkung  darüber  zu 
machen.^  Ebenso  erinnerte  er  sie  daran,  dass  sie  diese  Er- 
klänmgen  vorgelegt  hatten,  weil  der  Kaiser  so  oft  auf  der 
Büi^schaft  des  Landgrafen  in  Person  bestanden  und  wieder- 
hat ihre  eigene  Bürgschaft  als  Geisel  abgelehnt  hatte.  Ueber- 
dies  habe  der  Kaiser  erklärt,  fiir  das,  was  nach  dem  Vertrage 
sofort  erfüllt  werden  müsse,  wie  Schleifiing  der  Festungen, 
üebergabe  der  Artillerie,  Ratification  und  Eidesabiegung  der 
Landstände,  Beeidigung  der  Besatzung  einer  Festung,  könne  so 
knge  keine  andere  genügende  Garantie  gefunden  werden,  als 
bis  der  Landgraf  durch   Thaten  Bürgschaft  gebe;  denn   sein 


*  J)6pais  estans  audit  chasteau  .  .  .  füt  par  adhortation  de  quelque  leur 
conseillier,  poQr  la  consultation,  qae  se  peult  penser,  ou  par  practique 
da  menne  lantgrave,  desceu  de  Tespoir  qu'il  avoit  de  non  demolir  ses 
forte  et  de  retenir  rartillerie  qn'il  desiroit,  oa  par  antre  respect,  qnel 
qu'ü  soft,  ilz  commenijarent  faire  difficulte  .  .  .*  Granvelle's  Darstellung, 
598. 

*  J>elmis8ant  les  particnlarites,  qui  seroient  prolizes,  et  mesmes  que  par 
anlcanes  contradictionB  passees  en  la  negotiation  Ton  pouvoit  avoir  quel- 
qae  donbte  qae  tout  ce  que  se  disoit  de  la  pro  messe  faicte  au  land- 
grare  ayoit  peu  eatre  trouve  dez  la  prison,  encoires  quUl  ne  s^afferme 
ponr  certain  .  .  .*    Brief  vom  28.  Juni  (Dmffel,  I,  66). 

«  Vgl,  oben  p.  189  f.,  142  f.  *  Vgl.  oben  p.  144  f. 


3  er  oft  genug  nicht  gehalten.'  Granvelle  machte  die 
I  darauf  aufmerksam,  ihr  Voigehen  mache  die  Ehre 
rs  and  die  ihrige  zum  Gegenstand  des  Streites.' 
KurfUrsten  fanden  aber  keine  andere  Antwort  als 
Itten  verstanden,  der  Landgraf  solle  überhaupt  nicht 
r  seinj  darum  hätten  sie  ihm  zur  Ergebung  gerathen. 
keine  Gelehrten,  um  Über  Worte  zu  streiten.'  Sie 
i!ten  sich,  dase  sie  sich  nicht  so  gesichert  hätten,  -wie 
len  wäre,  wenn  sie  studirte  Leute  gewesen  wären.* 
der  Nacht  wünschten  sie  ihre  Beschwerde  an  den 
bringen.  Granvelle  und  Alba  antworteten,  dazu  sei 
:;  der  Kaiser  habe  sich  bereits  zurtickgezogen."  Nun 
!  dem  Landgrafen  bis  zum  Morgen  GeseUschaft  leisten, 
rlicbcn  Räthe  warnten;  das  wQrde  büse  Gerllchte  er- 
id  so  aassehen,  als  wollten  sie  dadurch  zum  Ausdruck 
Uss  der  Kaiser  sein  Wort  nicht  gehalten  habe;  er 
h  dnrch  solches  Voigehen  verletzt  fühlen.  Sie  aber 
i:  ihr  Versprechen,  das  sie  dem  Landgrafen  gegeben, 
•  sie  dazu;  sie  meinten  das  Geleit  und  die  scbrift- 
sichemng  vom  4.  Juni.  Wie  sie  den  Landgrafen 
mOsslen  sie  fUrchten,  dass  er  sonst  zur  Verzweiflung 
Aber  nur  KarlUrst  Joachim  Hess  sieb  bewegen,  das 
.  verlassen;  KurfUret  Moriz  blieb  bei  seinem  Schwieger- 


m  p.  110,  116,  121  f.,  186  und  132. 

IsAiu  difficulte  en  cecj  ilz  mectoient  Thonneur  de  B*.  Ma'*  od  dia- 

le  lear.'     Granvelle'«  D&ralellaDg,  593. 
'   ils   ne  firent  aallre  replicqae  sl  non  qa'ils  n'eatoient  docteure, 
ipnter  iui  les  mols,  et  n'avoient  entendn  anltre  choBe,  ai  non  qu'il 
t  priMnnier,  persnadau  la  delivranc«.'     Brief  des  Kaisers  vom 

(Draffel,  I,  66). 
[sie]  eicUMraat,  ponr  non  Tavoir  bien  entendn  et  n'avoir  peti  ay 
lenrer  l'affaire  qae  a'ÜE  fnsent  eete  gern  de  lettre.*    Ghanvelle, 
,  p.  23. 

ime  il  estoit  ja  tard  et  comme  jnsqnea  dem  [bei  Draffel  irrig; 
es  aax  denx]  beures  apres  minuit,  et  qae  par  ee  me«  miniitres 
[ent  dea  lor»  [bei  Dmffel  irrig:  l'en]  nie  conralter,  ila  fwrent  in- 
ie  ponvoir  juaqnea  an  lendemaim  teuir  compagnie  audit  landgrave, 
il  De  sembla  qu'il  fat  detenn  prisonnier  .  .  .'    Brief  des  Kaisers 

Jnoi,  65. 
rqae  Ton  lenr  remoiutra  an   coatraire  qne  c«la  aeroit  de  grant 

qoe  il'on  en  parleroit  diveraement,  et  qu'il  aembleroit  ils  von|. 


179 

Am  Morgen  des  20.  Juni  liess  der  Landgraf  die  Kur- 
ftkrsten  unter  wiederholtem  Hinweis  auf  ihr  Geleit  und  ihre 
Zusage  vom  4.  Juni  durch  seine  Räthe  ermahnen,  seine  sofortige 
Enthaftang:  beim  Kaiser  zu  betreiben.  Er  erinnerte  sie  an  ihre 
Pflicht,  sich  im  Falle  der  Ablehnung  bei  seinen  Kindern  in 
Cassel  einzastellen,  und  ermächtigte  sie  auch  zur  Erklärung, 
dass  er  Alles,  was  dem  Vertrage  gemäss  sogleich  geschehen 
müsse,  anverztiglich  erftillen  wolle.  Die  Kurfürsten  erklärten 
ach  bereit,  dem  Wunsche  des  Landgrafen  und  eventuell  auch 
ihrer  Verpflichtung  nachzukommen.^  Noch  an  diesem  Morgen 
entwarfen  sie  ein  Bittgesuch  an  den  Kaiser;  dass  es  wirklich 
übergeben  worden  sei,  finde  ich  nicht  nachgewiesen.*  Hier 
behaupteten  sie  wieder  im  Gegensatze  zu  den  von  ihnen  selbst 
verfassten  Nebenartikeln:  soviel  sie  wtissten,  habe  ihnen  der 
Kaiser  die  gnädige  Erwähnung  thun  lassen,  die  Ergebung  solle 
dem  Landgrafen  ,weder  durch  Leibesstrafe  noch  durch  Ge- 
fibigniss  zu  einigem  Nachtheil^  gereichen.  ,Obgleich  die  kai- 
serlichen Räthe  die  Verhandlungen  zum  Theil  in  französischer, 
zum  Theil  in  lateinischer  und  zuletzt  (also  am  2.  und  11.  Juni) 
aoch  in  deutscher  Sprache  geführt  hätten  und  sie  selbst  der 
Sprachen  (der  lateinischen  und  französischen)  nicht  gar  kundig 
seien,  so  hätten  sie  dennoch  nicht  den  Eindruck  gewonnen,  dass 
die  Ei^ebung  zu  einigem  Gefängniss  ftüiren  soUe.^  Sie  bäten, 
ihre  Ehre  und  die  ihrer  Nachkommen  mehr  als  den  Landgrafen 
selbst  zu  bedenken.  Zugleich  Hessen  sie,  wahrscheinlich  schrift- 
lich, vorschlagen,  der  Kaiser  möge  den  Landgrafen  in  ihre 
Hand  aberliefem,  und  versprachen,  ihn  so  lange  nicht  ft'ei- 
zngeben,  bis  er  den  Vertrag  erflült  habe,  oder  ,so  lange  es 
dem    Kaiser   gefUllig   sei^'    Diese  letzten  Worte   erinnern   an 


aiasent  pretendre  que  j'easse  fait  contre  ma  parolle,  et  que  me  res- 
sentiroje,  Ton  ne  peat  acheyer  avec  eulx  que  le  duc  Maurice  n'y  de- 
meurat  tonte  icelle  nuyct.*  Ebendas.  Vgl.  damit  Granyelle's  Dar* 
rtellnng,  593. 

^  Issleib,  Die  Geftmgennahme,  236,  and  Ranke,  VI,  249. 

*  Ich  folge  Issleib's  Angaben  (p.  237).  Die  wörtliche  Wiedergabe  dieser 
Urlnmde  wftre  wünschenswerth  gewesen. 

'  J£t  delessant  de  ce  plus  fonder  sur  Tobligacion  dn  trecte  vindrent  a 
sapUer  a  Sa  Majeste  quMl  Iny  pleut  a  ce  en  tenir  soing  de  lenr  honneur 
comme  de  cho88e[!],  qn'ilz  venllent  avoir  tant  ponr  recommande  et 
qo^elle  [vonlüt]  lenr  remestre  ledict  landgraffe  entre  lear[s]  mains  avec 
obligadon,  qaMlz  offrent  de  passer  d*en  faire  bonne  et  senre  garde  et 


180 

die  gleiche  Bestimmung  der  Witteoberger  Capitulation. ^  Auf 
diese  Weise  hofften  sie  aus  der  peinlichen  Lage  zu  koDunen, 
in  die  sie  sich  durch  Unvorsichtigkeit  und  Vertrauensseligkeit 
gebracht  hatten. 

Weil  es  der  Kaiser  gewünscht  hatte,  so  wurde  ihm  über 
die  nächtliche  Debatte  aosßlhHich  Vortrag  gehalten.  Er  ver- 
nahm auch,  dass  ihm  die  Begleiter  der  KurHlrsten  in  ihreu 
Reden  öffentlich  Schuld  beizumessen  suchten,  als  sei  er  zu 
dem  Verfahren  gegen  den  Landgrafen  nicht  berechtigt.  Dalicr 
wird  es  begreiflich,  wenn  der  Kaiser  seinen  Geschwistern 
sehreiben  liess,  die  Sache  sei  zu  weit  gediehen  gewesen,  als 
dass  er  noch  hfitte  nachgeben  können.  Die  ganze  Welt  hatte 
in  diesem  Falle  glauben  kOnnen,  was  er  gethan  habe,  sei  ohne 
Berechtigung  geschehen,  und  darum  hätten  die  Kurfürsten 
durchgesetzt,  dass  er  sein  Vorhaben  au%ebe.  Er  beschloss 
daher,  den  Landgrafen  wenigstens  bis  zur  Erfüllung  der  wich- 
tigsten Bedingungen  des  Vertrages  in  Verwahrung  zu  halten. 
Denn  er  meinte,  nach  der  Elntlassung  der  Truppen  gar  keine 
andere  Bürgschaft  ftlr  die  ElrfÜllnng  des  Vertrages  zn  besitzen, 
weil  auch  die  Kurftlrsten  den  Landgrafen  nicht  dazu  zwingen 
kdnnten.  Dieser  habe  bei  seinen  Erüheren  Vorschlügen  bezüg- 
lich der  Festungen  genflgead  bewiesen,  dass  er  nicht  den 
Willen  habe,  seine  Versprechnngen  zu  erfüllen,  sondern  dass 
er  nur  bis  zur  EnÜassung  der  Truppen  Zeit  zn  gewinnen 
trachte.  Er  sei  hauptsfichlich  deswegen  wieder  in  Verhand- 
lung getreten,  weil  die  Bedingung  ,nicht  ewiges  Gefängnis' 
vorgeschlagen  worden  sei.  Nach  Allem,  was  verhandelt  worden 
sei,  hindere  ihn  gar  nichts  an  der  Zurückhaltung  des  Land- 
grafen.* 

Vor  Allem  sollten  die  Kurfürsten  gezwnngen  werden,  zu 
bekennen,    dass    seine    Verfügungen    durch    den    Vertrag    and 


non  le  Ui»«  ie  l«ar*  maitu  qn'U  n'aii  atomplr  le  (racto  et  jiuqaea  au 
bon  pifsir  d«  S>  ItaJMt«.-  GnoT«!)»,  SO.  Joni  1M7,  p.  2S.  Dieaer  Brief 
b>t  Tor  daB  Voitnti^  Gr>nT«llp*s  b^im  Eaün-  nbar  die  nlchüicfae  I>e- 
balt*  ^«ecbnebt-'n.  D«r  i-iim  äl.  Jani  tbeilt  du  Roaltat  iee  VoTtiages 
uil.     Vgt.  GnuT«!!«'«  Dantvllu^  b«i  Lajo,  n,  593. 

'  Vgl.  iiben  p.  13S. 

*  Dw  KaiWT  «a  Knu|r  FeiJiiuukd  ui  Sd,  Juü  und  in  Minem  Namen 
GraaT«!)«  an  KSnigin  Maria  aw  Sl.  Juai  lJ4i  itkraSel.  I,  6&;  Turba, 
Zur  \tA»t^aaf,  i6\ 


181 

durch  die  Verhandlungen  vollkommen  begründet  seien.  In 
die^m  Sinne  ertheilte  er  Alba^  Bischof  Qranvelle  und  Dr.  Seid 
seine  Weisungen ;  ^  denn  sie  Alle  hatten  an  den  Unterhandlungen 
theilgenommen.  Die  kaiserlichen  Räthe  erschienen  auf  dem 
Schlosse  und  eröflFneten  den  Kurftirsten,  denen  Dr.  Fachs  zur 
Seite  stand,^  das  Verweilen  des  Kurftirsten  Moriz  bei  seinem 
Schwiegervater  habe  der  Kaiser  als  Trotz  gedeutet,  als  habe 
er  zu  verstehen  geben  wollen,  dass  nicht  ehrlich  gehandelt 
worden  sei.  Sie  hätten  Auftrag,  mit  ihnen  darüber  zu  dispu- 
tiren.  Seine  Majestät  ftihle  sich  dadurch  verletzt,  dass  man 
ihre  Ehre  und  ihr  kaiserliches  Wort  in  Disputation  gezogen  habe. 
Lieber  wolle  sie  die  ganze  ,Handlung^  trotz  der  verlorenen 
Zeit  und  Gelegenheit  annulliren,  den  Landgrafen  nach 
Hause  entlassen  und  ihm,  koste  es  auch  ein  Köm'greich,  aufs 
Neue  zusetzen,  als  dass  man  sage,  er  habe  sein  Wort  auch 
oor  im  Geringsten  nicht  gehalten.  Der  Kaiser  wolle  ihre  Bitte 
nicht  eher  hören,  als  bis  diese  Sache  abgethan  sei.' 

Kurftirst  Moriz  entschuldigte  sich:  er  sei  nur  deswegen 
auf  dem  Schlosse  gebUeben,  damit  er  seinem  Schwiegervater 
Gesellschaft  leiste  und  ihn  tröste. 

Der  Ejtiser  lasse  den  Kurftirsten  sagen,  fuhren  die  Räthe 
fort,  auch  er  sei  kein  Gelehrter.*  Nun  wiesen  sie  abermals 
auf  den  Gang  der  Verhandlungen  und  auf  den  Inhalt  der 
Nebenversicherung  vom  2.  Juni  hin.  Dreimal  erklärten  die 
Kurftirsten,  sie  wollten  sich  in  keine  Disputation  mit  dem 
Kaiser  einlassen;  das  gebühre  ihnen  nicht.  In  der  Nacht  vor- 
W  hatten  sie  es  doch  einigermassen  gethan.  Wiederholt  er- 
klärten sie,  sie  liessen  der  ,Keyserlichen  Majestät  ihren  Vor- 
stand'. Sie  selbst  hätten  die  Sache  anders  verstanden;  ,es  wäre 
also  ihrestheils  geirret^  Dreimal  bekannten  sie,  ,das  sie  doftir 
hielten,  Keyserliche  Majestät  betten  ihr  ftimhemen  mit  fuge  ge- 
than'; ja  noch  mehr:  sie  wollten  auch  den  Kaiser  gegen  Jeder- 
mann vertheidigen,  der  behaupte,  er  habe  sein  Wort  gebrochen. 


*  <3nuiTelle,  21.  Juni,  a.  a.  O.,  27;  der  Kaiser  am  28.  Juni,  p.  65. 

*  Drnffel,  I,  487;  Qranyelle  am  21.  Jani,  p.  27. 

'  Der  Kaiser  am  28.  Juni  1547  (Dniffel,  I,  66  f.).  Granvelle's  Darstellung 
593 f.;  Erklärung  auf  dem  Reichstage  vom  25.  November  1547  bei  Sastrow, 
n,  549f. 

*  yLeur  faisant  dire  que  je  n'estoye  docteur  non  plus  qne  eulx.*  Der 
KAiaer  am  28.  Juni,  p.  65  f. 


184 

wurden  ebenso  wie  die  Bitte  um  Bestimmung  der  Haftzeit  ah- 
gelehnt.* 

Als  Herzog  Alba  am  22.  Juni  mit  der  spanischen  Infan- 
terie und  der  italienischen  Cavallerie  Halle  verliess^  mussten 
ihm  die  beiden  gefangenen  Fürsten  folgen.  Der  Landgraf 
weigerte  sich  dessen  eine  Zeit  lang  auf  das  Entschiedenste. 
Er  erklärte,  eher  müsse  man  ihn  binden,  als  dass  er  freiwillig 
folge.*  Er  wolle  nicht,  rief  er  aus,  dass  die  Welt  ihn  fiir  so 
thöricht  halte,  als  hätte  er  sich  als  freier  Mann  in  die  Haß 
begeben.  Man  solle  sehen,  dass  er  betrogen  worden  sei:  ent- 
weder vom  Kaiser  oder  von  den  Kurfllrsten.'  Da  aber  den 
Kurfürsten  mitgetheilt  wurde,  man  werde  unbedingt  auf  seiner 
Fortführung  bestehen,  wenn  man  ihn  auch  binden  müsste,  so 
suchten  sie  ihn  zu  beruhigen.  Er  verlangte  durchaus  zu  wissen, 
wie  lange  die  Haft  dauern  werde.  Sie  vertrösteten  ihn  mit 
drei  bis  vier  Wochen.  Endlich  gelang  es,  ihn  zu  überreden, 
zu  Pferde  zu  folgen.  Vorher  mussten  sie  ihm  aber  mit  ,Hand, 
Mund'  und  ,yerschreibung'  geloben,  so  lange  bei  ihm  zu  bleiben, 
bis  er  freigelaesen  würde.* 

Vielleicht  noch  an  demselben  Tage  erliess  er  dann  eilig 
Befehle  zur  Vollziehung  des  Vertrages,* 

Um  ihrer  neuen  Verpflichtung  nachzukommen,  geleiteten 
ihn  die  Kurftürsten  zwei  Tagreisen  bis  Naumbui^.  Erzherzog 
Maximilian,  Herzog  Alba  und  Bischof  Granvelle  deuteten  aber 
an,  dass  der  Kaiser  dies  ungern  sehe.^  Gedrängt  von  dem 
Landgrafen,  suchten  inzwischen  die  Kurfürsten  durchzusetzen, 
dass  die  Haftdauer  bestimmter,  etwa  auf  drei  Wochen  oder 
auf  einen  Monat  festgesetzt  werde.  Um  zu  diesem  Ziele  zu 
gelangen,  erboten  sie  sich,  bis  zur  Ankunft  des  Kaisers  in 
Bamberg  oder  kurze  Zeit  darauf  100.000  Gulden  zu  erlegen 
und  vierzehn  Tage  später  den  Rest  der  Strafsumme.^  Da  die 
zuerst   genannte  Summe   schon   vor  dem  11.  Juli  in  Nürnberg 


>  Usleib,  943;  Ranke,  \X  S51. 

*  Brief  des  Kaisers  rom  Sä.  Joni«  p.  66. 
»  Moceaiifo,  33,  Juni  1W7.     V.  D^  II, 
«  Das  ProtokoU  bei  Ranke.  VL  SSi  «nd  S90. 

*  IssleiK  343;  Rommel,  Gesckiciite  ron  Hessen,  IV,  315. 

*  Isrieib,  344;  BneT  des  KaiMn  toss  id.  Jnni.  p.  66. 

*  Biief  des  Kaisen  tom  3$.  Jnai  IMT,  p.  66. 


186 

eHegt  wurde,  wohin  der  Kaiser  am  6.  Juli  kam,^  so  wurde  der 
im  Vertrage  bestimmte  Zahlungstermin  sehr  verkürzt.* 

Die  Kurfürsten  traten  aber  auch  mit  ,grossen  Anerbietun- 
^en'  an  Granveile  selbst  heran.  Wir  erinnern  uns,  dass  der 
Landgraf  vor  dem  Ritte  nach  Halle  erinnert  worden  war,  zehn- 
taasend Kronen  für  den  Bischof  mitzunehmen.'  Dieser  pflegte 
derlei  , Verehrungen'  nicht  ungern  anzimehmen;  wo  aber  be- 
sondere Wünsche  und  Interessen  seines  Herrn  zu  berücksich- 
%en  waren,  wird  er  es  kaum  gethan  haben.  So  lehnte  er 
denn  Alles  ab,  was  man  ihm  anbot,  und  liess  sich  dann  auch 
nicht  durch  Drohungen  einschüchtern,  deren  Inhalt  wir  nicht 
erfiihren.*  Er  gab  ihnen  nur  den  Rath,  dem  Kaiser  zu  erklären, 
m  würden  dafür  sorgen,  dass  der  Landgraf  die  Bestimmungen 
des  Vertrages,  deren  Erflillung  keinen  Verzug  dulde,  bald, 
ehrlich,  wahrhaft  und  treulich  vollziehe;  bis  dahin  wollten  sie 
die  Bitte  um  Bestimmung  der  Haftdauer  verschieben.^ 

Als  Karl  V.  in  Naumburg  ankam,  liess  er  die  Kurfürsten 
zu  sich  rufen  und  drückte  den  Wunsch  aus,  sie  möchten  heim- 
kehren, weil  er  ihrer  bis  zum  Reichstage  nicht  mehr  bedürfe. 
Dem  Kurfürsten  von  Sachsen  gegenüber  äusserte  er,  dass  seine 
Anw^enheit  dort  wegen  des  vergangenen  Krieges  und  der 
neuerworbenen  Gebiete  nöthig  sei. 

Die  Kurfürsten  erinnerten  den  Kaiser  an  seine  Antwort 
Tom  21.  Juni  und  trugen  vor,  was  Granveile  ihnen  gerathen 
hatte.  Der  Kaiser  erwiderte:  er  erinnere  sich  dessen,  was  er 
damals  gesagt;  er  werde  es  daran  nicht  fehlen  lassen.  Wie 
damak  äusserte  er  wieder:   er  wolle  sehen,  wie   der  Landgraf 


*  V.  D.,  n,  306.1«. 

*  Vgl.  oben  p.  168. 

*  Vgl.  oben  p.  162. 

*  iMadame,  dois  mes  demieres  lettres  [vom  21.  Jnni]  ...  las  electenrs  de 
Saxen  et  de  Brandenbourg  suyvirent  encore  trois  joumees,  pensant  ob- 
teoir  de  Sa  Majeste  autre  response  et  atterroination  de  la  prison  a  trois 
sepmames  oa  ung  mois  et  se  servirent  de  tous  les  moyens  qn^Uz  pen- 
soient  leur  ponrroient  [nicht:  pouyoir]  estre  a  propos,  et  enrers  moy  de 
grandes  offres  [in  Chiffren:]  et  apres  le  reffnz  d'icelles  de  bravetez  .  .  .* 
Bischof  Granveile  an  Königin  Maria,  Nürnberg,  11.  Juli  1547,  Lanz, 
Correspondenz,  II,  599  (das  Original  im  Wiener  Staatsarchiv,  Belgica 
A  P  74). 

*  Der  Kaiser  an  KOnig  Ferdinand,  28.  Juni,  p.  67.  Granveile,  11.  Juli, 
Lanz,  U,  599  f. 


186 

fortan  den  Vertrag  erAillen  werde.  Demgemäss  werde  er  ihnen 
solche  Antwort  ertheilen^  dass  sie  Gnind  hätten,  zufirieden  zu 
sein.  Das  er&hrt  man  ans  einem  Briefe  des  Kaisers  an  König 
Ferdinand  vom  28.  Joni  und  aus  einem  andern  Granvelle's  an 
die  Königin  Maria  vom  11.  Juli.^  Mehr  theilt  der  venetianische 
Gesandte  Mocenigo  über  die  Audienz  vom  24.  Juni  mit  Wie 
er  berichtet,  gaben  die  Kurftirsten  damals  dem  Kaiser  auch  die 
Absicht  kund,  sich  so  lange  in  Hessen  aufzuhalten,  bis  der 
Landgraf  befreit  sei,  damit  die  Welt  sehe,  dass  er  gegen  ihren 
Willen  und  gegen  ihre  Erwartung  gefangen  sei.  Ausdrücklich 
erklärte  der  Kaiser,  dass  er  das  nicht  zugebe.  Auch  hielt  ei 
ihnen  in  strafendem  Tone  Aeusserungen  über  Vertragsbrucl 
vor.  Darauf  erwiderten  sie.  Solches  hätten  sie  nicht  geäussert, 
Ja  sie  erboten  sich,  dem  Kaiser  in  einer  Schrift  bestäti 
gen  zu  wollen,  dass  er  sein  Wort  nicht  gebrocher 
habe.  Sie  hätten  aber  dem  Landgrafen  im  Vertrauen  auf  diu 
,uneüdliche^  Güte  des  Kaisers  die  Freiheit  verbürgt,  und  ii 
demselben  Vertrauen  bäten  sie  wieder  um  seine  Enthaftung 
Der  Kaiser  erwiderte:  ,Wenn  ich  solche  Güte  und  Milde  gegei 
den  Landgrafen  üben  soU,  muss  ich  es  auch  gegen  Herzog 
Johann  Friedrich  thun;  wenn  Ihr  es  so  woUt,  so  lasset  Eucl 
vernehmen!^  KurfUrst  Moriz  schwieg  dazu.  Das  wird  de: 
Kaiser  wohl  erwartet  haben.* 

Mocenigo  scheint  nicht  erfahren  zu  haben,  dass  die  Kui 
fUrsten  dem  Kaiser  erklärten,  ihn  erst  nach  der  Erfüllung  de 
dringlichsten  Vertragsbestimmungen  wieder  um  die  Befreiuni 
des  Landgrafen  bitten  zu  wollen.  Bei  der  Aeusserung  Tvege; 
des  Vorwurfes  eines  Vertragsbruches  könnte  auch  eine  Vei 
wechslung  mit  den  am  21.  Juni  ausgetauschten  Erklärunge 
vorliegen.  An  der  Wahrheit  der  anderen  Mittheilungen  M^ 
cenigo's  zu  zweifeln,  liegt  nicht  nur  kein  Grund  vor,  sonder 
sie  werden  durch  das  Verhalten  der  Kurfürsten  in  diesen  Tage 
bestätigt. 

Kein  Ausweg  aus  den  Schwierigkeiten!  Der  ILais^ 
erkannte  ihre  Verpflichtung  zur  Einstellung  in  Cassel  als  ve 
tragswidrig  nicht  an,  verbot  ihnen  sogar,  sie  zu  erfüllen.  T>{ 
Landgraf   bestand    aber   so    sehr    darauf,    dass    er    ihnen    a: 


'  Lani,  U,  599  f. 
»  V.  D.,  n,  294.i„. 


187 

22.  Jani  eine  neue  Verpflichtung,  in  seiner  Nähe  zu  bleiben, 
abnöthigte.  Nun  war  ihnen  auch  das  versagt  worden.  Eben- 
sowenig gelang  es  ihnen,  eine  Erklärung  über  die  Haftdauer 
m  erlangen.  Der  Kaiser  wünschte,  dass  die  Entscheidung 
darüber  ganz  in  seiner  Hand  bleibe.^ 

Als  er  dann  am  28.  Juni  seinen  Bruder  über  Alles,  was 
seit  der  Abbitte  des  Landgrafen  vorgefallen  war,  ausführlich 
antenichtete,  hob  er  gegen  Schluss  seines  Schreibens  hervor: 
der  Wohlfahrt  und  Ruhe  Deutschlands  wäre  am  besten  da- 
durch gedient,  wenn  man  den  Landgrafen  längere  Zeit 
inrückhalten  könnte.  Ausdrücklich  sagte  er  aber,  es  müsste 
in  Ehren  und  ohne  Verletzung  der  beiden  Kurfürsten 
gföchehen.  Darüber  wollte  er  noch  mit  dem  Bruder  persön- 
Kch  während  des  Augsburger  Reichstages  berathen.*  Da  der 
üeberbringer  des  Schreibens,  ein  Edelmann,  auf  dem  Wege 
getddtet  wurde,  so  gelangte  es  erst  am  13.  Juli  in  zweiter  Aus- 
prägung in  die  Hände  des  Königs.' 

Bei  diesem  waren  schon  Ende  Jimi  Gesandte  der  Kur- 
ftnten  erschienen.  Sie  hatten  ihm,  wie  er  am  14.  JuU  schrieb, 
eine  ausführliche  Darstellung  der  auf  die  Verhaftung  bezüg- 
Bciien  Unterhandlungen  vorgetragen  und  ihn  auf  das  Listän- 
digste  gebeten,  zu  vermitteln  und  zu  gestatten,  dass  Erzherzog 
Maximilian  die  Bitten  der  Kurftirsten  oder  ihrer  Beauftragten 
am  Freigebung  des  Landgrafen  fortwährend  unterstütze.  Denn, 
würden  sie  auf  Grund  ihrer  Verpflichtung  von  Hessen  aus  zur 
Einstellung  als  Geisel  ermahnt,  so  müssten  sie  sich  dort  ein- 
finden und  dasselbe  wie  der  Landgraf  erdulden.  Ehrenhalber 
könnten  sie  sich  dessen  nicht  weigern. 

Ohne  die  Berechtigung  des  Kaisers  zur  Gefangenhaltung 
ÖQ  Mindesten  zu  bezweifeln,  stimmte  der  König  bei,  dass  es 
d*8  Beste  wäre,  den  Landgrafen  längere  Zeit  zurückzuhalten, 
gab  aber  zu  bedenken,  wie  wichtig  fiir  den  Kaiser  bei  der 
'>rdnung  der   deutschen  Angelegenheiten   die  Ergebenheit  imd 


'  Y^L  oben  p.  18S. 

*  ,Et  ceites  [sie]  qni  pouiroit  avec  honnestete  et  sans  irriter  lesdits  elec- 
tenn  detenir  longnement  ledit  landgrave,  ce  seroit  ce  qae  plus  conviendroit 
an  bien,  repos  et  tranquillite  de  la  G^rmanie,  comme  anssi  je  suis  de- 
libere  de  faire  jnaqnes  soyons  ensemble,  ponr  lors  adviser  ce  que  s*eii 
debrra  £ure.*    Druffel,  I,  67. 

'  Antivort  vom  14.  Juli  bei  Bucholtz,  IX,  433.  \ 

Mxtkir.    LXIXIU.  Bd.    1.  Hälfte.  '  13 


188 

Mitwirkung  der  beiden  Kurfürsten  sei^  und  wie  bitter  sie  es 
empfanden,  wenn  sie  sich  als  Geisel  einstellen  müssten.  Vor- 
ausgesetzt;  dass  dem  Kaiser  daraus  kein  besonderes  Präjudiz 
erwüchse^  möge  er  daher  den  Landgrafen  nach  der  ElrfiilluDg 
der  bald  auszuführenden  Bedingungen  lieber  freilassen,  als  die 
Hilfe  der  beiden  Kurflirsten  verlieren.*  üebrigens  stellte  er, 
wie  schon  am  17.  Juni  Alles  der  Einsicht  seines  Bruders  an- 
heim.  SchliessUch  entschuldigte  er  sich,  dass  er  der  Bitte  der 
Kurftirsten  willfahrt  habe;  er  habe  sie  nicht  gut  abschlagen 
können,  weil  er  wie  früher  so  noch  immer  auf  ihre  Hilfe  in 
Böhmen  angewiesen  sei.  Darum  hoffe  er,  der  Kaiser  werde 
das  Versprechen  bezüglich  der  Fürbitte  Maximilians  nicht  übel- 
nehmen. 

Ehe  die  Kurfürsten  am  24.  oder  25.  Juni  die  Heimreise 
antraten,  sandten  sie  zwei  Käthe  an  den  Landgrafen,  die  am 
26.  in  Kahla  folgenden  Auftrag  vollzogen.  Die  Kurfürsten 
hätten  den  Eindruck  gewonnen,  dass  die  Haft  nur  vier  bis 
sechs  Wochen  dauern  werde.  Nach  Allem,  was  wir  wissen, 
hatten  die  Kurflirsten  wenig  Grund  zu  dieser  Hoffnung.  Der 
Kaiser  lasse  wegen  seiner  gereizten  Stimmung  nicht  weiter  an- 
halten. Der  Landgraf  möge  die  Heimreise  entschuldigen;  der 
Kaiser  habe  sie  den  Kurfürsten  befohlen.  Seine  Räthe  hätten 
ihnen  gerathen,  daflir  zu  sorgen,  dass  sie  von  Hessen  aus  nicht 
eingemahnt  würden.     Wir  wissen,  dass  ihnen  der  Kaiser  selbst 


*  ,Sur  quoy  veulx  bien  advertir  V.  M.  que  avant  la  reception  de  tos 
lettres  se  sont  trouvez  devers  moy  ambassadenrs  de  la  part  desdiu 
electeurs,  qui  m*ont  fait  ung  long  recit  des  choses  passees  en  cest  endroit 
et  m*ont  fait  prier  avec  la  plus  grande  affection  que  jamais  feirent 
[nicht:  feroient]  dechose  quelconque:  de  vouloir  estre  mediateur  et  cod- 
sentir  que  moD  filz  M.  feist  quant  et  quant  lesdlts  princes  electeurs  ou 
lenrs  depputez  Tintercession  devers  V.  M.  .  .  .  Je  congnois  bien,  Mon- 
seigneur,  et  est  [nicht:  cest]  vray  que  comme  escripvez  „qui  avec  .  .  • 
[vgl.  oben  p.  187,  Anm.  2]  Germanie.''  Touttefois  vous  congnoiwei, 
Monseigneur,  com  bien  il  empörte  a  vous  et  a  tous  les  affaires  de  la  Ger- 
manje  de  conserver  ces  deux  princes  en  votre  [sie]  devotion  et  le  sen- 
tement  quHlz  auroient,  si  a  ceste  occasion  falut  quHlz  se  rendissent  pri- 
sonniers  aux  enffans  du  lantgrave,  ainsi  qn'ilz.  disent  ne  s^en  pourront 
excuser  s^ilz  en  sont  sommez,  et  pour  ce  me  sembleroit  soubz  correction 
[bei  Bucholtz,  IX,  434,  folgt  irrig:  et]  que  plustost  que  perdre  lesdits  deux 
princes  electeurs,  et  si  se  peult  faire  sans  grant  prejudice  de  vos  affairo» 
et  quHl  accomplit  par  avant  ce  quMl  doibt  faire  promptement,  que  V.  M. 
peult  consentir  a  la  delivrance'  etc.  Wiener  Staatsarchiv,  Copialbucb,  683.t. 


189 

verbot  sich  einzusteUen.  GranveUe  habe  zugesagt^  dass  er 
sich  möglichst  bald  mit  dem  Landgrafen  unterreden  werde, 
Erzherzog  Maximilian  und  die  kaiserlichen  Räthe  hätten  fleissige 
Fürsprache  beim  Kaiser  versprochen.  Auch  König  Ferdinand 
werde  um  solche  gebeten.  Diesen  Vertröstungen  und  Ent- 
schuldigungen folgte  die  Bitte,  den  Vertrag  rasch  zu  vollziehen. 
Erlange  der  Landgraf  die  Freiheit  nicht,  so  woUten  sie  sich  ent- 
weder bei  ihm  oder  in  Hessen  bei  seinen  Kindern  einsteUen.^ 
Als  dieser  Erzherzog  Maximitian  mehrmals  um  Fürbitte  er- 
sachte, erhielt  er  ebenfalls  unbestimmte  Antworten,  obwohl  sich 
auch  der  Erzherzog  wiederholt  geneigt  und  vom  Vater  beauf- 
tragt erklärte,  ihn  zu  unterstützen.*  Dem  Auftrag  war  freiHch 
eine  Entschuldigung  beim  Kaiser  gefolgt. 

Der  Landgraf  begnügte  sich  aber  nicht  mit  Vertröstungen, 
sondern  woUte  die  Kurfürsten  zur  Erfüllung  dessen  zwingen, 
was  sie  ihm  freiwillig  versprochen  hatten.  Darum  gab  er  den 
Seinigen  öfter  den  geheimen  Befehl,  die  Kurfürsten  nach 
Hessen  einzufordern.  Man  möge  aber  nichts  auf  ihn  schieben, 
denn  er  werde  stets  sagen,  er  habe  mit  den  Dingen  nichts  zu 
thun.'  Die  erste  schriftliche  Einmahnung  der  Kurfürsten  ist 
vom  1.  Juh  1547  datirt.  Im  Sinne  ihrer  Vertröstungen  soUten 
sie  sich  bis  zum  7.  August  in  Cassel  einsteUen,  wenn  der  Vater 
nicht  bis  dahin  frei  sein  werde.  Was  die  Kurfürsten  zu  ver- 
meiden wünschten,  war  also  geschehen.  Ebensowenig  wie 
früher  bestritten  sie  auch  jetzt  die  EinsteUungspflicht;  sie  baten 
nur  um  Verschiebung  der  Frist. 

Indessen  wurde  die  Strafsumme  noch  im  JuU  voUständig 
erlegt.*  Ebenso  wurde  an  der  Schleifung  der  hessischen  Fe- 
stungen Giessen  und  Rüsselsheim  gearbeitet.**  Die  Entscheidung 
darüber,  ob  Cassel  oder  Ziegenhain  dem  Landgrafen  unge- 
brochen verbleiben  sollte,  wurde  von  dem  Kaiser  verzögert. 
Erst  am  31.  August  ward  der  Landgraf  verständigt,  dass 
Cassels  Befestigungen  geschleift  werden  müssten.  Am  15.  Juli 
leisteten   ,rethe,  hoffgesindt,   ritterschafft  vnd  landtschafft'  von 


>  Ifisleib,  Die  Gefangennahme,  244,  and  Die  Gefangenschaft,  2 14  f. 

*  Ixwerth,  a.  a.  O.,  376  f,  884,  386,  388. 

*  Issleib,  Die  Gefangenschaft,  218,  Anm.  4. 

*  Granvelle,  11.  JuU  1647,  p.  600. 

*  Ltsndgräfin  Christine  sammt  ihren  Kindern  und  den  hessischen  St&nden 
an  die  Reichsstände,  6.  Oetober  1547,  bei  Sastrow,  II,  582. 

18» 


Hscil    Aon    Eid    auf   die   Capituladon,'    ebeoso   über^b  der 
^o    Landprrar  Wilhelm   die  Ratification  des  \>rtr»|;es."    Am 

Juli  ward  Philipp  von  Ho&scn  der  versprochene  Sühnebrief 
if^nHtolIt,  worin  die  am  20.  Juli  1540  über  ihn  verhingte 
lit  aufpohobon  wurde.  Diese  Urkunde '  isi  in  deutscher 
rftclid  ahpclasst  und  von  ,A[nton)  Perrenot^,  dem  Bischof  von 
rnH,  und  von  l)r.  Obernburger  unterzeichnet  Ihre  Ausstel 
K  iirrol^t«  zu  derselben  Zeit,  da  Gesandte  des  au^esöbntcn 
iiiburK  dom  Kaiser  huldigten.*  Der  Landgraf  wurde  nun 
t»  Heiner  llafl  als  rogiorendor  Fürst  anerkannt,  entschied 
Nolcher  HbiT  dio  Angelegenheiten  seines  Landes,  erUcss 
riililn  und  boBchickto  diu  Itcichstage.' 

Da  il'T  Tomiin  verstrichen  war,  mit  dem  die  EnrflirsteD 
1  liandgrufon  vertrustet  batton,  und  da  sie  selbst  wiederholt 
(t  Vi'i'lflugi'ning   (lor  Kinstcllungsfrist   erbaten   und  erhielten, 

^odiH'hti'   or  Hich    selbst   zu  helfen  und  versuchte  der  Haft 

i'iililiiOien.     Auf  dem  Woge  von  Hessen  nach  Nürnberg  und 
nxHlMU'K   wurden  Pfenlo  bereit   gehalten,   man  schützte  vor: 

l'itMttiwockou.     l)or  Plan  wurde  entdeckt,    drei  Spanier  der 
\^^^w  wurdon  vorhnftot,  sein  Leugnen  half  nichts.* 

Noi'li  vor  Kndi>  August  besuchten  ihn  sein  ychwiegereohn, 
irlHitit  Muri«,  und  dor  Markgraf  Johann  Georg  von  Branden- 
rn,  tb'r  Sulin  tlfs  Kurtllrsten  Joachim  in  Donauwörth.  Man 
Uli  itii'h  donkt'n.  wio  der  Landgraf  Schwiegersohn  und 
h\¥ngor  an  iluv  sn-hrirtliche  Verpflichtung  erinnert  haben 
ril,  Da  \Wr  KurftlRit  von  dem  kranken  Kaiser  vorläufig 
iiio  Aiidii'tiM  («riangen  kounto.  so  musste  er  sieh  damit  be- 
«gi'H,  M'in  Aidiogini  dvm  Kanzler  Granvelle'  in  den  ersten 
>ri'u  di'H  Si'ploiuboi^  vorautragen.  Der  Kanzler  gab  aber 
'iiig  llolViiuiis,   d«»s   ilor  Kaiser  in  die  Beurlaubung  des  Ge- 


>  l>ii<  t'ikiiiiili'  iti  lV|'i>'  IUI  <Nt).  lt.Htvt  (lt>r  Wiener  Rofbi blioUiefc. 

■  l'liilivi'  >»"  I1>»«HI  »II  <lo»  K:iiM'r.  U.  October  1547  bei  Lkiie,  U,  6U6; 
UVihhipU  »i..«h..ht.>  N.'H  »««•«.  IV,  S!9f 

■  Wl'iu'v  NtanlMnliii,   Maiiiivr   KololuUcsarteo,  ftac.  15,   fol.  34  und   %», 

'  V.U.  U,  SU,  .\iii«   l 

*  ^■h.'ll  1»>1I   K'>»llllpl  vl\.  .*.*"  hotruTf^hnW«. 

•  V    IV,  U.  S.V.,.,;  lV«.flVl.  \.  y.  TU  IsJpih.  p.  Slfi.  kam,  9. 

'  IMnvT  «»r  »li-  <i  t><i   >l<<ni  Kiispr  tn  .\uK«tiwrp  Mifwk»ninieii.     V.  D.,  11. 
.■llS.  Annt.  1 


191 

faogenen  nach  Hessen  gegen  Stellung  seines  ältesten  Sohnes 
and  anderer  Geisel,  sowie  gegen  zeitweilige  Besetzung  Ziegen- 
hains  durch  kaiserUche  Truppen  willigen  werde.  Entgegen 
den  Bitten  des  Landgrafen  bestehe  der  Kaiser  auf  der  Schlei- 
fiing  der  Befestigungen  von  Cassel;  er  wolle  ihm  nur  Ziegen- 
hain  mit  dreissig  Geschützen^  belassen.  Warnend  machte  der 
K&nzler  darauf  aufmerksam,  dass  der  Landgraf  sich  zu  ,un- 
anständigen  Geberden  und  üblen,  heftigen  Reden  hinreissen 
lasse*.* 

Da  der  Kurfürst  von  seinem  Schwiegervater  ununter- 
brochen gedrängt  wurde,  sich  um  die  Enthaftung  zu  bemühen, 
80  überreichte  er  (der  junge  Markgraf  war  inzwischen  heim- 
t^ercist)  dem  Kaiser  am  26.  September  auf  der  Jagd,  als  dieser 
gater  Laune  zu  sein  schien,  eine  ft*anzösische  Bittschrift.  Am 
Ä  September  fragte  er  ihn  dann  wieder^  ob  er  den  Land- 
grafen bis  zum  Ende  des  Reichstages  hinhalten  wolle.  Lächelnd 
soll  Karl  V.  auf  baldige  günstige  Antwort  ,vertröstet^  und  sich 
am  16.  October  wieder  ähnlich  geäussert  haben.*  Es  wird  aber 
jrut  sein,  sich  hiebei  zu  erinnern,  womit  der  Kurfllrst  seinen 
Schwiegervater  in  Halle  und  Naumburg  hingehalten  hatte.  Als 
<ianD  Kurfllrst  Joachim  in  Augsburg  ankam,  theilte  ich  Moriz 
mit  ihm  in  die  Sorgen,  die  ihm  die  Haft  seines  Schwiegervaters 
l>ereiteten.  Sie  planten  nun  eine  gemeinsame  Fürbitte  der  Kur- 
fürsten und  Ftirsten.  Wegen  der  abermaligen  Erkrankung 
i^  Kaisers  war  jedoch  keine  Audienz  zu  erlangen.  König 
Ferdinand,  der  am  20.  October  in  Augsburg  angekommen  war, 
neth,  sie  zu  verschieben,  bis  Cassel  geschleift  sei.  Diese  Ar- 
beit war  aber  erst  am  24.  September  in  Angriff  genommen 
»Orden.* 


6*  Mittheiluiigen  an  die*ReIehsstände. 

Der  ungeduldige  und  misstrauische  Landgraf  Hess  in- 
zwischen die  Kurfilrsten  abermals  nach  Hessen  einmahnen. 
l^e  Frist  wurde   ihnen  vorläufig  bis   zum    15.  December  ver- 

*  Bommel,  IV,  320. 

*  Iirieib,  Die  Gefengenachaft,  216  f. 

Ebenda«.,  217,  Anm.  12.     Vermuthlich  stammen  die  Mittlieilungen   aus 
<ier  Correepondenz  des  hessischen  Rathes  Lersuer. 

*  lüleib,  Die  Gefangenschaft,  216,  Anm.  8,  218. 


192 

längert.  Er  warf  ihnen  vor,  dass  sie  ,in  Freude  und  Wohflust 
hausten'  und  ihn  über  Bankettieren,  Spielen  und  Jagen  ver- 
gässen.^  Am  12.  October  richtete  er  ein  Schreiben  an  den 
Kaiser,  worin  er  unter  Anführung  vieler  Grtlnde  um  Frei- 
lassung gegen  Geiselstellung  bat.  Ein  oder  zwei  Söhne  und 
einige  von  seinen  Ständen  sollten  für  die  Erfüllung  der  noch 
unausgeführten  Bestimmungen  des  Vertrages  am  Eaiserhofe 
bürgen.  Wie  früher  so  erbot  er  sich  auch  jetzt  zur  Treue 
gegen  das  Haus  Habsburg.  Ferner  versprach  er,  Alles,  waa 
auf  dem  Reichstage  ,der  Religion  halb  vnd  sonst  beschlossen^ 
würde,  sich  ,gefallen'  zu  ,la8sen',  sogleich  eine  ,Obligation'  dÄ^ 
über  auszusteUen,  auf  dem  Reichstage  persönlich  zu  erscheinen 
und  in  den  grossen  Bund*  einzutreten,  über  den  dort  ver- 
handelt werde.* 

Schon  am  22.^  und  23.  September  hatte  er  gedroht,  die 
Reichsstände  um  Hilfe  anzurufen.  Noch  am  23.  sandte  er  den 
Entwurf  einer  an  die  Reichsstände  gerichteten  Bittschrift  nach 
Hessen.^  So  erschien  denn  vor  dem  20.  October®  eine  hessische 
Gesandtschaft  in  Augsburg,  thatsächlich  in  seinem  Aufirage, 
zum  Schein  aber  im  Namen  seiner  Gemahlin  Christine,  seiner 
Söhne  und  Stände.  Sie  sollten  ihre  Werbung  nur  vor  ver- 
sanmielten  Reichsständen  vorbringen  und  nicht  einmal  die  Eur- 
fiirsten  von  Sachsen  und  Brandenburg  früher  aufsuchen.  Den 
Räthen  derselben  erklärten  sie:  weil  ihr  Auftrag  so  laute, 
könnten  sie  ihnen  nur  vertrauUch  Einsicht  in  ihre  schrifUiche 
Werbung  gestatten.     Das  wurde  abgelehnt. 

So  sehr  auch  die  Kurfürsten  Ursache  zur  Verstimmung 
hatten,  so  bemühten  sie  sich  doch,  die  Werbung  durch  ihre 
Räthe  zu  verhindern.  Aber  der  Hinweis  auf  die  ohnedies  be- 
vorstehende gemeinsame  Fürbitte  der  EurfUrsten  nützte  nichts; 
überdies  konnte  diese  wagen  der  andauernden  Erankheit  des 
Eaisers  nicht  vorgetragen  werden.' 


»  Rommel,  IV,  303. 

•  V.  D.,  II,  p.  27  der  Einleitung. 

•  Lans,  Corrospondenz,  II,  604—609. 

^  In  einem  Briefe  an  Dr.  Fachs.    Bommel  IV,  322. 
»  Lwleib,  216f.,  219  f.,  223. 
«  Ebendaa.,  218,  Anm.  13. 

7  Issleib,  219 f.;  Instraction  für  die  kursäcfasischen  Räthe  znm  Tage   tüd 
Salza  vom  2.  Juli  1661  (Druffel,  I,  681). 


193 

den  Willen  der  KurfUrsten  vollzogen  nun  die  hes- 

idten  am  17.  November  ihren  Auftrag  mündlich  und 

Wie  der  Landgraf  in  seinem  Schreiben  vom  12.  Oc- 

:i*i|<ten  sie,  zum  Theil  mit  denselben  Worten,  dar,  dass 

Grund    des    Geleites    und    der    schriftlichen  Ver- 

der  Kurfiirsten  vom  4.  Juni  erschienen  sei.     Er  habe 

ii  Abbitte  gethan,   ,sich  weiters  Unguetliches   oder 

rliches  nicht  vorsehen^  und  habe  am  Abende  in  Herzog 

itrberge'  gespeist.     Dort  sei  er  erst  ,au£rgehalten^  und 

-»«»  angezeigt  worden,  dass  er  ,in  der  Keyserlichen  Maje- 

f  t»^  »üdien  sein  solt^     Dann  sei  er  von  den  Kurfiirsten  und 

j^en   kaiserlichen   Käthen  vertröstet   worden:   er  möge 

Bedingungen  der  Capitulation   rasch  erfiillen;    denn  dies 

zu   seiner   ,Erledigung    ftJrderHch    sein^     Er  habe   das 

.•]  früher,  als  die  Capitulation  vorschreibe,  erlegt,  ferner 

Heinrich   von  Braunschweig  und   seinen  Sohn   befreit, 

iüdesbriefe'  ausgeUefert,   seine  ünterthanen  auf  die  Ca- 

m  schwören   und  den   Vertrag   ratificiren  lassen,   auch 

im  Wilhelm  habe  die  Ratification  übergeben.     Drei  Ftir- 

tten  ihre   Cautionen  ausgestellt,  die  Festungen  Giessen 

•isselsheim   seien  geschleift.     Mit  Cassels  Schleifting  sei 

vollem  Werk^     Man  habe  also  Alles,  was  zu  vollziehen 

gewesen,    geleistet   und    vollbracht.     Er   sei   von    der 

.bsolvirt.     Trotz    wiederholten   Ansuchens    sei    man    auf 

eilung  bis  zur   völligen  Erfüllung  der  Capitulation  nicht 

Dgen.     Indem    die    hessische    Gesandtschaft   dieses   An- 

II  wiederholte,  bat  sie  die  Reichsstände  um  Verwendung 

"  Freilassung  des  Gefangenen. 

Damals   nahmen   die  Reichsstände   auch  folgende  Acten- 
e  in    beglaubigter    Abschrift    zur  Kenntniss:    das    Geleit 
He  Verpflichtung  der  Kurfiirsten  vom  4.  Juni  1547,  ferner 
Vorschläge  des  Landgrafen  zur  Aenderung  einiger  Artikel 
Vertrages    vom    7.  und    die    kaiserUche    Resolution    vom 
fani  sanimt  dem  Schreiben  des  Kurfiirsten  Moriz  und  kur- 
adenbnrgischer  Räthe    an    den  Landgrafen    vom    folgenden 
^'e.*    Dagegen  wurden  die  von  den  Kurfiirsten  in  deutscher 
räche   vorgeschlagenen,   verfassten   und  tiberreichten  Neben- 
bei ebensowenig   wie   die  Abbitte   und  die  Antwort  darauf 


*  Der  Text  der  hessischen  Werbung  ist  bei  Sastrow,  II,  526,  abgedruckt. 


194 

vorgelegt.  Die  Nebenartikel  waren  dem  Landgrafen  in  Bezug  aaf 
authentischen  Wortlaut  wahrscheinlich  damals  noch  unbekannt. 

Die  Darstellung  der  Vorgänge  konnte  bei  den  Zuhörern 
wirklich  Argwohn  und  Unwillen  hervorrufen.  Besonders  die 
Art,  wie  die  Verhaftung  erzählt  wurde,  mag  den  Eindruck 
einer  argUstigen  Verletzung  der  Gastfreundschaft  erzeugt  haben. 
Man  begreift  daher  den  Unwillen  des  Kaisers.  OeffentUch  war 
versucht  worden,  die  Verhaftung  seines  Gegners  als  unbe- 
rechtigt darzustellen,  noch  dazu  auf  Grund  von  zwei  Acten- 
stücken,  bei  denen  der  Kaiser  den  Argwohn  gehegt  hatte^ 
dass  sie  nachträglich  ausgestellt  seien.  ^  Ausdrücklich  hatte  er 
den  KurfUrsten  verboten,  einer  etwaigen  Einforderung  nach 
Hessen  Folge  zu  leisten,  weil  er  die  Verpflichtung  dazu  nicht 
anerkannte.  Es  war  ihm  auch  unangenehm,  dass  durch  die 
Veröffentlichung  der  Acten  seine  Zugeständnisse  an  Herzog 
Moriz  bezüglich  der  Religion  und  die  Verpflichtung  beider 
Kurftirsten  zur  Anerkennung  eines  Concils,  Dinge,  die  er  alle 
geheimgehalten  wissen  wollte,  bekannt  wurden.^  Eiine  Für- 
bitte der  Reichsstände  wollte  er  darum  gar  nicht  anhören.  Die 
KurfUrsten  erfuhren  von  beiden  Granvelle  und  sogar  von  König 
Ferdinand,  dass  ,die  Kaiserliche  Majestät  durch  dise  Werbung 
ires  gemuets  etwas  gefremdet  worden^' 

Am  25.  November  gab  Dr.  Seid,  also  ein  Theilnehmer 
an  den  Verhandlungen  mit  den  Kurftirsten,  mündlich  und 
schriftlich  im  Namen  des  Kaisers  folgende  Erklärung  ab:^ 

Die  kaiserliche  Majestät  habe  erfahren,  wie  in  dem  ,An- 
bringen^  der  hessischen  Gesandtschaft  den  Reichsständen  ,ein- 
gebildet'  worden  sei,  ,als  solt  gedachter  Laudtgraf  gepflegncr 
handlung  zuwider  vnd  anders,  dan  viUeicht  Ir  Maiestat  het 
thun  konden  oder  sollen,  gefencklich  eingezogen  worden  sein^ 
Die  Majestät  hege  zwar  gar  keinen  Zweifel,  dass  man  bisher 
immer  erkannt,  sie  habe  ,alle  ihre  handlungen,  wie  augenschein- 
lich zu  befinden,  kayserlich  aufrichtig  und  erbarlich  gemaint 
und  volfuert',  und  dass  die  Stände  sich  ,nicht  leichtlich  bewegen^ 
liessen,  ,Ir  kayserliche  Majestät  in  dem  wenigisten  zuverdencken^ 

^  Vgl.  oben  p.  177,  Anm.  2. 

*  InBtraction   vom   2.  Juli   1561  für  die  kursächsischen   R&the  znm  Tage 
von  Salza  bei  Druffel,  I,  683. 

*  EbendAs. 

*  Vermnthlich  ist  Dr.  Seid  auch  der  Verfasser. 


195 

il  sie  aber  ^nichts  höhers  begeren^  dan  das  sy  in  Iren  Sachen 
gwecht  erfunden  werden^,  habe  sie  nicht  unterlassen  wollen, 
ik  Verhandlungen  schlicht  und  wahrhaft  erzählen  zu  lassen, 
liamit  man  erkenne,  dass  sie  den  Landgrafen  ,mit  guetem  fueg^ 
gefimgen  halten  könne. 

Nun  wurde  hervorgehoben,  dass  der  Kaiser  schon  bei 
Giengen  Mitte  November  1546  die  Forderung  gestellt  habe, 
der  Landgraf  müsse  sich  ihm  bedingungslos  ergeben,  und  dass 
er  auch  später  stets  darauf  bestanden  habe,  als  der  Landgraf 
öime  Rücksicht  auf  Johann  Friedrich  von  Sachsen  und  die 
anderen  schmalkaldischen  Bundesgenossen  für  sich  allein  zu 
Terschiedenen  Zeiten  durch  Herzog  Moriz  wegen  der  Aussöh- 
smg  verhandelt  habe.^  Mit  Absicht  wurde  betont,  er  habe 
aieh  erboten,  bei  der  ,Expedition'  nach  Sachsen  ,mit  ansehen- 
khem  kriegsvolck  zu  Ross  und  Fuess'  zu  helfen.  Der  Kai^r 
wBsste  nicht,  dass  dies  von  Herzog  Moriz  gegen  den  Wunsch 
its  Landgrafen  vorgeschlagen  worden  war.*  Vom  Kaiser,  hiess 
zweiter,  sei  Alles  abgeschlagen' worden,  weil  er  sich  ,auf  des 
Linndtgrafen  wort  als  der  so  offt  vnd  schwarlich  sich  gegen  Ir 
M&jestat  vergessen,  kainswegs  verlassen,  derwegen  auch  mit 
luiner  andern  Versicherung  dan  seiner  aignen  person  benuegig 
mn  konndte^  Auch  sei  gefordert  worden,  dass  der  Landgraf 
jor  aller  handlung  alle  seine  Bevestigungen  in  Irer  Majestät 
iamit  steUen  solte^  Derselbe  habe  dann  in  Leipzig  ,ettliche 
angepnrliehe  Condition  vnnd  Mittel  der  aussonung  furgeschlagen^ 
Obwohl  die  Kurflirsten  ,mit  höchstem  fleiss  angehalten^,  die  Ver- 
wherong  des  Vertrages  ,mit  Iren  aigen  personen^  zu  übernehmen, 
4lso^  sich  ,8elbs  für  den  Lanndtgrafen  zusteen  erpotten^  hätten, 
»  habe  der  Kaiser  ,stracks  auff  des  Lanndtgraven  aigen  person 
verhart,  von  kainer  anndern  hören  wellen^  und  die  vorgeschla- 
fen Bedingungen  ,gentzUch  vnd  rund  abermals  abgeschlagen^ 
iach  der  Abreise  von  Leipzig  habe  der  Landgraf  einen  vom 
Adel  ins  Lager  geschickt  (Ebeleben),  worauf  von  den  Kurfürsten 
in  seinem  Namen  vorgeschlagen  worden  sei,  dass  er  sich  ,in  Irer 
^estat  gnad  vnd  vngnad  frey,  one  ainiche  condition  oder  anhang 
ergeben',  alle  seine  Befestigungen,  Geschütze  und  Munition  über- 
y&m  wolle,  jedoch  bitte,  ihm  eine  Festung  sammt  einiger.  Ar- 


^  S.  oben  p.  112f.  und  116  Anm.  2. 
*S.p.  116f.,  120. 


t£Ii«Tie  za  belaär^n.  I^e  KurinrsteD  bitten  duiD  ^d  wissei 
zu  haben  be^ert,  wie  weh  sich  der  Artickel  der  Vognad  er 
ütrecken'  werde.  Daraof  sei  ihnen  die  vertrauliche  Declaratiot 
ertheth  worden,  ,dasä  S4^he  er^ebong  dem  Landtgravea  wedei 
za  Leibätraff,  [noch]  ewiger  gefenckhnos,  noch  Conäscienini 
seiner  Gneter,  weiter  dan  in  den  vorgestelten  Ärtickebi  be 
griffen,  nit  raichen'  werde,  dass  der  I^ndgraf  dies  aber  nicb 
wissen  dtirfe.'  Es  sei  den  Enrfärsten  ,one  Zweifel  noch  wo 
bewust',  dass  ,der  benannten  Vngn&d  halben  &iniche  weitten 
verwenong  oder  Tertrostong'  ,mit  dem  wenigsten  nit  beschehen' 
,Alles*  sei  mit  ihrer  ,bewilligang'  and  in  ihrem  ,beysein'  ,inn  aii 
lanttere  Verzaichnnss'  ^bracht  worden'.'  Der  EaiBer  habi 
sich  ji»ni«lii  bewegen  lassen,  dieses  Anerbieten  anzunehmen 
Während  der  Abbitte  des  Landgrafen  in  HaUe,  filhrt  die  kaisei 
liebe  Erklfinmg  fort,  habe  der  EnrAirst  von  Brandenbui^  ge 
fragt,  ,ob  Ir  Majestät  nach  beschebner  Abpitt,  wie  sy  dam 
mit  anndem,  so  sj  za  gnaden  anffgenommen,  gepäegen,  imc 
dem  Landtgrafen  gleicherweise  zosprechen  vnnd  die  Hannd 
geben  wurde.'  Darauf  sei  geantwortet  worden,  ,das  sich  solche 
nütlerweil  vntid  bis  er  genntzlich  erlediget,  nit  wol  gepurn,  e 
wurden  aber  obgemcllte  baide  Churfnrsten  aus  der  Antwort,  so  1 
Majestät  zu  geben  bedacht,  gnuegsam  versteen,  das  der  sonn 
derbam'  Declaration,  so  Inen  vertrewUcher  Mahnung  beschehei 
nachgegangen  vnnd  zum  vbcrfloss  er,  der  Lanndtgraf,  von  de 
aussgegangenen  Achterclenmg,  die  er  seiner  aignen  Bekanntnu 
nach  wo!  verschuldet,  soite  absolvirt  vnd  erledigt  werden,  vnu' 
ist  datzemal  also  dsbej  on  weitter  Repliciern  beruht  Den 
nach  Ir  Majestät  dem  Hertzi^en  von  Alba  bevolhen ,  de 
Lanndtgrafen  in  das  Schloss  daselbst  zu  Hall  zufueren  vnd  i 
sichere  verwhamng  zunehmen.  £s  hat  auch  gedachter  Uertzo 
baide  Churfursten  sambt  dem  Lanndtgrafen  dazumal  am  selbe 
Ortt  zu  gast  gehabt.  Nachdem  vnd  als  der  Landtgrave  seho 
im  SchlosB  gewesen,  hat  erst  seiner  GtefeDcknase  halben  Irrun 
wollen  eingeworffen  werden,  darüber  dann  ettliche  vilfeltig 
Reden  hin  vnd  wider  ganngen'.  Der  Kaiser  habe  dann  vei 
langt,   daas   ,vor   aUer   annderer  Handlung'   die  Frage  erledig 


'  8,  obeo  p.  137f. 

»  8.  oben  p.  139,  Anm.  3  und  p. 

'  FUr:  betonderen. 


197 

werde,  ob  er  ^in  ChrafiFt  ergangner  Handlung^  den  Landgrafen 
^fiuigen  halten  dürfe.  Denn  ,ehe  Ir  Majestät  Ires  kaiser- 
Eclien  Worts  mit  dem  wenigsten  fällig  erkennt  werden,  ehe 
folte  Ir  Majestät  vnangesehen  der  verlornen  Zeit  zugeben,  das 
A  Hanndlung  zerschlagen,  der  Lanndtgraf  widerumb  haimb- 
.^lassen  wurde,  und  also  Ir  Majestät  in  Irem  fumemen  fortfaren 
lochte.  Daraus  ist  erfolgt^,  heisst  es  femer  in  der  Erklärung 
'^  die  KoriUrsten  bekannten,  der  Kaiser  habe  ,annders  nicht 
lehandelt,  dann  was  Irer  Majestät  von  Rechtswegen  wol  gepurt, 
nid  im  fall,  ob  etwas  darwider  aufgepracht,  so  weren  baide 
Clorfiirsten  vrputtig^,  Ir  Majestät  derhalben  vnderthenigclich 
«Terantworten,  wie  solches  Ire  baiden  Churfursten  one 
iweifellrer  Majestät  werden  Zeugknuss  geben  könnend 
Kes  hätten  dann  die  Kurfürsten,  heisst  es  gegen  Ende  der 
Erklirang,  auch  vor  dem  Kaiser  persönlich  wiederholt  und  nur 
•la  Verkürzung  der  Haftzeit  gebeten.  Er  habe  geantwortet, 
•^r  woUe  zuerst  sehen,  wie  der  Landgraf  die  Capitulation  er- 
eilen werde.  Er  finde  aber  noch  immer  ,nit  geringen  abgang 
nid  mangel'  in  Vollziehung  der  Capitulation,  nämlich  was  den 
Herzog  von  Braunschweig  betreflFe,  ferner  die  Ueberantwortung 
fitr  Brief  vnnd  Haimlichaiten^  des  schmalkaldischen  Bundes,* 
^ch  die  Schleifung  der  Festungen.  Ausserdem  habe  sich 
^  Landgraf  ,verruckter  Zeit  vnderstannden,  Irer  Majestät 
I^oer  mit  practicken  dahin  zu  bewegen,  dass  sy  in  vergessung 
'•'^T  pflicht  seinem  begern  solten  statt  thuen^  Diese  Bemer- 
^3Dg  bezieht  sich  auf  seinen  Fluchtversuch,*  vieUeicht  auch 
^  einen  Bestechungsversuch  bei  Bischof  Granvelle  *  und  bei 
^in  Hauptmann  seiner  Wache.  Er  hatte  auch  dem  kaiser- 
^dwn  Conunissär  in  Hessen,  dem  Grafen  Reinhard  von  Solms, 
'«rsprochen,  ihm  das  Amt  Königsberg  erblich  zu  lassen.^ 

'ErbStig. 

Vfl  die  Yertragsbestimmung  oben  p.  147.  Auch  im  Vertrage  des  Land- 
P^n  mit  dem  befreiten  Herzog  Heinrich  von  Brannschweig  hiess  es: 
J^^eichen  wollen  wir,  der  Landgraff,  Herzogen  Heinrichen  was  vor 
^  Tnd  Sigel  zw  Brannschweig  hindergesetzt  sein^  sovill  an  nns  ist, 
*i^  mtwortten  und  zustellen  lassen.*  Melsung,  14.  Juni  1547.  Wiener 
^t*AtBtrchiv,  Reichstagsacten,  Mainz,  fasc.  i2a. 
3-  oben  p.  190. 

^eil  Istleib  den  Fluchtversuch  nicht  gekannt  hat,  bezieht  er  die  obigen 
Worte  nur  auf  einen  Bestechungsversuch  (p.  220). 

'  Hummel,  IV,  326 


198 

Die  Mittheilung  an  die  Reich  »stände  schloBS  mit  doi 
Worten,  der  Kaiser  habe  ihnen  dies  Alles  eröffnen  wollen,  dai 
mit  sie'  sich  ,durcli  anndere  geferbte  furpringen  annders  nicht] 
einpilden'  lieseen.* 

Eine  Vergleichung  dieser  kaiserlichen  Erklärung  mit  dei 
Thatsachen  ergibt,  dass  die  Darstellung  weder  eine  Unrichtig 
keit  noch  eine  absichtliche  Entstellung  enthält.' 

Mit  diesen  Mittheilungen  wurden  auch  die  Nebenartike 
vom  2.  Juni  1547  in  derselben  Sprache  vorgelegt,  in  der  sii 
überreicht  worden  waren.'  Eine  Prüfung  der  zwei  damal: 
der  Mainzer  Kanzlei  Ubergebenen  Copien*  beweist,  dass  si< 
mit  der  oben  (p.  140f.)  mitgetheilten  authentischen  Abschrif 
Pfintzing's  wörtlich  Übereinstimmen.  Nur  in  einer  Hinsicht  sin» 
sie  von  dieser  verschieden.  Der  fUnfte  Artikel  ist  nämlich  ii 
beiden  Copien  vor  den  vierten  gesetzt.  Wenn  hier  eine  Ab 
sieht  vorUegt,  so  kann  es  nur  die  gewesen  sein,  zu  zeigen 
dass  die  Anfangsworte  des  fünften  Artikels:  ,Dass  solt  gleich 
woll  der  landgraff  nit  wissen',  nicht  nur  auf  den  vierten,  de 
gegen  Verlust  an  Land  und  Leuten  schiltzte,  sondern  auch  au 
die  Scblussworte  des  dritten  Artikels  bezogen  werden  mtls&ten 
wo  es  heisst:  ,daas  Ime  .  .  .  solche  ergebung  weder  zw  Leyt 
straff  noch  zw  Ewiger  gefencknuss  raichen'.  Eine  genaue  Vei 
gteiebung  lässt  aber  erkennen,  dass  die  Veränderung  unnöthij 
gewesen  wäre. 

Durch  die  Mittheilungen  des  Kaisers  waren  auch  die  Kui 
füllten  gezwungen,   den  Keichsständen  den  Sachverhalt  darzu 

<  Den  Text  bei  Sastrow  (II,  643  f.)  habe  ich  auf  Qrand  iweier  der  M»iiiz> 
Kanzlei  Ubergebenen  Abscbriften  und  einer  dritten,  die  die  Wiener  Hu 
bibliotbek  besitEt  (Cod.  9363),  vielfach  verbessert.  Wiener  Staatsarclii' 
Mainier  Beichstagsacteii,  fuc.  15. 

*  luleib  behauptet  zwar,  da«»  sie  sowohl  Unrichtigkeiten  als  absicbtlicl 
Entatellungen  enthalte,  unterlHsst  es  aber,  den  Beweis  dafllr  co  e 
bringren  (p.  220). 

*  Issleib  irrt,  wenn  er  meint,  die  Artikel  seien  ,nacb  der  fransOsische 
Niederachrift  des  Bischofs  von  Ärraa',  also  in  deatscher  UeberaetEung  di 
franzOnschen  Textes  den  Ständen  abergeben  worden  (p.  220,  Anm.  )t^ 
Elr  kannte  eben  noch  nicht  den  authentischen  Text  .der  deutscheu  Artikt 
den  ich  oben  p.  140f.  mitgetbeilt  habe.  Vgl.  Issleib,  Die  Gefange 
nähme,  217  f. 

*  Sie  tragen  die  Donualnote:  ,Tod  Kay.  Ha'  vbergeben,  der  heasüclu 
Gesandten  Werbung  betrfeSend].'  Wiener  Staatsarchiv,  MainEer  Raicli 
tagsacten,  faic.  16,  fol.  60,  96. 


199 

legen.  Sie  waren  damals  beide  in  Augsburg  anwesend.^  In 
ikem  Namen  liessen  sie  daher  schon  am  26.  November  den 
Beichsständen  durch  ihre  Bäthe  folgende  Erklärung  mündlich 
Böd  schriftlich  geben.  Von  dem  ^Anbringen'  der  hessischen 
«jesandten  hätten  die  Kurflirsten,  ehe  sie  die  Werbung  tags 
lUTor  durch  ihre  Rätfae  ,abhören  lassen^,  ,nicht  wissens  gehapt^ 
Noch  in  anderer  Weise  suchten  sich  die  Kurflirsten  dem  Kaiser 
eef^enüber  zu  entschuldigen:  so  wie  sie  sich  ,hievorn  ye  vnd 
allewege'  hätten  vernehmen  lassen^  so  wüssten  sie  auch  jetzt 
,die  kayserhche  Majestät  in  nichtem  zu  beschuldigen,  das  an 
ToDntziehung  der  abgeredten  Capitulation  bey  Irer  Kayserlichen 
Majestät  aynicher  mangel  yemaln  gewesen.  Aber  gleichwol 
seint  in  diesen  Sachen  allerhandt  bey-  und  neben-Hendel 
vorgefallen,  anfenglich  mit  der  Rö[misch]  Kö[niglichenJ* 
Miajestät],  ehe  vnd  dan  Ire  Mafjestät]  aus  dem  Feltlager  vor 
Wittemberg  vorruckt'  (dies  geschah  am  25.  Mai)  ,vnd  volgends 
mit  Kay[serlichen]  M[ajestät]  Rethen,  welche  gantz  ge- 
baym  vnd  enge  gescheen  sein.  Vnd  konth  sich  hirinnen 
wo!  zugetragen  haben,  das  in  mangel  vnd  vnvorstandt 
der  Sprachen  mit  den  kayserlichen  Rethen  aus  dem 
^ilerhandt  missvorstandt  erfolget  sein  mochte,  so  were 
"loch  bayder  Churfursten,  Sachsen  vnd  Brandemburg,  gemuth 
Tüd  maynung  nicht,  sich  deshalber  in  ayniche  Disputation 
^intzulassen.'  Diese  Sachen  seien  ,gelegen  wie  sie  weiten', 
von  den  Kurßirsten  seien  sie  ,vnttertheniglichen,  trewlichen  vnd 
»ol  gemainth'  gewesen:  sie  hätten  nichts  Anderes  als  ,viller 
iandt  vnschuldigs  cristenlichs  blutvorgiessenns,  vorterbens  Ar- 
3ea  Leathe'  verhüten  woUen  und  gewünscht,  dass  ,das  haylig 
Seich,  deatzsche  Nation,  vnser  gemaines  Vaterlandt  widervmb 
iin  mall  in  Frieden,  Ruhe, '  Vorigen  Standt  vnd  Wesen,  wie 
weh  bescheen',  gebracht  werde,  und  dass  der  Kaiser  von 
arc^sen  Kosten  befreit  werde,  dies  Alles^  um  den  Feinden  der 
Clmstenheit  und  des  Reiches  desto  stattlicher  Widerstand  leisten 


'  Dmifel  (I,  686,  Anm.  6)  irrt,  wenn  er  das  Gegentheil  bezüglich  des  Kur- 
ffirsten  Moriz  behauptet. 

*  Nach  dem  fehlerlosen  Text  zweier  authentischen  Abschriften,  die  der 
Mainzer  Kanzlei  übergeben  wurden  (Wiener  Staatsarchiv,  Reichstags- 
acten,  ftac.  15,  fol.  52,  103).  Bei  Hortleder  (II,  924)  und  auch  bei  Sa- 
ftrow  (II,  663)  irrig:  ,Key[8erHchen]'.  ^  | 


200 

zu  können.  Deshalb  hätten  sie  den  Landgrafen  dahin  vermocht. 
,auf  Irer  Churfurstlich  gnaden  trawen,  glauben  vnd  vorsicherunfr, 
dieweyl  Ire  Churfurstlich  gnaden  die  dinge  auf  kain  gefengknus 
vorstanden 'y  die  Capitulation  anzunehmen^  nach  Halle  zu  kommen 
und  die  Abbitte  zu  leisten.  Sie  bäten  zu  ei-wägen:  wenn  dem 
Landgrafen  ,als  einen  sterblichen  Menschen  ayniche  Leibsgefhar 
entstünde,  wie  solchs  bayden  Churfursten  bei  aller  Welt^  dieser 
Sachen  vnbericht,  zu  vorletzung  Irer  Hohait,  Ehren,  Glimpfs 
und  Reputation  nachgeredet  werden  mochtet  Die  Reichsstände 
mögen  daher  sie  selbst  mehi*  als  den  Landgrafen  ,bedencken' 
und  den  Kaiser  ,ersuchen,  anlangen  vnd  bitten  helffen^,  auch  er 
möge  sie  und  ihre  Dienste  mehr  als  den .  Landgrafen  berück- 
sichtigen und  ihn  endUch  freigeben,  weil  doch  die  Artikel  der 
Capitulation  ,fast  alle^  vollzogen  seien  und  dieser  gehorsam 
bleiben  müsse  und  werde. 

Wie  einst  in  Halle  in  Gegenwart  kaiserlicher  Räthe  und 
Karls  V.,  so  gaben  die  Kurfürsten  nun  vor  den  Reichsständen 
die  Erklärung  ab,  sie  wüssten  nicht,  dass  den  Kaiser  bezügUeb 
der  Erfüllung  der  Capitulation  eine  Schuld  treflfe.  Es  filUt  uns 
aber  ihre  Behauptung  von  allerhand  Bei-  und  Nebenhändeln 
auf,  die  mit  König  Ferdinand  bis  zu  dessen  Abreise  aus  dem 
Lager  vor  Wittenberg  und  dann  mit  den  Räthen  des  Kaisers 
,gantz  gehaym  vnd  enge  gescheen^  seien.  Denn  nur  zwischen 
dem  Kaiser,  beziehungsweise  dessen  Räthen,  und  den  Kurfürsten, 
wurden  Artikel  verabredet,  die  für  den  Landgrafen  geheim 
bleiben  sollten.  Seit  dem  25.  November  waren  diese  auch  für 
die  Reichsstände  kein  Geheimniss  mehr.  Zwischen  König  Fer- 
dinand und  den  Kurfürsten  war  es  zu  keiner  geheimen  Ver- 
abredung, wohl  aber  zu  Verhandlungen  gekommen,  deren  In- 
halt der  Landgraf  nicht  immer  vollständig  erfahren  hatte.  Wenn 
der  Kaiser,  wahrscheinlich  zur  Verwunderung  der  Hessen  und 
zum  Aerger  ihres  Herrn,  erklären  Hess,  der  Landgraf  habe  ohne 
Rücksicht  auf  seine  schmalkaldischen  Bundesgenossen  Separat- 
verhandlungen begonnen  und  später  sogar  Waffenhilfe  gegen 
seinen  geächteten  Freund  vorgeschlagen,  so  sollte  die  Welt  er- 
fahren, wie  wenig  ehrenhaft*  der  Landgraf  gehandelt  habe. 
Denn  der  Kaiser  wusste  nicht,  dass  der  Urheber  dieser  Vor- 
schläge Herzog  Moriz  war,  dass  dieser  um  seiner  Interessen 
willen  den  Schwiegervater  zur  Annahme  derartiger  Vorschläge 
gedrängt,  unc[  dass  der  Landgraf  sich  lange  und  in  Ehren  da- 


201 

?«gen  gestrÄubt  hatte.  ^  Noch  im  Jahre  1550  erinnerte  der 
Undgraf  seinen  Secretär  Simon  Bing,  dass  er  diese  Hilfe- 
'^^g  S^S^^  Johann  Friedrich  von  Sachsen  abgeschlagen 
bbe.*  Ebenso  dtirften  sich  die  Hessen  verwundert  haben,  als 
sie  hörten,  dass  der  Kaiser  während  der  Vermittlung  des  Her- 
2Ggs  Moriz  von  allem  Anfang  an  auf  unbedingter  Ergebung 
Whufe  Bürgschaft  des  Vertrages  bestanden  und  mildere  Be- 
üngangen  durchaus  abgelehnt  hatte.  Denn  Herzog  Moriz  liess 
seinen  Schwiegervater  darüber  lange  im  Ungewissen  oder 
sackte  diese  Forderung  durch  unbestimmte  und  unberechtigte 
Vertröstungen  annehmbar  zu  machen.  Für  den  Landgrafen 
WM"  also  Einiges  wirklich  Geheimniss  geblieben,  aber  gerade 
Soldies,  was  ihm  hätte  mitgetheilt  werden  sollen.  Die  Erinne- 
^  daran  muss  fUr  Moriz  sehr  unangenehm  gewesen  sein. 
Aoch  der  verhüllte  Versuch  einer  Rechtfertigung  durch  ,aller- 
Wt  bey-  vnd  neben-Hendel'  ,anfenglich  mit  der  Römisch 
Königlichen  Majestät^  legt  dafür  Zeugnis  ab. 

,Mangel  vnd  vnvorstandt  der  Sprachen  mit  den  kayser- 
Rethen'  wäre  also  nach  der  Angabe  der  KurfUrsten 
Scirald  an  dem  Unglück  des  Landgrafen  gewesen.  Aber  so 
^>atimmt  äusserten  sie  sich  nicht.  Die  Worte:  ,konth  sich 
liinnnen  wo]  zugetragen  haben',  dass  daraus  ,aller  handt  miss- 
vorstandt  erfolget  sein  mochte',  klingen  nicht  so,  als  ob  die 
Korfersten  selbst  davon  überzeugt  gewesen  wären.  Wie  hätten 
^  M  auch  wagen  können,  das  bestimmt  zu  behaupten!  Die 
Reichsstände  hatten  ja  schon  die  Nebenartikel  vom  2.  Juni 
keimen  gelernt,  die  in  der  Fassung  der  Kurfürsten,  noch  dazu 
^  deutscher  Sprache,  ein  Missverständniss  sehr  unwahrschein- 
tch  machten.  Ausserdem  waren  sie  öflFentlich  daran  erinnert 
'^en,  dass  ausser  diesen  Erklärungen  keine  wie  immer  ge- 
artete mtindHche  ,weittere  verwenung  oder  Vertröstung'  bezüg- 
^^  des  Landgrafen  gegeben  worden  sei.  Welche  kaiserlichen 
^the  sollten  das  Missverständniss  verschuldet  haben?  Für 
fi«  entscheidenden  Verhandlungen  vom  2.  bis  4.  Juni  kam  nur 
Granvelle  in  Betracht,  dieser  war  aber  der  deutschen  Sprache 
3ilc!itig  und  verhandelte  damals  in  dieser.  Auch  an  den  fol- 
genden Tagen  bediente   er  sich  der  Hilfe  Dr.  Seld's   nur  zeit- 

*  8.  oben  p.  I13f.,  116  f.,  118f.  '  j 

'  Bommel,  IV,  339,  Anmerkungen.  | 


202 

weilig,  nämlich  bei  der  VertragsstipiLlatioii.  Anders  stand 
es,  wenn  die  Fürsten  den  Herzog  von  Alba  meinten.  Denn 
auch  mit  diesem  verhandelten  sie,  und  von  ihm  konnte  man 
wahrscheinlich  behaupten,  dass  er  der  deutschen  Spi*ache  nicht 
mächtig  gewesen  sei.  Sie  verhandelten  aber  mit  ihm  erst  am 
11.  Juni  (der  damals  abwesende  KurfUrst  Joachim  nur  durch 
seine  Räthe),  als  sie  bei  ihm  Abänderungsvorschläge  des  Land- 
grafen zum  Vertragsentwurfe  befiirworteten.^ 

Das  Missverständniss,  womit  sie  in  Halle  ihren  Irrthum  zu 
entschuldigen  trachteten,  musste  von  ihnen  auch  jetzt  festge- 
halten werden.  Ihr  Ansehen  war  ohnedies  durch  die  ganze 
Angelegenheit  geschädigt  worden.  Sollten  sie  nun  auch  be- 
kennen, dass  sie  in  blindem  Vertrauen  auf  Milde  des  Kaisers 
dem  Landgrafen  mehr  verbürgt  hatten,  als  sie  hätten  thun 
dürfen?  Sie  waren  durch  ihren  Einspruchsversuch  auf  der  Moriz- 
burg  gebunden.  Daher  also  die  Vorsicht  im  Ausdrucke  bezüglich 
des  ,Missvor8tandts^ 

An  demselben  Tage,  wo  sie  den  Reichsständen  diese  Mit- 
theilungen machen  Hessen,  mussten  sie  vor  dem  Kaiser  er- 
scheinen. Kurz  vorher  riethen  ihnen  die  kaiserlichen  Räthe, 
über  die  Obligation  vom  4.  Juni  zu  schweigen.*  Wir  wissen 
ja,  dass  der  Kaiser  ^i^se  Verpflichtung  durchaus  nicht  aner- 
kannte. Dieser  drückte  nun  ,sein  grosses  Missfallen  über  die 
hessische  Gesandtschaft'  aus  und  legte  dar,  dass  der  Capi- 
tulation  in  ungenügender  Weise  Folge  geleistet  werde.  Als  die 
Kurfürsten  den  Landgrafen  zu  entschuldigen  suchten,  sagte  er, 
es  sei  nicht  glaubhaft,  dass  dieser  von  der  Werbung  nichts  ge- 
wusst  habe.  Denn  der  hessische  Bericht  verrathe,  dass  er 
selbst  die  Gesandtschaft  angestiftet  habe.  Der  Kaiser  hätte 
hinzufügen  können,  dass  dies  auch  aus  der  wörtlichen  Ueber- 
einstimmung  vieler  Stellen  der  hessischen  Werbung  mit  dem 
Bittschreiben  des  Landgrafen  vom  12.  October  hervorgehe.' 
SchUesslich  erklärte  der  Kaiser,  vor  vöUiger  Vollziehung  des 
Vertrages  werde  er  den  Landgrafen  nicht  freilassen.  Wir 
wissen  nicht,   ob  die  Kurftlrsten  auch  etwas  über  die  Art,  wie 


*  S.  oben  p.  169. 

*  Issleib,  Die  Gefangenschaft,  221,  Anm.  20.     Eine  Analyse  der  kurfürst- 
lichen Erwiderung  an  die  Reichsstände  fehlt  dort. 

*  S.  oben  p.  192,  Anm.  3  und  p.  193. 


203 

sie  sich  in  ihrer  Erwiderung  an  die  Reichsstände  zu  entschul- 
digen gesucht  hatten,  zu  hören  bekamen.^ 

Während  Kurftlrst  Joachim  in  Augsburg  blieb,  reiste  Kur- 
färet  Moriz  bald  darauf  heim*  und  kehrte  erst  etwa  Anfang 
Fcbnur  1548  nach  Augsburg  zurück.* 

Am  3.  December  1547  sandte  der  Kaiser  seinen 
Kath  and  Eoiegscommissär  Johann  von  Lier  an  den  Land- 
grafen nach  Nördlingen,  wohin  dieser  inzwischen  übersiedelt 
war.  Auf  dem  Wege  dahin  hatte  er  zu  entweichen  gedacht;* 
er  hatte  aber  wahrscheinlich  keine  Qelegenheit  dazu.  Auch 
I^  drückte  dem  Landgrafen  das  Missfallen  des  Kaisers  dar- 
über aus,  dass  die  Hessen  in  ihrer  Werbung  den  Reichs- 
itibiden  ,zu  verstehen^  gegeben  hätten,  ,als  solte  er',  der  Land- 
graf, ,der  Abrede  zuwider  gefenglich  eingezogen  sein*  und  als 
3ei  dem  Sauser  und  dessen  Dienern  ,allerlei  dabei'  zur  Last 
ffl  legen.  Was  ,etliche  angemasste  Verschreibungen'  betreffe, 
M  seien  die  KurfUrsten  nicht  berechtigt  gewesen,  sich  ohne 
jein  Vorwissen'  und  ohne  seine  (des  Kaisers)  Bewilligung  derart 
w  verpflichten.  Deshalb  befehle  er  dem  Landgrafen,  ,von  Stund 
u)^  Jemand  zu  seinen  Kindern  abzufertigen,  damit  ihm,  dem 
Ktiser,  ,alle  vnnd  yede  öleitsbrieffe  sampt  anderen  verschrei- 
Wogen',  die  sie  von  den  Kurftlrsten  in  dieser  Angelegenheit 
I>e8ä8sen,  innerhalb  zwanzig  Tagen  eingehändigt  würden.  Auch 
:5oütcn  sich  der  Landgraf  und  seine  Kinder  schriftlich  verpflichten. 


^  Ictleib'fl  Mittheilang  über  diese  Audienz  dürfte  wohl  einem  Berichte  nach 
Hetsen  entnommen  sein  (p.  221  f.). 

*  Entweder  am  29.  November  (Issleib,  222)  oder  am  folgenden  Tage 
(V.  D.,  n,  370,  Anm.).  Vielleicht  fand  die  Schlittenfahrt  des  Kurfürsten 
Moriz  nach  München,  die  Sastrow  (11,  560  f.)  auf  einen  Sonntag  im  De- 
cember aetst,  am  27.  November,  ebenfalls  an  einem  Sonntage,  statt 
Als  der  Kurfürst  schon  im  Schlitten  sass,  erinnerte  ihn  sein  Hath  Dr. 
Carlowitz  daran,  dass  der  Kaiser  am  nächsten  Tage  einen  Bescheid  wegen 
des  Landgrafen  geben  wolle.  Auch  der  Vorwurf,  dass  Kurfürst  Moriz 
nch  durch  sein  leichtfertiges  Verhalten  bei  Vornehmen  aller  Nationen 
sowie  beim  Kaiser  und  KOnig  in  Verachtung  gebracht  habe,  nützte 
nichts:  er  fuhr  zu  Carlowitz'  Aerger  davon.  Sastrow  will  dies  Alles  aus 
uunittslbarster  Nähe  g^ehen  und  gehOrt  haben. 

*  In  einem  Reichshofrathsprotokolle  (II  %  fol.  81)  vom  1.  Februar  1548  heisst 
«,  der  Kurfürst  werde  täglich  und  stündlich  erwartet.  Vgl.  V.  D.,  II, 
391  .„^  Anm.  2  und  Issleib,  225. 

*  Bommel,  IV,  343,  wo  aber  Näheres  darüber  fehlt. 

AiektT.  LXXXin.  B4.  I.  Hilfte  14 


I 

i 


204 

die  KurfUrsten   auf  Grund   dieser   Schriften    künftig  in  keiner 
Weise  mehr  ,zu  betrüben  und  zu  verunruhigen'.  ^ 

Der   Landgraf  stellte   sich   so,   als  wtisste   er  nichts  von 
der    hessischen  Werbung,    und    als    verstünde  er  darum   nicht 
den  Vorwurf  des  Kaisers.     Seine  Verstellung   nützte  ihm  aber 
nichts.     Lier  ward   unwillig  und  sagte:   ,e8  weren  ye  Teutsche 
Wort,  die  er  ime  von  wegen  des  Keysers  ansagt;   so  were  der 
Landtgrave  doch  auch  ein  gebomer  Teutscher,   derwegen  sich 
der  Landgraf  mit  sollicher   ausreden  nicht  zu  besehenen^  (be- 
schönigen)   solle.     Bezüglich    der    kurftlrstlichen    Verpflichtung 
erwiderte  dieser:   ,Solt  in  dem  vber  keyserUcher  Majestät  Vor- 
wissen etwas  geschehen'  sein,  ,so  were  er  vbell  vnnd  jamerlich 
bedrogen  worden'.  BezügUch  der  Auslieferung  der  kui-fUrstlichen 
Verpflichtung  äusserte  er:   weil  er  ,des  Keysers  Meinung  vnnd 
wohin  solliches  zu  deuten'  nicht  verstehe,   so  könne  er  derzeit 
keine    andere    Antwort    geben.      Der   Kaiser    möge    mit    ihm 
machen,    was  er  wolle.     Er  selbst  sei  ohnedies  ein  gefangener 
Mann   und  könnte  viel   mehr  als  jetzt  nicht  bedrängt  werden. 
So  berichtete  Lier  an  den  Kaiser.*     Der  Landgraf  befahl  dar- 
auf seinen  Kindern,   die  kurfürstliche  Obligation  unter  keinen 
Umständen   herauszugeben,   selbst   dann   nicht,   wenn   man  mit 
Krieg  drohe.*     Doch  überbrachten  seine  Räthe  Heinrich  Lerener 
und  Dr.  Tileman  Gunterrode,   die  damals  abwechselnd  bei  ihm 
und   auf  dem  Reichstage    weilten,"*    dem  Kaiser   bald   eine  be- 
scheidenere Antwort:    Mit    der  Werbung    auf  dem    Reich  tage 
habe   er   nichts   zu   thun,    die  Obligation    sei   von   den  Fürsten 
freiwillig  seinen  Kindern  und  nicht  ihm  ausgestellt  worden;  er 
habe   die   Urkunde   in   Hessen   zurückgelassen.     Freibriefe    an 
die  Kurfürsten   von   seiner  Seite  würden   für   sie   wertlos    sein. 
Wenn   sich   die   Kurfürsten  geirret,   möge  der  Kaiser  ihn    aus 
Rücksicht   für   sie    und    für    ihre   Bitten   und   aus  Mitleid    mit 
ihm  freilassen.^ 


'  Die    Instruction  für  Lier   bei  Sastrow,   II,   556  f.,  und  bei  Hortleder,  II, 
925  f. 

•  Sastrow,  n,  659. 

»  Issleib,  224,  Anna.  25. 

♦  Rommel,  IV,  328. 

^  Issleib,  223  f.,  wo  aber  Liers  Bericht  nicht  berücksichtigt  ist. 


205 
?•  Fflrbitten  ohne  Ansführniig  des  Vertrages. 

Durch  diese  Haltung  des  Landgrafen  wurde  die  Gesinnung 
des  Kaisers  gegen  ihn  nicht  freundhcher.  Als  dieser  Lier's  Be- 
richt vernahm,  verfligte  er,  dass  dem  Gefangenen,  der  damals 
ui  Husten  litt,  sein  Leibarzt  Dr.  Megabach,  sein  Secretär  und 
andere  Diener  genommen  werden  sollten.  Auch  Tinte  und 
Papier  wurden  ihm  vorläufig  verboten.  Erst  einige  Wochen 
sp&ter  setzte  Kurfürst  Joachim  durch,  dass  der  Landgraf  wieder 
seinen  Leibarzt  und  zu  den  wenigen  Dienern,  die  er  damals 
besass,  zwei  aus  dem  Adel  erhielt.^ 

Die  hessische  Werbung  hatte  eher  geschadet  als  genützt. 
£8  blieb  dem  Landgrafen  nichts  Anderes  übrig,  als  seine  Be- 
freiung durch  Fürbitten  zu  versuchen.  Da  Erzherzog  Maxi- 
milians Verwendung  fruchtlos  blieb,^  mussten  auf  Wunsch  des 
Landgrafen  dessen  Gemahlin  und  Töchter  Agnes  und  Anna 
nach  Augsburg  kommen.  Anfang  Februar  1548  erschienen  sie  in 
Trauerkleidem.'  Etwa  gleichzeitig  traf  dort  Kurfürst  Moriz  ein. 
Der  Landgraf  hatte  seiner  GemahHn  die  geheime  Instruction  ge- 
geben, die  Auslieferung  der  Obligation  der  Kurfürsten  zuzuge- 
stehen, wenn  der  Termin  seiner  Befreiung  festgesetzt  werde.* 
Von  dem  Kaiser  war  aber  Derartiges  nicht  zu  erlangen.  Herzog 
Moriz  erhielt  am  24.  Februar  die  feierhche  Belehnung  mit  der 
Karwürde,*  aber  die  Landgräfin  musste  Ende  Mai  unver- 
richteter  Dinge  heimreisen.^  Auf  den  Wünsch  ihres  Gemahls 
überreichte  sie  dem  Kaiser  am  1.  September  1548  in  Speier 
wieder  eine  Schrift,  worin  sie  um  seine  Beurlaubung  nach 
Hessen  bat,  damit  er  dort  das  Interim  einführen  könne.  Der 
Landgraf  erbot  sich,  dem  Kaiser  als  Garantie  seine  zwei  ältesten 
Söhne  und  Ziegenhain  zu  übergeben.  Sogar  einen  Theil  seines 
Landes  woUte  er  seinen  Kindern  abtreten,  nur  möge  ihnen  der 
Kaiser   dann   ,etliche  Räthe'   zuordnen.''     Es  ist  derselbe  Plan, 


*  Rommel,  IV,  327,  329. 

'  YgL  oben  p.  1S9,    Anm.  2,   und  das  Intercessionsversprechen,    das  er  in 
Mailand  im  Jnli  1548  schriftlich  erneuerte.     Draffel,  I,  p.  689  und  885. 
»  I«aleib,  224f.;  V.  D.,  H,  391.,«»,  Anra.  2. 

*  Bommel,  IV,  327. 

*  Hortleder,  II,  926. 

*  Bommel,  IV,  333;  Issleib,  226,  227. 
'  Lanz,  n,  610. 

14^ 


206 

den  er  während  der  Leipziger  Verhandlungen  ersonnen,  aber 
dann  doch  nicht  an  den  Kaiser  hatte  gelangen  lassen.^  Im 
Januar  1550  kam  er  wieder  auf  ihn  zurück.'  Der  Kaiser  blieb 
unerbittlich:  er  gewährte  der  Landgräfin  in  Speier  nur  einen 
achttägigen  Aufenthalt  bei  ihi*em  Gemahl. 

Bald  schlug  der  Landgraf  einen  neuen  Weg  zu  seiner  Be- 
freiung vor.  Die  Kurfürsten  sollten  die  Freundschaft  des  In- 
fanten Philipp  suchen,  wenn  dieser  auf  dem  Wege  von  Spanien 
nach  den  Niederlanden  nach  Deutschland  komme,  ferner  soUten  sie 
sich  dem  Kaiser  gegenüber  erbieten,  den  Infanten  auf  Verlangen 
zum  römischen  König  zu  wählen,  überdies  sich  zu  stattlichem 
Kriegsdienste  verpflichten.^  Ein  ZufaU  wollte  es,  dass  Kurfürst 
Moriz  auch  von  dem  Cardinal  Christoph  Madruzzo,  Bischof  von 
Trient,  mit  dem  er  auf  sehr  freundschaftlichem  Fusse  stand, 
und  der  den  Infanten  nach  den  Niederlanden  begleitete,  aus 
Barcelona  den  Rath  empfing,  Philipp  entgegenzureisen  und  ihn 
um  Verwendung  für  den  Landgrafen  zu  bitten.  Da  KorfUrst 
Joachim  wegen  Geldmangels  den  Kurfürsten  von  Sachsen  nicht 
begleiten  konnte,  so  trug  dieser  allein  am  27.  Januar  1549  dem 
Infanten  seine  Bitte  in  Trient  in  einer  feierlichen  Audienz  vor.* 
Er  hob  hiebei  seine  Verdienste  im  vergangenen  Kriege,  seine 
Verwandtschaft  mit  dem  Landgrafen,  sowie  seine  Verpflichtung 
vom  4.  Juni  hervor.  Darauf  reiste  Kurfürst  Moriz  unter  dem 
Vorwande,  den  Infanten  wegen  zu  geringen  Gefolges  nicht  ehren- 
voll begleiten  zu  köimen,  nach  Venedig,  Ferrara,  Mantua  und 
Mailand.  Besonders  mit  dem  >  Herzog  Ercole  von  Gonzaga 
knüpfte  er  freundschaftliche  Verbindungen  an,  die  er  auch  in 
den  folgenden  Jahren  mit  Rücksicht  auf  seine  Pläne  gegen  den 
Kaiser  pflegte.^  Damals  aber  rieth  er  dem  Landgrafen,  seinen 
zweiten  Sohn  Ludwig  zur  Erlernung  der  italienischen  Sprache 
und  ,um  anderer  Vortheile  willen*  nach  Ferrara  zu  senden.^ 
Den  Infanten  holte  er  aber  schon  in  München  wieder  ein  und 
wiederholte  seine  Bitte  auch  in  Augsburg  und  in  Günzburg  an 
der  Donau,  wo  er  sich  von  ihm  am  27.  Februar  verabschiedete. 


*  8.  oben  p.  131. 
«  Druflfel,  I,  347  f. 
»  iBsleib,  229. 

*  Lanz,  Correspondenz,  II,  622  f. 

*  V.  D.,  II,  650.M9;  Issleib,  230  f. 
»  IsBleib,  232. 


207 

Während  seiner  ganzen  Reise  nach  den  Niederlanden 
mosste  der  Infant  derlei  Bitten  hören ;  in  Heidelberg  ,von  sechs 
Ffirsten',  in  Speier  von  einer  hessischen  Gesandtschaft  und  am 
4.  März  1549  in  Neustadt  au  der  Hardt  von  dem  kurbranden- 
borgischen  Kanzler  Christoph  von  der  Strassen.^  Einige  Wochen 
vor  ihrem  Tode  richtete  auch  die  Landgräfin  ein  Bittschreiben 
*n  den  Kaiser.* 

Die  feierliche  Fürbitte  des  Infanten  bei  seinem  Vater  er- 
f<Jgte  am  10.  April.  Trotzdem  dass  der  Cardinal  von  Trient 
ungeduldig  drängte,  erreichte  auch  er  nichts.  Da  die  Antwort 
80  lange  ausblieb,  trafen  Bittschreiben  der  Kurfürsten  an  den 
In&nten  und  an  Herzog  Alba  ein.'  Heinrich  Lersner  bat  am 
4.  Juni  und  der  kursächsische  Unterhändler  Dr.  Kram  am 
10.  Juli  in  Gent  vergebens  um  Hafterleichterungen  für  den 
Landgrafen,*  der  seit  der  Rückkehr  des  Kaisers  in  die  Nieder- 
lande in  Oudenarde  bewacht  wurde.  Er  durfte  ausserhalb  des 
diM^gen  Schlosses  aUein  nicht  spazieren  gehen  und  hatte  nur 
zwei  Gemächer.  Erst  einen  Monat  später  erhielt  Dr.  Kram  den 
Bescheid,  man  werde  dem  Landgrafen  die  Diener,  die  man  ihm 
genommen,  nicht  wiedergeben.  Man  habe  eher  Ursache,  ,die 
äbrigen  deutschen,  so  noch  bey  seinen  fürstlichen  gnaden  sein, 
auch  abzuschaffend  Der  Landgraf  habe  ,itz  für  vnd  ftir  vil  böse 
wort  viid  geberden  practicire  vnd  handele  teglich  immerdar^ 
Bischof  Granvelle  glaube,  dass  der  Gefangene  ,nit  wol  bey 
vemunfft  sey';  denn  er  wisse  ja,  ,was  jme  der  erledigung  halb 
widerfhuere,  wolte  keyserliche  Majestät,  das  es  allein  aus  gnaden 
bescheen  vnd  erkennet  werden  solte'.*  Endlich  entschuldigte 
sich  der  Infant  in  einem  Schreiben  an  Kurfürst  Moriz,  dass  er 
nicht  gewagt  habe,  die  Fürbitte  zu  erneuern;  denn  sein  Vater 
sei  wegen  der  saumseligen  Vollziehung  der  Capitulation  und 
wegen  der  Haltung,  die  der  Landgraf,  seine  Kinder  und  seine 
Käthe  dem  Interim  gegenüber  beobachteten,  erzürnt.  Dieser 
Brief   ward   Dr.  Obemburger   schon   am  4.  Juli  dictirt,   wiu*de 


«  Dmffel,  I,  p.  208 f. 
s  Am  19.  März  1549  bei  Lanz,  U,  631  f. 
»  Beichshofrathsprotokoll  (V,  fol.  121)  vom  4.  Juli  1649. 
*  I>ruffel,  I,  p  277 f.;  Lanz  II,  634 f. 

»  Bericht  des   hessischen   Secretärs  und   Pfennigmeisters  (Lanz,    III,   44) 
Reinhard  Abel   an   den  Landgrafen  vom   13.  August  bei  Lanz,  II,  635  f. 


208 

aber  erst  am  31.  August  datirt  und  abgesandt.^  Natürlich  wurde 
es  wieder  abgelehnt,  den  Landgrafen  auf  mehrere  Wochen  Ur- 
laub in  die  Heimat  zu  ertheilen,  obwohl  er  sich  etwa  im  Juli 
zu  eventuellem  Kriegsdienste  und  zu  Einführung  des  Interims 
in  sechs  Wochen  erboten  hatte. 

Der  Landgraf  setzte   nun  seine  ganze  Hoffnung  auf  eine 
Reise    der  KurfUrsten   zum   Kaiser;    entweder   sollten   sie   sich 
einsteUen    oder    seine   Befreiung   persönlich    erwirken.     Seinen 
Kindern  gab  er  den  Auftrag,   den  Kurfürsten  mit  ,öffentUchen 
Ausschreiben,    Anschlägen    und    Schandgemälden^    zu   drohen, 
wenn   sie    säumig    seien.     Auch   verlangte   er   zu  wiederholten 
Malen,  dass  sie  sich  erbötig  machen  sollten,  den  Infanten  zum 
römischen    Könige'  zu    wählen.*     Die    Kurfürsten    Hessen    sich 
aber  weder  zu  dem  Einen  noch  zu  dem  Andern  bewegen.  Es 
erscheine  ihnen  bedenklich  und  leichtfertig,  erwiderten  sie,  sich 
selbst   zu    dieser   Wahl    zu    erbieten,    ehe    sie    darum    ersucht 
würden.     Uebrigens   habe  man  ja  einen  römischen  Kaiser  und 
einen  römischen  König.     Sie  wussten,  dass  sie  damit  auch  nach 
dem   Wunsche   König   Ferdinands   und   des   Erzherzogs  Maxi- 
miUan,  des  Titularkönigs  von  Böhmen,  antworteten.     Ehe  dieser 
nach  Spanien  reiste,  soll  sich  ihm  Kurfürst  Moriz  bezüglich  der 
Nachfolge   im  Reiche   durch  einen  feierlichen  Eid   verpflichtet, 
dafür    soll    aber    der   Erzherzog  geschworen  haben,   die  durch 
den    Vertrag    des    Herzogs    Moriz  mit    dem    Kaiser    1546    be- 
gründete Sonderstellung  Sachsens  in  religiöser  Beziehung  anzu- 
erkennen.* 

Was  die  habsburgischen  Brüder  bezüghch  des  Landgrafen 
beschlossen,  ist  unbekannt;  dass  sie  aber  geneigt  gewesen 
wären,  ihn  vor  der  ErflUlung  der  Capitulation  und  vor  der 
Annahme  des  Interims  in  seinem  Lande  freizulassen,  ist  wenig 
wahrscheinlich.  Der  Landgraf  selbst  machte  es  dem  Kaiser 
nicht  schwer,  aufischiebende  oder  ablehnende  Antworten  in  der 
Frage   der  Enthaftung   zu    begründen,    denn    die   AusflLhrung 


*  Lanz,  n,  634.  ,Dictavi  [Seid]  do[mino]  Oberabnrgf[er]  4  julii  anno  1549/ 
Reichshofrathsprotokoll  vom  4.  Juli  1649  (IV,  fol.  7;  V.,  fol.  121)  im 
Wiener  Staatsarchiv. 

»  Issleib,  229,  238  flf.;  Ranke,  V,  84,  Anm.  l;  VI,  291. 

■  Moresini  und  Badoer,  Augsburg,  14.  October  1650.  V.  D.,  II,  467.X89, 
Anm.  1;  vgl.  Issleib,  Das  Interim  in  Sachsen  (Archiv  für  sächsische  Ge- 
schichte, 1894,  XV). 


209 

des  Vertrages  Hess  Manches  zu  wünschen  übrig.  Vielleicht  hing 
dies  mit  geheimen  Befehlen  des  Landgrafen  selbst  zusammen.^ 
Zwar  ward  im  Gegensatze  zum  gefangenen  Sachsenherzog,  der, 
wie  er  selbst  behauptete,*  mit  den  Seinigen  in  freiem  schrift- 
liehen  Verkehr  bleiben  durfte,  die  Con-espondenz  des  Land- 
grafen aberwacht,  auch  die  Processschriften,  die  dieser  mit  Kur- 
mainz,  mit  dem  deutschen  Orden,  mit  Herzog  Heinrich  von 
Braansehweig,  sowie  mit  den  Grafen  von  Nassau  und  Solms 
wechselte,  kamen  nur  durch  Granvelle's  Hand  in  die  Hände 
der  Adressaten,*  es  gelang  ihm  aber  doch,  mit  den  Seinigen 
in  geheimer  Correspondenz  zu  bleiben.  Als  Boten  dienten 
hessische  Fuhrleute,  die  ihm  regelmässig  Proviant  zuführten. 

£r  suchte  so  viel  als  möglich  von  seinen  festen  Plätzen 
und  von  seinen  Geschützen  zu  retten.  Der  Kaiser  hatte  ihm 
nur  Ziegenhain  sammt  dreissig  Geschützen  gelassen.  Als  spa- 
nische Commissäre  im  Juli  und  August  1547  in  Hessen  weilten, 
weigerten  sie  sich,  das  Geschütz  unvollständig  und  in  schlechtem 
Zustande  zu  übernehmen.  Man  sagte  ihnen,  das  kleine  Ge- 
schütz sei  von  den  hessischen  Städten  geliehen  worden.  Die 
Commissäre  verlangten  auch  neue  Räder  und  Wagen.  Als 
dann  Johann  Ortiz  im  October  und  November  1548  die  Ar- 
tillerie tibernehmen  wollte,  fand  er,  dass  ,mehreres  vorher  bei 
Seite  geschleppt  war^*  Ob  diese  Beschwerden  alle  Erfolg 
hatten,  wissen  wir  nicht. 

Auch  die  Schleifung  der  Festungen  scheint  absichtlich 
verzögert  worden  zu  sein.  Obwohl  der  Landgraf  im  Novem- 
ber 1547  hatte  erklären  lassen,  dass  zwei  Drittel  der  Befesti- 
gungen von  Cassel  geschleift  seien,  mussten  die  Kurfürsten  im 
Februar  1548  wieder  darauf  dringen,  die  dortigen  Befestigungs- 
werke bis  auf  die  Schlossmauern  zu  brechen.*  Im  November 
1548  ward  dem  Kaiser  angezeigt,  dass  sich  sein  Baumeister 
Franz  Gaudin,  den  er  ,zur  Einziehung'  der  hessischen  Befesti- 
gungen beauftragt  hatte,  habe  bestechen  lassen,  und  dass  er  dem 


>  Vgl.  oben  p.  189,  192  und  204. 

>  Der  Herzog  an  seinen  Kanzler  Dr.  BrUck,   8.  Januar  1550,   bei  Dmffel, 
I,  343. 

»  Beichahofrathsprotokoll  vom  17.  Juni  1548  (II«);  Rommel,  IV,  332;  Ur- 

kondenband,  268. 
«  Bommel,  IV,  315,  317,  318,  331. 
*  Usleib,  226;  Bommel,  IV,  328. 


210 

erhaltenen  Befehle  nicht  ,mit  solchen  trewen  vnd  wie  er  seiner 
pflicht  nach  vnd  vermöge  der  Capitulation  zu  thun  schuldig 
gewest',  nachgekommen  sei.  Daher  liess  ihn  der  Kaiser  abbe- 
rufen  und  gab  seinem  Hauptcommissär  in  Hessen,  dem  Qrafen 
Reinhard  von  Solms,  einem  Feinde  des  Landgrafen,  am  12.  No- 
vember  1548  den  Auftrag,  der  Sache  durch  geheime  Erkundi- 
gungen auf  die  Spur  zu  kommen.*  Wie  man  in  Gotha  die 
Fundamente  stehen  liess,  um  künftigen  Wiederaufbau  zu  er- 
leichtern,* so  scheint  man  es  auch  mit  den  hessischen  Festungen 
gemacht  zu  haben.  In  einer  testamentarischen  Ermahnung*  an 
seinen  Sohn  Wilhelm  schrieb  der  Landgraf  am  17.  November 
1550,  der  Sohn  sei  durch  die  Capitulation  nicht  gehindert,  die 
Festungen  wieder  aufzubauen  und  sich  mit  treuen  Freunden 
zu  verbinden.' 

Der  Kaiser  begnügte  sich  nicht  mit  der  Schleifung  der 
Hauptfestungen  Qiessen,  Rüsselsheim  und  Cassel,  sondern  ver- 
langte  von  dem  Landgrafen,  dass  nach  dem  Wortlaute  des 
Vertrages  ,alspaldt  alle  Bevestigung  seines  Landts^^  mit 
Ausnahme  einer  einzigen  gebrochen  werde.  Man  erklärte  den 
kaiserlichen  Commissären:  was  sonst  noch  an  Befestigungen  vor- 
handen, sei  ,anderer  Churfursten,  f\u*sten  vnd  herren  Lehen^  ,zu 
dem  das  auch  dieselbenn  Heusser  an  sich  selbst  dermassen  gethan^ 
das  sie  unnsers  achtens  pillich  vor  keinn  vestung  zu  achten*. 
Der  Kaiser  befahl  darauf,  es  soUten  ihm  binnen  ,fUnffzehenn 
Tagen  oder  palt  darnach  die  brieve  vrkunth  vnnd  Documenta, 
dardurch  dieser  Heuser  Lehennschaft  zu  beweisenn',  geschickt 
werden.  Am  17.  December  1548  antworteten  die  Statthalter 
in  Cassel:  weil  die  Frist  zu  kurz  sei,  und  weil  die  Urkunden 
wegen  des  Rechtsstreites  mit  Nassau  in  verschiedenen  Händen 
seien,  könnten  sie  nur  dreizehn  notariell  ,auscultirte'  Copien 
senden.    Der  Kaiser  möge  Jemand  nach  Hessen  senden,  damit 


^  Der  Entwurf  des  kaiserlichen  Schreibens  von  Obemburg^er^s  Hand  mit 
vielen  Correcturen  trägt  unten  die  Adresse:  ,An  Graven/  Dass  es  an 
Reinhard  von  Solms  gerichtet  war,  ist  sehr  wahrscheinlich,  weil  er  und 
seine  Gemahlin  persönlich  die  Schleifung  der  Festungen  überwachten. 
Bommel,  IV,  319,  320;  Wiener  Staatsarchiv,  ,Kleinere  ReichssUnde*, 
fasc.  135. 

"  Michiel,  Pressburg,  l.  Juli  1567.    V.  D.,  III,  408.17,,  Anm,  2. 

»  Rommel,  IV,  340. 

♦  S.  oben  p.  147. 


211 

diese  mit  den  Originalien  verglicben  werden  könnten.  Zugleich 
maditen  sie  darauf  aufmerksam^  ans  den  Urkimden  ergebe  sich, 
dASs  Dornberg,  Darmstadt,  Reichenberg,  Goarshausen  ,oder 
Sewen  Catzenelnnpogen',  Rheinfels,  Bickenbach,  Lichtenberg, 
Braubach,; Auerberg  und  ,Ho[h]enstein  alle  annderer  Churfursten, 
forsten  vnd  herrenn  Lehenn  seien',  imd  baten,  ,in  Betrachtung 
das  die  famembstenn  derselbenn  Heuser  nichts  sonderlichs  vnd 
die  anderenn  ganntz  nichts  zu  einicher  wehr  preuchlich,  noch 
Tor  vestung  gehalten  werden  mugen,  derwegen  sie  auch  vonn 
onserem  gnädigen  hem  nie  sonnderlich  bestelt  worden  sein, 
ans  sondern  gnaden  vnd  milde  solche  heuser  ungeprochen 
zu  lassen/^ 

Der  Kaiser  dürfte  diese  Bitte  nicht  erfüllt  haben.  Die 
weiteren  Verhandlungen  darüber  sind  unbekannt.  Dagegen 
^fahren  wir,  dass  sich  Kurfürst  Friedrich  von  der  Pfalz  im 
Joni  1549  weigerte,  eine  ,Caution'  bezüglich  Lichtenbei^  und 
Braubachs  zu  geben.'  Diese  wird  sich  auf  die  Schleifung  und 
Wiederbefestigung  bezogen  haben.  Januar  1550  schrieb  man  in 
tmem  Memorial,  das  der  Landgraf  dem  kurbrandenburgischen 
Rathe  Eustachius  von  Schlieben  übergab:  , Die  Berghäuser  sind 
Lehen  Anderer;  es  steht  auf  des  Kaisers  Entscheid,)  was  ge- 
sdiefaen  soU^^    Sie  waren  also  damals  noch  ungebrochen. 

Wir  haben  schon  aus  der  Erklärung  des  Kaisers  an  die 
Beichsstände  erfahren,  dass  der  Landgraf  auch  nicht  die  Ver- 
pflichtung erfüllte,  sämmtliche  auf  den  schmalkaldischen  Bund 
ud  auf  andere  Einigungen  bezüglichen  Urkunden  auszuliefern. 
Damjüs  antwortete  der  Landgraf,  er  könne  und  wolle  nicht 
der  Verräther  Aller  sein.^  Es  ist  kaum  anzunehmen,  dass  er  in 
den  folgenden  Jahren  anderer  Meinung  gewesen  sei. 

Viel  mehr  als 'alle  diese  Dinge  scheint  aber  den  Kaiser 
der  Widerstand    verdrossen    zu    haben,    den   die  Hessen  dem 


^  Wiener  Staatsarchiv,  «Kleinere  ReichsständeS  fasc.  135. 

*  Im  Reichshofrathsprotokolle  vom  24.  Juni  1649  (V,  99)  ist  als  Ursache 
verzeichnet:  »angesehen  das  ettliche  seine  missgonstige,  wa  8j  erfaren 
solten,  das  er  solche  Caution  gethan,  allererst  vrsach  suechen  mochten, 
ine  darob  in  schaden  zu  fueren,  welches  ime  nit  allain  beschwerlich, 
sondern  auch  bei  der  Kay.  M^  verweislich  sein  vnd  zu  vngnaden  raichen 
mocht.' 

*  So  in  der  Inhaltsangabe  bei  Druffel,  I,  346. 

*  Bommel,  IV,  326. 


212 

Interim  bereiteten.  Der  Landgraf  hatte  sich  ja  in  der  Capi- 
tulation  verpflichtet,  ^alles,  was  Ire  Majestatt  zu  guetem  Fride, 
Rhue  und  Ainigckeit  der  Teutschen  Nation  verordnen  wirdet, 
völlig  vnd  gentzlich'  zu  ,volstrecken^*  Der  Kaiser  hielt  die  Bei- 
legung der  deutschen  ReUgionswirren  durch  ein  Concil  für  eine 
seiner  heiligsten  Pflichten.  Dazu  verpflichte  ihn,  äusserte  er  im 
Juli  1647,  der  ihm  von  Gott  verliehene  Sieg,*  selbst  wenn  er  alle 
seine  Staaten  daran  setzen  müsste.  Da  aber  eine  Verständi- 
gung zwischen  ihm  und  dem  Papste  unerreichbar  wurde,  so 
wollte  er  in  Deutschland  eine  religiöse  Zwischenordnung,  ge- 
nannt Interim,  ins  Leben  rufen,  die  bis  zu  den  Entscheidungen 
des  Concils  in  Kraft  bleiben  sollte.  Auf  dieses  hoffte  er  mög- 
lichst viel  Einwirkung  zu  erlangen,  um  dann  durch  einige  Zu- 
geständnisse an  die  Neugläubigen,  besonders  aber  durch  ein- 
greifende Reformen  die  ersehnte  Einigung  zu  erzielen.  Die 
Zusammenfassung  der  bedeutendsten  Kräfte  der  damaligen 
christlichen  Welt  sollte  dann  durch  Uebertragung  der  Kaiser- 
würde an  seinen  Sohn  Philipp  auch  ftir  die  Zukunft  gesichert, 
also  eine  habsburgische  Universalmonarchie  auf  dem  Boden  der 
alten  und  neuen  Welt  begründet  werden,  die  nie  ihresgleichen 
gehabt  hätte.  Aber  rehgiöse  Glaubensparität  in  Deutschland 
zu  bewilligen,  dazu  wäre  Karl  V.  damals  nicht  zu  bringen 
gewesen.  Auch  im  Juli  1552  bewilligte  er  in  Villach  Religions- 
frieden nur  bis  zum  ktlnftigen  Reichstage.  Die  Worte  des 
Passauer  Vertragsentwurfes,  dass  die  reHgiöse  Frage  nur  auf 
gütlichem  Wege  ausgetragen  werden  müsse,  tilgte  er.*  Nur  wenn 
die  Protestanten  nicht  auf  dauerndem  Frieden  bestünden,  wollte 
er  mit  den  Augsburger  Verhandlungen  des  Jahres  1556  zu  thun 
haben,  sonst  sollte  König  Ferdinand  mit  unbeschränkter  Voll- 
macht verhandeln  und  abschliessen.^  Als  'dann  das  Unvermeid- 
liche Gesetz  geworden  war,  befahl  er  am  19.  December  1555 
die  Abfassung  einer  Urkunde,  worin  alle  Augsburger  Beschlüsse 


^  S.  oben  p.  146. 

'  Mocenigo,  Augsburg,  31.  Juli  1547.     V.  D.,  II,  SIS.xm* 

'  Issleib,  Moriz  von  Sachsen  gegen  Karl  V.  (Archiv  fttr  sächsische  Ge- 
schichte, 1S86,  VlI,  51;  Gustav  Wolf,  Der  Passauer  Vertrag  (ebendas. 
1894,  XV)  251  f.,  255. 

^  Wolf,  Der  Angsburger  Religionsfriede  (Stuttgart  1890),  15 f.;  Ranke, 
V,  287. 


213 

juafem  sie  sein  Gewissen  irgendwie  verletzen  könnten^,  geheim 
refocirt  wurden.  Diesen  Auftrag  dürfte  Seid  vollzogen  haben.  ^ 
Im  Jahre  1548  legte  er  besonderes  Gewicht  darauf^  dass 
diä  Interim  von  den  einstigen  Häuptern  des  schmalkaldischen 
Bundes  angenommen  werde.  Der  Landgraf  zeigte  sich  nicht 
»  standhaft  wie  Herzog  Johann  Friedrich.*  Er  nahm  es  auf 
den  Rath  des  Kurftlrsten  von  Brandenburg  nicht  blos  ftlr  seine 
Person  an^  sondern  befahl  auch^  es  in  Hessen  einzuführen.  Am 
27.  November  1548  erzählte  er  dem  kursächsischen  Rathe  Dr.  Jung, 
er  habe  schon  zweimal  Augustinus,  Ambrosius  und  Eusebius 
durchgelesen  und  sei  etliche  Male  in  die  Messe  gegangen,  und 
vn  zu  beweisen,  dass  er  es  nicht  aus  Heuchelei  thue,  so  habe 
er  sich  öfter  erboten,  mit  dem  kaiserlichen  Beichtvater  und 
mit  einem  anderen  Theologen  über  den  Glauben  zu  reden.* 
Wie  in  vielen  Theilen  Deutschlands  so  erhob  sich  auch  in  den 
Ländern  der  gefangenen  Fürsten  Widerstand  gegen  das  Interim. 
Am  11.  August  1548  schrieben  Statthalter  und  Räthe  in  Cassel  dem 
Kaiser,  würde  der  Landgraf  frei,  so  würde  er  in  einem  Monat 
mehr  durchsetzen  als  sie  in  einem  Jahre.*  Der  Kaiser  wurde 
imwfllig,  weil  der  Landgraf  sammt  seinen  Söhnen  und  Käthen 
Mch  ,in  Sachen  der  Religion  etwas  wankelmutig  und  vnstant- 
luifft'  seien.  Das  schrieb  Philipp  von  Spanien  an  Kurflirst 
Moriz  am  31.  August  1549.  Am  6.  October  1549  ergingen  von 
Brüffiel  aus  ,strenge  Edikte^  g^gön  die  Widerstrebenden  in 
Hessen,  blieben  aber  ohne  Wirkung.* 

8.  BeligiSs-politlseher  Widerstand  in  Deutschland. 

Der   weit   verbreitete  Widerstand  gegen  das  Interim  gab 
dem  Kaiser  zu  denken,  und  als  er  im  December  1549  Seid  an 


*  .Fiat  ex  proprio  mandato  Suae  Caes.  M^'*  generalis  revocatio  conclusionum 
in  negoeio  religionis  factarum,  si  quid  iliis  inest,  quo  S.  M^  conscientia 
&liqaomodo  laedi  possit,  alias  in  suo  robore  duratarum.  S[el]d.*  Reichs- 
hofrathsprotokoll  vom  19.  December  1655  (XI,  fol.  181)  im  Wiener 
Staatsarcbiv. 

'  VgL  die  Antwort  vom  4.  oder  5.  Juli  1548,  femer  vom  29.  Jänner  und 
vom  26.  April  1549  bei  Hortleder,  II,  946  f.,  950  f.  und  bei  Johannes 
Voigt,  Der  Fürstenband  (Ranmer^s  historisches  Jahrbuch,  1857,  3.  Folge, 
VIU),  10  f. 

•  Bommel,  IV,  330,   334;  Issleib,  226,  228;   Druffel,  I,  p.  231;  Voigt,  12. 
'  Druffel,  I,  140.  *  Rommel,  IV,  332. 


214 

die  vier  rheinischen  Kurfürsten  schickte,  um  ihr  Gutachten  dar- 
über  einzuholen,  was  man  bezüglich  des  geächteten  Magdeburg 
und  bezüglich  des  Interims  thun  solle,^  ertheilte  er  ihm  den  g-e- 
heimen  Auftrag^  die  Stimmung  in  Deutschland  auszuforschen. 
Seid  schrieb  nach  seiner  Rückkehr  eigenhändig  einen  Bericht 
nieder  und  überreichte  ihn  am  24.  Januar  lööO  dem  Bischof 
von  Arras  für  den  Kaiser.'  Darin  schildert  er  den  religiösen 
Zustand  Deutschlands  sehr  ausfbhrUch  und  behauptet  Folgendes : 
Bald  nach  dem  Augsburger  Reichstage  habe  man  das  Interim 
nur  versteckt  und  sophistisch  bekämpft;  jetzt  wage  man  an 
vielen  Orten  gegen  die  katholische  Religion  offen  zu  eifern  und 
Alles  wieder  umzustürzen.  Die  Prediger,  die  von  den  Obrigkeiten 
ausgewiesen  worden  seien,  um  dem  Kaiser  zu  gehorchen,  rufe 
man  jetzt  wieder  zurück.  Besucher  katholischen  Gottesdienstes 
würden  verspottet,  die  heftigsten  LibeUe,  Gedichte  und  Geailnge 
unter  dem  Volke  verbreitet,  wodurch  dieses  nicht  nur  gegen 
die  Religion,  sondern  bisweilen  gegen  die  Person  des  Kaisers 
aufgereizt  werde.  Heimlich  klage  man:  solange  der  Kaiser  im 
Reiche  weile,  könne  man  fast  nichts  versuchen.  Daher  mtleise 
man  Geduld  haben,  bis  er  sterbe  oder  wenigstens  Deutschlajid 
verlasse.  Dann  erst  sei  die  Zeit  gekommen,  die  frühere  FVei- 
heit  wieder  zu  gewinnen.  Katholischer  Gottesdienst  werde  Aueh 
gewaltsam  verhindert.  Man  schneide  der  unerfahrenen  Menge 
nun  alle  Hoffnung  auf  das  Concil  ab  uud  behaupte,  dass  es 
der  Papst  mit  seinen  Mönchen  und  Sophisten  beherrschen 
werde.  Offen  'gesteht  Seid:  mit  der  Religion  scheine  es  ihm 
daher  schlimmer  bestellt  zu  sein  als  zur  Zeit,  da  der  Kaiser 
Deutschland  verlassen  habe.  Tix)tzdem  glaube  er  aber  sag-en 
zu  können,  dass  es  keine  Schwierigkeit  gebe,  die  dem  Kaiser 
grosse  Besorgniss  einzuflössen  brauche.  Denn  die  Bündnisse 
der  Gegner  seien  getrennt,  die  Häupter  der  Aufrührer  entfernt 
und  die  Uebrigen  durch  die  Unglücksfalle  des  letzten  Krieges 
so  erschüttert  und  erschreckt,  dass  der  Kaiser  durch  Briefe 
und  Worte  ohne  Zweifel  mehr  ausrichten  werde,  als  er  früher 
durch  Waffen  zu  erreichen  schien.     Dann  besitze  er  so  hohen 


*  Dniff^l,  1,  SIS,  S39. 

*  So  ist  woM  di«  Rjuidbemerkunir:  ,H«Utain  rersrendissiiiio  Atreb[ateiisi] 
^4  janoarii  [l&AO]  lu  T«rst«li«ii.  ReiehsbofraÜisprotokoUe,  IV,  fol.  5B 
Kis  67«  Wif««r  StMtsarcliiT. 


215 

Math  und  solches  Glück,  dass  auch  die  schwierigsten  Dinge, 
wenn  er  nur  woUe  und  an  sie  herantrete,  glatt  und  leicht 
verliefen.* 

Trotz  dieser  Schmeichelei  gesteht  aber  auch  Seid,  dass 
die  Lage  in  Deutschland  sich  seit  der  Abreise  des  Kaisers 
sehwieriger  gestaltet  habe.  Die  grösste  Gefahr  lag  fUr  diesen 
in  einer  Verbindung  Frankreichs  mit  den  Unzufriedenen  in 
Deutschland.  Der  Kaiser  gab  sich  alle  Mühe,  einen  Krieg 
mit  Frankreich  zu  vermeiden,  beauftragte  aber  seinen  Gesandten 
Simon  Renard,  mit  Bestechungsgeldem  nicht  zu  sparen,  um  die 
Absichten  und  Verbindungen  der  französischen  Regierung  aus- 
Mforschen.*  Denn  Fürsten  und  Städte  Deutschlands  standen 
anonterbrochen  in  Verkehr  mit  den  am  französischen  Hofe 
lebenden  geächteten  Deutschen.  Hauptsächlich  waren  hiebei 
thltig  Q^org  von  Württemberg,  der  Bruder  Herzog  Ulrichs, 
ferner  der  Rheingraf  Johann  Philipp,  Sebastian  Schertlin  von 
Bartenbach,  der  aber  im  Sommer  lö49  Begnadigung  ansti*ebte,' 
Hans  von  Heideck,  Georg  von  Reckenrode  und  Friedrich  von 
Eeifenberg.* 

Schon  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1548  versuchte 
Herzog  Otto  der  Aeltere  von  Braunschweig-Harburg  einen  Bund 
deutscher  Fürsten  und  Städte  mit  Frankreich,  ,der  wahren 
christlichen  Religion  und  Freiheit  des  Vaterlandes  zum  Besten^, 
zustande  zu  bringen.  Frankreich  wünschte  aber  zuerst  Bericht 
iber  die  Zahl  der  Theilnehmer  sowie  über  Polens  Eintritt  in 
das  künftige  Bündniss  durch  Vermittlung  des  Herzogs  Albrecht 


'  ,Haec  et  multa  similia  com  in  Qermania  nunc  contingant,  res  eo  deducitur, 
Qt  religio  nostra  illic  aliqaanto  plns  nunc  clandicare  videatnr,  quam  cum 
des.  M***  proxime  ex  Qennania  in  has  proyincias  discesait  .  .  .  (fol.  69^) 
Neqne  hie  subesse  aliquam  difficultatem,  quäe  M^"  S.  magnopeie  deter- 
rere  debeat.  Rnptas  enim  adversariorum  confoederationes,  Bublata  sedi- 
tionam  capita,  reliquos  omnes  calamitatibus  proximi  belli  ita  esse  fractos 
ei  timore  percnisos,  ut  M^**  S.  litteris  nunc  et  verbis  plus  procul  dubio 
effectura  sit,  quam  antehac  armis  efficere  posse  visa  sit.  Deinde  eam 
tme  magnitudinem  animi  S.  M^,  eam  fortunam,  ut  etiam  res  asperrimae, 
modo  M^  S.  yelit,  modo  adgrediatur,  planae  ac  faciles  sese  exhibeant 
(fol.  62^). 

*  Instructionen  Tom  Januar  1649  und  Januar  1550  in  den  Papiers  d*^tat 
du  cardlnal  de  Oranrelle  (Paris  1842),  HI,  348  f.,  402. 

*  Dmffel,  I,  283  (KOnig  Ferdiand  an  den  Kaiser,  21.  August  1549). 

*  Voigt,  Der  Fttrstenbond,  19;  Lanz,  U,  621  f. 


216 

Dessen   Bedenken   und   der  Tod   des  Herzoi 


von 


^  -,    -    1548)   hemmten  allerdings  die  Verhandlungen,   a 

^^  ^      -lest^strebungen    wurden,    vielleicht    wirklich  auf  A 
^*^  Aer    Söhne    des    Landgrafen,^    von    dem    Markgraf 

'^^^^     v^on    Brandenburg,  dem  eifrigen  Gegner  des  Interims, 
^^  ^       j)er  Markgraf  zog  auch  den  Knrftbrsten  Moriz  i 

foitges^^   ,  ^jj  Zusammenkünften  Anfang  August  und  am  6.  O 
^^         1  ^48  heran.'     Aber  der  Herzog  von  Preussen  beobachte 
^^  tft\»-*5t    liorix'  Verhalten   gegen    den  Kaiser   mit   Misstraue 
ü^urtur«»         ^j^    Markgraf  Hans   gegen   den  Kurfiirsten  zurüc 
^         ,    .— Tirde-     So   musste  man  sich  im  Jahre  1549  vorläufij 
"^  ^e   Stimmung   an   einzelnen   Fürstenhöfen    und    ^ 

^^^^tt  nsestädten    insgeheim  auszukundschaften.    Hiezu   wur 
•   ^WoÄft  dere  Graf  Volrad  von  Mansfeld  und  Gteorg  von  Heidecl^ 
^^    r>     Aer  des  geächteten  Hans  verwendet* 

P  lens  Zurückhaltung  wird  durch  die  Bundesverhandlungei 

'ftich.    die   sein   König  Sigmund  1549   sowohl   mit  Könid 

if^V     «d  ab  DMt  dem  Kaiser  führte.     Die   Antwort ,    die    dej 

Cardinal    Stanislaus   Hosius   im   December    1549^    aus 

ttÜfi      1    heimbrachte,    scheint    den  König    nicht    befriedigt    zu 

\^        Denn  der  Kaiser  war  zwar  bereit,  ein  Bündniss  seines 

n^il^rs  mit  dem  Polenkönige  zu  ,ratificiren^,  wünschte  aber  nicht, 

«l'eses  «^  ^^  gesammte  deutsche  Reich  ausgedehnt  werde 

^j^  auch  die  Rechte  des  Reiches  auf  das  säcularisirt« 

Pr*»        n   Polen    gegenüber    zu    vertreten.     Daher    wollte    de; 

Kaiser    die   AchterkÜürung    des    Retchskammergerichtes    gege] 

d       Preussenherzog  vom   19.  Januar  1532  der  Bundesverhand 

l^^n  halber  nur  auf  sechs  Monate  suspendiren.« 

^^  Die  französische  Regierung  scheint  indessen  den  Bundes 

bestrebungen   in  Deutschland   etwas  mehr  als  früher  eutgegei 

«rekommen  zu  sein.     Der  Landgraf  selbst  gestand   am    5.  F< 

bruar  1551  VigKus  gegenüber,  dass  ihm  ,zwei  oder  drei  Monat 

nach  seiner  Ankunft   in  Oudenarde,   ako  Ende  1548  oder  Ai 


*  Voift»  »f. 

»  b»leib.  Da»  Interi«  in  Sacken,  Wl,  511. 

«  Voict«  31- 

»  SeiM   AWkieisandi«»   «*iiell    er   •«    38,  Noimber    1649.       l^i^, 

.  Kbe«d«.  IV,  «oL«',  SÄ>  4t%  44^  V,  W- «t.  S»,  SSS,  SS7, 


217 

bog  1549  im  Auftrage  des  französischen  Königs  Folgendes  er- 
5fiiet  worden  sei:  wenn  er  und  der  gefangene  Sachsenherzog 
s  dahin  zu  bringen  wüssten,  dass  der  Krieg  gegen  den  Kaiser 
in  Deutschland  mit  gutem  Vorbedacht  wieder  aufgenommen 
werde,  so  erbiete  sich  der  König,  die  Niederlande  anzugreifen 
tmd  den  Krieg  so  zu  fUhren,  dass  er  sie  beide  zu  befreien 
hoffe.  Wer  dem  Landgrafen  diese  Mittheilungen  überbrachte, 
wissen  wir  nicht,^  ebensowenig,  ob  derartige  Anerbietungen 
durch  dieselbe  oder  eine  andere  Person  auch  an  die  Söhne 
der  gefangenen  Fürsten  gelangten.*  Auch  die  Antwort  des 
Landgrafen  ist  unbekannt.  Sicher  ist  jedoch,  dass  der  Rheingraf 
im  Februar  und  in  den  folgenden  Monaten  die  deutschen  See- 
iiäite  in  ihrer  trotzigen  Haltung  bestärkte,'  und  dass  Aehnliches 
aöch  Magdeburg  gegenüber  geschah.  Unterhändler  der  Seestädte 
«schienen  in  Frankreich  und  erregten  ebenso  wie  Gesandt- 
schaften Christophs  von  Württemberg  und  des  Pfalzgrafen 
Friedrich  beim  Kaiser  Verdacht.* 

Im  Juni  oder  Juli  ward  dann  dem  Kaiser  von  Renard 
berichtet,  dass  Jemand  die  Befreiung  des  Landgrafen  unter- 
nehmen wolle.  Der  Name  wurde  wohl  genannt,  ist  uns  aber 
onbekannt,  weil  uns  der  Bericht  selbst  fehlt.^  Es  liegt  nahe 
Mzanehmen,  dass  dieser  Plan  von  einem  der  Deutschen  aus- 
gegangen sei,  die  als  Geächtete  am  französischen  Hofe  lebten. 
Wahrscheinlich  hängt  es  damit  zusammen,  dass  in  Annaberg 
zwischen  dem  22.  und  24.  August  1549  Kurfürst  Moriz  sich 
not  hessischen  Käthen  über  den  Plan  besprach,  den  Landgrafen 
^f  französisches   Gebiet    zu    retten,    und   dass  man  beschloss. 


'  Der  Landgraf  weigerte  sich  bei  dem  VerhOr  nach  seinem  misslangenen 
FlnehtTersnch,  den  Namen  zn  nennen,  weil  Viglius  ihm  Straflosigkeit  für 
den  Unbekannten  nicht  Kusichem  konnte.    Lanz,  Correspondenz,  III,  49. 

'Voigt,  31  f.  und  Cornelius,  Kurfürst  Moriz  gegenüber  der  Fflrstenver- 
schwOrong  (Abhandlungen  der  historischen  Classe  der  bayerischen  Aka- 
demie der  Wissenschaften,  1867,  X)  642,  Anm.  1.  Angaben  hierOber 
fehlen  bei  beiden. 

'  Beridite  Marillac's  vom  Kaiserhofe,  23.  Februar,  to.  Mftrz  und  22.  Mai 
1549  bei  Druffel,  I,  204  f.,  209,  223.  Der  Kaiser  an  Renard,  28.  Mai  1549; 
Memoire  für  Herrn  von  Vigne^s  Sendung  nach  Magdeburg.  Papiers 
d'^tat  da  cardinal  de  Qranvelle,  III,  369  f.,  403  f. 

*  Papiers  d'^tat,  III,  369  ff. 

^  ,l()oant  a  celuy  qui  veut  entreprendre  de  delivrer  le  landgpraye.*  Ant- 
wortschreiben vom  12.  Juli  1649,  ebendas.  379. 


-  ^ 


219 

ZosUndekommen  eines  Bundes  zu  bemühen^  da  auch  in  Frank- 
nich  das  GHeiche  geschehe.^  Anfang  1550  theilte  er  dann 
dem  Markgrafen  Hans  von  Brandenburg  mit^  der  König  habe 
SdterÜin  wissen  lassen;  weder  ein  Fürst  noch  sonst  Jemand 
D(ige  ans  Deutschland  zu  ihm  kommen;  denn  Alles  sei  so  ein- 
gerichtet; dass  der  Kaiser,  der  sich  sicherer  Kunde  zufolge 
Dich  Italien  und  Spanien  begeben  müssC;  aus  diesen  Landen 
Dicht  wieder  lebendig  herauskommen  solle.*  Darum  müsse 
Alles  yermieden  werdeo;  was  ihn  misstrauisch  machen  und  von 
seinem  Vorhaben  abbringen  könnte. 

Als  der  Landgraf  am  24.  October  1549  von  dem  Plane 
des  Kurfllrsten  erfuhr,  erhob  er  viele  Bedenken;  die  Entftihrung 
dhe  nur  in  äusserster  Noth  versucht  werden.  Er  meinte,  der 
Korftknt  Airchte,  sich  einstellen  zu  müssen.  Im  December  1549 
war  aber  auch  der  Landgraf  für  die  Sache  soweit  gewonnen, 
diM  er  selbst  demjenigen,  der  ihn  entfUhre,  eine  Belohnung 
^n  30.000  Gulden  oder  ein  gleichwertiges  Amt  versprach.* 
So  reiste  denn  Heinrich  von  Schachten  Anfang  Februar  1550 
i&ä^heim  an  den  französischen  Hof  ab.^  Denn  Kurfürst  Moriz 
Itttte  damals  das  dringendste  Interesse  daran,  dass  er  die 
Ldtong  der  vielfachen  Unterhandlungen  deutscher  Fürsten  und 
Sudte  mit  Frankreich  womöglich  ganz  in  seine  Hand  bekam. 
Nor  so  konnte  er  die  völlige  Restitution  Johann  Friedrichs  von 
Sachsen  hindern,  die  ihm  bei  einer  allgemeinen  Erhebung  gegen 
^  Kaiser  unter  Frankreichs  Mitwirkung  drohte.  Die  Früchte 
s^r  ehrgeizigen  Politik  standen  auf  dem  Spiele. 

Zu  derselben  Zeit,  da  Heinrich  von  Schachten  am  fran- 
»aischen  Hofe  die  für  die  Folgezeit  so  wichtige  Verbindung 
sachte,  schlössen  Herzog  Albrecht  von  Preussen,  femer  Johann 
Albrecht  von  Mecklenburg  und  Markgraf  Hans  von  Branden- 
Wg  in  Königsberg  ein  geheimes  Bündniss.  Den  Uneinge- 
weihten schien  der  Anlass  ihrer  Zusammenkunft  die  Hochzeit 
fe  Herzogs  von  Preussen  mit  der  braunschweigischen  Prin- 
*^^  Anna  Maria  zu  sein.  Die  Ausstellung  einer  Bundes- 
tiikunde  unterblieb   aus  Vorsicht.     Die  Fürsten  verpflichteten 


'Voigt,  84. 
'  Ebendas.,  37. 

'  Udeib,  Die  Qefangenschaft,  240  f. 
*  Gbendifl.,  246  f. 
irekiT  LXXXIJI.  Bd.  I.  H&lfU.  15 


220 

sich  am  26.  Februar  1550  nur  mttndlich,  aber  eidlich  und  bei 
fürstlicher  Treue,  sich  gegenseitig  Hilfe  zu  leisten,  wenn  sie 
um  der  Religion  oder  anderer  Ursachen  willen  angegriffen 
würden.^  Der  Preussenherzog  war  ja  in  seinem  Besitze  durch 
die  Acht  gefährdet.  Nur  mit  grosser  Vorsicht  sollten  neue 
Glieder  für  den  Bund  gewonnen  werden.  Weder  Kurftirst 
Moriz  noch  der  Kaiser  erfuhr  von  diesem  religiös-politischen 
Bunde. 


9.  Geheime  YerfDgang  Aber  die  Dauer  der  Haft. 

Inzwischen  hatte  der  Kaiser  über  das  Schicksal  der  beiden 
gefangenen  Fürsten  entschieden,  ohne  dass  seine  Gegner  weder 
damals  noch  später  davon  erfahren  hätten.  Während  Kurfbrst 
Moriz  und  Andere  hofften,  dass  er  wegen  seiner  andauernden 
Kränklichkeit  bald  sterben  werde,*  verfügte  er  am  12.  Februar 
1550,  der  Landgraf  müsse  15  Jahre  lang,  der  Sachsenherzog 
zeitlebens  sein  oder  seines  Sohnes  Philipp  Gefangener  bleiben. 

Schon  am  12.  Juli  1549  hatte  er  Herrn  von  ChantooDaV; 
den  Bruder  des  Bischofs  Granvelle,  beauftragt,  unter  anderen 
Dingen  König  Ferdinand  auch  um  ein  Gutachten  darüber  zu 
bitten,  was  mit  den  gefangenen  Fürsten  zu  geschehen  habe. 
In  der  Wittenberger  Capitulation  sei  verabredet  worden,  dass 
der  Sachsenherzog  am  Hofe  des  Kaisers  oder  seines  Sohnes 
Philipp  bleiben  müsse;  und  da  sowohl  Vater  als  Sohn  nach 
Deutschland  reisen  wtlrden,  müsse  ihnen  der  Sachsenherzog 
wohl  dahin  folgen.  Was  aber  den  Landgrafen  betreffe,  so 
wisse  der  König,  dass  keine  andere  Verpflichtung  eingegangen 
worden  sei  als  die,  ihn  nicht  in  ewigem  Gefkngniss  zu  halten.' 
Wenn  aber  der  Landgraf  wieder  nach  Deutschland  käme,  so 
vrürden  die  Kurfllrsten  von  Sachsen  und  von  Brandenburg  noch 
mehr  als  bisher  um  seine  Befreiung  anhalten  und  viele  Andere 


»  Voigt,  38  f. 

'  ^^ti\  °^^,^"^  «^«^  Ka^l  V.  (Archiv  Äp  .»cha.  Geschichte,  ^ 
V),  215;  Tgl.  oben  p.  214. 

•  .Quant  au  Untgraf  y  n'y  a.  comme  U  [der  König]  seit,  tonte  obli«.tioo, 
roaiB   bien  de  non  le  tenir  en  Drison   >^*^»^  7/  u  • 

T.«,ir.i    T   ^^^.  *^"~"  P«petueUe  .  .  .•     Instruction  be. 


Druffel,  I,  244  f. 


221 

ixnm  bitten  lassen.  Ebenso  würde  der  Landgraf  zu  diesem 
Zwecke  Alles  in  Bewegung  setzen.  Bei  der  Beweglichkeit  seines 
(jeistes  und  bei  den  Sympathien^  die  ihm  die  Deutschen  be- 
wiesen hätten^  sei  seine  Bewachung  in  Deutschland  schwieriger 
ab  in  den  Niederlanden.  Der  König  wisse  auch;  wie  wenig 
man  ihm  trauen  könne,  ob  er  auch  Versprechungen  mache.  ^ 

Gleichzeitig  liess  der  Kaiser  den  Bruder  fragen,  wie  gegen 
die  Söhne  des  gefangenen  Sachsenherzogs  wegen  ihres  Wider- 
standes gegen  das  Interim  zu  verfahren  sei:  ob  man  sie,  sei 
es  gleich,  sei  es  später,  vorladen  solle,  oder  ob  man  ohne 
weitere  Umstände  auf  Grund  der  Verletzung  der  Capitulation 
mit  irgend  einem  Fürsten,  der  die  kaiserlichen  Befehle  voll- 
strecken würde,  bezüglich  ihres  Landes  ein  Abkommen 
treffen  solle.* 

König  Ferdinand  weilte  in  Prag,  als  ihm  Chantonnay 
seine  Instruction  vortrug.  Der  König  antwortete  mündlich  und 
scbiftlich.'  Glücklicherweise  hat  sich  das  schriftliche  Gutachten, 
<las  Chantonnay  am  26.  Juli  zugesandt  wurde,  finden  lassen.^ 
Der  König  billigt  darin  die  Absicht  des  Kaisers,  den  Sachsen- 
herzog  der  Capitulation  gemäss  mit  sich  nach  Deutschland  zu 
ftiHren,  Was  aber  den  Landgrafen  von  Hessen  betreffe,  hiess 
es  in  dem  Gutachten,  so  wisse  der  König  nicht,  ob  die  Capi- 
tulation erftillt  sei.  Denn  wenn  darin  ein  Mangel  wäre,  so 
l^ätte  der  Kaiser  gute  Gelegenheit,  sich  bezüglich  der  Frei- 
lassung zu  entschuldigen.  Aber  selbst  wenn  die  Capitulation 
ginzlich  ausgeführt  sei,  glaube  der  König,  dass  bei  der  Ge- 
fährlichkeit des  Landgrafen  und  bei  den  herrschenden 
Schwierigkeiten  und  Gefahren  die  Freilassung  gegenwärtig 
ginz  unmöglich  sei.  Er  rieth  daher,  ihn  in  den  Niederlanden 
ZQTückzulassen,  seine  Verbündeten  aber  —  er  meinte  die  Kur- 
färsten  —  mit  guten  Worten  und  mit  der  Hoffnung  hinzuhalten, 
^  der  Kaiser  nach  Schluss  des  Reichstages  besser  in  der 
Lage  sein  werde,   wegen   der  Freilassung  einen  Entschluss  zu 


^  ?£t  ledit  seigneur  roy  le  congnoit  et  le  peu  que  Ton  se  peut  fier  de  Iny, 

qaoj  qa'il  promette.*    Bbendas. 
'Ebendas. 
'  So  im  Briefe  des  Königs  an  den  Kaiser  vom  27.  Juli  1649   bei  Dmffel, 

I,26S. 
4  8.  im  Anhange. 

16* 


222 

Die  Anmassung  und  der  Ungehorsam  der  Söhne  des 
Sachsenherzogs;  fUgte  der  König  hinzu^  seien  wohl  schwer  zu 
ertragen^  und  da  sie  von  denselben  Männern  berathen  würden, 
die  ihren  Vater  ins  Unglück  gebracht  hätten,  so  sei  wenig 
Hoffnung  vorhanden,  dass  die  Sache  anders  werde.  Nach  Er- 
wägung aller  Umstände  halte  er  es  aber  fUr  das  Beste,  bis  zum 
nächsten  Reichstage  nichts  merken  zu  lassen. 

Diese  Uebereinstimmung  zwischen  dem  Kaiser  und  seinem 
Bruder  ftlllt  umsomehr  auf,  als  damals  das  Verhältniss  zwischen 
ihnen  wegen  der  Succession  in  Deutschland  schon  getrübt  war.^ 

Am  10.  November  schrieb  der  Kaiser  seinem  Bruder, 
dass  er  den  Rathschlägen,  die  ihm  am  26.  Juli  ertheilt  worden 
seien,  folgen  werde.*  Mit  Rücksicht  auf  die  Schwierigkeiten 
und  Gefahren,  die  seiner  in  Deutschland  harrten,  glaubte  er 
noch  weiter  gehen  zu  müssen. 

Ohne  seinem  Bruder  darüber  eine  Mittheilung  zu  machen, 
gab  er  dann  den  Auftrag,  zwei  Patente  zu  verfassen,  worin 
die  Qefangenschaft  des  Sachsenherzogs  auf  Lebenszeit,  die  des 
Landgrafen  auf  zehn  Jahre  festgesetzt  werde.  Seid  hatte  die 
betreffenden  Entwürfe  zu  verfassen.  Seine  eigenhändigen  Auf- 
zeichnungen, die  er  zunächst  Bischof  Granvelle  vortrug,  sind 
uns  erhalten.  Das  den  Landgrafen  betreffende  Concept  trägt 
Seld's  Randbemerkung:  ,Relatum  domino  Atrebatensi  10  de- 
cembris  anno  1549'.*  Bei  dem  Entwürfe,  der  den  Sachsen- 
herzog betrifft,  fehlt  eine  derartige  Angabe.  Er  dürfte  aber 
um  dieselbe  Zeit  abgefasst  worden  sein.^ 

Der  eine  Entwurf  ruft  in  Erinnerung,  der  Landgraf  sei 
wegen  Rebellion  und  Majestätsbeleidigung  geächtet  worden,  habe 
schliessUch  sich  selbst  bedingungslos  dem  Kaiser  überliefert 
und  ihn  um  Barmherzigkeit  gebeten.  Der  Kaiser  habe  ihm 
die  Todesstrafe,   die  er  nach  den  Reichsgesetzen  verdient,   aus 


^  Vgl.  den  in  gereiztem  Tone  geschriebenen  Brief  des  Königs  an  Königin 
Maria  vom  27.  Juli  bei  Druffel,  I,  268. 

•  Dmffel,  I,  p.  301. 

'  Wiener  Staatsarchiv ,  Beichsho^thsprotokolle,  IV  (fol.  54),  wo  nur 
eigenh&ndige  Aufseichnangen  Seld's,  z.  B.  YortrSge,  Antworten  an  Ge- 
sandtschaften etc.,  enthalten  sind. 

*  Bei  den  im  Seld^schen  Bande  voranstehenden  Anfzeichnnngen  weisen 
die  Randnoten  auf  November  1549,  bei  den  nachfolgenden  Niederschriften 
anf  October  und  December  als  Abfassungszeiten. 


223 

angeborener  Güte  und  Milde  erlassen  und  sie  in  zeitliche  Ge- 
ingenschaft verwandelt.  Theils  in  Folge  sehr  wichtiger  Ge- 
schäfte, theils  aus  anderen  ehrenhaften  Erwägungen  (ex 
äÜis  honestis  rationibus)  habe  er  die  Bestimmung  der  Haftdauer 
bisher  unterlassen.  Weil  er  aber  vermeiden  wolle,  dass  die 
&che  unentschieden  bleibe,  wenn  er  von  diesem  Leben  früher 
abberufen  würde,  und  weil  er  nichts  sehnlicher  wünsche,  als 
bei  seinen  Lebzeiten  über  all  das  Seinige  so  zu  verftigen,  dass 
fö  ftr  seine  Nachfolger  nach  bestinmitem  Plan  und  festgesetzter 
Ordnung  weiter  bestehen  könne:  aus  diesen  und  aus  anderen 
dringenden  Gründen  (alüsque  urgentibus  causis)  beschliesse  und 
Terkünde  er  nun  nach  reiflicher  Ueberlegung  und  auf  Grund 
sicherer  Sachkunde,  femer  aus  eigenem  Antriebe  und  aus  kaiser- 
licher Machtvollkommenheit,  dass  der  Landgraf  von  dem  Datum 
derCapitalation  von  Halle  angefangen  zehn  Jahre  ununter- 
brochen in  derselben  Art  von  Haft  verbleiben  müsse,  worin  er 
gegenwärtig  gehalten  werde.  Der  Landgraf  sollte  vor  Ablauf 
dieser  Zeit  nur  dann  freigelassen  werden,  wenn  der  Kaiser, 
oder  nach  seinem  Tode  sein  Sohn,  fände,  dass  dadurch  der 
Christenheit,  besonders  dem  heiligen  römischen  Reiche  und 
dem  allgemeinen  Frieden  besser  gedient  sei. 

Da  in  der  Wittenberger  Capitulation  verabredet  worden 
var.  dass  der  Sachsenherzog,  so  lange  es  dem  Kaiser  geftlllig 
ond  bis  er  anders  verordnen  würde.  Gefangener  bleiben  müsse,^ 
so  hiess  es  in  Seld's  Entwurf,  der  Kaiser  verordne  auf  Grund 
dieser  Bestimmung,  dass  der  Herzog  zeitlebens  des  Kaisers 
oder  seines  Sohnes  Gefangener  sein  müsse.  Die  Freilassung 
ist  an  dieselbe  Bedingung  wie  beim  Landgrafen  geknüpft. 

Dieser  Entwurf  blieb  unverändert,  dagegen  wurde  in  dem 
Patente,  das  den  Landgrafen  betraf,  die  Haftdauer  auf  flinf- 
zehn  Jahre  verlängert.  Vermuthlich  trug  dazu  der  Seld'sche 
Bericht  über  die  religiös-politische  Opposition  in  Deutschland 
l«i  Ausserdem  sollte  die  Haft  nicht  vom  19.  Juni  1547,  das 
ist  vom  Tage  der  Capitulation  von  Halle,  gerechnet  werden, 
sondern  vom  Tage  der  Ausstellung  des  Patentes.  Das  war 
der  12.  Februar  1550.  An  diesem  Tage  wurde  in  das  Reichs- 
kofrathsprotokoU  Folgendes  eingetragen: 


*  8.  oben  p.  128. 


224 

,12  febr|uajrii  1550. 
Joannes  Fridericus,    Dux  Saxoniae,    super    captivitate  ip- 

sius  declaratio. 
Philipus,   Landtgravius  Hassiae,   declaratio  super  eius  cu- 
stodia/ 

Später  wurde  nachgetragen: 

,[collationata,]  ^  s[igillata]*  calendis  aprilis  1550/ 
Wenn  diese  Declarationen  dem  Reichshofrathe  im  Einzelnen 
überhaupt  mitgetheilt  worden  sind,  so  geschah  dies  nur  gegen  die 
selbstverständliche  Verpflichtung  ihrer  Geheimhaltung.  Freilich 
musste  die  Wahrung  des  Amtsgeheimnisses  erst  am  18.  August 
1550  nach  einem  neuen  Reglement  von  den  Gliedern  dieser 
Körperschaft  eidlich  gelobt  werden.  Das  CoUegium  bestand 
aber  ohne  den  Secretär  aus  höchstens  sieben  dem  Kaiser  völlig 
ergebenen  Räthen,  von  denen  vier,  darunter  Dr.  Seid,  Deutsche 
waren.  Nur  auf  Reichstagen  kam  es  vor,  dass  der  Kurfiirst 
von  Mainz  als  Erzkanzler  des  Reiches  den  Vorsitz  führte.^  Die 
genannten  Urkunden  wurden  erst  am  1.  April  1550  ausgefertigt 
und  besiegelt. 

Sie  blieben  aber  beide  geheim.  Nur  König  Ferdinand 
wird  von  ihnen  auf  dem  Augsburger  Reichstage  im  Jahre  1550 
Kenntniss  und  Abschriften  erhalten  haben.  Es  würde  ein  glück- 
licher Zufall  sein,  wenn  diese  Copien  dieselben  wären,  die  auf 
der  Wiener  Hofbibliothek  aufbewahrt  sind.  Sie  lagen  im 
Jahre   1576  nebst  anderen  auf  die  Gefangenschaft  des  Land- 

^  In  der  Hs.  steht  4ß^.  Dieses  Zeichen  kommt  in  den  fünfzehn  Bänden 
der  Reichshofrathsprotokolle  aus  der  Zeit  Karls  V.  nnz&hlige  Male  am 
Schlüsse  der  Resolntfonen  vor.  Die  obige  Auflösung  scheint  mir  auf  Grund 
folgender  Stellen  dieser  Protokolle  wahrscheinlich:  »'^  s[igillatum  19iulii 
1549  sub  dat.  4  maii*  (V,  fol.  10);  dat.  ut  supra,  ,^  spgillatum],  ultimo 
maii  1549*  (V,  f.  22^);  ,Fiat  ...  sub  dat.  22  iulii  1549,  ^  s[igillatum], 
12  aprilis  1660*  (V,  f.  149');  ,^  et  sfigillatum]  ut  supra'  [SitEungs- 
tag]  (V,  f.  2510;  »^  dat.  29  octobris,  sfigillatum]  3  nov.  1649*  (V, 
£.275^;  fm  expeditae  hec  omnia  et  s[igillata]  ut  supra*  (V,  f.  282'); 
«iP  8[igillata]  10  aprilis  1550  et  sing^lis  fratribus  singulae  litterae  expe- 
ditae sunt*  (V,  f.  327');  Eiusdem  dupl[ioatae]  ^  8[igillatae]  5  martü 
1552*  (VI,  103';  ,Collat[ionatum]  est  documeutnm  suprascriptum'  (VI, 
169'). 

'  Diese  Lesung  ist  durch  folgende  Stelle  sichergestellt:  ,Dat.  et  sigill.  ut 
supra*  (V,  23'). 

»  Winter,  Der  ordo  consilii  (Archiv  für  österr.  Geschichte,  1892,  LXXIX) 
113,   117f. 


225 

gnfen  bezüglichen  Actenstücken  dem  kaiserlichen  Bibliothekar 
Hago  Biotins  vor,  und  er  versah  sie  eigenhändig  mit  Signaturen, 
Gess  alle  die  Actenstücke  zusammenbinden  und  trug  sie  in  ein 
noch  erhaltenes  Repertorium  ein.^ 

Auch  die  KurfUrsten  Moriz  und  Joachim  erfuhren  nichts 
von  den  EntSchliessungen  des  Kaisers.  Als  sie  im  Juli  1550 
den  Kaiser  wieder  um  Freilassung  des  Landgrafen  baten,  Hess 
er  ihren  Käthen  unter  Anderem  erwidern:  ehe  man  sehe,  wie 
sich  die  Sachen  auf  dem  Reichstage  anliessen,  könne  er  ihn 
nicht  freigeben.'  Man  erkennt  daraus,  dass  er  den  Rath  seines 
Bruders,  die  Fürsten  durch  gute  Worte  hinzuhalten,  befolgte. 
VenauthUch  hätte  ein  Bekenntniss  der  Wahrheit  die  Krise, 
lue  erst  1552  eintrat,  beschleunigt. 

Alba  hatte  schon  zu  Gräfenthal  am  28.  Juni  1547  ge- 
lussert,  der  Kaiser  thäte  seiner  Zusage  genug,  wenn  er  den  Land- 
grafen sogar  vierzehn  oder  fünfzehn  Jahre  lang  gefangen  hielte.' 
Nur  mit  Sorge  erinnerte  sich  der  Landgraf  dieser  Worte.  Im 
Jahre  1550  wurde  er  dann  durch  die  ,allgemeine  Sage'  ge- 
ängstigt, der  Kaiser  habe  in  seinem  Testamente  verfügt,  wenn 
er  sterbe,  solle  dem  Landgrafen  der  Kopf  abgeschlagen  werden.* 
Dass  er  aber  bis  zum  12.  Februar  1565  in  Haft  bleiben  sollte, 
tat  der  Landgraf  bis  zu  seinem  Tode  (31.  März  1567)  nicht 
erfiihren. 


^  Ofitige  Mittbeilang   des  Herrn   Gustos  Dr.  Alfred  Goldlin  yon  TiefeDaa 

(Wieaer  Hof  bibliothek). 
'  Lanz,  Staatspapiere,  432. 
'  Kommel,  IV,  317,  344. 
*  Ebenda».,  344. 


ANHANG. 


König*  Ferdinand  an  den  Kaiisr.    Dteiden,  10.  Man  1547. 

MuDBeigneur, 

Äinsi  qua  le  Dnc  Haarig  print  dernierement^  con^^e  de  moy,  apres 

uoQH  estro  convennz  par  enaenible,  Selon  qn'il  tous  aura  pleu  entendre 

par  meii  pi-ec6dent«s,*  il  me  vint  u  ramentenoir  l'affairc  du  laatgrave,  me 

demaDdant  si  je  n'avüye  point  ea  lespoDco  de  V"  Majeste.  Je  n'oeay,  Hun- 

üeigneuv,  iuy  dire  du  tout  que  non,  ains  luy  doonaj  responco  que  V*  Ha" 

m'en  avoit  bien  toucbe  quelqne  putit  mut,  mais  point  resolutivement,  et 

que  V"  Ma"  estoit  bien  ebaje'  qu'ii  faisoit  maintenant  difficult«  on  cc 

que  le  conto  de  Lodron  In;  avoit  dit  de  sa  pai-t,*  et  quo  ponr  ce  teniez 

eucoires  l'affaire  en  deliberation.    Bien  y  adjonstay  je,  Hunseigneui'.  de 

moy  meemes  que,  encoiroB  quo  en  cest  endroit  je  n'avoye  aulcune  cburge 

de  V"  Ma",  qu'il  me  sembloit  qu'il  ne  debvoit  nectre  tant  de  difScutte 

quant  a  mectre  ob  mains  de  V*  Ma"  see  places  fortes,  ot  que  leB  afisoa- 

lances,  qn'il  mectoit  en  avant,  ne  me  aembloient  bi  conveuables  pour  V" 

Ma",  comme  eeroient  cellee  desditeB  places  foi'tes.    Car,  encoires  que  il 

offroit  bailler  pour  plesE^OH  troiB  princos,  ei  OBtoit  ce  que  en  cas  de  coutra- 

vention  eeroit  tousionre  mectre  en  tant  plus  de  travail  V"  Ma"  de  con- 

bBerrance  dn  traicte.    Semblablement  que, 

ur  hostaige,  que  ledit  lantgiave  en  retenoit 

enceirea  qa'i]  lea  baülast  tous  troia,  si  estoit 

istumee  de  user  de  tyrannie,  ny  s'en  voul- 

in  Freiberg. 

der  Ankunft  des  Hariogs.     Vgl.  obeo   p.  131, 


227 

droit  Tonlentiers  prendre  a  ses  en£fans  innocens,  en  cas  qu*il  y  eust  faulte 
cbIoj,  comme  anssi  ny  fauldroit  esperer  guaires  de  seorte  en  ses  subgectz, 
deneorans  las  places  fortes  en  sa  subgection  et  obeissance,  et  qoe  pour  ce 
m  sembloit  qn'il  ne  se  pourroit  niieulx  demonstrer  envers  V"  M**  que  se 
fjtf  totallement  en  icelle  et  consigner  en  voz  mains  lesdites  places 
fortes,  prenant  exemple  aux  autres,  qui  avoient  fait  le  semblable  et  si^ 
i'aToient  pas  tant,  ne  si  griefvement  offence  comme  luy,  et  qu*il  ne  deb- 
Toit  penser  que  V*  Ma^  demanda  lesdites  places  fortes  sinon  ponr  asseu- 
noce,  d'aii8tant[I]  mesmes  que  sondit  pays  n'estoit  scitue^  en  lieu  ny  si 
proQchain  am  pays  de  V*  Ma^  ny  miens,  par  ou  il  se  ponvoit  assez  com- 
prendre  que  V*  Ma^  ne  les  demanda  pour  les  retenir,  et  que  quant  a  moy 
je  ne  luy  scaYToie  donner  meilleur  conseil,  fors  qu'il  se  fiast,  quant  a  ce, 
en  y*  Ma^  et  se  submeist  du  tout  a  icelle. 

Et  ce  que  dessus  ay,  Monseigneur,  bien  touIu  declairer  audit  duc 
Manritz  conune  de  moy  mesmes,  affin  qu*ii  ne  tint  la  practique  pour  tout 
rompne  et  que  ledit  lantgrave  ne  se  meist  par  ce  en  total  desespoir. 

Depnis  m*a,  Monseigneur,  ledit  duc  Mauritz  de  rechief  escript^  sur 
ce^  mati^e,  comme  il  yous  plaira  yeoir  par  la  copie/  aussi  la  responce, 
qne  sur  ce  luy  ay  faicte,^  a  quoy  me  remectz,  sans,  quant  a  ce,  faire  plus 
bng  propoz  ny  attedier  V"  Ma**  de  prolixite,  remectant  a  Icelle  d*en  user 
comme  eile  yerra  convenir  pour  le  mieulx  .  .  .^ 

Monseigneur,  je  supplie  a  tant  le  createur  etc. 
De  Dresden  ce  X*  de  mars  1547. 

II. 
Gutachten  König  Ferdinands. 

Enyoye  au  monseigneur  de  Chantonney,  le  26  de  jnillet  1649. 

.  .  .  Concemant  le  jadis  electeur  de  Saxen,  estimo  Sa  Ma^  Royalle 
qae  selon  Testat  des  choses  et  conforme  a  sa  capitulation  sadite  Ma^  Im- 
periale le  puist  mener  avec  luy  a  ladite  fnture  diette. 

Mais  quant  au  lanndgrave  de  Hessen,  Sa  Ma^  Boyalle  ne  scait  si 
ledit  lantgraye  a  du  tout  accomply  sadite  capitulation  ou  non;  car  s'il  y 


*  Irrig  fttr:  qoi? 
<  Sita«. 

*  Am  7.  Min.     S.  oben  p.  122,  Anm.  2. 

*  Fehlt  im  Copialbuche  des  Wiener  Staatsarchivs  (683.s). 

*  Ist  nicht  mehr  rorhanden. 

*  Die  letzten  vierzig  Zeilen  beziehen  sich  auf  den  Krieg. 


228 

eu8t  faulte  en  cela,  Sa  M**  Imperiale  auroit  bonne  occasion  s^excnser  de 
tant  plus  de  sa  relaxation.  Et  encoires  que  ladite  capitulation  fut  du  tout 
accomplje,  si  estime  Sa  Ma^  Rojalle  que,  pour  estre  sa  personne  dan- 
gereuse,  aussi  pour  regard  des  diifereus  et  dangiers  regnans  presentement, 
il  seroit  foi't  grief  et  perilleux  remectre  ledit  lantgrave  pour  maintenant 
hors  de  sa  captivite  et  garde,  et  seroit  pour  ce  le  tres-humble  adyis  de  Sa 
Ma^  Royalle  qu^on  le  dellaissast  es  pays  d'embaz,  Tentretenaiit  neantmoins 
ensemble  ses  alliez  ayec  bonnes  paroUes  et  en  espoir  pour  la  fin  de  ladite 
prouchaine  diette,  que  lors  sadite  Ma^  Imperiale  se  scavroit  apres  la  con- 
clusion  de  ladite  diette  tant  mieulx  resouldre  quant  a  la  relaxation  dudit 
lantgrave. 

Quant  aux  filz  dudit  jadis  electeur  de  Saxen  c'est  a  la  verite  chose 
fort  gi'iefve  de  endurer  leur  insolence  et  desobeissance,  et  combien  que, 
pour  ayoir  devers  eulx  les  roesmes  conseilliers,  qui  sont  estez  a  leur  pere 
et  qui  Tont  seduit  et  mene  en  tout  son  malheur,^  il  y  ait  petite  apparence 
de  mieulx,  si  estimeroit  Sa  Ma^  Boyalle  pour  toutes  bonnes  raisons  et  con- 
siderations  le  meilleur:  que  Sa  Ma^  Imperiale  dissimulast  encoires  pour 
ung  temps  sur  la  desobeissance  desdits  jeunes  princes  et  actendast  ladite 
prouchaine  diette  et  lors,  en  cas  qu'il  fut  besoing,  adviser  les  plus  con- 
venables  moyens  de  les  mener  a  dehne'  punition  et  obeissance  .  .  .^ 

III. 
Declaratio  super  capÜTitate  landtgravü^ 

Carolus  etc.^  Recognoscimus  tenore  praesentium  ac  notum  facimus 
quibus  expedit  universis:  Cum  paucis  abhinc^  annis  Philippus  landgravius 
Hassiae  ob  commissam  a  se  una  cum  complicibus  suis  gi*avissimam  erga 


^  Die  Kanzler  Gregor  und  Christian  Brück  wurden  1567  nach  der  Ein- 
nahme von  Gotha  als  ttble  Berather  für  das  Unglück  des  herzoglichen 
Hauses  am  Kaiserhofe  yerantwortlich  gemacht.     Y.  D.,  III,  392  fif^. 

«  Für:  due. 

*  Wiener  Staatsarchiv,  Copialbuch,  683^. 

*  Aus  dem  Cod.  9363  der  Wiener  Hof bibliothek.  Die  Abschrift  daselbst 
ist  aber  ungenau,  so  dass  der  schOn  g^eschriebene  Seld*sche  Elntwurf 
(ygl.  oben  p.  222,  Anm.  3)  sur  Sicherstellnng  des  Textes  herangezogen 
werden  musste,  wie  die  folgenden  Anmerkungen  nachweisen.  Unter  der 
Aufschrift  steht  von  anderer  Hand:  ,nt  16  annos  annos  in  captivitate 
remaneat*.  Eine  Randnote  lautet:  ,12-  ^ebr.  1650*.  Im  8eld*8chen  Ent- 
würfe lautet  die  Ueberschrift :  ,In  negocio  captivitatis  Landgravii  Hassiae*. 

'  ,etc/  nur  im  Seld^schen  Entwürfe. 
«  Cod.  9363:  adhuc. 


229 

1108  rebellionem  ac  perpetratum  crimen  laesae  maiestatis  in  bannum^ 
nostnnn  imperiale  primo  declaratus,  deinde  cum  se  nobis  etiam  per  vlam 
&cti  opponere  non  esset  yeritus,  armis  nostris  plus  quam  iustissimis 
peätns,  tandem  insto  procul  dubio  Dei  indicio  in  eas  angustias  esset  con- 
ie^ns,  nt  tanquam  causae  suae^  diffidens  se  nobis  simpliciter  dedendum 
tiberoqne'  arbitrio  ac  potestati  nostrae  subiiciendum  duxerit,  atque  ita 
misericordiam  nostram  implorando  in  manus  nostras  pervenerit,  nos,  qui 
poteramns  contra  eum  de  rigore  iuris  ad  poenas  in  divorum  praedecessorum 
nostrorum  sanctionibus  constitutas  mediante  iustitia  progredi,  ex  innata 
nobis  benignitate  et  dementia,  quam  hostibus  quoque  et  adversariis 
nostris  non  raro  exbibere  solemns  ad  mitiorem  viam  passi  sumus  nos  de- 
fiecti,  ita  ut  poenam  ultimi  supplicii,  quam  ille  commeruerat,  in  poenam 
eapttritatis  temporariae  transmutaverimus,  prout  haec  et  plura  alia  ad 
idem  propositum  facientia  in  quadam  capitulatione  aliisque  scripturis  et 
actis  nostris,  Halae  Saxoniae  mense  lunio  anni  MDXLVII  celebratis, 
aliquante^  plenius  expressa  sunt. 

Qnoniam  vero  metas  huiusmodi  captivitatis  temporariae  hactenus, 
partim  gravissimis  occupationibus  nostris  praopediti,  partim  ex  aliis  hone- 
stis  rationibas  diffinire  supersedimus  et  tarnen  interea  dubitamus,  ne,  si 
aüquando  ante  huiusmodi  diffinitionem  a  nobis  factam  nos  ex  hac  mortali 
Tita  aTocari  conti ngeret,  id,  quod  in  Diyinae  Maiestatis  arbitrio^  ac  vo- 
hmtaie^  merito  repositimi  esse  contestamur,  baec  res  quasi  in^  incerto 
ac  ambi^o  relinqueretur,  cum  tamen  nihil  magis  in  votis  habeamus, 
quam  dnrante  yita  nostra,  quam  Deus  Optimus  Maximus  ad  gloriam  sui 
nomuiis  et  Bei  publicae  Christianae  utilitatem  dii'igere  dignetur,  omnia 
Bostra  ita  disponere,  ut  ea  post  decessum  nostrum  successoribus  nostris 
eerta  quadam  ratione  ac  deteiminato  ordine  constare  possint:  idcirco  ex 
praedictis  aliisque  urgentibns  causis  animum  nostram  moTentibus  ne- 
cessarinm  fore  duximus  yoluntatem  nostram  in  hoc  manifestam  facere  ac 
dedarare,  prout  yigore  praesentium,  maturo  praecedente  consilio  ac  deli- 
beratione,  ex  certa  nostra  scientia,  motu  proprio  ac  Imperialis  plenitudine 
potestatis,  manifestam  facimus  ac  declaiamus,  volentes  ac  disponentes,  ut 
dictus  landgravius  per  quindecim  annos  continuos  numerandos 


>  Cod.  9363:  bonum. 

*  Nur  im  Entwürfe. 

*  Cod.  9363:  libroqne. 
^  Ebendas.:  aliqoando. 

*  Ebendas.:  divine  arbitrio. 
4  Ebenda«.:  volnuctate. 

*  Nur  im  Entwürfe. 


230 

a  die  datae  haram  litterarum^  in  eadem  captivitate,  qua  nunc  deti- 
netur,  remaneat,  nisi  infi*a  id  tempus  yel^  nobis,  vel  casu,  quo  ante  fini- 
tum  tempus  borum  quindecim  annorum  ^  naturae  concederemus,  serenis- 
simo  Philippo,  Piincipi  Hispaniarum,  arcbiduci  Austriae^  etc.,  filio  nostro 
cbarissimo,  aliquando  dictum  landgravium  citius  liberari  ex  re  et^  com- 
modo  Rei  publicae  Christianae  ac  praecipue  sacri  Romani  Imperii  et  pu- 
blicae  omnium  tranquillitatis  futurum  esse  videatur,  in  quo  tunc  einsdem 
filii  nostri  cbarissimi  ^  discretioni  confidimus,^  omni  contradictione  in  hoc 
penitus  cessante. 

Et  ut  firmius  huius  rei  maneat  testimonium,  basce  praesentes  lit- 
teras  manu  nostra  subscriptas  in  patenti  forma  expediri  nostroqne  si^Uo 
iussimus  roborari. 

Datum  ^  in  oppido  Bruxellensi  dncatus  nostri  Brabantiae,  die  XII 
mensis  februarii  anno  Domini  MDL,  imperii  nostri  XXX  et  regnomm 
nostrorum  üigesimo  quinto. 

IV. 
Declaratio  super  captmtate  lo.  Friderici,  Duois  Saxoniae.^ 

Carolus  etc.^®  Becognoscimustenore  praesentium  ac  notum  facimns 
quibus  expedit  universis:  Cum  paucis  abhinc  annis  loannes  Fridericns, 
senior  Dux  Saxoniae,  tunc  temporis  elector,  ob  commissam  a  se  una  cum 
complicibus  suis  grayissimam  erga  nos  rebellionem  ac  perpetratum  crimen 
laesae  maiestatis  in  Bannum^^  nostrum  imperiale  primo  declaratus,  deinde 
cum  se  nobis  etiam  per  viam  facti  opponere  non  esset  veritus,  annis 
nostris  plus  quam  iustissimis  petitus,  demum  iusta  a  nobis  acie,  annuente 
id  procul  dubio  manifesta  Dei  benignitate,  profligatus  et  in  propria  persona 


^  Im  Entwürfe  steht:  ,deeeill  annos  continuos  numerandos  a  die 
praedictae  capitulationis  nostrae.* 

*  Cod.  9363:  re. 

'  Im  Entwürfe:  huius  decennii. 

*  Im  Entwürfe  folgt:  etc. 
^  Cod.  9363:  te. 

*  Im  Entwürfe  folgt:  et 

*  Ebenda«,  folgt:  et  conscientiam  oneramus. 

*  Ebendas.  folgt  nur  ,etc.*. 

*  Von  anderer  Hand  folgt:  ,nt  maneat  captivus  dnrante  Tita  suaS  I>ie 
Aufeohrift  des  Seld*8ohen  Entwurfes  lautet:  ,In  negocio  captiritatia  Dads 
Jo.  Friderici  Sazoniae*. 

*•  Nur  im  Entwürfe. 
^^  Cod.  9363:  bonum. 


231 

captos  in  potestatem  nostram  devenisset,  nos,  qui  poteramus  contra  eum 
de  rigore  iuris  ad  poenas  in  divorum  praedecessorum  nostroram  sanctioni- 
bog  constitutas  median te  iustitia  progredi,  ex  innata  nobis  misericordia 
et  dementia  ad  intercessiones  quornndam  nostroimm  et  sacri  Eomani  im- 
perü  electorum  ac  principum,  quorum  erga  nos  spectata  fuerat  fides  et 
obedientia,  passi  sumus  ad  mitiorem  viam  nos  deflecti»  ita  nt  poenam 
oltimi  sapplicii,  qnam  ille  commeraerat,  in  poenam  captivitatis  ti-ans- 
DotaYerimns,  ea  sciiicet  lege  et  conditione»  ut  is  in  anla^  vel  nosti*a  vei 
derenissimi  Philippi,  principis  Hispaniaram,  Archidncis  Austriae/  fiiii 
üostri  cbarissimi,  iuxta  liberam'  nostram  eiectionem,  qnamdin  nobis 
placeret  et  donec  alind  disponeremns,  morari  teneretur,  prent  haec  et 
plnra  alia  ad  idem  '  propositnm  facientia  pienius^  in  capitulatione  qnadam, 
in  castris  nostris  Wittenbergensibus,  anno  MDXLVII,  XIX  ^  die  mensis 
maii  edita,  continentur. 

Quoniam  vero  huinsmodi  dispositionem  et  mentis  nostrae  deciara- 
tionem»  quamdiu  snpradictus  Dni^  lo.  Fridericus  in  huiusmodi  captivitate 
detinendns  esset,  hactenus,  partim  gravissimis  occupationibus  nosti'is 
praepedlti,  partim  ex  aliis  honestis  rationibus  faceresupersedimns  et  tarnen 
interea  dnbitamns,  ne,  si  aiiqnando  ante  huiusmodi  declarationem  .  .  . 
^das  Folgende  wie  im  vorigen  Patente)  volentes  ac  disponentes,  ut  dictus 
Dox^  lo.  Fridericns  eo  modo,  quo  Bupi*a  et  latius  in  praeallegata  capitula- 
tione continetnr,  durante  tempore  vitae  suae  captivus  remaneat, 
nisi  post  obitum  nostrum  cbarissimo  filio  nostro  aiiqnando  illum  liberari 
ex  re  et  commodo  Bei  publicae  Ohristianae  ac  praecipne  sacri  Bomani  im- 
perii  et  pnblicae  omnium  tranquillitatis  futurum  esse  yideatur,  in  quo 
eiosdem  fiUi  nostri  charissimi^  discretioni  confidimus,^  reseryantes  nihi- 
h»alnns  nobis  eandem  disponendi  ex  praedictis  causis  facultatem  et  pote- 
statem,  qnam^  filio  nostro  praesentium  vigore  concedimus,  omni  tracta^ 
[sie]  conti-adictione  in  hoc  paenitus  cessante  (Schlnss  und  Datum  wie 
im  Torigen  Patente). 


^  Im  Entwarfe  folgt :  etc. 

*  Bfit  blasser  Tinte  Ton  anderer  Hand  ist  im  Cod.  9363  ,e'  nachgetragen. 
'  Ebendas.  dafQr  irrig:  sedem. 

*  Ebenda«.:  planus. 

*  Im  Entwürfe  nur:  N.  die. 

*  FeUt  ebendas. 

'  Ebendas.  folgt:  et. 

*  Ebendas.  folgt:  et  conscientiam  oneramus. 

*  Im  Entwarfe  folgt:  d[ibto]. 


233 


Textoorrectaren. 


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« 

Die  ErkliniBir  des  Ktlsen  mm  die  Reiehsstlnde  Tom  25.  No- 

Tember  1&47  int  bei  Sastrow  (II,  543  bis  552)  abgedruckt     Der  Text  mnss 
aber  an  folgenden  Stellen  Terbessert  werden:^ 

Seite  544  Zeile    9  von  oben  liest  anfgetrochen  statt  aufgetragen. 

Key.  M^  in  gar  statt  M*  gar  in. 
ergftnse  vor  ,erbarUch*  ein  und. 
lies:  in  statt  im. 

„      daran  SS  statt  darauf. 

,      zu  End  khommen  statt  entkommen. 

„      wol  statt  wolle. 

^      Repliciern  statt  ResolTiem. 

„      ervolgt  statt  gevolg^ 

^      Kaj.  M«  statt  M^ 

„      lassen  statt  anlassen. 

„      hie  statt  sie. 

Ebenso  muss  der  Wortlaut  der  MittkelliiBg,  die  TOB  des  Karf  Anten 
Joaehim  und  Moriz  tni  26«  KOTember  den  Reicbsst&nden  gemacht  wurde, 
bei  Sastrow  an  folgenden  Stellen  corrigirt  werden: 

Seite  552  Zeile    4  von  oben  tilge  vnd  vor:  der  abwesenden. 

f,       „         „       4     ^        „     ergänze  nach  Stenden  die  Worte:   des  haj- 

ligen  Reichs. 
ft       „        9        6     «    unten  tilgA  ^nd  vor  ehe. 
n       n        »4^9     lies:  abhören  statt  anhOren. 
^      553       „       2     ^     oben     „      ab ge redten  statt  obgeregten. 
r,       n        f»        &     f«        »t        ft      Aber  gl  eich  wol  statt  gleichwol. 
^       n         ^        7     ^        «        „      Ro.  Ko.  M«  statt  Ro.  Kej.  W. 
n       n        t*        7     ,        0     ergänze:  vor  Wlttemberg  nach  Feltlager. 
r       ft         ft  11-12  „        „     lies:   Sprachen     mit     den     kajserlichen 

Rethen   ans   dem,    statt:    der  Ro.  Key. 

W  Räten. 
„       ^         f,       7     n    unten    ^      diesen  hendeln  statt  diesem  handel. 
„       ^         «        1     ft        n        fi      Tuschuldigs  Christenlichs  blntyor- 

giessenns  statt  vnschnldig  christlich  Blut- 

Torgiessen. 
y,     564       «        8     ,,    unten    «      hoffen  wollen  statt  hoffen. 
„     555       ,      14     9     oben    ,      domit  statt  domit  nun. 
n       m        II      I^     »        «     ergänze   Tor   mher  dann  den  Landgraven 

die  Worte:  nicht  In  beschwernng  ge* 

fuert,  also  bajde  Ire  Churf.  g[naden]. 
0       „         B        ^     •    unten  tilge  nach  vollntzogen  die  Worte  rnnd   er 

bis  der  vbrigen  halben. 
-     556       ,       4     .     oben     -      vor  seint  das  Wort  Solches. 


1  a  oben  p.  194f.,  198,  Anm.  1.     Der  Hortleder'sche  Text  (II,  912  f.)   ist 
ganz  unbrauchbar. 


Ausgegeben  am  16.  Juni  1896. 


Archiv 


fUr 


Österreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 

nr  Pflege  yaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 

der 

kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundachtzigster  Band. 

Zweite  Hälfte. 


Wien,  1897. 


In  GommisBion   bei   Carl   Gerold's   Sohn 

BachhIndiT  d«r  luia.  Akad— !•  d«r  WiiMoaehaflML 


Archiv 


für 


Isterreichische  Geschichte. 


Herausgegeben 

Ton  der 


zur  Pflege  vaterländischer  Geschichte  aufgestellten  Commission 


der 


kaiserlichen  Akademie  der  Wissenschaften. 


Dreiundachtzigster  Band. 


-r- 


Wien,  1897. 


In  Commission  bei  Carl  Gorold's  Sohn 

Bo<thhindlT  d«r  kalt.  Akadcmi«  d«r  WiM«iiMh«fUn. 


Inhalt  des  drelnndachtzigsten  Bandes. 


Seite 
L«d(mco  Gritti.  Eine  Monographie.  Von  Dr.  Heinrich  Kretschmayr         1 

Veriuftnng  und   Gefangenschaft   des  Landgrafen  Philipp    von  Hessen 

1547—1550.    Von  Dr.  Gustav  Turba 107 

Dis  Entrtehen  nnd  die  Entwicklung  der  Lippowaner-Colonien  in  der 
Bukowina.  Zumeist  nach  urkundlichen  Materialien  aus  dem 
Nachlasse  des  Finanzrathes  a.  D.  Franz  Adolf  Wickenhauser.  Von 
Dr.  Raimund  Friedrich  Kaindl 233 

Dis  Aribonenhaus.    Von  Dr.  Jos.  Egger 385 


DAS  ENTSTEHEN 

UND 

DIE   ENTWICKLUNG 

DER 

LIPPOWANER-COLONIEN 

IN  DER  BUKOWINA. 


ZUMEIST  NACH  URKUNDLICHEN  MATERIALIEN 

AUS    DEM    NACHLASSE 
DES  HNANZRATHES  A.  D.  FEAHZ  ADOLF  WICKENHAUSEE 

VON 

D«  RAIMUND  FRIEDRICH  KAINDL, 

PlUVATDOOtMTEM  UND  K.  K.  HAUPTLEHRER  IN  CZERNOWITZ. 


knkir,    LXXXIII.  Bd.  H.  Hälfte.  16 


I. 

1.  Einleitendes.  —  2.  Ansiedelungen  in  der  moldanischen  Zeit:  Die  ehe- 
eali^  Colonie  in  Stnpka;  Mitoka-Dragomirna.  —  8.  Die  Begründung 
^•n  Kümo  atz  (1780).  —  4.  Einflussnahme  Kaiser  Josephs  U.  und  der 
ü^rreichischen  Behörden;  die  Gründungsgeschichte  von  Biala-Kieruica 
FoDtiiMialba;  1784/5).  —  6.  Das  Entstehen  von  Mihodra  (c.  1836)  und  von 

Lippoweni-Kossowanka  (c.  1845). 

!•  Die  in  der  Bukowina  wohnenden  Lippowaner  gehören 
zu  den  merkwürdigsten  Volkselementen  des  Kaiserstaates.  Die 
Geschichte  ihrer  Ansiedelung  in  der  Bukowina  bildet  ein  inter- 
essantes Blatt  in  der  Geschichte  Kaiser  Josephs  11.  und  ist  ein 
wichtiger  Beitrag  zur  Erkenntniss  des  österreichischen  Coloni- 
sationswesens  jener  Zeit.  Bisher  ist  jedoch  keine  genügende 
Darstellung  des  Entstehens  und  der  Entwicklung  dieser  Colonien 
geboten  worden,  da  alle  bisher  erschienenen  Arbeiten  auf  einem 
sehr  spärlichen  Materiale  beruhten.^  Eine  weitere  Grundlage 
Ar  die  Studien  über  die  Einwanderung  der  Lippowaner  hat 
in  um  die  Erforschung  der  Bukowiner  Geschichte  hochver- 
fate  Finanzrath  a.  D.  Franz  Adolf  Wickenhauser  ge- 
sehiffen.  Von  dem  überaus  reichen  Materiale  über  die  Lippo- 
waner-Colonien,  welches  er  während  seiner  Beamtenlaufbahn 
gesammelt  hatte,  war  es  ihm  selbst  jedoch  nur  vergönnt,  kurz 
^or  seinem    im  Jahre    1891    erfolgten   Ableben    etwa   30   Ur- 

*  Die  wichti^ren  dieser  Arbeiten  sind:  GOhlert,  Die  Lippowaner  in  der 
Bukowina  (Wiener  Sitzungsberichte  Bd.  41,  1863);  Ficker,  Hundert 
Jahre  1775—1875  (Statistische  Monatsschrift  Bd.  1,  Wien  1875);  Polek, 
Die  Lippowaner-Colonien  in  der  Bukowina  (Mittheilungen  der  k.  k.  geo- 
ffraphiscben  Gesellschaft  in  Wien,  1885);  Kai n dl.  Die  Lippowaner  (in 
^Kleine  Studien*,  Czemowitz  1893);  ferner  die  in  den  nächsten  Anmer- 
kungen citierten  Arbeiten  von  Wickenhauser.  Andere  Schriften  über 
die  Lippowaner  werden  weiter  unten  S.  237,  Anm.  1  genannt.  Die 
Arbeit  Ton  Snbbotjna,  ,l8t4)rija  Austrijskaho  ili  Bilokrynyckaho  Swja- 
raezenstwa,  Moskau  1886,  ist  mir  unzugänglich  gewesen. 

16» 


236 

künden  zu  veröffentlichen,^  ohne  dass  er  auf  Grund  derselben 
eine  zusammenfassende  Darstellung  gegeben  hätte.  ^  Im  Jahre 
1893  erhielt  hierauf  der  Schreiber  dieser  Zeilen  von  der  gegen- 
wärtig bereits  auch  verstorbenen  Witwe,  Frau  Marie  Wicken- 
haus er,  unter  Anderem  auch  den  Rest  der  im  Nachlasse  be- 
findlichen Materialien  über  die  Lippowaner.  Mit  Hilfe  dieser 
Urkunden,  die  freilich  theilweise  nur  in  Auszügen  vorliegen, 
ist  es  erst  möghch  geworden,  das  überaus  interessante  Bild  des 
Entstehens  und  der  Entwicklung  der  Lippowaner-Gemeinden 
in  der  Bukowina  mit  genügender  Vollständigkeit  zur  Darstel- 
lung zu  bringen. 

Das  vorhandene  Urkundenmaterial  —  über  100  Nummern 
—  bietet  eine  solche  Fülle  von  Einzelheiten,  dass  dieselben 
theilweise  in  der  zusammenfassenden  Darstellung  nur  berührt 
werden  konnten.  Schon  deshalb  dürfte  es  angezeigt  sein,  auch 
die  Urkunden  zum  Abdrucke  zu  bringen;  dieselben  enthalten 
aber  auch  überaus  wichtige  Beiträge  zu  einer  noch  nicht  ge- 
schriebenen Geschichte  des  Unterthanswesens  in  der  Bukowina, 
femer  Einzelnes  zur  Geschichte  des  Bukowiner  ReUgionsfondes 
und  des  berühmten  k.  k.  Radautzer  Gestütes.  Auch  befinden 
sich  die  Urkunden  im  Privatbesitze  und  werden  daher,  inso- 
fern sie  Originalurkunden  sind,  wohl  nur  durch  den  Abdruck 
einem  weiteren  Kreise  zugängUch  werden.  Bezüglich  des  Ab- 
druckes sei  bemerkt,  dass  ein  neben  der  laufenden  Nummer 
stehendes  0.  darauf  hinweist,  dass  das  Schriftstück  im  Original 
vorliegt;  ein  A.  bezeichnet  eine  Abschrift  oder  auch  einen  Aus- 
zug; IA,  eine  ämtUche  Abschrift.  Der  Text  der  Original- 
urkunden folgt  ganz  genau  der  Vorlage;'  auch  bei  den  Aus- 
zügen habe  ich  nur  an  wenigen  Stellen  kleine  Aenderungen 
vorgenommen,  um  mich  nicht  vom  ursprünglichen  Wortlaute, 
den  Wickenhauser  zimieist  beachtet  zu  haben  scheint,  zu 
entfernen.  Dagegen  habe  ich  durchgehends  die  moderne  Ortho- 


^  Molda  y,  2   (MoldauiBch-   nnd   Rnssiscb-Kimpolang   nnd   die   £inwan> 

derang  der  Lippowaner),  8.  80  ff.,  Czemowits  1891. 
'  Einige    Bemerkungen    über    die   Einwanderung    der   Lippowaner    h&t 

Wickenhanser  bereits  in  Molda  n,  2,  8.  94ff.  geboten   (Czernowits 

1888),  docb  sind  dieselben  nicbt  ganz  fehlerfireL 
'  Anf  Wunscb  der   kaiserlichen  Akademie   wurden   auch   viele    von    äezx 

Originalurkunden  nur  in  gekünter  Form  abgedruckt.    Dies  ist  bei  den 

einzelnen  Nummern  bemerkt. 


237 

graphie  benutzen  lassen,  weil  es  gar  keinen  Zweck  hätte,  die 
von  Fehlem  und  Inconsequenzen  strotzende  Schreibweise  der 
oft  überaus  ungeübten  Schreiber  wiederzugeben.  Weniger  wich- 
tige Stellen  sind,  um  Raum  zu  ersparen,  in  den  Abdrücken 
ausgelassen  worden. 

Bemerkt  sei  noch,  dass  in  dieser  Arbeit  auf  die  Ent- 
stehung und  Verbreitung  der  Lippowaner-Secte  unter  Hinweis 
auf  die  vorhandene  Literatur^  nicht  näher  eingegangen  wird. 
Es  wird  genügen  zu  bemerken,  dass  die  Lostrennung  dieser 
Secte  von  der  griechisch-orientalisch-russischen  Kirche  in  der 
zweiten  HÄlfte  des  XVU.  Jahrhundertes  erfolgt  sei,  und  dass 
die  Angehörigen  derselben,  insbesondere  seit  dem  Ende  des- 
selben Jahrhunderts,  infolge  heftiger  Verfolgungen  in  grosser 
Zahl  aus  Russland  in  die  benachbarten  Länder  sich  flüchteten. 
Oegenivärtig  wohnen  sie  in  Russland,  Preussen,  Oesterreich, 
Rumänien  und  Bulgarien.  Zu  ihrem  Namen  sei  anderen  An- 
sichten gegenüber  bemerkt,  dass  sie  selbst  denselben  schon  im 
Torigen  Jahrhunderte  von  dem  Namen  des  Apostels  Philipp 
ableiteten,  dessen  Glaubenssätze  sie  vorzüglich  beobachten 
soDen.  * 


^  Ausser  den  in  der  Anm.  1  auf  S.  235  angeführten  Arbeiten  mögen  noch  ge- 
nannt werden:  Gerbel-Embach,  Russische  Sectirer  (Heilbronn  1883); 
Melcbisedek,  Lipovenismul  (Bukarest  1871,  rumänisch);  Ssczapowa, 
Rosskij  Raskot  (Kazan  1859,  russisch);  W.  M.  K(arlowicz),  Istory- 
czeskija  izslidowanija  sluzaszczija  k  oprawdaniju  Staroobijadcew  II  und 
III  (Czemowitz  1887  und  1886(1);  der  I.  Bd.  war  mir  unzugänglich; 
rustdscb);  Makarij,  Istorija  russkaho  raskota  (St.  Petersburg,  3.  A  1889); 
Worobkiewicz,  Raskot  (Czernowitz  1883  in  der  Kirchenzeitschrift 
Candela;  ruthenisch);  Simiginowicz,  Die  Völkergruppen  der  Bukowina 
S.  91  — 106  (Czemowitz  1884);  Dan,  Die  Lippowaner  in  der  Bukowina 
(Cx^mowitz  1890);  Schubert,  Handbuch  der  allgemeinen  Staatskunde 
Ton  Europa  VI,  S.  569  (Königsberg  1846);  Ostpreussische  Lippo- 
waner (Globus  LX,  S.  334);  Kaindl,  Ostpreussische  Lippowaner 
(ebenda  LXIV,  S.  48f.);  Titius  in  den  Preussischen  Proyinzialblättem, 
Jahrg.  ?;  Altpreussische  Monatsschrift  IX,  S.  496;  Lutties,  Landes- 
kunde von  Ost-  und  Westpreussen,  Breslau  1891,  S.  35  (die  letzteren 
drei  Nachweise  verdanke  ich  der  Güte  des  Herrn  Rittmeisters  a.  D. 
Schadt  in  Elbing,  Westpreussen);  Kaiinka,  Dzieta  lU  (Krakau  1894; 
polnisch);  schliesslich  vergleiche  man  noch  Finkel,  Bibliografia  bist.  Pol- 
i^kiej,  Krakau  1895,  H,  S.  631. 
Wicken hauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  103  und  Nr.  28,  S.  107. 


238 

2*  Die  älteren  Lippowaner  Ansiedlungen  in  der  Bukowina 
fanden  noch  zur  Zeit  statt,  da  dieses  Land  einen  Theil  des 
moldauischen  FUrstenthums  bildete  und  mit  diesem  der  Türkei 
unterstand.  ^ 

Ueber  eine  dieser  ältesten  Niederlassungen,  nämlich  zu 
Stupka  nordöstlich  von  Gurahumora,  haben  wir  nur  spärliche 
Nachrichten;  deshalb  entgieng  sie  bisher  allen  Forschem.  Kunde 
über  dieselbe  erhalten  wir  aus  einem  Berichte  des  Landes- 
verwesers  der  Bukowina,  General  Enzenberg  (1778 — 1786), 
welchen  derselbe  am  12.  November  1783  an  den  Hofkriegs- 
rath  erstattete.*  In  demselben  theilt  Enzenberg  mit,  dass  vor 
Kurzem  100  im  Zinut  (Kreis)  Herleu  in  der  Moldau  ansässige 
Lippowaner-Familien  durch  zwei  Deputierte  sich  zur  Ueber- 
siedelung  nach  der  Bukowina  gemeldet  haben;  sie  seien  vor 
dem  Russenkriege  ^  zu  Stupka  in  der  Bukowina  ansässig  ge- 
wesen und  durch  die  Russen  vertrieben  worden.  Ihr  Wunsch 
gehe  dahin,  eine  selbständige  Gemeinde  zu  bilden,  um  nicht 
mit  Anderen  zusammengesiedelt  zu  werden.  Dies  —  fügt  Enzen- 
berg hinzu  —  sei  vor  der  Einziehung  der  Bukowiner  Kloster- 
güter, die  gerade  damals  durchgeführt  wurde,  nicht  möglich. 
Da  sich  somit  die  Unterhandlungen  oflFenbar  zerschlugen  und 
insbesondere  eine  Wiedercolonisierung  von  Stupka  nicht  in 
Aussicht  genommen  wurde,  so  ist  es  leicht  erklärlich,  dass 
wir  sonst  keine  Nachricht  von  der  früher  daselbst  bestandenen 
Ansiedelung  besitzen.  Bemerkt  sei  noch,  dass  dieselbe  allenfalls 
recht  zahlreich  gewesen  zu  sein  scheint,  wenn  es  richtig  ist^ 
dass  alle  oben  genannten  100  Lippowaner-Familien  thatsächlich 
vor  dem  Jahre  1770  daselbst  ansässig  waren. 

Die  zweite  Lippowaner- Ansiedelung,  welche  noch  vor  der 
österreichischen  Occupation*  entstanden  war,  ist  Mitoka- Drag o- 
mirna,  auch  Lippoweni  oder  Sokalince  genannt,  nördlich  von 


'  R.  F.  Kaindl,  Geschichte  der  Bukowina  II  (die  moldauische  Zeit  13412 
bis  1774). 

'  Beilage  10. 

3  Gemeint  ist  der  Krieg,  welcher  im  Jahre  1768  ausbrach  und  bis  «um 
Jahre  1774  andauerte.  Mit  demselben  steht  auch  die  Erwerbung  der 
Bukowina  durch  Oesterreich  in  enger  Verbindung.  Vergl.  Kaindl,  Die 
Erwerbung  der  Bukowina  durch  Oesterreich,  Czernowitz  1894. 

*  Vergl.  die  in  der  vorhergehenden  Anmerkung  genannte  Schrift  Ubor 
die  Erwerbung  der  Bukowina. 


289 

SacsaTv^a.  Wann  der  Beginn  dieser  Siedelung  anzusetzen  ist^ 
kann  ebensowenig  bestimmt  werden^  wie  dies  etwa  von  der- 
jenigen zu  Stupka  möglich  wäre;  doch  ist  es  sicher^  dass  die 
Rassen  in  Mitoka  ebenso  wie  in  Stupka  bereits  Lippowaner 
▼erfanden^  als  sie  zufolge  des  im  Jahre  1768  ausgebrochenen 
Krieges  mit  den  Türken  in  den  folgenden  Jahren  in  die  Moldau 
anrückten.  Dies  geht  zunächst  aus  einem  Berichte  Enzenberg's 
Yom  6.  Oetober  1783  an  das  Generalcommando  in  Lemberg 
hervor.^  In  demselben  wird  mitgetheilt,  dass  das  Kloster  in 
Dragomima  bereits  vor  der  Einverleibung  der  Bukowina  ,aus 
der  Moldau  einzelne  Lippowaner  (altgläubige  Russen)  herbei- 
geholt und  als  Teichgräber,  Seiler  und  Obstztichter  in  der 
Nachbarschaft  des  Klosters  am  Bache  Ruschciora  (Lippoweni) 
angesiedelt  habe,  wo  selbe  nach  und  nach  auf  40  Familien 
anwuchsen.  Als  um  das  Jahr  1770  die  Russen  anlässlich  des 
Krieges  mit  der  Türkei  in  diese  Gegenden  kamen,  wurden 
dieselben  als  russische  Ausreisser  weggeschleppt;  die  übrigen 
aber  entflohen  mit  ihrem  Popen  in  die  Moldau.  Nach  der 
Einverleibung  [der  Bukowina]  kamen  die  Lippowaner  wieder 
zurück  und  bildeten  1783  16  Familien/  Diese  Lippowaner 
.zeigten  gegen  andere  slavische  Geistliche  entschiedene  Ab- 
neigung und  machten  bei  Aufdrängung  eines  solchen,  da 
ihnen  auch  die  Ausübung  ihrer  Religion  eingestellt  war,  Mienen 
zur  Auswanderung;  sie  verlangten  ihren  Popen  zurück^ 
Aehnliches  geht  aus  einem  unter  dem  31.  Oetober  1783  er- 
folgten Bescheide  des  Hof  kriegsrathes  an  das  Generalcommando 
in  Lemberg  hervor,  ^  in  welchem  die  Zurückbringung  des 
Popen  von  Mitoka  gestattet  wird.  Vor  Allem  ist  aber  noch 
ein  Bericht  vom  22.  September  1843^  anzuführen,  welcher 
demjenigen  Enzenberg's  sehr  nahe  steht.  In  demselben  heisst 
es  nämlich:  ,Die  zu  Ruschior  Lipoweny  [=  Mitoka]  ansässigen 
Allrnssen  wurden  noch  vor  Occupierung  der  Buccovina  durch 
das  Kloster  Mittoka  Dragomima  aus  der  angrenzenden  Moldau 
einzeln  herbeigeholt  und  als  Teichgräber,  Seiler,  Obst-  und 
Bienenzüchter  in  der  Nachbarschaft  des  Klosters  und  im  Be- 
reiche der  Gemeinde  Mittoka  Dragomima  angesiedelt,  woselbst 


^  Beilage  1;  ausführlicher  Wickenhauser,  Molda  II,  2,  S.  94.    Yergl. 

auch  Polek  a.  a.  O.  S.  4  (des  Sonderabdruckes). 
*  Beilage  7. 
»  Beilage  9!. 


240 

solche  Dach  und  Dach  bis  auf  40  Familien  angewachsen  waren. 
Um  das  Jahr  1770,  als  die  Russen  in  diese  Gegend  einge- 
drungen waren,  sollen  die  meisten  dieser  Ansiedler  als  rusBische 
Deserteure  mitgeschleppt  worden  sein,  während  die  Uebrigen 
entflohen,  in  der  Folge  aber  zum  Theil  sich  wieder  einfanden 
und  bis  auf  16  Familien  sich  vermehrten/  Es  entsteht  nun 
die  Frage,  wann  die  in  beiden  citierten  Urkunden  erwähnte 
Rückwanderung  stattfand.  Nach  Polek^  soll  Enzenberg  selbst 
in  seinem  oben  citierten  Berichte  vom  6.  October  1783  die  An- 
gabe machen,  dass  diese  Lippowaner  im  Jahre  1775  zurück- 
kehrten. Diese  Zeitangabe  findet  sich  aber  weder  bei  Wicken- 
haus er  wieder,  welcher  diesen  Bericht  ebenfalls  dem  Haupt- 
inhalte nach  anführt,'  noch  auch  in  dem  oben  abgedruckten 
und  offenbar  zur  Meldung  Enzenberg's  in  sehr  nahen  Be- 
ziehungen stehenden  Berichte  vom  Jahre  1843.  Dagegen  ist 
sowohl  in  einem  Handschreiben  Kaiser  Josephs  vom  20.  No- 
vember 1783,^  als  auch  in  einem  Schreiben  des  Hofkriegs- 
rathes  vom  26.  November  desselben  Jahres*  die  Rede  von 
Lippowanem,  welche  ,sich  schon  vor  neun  Jahren  in  hierländigen 
Schutz  ohne  Bedingniss  begeben  haben',  somit  im  Herbste 
1774,  das  ist  sofort  nach  der  anfangs  September  erfolgten 
Occupation  des  Landes  durch  Oesterreich.  Diese  Bemerkung 
kann  sich  aber  nur  auf  die  Ansiedelung  in  Mitoka  beziehen, 
weil  alle  anderen  Colonien  nachweisHch  erst  später  entstanden 
sind.  Gleich  nach  dem  Abzüge  der  Russen  aus  der  Bukowina 
und  der  Besetzung  des  Landes  durch  Oesterreich  sind  also 
offenbar  die  Flüchtlinge  zurückgekehrt.  Damit  steht  eine  Mit- 
theilung Enzenberg' s  in  einem  Berichte  vom  23.  Juni  1784 
durchaus  nicht  im  Widerspruche.^  Derselbe  theilt  nämlich  mit, 
dass  sich  in  Dragomirna  ,seit  1777  15  alte  und  seit  1783 
12  neue  Ansiedler  .  .  .  befinden*.  In  Hinsicht  auf  die  früher  mit- 
getheilten  urkundlichen  Nachrichten  besagt  diese  Mittheilung 
offenbar  nicht,  dass  vor  1777  keine  Lippowaner  sich  in  Mitoka 
aufhielten,  sondern  sie  fUhrt  nur  fiir  dieses  Jahr  eine  bestimmte 
Anzahl  von  Ansiedlern  an,   welche  sich  daselbst  bis  zu  dieser 

»  A.  a.  O.  S.  4. 

»  Mold*  II,  2,  S.  94. 

»  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  15,  S.  92. 

♦  Ebenda  Nr.  17,  S.  93. 

»  Ebenda  Nr.  26,  S.  105. 


L 


241 

Frist  niedergelassen  hatten.  Wem  aber  die  anderen  von  uns 
herangezogenen  Urkunden  nicht  zugänglich  waren,  der  wird 
allenfalls  aus  der  Stelle  Enzenberg's  schliessen,  dass  die  Colonie 
Mitoka  erst  überhaupt  im  Jahre  1777  entstanden  sei;  diesen 
Irrthum  hat  thatsächlich  Ficker  begangen.  ^  Aber  auch  Göhlert 
irrte,  wenn  er  annahm,  dass  die  Colonie  im  Jahre  1774  erst 
überhaupt  entstanden  sei;  er  hat  offenbar  zwar  das  Jahr  1774 
aas  denselben  Quellen  geschöpft  wie  wir,  doch  waren  ihm  jene 
Lrkonden  nicht  bekannt,  aus  denen  die  vor  dem  Jahre  1770 
zum  erstenmal  stattgefundene  Ansiedelung  hervorgeht.  Schliess- 
lich sei  noch  bemerkt,  dass  Polek's  Angabe  des  Jahres  1775 
fär  die  zweite  Besiedelung  doch  wohl  aus  einem  Rechenfehler 
hervorging.  * 


3.  Ganz  zweifellos  ist  jetzt  die  Begründung  der  Lippo- 
waner-Colonie  Elimoutz  in  das  Jahr  1780  zu  setzen.  Es  ist 
uns  nämlich  nicht  nur,  was  bereits  Polek  hervorhebt,  in  einem 
Berichte  £nzenberg's  ^  die  ausdrückliche  Angabe  erhalten, 
das  ,das  Kloster  Putna  1780  18  Lippowaner-Familien  die 
nölhigen  Felder  und  Gründe  gegen  jährliche  100  Gulden  über- 
liess^,  sondern  wir  kennen  auch  den  am  7./18.  April  zwischen 
dem  Kloster  und  den  Ansiedlern  geschlossenen  Vertrag.  "*  In 
demselben  wird  mitgetheilt,  dass  der  Igumen  (Klostervorsteher) 
mit  dem  ganzen  Klostervereine  von  Putna  den  Lippowanern 
Wiesen  und  Aecker  am  Bache  Klimoutz  im  Gute  Tamauka, 
auch  Moscheni  genannt,  zugetheilt  hätten;  hiezu  auch  zwei  Dorf- 
stätten Moscheni  und  Klimoutz;  dafür  habe  jeder  gegenwärtige 
and  jeder  künftige  Hauswirth  jährlich  5  Gulden  bares  Geld*  und 
eine  Oka  Oel  zu  zinsen,  femer  einen  Tag  zu  roboten;  später  ein- 
treffende Lippowaner  dürften  sich  nur  mit  dem  Vorwissen  des 
Dorfschulzen  und  der  übrigen  Gemeindemitglieder  ansiedeln;  neu 


*  Vergl.  oben  S.  235,  Anm.  1. 

*  8iehe  auch  unten  S.  242  die  Bemerkung  über  die  von  Ficker  als 
Gründungsjabr  von  Klimoutz  angegebene  Jabreszabl  1774. 

'  Dato  23.  Juni  1784;    bei  Wickenbauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  8.  104. 

*  Ebenda  Nr.  1,  S.  80  f. 

^  Xach  den  oben  angeführten  Angaben  Enzenberg^s  sollten  18  Wirthe 
100  Gulden  zahlen,  was  ziemlich  der  Angabe  unserer  Urkunde  entspricht 
(18  X  ö  =  90). 


242 

Verheiratete  leisten  im  ersten  Jahre  keinen  Zins,  hierauf  sind 
sie  aber  zur  festgesetzten  Leistung  verpflichtet;  das  Geld  soll 
jeder  Hauswirth  am  heil.  Nicolaustage  jährlich  entrichten,  das 
Oel  nach  den  jeweiligen  Erfordernissen  des  Klosters. 

Gegenüber  diesen  Nachrichten  kann  die  Angabe  Ficker's, 
dass  die  Lippowaner-Gemeinde  Klimoutz  bereits  im  Jahre  1774 
begründet  worden  sei,  keine  Bedeutung  beanspruchen.  Zu  seiner 
irrigen  Behauptung  dürfte  er  durch  jene  oben  citierten  Angaben 
veranlasst  worden  sein,  aus  denen  auch  wir  schlössen,  dass 
eine  Lippowaner- Ansiedelung  im  Jahre  1774  stattfand.  Wäh- 
rend wir  aber  diese  Nachricht  mit  voller  Sicherheit  auf  Mitoka 
beziehen  konnten,  weil  uns  die  spätere  Begründung  von  Kli- 
moutz aus  den  oben  citierten  Quellen  bekannt  ist,  hat  Ficker 
die  allgemein  gehaltenen  Mittheilungen,  wie  sie  im  kaiserlichen 
Handschreiben  vom  20.  November  1783  und  im  Schreiben  des 
Hofkriegsrathes  vom  26.  November  desselben  Jahres  erscheinen, 
allerdings  etwas  voreilig  auf  die  Entstehung  von  Klimoutz  be- 
zogen, nachdem  er  für  Mitoka  ebenfalls  irrig  das  Jahr  1777 
angenommen  hatte.  Richtiger  ist  Göhlert's  Angabe,  dass 
Klimoutz  1779  entstanden  sei;  denn  bei  dem  Umstände,  dass 
der  endgiltige  oben  citierte  Vertrag  im  April  1780  abgeschlossen 
wurde,  ist  es  immerhin  denkbar,  dass  bereits  im  Jahre  1779 
Lippowaner  sich  auf  den  Gütern  von  Putna  niedergelassen 
hatten.  Woher  aber  Göhlert  seine  Angabe  schöpfte,  ist  un- 
bekannt. 


4«  Die  Lippowaner-Colonien  von  Mitoka  und  Klimoutz 
sind  ohne  Einflussnahme  der  österreichischen  Behörden  ent- 
standen, wiewohl  die  Wiederbesetzung  der  ersteren  und  die 
Begründung  der  letzteren  schon  in  der  österreichischen  Zeit 
stattfanden;  sie  sind  vielmehr  Schöpfungen  der  Klostervereine 
und  zählen  zu  den  wenigen  Spuren  erspriesslicher  Thätigkeit 
der  reich  ausgestatteten  Bukowiner  Klöster;  die  österreichischen 
Staatsmänner  und  Beamten  hatten  bis  zum  Jahre  1782  keine 
Notiz  von  den  Lippowanern  genommen  und  in  keiner  der  aus 
diesen  Jahren  herrührenden  Denkschriften^  werden   dieselben 


^  Man  vergleiche  Zieglauer,  ,Der  Zustand  der  Bukowina  zur  Zeit  der 
österreichischen  Occupation^  Dargestellt  im  Spiegel  der  ersten  Denksehrift 


243 

erwähnt.    £rst  in  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1783  werden 
die    Lippowaner  von  den  österreichischen  Behörden  einigemal 
genannt,^    und  bald   darauf  veranlasste  Kaiser  Joseph  IL  die 
Begründung    der   dritten    Lippowaner-Colonie^    zu    deren    Ent- 
stehungsgeschichte wir  nunmehr  gelangen.     Diese  Anregungen 
giengen   vom  Kaiser  zu  derselben  Zeit  und  bei  derselben  Ge- 
legenheit   aus^   da  auch   der  Auftrag  zur  Einziehung  der  grie- 
chisch'Orientalischen  Klostergüter  in  der  Bukowina  erfolgte;  es 
geschah    dies  im  Handschreiben  des  Kaisers^   das  derselbe  am 
1£).  Juni  1783  in  Czemowitz  erliess,    nachdem  er  sich  über  die 
Zustände   in   der  Bukowina  persönlich  belehrt  hatte.^    Die  bis 
dahin    fast    nutzlos    daliegenden   reichen   Besitzungen   der   Ba- 
süianerklöster  sollten  ^in    die   Administration    genommen^    was 
firemden,    nicht  im  Lande  wohnenden   GeistUchen   hievon   ge- 
hörety    denselben   ganz   benommen,   und   aus   dem  hieraus  ent- 
stehenden ganzen  Fundo  der  gesammte  griechische  Clerus  unter- 
halten und  wenigstens  eine  Schule,  es  sei  zu  Suczawa  oder  zu 
Czemowitz,    errichtet  werden;    das    von    den   diesf&Uigen  Ein- 
künften  sodann   noch   übrig  Bleibende   soll   zu  anderen  nutz- 
baren Verwendungen  vorbehalten  bleibend     Die  zufolge  dieser 
kaiserhehen  Verordnung  einzuziehenden  Ländereien  boten  auch 
die  Möglichkeit,  neue  Ansiedelungen  zu  begründen. 

Auf  seiner   Reise   durch   die   Bukowina  war   der  Kaiser 
auch  nach  Suczawa  gekommen.  ^  Hier  lernte  er  die  Lippowaner 


(ddo.  10.  December  1774)  des  commandierenden  Generals  Freiherrn 
y.  Spl^ny  (Czemowitz  1888);  Polek,  General  Spl^ny's  Beschreibung  der 
Bukowina  (verfasst  zwischen  dem  15.  August  und  15.  September  1775; 
Czemowitz  1893);  Zieglauer,  Geschichtliche  Bilder  aus  der  Bukowina 
sar  Zeit  der  Osterreichischen  Occupation,  dargestellt  im  Spiegel  der 
Denkschriften  (ddo.  30.  October  1779)  des  commandierenden  Generals 
Freiherm  v.  Enzeuberg  (Czemowitz  1893);  Polek,  Die  Bukowina  zu 
Anfang  des  Jahres  1783.  Nach  einer  Denkschrift  des  Mappierungs- 
directors  Johann  Budinszky  (ddo.  25.  Januar  1783),  Czemowitz  1894. 

»  Wickenhauser  Nr.  2—3,  S.  81f. 

'  Tergl.  darüber  Polek,  Josephs  U.  Reisen  nach  Galizien  und  der  Buko- 
wina (Jahrbuch  des  Bukowiner  Landesmuseums  III,  1895),  S.  59  ff. 

'  VergL  die  in  der  vorhergehenden  Anmerkung  genannte  Arbeit.  Der  Kaiser 
war  von  Siebenbürgen  am  14.  Juni  in  die  Bukowina  gekommen,  über- 
nachtete an  diesem  Tage  in  Valeputna,  brachte  dann  zwei  Tage  (15.  und 
16.  Jnnl)  in  Suczawa  zu  und  langte  am  17.  Juni  in  Czemowitz  an. 
Diese  Stadt  verliess  der  Kaiser  am  19.  Juni  und  begab  sich  nach 
Sniatyn. 


244 

kennen,  die  zumeist  offenbar  aus  Mitoka-Dragomirna  dahin  ge- 
kommen waren,  unter  denen  sich  aber  auch  EÜmoutzer  Lippo- 
waner,  namentUch  deren  Richter,  befanden,  denn  Enzenberg 
bemerkt  in  einem  Berichte  ausdrücklich,  dass  der  Richter  von 
Klimoutz  ,das  Glück  hatte,  sich  im  Jahre  1783  Kaiser  Joseph 
zu  Füssen  zu  legend  ^  Diese  ,guten,  ruhigen  und  arbeitsamen 
Leute'  gefielen  dem  Kaiser  so  sehr,  dass  er  ihnen  nicht  nur 
ihre  Religionsfreiheit  gewährleistete,  sondern  auch  —  wie  Enzen- 
berg sofort  an  das  Generalcommando  in  Lemberg  berichtete  — 
,noch  mehr  dergleichen  gute  und  nützliche  Lippowaner-Familien 
in  das  Land  zu  ziehen'  befahl.*  Der  Kaiser  selbst  schrieb 
wenige  Tage  später  in  seinem  bereits  erwähnten  denkwürdigen 
Handschreiben,  in  welchem  er  am  19.  Juni  unmittelbar  vor 
seiner  Abreise  aus  Czemowitz  dem  Hofkriegsrathspräsidenten 
die  nöthigen  Reformen  kundgab,  unter  Anderem  Folgendes 
über  die  Lippowaner:'  ,Ausserdem  sind  solche  fleissige  und 
arbeitsame  Leute,  welche  man  durch  jene,  so  sich  in  der 
Moldau  von  dieser  Nation  noch  befinden,  zu  vermehren 
trachten  muss.' 

Nun  wollte  es  gerade  der  Zufall,  dass  Lippowaner,  welche 
an  den  Donaumündungen  sassen,  im  Sommer  des  Jahres  1782 
durch  einen  österreichischen  Officier  angeregt  worden  waren, 
sich  nach  der  Bukowina  zu  begeben.  Enzenberg  berichtete 
hierüber*  in  einem  Schreiben  vom  19.  October  1783,  dass  der 
Pontonierhauptmann  Redange  im  verflossenen  Sommer  den 
Lippowanern  die  Uebersiedelung  angerathen  haben  mag,  als 
er  die  Donau  passierte,  um  Pferde  einzukaufen.  Die  Lippo- 
waner verschafften  sich  sodann  bei  dem  in  Jassy  verweilenden 
österreichischen  Hauptmanne  Beddeus  einen  Pass  und  sandten 
zwei  Abgeordnete,  Alexander  Alexiewicz  und  Nikifor  Larianow^  ^ 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  104. 

'  Ebenda  Nr.  4,  S.  82.  Das  Datnm  13.  Juni  muss  ein  Irrthum  sein,  da 
der  Kaiser  (vergl.  S.  243,  Anm.  3)  erst  am  15.  in  Suczawa  eintraf.  Wahr- 
scheinlich ist  ,15.*  oder  ,18.*  zu  lesen. 

'  Polek,  Josephs  II.  Beisen,  S.  62. 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  13,  S.  88. 

*  Nach  einer  späteren  Behauptung  der  Lippowaner  (Juni  1784)  hatte  sich 
Alexiewicz  dem  von  ihnen  nach  Wien  abgeschickten  Nikifor  selbst  auf- 
gedrungen. Alexiewicz  war  übrigens  vonr  Geburt  ein  Kalmücke  und 
gehörte  erst  seit  dem  achten  Lebensjahre  den  Lippowanern  an.  Vergl. 
Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  101. 


V 


245 

zugleich  mit  einem  Dolmetsch^  dem  Ungarn  Kowacz^  zu  Enzen- 
bei^  nach  Czemowitz.    In  etwas  für  die  Lippowaner  vortheil^ 
hafterer  Weise   stellt   diese  Begebenheit  der  Abt  Olimpi  Milo- 
radoTv-   dar  in  der  von  seinen  Glaubensgenossen  im  Jahre  1870 
an    den  Reichsrath   überreichten  Petition   um  Freihaltung  von 
der  Militärpflicht.^    In  derselben  wird  nämUch  behauptet^   die 
Cdonisten    am   schwarzen  Meere   hätten  im  Jahre  1782  einen 
namhaften  österreichischen  Staatsbürger  vor  den  ihn  verfolgenden 
Türken  heschützt  und  an  die  österreichischen  Grenzen  befördert; 
%us  Dankbarkeit  hätte  derselbe  ihnen  hierauf  von  Kaiser  Joseph 
das  Ansiedelungsprivilegium   verschafft.     Wie   dem  aber   auch 
aein    mag^    sicher  ist   es^   dass   die  oben  genannten  Gesandten 
der  Lippowaner   etwa   zur  selben  Zeit,*   da  der  Kaiser  in  der 
Bukowina   weÜte,   von  ihrer  Heimat   aufgebrochen  waren   und 
daher  isirohl  nicht  allzu  lange  nach  der  Abreise  des  Kaisers  bei 
Enzenherg  eintrafen.   Dieser  war  entsprechend  dem  vor  Kurzem 
geäusserten  Wunsche  des  Kaisers  und  weil  er  selbst  auch  schon 
früher    die  Lippowaner  sehr  hochschätzte,^  den  Abgeordneten 
g^enüher  sehr  zuvorkommend.   Dieselben  meldeten,  dass  mehr 
als  2000  Lippowaner-Familien  zur  Uebersiedelung  nach  den  öster- 
reichischen Staaten  bereit  seien.   Sie  wollen  sich  vorzüglich  an 
der    Donau   ansiedeln,    um  Schifffahrt   und   Schiffbau   zu   be- 
treiben;   doch   seien   auch  ;riele,   die   als  Ackerbauer  und  Ge- 
werbsleute  in  die  Bukowina  zu  ziehen  bereit  seien;  sie  bitten 
um    die    Kundmachung    der   Bedingungen   ihrer   Ansiedelung. 
EjLsenberg  sicherte   auch   sofort  den  Abgeordneten  eine  Reihe 
Ton  Freiheiten   zu,   und   zwar  die  Ueberlassung  von  Aeckem, 
Gewährung  von  Baumaterial  für  die  Häuser,  dreijährige*  Freiheit 


^  ,Promeinoria  zur  Petition  der  Lippowaner  an  den  hohen  Reichsrath,  ddo. 
15.  März  1870  nm  Freihaltung  von  der  Militärpflicht  auf  Grund  ihres 
ADsiedlung^privilegiums/    Wien  1870. 

*  Als  die  Gesandten  anfangs  October  1783  sich  in  Wien  aufhielten,  be- 
haupteten sie,  dass  schon  ,gegen  vier  Monate'  verstrichen  seien,  seit 
sie  ihre  Heimat  verlassen  hatten.  Wickenhauser,  Molda  V,  2, 
Nr.  7,   S.  84. 

'  Vergl.  sein  Schreiben  dato  12.  März  1783  bei  Wickenhauser,  Molda 
V,  2,  8.  81  f.,  femer  auch  Nr.  13,  S.  90.    Mehr  hierüber  weiter  unten. 

*  Nach  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  16,  S.  92  würde  Enzenberg 
dreissigjährige  Steuerfreiheit  versprochen  haben ;  doch  liegt  hier  offenbar 
ein  Irrthum  vor,  da  der  dreijährigen  Freiheit  auch  in  einem  Schreiben 


L. 


246 

von  den  k.  k.  Abgaben  und  der  Gewerbesteuer;  würden  sie 
ganze  Ortschaften  bilden,  so  sollen  sie  ihre  eigenen  Popen 
haben;  endlich  wurden  ihnen  bei  der  Einfuhr  ihrer  Habselig- 
keiten Zollerleichterungen  in  Aussicht  gestellt  und  ebenso  den- 
jenigen, welche  aus  der  Bukowina  durch  Siebenbürgen  an  die 
Donau  nach  dem  Banate  und  nach  Ungarn  ziehen  wollten, 
Beihilfe  versprochen.  Jedenfalls  sind  aber  diese  Begünstigungen 
vorbehaltlich  der  höheren  Bestätigung  in  Aussicht  gestellt  wor- 
den,* und  daher  sollten  die  Gesandten  die  bezüglichen  Ent- 
scheidungen abwarten.  Da  sie  aber  voraussetzten,  dass  ,das 
ordentliche  Verfahren  der  hohen  Stellen'  allzulange  währen 
würde,  so  setzten  sie  ihre  Stammesgenossen  von  dem  bisher 
Erreichten  über  Jassy  in  Kenntniss  und  begaben  sich  selbst 
nach  Wien.  Hier  überreichten  sie  am  5.  October  1783  ein 
Majestätsgesuch,  in  welchem  sie  um  eine  Privilegiumsurkunde, 
femer  um  Geld  fiir  die  Rückreise  und  Pässe  baten.*  Noch  an 
demselben  Tage  erHess  der  Kaiser  die  nöthigen  Verordnungen 
an  den  Hofkriegsrathspräsidenten  Feldmarschall  Hadik,*  und 
dieser  theilte  sie  schon  am  folgenden  Tage  der  Bukowiner 
Landesadministration  und  dem  ihr  vorgesetzten  G^neralcom- 
mando  in  Lemberg  wie  auch  den  ungarischen  Behörden  mit.* 
Für  die  Bukowina  wurde  insbesondere  die  Besiedelung  der 
geistlichen  Güter  anbefohlen;  fernem  sollte  den  Uebersiedlem 
aller  mögliche  Beistand  geleistet  werden;  was  die  Landesver- 
waltung den  Lippowanern  zugesagt  habe,  solle  dem  Hof- 
kriegsrathe  mitgetheilt  werden.  Schliesslich  wurde  den  Ge- 
sandten ein  vom  8.  October  datiertes  Schreiben  ^  Hadik's  an 
Enzenberg  tibergeben,  in  welchem  betreffs  der  Subvention  für 


des  Hofkriegsrathes  an  Enzenberg  ddo.  8.  November  1783  Erwähnung 
geschieht.  Vergl.  Beilage  9. 
'  Sie  sind  aufgezählt  im  Berichte  Enzenberg's  vom  19.  October  1783  (bei 
Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  13,  S.  89),  kOnnen  aber  natürlich  den 
Gesandten  nur  vor  ihrer  Abreise  nach  Wien  zugestanden  worden  sein^ 
bevor  dieselben  dort  die  vom  Kaiser  bestätigten  Freiheiten  erhielten. 
Es  sind  nachträgliche  Mittheilungen  Enzenberg^s  infolge  eines  vom 
6.  October  1783  datierten  Auftrages  des  Hofkriegsrathes  (bei  Wicken- 
hauser, Molda  V,  2,  Nr.  9,  S.  86f.). 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  7,  S.  84. 
^  Ebenda  Nr.  8,  S.  84  f. 

*  Ebenda  Nr.  9,  S.  86  f. 
^  Beilage  2. 


247 

die  Rückreise  der  Gesandten  und  ihres  Dolmetsch  Verord- 
nungen getroflPen  wurden,  und  zugleich  an  die  Landesadmini- 
stration die  AuflForderung  ergieng,  ^dasjenige,  was  über  die 
Lippowaner  vorläufig  in  Erfahrung  zu  bringen  ist,  zu  berichtend 
Ein  Privileg,  das  die  Einwanderungsbedingungen  festgestellt 
hattCj  war  indess  noch  nicht  ausgestellt  worden;  der  Kaiser 
hatte  keinen  Befehl  hierüber  erlassen,  und  der  Hofkriegsrath 
hielt  es  für  angemessener,  zunächst  bei  Enzenberg  anzufragen, 
welche  Versprechungen  derselbe  den  Lippowanem  geleistet 
hatte.  Da  dieser  Vorgang  den  Abgeordneten  nicht  anstand,  so 
überreichten  sie  am  9.  October  ein  zweites  Majestätsgesuch 
\Memorial'),  ^  in  welchem  sie  die  Bitte  um  Ausfertigung  eines 
Privilegs  wiederholten.  Dasselbe  sollte  ihnen  über  vier  Punkte 
Klarheit  verschaflFen:  1.  ob  ihr  Glaube  ihnen  belassen  werde; 
2.  wie  lange  sie  Steuerfreiheit  geniessen  würden; ,  3.  ob  sie  und 
Ire  Eindeskinder  vom  Soldatendienste  befi'eit  würden;  und 
4.  endHch,  welche  Abgaben  und  Steuern  sie  nach  der  steuer- 
freien Zeit  zu  entrichten  hätten.  Daraufhin  entschied  der 
Kaiser  in  einem  mit  rühmenswerthem  Eifer  sofort  an  den  Hof- 
kriegsrathspräsidenten  erlassenen  Handschreiben,*  dass  die  An- 
siedler Religionsfreiheit  haben  sollten,  zwanzig  Jahre  keine 
Steuern  zu  zahlen  hätten  und  hierauf  nur  diejenige,  ,wie  die 
mit  ihnen  in  gleicher  Lage  befindlichen  kaiserlichen  Unter- 
tanen'; auch  würden  sie  vom  Soldatenstande  frei  sein.  ,Dieses 
arnss  Mir',  fUhrt  der  Kaiser  fort,  ,auf  Pergament  zu  mehrerem 
Aufsehen  in  beiden  Sprachen  geschrieben  und  von  Ihnen,  so- 
wie vom  Referenten  unterzeichnet  und  mit  dem  grossen  kaiser- 
lichen Insiegel  bekräftiget,  damit  es  desto  mehr  Eindruck  mache, 
zur  Unterschrift  zugeschickt  werden.^  Hierauf  erUess  der  Kaiser 
noch  ins  Einzelne  gehende  Weisungen  betreffs  der  Rückreise 
der  Gresandten,  ja  er  vergass  nicht,  als  die  Kanzlei  ihm  noch  an 
demselben  Tage  das  vom  9.  October  datierte  Patent  sammt 
•len  anderen  Verfügungen  vorlegte,  anzuordnen,  dass  ,ein 
IJechemcs   Futteral   über   das   Patent'    gemacht    werde.  ^     Am 

*  Beilage  3;  yergl.  Wickeiibauser,  Molda  V,  2,  Nr.  9a,  S.  86. 
»  Ebenda  Nr.  9  a,  8.  86. 

*  Ebenda  Nr.  10,  8.  87.  Die  dem  Kaiser  in  dieser  Vorlage  gemachten  Vor- 
schläge über  die  Rückreise  der  Gesandten  sind  schon  im  Briefe  Hadik^s 
Tom  8.  October  enthalten  gewesen  (Beilage  2),  daher  auch  die  Gesandten 
diesen  behielten  und  mit  ihm  nach  Czcrnowitz  reisten. 


248 

10.  October  erhielten  die  Gesandten  das  Patent,  welches  noch 
gegenwärtig  in  Mitoka-Dragomima  aufbewahrt  wird.*  Bald 
darauf  traten  sie  die  Rückreise  an  und  trafen  am  31.  October 
mit  dem  Freiheitsbriefe  und  dem  vom  8.  October  datierten 
Schreiben  des  Hofkriegsrathes  in  Czemowitz  ein.*  Sie  hatten 
während  ihrer  Anwesenheit  in  Wien,  unterstützt  vom  Feuer- 
eifer Kaiser  Josephs,  in  wenigen  Tagen  ein  Geschäft  abge- 
wickelt, das  nach  dem  ,ordentlichen  Verfahren'  wohl  mehrere 
Wochen,  wenn  nicht  Monate  beansprucht  hätte. 

Enzenberg  hatte  inzwischen  gemäss  der  an  ihn  unter  dem 
6.  October  ergangenen  AuflForderung  des  Hofkriegsrathes  am 
19.  October  einen  ausführlichen  Bericht  an  denselben  erstattet. 
In  demselben  theilt  er  das  schon  oben  wieder  erzählte  Zu- 
sammentreflfen  des  Hauptmannes  Redange  mit  den  Lippowanem 
mit  und  zählt  die  Begünstigungen  auf,  welche  er  den  Lippo- 
wanem in  Aussicht  gestellt  hatte.  Letztere  Mittheilung  kam 
schon  zu  spät,  denn  inzwischen  hatten  die  Lippowaner  beim 
Kaiser  zum  Theile  weit  günstigere  bewirkt.  Enzenberg  hatte 
aber,  wie  er  weiter  mittheilt,  auch  bereits  an  den  Grenzen 
Vorbereitungen  getroflFen,  welche  die  Aufnahme  der  Einwan- 
derer betrafen.  Damals  gab  er  an,  dass  Felder  fUr  einige 
tausend  Familien  vorhanden  seien;  geschlossene  Ansiedelungen 
könnten  aber  etwa  6 — 7  von  je  hundert  Familien  in  der 
Horaiza  stattfinden,  d.  i.  im  östUchen  Hügellande  der  Bukowina 
zwischen  dem  Sereth  und  der  Suczawa,  wo  jetzt  die  Eisenbahn 
verläuft.  ,Ich  ziehe,'  schrieb  er  in  seinem  citierten  Berichte, 
eine  Lippowaner-Familie  fünfzehn  polnischen  oder  fiinf  mol- 
dauischen jederzeit  vor  und  nehme  sie  an.'*  Einige  Tage 
später,  am  27.  October,  verhält  sich  Enzenberg  bereits  etwas 


^  Dan,  Die  Lippowaner  in  der  Bukowina,  S.  14,  Anm.  79.  Nach  einer 
Bemerkung  in  der  Czemowitzer  Zeitung  1868,  Nr.  95  würde  daa  Pateut 
früher  unter  den  Acten  des  vormaligen  Bukowiner  Kreisamtes  sich  be- 
funden haben. 

«  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  14,  8.  90.  Den  von  Polek,  Die 
Lippowaner-Colonien  S.  6,  Anm.  14  citierten  Hofkriegsrathserlass  vom 
10.  October,  der  Enzenberg  die  Ansiedelung  der  Lippowaner  besonders 
ans  Herz  legt,  fand  ich  nicht  unter  Wickenbauser's  Materialien.  Doch 
vergl.  dessen  Anm.  a  in  Molda  V,  2,  S.  88,  wo  freilich  irgend  ein  Irr- 
thum  vorliegt  Wahrscheinlich  ist  die  Nr.  12  ein  Bruchstück  aus  dem 
vermissten  Erlasse;  dann  ist  aber  das  ,22.  October'  in  dieser  Nummer  falsch. 

3  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  13,  8.  90. 


249 

kühler  und  zählt  allerlei  Schwierigkeiten  der  Besiedelung  auf.  ^ 
Er  macht  darauf  aufmerksam,  dass  sowohl  die  geplante  Grenz- 
emrichtuDg  der  Bukowina,'  als  auch  das  in  der  Bukowina  er- 
richtete Remontierungsgestüt'  der  Ansiedelung  Schwierigkeiten 
bereiten.  Ersterer  Plan  habe  zur  Folge,  dass  die  an  der  Grenze 
iegeBden  Ortschaften  und  das  dahinter  auf  drei  bis  vier  Meilen 
liegende  Terrain  nicht  mit  Lippowanem  besiedelt  werden  könnte; 
ii&  Gestüt  bediene  sich  aber  gerade  der  Horaiza  zur  Grasung, 
ns  den  daselbst  bestehenden  Gemeinden  lästig  sei  und  vor 
Allem  die  Besiedelung  hindere.*  Dazu  komme  noch  die  Schwie- 
rigkeit, dass  die  Lippowaner  nur  in  selbständigen  Dörfern 
wohnen  wollen;  die  Ansiedelung  derselben  in  schon  bestehen- 
iien  Ortschaften  würde  übrigens  ,merkliche  Uebersiedelungen' 
der  im  Gange  befindlichen  Wirthschaften  herbeiftlhren.  Aber 
auch  in  diesem  Schreiben  hebt  Enzenberg  den  grossen  Vor- 
M  hervor,  welchen  das  gute  Beispiel  dieser  Ansiedler  auf 
&  Landsassen  der  Bukowina  üben  würde.  Als  nun  die  Ab- 
geordneten der  Lippowaner,  von  Wien  zurückkehrend,  am 
31.  October  in  Czernowitz  eintrafen,  erhob  Enzenberg  in  einem 
Tön  diesem  Tage  datierten  Berichte  neuerdings  Schwierigkeiten.^ 
Die  Einziehimg  und  Verwaltung  der  geistlichen  Güter,  führt  er 
W5,  bereiten  viele  Beschwerden;  nur  auf  diesen  könnten  aber 
ie  Lippowaner  angesiedelt  werden,  weil  in  der  Bukowina 
keine Cameralgüter  wären;  es  könnten  höchstens  auf  denKotz- 
•aaoer  bischöflichen  Gütern,  die  für  das  Aerar  schon  eingezogen 
worden  seien,*  60  bis  70  Familien  untergebracht  werden. 
Priratgrundherren  seien  nicht  geneigt,  fremde  Ansiedler  anzu- 

'BeÜÄge  4. 

*  Diegen  Plan  hatten  die  Generale  Freiherr  v.  SpUny  und  Freiherr 
T.  Elrichshansen  schon  im  Jahre  1774  ins  Auge  gefasst.  Vergl.  Kaindl, 
Joseph  II.  in  seinem  Verhältnisse  zur  Bukowina  (Czernowitz  1896)  S.  6  ff. 

'  Teber  die  Anfänge  dieses  Gestütes  vergl.  Polek,  Die  Anf&nge  des 
^  k.  Staatsgestütes  Radautz  (Jahrbuch  des  Bukowiner  Landesmuseums 
Q)  1894),  femer  unsere  Beilagen  4,  5,  21  und  26. 

•  Beilage  4  und  6. 

B^ihtge  5.  Aehnlich  ftussert  sich  Enzenberg  spftter  sowohl  in  seinem 
t>^ts  dtierten  Schreiben  vom  12.  November  1783  (Beilage  10),  als  auch 
>B  einem  Berichte  vom  23.  November  desselben  Jahres  (Beilage  11). 

'Diei  war  im  April  1788  geschehen.    Vergl.  Wickenhauser,  Molda  IV 

iGeschichte  des  Blsthum»  Radautz),  S.  65—82. 
A«kiT.  LXUIIl.  M.    n.  H4lfte.  17 


250 

nehmen.  Auch  vergisst  Enzenberg  in  üeineti  Berichten'  nicht 
hervorzuheben,  dass,  seit  er  die  Verwaltung  im  Jahre  ITiif 
übernommen  habe,  sich  gegen  13.000  Familien  in  der  Bnko 
wina  angesiedelt  hfttten,  woraus  er  —  wie  es  scheint  —  dei 
Regierung  den  Scbluss  nahelegen  wollte,  dase  eine  allzu 
eifrige  Besiedetungsthätigkeit  von  Seiten  des  Staates  nichl 
nOthig  sei. 

Wodurch  ist  der  Eifer  Enzenbei^'s  so  plätzlich  abgekuhll 
worden,  und  warum  findet  man  in  seinem  Schreiben  vod] 
31.  October  schon  gar  keine  Erwähnung  der  von  ihm  frUhei 
auf  der  Horaiza  geplanten  6 — 7  Ansiedelungen  von  je  hundert 
Familien?  Dieser  Umstand  fiel  natürlich  den  voi^esetzten  Be 
hOrden  auf,  und  als  Enzenberg  in  der  Folge  sowohl  die  An 
siedelung  der  Lippowaner  als  diejenige  der  Deutschen  nicln 
genügend  zu  f<)rdern  schien,*  wurde  der  Landesverweser  ini: 
Aufklärung  aufgefordert.  Dieselbe  bot  er  in  zwei  Schriftstücken 
die  vom  7.  und  14.  Juni  1784  datiert  sind,*  indem  er  zugleicl 
mit  Nachdruck  den  Vorwurf  der  Lässigkeit  von  sich  weist 
,Nachdem  ich  aber  —  schreibt  er  in  seiner  ,Meldung'  von 
7.  Juni  —  während  meiner  hiesigen  Anstellung  die  Bevölkerung 
des  Districts  bereite  um  die  Hälfte  vergrüssert  habe,  so  kann  mai 
doch  diesen  Wahn  (der  Lässigkeit)  von  mir  nicht  hegen.  Niclii 
einmal,  sondern  üflers  habe  ich  die  Bucowina  durchreiset,  alleir 
ich  konnte  mir  die  Grösse  deren  Dorfe-Hottare  nicht  bekanm 
machen,  und  den  Scbluss  fassen,  ob  auf  diesem  oder  jenen 
Hottar  zu  viel  oder  zu  wenig  Menschen  wohnen,  und  dit 
Horaitza,  welche  ich  nicht  einmal  wohl  sehr  oft  Überfahren 
käme  mir  so  wie  jedem  Anderen  unbevölkert  vor,  nacbdeu 
man  nicht  eine  einsame  Hütte  anf  selber  antrifft.  Ich  schiiebi 
demnach  unterm  19.  October  a.  praet.,  dass  auf  der  Horaltzi 
6  bis  7  Dörfer  angesiedelt  werden  könnten,  ohne  dass  it'l 
wusste,  dass  die  Horaiza  23  Dorfschaftcn  zugehOrc,  welcin 
ihren    Heuschlag    darauf  hatten.     Die   von   der  Metzgeriscbei 

'  Beilofe  4  und  5.    Vergt.  Auch  weiter  unten  im  Te:it«. 

*  Vergl.  Wiekenhauner,  Holdall,  3,  S.  lOOff. 

'  Diese  zwei  SctiriftgtQcka  werde  ich  iu  einer  Arbeit  Ober  die  dentsrbei 
Siedelungen  in  der  Bukowina  verOfientiichen.  Troti  der  Aunfllliniii^ 
Enienberg'ii  kann  man  ihn  nicht  t-on  der  AbneiguDg  ^gen  die  Coloni 
entioQ  freispreclien. 


251 

Commission  *  gesetzten  Hügel  erweckten  in  mir  einen  Verdacht, 
taram  mehrere  Hügel  auf  dieser  Strecke  Feldes  sich  vorfinden, 
3a  ich  die  Horaitza  ein  Eigenthum  einiger  Klöster  glaubte, 
welche  ihren  Handel  mit  dem  darauf  wachsenden  Heu  treiben. 
Allein  durch  diese  Commission  musste  ich  erfahren,  dass 
22  Dorfschaften  die  Horaitza  unter  sich  theilen  und  hierauf 
ihre  Nahrung  haben.  Ich  würde,  wenn  ich  von  dieser  Be- 
schaffenheit so  unterrichtet  gewesen  wäre,  die  Berichte  freilich 
nicht  so  einbefördert  haben,  und  da  ich  nun  eines  besseren 
belehret  bin,  wird  man  jedoch  den  Staat  oder  mich  nicht 
^fen,  und  etwa  teutsche  Colonisten  auf  gerathe  Wahl  (!)  hie- 
lier  schicken.  Man  behauptet  eine  Meinung  so  lange,  als  man 
Tom  Gegentheil  nicht  überzeugt  ist;  indessen  ist's  doch  inmier 
besser,  selbe  widerrufen,  als  durch  eine  Hartnäckigkeit  dem 
Staate  Schaden  zu  verursachen.'  Um  seinen  Irrthum  zu  ent- 
icholdigen,  fiigt  ferner  Enzenberg  der  zweiten  ,Meldung'  hin- 
n:  .Allerdings  ist  die  Administration  mit  der  Horaitze  (!)  in  An- 
sdinng  der  allda  zu  bewirken  könnenden  vermeinten  Ansiedlung 
fetäoscht  worden.  Aber  nehme  man  auch  das  Aergeste  an,  dass 
Dian  sich  in  Ansehung  6 — 7  Dörfer-Aufstellung,  mithin  wegen 
Interbringung  und  der  nöthigen  Unterkunft  für  600 — 700,  oder 
aach  1000  Familien  versehen  habe,  welches  noch  einem  jeden, 
1er  über  die  Horaitze  gereiset,  aufgefallen  ist,  so  ist  doch 
Jieses  Versehen  lang  nicht  so  arg,  als  der  des  vorigen  Map- 
pierungsdirecteur  Budinsky  *  geometrische  Verstoss  gewesen,  wo 

^  Zar  Ueberwachung  und  Feststellung  der  Grundbesitzverhältnisse  in  der 
Bukowina  wurde  im  Herbste  des  Jahres  1781  eine  Commission  aus  zwei 
Militärpersonen  und  zwei  Abgeordneten  des  Landes  eingesetzt;  den  Vor- 
*iti  ftibrte  der  Commandant  des  ersten  Gamisonsregimentes,  Oberst 
T.  Metiger.  Diese  Commission  yoUendete  während  der  Jahre  1782  bis 
17S4  ihre  Arbeit  und  lieferte  in  176  Protokollen  die  unter  der  Be- 
i^Qmnng  ,Metzgerische  Abgrenzung^acten*  bekannte  Grundlage  der  im 
Jihre  1792  errichteten  Landtafel.  (Vergl.  den  Bericht  des  Bukowiner 
Lftndesaasschusses  über  dessen  Thätigkeit  seit  1.  Februar  1863,  S.  32.) 

*  Johann  Budinszky  hatte,  als  die  in  der  yorhergehenden  Anmerkung  ge- 
unnte  Commission  zusammengesetzt  wurde,  die  Leitung  der  geometrisch- 
Ökonomischen  Aufoahmen  erhalten.  Diese  Mappierung  wurde,  nachdem 
anders  der  Theil  der  Bukowina  zwischen  dem  Dniester  und  Pruth 
ao^euommen  worden  war,  von  Kaiser  Joseph  bei  seiner  Anwesenheit  in 
d«r  Bukowina  im  Jahre  1783  als  eine  ,in  hypothesi .  .  .  unnütze  und  sehr 
^ostipielige  Sache'  aufgehoben  (vergl.  des  Kaisers  Schreiben  ddo.  Czemo- 
Witt,  19.  Juni  1783,  bei  Polek,  Josephs  II.  Reisen,  S.  61,  Punkt  6).  Auf 

17* 


252 

derselbe  mittels  seinen  Bericht  von  12.  Aogast  1782^  der  unterm 
14.  dicti  m.  et  a.  einem  hohen  Generalcommando  unterlegt  wor- 
den^ zwischen  Pruth  und  Niester  [Dniester]  3  bis  4000  Familien 
ansiedlen  zu  können  angezeigt  hat.  Wenn  das  geometrische 
Absehen  in  einer  Gegend^  wo  augenleuchtend  schon  so  yiele 
Dörfer  vor  Oesicht  liegen,  sich  so  weit  verfehlet  hat,  wie  viel 
mehr  konnte  nicht  auch  die  Administration  sich  in  der  nicht 
dörfer-,  sondern  häuserlosen,  einer  öden  und  wüsten  Haide 
ganz  ähnlichen  Horaitze  versehen.' 

So  viel  über  die  Gründe,  welche  Enzenberg  fast  plötzlich 
das  Ansiedelungsgeschäft  verbitterten.  Er  musste  offenbar 
zwischen  dem  19.  und  27.  October  über  die  Besitzverhältnisse 
auf  der  Horaitza  aufgeklärt  worden  sein;  nur  so  wäre  der 
mit  einem  Male  geänderte  Ton  seiner  Berichte  erklärlich.  Da- 
gegen fkllt  es  freilich  auf,  warum  er  nicht  sofort  seinen  Irr- 
thum  einbekannte.  ^  Wie  dem  aber  auch  sein  mag,  Enzenberg 
hat  doch  nichts  ausser  Acht  gelassen,  was  ihm  für  die  An- 
siedelung förderlich  schien.  Sofort  am  31.  October  und  sodann 
am  1.  November  hatte  er  eine  Reihe  von  wohldurchdachten 
Verfügungen  getroffen,  worüber  er  auch  ohne  Verzug  an  die  vor- 
gesetzten Behörden  die  entsprechenden  Berichte  erstattete.^ 

Zunächst  befahl  er  den  Gesandten,  nichts  von  der  beab- 
sichtigten Uebersiedelung  der  Lippowaner  zu  verlautbaren,  weil 
sonst  dies  Vorhaben  ,durch  boshafte  Menschen,  besonders  durch 
Juden,  den  moldauischen  Befehlshabern  verrathen  und  dadurch 
alles  verhindert  würde'.  Daher  überredete  er  sie,  auch  ihre  Kaf- 
tans  und  ein  kostbares  Seitengewehr,  mit  dem  sie  viel  Aufsehen 
erregten,  abzulegen.  In  Wien  hatte  Aleide wicz  angegeben,' 
dass  er  diese  Waffe  und  Kleidung  vom  türkischen  Kaiser  er- 
halten  hätte,   und  gleichzeitig  gebeten,   ihm    das  Tragen   der- 


den  Erfahrungen,  welche  Budinszky  bei  seinen  Arbeiten  gesammelt 
hatte,  beruhen  seine  Ausführungen  in  der  oben  S.  242,  Anm.  1  citierten 
Schrift. 

^  Dass  Ensenberg  am  27.  October  1783  bereits  wosste,  dass  die  Horaisa 
einigen  Gemeinden  gehöre,  geht  aus  Beilage  4  klar  hervor;  seinen  Irr- 
thum  gesteht  er  aber  daselbst  nicht  ein,  sondern  bespricht  die  Hinder- 
nisse, welche  das  Gestflt  bereite. 

'  Wickenhauser,  Molda  Y,  2,  Nr.  14,  8.  90;  femer  die  Beilagen  ö, 
6  und  8. 

*  Ebenda  Nr.  11,  8.  87  und  Beilage  12. 


253 

selben  zu  gestatten,  was  —  wie  es  scheint  —  ihm  auch  zuge- 
'taoden  worden  war.  In  Czemowitz  gaben  die  Gesandten  an, 
sie  kfttten  die  Eaftans  in  Wien  erhalten;^  den  Lippowanem 
aber  scheint  Alexiewicz  später  gesagt  zu  haben,  dass  er  das 
Ängewehr  vom  österreichischen  Kaiser  erhalten  hätte.*  Erst 
später  kam  es  heraus,  dass  er  sich  insbesondere  den  Säbel 
selbst  gekauft  habe^  um  damit  eine  freilich  verfehlte  Specu- 
Istion  zu  treiben^  wie  wir  noch  weiter  unten  sehen  werden. 

Hierauf  traf  Enzenberg  die  Verfügung,  dass  Alexiewicz  sich 
3ach  Suczawa  begebe,  um  dort  die  heranziehenden  Einwanderer 
10  empfangen;  Larianow  sollte  aber  in  die  Moldau  ziehen,  um 
lieselben  herbeizuführen.  Letzterer  erhielt  100  Marken,  mit 
lenen  sich  die  heranziehenden  Ansiedler  an  den  Grenzen  aus- 
weisen soUten,  um  unbehindert  zu  passieren.  Derartige  Zettel 
^en  auch  den  Grenzwachen  übermittelt,  damit  sie  die  vor- 
^wiesenen  auf  ihre  Echtheit  prüfen  könnten;  Officiere  und 
Wichter  wurden  zur  grössten  Vorsicht  aufgefordert.  Auch  ge- 
blattete Enzenberg  nicht,  dass  die  Einwanderer  an  einem 
'hte  (Bossance  bei  Suczawa)  einbrechen,  sondern  an  ver- 
jcliiedenen  Orten,  in  kleinen  Zügen,  wo  möglich  auch  auf 
ffclJeiehwegen ;  alle  diese  Vorsichtsmassregeln  waren  nöthig, 
m  nicht  die  moldauischen  Behörden  aufmerksam  zu  machen. 
Ausserdem  befahl  Enzenberg  allen  ünterbehörden,  den  Ein- 
wanderern möglichste  Hilfe  zu  gewähren,  und  insbesondere  er- 
iiielt  Alexiewicz  an  die  Behörden  in  Suczawa  ein  Schreiben, 
welches  ihn  dem  weitgehendsten  Entgegenkommen  empfahl. 
Nachdem  er  sodann  noch  an  die  beiden  Gesandten  laut  hofkriegs- 
räihücher  Verordnung  zu  den  bereits  an  sie  und  den  Dolmetsch 
ia  Wien  ausgezahlten  300  fl.  weitere  200  hinzugefügt  hatte,  ^ 
reisten  Larion  und  Alexiewicz  am  1.  November  ab;  dagegen 
feb  Kowacz  in  Czemowitz,  wo  er  Enzenberg  in  der  Folge 
Eiancherlei  Sorgen  durch  seine  Liederlichkeit  bereitete.  Weil 
^  die  nach  dem  Banate  ziehenden  Familien  begleiten  sollte, 
'^ard  ihm  bis  auf  Weiteres  ein  tägliches  Gehalt  von  30  Kreuzern 
tewiDigt  worden;*  später  musste  man  ihm  dasselbe  auszahlen 


'  Wickenhauser,  Molda,  V,  2,  Nr.  14,  S.  90. 

*  Vergl.  weiter  anten  S.  256. 

*  Beilage  2  und  Beilage  12. 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  15,  S.  91  und  Beilage  12. 


254 

und  Alles  von  ihm  ertragen,  weil  man  fürchtete,  er  könn 
sonst  die  geplante  Uebersiedelung  verrathen  und  so  hinto 
treiben.^  Im  Februar  1784  dachte  zwar  der  Hofkriegsrai 
daran,  ihn  nach  Ungarn  zurückzuschaffen,*  dagegen  befahl  d\ 
Kaiser  in  einem  Handschreiben  vom  16.  März,  ihn  noch  so  lan{ 
zu  behalten,  bis  sich  die  Angelegenheit  entschieden  hätte 
Erst  als  man  Kenntniss  erhielt,*  dass  die  Auswanderung  d< 
Lippowaner  nach  Oesterreich  in  der  Moldau  bekannt  geword^ 
sei,  zeigte  sich  der  Kaiser  geneigt,  Kowacz  im  August  zu  et 
lassen.^  Dies  scheint  Enzenberg  auch  thatsächlich  gethan  a 
haben. 

Alle  oben  angefiihrten  Verordnungen  und  Vorkehrung^ 
wurden  vom  Kaiser  und  Hofkriegsrathe  gu^eheissen.  Da  Enzei 
berg  jedoch  den  Ansiedlern  nur  drei  Freijahre  versprochen  hatt 
so  wurde  er  angewiesen,  nunmehr  gemäss  der  Bestinunung  d^ 
Patentes  allen  neu  angesiedelten  Lippowanern  zwanzig  Jahre  2 
gewähren.  Ansiedlem,  die  nach  dem  Banate  wollten,  sollten  (täj 
liehe)  Unterstützungen  von  2  Kreuzern  flir  jede  Person  erhalten; 
Unbemittelten,  welche  Kinder  hatten,  wurde  über  Einschreitc 
Enzenberg's'  auch  Vorspann  bewilligt.®  Ausserdem  fehlte  i 
nicht  an  beständigen  Ermahnungen,^  die  Ansiedler  durch  all 
mögUchen  Mittel  zu  fördern,  flir  sie  Alles  vorzubereiten,  im 
besondere  das  Holz  flir  den  Häuserbau  zu  schlagen.^^  S0III 
man  die  Einwanderer  wegen  der  Pestgefahr  in  Contumaz  halte 
müssen,  .so  mögen  flir  sie  die  nöthige  Unterkimft  und  die  Lebern 
mittel  besorgt  werden.^^  Der  Kaiser  selbst  erliess  am  20.  N< 
vember  ein  Handschreiben,^*  in  welchem  er  sich  selbst  en 
schlössen  zeigte,  das  Remontierungsgestüt  nach  dem  Banal 
und  nach  Ungarn  zu  verlegen,   weil  dieses  der  ,anwachsende 


^  Beilage  15  und  16. 

*  Beilage  17. 

'  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  18a,  S.  94. 

*  Ebenda  Nr.  19,  S.  95. 

»  Ebenda  Nr.  21,  S.  96,  Nr.  25,  8.  99  und  Beilage  27. 

*  Beilage  9. 

^  Beilage  11. 

«  Beilage  13. 

«  Beilage  12. 

10  Beilage  13. 

"  Beilage  12. 

1«  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  15,  S.  91f.  und  Nr.  17,  S.  93. 


255 

Bevölkerung'  nachstehen  sollte.  Dagegen  wurde  in  demselben 
betont,  dass  die  Lippowaner-Popen^  unter  dem  Radautzer  Bischof 
and  dem  diesem  übergeordneten  Metropoliten  von  Karlowitz* 
stehen  müssten^  ,weil  ihretwegen  von  dem  allgemeinen  Satz 
des  au%ehobenen  Verbandes  mit  der  fremden  Geistlichkeit 
flicht  abgegangen  werden  könntet  Auch  sollte  die  gewährte 
Steuerfreiheit  nur  den  neu  Angesiedelten^  nicht  aber  denjenigen 
sogute  kommen,  welche  sich  schon  vor  neim  Jahren  (1774) 
ohne  eine  Bedingniss  im  Lande  niedergelassen  hätten.^  In  dem 
oben  citierten  Schreiben  vom  16.  März  bewies  der  Kaiser  auch 
in  Bezug  auf  diese  Angelegenheiten  einen  besonders  scharfen 
Bliek.  Enzenberg  hatte  nämlich  den  bereits  ansässigen  Lip- 
powanem  mitgetheilt,  dass  ihr  Pope  gemäss  kaiserlichen  Be- 
fehlen unter  dem  Bukowiner  Bischof  und  dem  diesem  über- 
ffeordneten  Erzbischof  von  Karlowitz  zu  stehen  hätte.  Die 
lippowaner  wollten  dies  aber  nicht  nur  nicht  zugeben,  sondern 
sie  liessen  auch  merken,  dass  sie  es  denjenigen  mittheilen 
würden,  welche  einwandern  wollten,  wodurch  deren  Ansiedelung 
hintertrieben  würde.*  Der  Kaiser  rieth,  auf  keinen  Fall  allzu 
streng  vorzugehen,  bevor  die  Ansiedelung  zu  Stande  käme;  aber 
aach  dann  solle  man  es  vor  Allem  versuchen,  den  Popen  zu 
^winnen ;  sobald  sich  dieser  von  der  Unterwürfigkeit  unter  die 
rassischen  Bischöfe,  an  welcher  die  Lippowaner  festhalten 
wollten,*  befreien  werde  wollen,  wüi'de  es  ihm  leicht  sein,  auch 
die  Gemeinde  dafür  zu  gewinnen. 

Während  so  von  den  österreichischen  Behörden  alle  erdenk- 
lichen Anstrengungen  gemacht  wurden,  dass  die  Ansiedelung 
der  Lippowaner  vom  schwarzen  Meere  nicht  hintertrieben  würde, 
und  dass  diesen  Uebersiedlem  möglichste  Unterstützung  zutheil 

^  Vergl-  oben  S.  i>39. 

'  Das  Bukowiner  Bisthum  hatte  seit  1782  (kaiserliche  Entschliessung 
Yom  12.  December  1781)  seinen  Sitz  in  Czernowitz  und  unterstand  zu- 
folge kaiserlicher  Anordnung  vom  5.  Juli  1783  der  Metropolie  von  Karlo- 
witz in  Slavonien,  worauf  es  im  Jahre  1873  zum  Erzbisthume  für  die 
Bukowina  und  Dalmatien  erhoben  wurde. 

»  Vergl.  oben  S.  240. 

*  Beilage  15. 

^  In  der  Beilage  15  werden  geradezu  der  Bischof  und  Erzbischof  von 
Moskaa  als  diejenigen  genannt,  denen  die  Lippowaner  ihren  Popen  unter- 
steUt  wissen  wollten. 


56 

erde,  meldeten  sich  aus  eigenem  Antriebe  Lippowaner  aus 
er  tllrkischen  Moldau  zur  Ansiedelung.  Die  VerhandluDgen 
:heinen  bereite  anfangs  November  1783  begonnen  zu  haben.' 
m  18.  December  fanden  sich  sodann  sechs  Lippowaner  ans  Ko- 
.estie  beim  Suczawer  Bistrictsdirector  Storr  ein  und  verab- 
ideten  daselbst  mit  den  Lippowanem  aus  Mitoka,  dass  sämmt- 
che  zwanzig  Familien  aus  Eostestie,  sobald  der  Schnee 
:hmelzen  würde,  nach  Mitoka  ziehen  sollten.*  Sie  wollten  nur 
nter  ihrem  eigenen  Schulzen  stehen,  mit  Alexiewicz  aber  nichts 
emein  haben;  ihre  Abneigung  gegen  ihn  gieng  so  weit,  dass 
e  selbst  die  dorcb  ihn  bewirkte  zwanzigjährige  Steuerfreiheit 
icht  beanspruchten,  Bondem  sich  mit  drei  steuerfreien  Jahren 
egnUgten,  wahrend  welcher  sie  ihre  Häuser  bauen  und  die 
firthschaften  einrichten  wollten.  Hierin  scheinen  sie  von  den 
Ütokem  beeinfiuBst  worden  za  sein,  denn  diese  klagten  um 
ieselbe  Zeit*  dem  Suczawer  Districtsdirector,  dass  Alexiewicz 
ich  mit  der  üofihung  trage,  das  Oberhaupt  aller  Bnkowiner 
lippowaner  zu  werden.  Er  rUhme  sich,  den  Sftbel  vom  Kaber 
rhalten  zu  haben;  das  militärische  Abzeichen  errege  aber  bei 
'^ielen  die  Furcht,  dass  sie  mit  der  Zeit  zum  Milit&r  genommen 
rUrden.  Auch  venieth  Larianow,  der  ebenfalls  mit  Alexiewicz 
erfallen  war,  daes  dieser  sich  die  Waffe  selbst  gekauft  habe, 
lo  kam  der  herrBchsUchtige  Mann  in  allgemeinen  Misscredit; 
och  gestattete  ihm  der  Kaiser  am  16.  März,  auch  fernerhin 
en  Sftbel  so  lange  zu  tragen,  als  er  damit  Niemandem  einen 
Ichaden  zufügen  wUrde.*  Bei  den  Lippowanem  erregte  Ale- 
jewicz  übrigens  mit  seinem  Säbel  Aergemiss,  weil  ihre  Re- 
^onsgesetze  ihnen  das  Tragen  von  Waffen  verbieten.  Daher 
ah  er  sich  schliesslich  im  Mai  oder  Juni  1784  veranlasst,  auf 
ein  Seitengewehr  zu  verzichten.* 

Für   Enzenberg   ergab    aber    die    eingetretene   Spannung 
wischen  den   Bukowiner  (Mitoker)   und   moldauischen   Lippo- 


'  Dkninf  weisen  die  Anfan^worte  im  Benchte  Storr'g  ddo.  !3.  April  1784 
(Wickenfaaaser.HoldaT,  ä,Nr.  19,  S.  95):  ^luder  tOrkisctieii  Uoldan 
sind  seit  1,  NoTember  17S3  neben  Familien  angeketomen  .  ■  .' 

■  Beilag«  16. 

'  Verg'l.  die  eben  citierte  Beila^ 

*  B^l«^  17  Qitd  Wickenhanier  a.  eben  a.  O.,  Hi.  1B&,  S.  94. 

■  Ver^.  den  Bericht  Eoaeoberg'a  ddo.  SS.  Juni  178i  b^  Wickankanser, 
S.  101. 


267 

wanem  einerseits,  und  den  Uebersiedlern  vom  schwarzen  Meere 
andererseits  eine  Quelle  neuer  Sorgen.  Hatte  er  nämlich  bis- 
her, wie  er  dies  in  einem  späteren  Schreiben  vom  3.  Mai  1784 
an  den  Hof kriegsrath  hervorhebt,  ^  sich  Hoffnung  gemacht,  alle 
diese  Lippowaner  in  den  schon  bestehenden  Colonien  Mitoka 
und  Klimoutz  zusammenzusiedeln,  wobei  allenfalls  die  Grenzen 
dieser  Gemeinden  zu  erweitem  gewesen  wären,  so  musste  dies 
unterbleiben;  man  musste  vielmehr  daran  denken,  einen  Ort 
nir  eine  neue  Lippowaner-Colonie  ausfindig  zu  machen,  da  das 
Zasammenaiedeln  derselben  mit  Andersgläubigen  in  vorhinein 
ausgeschlossen  war.  Anders  fasste  Kaiser  Joseph  die  Ange- 
legenheit auf;  *  er  war  der  Meinung,  die  Uneinigkeit  zwischen 
den  Lippowanem  und  die  Gehässigkeit  eines  Theiles  derselben 
gegen  Alexiewicz  sei  nur  von  Vortheil,  weil  dann  diese  nicht 
das  Recht  der  zwanzig  Freijahre  beanspruchen  könnten. 
Uebrigens  hatten  die  Verhandlungen  mit  den  Lippowanem  aus 
der  Moldau  keinen  grossen  Erfolg.  Aus  einem  Berichte  vom 
22.  April  1784  erfahren  wir,*  dass  bis  zu  diesem  Tage  nur 
sieben  Familien  eingewandert  waren,  von  denen  sich  eine  in 
Klimoutz,  die  anderen  sefehs  in  Mitoka  niedergelassen  hatten.^ 
Am  29.  April  1784  kamen  ebenfalls  nur  zwei  Familien,  die 
nach  Klimoutz  giengen.^  Vielleicht  hatte  auf  diese  Einwan- 
derung der  Umstand  störend  gewirkt,  dass  Enzenberg  die 
zwanzig  Familien,  welche  insgesammt  nach  Mitoka  ziehen  wollten, 
nach  Klimoutz  zu  leiten  beabsichtigte,  ,da  in  Dragomima  schon 
zenug  Bewohner  sind'.^     Doch   wanderten   auch   später   wahr- 

*  BeiUge  19;  vergl.  auch  Beilage  15. 

»  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  18a,  S.  93f. 

*  Ebenda  Nr.  19,  S.  95. 

*  Dass  diese  Lippowaner  am  18.  December  1783  einwanderten,  behauptet 
Wickenhauser,  Molda  II,  2,  S.  95f.,  wahrscheinlich  auf  Grund  unserer 
Beila^  15,  wo  aber  dieses  Datum  eigentlich  nur  als  Tag  der  Ver- 
handlong  mit  Storr  genannt  wird.  Auch  Polek,  Die  Lippowaner- 
Colonien,  S.  6,  führt  den  18.  December  als  Einwanderungstermin  an; 
derselbe  unterscheidet  auch  nicht  die  Einwanderer  aus  der  Moldau  von 
denen  vom  schwarzen  Meere. 

^  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  20,  S.  96.  —  Anders  stellt  Wieken- 
hau s er,  Molda  II,  2,  S.  96  den  Sachverhalt  dar,  doch  ist  hier  das 
Datum  17.  April  sicher  irrig  und  überdies  die  Lippowaner  aus  der  Moldau 
und  diejenigen  vom  schwarzen  Meere  nicht  genügend  auseinander- 
griialteiL 

*  Beilage  15. 


ji        "■     I      ..i     -sulTi     ii'T  Bukowina, 
-    --^        — irr«-    '«•rr.ra  wzr^L- 

"  *-  ^^r--^     »•r**^-    MICH    üu  ersten 
:--  -     1  -r-    tzirr^r^  rfr-d-  -  Am.  5l  Jjuiaar 

I ^?r-    -iLLi  -- ^^^    ^*^  darauf 

—    :=:!      _"r    ILl   -fn    uiiL    toiicsorielen 

— ■     iir    T-^    .ft?fr3iE?i^aLur*Ti  Barschen 

_     n      --— "^  "^tr^pan     Zißse  üieilten 

_     z      --'    -:-i.:riL,rrfi-    «k   irireii  aber 

— --*     -  .    —  _    :3fc-   aum^iirte  Vieh 

_-   _"  »^z.    ^n  ^    -»»HrißiL  1=1  Fruh- 

:-r     :r       -r^^   -r:^   irner-iimES  «ne  Ver- 
TT-    •  -      .-     _  -L^^-Ji-     im    £»t   Ansiedler 

*     Der  Hof- 

itiiha  -üe  Ceber- 

rtr  die  An- 


.;.  r        -^1       1    j .    -     =*  4is*    üu  i:stocischen 

^  .    -*    —    —  -      '^'-.r^  rL  v^-r-it^iL   A^'cfc  wurde 

- ,.        -—       r    i_-. --_Lrz-  —    1Ü&  3iU&£  Z3  leiten, 

-^"    -^-^ 1   - n.   '™    iitf  Aa^edeluDg 

'    -    _    -      ■-'■-_.       j:     '  1  -    n  _t.is=eiuiir.  *   Dereine 

_        —         :     ..-—_---.     ^        _T-     .  :=.  AI -öOfcHr  DtfcäTOCiima 

.-*.  *--:     ■    -1    il  ^  r      -  L^-r^  ~    -iiiieai  Pächter 

_^  i      -    .-  '■     -:"'-._  1.     ▼***     t;-'    ^i*.L:w   man    es 

'   ---         *        ""*    -      :r    11    i/::n^*fii.     Fir:i'rr  war  die 

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259 

Alexiewicz  noch  zehn  andere  Familien,  femer  drei  ledige  Bur- 
schen (Buriaken)  und  flinf  Kaluger  angekommen  —  über  Kli- 
moutz  nach  Korczesti  und  Wamiza  geschickt  hatte,  damit  die- 
selben die  Oertlichkeit  in  Augenschein  nähmen.  Damals  war 
auch  bereits  bekannt  geworden,  dass  die  Auswanderung  der 
Lippowaner  in  der  Moldau  entdeckt  worden  sei;  ihr  Igumen 
wäre  verhaftet  worden  und  hätte  sich  nur  mit  Geld  losge- 
kanft.^  Auch  hierüber  berichtete  Enzenberg  an  den  Hofkriegs- 
rath,  und  nun  kamen  aus  Wien  mehrere  kaiserliche  und  kriegs- 
räthliche  Erlässe.*  Enzenberg's  Vorbereitungen  wurden  zur 
Kenntniss  genommen;  er  wird  ermahnt,  dass  die  Lippowaner 
nur  auf  Cameral-  oder  geistlichen  Gütern  angesiedelt  werden 
durften;  anderen  Leuten  mögen  ihre  Gründe  nicht  wegge- 
nommen werden;  wem  es  nicht  in  der  Bukowina  gefüllt,  der 
möge  ins  Banat  gehen,  wohin  ihm  Vorspann  zu  leisten  sei  und 
wo  ebenfalls  Ansiedelungen  auf  Cameralboden  stattfänden;  die 
Staatsadministration  der  geistlichen  Güter  möge  endlich  einmal 
eingerichtet  werden;  Kowacz  sei  mindestens  bis  zum  August 
zu  behalten,  weil  noch  immerhin  Lippowaner  kommen  könnten, 
wenn  auch  ihre  Auswanderung  verrathen  sei;  gleichzeitig  wurde 
<iem  Generalcommando  in  Lemberg  und  Enzenberg  bedeutet, 
dass  sie  flir  höchst  verantwortlich  erklärt  würden,  wenn  die  An- 
siedelungen, insbesondere  diejenige  der  Lippowaner,  nicht  zu 
^de  kämen.  Als  man  hierauf  gegen  Ende  Mai  in  Wien  er- 
&hren  hatte,  dass  ein  Igumen  dieser  Lippowaner  (am  10.  Mai)  ein- 
getroflfen  sei,  forderte  der  Hof  kriegsrath  Enzenberg  auf,  mit  Hilfe 
desselben  für  die  Einwanderung  Stimmung  zu  machen.  Auch 
sprach  der  Hofkriegsrath  sein  Befremden  darüber  aus,  dass 
Enzenberg  beim  Anweisen  der  Gründe  flir  die  Lippowaner  — 
worauf  wir  weiter  noch  zurückkommen  werden  —  die  Inter- 
vention des  Klosters  Putna  und  des  Consistoriums  (Bisthum- 
rathes)  gesucht  hätte;  da  die  geistlichen  Güter  in  Staats- 
ädministration  übergangen  seien,  der  Bisthumrath  aber  nur  in 
^ligiösen  Dingen  mitzusprechen  habe,  so  sei  die  Landesver- 
waltung in  dieser  Angelegenheit  selbständig.   Befremdlich  fand 


'Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  19,  S.  95  und  Nr.  26,  S.  104;  femer 

Beilage  21. 
*  Beilage  20,  22,  23,  24,  27,  28,  30  und  Wickenhauser  a.  a.  O.  Nr.  21 

and  25,  8.  96  und  99. 


der  Uofkriegsrath  aach,  d»88  an  die  Lippowaner  das  Än- 
aen  geateUt  werde,  Grundsteuer  und  Zehent  zu  geben,  da 
en  doch  swanKigjährige  Steuerfreiheit  zugesichert  worden 
und  sie  nur  auf  St»«tsgatem  anzusiedeln  seien.  Auch  diese 
merkung  wird  durch  die  folgende  Äusfllhrung  näher  be- 
chtet  werden. 

Alle  diese  hochortigen  Erlftsse  waren  in  wenig  mehr  als 
em  Monate  ber^l^Ungt  (12.  Mai  bis  16.  Juni  1784).  Withrend 
ser  Zeit  wmreo  aach  die  Behörden  in  der  Bukowina  nicht 
£sig  gewesen.  Wie  bereits  oben  mitgetheilt  worden  ist, 
reu  diejenigen  Lippowaner  vom  schwarzen  Meere,  welche 
h  bis  »am  ÄJ.  April  in  Suczawa  versammelt  hatten,  an 
sem  Tage  vom  Snczawer  Districtsdirector  Storr  über  KU- 
atz  nach  Korc«esti  und  Wamitza  geschickt  worden,  um  diese 
biete  EU  prOfen.  Am  27.  kehrten  dieselben  zurück  und 
lilten  mit,  dass  KorcMsti  weder  anbaufähigen  Boden  noch 
le  Statte  fUr  die  Dorfänhige  biete.  Dagegen  sei  Wamiza 
ar  bequem,  doch  zu  klein;  man  mQge  ihnen  daher  auch 
len  Theil  der  Horaiaa  geben.  Da  sich  um  dieselbe  Zeit 
exiewicz  und  Larianow,  die  schon  früher  sich  verfeindet 
tten,  trennten,  traten  alle  in  Suczawa  anwesenden  elf  Fa- 
lieD  auf  die  Seite  des  offenbar  geachteteren  Larianow.  Dieser 
schloss  nun  sofort  mit  seinen  Begleitern  nach  Wamiza  zu 
shen,  wahrend  Alexiewicz  in  Suczawa  weitere  Zuzüge  er- 
wten  wollte.  Als  SiedelangsstStte  für  diese  Lippowaner  unter 
exiewicz  war  am  29.  April  das  Vorwerk  Durnestie  bei  Ra- 
,utz,  das  der  Bischof  innehatte,  in  Aussicht  genommen. ' 
ihliesslich  aber  gieng  auch  er  mit  seinem  Anhange  nach 
ir  Wamiza.'  Zusammen  waren  dahin  16  Familien,  3  Bur- 
hen,  1  Igumen  und  6  Kaluger  abgegangen,^  woraus  hervor- 
ilit,  das8  die  Lippowaner  trotz  der  durch  den  Verrath  wach- 
irufenen  Wachsamkeit  der  moldauischen  Behörden  Mittel  und 
'ege  fanden,  in  die  Bukowina  zu  gelangen.  Storr  wandte 
ih  nun  auch  an  das  Kloster  Putna  um  Abtretung  von 
0  Faltschen  Wiesengrund,    welche    auf   der   Horaiza    neben 

'  Wickenhauser,  Uolda  V,  2,  Nr.  20,  S.  96. 

»  Wickonhauaer,  Mold«  D.  2,  8.  96  gibt  an,  dsM  alle  Lippowaner  »m 

29.   und   30.  April   nach   Waroiu  giengen;    vergl,  Holda  V,  2,   Nr.  ao 

H.  B6  (.heute  oder  mor^n'). 
■  lieilage  21. 


261 

dem  Orte  lagen,  wo  das  Dorf  erbaut  werden  sollte;^  zugleich 
bat  er  Enzenberg,  den  entsprechenden  Auftrag  an  das  Kloster 
^langen  zu  lassen.  Da  inzwischen  einige  Fratautzer  und  Unter- 
Wikower'  gegen  die  Besiedelung  der  Warniza  wegen  ihrer 
Weide  daselbst  Einspruch  erhoben  hatten,  begab  sich  Storr 
selbst  an  Ort  und  Stelle  und  bewog  die  Kläger,  auf  jene 
Gründe  keine  weiteren  Ansprüche  zu  erheben.  Die  Lippowaner 
erhielten  nun  auch  die  110  Faltschen  angewiesen  und  erklärten 
sich  nach  einigem  Widerspruche  bereit,  den  Zehent  und  grund- 
terriiche  Abgaben  zu  entrichten;  letztere  Bestimmung  war,  da 
die  Verstaatlichung  der  Klostergüter  bereits  ausgesprochen  war 
und  die  Lippowaner  von  allen  Staatsabgaben  durch  zwanzig 
Jahre  befreit  waren,  ganz  ungehörig,  was  auch  vom  Hof  kriegs- 
rathe  mit  Recht  hervorgehoben  wurde.  Trotzdem  mussten  die  An- 
siedler auch  später  die  Grundgiebigkeiten  entrichten,'  besonders 
(ia  der  Staat  seine  herrschaftlichen  Rechte  an  Pächter  abgab. 
Sur  von  den  eigentlichen  Staatssteuem  blieben  also  die  Lippo- 
waner durch  zwanzig  Jahre  befreit  und  zahlten  dieselben  erst 
vom  1.  November  1803  an.*  Streng  genommen  hätten  sie  bis 
sa  diesem  Datum  als  Colonisten  auf  Staatsdomänen  von  allen 
Abgaben  frei  sein  sollen;  dies  war  ja  der  Grund,  weshalb  sie 
Bm-  auf  solchen  Gründen  angesiedelt  werden  wollten.  Da  sie 
»ber  nun  veranlasst  wurden,  für  den  vom  Staate  angewiesenen 
Boden  die  Grundschuldigkeiten  zu  entrichten,  so  bot  diese  An- 
siedelung nicht  alle  gewünschten  Vortheile,  daher  sie  auch  bald 
«iÄrauf  auf  einen  Privatgrund  übersiedelten. 

Während  der  Anwesenheit  Storr's  in  Warniza  liessen  die 
lippowaner  zum  ersten  Male  merken,  dass  sie  ein  Kloster  zu 
«rbauen  die  Absicht  hätten.  Storr  glaubte  nun,  dass  die  Lippo- 
waner selbst  für  vierzig  Familien  genügenden  Boden  hätten, 
insbesondere  da  er  den  Igumen  von  Putna  bewogen  hatte, 
fe  zur  Beurbarung  ihrer  Gründe  ihnen  anderswo  Aecker  an- 
^veisen.  Die  ,8attlosen  und  sich  auf  keine  Weise  begnügen 
wollenden  Ankönmilinge'  forderten  aber  sofort  weitere  Gründe. 

*  Beilage  21. 

'  Heber  daa  Folgende  vergl.  W  i  c  k  e  n  h  a  u  8  e  r .  Molda  V,  2,  Nr.  22  u.  28, 8.  97  f. 

*  Ueber   das   Unterthanswesen    in    der   Bukowina    werde    ich    in    einer 
andern  Arbeit  aoaführlich  handeln. 

*  Vergl  die  Beilage  42.     lieber  das  ältere  Steuerwesen  in  der  Bukowina 
*^e  ich  in  meiner  Qeschichte  der  Bukowina,  m.  Abschnitt  handeln. 


I  ihnen  in  der  Wamiz«  nichts  mehr  ausgeschieden  werden 
:D  so  sollen  noch  jedem  Haasvater  and  allen  Nachkömm- 
i  aof  der  Honiza  25  Faltschen  zugetbeilt  werden,  da  sie 
ncht  haben,  &e.  Majestät  habe  ihnen  zugesichert,  man 
ä  ihnen  genügsamen  Gnind,  soviel  sie  nur  verlangen  geben." 
:hr  also  hatte  diesen  orwachsigen  Leuten  das  ungewohnte 
urenkoniinen  der  öslerreicbischen  Behörden  den  Appetit 
li&rft.  Dti  man  ihnen  nicht  rasch  genug  willfahren  konnte, 
rliess  Alexiewicz  mit  neun  Familien  schon  wenige  Tage  später 
och  vor  dem  21.  Mai  •  —  Wamiza  und  begab  sich  nach  dem 
Ktinite  Hliboka.  Nun  war  Storr  ganz  rathlos;  zwar  wusste 
Lass  dieses  dem  Starosten  Thaddäus  Torkul  gehörige  Dorf 
etwa  260  Familien  Raum  bote,  während  daselbst  nur  80 
asie  waren;  »ber  er  selbst  hatte  (wohl  um  das  die  Ansie- 
ne  behindernde  Gestüt  von  der  Horaiza  zu  entfernen ')  vor 
zem  über  Auftrag  Enzenbeig's  mit  dem  genannten  Grund- 
■n  Verhandlungen  gepflogen,  dass  dieser  einen  bedeutenden 
il  der  Gründe  von  Hliboka  dem  Gestüte  überlasse.*  Nun 
«n  wieder  Ansiedelung  und  Gestüt  an   einem  Orte   vereint, 

die  Laodesadministration  wiederholt  als  ein  Unding  erklärt 
to      VA«  Besoi^isse  derselben  stiegen   noch    mehr,   als   Eie 

3  Juni  erfahr,*  dass  bereits  alle  Lippowaner  von  Warniza 
man  «»hlte  damals  schon  zwanzig  Familien  —  nach  HUboka 
yreegangen  seien  und  mit  dem  Grundherrn  schon  einen  milnd- 
tcu  Vertrag  geschlossen  hätten,  nach  dem  er  jedem  Hans- 
rthe  gegen  einen  jährlichen  Grundzins  von  5  fl.  30  kr.  fUnl 
Itscben  Wiesen  und  soviel  Faltschen  Acker,  als  jeder  an- 
uen  mochte,  zur  VerfUgung  stellte.  Alexander  Alexiewicz  er- 
nte   EnzeulK'i^,   dass  die   Lippowaner   dies   fiir   vortheilhaft 

.   \Vickenh«u»PT,  Mold«  V,  S,  Nr.  22,  S.  97 f. 

*  Von  iliwcini  fotr^  ilftliert  der  Bericht  des  Snciawer  Dutrictadirertoi? 
Storr  abe'  ^b"  orfolgten  Abiiig  (Wickonhaaser  n.  eben  n.  O.,  Ni.  ii 
S.  98).  Enieiibergr  berichtet  liierQber  in  einem  Sclireibon  vom  3.  Juui 
(BeUa^  SC),  ohne  du  Datum  niher  aningeben;  in  «einem  Beriebt«  roir 
2S.  Jani  l'«*  tWickonhanser,  Nr.  26,  S.  100)  sagt  er:  ,vor  ongefibi 
sechs  Wochen  fuhren  die  Lippowaner  nach  Hliboka'.  Poiek  citieri 
einen  Bericht  Eiii«nb«rg's  vom  27.  lliü  (S.  6,  Anm.  ICt),  doch  \tg  ihm 
offenbar  Storr'»  filierter  Bericht  vor;  vergl.  übrigens  Beilage  86  am  Anfang 

>  \BTg\.  oben,  S.  2*9. 

•  B^laRBn  21  nnJ  S6. 

»  Boilag«  äö- 


263 

fielen  und  insgesammt  mit  ihm  in  Hliboka  verbleiben  wollten; 
aar  Simon  Alexiewicz,  der  vom  Ackerbau  nichts  verstehe, 
wolle  mit  einigen  ledigen  Barschen  in  das  Banat  gehen,  um 
Fischerei  zu  betreiben.  Enzenberg  verhiess  den  Uebersiedlern 
m  Banat  dieselbe  Unterstützung  wie  in  der  Bukowina,  und 
als  Alexander  Alexiewicz  ihn  um  einen  Vorschuss  von  30  Rubeln 
zur  ÄDSchaffdng  von  Vieh  und  Geräthen  bat,  versprach  er  zu- 
nächst selbst  in  den  nächsten  Tagen  nach  Hliboka  zu  kommen. 
(fleichzeitig  fasste  Enzenberg  den  Entschluss,  das  Gestüt  von 
Hliboka  nach  Petroutz  zu  verlegen,^  welche  Ortschaft  eben- 
es dem  Turkul  gehörte  und  auch  schon  früher  für  das  Ge- 
stüt in  Aussicht  genommen  worden  war,*  Alle  diese  Sorgen 
wären  den  Behörden  erspart  geblieben,  wenn  sie  von  den 
lippowanem  bei  ihrer  Ansiedelung  auf  der  dem  Rehgionsfonde 
gehörigen  Wamiza  keine  Abgaben  gefordert  hätten.  Da  dies 
aber  nicht  der  Fall  war,  so  bot  die  Ansiedelung  auf  diesem 
Cameralboden  keinen  Vortheil  vor  derjenigen  auf  den  Gründen 
eines  Privatgrundherm. 

Einige  Tage  später  brach  Enzenberg  mit  dem  der  russi- 
schen Sprache  mächtigen  Czemowitzer  Districtsdirector  Linden- 
•els  nach  Hliboka  auf.  Ueber  seine  Thätigkeit  daselbst  und 
fe  seine  Erfahrungen  in  dieser  Lippowaner-Colonie,  sowie 
auch  in  den  beiden  anderen,  welche  er  von  Hliboka  aus  be- 
achte, liegt  ein  sehr  werthvoller  Bericht  Enzenberg's  vom 
Ö.  Juni  1784  vor.  *  An  dieser  SteUe  soUen  jedoch  nur  die  An- 
gaben desselben  wiedergegeben  werden,  welche  auf  das  An- 
^elungsgeschäft  selbst  Bezug  haben.  Die  Verhandlungen  mit 
Toikul,  ,wieviel  und  gegen  welche  Abgaben  er  den  Lippowanem 
Felder  überlasse',  endete  nach  Enzenberg  erst  nach  zwei- 
^Hentlicher  Unterhandlung  am  23.  Juni,  also  offenbar  am 
'^^^  da  Enzenberg  nach  dem  Besuche  der  anderen  Colonien 
nieder  Hliboka  berührte,  um  sich  sofort  nach  Czemowitz  zu 
^eben  und  seinen  Bericht  abzufassen.  Der  Vertrag  zwischen 
Tarka]  und  den  Lippowanem,  der  ebenfalls  vorliegt,*  ist  aber 
^hon  vom  10.  Juni  datiert;  es  scheint  also  derselbe  gleich  am 
^inne  der  Verhandlung  —  die  am  23.  Juni  nach  zweiwöchent- 

'  Beilage  26. 

'  Beilage  21. 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  8.  99ff. 

'  BeUage  29. 


264 

lieber  Dauer  endigte  —  geschlossen  worden  zu  sein,  und 
Enzenberg's  Bemerkung  dürfte  sich  also  nur  auf  die  Durch- 
fdhrung  einzelner  Punkte  beziehen.^  Die  Schwierigkeiten  ver- 
ursachte die  Unersättlichkeit  der  Lippowaner,  welche  beharrlich 
zweimal  mehr  Grllnde  begehrten,  als  gewöhnlich  ein  Bauerngut 
bildeten.  Im  Vertrage  wurden  jedem  Hauswirthe  lOV»  Faltschen 
(nach  Enzenberg's  Bericht  nur  10)  Aecker  und  Wiesen  zuge- 
standen; ferner  freie  Benützung  der  herrechaftlichen  Hutweide 
und  das  nöthige  Bau-  und  Brennholz;  hiefiir  hatte  jeder  Haus- 
wirth  statt  Zehent,  Robot  und  den  sonstigen  Unterthans- 
leistungen*  nur  5  fl.  30  kr.  jährlich  zu  bezahlen.  Weitere 
beurbarte  Gründe  durfte  kein  Lippowaner  weder  kaufen  noch 
sonst  erwerben;  diese  Bestimmung  hatte  ihre  Ursache  in  dem 
Umstände,  dass  Turkul  auf  Enzenberg's  Zureden  ,sich  sehr 
billig  herbeigelassen'  und  den  Ansiedlern  seine  Gründe  gegen 
eine  weit  geringere  Abgabe  überlassen  hatte,  als  sie  andere 
Unterthanen  erstatteten.  Dagegen  stellte  es  der  Grundherr  den 
Colonisten  fi*ei,  beHebige  Strecken  des  Waldes  zu  roden;  auf 
diese  Weise  gewonnene  Gründe  sollte  jeder  fiinf  Jahre  abgabs- 
frei  benützen  und  erst  im  sechsten  Jahre  den  Zehent  oder  eine 
entsprechende  Geldleistung  erstatten.  Gegen  den  üblichen  Unter- 
thanenzehent  war  überhaupt  den  Lippowanem  gestattet,  beliebig 
viele  Aecker  auch  jetzt  schon  zu  bestellen.  Auch  stellte  Turkul 
für  das  Kloster  der  Lippowaner  einen  Grund  von  5  Faltschen 
unentgeltlich  zur  Verfiigung,  doch  versprachen  ihm  dieselben  ,hie- 
flir  einige  Dienste  zu  leisten'.  Uebrigens  sollten  die  Ansiedler 
der  herrschaftlichen  Gerichtsbarkeit  unterworfen  sein  und  nur 
aus  dem  herrschaftlichen  Wirthshause  Getränke  holen  dürfen. 
So  hatte  sich  trotz  einer  früheren  gegentheiligen  Bemerkung 
Enzenberg's*  ein  Privatgrundherr  gefunden,  der  die  fremden 
Ansiedler,  und  zwar  unter  sehr  zuvorkommenden  Bedingungen, 


'  Dass  Ensenberg  bei  seinem  Berichte  diesen  Vertrag  im  Sinne  hatte, 
kann  troti  kleiner  Abweichangen  zwischen  dem  Vertrage  und  seinen 
Angaben  nicht  zweifelhaft  sein.  Die  wichtigste  Abweichung  wSre,  dass 
im  Vertrage  jedem  Lippowaner  lO'/t,  nach  Enzenberg  nur  10  Faltschen 
zuerkannt  worden;  femer  ist  im  Vertrage  von  der  Unterfertigang  Ton 
vier  Geschwornen  die  Rede,  während  Enzenberg  sieben  nennt  Es  kOnnen 
leicht  Schreib-  und  Druckfehler  vorliegen. 

'  Vergl.  Aber  diese  Leistungen  unten  S.  286  und  Beilage  87. 

'  Beilage  5.    Vergl.  oben  S.  249  f. 


265 

auf  seinen  Gütern  aufnahm;^  es  war  dies  in  der  Bukowina 
nichts  Auffälliges,  denn  daselbst  waren  in  jener  Zeit  fast  alle 
Kleinwirthe  blosse  Pächter  des  Grundes  und  Bodens,  auf  dem 
sie  Sassen  und  den  sie  gegen  die  üblichen  Abgaben  bestellten.* 
Auch  ein  altes  Haas  für  eine  Kirche  hatte  Turkul  den  An- 
aedlern  tiberlassen;  Enzenberg  fand  dieselbe  schon  eingerichtet 
vor:  besonders  fielen  ihm  die  vielen  gemalten  oder  aus  Messing 
gegossenen  Bilder  auf,  ferner  ein  neben  dem  Hause  errichtetes 
«ieiüst,  auf  welchem  vier  Glocken  so  angebracht  waren,  dass 
ein  Mönch  alle  zugleich  läuten  konnte.  *  Auch  Enzenberg  unter- 
liess  es  nun  nicht,  den  Ansiedlem  allerlei  Begünstigungen  zu 
jewähren.  Er  streckte  ihnen  Geld  für  Vieh  und  Geräthschaften 
w,  weil  die  Gemeinde  auf  ihrer  Reise  sehr  geUtten  hatte; 
feraer  L'ess  er  ihnen  Samen  verabreichen  und  gestand  ihnen 
Mauthbegünstigungen  zu  für  ihre  Wagen,  die  an  den  Markt- 
tagen mit  Holz  und  Seilerarbeiten,  ferner  mit  Lederwerk  nach 
Suezawa  fuhren.  Dagegen  gelang  es  ihm  nicht,  nach  der  vom 
Hafkriegsrathe  erhaltenen  Weisung  den   Igumen   zu   bewegen, 


'  Dies  hatten  übrigens,  wie  wir  oben  gesehen  haben,  früher  bereits 
die  Klöstor  Dragomima  und  Putua  gethan.  Vergl.  übrigens  Kaindl, 
Geschichte  der  Bukowina  11,  S.  56  f.  über  die  Gründungen  der  sogenannten 
Slobodzii  (Freistätten). 

*  Dies  hebt  sowohl  Splöny  als  Enzenberg  scharf  hervor,  wobei  Letzterer 
Qbri^ns  im  Gegensatze  zu  seiner  späteren  Behauptung  (vergl.  S.  249  u.  264) 
inch  richtig  bemerkt,  dass  jedem  Grundherrn  die  Vermehrung  seiner 
Unterthanen  nur  willkommen  sein  musste.  Spl6ny  sagt  in  seiner  Be- 
schreibung der  Bukowina,  S.  64 f.  (s.  S.  242,  Ann).  1)  Folgendes:  ,Der  ganze 
Gnmd  eines  Dorfes  gehöret  dem  Grundherrn  und  ist  ohneingetheilt. 
Der  Bauer  hat  dahero  nichts  Eigenes,  sondern  der  Herr  ist  denen 
Bauern  soviel  Grund  zu  geben  schuldig,  als  sie  zur  Unterhaltung  ihres 
Viehes  und  etwann  zum  Ackerbau  benöthigen/  Und  Enzenberg  be- 
merkt in  seinen  Denkschriften  vom  Jahre  1779  (vergl.  die  S.  242,  Anm.  1 
citierte  Schrift  von  Zieglauer,  S.  17):  4)a  dann  in  der  ganzen  Buko- 
wioi  kein  Bauer  eine  Handbreit  eigenen  Terrains  hat .  .  .  und  der  Grund- 
herr natürlich  profitieren  muss,  wenn  er  mittels  der  proportionierten  Ein- 
tbeiluDg  mehrere  Hauswirthe  auf  seinen  Grund  und  Boden,  die  ihm  .  .  . 
Mnen  und  Grundzins  bezahlen  müssen,  überkömmt,  so  wird  u.  s.  w/ 
Ent  durch  ein  Kreisschreiben  vom  22.  März  1787  wurde  bestimmt,  dass 
diejenigen  Gründe,  welche  sich  am  1.  November  1786  (Normalzeitpunkt) 
im  Besitze  der  Unterthanen  befanden,  fortan  denselben  verbleiben  sollten. 
£rBt  seit  diesem  Zeitpunkte  gab  es  in  der  Bukowina  neben  dem  domini- 
calen  Grundbesitze  auch  einen  rusticalen. 

'  Üeber  die  Vorzüglichkeit  dieser  Glocken  vergl.  auch  Beilage  89. 

Archiv     LXXXIII.  Bd.    If.  H&lfte.  18 


l 


266 


dass  derselbe  weitere  Uebersiedelungen  veranlasse;  auch  kein 
anderer  Lippowaner  zeigte  sich  geneigt,  eine  Reise  zu  unter- 
nehmen, um  weitere  Ansiedler  herbeizuführen;  da  ihre  Aus- 
wanderung entdeckt  war,  fUrchteten  sie  vor  den  türkischen 
Beamten.  Unerfreulich  war  auch  der  Zwist,  welcher  in  der 
kleinen  Gemeinde  durch  Alexiewicz  heraufbeschworen  worden 
war.  Die  ganze  Gemeinde  war  mit  ihm  überaus  unzufrieden 
und  wollte  ihn  nicht  als  ihren  Vorsteher  anerkennen.  Deshalb 
Hess  Enzenberg  die  Ansiedler  zusammentreten  und  aus  ihrer 
Mitte  einen  Richter  wählen.  Sowohl  Larianow  als  Alexiewicz 
wurden  übergangen  und  —  wie  Enzenberg  sagt  —  ,ein  ge- 
rechter und  vernünftiger  Mann^  gewählt.  ,Auf  die  Ablegung 
des  Eides,  den  ihm  seine  ReUgion  verbietet,  wurde  nicht  ge- 
drungen.' Alle  diese  Verfügungen  Enzenberg's  wurden  vom 
Hofkriegsrathe  am  10.  JuU  bestätigt;  ^  gleichzeitig  sprach  sich 
aber  dieser,  da  Enzenberg  auch  über  die  Absicht  der  Lippo- 
waner, ein  Kloster  zu  errichten,  berichtet  hatte,  *  gegen  die- 
selbe aus. 

Wenn  nun  aber  die  österreichischen  Behörden  gehofft 
haben  mochten,  dass  die  Lippowaner  doch  endlich  in  Hliboka 
zur  Ruhe  kommen  würden,  so  sollte  sich  diese  Hoffnung  als 
irrig  erweisen.  Die  Ansiedler  verliessen  nämlich  Hliboka  und 
zogen  nach  Warniza.  Wir  sind  weder  über  die  Gründe  dieser 
Rückwanderung,  noch  über  ihren  Zeitpunkt  genau  unterrichtet. 
Wahrscheinlich  konnte  auch  Turkul  den  unersätüichen  Lippo- 
wanem  nicht  Genüge  leisten;  vielleicht  haben  sie  sich  geradezu 
geweigert,  den  vereinbarten  Zins  zu  zahlen.  Wenigstens  deutet 
darauf  eine  Mittheilung  des  Oberdirectors  Beck  vom  17.  August 
1785  an  das  damals  errichtete  Verwalteramt  in  St.  Onufri  folgen- 
den Inhalts: '  Zwischen  den  Ansiedlern  in  Hliboka  und  der 
Grundherrschaft  ,wurde  ein  Vertrag  geschlossen  und  von  der 
Landesstelle  genehmigt.  Statt  der  Unterthansleistung  zahlt  jede 
Familie  jährlich  der  Herrschaft  einen  gewissen  Betrag.  Das 
kaiserhche  Patent  konnte  nur  die  landesherrlichen  Leistungen 
erlassen,  nicht  aber  die  grundherrlichen,  welche  der  Landes- 
filrst  den  Gutsbesitzern  nicht  nehmen  kann  noch  will.  Die 
Lippowaner  können  nur  von   der  Billigkeit  der  Grundbesitzer 

»  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  27,  S.  106. 
»  Ebenda  Nr.  26,  8.  103  und  Nr.  24,  S.  98. 
3  Beilage  31. 


267 

Unterstützung  hoffen,  nicht  aber,  wie  sich  viele  beigehen  lassen, 
fireie  und  unentgeltliche  Gebahrung  mit  dem  Grund  und  Boden 
and  ADem,  was  darauf  ist,  erzwingen/  Wie  dem  aber  sein  mag, 
allenfalls  war  auf  diese  Umsiedelung  eine  inzwischen  erfolgte 
Neuansiedelung  von  Lippowanem  in  Warniza  nicht  ohne  Ein- 
flnss.  Hervorgehoben  muss  hier  nämlich  werden,  dass  man  bis- 
her immer  annahm,  die  Ansiedelung  Warniza  (nach  einer 
kalkhaltigen  Quelle^  auch  slawisch  Bialakiernica  und  ru- 
mänisch Fontina  alba  =  Weissenbrunnen  genannt)  sei  durch 
blosse  Uebersiedelung  der  Hliboker  Lippowaner  entstanden. 
Dies  ist  irrig.  Aus  urkundlichen  Nachrichten*  geht  es  viel- 
mehr hervor,  dass  neuerdings  fremde  Lippowaner  sich  zur  An- 
siedelung anboten,  und  dass  erst  zu  diesen  Ansiedlern  diejenigen 
aus  Hliboka  hinzugekommen  seien.  Wann  diese  Uebersiedlung 
letzterer  stattfand,  wissen  wir  —  wie  schon  oben  bemerkt 
worden  ist  —  nicht  genau.  Um  die  Mitte  dieses  Jahrhimderts 
war  unter  den  Lippowanem  die  Ansicht  verbreitet,  dass  seit 
dem  Jahre  1790  in  Weissenbrunnen  alle  Lippowaner  vereinigt 
waren;*  einzelne  mögen  immerhin  von  Hliboka  nach  Warniza 
schon  früher  wieder  herübergekommen  sein.  Die  Verhandlungen 
der  neuen  lippowanischen  Ansiedelungswerber  mit  der  öster- 
reichischen Regierung  über  die  Besiedelung  von  Warniza  hatten 
aber  schon  1784,  also  wohl  bald  nach  der  Niederlassung  der 
vom  schwarzen  Meere  gekommenen  in  Hliboka,  begonnen.* 
Diese  Lippowaner  versprachen  das  Prädium  Moisen  und  den 
Theil  zwischen  dem  Tamaukabache  und  der  Satoawa  (Suczawa?) 
mit   200  Handwerkerfamilien   zu   besiedeln.    Ueber   den    Gang 

^  WjLmiza  heisst  rumftnisch  Kalkofen. 

'  Beila^n  31,  36  und  37.  Da  von  der  beabsichtigten  Einwanderung^  von 
zweihundert  Lippowanem  die  Rede  ist,  so  ist  es  offenbar,  dass  es 
nch  fUD  einen  neuen  Einwanderungszug  handelte;  übrigens  unterscheidet 
X.  B.  die  Beilage  31  deutlich  die  Ansiedler  auf  der  Warniza  von  den 
noch  damals  in  Hliboka  wohnenden  Lippowanem.  Ob  diese  neuen  Ein- 
wanderer von  den  Donaumündungen  (Bessarabien)  oder  aus  der  Moldau 
stammten,  ist  nicht  entschieden.  Eine  spätere  Nachricht  (Beilage  108 
aus  dem  Jahre  1865)  sagt  zwar:  «Die  Gemeinde  Fontina  alba  wanderte 
im  Jahre  1785  ans  der  Moldau  in  die  Bukowina  ein*,  doch  darf  man 
wohl   daraus  keinen  bestimmten  Schluss  ziehen.  Vergl.  den  Nachtrag. 

*  In  einer  vom  20.  M&rz  1851  datierten  Eingabe  des  Lippowaners  Milo- 
rmdow  (Beilage  104). 

«  BMMge  37. 

18* 


268 

dieser  Verhandlungen  ist  nichts  bekannt;  dagegen  lässt  sich  der 
Zeitpunkt,  wann  die  ersten  Ansiedler  in  diesem  Gebiete,  das 
mit  Wamiza  identisch  ist  und  nachher  den  oben  erklärten 
Namen  Bialakiernica  oder  Fontina  alba  erhielt,  eintrafen,  ziem- 
lich genau  bestimmen.  Da,  wie  wir  sofort  sehen  werden,  die 
ersten  Ansiedler  vom  St.  Onufrer  Verwalter  Ludwig  eingeführt 
wurden,  diese  Verwalterei  aber  so  wie  überhaupt  alle  in  der 
Bukowina  erst  am  1.  Mai  1785  ihre  Thätigkeit  begann,^  so  kann 
die  Ansiedelung  erst  nach  diesem  Tage  erfolgt  sein.  Aus  einem 
Schreiben*  des  Oberdirectors  Beck  an  das  neu  errichtete  Ver- 
walteramt ddo.  17.  August  1785  erfahren  wir,  dass  bereits 
6  Lippowaner-Familien  sich  in  Wamiza  befanden;  da  dort 
aber  ein  Terrain  für  200  Familien  angetragen  sei,  so  wäre 
den  Ansiedlern  von  diesen  Gründen  nur  so  viel  zu  geben,  als 
sie  nöthig  hätten,  der  Rest  aber  anderweitig  zu  verwenden. 
In  Uebereinstimmung  damit  berichtet  der  Onufrer  Verwalter 
Ludwig  am  28.  August  1795,*  dass  er  über  Veranlassung  des 
damaligen  Serether  Directoriates  den  ersten  (?)  Emigranten- 
transport ,von  etlichen  über  20  Familien*  in  Fontina  alba  ein- 
geführt und  dann  ihnen  die  Gegend,  wo  dieses  Dorf  dermalen 
existiert,  wie  auch  über  dem  Ternauker-Bache  einen  grossen 
Theil  angewiesen,  in  der  Voraussetzung,  dass  200  Familien 
nachkommen  werdend  Da  aber  diese  Familien  1787  und  1788 
nicht  eintrafen,  so  theilte  den  bereits  Angesiedelten  die  Map- 
pierungscommission  nur  so  viel  Gründe  zu,  als  die  Bevölkerung 
damals  nöthig  hatte;  der  übrige  Theil  des  ihnen  zugespro- 
chenen Bodens  wurde  aber  zu  Fratautz  und  Onufri  geschlagen 
und  mit  diesen  zwei  Dominien  verpachtet.  Auch  aus  diesem 
Berichte  geht  hervor,  dass  die  Ansiedelung  dieser  Lippowaner 
bereits  vor  1787  stattfand,  wenn  auch  das  Jahr  nicht  bestinmit 
genannt  wird.  Dass  aber  in  Wamiza  Lippowaner  schon  1786 
Sassen,  geht  aus  dem  Umstände  hervor,  dass  in  der  Josephinisehen 


1  Wickenhauser,  Molda  I,  S.  62f.  und  Moldau,  2,  S.  112. 

»  Beilage  31. 

»  Beilage  37. 

*  Wenn  also  die  Lippowaner  im  Jahre  1804  sagten  (Beilage  44),  dass 
bei  ihrer  Ansiedlung  35  Familien  waren,  so  ist  dies  irrig;  im  Jahre 
1791  zählte  die  Ansiedlung  erst  34  Familien  (yergl.  S.  291);  ebenso  ist 
die  Behauptung  (Beilage  90),  dass  gleich  anfangs  13  Mönche  einge- 
wandert waren,  unrichtig. 


269 

Orundsteuervermessung  von  diesem  Jahre  bereits  ihre  Gründe 
aosgeTviesen  werden.^  Das  schon  oben  nachgewiesene  Jahr 
1785  -wird  übrigens  noch  in  drei  anderen  Acten  genannt.  Am 
6.  September  1849  behaupteten  die  Lippowaner  bei  einem  Grenz- 
processe,*  die  Regierung  habe  1785  ihnen  ,einen  Wald  Wamiza 
ZOT  Ansiedelung  angewiesen';  diese  Bemerkung  wird  auch  in 
einem  amtlichen  Berichte  vom  16.  April  1851  wiederholt,*  und 
vierzehn  Jahre  später  (23.  März  1865)  findet  sich  ebenfalls  in 
einem  amtlichen  Berichte  die  Bemerkung,  die  Gemeinde  Fon- 
dna  alba  sei  im  Jahre  1785  aus  der  Moldau  eingewandert.^ 


5.  Um  die  Gründungsgeschichte  der  Bukowiner  Lippo- 
waner-Colonien  zu  erschöpfen,  erübrigt  uns  noch,  Einiges  über 
die  Entstehung  der  zwei  Colonien  Mihodra  imd  Lippoweni- 
Kosso-wanka  zu  sagen.  Erstere,  östlich  von  Wiinitz  gelegen, 
wurde  infolge  Uebervölkerung  von  Klimoutz  aus  um  das  Jahr 
1836  begründet;^  letztere  entstand  in  ähnlicher  Weise  um  1845 
durch  Uebersiedelung  eines  Theiles  der  Lippowaner  aus  Biala- 
kiemica;  sie  liegt  in  der  Nähe  von  Lukawetz  und  nimmt  all- 
mälig  die  Bewohner  von  Mihodra  auf. 

Auf  die  zerstreut  in  einzelnen  Ortschaften  der  Bukowina 
lebenden  Lippowaner  wird  in  diesen  Ausführungen  keine  Rück- 
sieht genommen. 


II. 

L  Die  Entwicklung  von  Mitoka-Dragomirna.  —   2.  Aus  der  Geschichte 
der  Ansiedelung  Klimoutz.     —     3.   Fontina  alba  und  die  Lippowaner- 

Klöster  daselbst. 

1.  Seit  der  Wiederbesiedelung  der  Colonie  Mitoka-Dra- 
gomirna in  den  letzten  Monaten  des  Jahres  1774  erfahren  wir 
nichts    Näheres  über  die  Entwicklung  dieser  Ansiedelung   bis 


»  Beilage  32. 
<  Beilage  102. 
9  Beilage  106. 

♦  Beilage  108. 

*  Nicht   1854,  wie  in  meinen  ^Kleinen  Studien'  S.  26  irrthtimlich  .^teht. 
Vei^l.  Goehlert,  Die  Lippowaner  a.  a.  O.,  8.  487. 


270 

zum  Jahre  1783;  nur  die  Mittheilongen,  dass  im  Jahre  1777 
16  Familien  in  der  Ansiedelang  wohnten^  und  dass  diese  seit 
1778  ein  Eorchlein  eingerichtet  hatten^  sind  auf  uns  gekommen.^ 
Erst  mit  dem  Jahre  1783  beginnen  die  Nachrichten  reicher  zu 
fliessen.  Aus  den  ersten  Monaten  dieses  Jahres  sind  uns  einige 
Berichte  erhalten,'  welche  sich  überaus  günstig  über  die  Lippo- 
waner  der  Bukowina  überhaupt  aussprechen,  und  in  denen  auch 
die  Lippowaner  von  Dragomima  insbesondere  erwähnt  werden. 
Wir  er&hren  femer,  dass  in  beiden  damals  bestehenden  Colo- 
nien  -  Diagomirna  and  Klimoute  -  zusammen  33  Lippowaner- 
Familien  wohnten;'  davon  entfielen  auf  die  erstere  15  Familien/ 
Am  6.  October  des  Jahres  1783  zählte  man  daselbst  16  Fa- 
milien,^ am  31.  October  bereits  21^  und  im  Juni  des  folgenden 
Jahres  schon  27,  wobei  ausdrücklich  bemerkt  wird,  dass  12  Fa- 
milien seit  dem  Jahre  1783  eingewandert  seien.  ^ 

Als  Kaiser  Joseph  U.  im  Jahre  1783  die  Bukowina  be- 
suchte,^ lernte  er  auch  die  Angehörigen  dieser  Ansiedelung 
kennen  und  sicherte  ihnen  freie  Religionsübung  zu;  doch 
wurde  von  einem  schriftlichen  Bescheide  Abstand  genommen, 
weil  der  Kaiser  selbst  sie  den  Nichtunierten  gleich  erklärt 
hatte,  diese  aber  zufolge  des  Toleranzpatentes  die  Religions- 
freiheit besassen.  Gleichzeitig  wurde  ihnen  ein  Pope  gestattet, 
der  entweder  aus  ihrem  Volke  hervorgehen  oder  ihnen  aus 
Slavonien  gesandt  werden  sollte.  Trotzdem  aber  diese  Be- 
willigung schon  im  Juni  1783  erfolgt  war,  so  erfahren  wir 
aus   einem   Berichte  Enzenberg's   vom   23.  Juni  des  folgenden 


^  Wickenhause r,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  105.  Schon  oben  ist  bemerkt 
worden,  dass  die  verächiedenen  Denkschriften,  welche  in  den  ersten 
Jahren  der  Osterreichischen  Herrschaft  erschienen  sind,  die  Lippowaner 
nicht  erwähnen.  Vergl.  oben  S.  242,  Anm.  1. 

'  Wickenhanser  a.  eben  a.  O.,  Nr.  2 — 6;   ferner  das  Schreiben   Kaiser 

Josephs  ddo.  19.  Juni  1783  bei  Polek,  Die  Reisen  Josephs  IL,  S.  62. 
^  Wickenhanser  a.  a.  O.,  Nr.  2,  S.  82. 

*  Ebenda  Nr.  26,  S.  105. 

*  Vergl.  oben  S.  239. 
^  Beilage  6. 

'  Wickenhanser  a.  a.  O.,  Nr.  26,  S.  105.  Vergl.  oben  S.  256f. 

*  Vergl.  oben  S.  243.  Ueber  das  Folgende  siehe  die  eben  in  der  Anm.  2 
citierten  Urkunden.  Femer  Beilage  5,  7  n.  16  und  oben  S.  239  n.  255 
über  den  Popen  und  seine  Stellung. 


271 

Jahres,^    dass  sie   den   ihnen   bewilligten  Geistlichen   aus   der 
Moldau  täglich  erwarteten.    Der  erwähnte  Bericht  enthält  über- 
haupt die  ersten  ausführlichen  Nachrichten  über  die  Zustände 
in  Mikota.     Wir  lesen   daselbst  Folgendes:  *    ,Von    hier    [aus 
Klimoutz]  verftigte  ich  mich  am   13.  Juni  Früh    nach  Drago- 
mima^  welches  wie  die  zwei  anderen  Dörfer  [Hliboka  und  Kli- 
moutz] bis  auf  die  Vorderseite  mit  Wald  umgeben  ist,  und  wo 
ach  seit  1777  15  alte  und  seit  1783  12  neue  Ansiedler,  welche 
erstere   alle  aus  der  Moldau  sind,   befinden.     Sie   haben   sehr 
gute  Gründe,  und  ihre  Wirthschaften  sind  noch  besser  als  jene 
in  Klimoutz.    Sie  haben  seit  1778  ein  ganz  niedliches  Kirchlein 
nach  ihrer  Art  eingerichtet  und  erwarten  täglich  den  ihnen  be- 
willigten Popen  aus  der  Moldau.     Für   ihre    12  neueren   Mit- 
brüder  sollen  sie  sehr  und  helfen  ihnen  mit  Häuserbau  und 
Wirthschaftsbestellung.     Hier  ist  mehr  Hoffnung,  dass  aus  der 
Moldau  Lippowaner  einwandern  werden,  denn  sie  zeigten  mir 
Tieles  Vieh,  welches  den  fünf  Meilen  von    da  in   der'  Moldau 
wohnhaften  Lippowanern  angehört,  und  die  nur  auf  gute  Ge- 
legenheit   warten,    um    mit    ihren    Habseligkeiten    herüber    zu 
kommen.    Sie  werden  aber  von  den  moldauischen  Beamten  sehr 
beobachtet  und    sind  auch    in  Bürgschaft   genommen    worden. 
Die  Gemeinde  hat  einen  starken  Nachwuchs  und  ist  leutseliger 
als    alle    anderen,    wahrscheinlich,    weil    sie    unweit   der   Stadt 
Suczavra  wohnt.   Unter  ihnen  sind  viele  Heiratsmässige  beiderlei 
Geschlechtes.  Ihre  Eltern  hoffen  sie  mit  hierländigen  und  den 
aas  der  Moldau  kommenden  Lippowanern  zu  verheiraten,   nur 
sind  sie  nach  ihrem  Gespräche  zu  nahe  verwandt.   Das  Kloster 
Dragomima  hat  ihnen  einen  beträchtlichen  Grund,    aber   nur 
fiir    ungefähr    30    Familien    eingeräumt.     Sie    pflegen    grosse 
Wirthschaft  und  Feldbau.     Das  Kloster  will  jedoch   den   aus 
der  Moldau  Einwanderungslustigen  keinen  Grund  mehr  geben, 
obschon  selbes  sehr  viel  Grund  einem  Armenier  verpachtet  hat. 
Bei    der  Rückreise   von   der   siebenbürgischen  Grenze    kamen 
llitokaer  Lippowaner  zu  mir  und  zeigten  an,  dass  das  Kloster 
Dragomima  viele,    und   zwar   die    besten  Gründe   seinen  leib- 
eigenen Zigeunern  zur  Benutzung  einräumt.   Ich  sprach  mit  dem 
Igumen,  dass  es  wider  die  Absicht  wäre,  Leibeigene  zum  Nach- 


I  Wickenhauser  a.  a.  O.,  Nr.  26,  S.  105. 
*  Elbenda. 


272 

theile  der  Steuerpflichtigen  und  der  Bevölkerung  so  reichlich 
zu  bestiften,  dass  somit  jene  Aecker  und  Wiesen,  die  leib- 
eigene Zigeuner  bereits  innehaben,  den  Lippowanem  zugetheilt 
werden  mögen/ 

Aus  den  vorstehenden  Mittheilungen  ist  zu  ersehen,  dass 
die  Einwanderung  von  Lippowanern  aus  der  Moldau,  welche 
Ende  des  Jahres  1783  begonnen  hatte,  auch  in  den  folgenden 
Monaten  fortdauerte;  ^  von  dem  durch  Enzenberg  im  Juni  1784 
festgestellten  Zuwachse  von  12  Familien  während  des  letzten 
Halbjahres  rührten  offenbar  die  meisten  aus  der  Moldau  her. 
Auf  diesen  verhältnissmässig  günstigen  Fortgang  der  Colonie 
sollte  aber  bald  ein  jäher  Rückschlag  erfolgen.  In  der  Nacht 
zwischen  dem  17.  und  18.  April  1787  wanderten  die  ,ge- 
sammten  Lippowaner-Familien  von  Mitoka-Dragomima'  unter 
,Zurücklas8ung  des  ganz  und  gar  geleerten  Dorfes^  in*  die  Mol- 
dau. In  seinem  Berichte  hierüber  (19.  April  1787  ^)  hebt  der 
Suczawer  Districtsdirector  Storr  hervor,  dass  der  vorzüglichste 
Nahrungszweig  dieser  Lippowaner  der  Handel  war.  ,Durch 
die    Ausschliessung    der    Stadt    Suczawa^    wurde    ihr    Handel 


»  Vergl.  oben  S.  267  f. 

•  Bei  Wickenhauser  a.  a.  O.,  Nr.  29,  S.  107,  wo  dieser  Bericht  abge- 
druckt ist,  kann  ,10.  April*  nur  Druckfehler  sein. 

'  Schon  im  26.  Punkte  des  ,Protocollum  commissionis  sub  4.  Aprilis  1780 
Vieunae  habitae  in  Angelegenheit  der  Buccowiner  Districtseinrichtnng', 
welches  Polek  im  Jahrbuche  des  Bukowiner  Landesmuseums  III,  74 ff. 
veröffentlichte,  wurde  die  Frage  erwogen,  ,ob  die  Stadt  Suczava,  wenn 
sie  zu  einer  armenischen  Handelsstadt  gemacht  wird,  der  in  Galizien 
liegenden  privilegierten  Handelsstadt  Brody  niclit  etwan  hinderlich  sein 
dörfte*.  Die  Frage  wurde  dahin  beantwortet,  dass  ,die  Stadt  Suczava 
über  30  Meilen  von  Brody  entfernt  ist  und  nach  seiner  Lage  ...  der 
Stadt  Brody  in  nichts  nachtheilig  sein  kann*.  Als  hierauf  der  Kaiser 
im  Jahre  1786  die  Bukowina  bereist  hatte,  befahl  er  in  seinem  Schreiben 
ddo.  Lemberg,  6.  August  1786  Folgendes:  ,In  Ansehung  der  Mauth  muss 
die  Bukowina  in  Allem  so  wie  Oallizien  behandelt  werden,  die  Stadt 
Suczava  allein  ausgenommen,  welche  wie  Brody  aus  dem  Corden  zu 
schliesseu  ist;  auch  muss  einige  Ausnahme  in  Rücksicht  der  Kleidungs- 
stücke für  die  allda  noch  wohnende  Bojaren  gemacht  werden.*  (Jahr- 
buch des  Bukowiner  Landesmuseums  III,  73.)  Wie  wir  aus  den  obigen 
Mittheilungen  im  Texte  ersehen,  ist  diese  kaiserliche  Anordnung  sofort 
in  Kraft  getreten.  Da  sie  sich  aber  nicht  bewährte,  so  hat  der  Staats- 
güteradministrator  Ainser  sich  im  Jahre  1787  dagegen  ausgesprocben, 
worauf  noch  vor  dem  24.  Mai  1788  die  Sonderstellung  von  Suczawa 
beseitigt   wurde.     In    dem    von    diesem    Tage    datierten    Schreiben  der 


273 

^ich  gehemmt,  und  muthmasslich  muss  dieser  gehemmte 
Handel  die  Auswanderung  zum  Grunde  haben/  In  ungünstigerer 
Weise  äussert  sich  über  die  Beweggründe  dieser  Auswanderung 
ias  Bukowiner  Kreisamt  in  einem  Zusatzberichte  ddo.  3.  August 
ii87  an  das  Landesgubernium  in  Lemberg.  ,Der  hauptsäch- 
licliste  Nahrungszweig  dieser  Leute/  führt  dasselbe  aus,  ^  ,ist  der 
Hanf-  und  Flachsbau.  Sie  bearbeiteten  Hanf  und  Flachs 
?rö68tentheils  selbst  und  fanden  im  Lande  sowohl  als  über 
iem  Grenzstriche  guten  Absatz  dieser  Waaren,  weil  es  an 
^dern  gebricht.  Ob  nun  schon  der  ZoUausschluss  der  Stadt 
üesen  ihren  Verschleiss  in  etwas  gehindert  haben  mag,  so 
Sonnte  dieses  doch  keine  hinlängliche  Ursache  zur  Auswanderung 
sein,  weil  sie  den  Verschleiss  des  Rohstoflfes  und  der  daraus 
^''rfertigten  Waaren,  in  und  ausser  dem  Cordon,  wie  vorhin 
offen  behalten.  Der  wahre  Grund  liegt  vielmehr  darin,  dass 
iese  scheinheiligen  Leute  mit  ihrem  steten  Hanf-  und  Flachs- 
en den  Grund  erschöpfen  und  dann  wieder  einen  anderen 
innehmen  und  so  herumzuwandern  gewohnt  sind.  Man  hat 
iesen  ihren  Abzug  vor  Jahren  vorausgesagt.  Man  sah  sie 
jtets  ihre  Felder  bauen,  aber  ihnen  nie  mit  einer  Düngung  zu 
Hilfe  kommen.  So  viele  Jahre  sie  schon  da  waren,  so  hatte 
■^och  noch  kein  einziger  ein  ordentlich  erbautes  Haus,  un- 
^chtet  sie  Waldungen  an  der  Hand  hatten.  Von  unbearbei- 
tetem Holz  aufgeschrotene  Hütten  ohne  Dach  waren  ihre 
Wohnungen.  Die  Gegend,  welche  sie  bewohnten  und  zu 
^arem  Unterhalte  innehatten,  ist  fruchtbar  und  nicht  weit  von 
''Qczawa  entlegen.'  Am  Schlüsse  hob  das  Kreisamt  hervor, 
jas8  jdieser  Platz  bald  wieder  besetzt  sein  würde,  wenn  man 
Jerhand  in  diesen  Jahren  entwichenem  Gesinde  die  Rück- 
wanderung gestatten  wollte',  und  trägt  an,  den  verlassenen  Ort 
2rt  24  deutschen  Famihen  zu  besetzen.  Ueber  die  folgenden 
E-'^ignisse  werden  wir  durch  ein  ämtliches  Schriftstück  vom 
-  September  1843  unterrichtet,*  welches  wir  bereits  auch 
■'>^n  als  Quelle    über   die  Anßlnge    der  Colonie   citiert  haben. 

^Ohmisch'Osterreichischen  Hofkanzlei  an  Ainser  heisst  es  nämlich,  dass 
<Üe  Stadt  inzwischen  wieder  in  den  Cordon  eingezogen  worden*  sei. 
Das  citierte  Schreiben  ist  noch  unediert  und  befindet  sich  im  Besitze 
des  Verfassers). 

'  Rei  Wickenhauser  a.  a.  O.,  S.  107 f. 

*  Beilage  91. 


274 

In  demselben  wird  nämlich  nach  den  bereits  S.  239  f.  mitge- 
theilten  Nachrichten  über  die  Entstehung  von  Mitoka  Folgendes 
berichtet:  ,üm  das  Jahr  1785  (?)  waren  diese  16  Familien  aber- 
mals in  die  Moldau  ausgewandert,  und  es  wurde  deshalb  be- 
schlossen, auf  den  verlassenen  Lippowaner-Gründen  Deutsche 
anzusiedeln.  Allein  kaum  waren  die  deutschen  Ansiedler  da- 
selbst imtergebracht,  so  hatten  sich  mehrere  der  ausgewanderten 
Lippowaner-Familien  wieder  eingefunden  und  die  übrigen  von 
den  Deutschen  noch  nicht  besetzten  Häuser  eingenonmien, 
weshalb  laut  Steuerregulierungs-,  Grundvermessungs-  und 
Fassionsbuch  vom  Jahre  1788  zu  Lipoweni  14  Lippowaner-, 
8  deutsche  Ansiedlungsfamilien  und  9  leere  Hausplätze  vor- 
gefunden wurden.  Die  8  deutschen  Familien  wurden  in  der 
Folge  in  den  jetzigen  Ansiedlungsort  Itzkany  übersetzt  imd 
daselbst  angesiedelt/  während  die  Anzahl  der  Lippowaner  zu 
Lipoweny  bis  zum  Jahre  1790  laut  Urbarialgabenbeschreibung 
bis  auf  16  Grundwirthe  und  3  Häusler  herangewachsen  war. 
Im  Jahre  1802  waren  zu  Lipoweny  laut  Urbarialgabenbe- 
schreibung 16  Grundwirthe  und  4  Häusler,  von  denen  erstere 
jeder  mit  10  Faltschen  Acker  und  Wiesengrund  dotiert  war. 
Das  damalige  Wirthschaftsamt  hat  einer  jeden  der  16  grund- 
besitzenden Familien  2  und  allen  zusammen  32  Faltschen 
Grund  abgenommen  und  diese  den  4  Häuslern  zugetheilt,  so- 
mit im  Ganzen  20  Familien  zu  8  Faltschen  gestiftet;  allein  gegen 
diese  Massregel  haben  die  Betheiligten  geklagt,  und  es  wurden  in- 
folge kreisämtlicher  Entscheidung  vom  12.  October  1802,  Zahl 
7989,  denselben  die  entzogenen  Grundstücke  nicht  allein  zurück- 
gestellt, sondern  überdies  drei  der  Häusler  im  Jahre  1804  mit  3  Falt- 
schen herrschaftlichen  Acker  und  4  Faltschen  Sumpfwiesengrundes 
betheilt,  somit  die  Anzahl  der  Grundbesitzenden  auf  19  und  die  der 
Häusler  auf  1  FamiUe  gestellt.  Hieraus  ist  auch  zu  ersehen,  dass 
die  Gemeinde  Lipoweny  damals  an  Acker-  und  Wiesengründen 
nicht  mehr  als  167  Faltschen  oder  300  Joch  960  Quadratklafter 
besessen  hat.  Im  Jahre  1803  wurde  zwischen  der  St.  Illier 
Wirthschaftsverwaltung  und  der  Gemeinde  Lipoweny,  welche 
bis  dahin  die  verfassungsmässigen  Naturalschuldigkeiten  zu  leisten 
verbunden  war,  ein  Urbarialgaben-Reluitionsvertrag  (7.  August 


^  Ausgeschieden  wnrde  Deatsch-Itzkani  ans  dem  Iditoker  Gebiete  erst  am 
5.  Juni  1820  (Beilage  62). 


275 

1803)  geschlossen^  laut  dessen  statt  der  Robot  und  der  ürbarial- 
^ben  die  darin  angegebenen  Reluitionsbeträge,  statt  des  Natural- 
zehents  von  den  in  deren  Besitze  befindlich  gewesenen  Aeckem 
iber  eine  Kömerschlittung  bis  zur  allgemeinen  Regulierung  der 
Unterthansschuldigkeiten  in  der  Bukowina  festgesetzt  worden 
sind.  Laut  der  Urbarialgabenbeschreibung  vom  Jahre  1803 
haben  damals  zu  Lipoweny  19  Grund wirthe  und  abermals 
4  Häusler  bestanden.  Der  in  Rede  stehende  Reluitionsvertrag 
i^  somit  nur  för  diese  Familien,  deren  Namen  aus  der  Ur- 
barialgabenbeschreibung ersichtlich  sind,  nicht  aber  auch  fUr  die 
seither  zugewachsenen  Familien  giltig,  welche  also  eigentlich 
bloss  die  verfassungsmässigen  Naturalschuldigkeiten  zu  leisten 
TCTbunden  waren.^  Allein  das  Wirthschaftsamt  hat,  wie  es  die 
jährlichen  Urbarialgabenbeschreibungen  erweisen,  nichtsdesto- 
weniger auch  die  seit  dem  Jahre  1803  zugewachsenen  Lippo- 
iraner-Familien  nach  Inhalt  des  vorliegenden  Vertrages  zur 
Schuldigkeit  gezogen  und  infolgedessen  beschrieben: 

Im  Jahre      Bespannte    Unbespannte  Häusler        Befreite        Zusammen 

—  5 
3  9 
3                    9 

— -  6 

—  7 
2  4 

—  5 

—  3 
1  4 
6  15 
6  15 

Im  Jahre  1826  wurde  die  Herrschaft  St.  Ilie  (zu  welcher 
auch  Dragomima  gehörte)  verpachtet  und  seitdem  die  Ur- 
barialscbuldigkeit  der  Gemeinde  Lippoweni  durch  den  Pächter 


1805 

15 

1806 

14 

1807 

14 

1809 

17 

1811 

17 

1813 

16 

1816 

17 

1819 

15 

1821 

16 

1825 

16 

1826 

16 

— 

26 

— 

26 

— 

23 

2 

26 

1 

23 

3 

25 

1 

19 

1 

22 

1 

38 

1 

38/ 

^  E»  faieng  n&mlich  stets  von  dem  Willen  der  Herrschaft  ab,  ob  dieselbe 
die  Abgaben  in  natura  empfangen  wollte  oder  sich  dieselben  relnieren 
lies«.  Im  5.  Pnnkte  des  Chrjsows  über  die  Unterthanspflichten  hiess  es 
ausdrücklich:  ,Kein  Unterthan  soll  befogt  sein,  die  Robot  willkürlich  in 
Geld  zn  reluieren,  wohl  aber  steht  dem  Grundherrn  frei,  solche  in  Geld 
absunehmen/   NSheres  in  meiner  S.  261  Anm.  3  angekündigten  Arbeit. 


276 

beschrieben  und  nach  dem  bestehenden  Reluitionsvertrage  ein- 
gehoben. Dagegen  begehrten  die  Lippowaner,  dass  ,die  in  Zu- 
wachs kommenden  nicht  behausten  Familienväter  von  den  Ur- 
barialgaben  freigehalten  werden'.  Dies  schlug  die  Herrschaft  mit 
ihrem  Dominicalbescheide  vom  10.  December  1840,  Zahl  4270, 
ab,  weil  ,diese  Befreiung  weder  in  der  hierländigen  Unterthansver- 
fassung,  noch  in  dem  Vertrage  vom  Jahre  1803,  noch  endlieh  in 
dem  bisherigen  Gebrauche  gegründet'  sei;  die  Herrschaft  aber  ,in 
Ansehung  der  Dominical-Jurisdictionsauslagen  bezüglich  dieser 
Familien  in  keiner  Art  losgezählt  ist';  endlich  seien  die  Robot 
und  die  Urbarialkleingaben  in  der  Bukowina  keine  Grund-, 
sondern  eine  Personalabgabe.  Die  Lippowaner  ergriffen  dagegen 
den  Recurs  an  das  Kreisamt.  Aus  den  Verhandlungsacten  rührt 
das  Schriftstück  her,  welches  uns  als  Quelle  dient.  Ueber  den 
Ausgang  des  Processes  sind  wir  nicht  unterrichtet. 

So  war  also  Mitoka-Dragomima  zum  drittenmal  mit  Lippo- 
wanem  besiedelt  worden,  und  die  Zahl  derselben  hatte,  wenn 
auch  nicht  ohne  bedeutende  Schwankungen,  doch  immer  wieder 
zugenommen.  Zwistigkeiten  mit  den  Behörden,  wie  wir  sie 
eben  kennen  gelernt  haben  und  die  sich  in  allen  Lippowaner- 
Colonien  der  Bukowina  häufig  wiederholten,  konnten  die  Ent- 
wicklung der  Ansiedelung  ftlr  die  Dauer  nicht  nachdrücklich 
stören.  Hiebei  darf  nicht  ausser  Acht  gelassen  werden,  dass 
auf  diese  Lippowaner-Colonie  die  Bestimmungen  des  Privilegs 
vom  9.  October  1783  sich  nicht  bezogen;  sie  haben  also  jeder- 
zeit nicht  nur  die  herrschaftlichen  Abgaben,  sondern  auch  die 
landesflirstlichen  gezahlt;  dagegen  ist  auch  ihre  ReUgionsfreiheit 
nicht  angegriffen  worden  und  wurden  sie,  wie  die  Bewohner 
der  anderen  Colonien,  bis  zum  Jahre  1868/69  nicht  zu  Mi- 
litärdiensten herbeigezogen.  Die  Panik,  welche  in  Folge  der 
Einfuhrung  der  allgemeinen  Wehrpflicht  (5.  December  1868) 
die  Lippowaner  ergriff  und  dieselben  in  die  Fremde  trieb,  ^  übte 
auch  auf  Mitoka  einen  überaus  schädlichen  Einfiuss.  Während 
vor  diesem  Zeitpunkte  die  Bewohner  der  einzelnen  Colonien 
rasch  zugenommen  hatten,  erfolgte  nun  ein  überaus  bedeutender 
Rückschlag.  Dies  ergibt  sich  aus  der  Betrachtung  der  letzten 
bekannten  Zählungen  vor  dem  Jahre  1868/69  mit  den  ersten 
nach  diesem  Zeitpunkte  vergenommenen: 

*  Vergl.  Promemoria  zur  Petition  der  Lippowauer  etc.,  S.  3. 


277 

Lippoweni- 
Lippoweni-  Kosso- 

Mitoka  Klimoutz  Fontina  Mihodra  wanka 

1844'  361  Köpfe       840  Köpfe       604  Köpfe    161  Köpfe     —Köpfe 

ISoS*  421       ^  1187       ,  1008       ^         128      .         182      . 

18S0*  435       „  1078      ,  932      „       c.  75      „    c.  182      . 

1890*  469       „  1223       -  972      „       c.  52       „        294      „ 

Aus  den  vorstehenden  Zahlen  ist  auch  zu  ersehen,  dass 
die  Anzahl  der  Lippowaner  allmälig  wieder  zu  steigen  beginnt; 
daraus  darf  offenbar  gefolgert  werden,  dass  sie  sich  allmälig 
mit  den  Verhältnissen  ausgesöhnt  haben,  besonders  da  ihnen 
beim  Abdienen  ihrer  Wehrpflicht  Erleichterungen  gewährt  wer- 
den. Wir  werden  weiter  unten  nochmals  auf  diesen  Gegenstand 
zQrückkommen. 


3.  Wie  über  Mitoka-Dragomirna,  so  besitzen  wir  auch 
über  die  Schicksale  der  Gemeinde  Klimoutz  in  den  Jahren 
1780 — 1783  keine  Nachrichten.  Die  günstigen  Berichte  über 
die  Lippowaner  aus  den  ersten  Monaten  des  Jahres  1783* 
gelten  auch  von  dieser  Colonie.*  Als  Joseph  11.  im  Jahre  1783 
die  Bukowina  besuchte,  hatte  ihr  Richter,  wie  Enzenberg  be- 
richtet,® ,da8  Glück,  sich  ihm  zu  Füssen  zu  legend  Damals 
hatte  die  Zahl  der  Ansiedlerfamilien  etwas  abgenommen. 
Während  nämlich  ursprünglich  18  gezählt  wurden,^  bestanden 
am  Ende  des  Jahres  1783  in  Klimoutz  nur  15^  Hauswesen. 
Sun  begannen  aber  wieder  neue  Zuzüge  aus  der  Moldau, 
worauf  schon  oben  hingewiesen  wurde.®     Anfangs   des  Jahres 

^  Beilage  9t. 

'  Goehlert  a.  a.  O.,  S.  487.  Die  Familieozahl  von  Klimoutz  betrug  im 
Januar  1858  nach  einer  Notiz  Wickenhanser's  47  bespannte,  37  un- 
beapannte  und  69  Häusler  (zusammen  155?);  diejenige  von  Fontina 
40  bespannte,  29  unbespannte  und  81  Häusler  (zusammen  150). 

'  Special -Ortsrepertorium  der  Bukowina  für  1880. 

*  Daüselbe  für  1890.  Ueber  das  Verschmelzen  Mihodras  mit  Kossowanka  b. 
&  269. 

^  Siehe  oben  S.  270,  Anm.  2. 

"  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  8.  104. 

'  Vergl.  oben  S.  241. 

"  Bei]J:ge  5. 

•  a  257. 


278 

1784   wies   Klimoutz   allenfalls   bloss  den  Zuwachs  von  einer 
Familie  auf,  nämlich  zusammen  16.  ^    Die  Einwanderung  währte 
aber  fort,  wie   dies  aus  dem  freilich  etwas  unklaren  Wortlaute 
des  Berichtes  Enzenberg's  vom  23.  Juni  1784  hervorgeht.*  ,Ich 
gieng    auch    nach    Klimoutz,'    schreibt    er,    ,einem    Dorfe    des 
Klosters  Putna   zwischen  Waldungen  mit  fruchtbaren  Feldern. 
Das  Kloster  Putna  überliess  1780  achtzehn  Lippowaner-Familiea 
die  nöthigen  Felder  und  Gründe  gegen  jährliche    100  Gulden. 
Hier  waren   mit  4  Joch  zu   20  Ansiedlungen   (richtiger   wohl: 
20  Ansiedelungen   zu   4  Joch)    gewesen,    wozu    im   Frühjahre 
1784  sechs'  neue  aus   der  Moldau  kamen.     Ihr  Richter  hatte 
das  Glück,   sich   im  Jahre  1783  Kaiser  Joseph   zu  Füssen  zu 
legen.   Er  gab  20  Ansiedelungswesen  an;  nach  den  alldort  be- 
findlichen Häusern   und  Stallungen   schätze   ich   sie   auf  mehr. 
Da  alle  Lippowaner  sehr  argwöhnisch  sind,  so  drang  ich  nicht 
näher  ein.     Diese  Lippowaner  gleichen  hinsichts  der  Religion, 
der  Sitten,   Gebräuche,   des  Argwohns   und  Aberglaubens   den 
Hlibokischen,  haben  nebst  gut  bestelltem  Feldbau   auch  Holz-, 
Hanf-  und  Flachserzeugnisse  und  das  hierlands   sehr  gut  ab- 
setzbare Leinöl.     Ihre  Nahrung  ist  schlecht  und   einfach,   sind 
dabei  mit  Allem  zufrieden  und- sehr  geneigt,  moldauische  Lippo- 
waner  aufzunehmen,   nicht   aber   die   aus  Bessarabien  [Donau- 
mündungen], die  sie  nicht  als  echtgläubig  ansehen.^     In  ihren 
Häusern  fand  ich  ebensoviele  Bilder  als  bei  den  anderen.  Kirchen 
haben  sie  keine;  sondern  der  Aelteste  im  Dorfe  macht  den  Pfarrer. 
Es  wird  aber,  wie  mir  scheint,  sehr  selten  in  dieser  Gemeinde 
Gottesdienst  gehalten.  Sie  haben  auch  eine  Menge  grosser  und 
kleiner  Kinder.  Die  sechs  neuen  Familien  aus  der  Moldau  fangen 
schon  an,  ihre  Häuser  zu  bauen,  wobei  ihnen  die  übrigen  hilf- 
reiche Hand  bieten.    Ihre  meiste  Klage  bestand  darin,  dass  ihre 
Grundherrschaft,  Kloster  Putna,  unweit  des  Dorfes  am  Walde  ein 
Wirthshaus  erbaute.    Wo  mögHch  versprach  ich  ihnen  Abhilfe.* 


^  Beilage  15. 

>  Wickenhaaser  a.  a.  O.,  Nr.  26,  S.  104 f. 

^  Vergl.  oben  S.  267,  wo  aber  nur  3  Einwandererfamilien  speciell  angeführl 

werden;    es   dauerte  eben  wie  bei  Mitoka  (siehe  S.  272),  so  aach  bei 

Klimoutz  die  Einwanderung  weiter  fort 
*  Die  Klimoutzer  sind  nämlich   priesterlose  Lippowaner,  zu  denen  aucl 

offenbar  diejenigen  ans  der  Moldau  gehörten;  die  anderen  waren  abei 

priesterliche  Lippowaner. 


279 

Der  Vertrag,  welchen  die  Ansiedler  in  Klimoutz  mit 
dem  Kloster  Putna  geschlossen  hatten,  wurde  nach  der  Ueber- 
Mhme  der  Klostergllter  in  die  Verwaltung  des  Staates  von 
Jen  Verwaltungsbehörden  nicht  anerkannt;  er  wurde  viel- 
3iehr  mit  Ende  April  1785  für  erloschen  erklärt,  und  die 
Lippowaner  sollten  ,die  landesüblichen  Schuldigkeiten  gleich 
loderen  Unterthanen'  leisten;  auch  traf  man  Anstalten,  ihnen 
diejenigen  Gründe  zu  nehmen,  welche  für  etwa  nachkom- 
ineDde,  aber  noch  nicht  angesiedelte  Familien  bestimmt  waren.  ^ 
Beide  Verfilgungen  zogen  zahlreiche  Unzukömmlichkeiten  nach 
sich.  Beim  Einheben  der  Unterthansschuldigkeiten  kam  es 
besonders  im  Jahre  1787  bezügUch  des  Flachszehents  zu 
einem  Processe,  welchen  das  Kreisamt  zu  Gunsten  der  Lip- 
powaner entschied.*  Da  die  Lippowaner  darauf  drangen,  dass 
*ie  für  die  Naturalabgaben  wieder  einen  Geldzins  entrichten, 
^  wnrde  dies  ihnen  schUesslich  mit  dem  Vertrage  vom 
!♦).  Juni  1790  gewährt;  *  sie  sollten  fortan  bis  zu  einer  allge- 
meinen Regulierung  der  Unterthansgaben  für  die  nach  dem 
GMkaischen  Chrysow  bestimmten  Leistungen*  jährlich  300  fl. 
Grundzins  nebst  der  Waldgebühr  zahlen,  welche  letztere  von 
•ier  bespannten  Familie  1  fl.,  von  der  unbespannten  mit  30  kr. 
bestimmt  war.  Bei  dieser  Gelegenheit  mussten  aber  die  Kli- 
Dwutzer  auf  eine  grosse  Wiese  verzichten,  die  zur  eigenen  Be- 
Dätzong  für  die  Herrschaft  vorbehalten  wurde.  Fortan  hatte 
Jie  Herrschaft  stets  das  Bestreben,  den  Grundzins  zu  steigern, 
iie  Lippowaner  belebte  aber  der  Wunsch,  ihren  Besitz  zu  er- 
weitern, insbesondere  jene  ihnen  entzogene  Wiese  zurückzu- 
'riialten.  Die  Gegensätze  spitzten  sich  umsomehr  zu,  als 
"ier  Staat  seine  Herrschaftsrechte  an  Pächter  abtrat.  Kaiser 
Joseph  hatte  noch  selbst,  um  die  im  Jahre  1785  errichteten 
^erwaltereien  eingehen  zu  lassen  und  so  Ersparnisse  zu  er- 
Q^len,  die  Güterverpachtungen  angeordnet.^     Eine  der  ersten 


'  Beilage  31. 

'  Ceber  diesen  Process   werde   ich   nnter  Beibringung   der   betreffenden 

Urkunde  in  einer  Arbeit  über  das  Unterthansyerhältniss  in  der  Bukowina 

Diher  handeln. 
'Bttlige  33. 

*  Vergl.  oben  8.  276  Anm.  1. 
'"  Nachdem  Joseph  im  Jahre  J  786  die  Bukowina  znm  zweitenmale  besucht 

ItAtte  (24.-27.  Juli),   befahl   er  Folgendes  (Lemberg,  6.  August  1786): 


280 

war  die  Lezzeny'sche.  Freiherr  v.  Lezzeny,  Gubemialrath  in 
Lemberg,  erhielt  schon  1789  die  Erbpacht  der  Kuczurmarei 
und  St.  Onufrer  Herrschaft  zugestanden,  zu  denen  auch  Kli 
moutz  und  Fontina  alba  gehörten.  Die  Erbpacht  wurde  hier 
auf  im  Jahre  1791  in  eine  dreissigj ährige  Zeitpacht  umge 
ändert.  Hierauf  trat  Lezzeny  schon  im  Jahre  1792  die  Pachtung 
an  Adam  Anton  Kriegshaber  ab,  welcher  sie  wieder  an  After 
Pächter  weiter  abgab.  ^ 

Im  Jahre  1802  beginnt  die  lange  Reihe  der  Streitigkeiten 
mit  einer  Klage  gegen  den  Pächter  Wolowski,  weil  dieser  ge- 
droht hatte,  die  Lippowaner  wieder  zur  Robot  und  den  Na- 
turalabgaben zu  verhalten;  auch  glaubten  die  Ansiedler  in  der 
Waldbenützung  beeinträchtigt  zu  sein;  sie  wollten  ferner  nicht 
die  Dorfwachen  in  der  geforderten  Weise  stellen,  klagten  wegen 
Ueberhaltung  bei  der  ,Vorspann^,  recurierten  wie  schon  im 
Jahre  1784*  gegen  die  Errichtung  eines  ,Branntweinhau8es'  in 
Klimoutz  durch  den  Pächter,  und  beklagten  sich  endlich  übet 
die  Unzulänglichkeit  der  Grundstücke.  Das  Kreisamt  entschied 
bezüglich  der  Vorspannsleistungen  zu  Gunsten  der  Lippowanei 
und  traf  Anstalten,  dass  dieselben  nicht  mehr  überhalten  würden. 
Sonst  erhielten  aber  die  Lippowaner  für  die  neuen  Wirthe  nui 
30  Faltschen  unnützbares  Gestrüpp  zur  Rodung,  woftir  sie 
jährlich  50  fl.  an  Grundzins,  worinnen  der  Waldgenuss  samnit 
Naturalfrohnen  und  Zehent  abgerechnet  ist,  der  Herrschaft  zu 
zahlen  sich  verpflichteten^  ^ 

Am  6.  April  1804  überreichten  sodann  die  Lippowaner 
ein  Gesuch  an  die  Revisions-Hofcommission.  *  In  demselben 
führten  sie  aus,  dass  die  Zahl  ihrer  Familien  von  15^  auf  35*^ 


«Müssen  die  übrigen  Cameral-  und  geistlichen  Güter,  die  in  der  Admini- 
stration stehen  und  theils  der  einheimischen,  theils  der  Moldauer  Geist- 
lichkeit angehören,  mit  Aufhebung  der  darauf  angestellten  kostbaren 
Beamten  in  Pachtungen  von  mehreren  Jahren  theilweise  gegeben  werden, 
wodurch  die  Viehzucht  ganz  gewiss  in  bessere  Aufnahme  kommen  wirdJ 
Polek,  Die  Reisen  Josephs  IL,  S.  72. 

^  Wickenhauser,  Molda  I,  S.  64f. 

«  Vergl.  oben  S.  278  f. 

'  Beilage  41. 

*  Beilage  45. 

^  Die  Lippowaner  gaben  den  Stand  vom  Jahre  1783  an;  siehe  oben  S.  277, 

•^  In  einem  bald  darauf  (27.  December  1804)  erstatteten  Berichte  der  Guts- 
vorwaltung  von  Kuczurmare  werden  nur  33  Familien  genannt  Beilage  49, 


281 

ach  vermehrt  habe,  so  dass  jede  kaum  8  Faltschen  an  Aeckem 
und  Wiesen  besitzt.  ,Als  sie  noch  wenig  waren/  hat  man  ihnen 
109  Faltschen  weggenommen  und  ihnen  noch  immer  nicht  die- 
rflben  zorückgestellt.  Sie  zahlen  der  Herrschaft  an  Gebühren 
312  fl.  jährlich.  Auch  die  Klage  wegen  der  Holzlieferung  und 
den  Wachen  werden  wiederholt;  femer  baten  die  Lippowaner 
im  Befreiung  vom  Czerdakendienste.  In  der  folgenden  ünter- 
iuchang,  welche  beim  Landespräsidium  in  Lemberg,  dem 
L  k.  Staatsgüter  Jnspectorate  in  St.  Hie  und  der  Gutsverwaltung 
in  Euczurmare  geführt  wurde,  wurden  die  Lippowaner  mit 
Hinweis  auf  die  Entscheidung  des  Kreisamtes  vom  Jahre  1802 
in  allen  Punkten  sachftülig;^  bezüglich  der  Forderung  nach 
Gninderweiterungen  wurde  besonders  noch  betont,  dass  es  ent- 
gegen dem  höchsten  Directorialdecrete  vom  2L  März  1795 
»Ire,  ,die  vorhandenen  Dominicalgründe  zu  vergeben  und  den 
Unterthanen  zuzutheilen';  auch  sei  die  Herrschaft  verpachtet 
and  eine  solche  Zutheilung  gegenüber  den  Ansprüchen  des 
Pächters  gar  nicht  ausführbar. 

Durch  diese  Zurückweisung  Hessen  sich  die  Klimoutzer 
fnr  die  Dauer  nicht  abschrecken.  Als  Kaiser  Franz  H.  im 
Jahre  1817  in  der  Bukowina  verweilte,  überreichten  sie  dem 
Monarchen  ein  Bittgesuch,  das  dieser  auch  signierte. '  Sie  baten 
um  Bestätigung  ihres  alten  Privilegs,  um  Befreiung  vom  Mi- 
litärdienste, um  Entfernung  des  damaligen  Pächters  Nicolaus 
Kapri  von  der  Pachtung  des  Dorfes,  um  Rückstellung  der 
<0  Faltschen  Wiese,*  welche  ihnen  vor  20  Jahren  entzogen 
worden  waren,  um  die  Freiheit,  damit  im  Dorfe  kein  Wirths- 
kaus  bestehe,  endlich  um  die  Befi*eiung  von  der  Vorspanns- 
^istong;  den  Pachtschilling  für  das  Dorf,  den  Ertrag  für  das 
flTirthshaus  und  einen  Geldersatz  (Reluierung)  ftlr  die  Vor- 
^pannsleistung  wollten  sie  gern  zahlen.  Das  Gesuch  wurde  zu- 
Dichst  vom   Kreisamte   begutachtet,*   hierauf  stellte   die  Lem- 


*  Beila^n  47,  49,  61,  53  und  55. 

*  Beilage  57.    Der  Kaiser  traf  am  1.  August  in  Czemowitz  ein. 

*  Im  Vertrage  von  1790  werden  200  Joch  erwähnt  (Beilage  34),  im  Recurs 
TOD  1804  109  Faltschen  (Beilage  45),  im  Jahre  1B42  (Beilage  87)  ,hei- 
liafig  80  Faltachen'  (l  Faltsche  =  etwa  18  Joch;  vgl.  8.  274  unten);  end- 
Uch  im  Jahre  1843  (Beilage  89)  160  Joch. 

'Beilage  58. 
irekiT.  LXXXm.  Bd.  U.  Hilfte.  19 


282 

berger  Landesregierung  ihre  Vorschläge,  ^  und  endlich  gelangte 
die  Angelegenheit  im  Jahre  1819  in  der  Hofkanzlei  zur  Be- 
rathung.*  Grössere  Bedeutung  wurde  hiebei  nur  den  zwei 
ersten  Punkten  des  Gesuches  beigemessen;  auf  die  Durch- 
führung der  anderen  hatten  die  Lippowaner  theils  selbst  ver- 
zichtety  theils  überzeugte  sie  das  Ereisamt  von  der  Unbilligkeit 
ihrer  Forderungen;  insbesondere  machte  es  ihnen  klar,  dass 
nach  dem  Vertrage  vom  Jahre  1790  jene  Wiese  rechtsgiltig 
der  Herrschaft  zu  eigen  sei;  würden  sie  auf  die  Rückstellung 
dringen,  so  würden  sie  auch  die  Robot  und  die  anderen  Ab- 
gaben in  natura  zu  leisten  haben,  welche  mit  jenem  Vertrage 
reluiert  worden  wären.  Wichtiger  sind  die  Verhandlungen  über 
die  Bitte  um  die  Erneuerung  des  Privilegs  und  die  Befreiung 
vom  Militärdienste.  Wir  erfahren,  dass  die  Lippowaner  die 
erstere  Bitte  vorzüglich  vorbrachten,  weil  sie  durch  den  Ver- 
such, die  Kuhpockenimpfung  und  die  Eidesabiegung  bei  ihnen 
einzuführen,  sich  in  ihrer  Religionsfreiheit  gestört  fühlten.  Das 
Kreisamt  erklärte  aber,  dass  man  hievon  bereits  abgekommen 
sei,  besonders  da,  wie  es  im  Vorschlage  des  Lemberger  Gu- 
bemiums  heisst,  durch  die  Hof  kanzleidecrete  vom  30.  September 
1813  und  10.  Jänner  1816  ,die  Mennoniten  überhaupt,  zu  denen 
auch  die  Lippowaner-Gemeinden  in  der  Bukowina  gehören, 
von  der  zwangsweisen  Kuhpockenimpfung  und  der  vorge- 
schriebenen Eidesabiegung,  als  ihren  Glaubenslehren  zuwider- 
laufenden Uebungen,  beireit  wurden,  und  sie  aus  eben  diesem 
Gnmde  zu  keiner  Recruteustellung  verhalten  würden*.  Betreffs 
des  letzteren  Punktes  bemerkt  das  Kreisamt  Folgendes:  ,Die 
Lippowaner  wurden  zur  Recruteustellung  nicht  verhalten;  selbst 
als  im  Jahre  1809  und  dann  1813/14  in  der  Bukowina  zwei 
Freicorps  errichtet  wurden,  haben  sie  1809  nur  2  Pferde,  1814 
bloss  100  fl.  gegeben.  Auch  für  die  Zukunft  wäre  es  zu  ge- 
nehmigen, dass  die  Gemeinde  statt  Recruten  Geldunterstützongen 
leiste.'  Die  Hofkanzlei  wies  noch  auf  eine  bereits  am  1.  Mai 
1812  erfolgte  Allerhöchste  Entschliessung  hin,  dass  ,bei  den 
Mennoniten  es  bei  der  ihnen  bei  ihrer  Auftiahme  zugesicherten 
Recrutierungsfreiheit  zu  verbleiben  habe,  doch  sollte  jede  Fa- 
mihe  wie  bisher  1  fl.  jährlich  als  Reluitionsäquivalent  entrichtend 


^  Beilage  59. 

'  Beilagen  60  and  61. 


283 

Man  nahm  somit  von  einer  Erneuerung  des  Privilegs  Abstand, 
weil  die  Lippowaner  in  ihren  Religionsgebräuchen  nicht  ge- 
stört wurden,  ^sondern  im  Gegentheile  auf  dieselben  die  thun- 
Echste  Bücksicht  genommen  worden  sei^  Das  Merkwürdigste 
bei  den  geschilderten  Vorgängen  ist,  dass  die  Klimoutzer  um 
die  Bestätigung  eines  Privilegiums  baten,  das  sie  nie  erhalten 
md  besessen  hatten,  denn  der  von  Kaiser  Joseph  gewährte 
Freiheitsbrief  wurde  ausdrücklich  nur  für  die  neu  zu  begrün- 
dende Colonie  (Fontina  alba)  ertheilt.  Noch  sonderbarer  ist  es, 
dflss  die  Behörden  diesen  absichtlichen  oder  unwissentUchen 
Irrthum  der  Lippowaner  nicht  aufklärten. 

Das  Verlangen  nach  Erweiterungen  ihres  Gebietes  war 
bei  den  Lippowanem  so  gross,  dass  es  um  diese  Zeit  darüber 
m  einem  Processe  zwischen  Klimoutz  und  Fontina  kam.  Im 
Jahre  1821  meldete  nämlich  der  Klimoutzer  Insasse  Iwan  Titow, 
^*S5  er  von  dem  verstorbenen  Richter  von  Fontina  alba,  Larion 
Petrowicz,  ^  die  Balta  Sitarului,  eine  Waldwiese  von  beiläufig 
15  Faltschen,  gekauft  habe,  fiir  welche  er  der  bisherigen  Guts- 
pachtung einen  besonderen  Zins  von  10  fl.  W.  W.  zahlte.  Die 
Commission  beliess  ihn  zunächst  auch  gegen  eine  jährliche  Ab- 
gabe von  10  fl.  C.-M.  in  seinem  Besitze.  Als  sich  aber  die  Com- 
ffliasion  am  folgenden  Tage  —  23.  März  1821  —  nach  Fontina 
alba  begab,  gaben  die  Lippowaner  daselbst  an,  dass  Larion 
Petrowicz  nicht  berechtigt  war,  jene  Wiese,  welche  übrigens 
nicht  15  Faltschen,  sondern  103  Joch  412  Quadratklafter  messe, 
zn  verkaufen,  weil  dieselbe  der  ganzen  Gemeinde  gehörte. 
Jener  Verkauf  habe  also  keine  Giltigkeit;  sie  seien  aber  bereit, 
aas  Achtung  ftir  den  verstorbenen  Verkäufer,  der  in  seinem 
tohen  Alter  schon  kindisch  war,  das  Kaufeapi tal  per  170  fl.  W.  W. 
ZQ  ersetzen,  sobald  das  Grundstück  der  Gemeinde  zurückgestellt 
werden  wird.  Thatsächlich  sprach  die  Commission  die  Wiese 
•iem  Titow  ab  und  rechnete  dieselbe  bei  der  damals  vorge- 
nommenen Bemessung  der  Abgaben  unter  den  Besitz  von  Fon- 
tina, Als  aber  die  Protokolle  der  vorgesetzten  Behörde  in 
Lemberg  vorgelegt  wurden,  regte  diese  die  Frage  an,  ob  dieser 
inrch  Rodung  entstandene  Grund  nicht  Eigenthum  der  Herr- 
^haft  seL   Als  sich  nun  der  Process  fortspann,  trat  schliesslich 


'  Vergl.  über  denselben  die  Beilagen  39,  40,  42  and  43,  femer  Czernowiteer 
Zeitung  1868,  Nr.  95. 

19» 


284 

noch  eine  vierte  Partei,  die  Gemeinde  Suczaweni,  mit  Ansprüchen 
auf  die  Wiese  hervor,  weil  sie  die  Pojana  Sitaruloi  noch  vor  der  Be- 
siedelung  von  Fontina  alba  mit  Lippowanem  mit  Feuer  gerodet  und 
hierauf  beweidet  hätte;  auch  läge  ein  grosser  Theil  derselben  in  der 
Gemarkung  ihres  Dorfes.  Andererseits  wurde  festgestellt,  dass 
Mönche  aus  dem  Kloster  zu  Fontina  alba  ebenfalls  an  der  Rodung 
sich  betheiligt  hatten,  bevor  die  Wiese  an  Petrowicz  übergieng,  der 
ebenfalls  mit  der  Rodung  fortfuhr.  Auch  Titow  hatte  gerodet,  wofür 
ihm  die  Suczawener  Ersatz  leisten  wollten.  Die  Herrschaft  betonte, 
dass  nach  dem  Hofdecrete  vom  15.  März  1810  das  Nutzungs- 
recht eines  Rodgrundes  zwar  demjenigen  gehört,  welcher  ihn 
urbar  machte,  und  auch  seinen  Nachkommen  belassen  werden 
muss;  Petrowicz  sei  aber  ohne  Erben  gestorben,  und  da  die 
Rodung  nicht  vor  1786  geschah,*  so  falle  die  Wiese  der  Herr- 
schaft zurück.  Hierauf  füllte  im  Jahre  1825  das  Ejreisamt  das 
UrtheU  zu  Gunsten  des  Iwan  Titow  aus  Klimoutz;'  doch  muss 
die  Wiese  bald  darauf  wieder  ihm  genommen  worden  sein  und 
kam  nach  einem  langwierigen  Processe  mit  der  Herrschaft 
schliesslich  in  den  Besitz  der  Fontiner.* 

Indessen  waren  die  Zinsverträge  zwischen  dem  Do- 
minium und  den  Lippowanem  öfters  erneuert  worden.  Nach 
dem  ursprünglichen  Vertrage  mit  dem  Kloster  Putna  vom  Jahre 
1780  zahlte  jeder  Familienvater  5  fl.  jährlich  und  eine  Oka 
Oel(?)*  oder,  wie  Enzenberg  im  Jahre  1784  berichtet,  zu- 
sammen 100  fl.^  Im  Vertrage  vom  Jahre  1790  wurde  der 
Grundzins  bereits  auf  300  fl.  erhöht,  abgesehen  von  der  eben- 
falls von  jeder  Familie  zu  entrichtenden  Waldgebür  flir  die 
Holznutzung.  ®  Im  Jahre  1802  hatten  die  Lippowaner  30  weitere 
Faltschen  Grundes  erhalten,  mussten  sich  aber  zu  einer  Er- 
höhung des  Zinses  um  50  fl.  bequemen.  ^    Die  Lippowaner  be- 


^  Das  Jahr  1786  ist  nämlich  das  Normaljahr,  welches  über  den  msticaleQ 
und  dominicalen  Besitz  entscheidet.    Vergl.  oben  S.  266,  Anm.  2. 

3  Beilagen  64—66,  69—71,  75  und  76.  Die  Balta  Setar  liegt  nördlich  von 
Fontina  alba  an  der  Grense  gegen  Kamenka  und  g^hOrt  gegenwSrtig 
wenigstens  theil  weise  zu  dieser  Ortschaft. 

*  Vergl.  unten  bei  Fontina  alba  S.  290  ff. 

*  Vergl.  oben  8.  241. 

*  Ebenda. 

«  Siehe  oben  S.  279. 

*  Siehe  oben  8.  280. 


286 

äas8en  nun,  wie  sie  1804  ausführten,  ftlr  jede  der  35  Familien 
kaom  8  Faltschen,  also  zusammen  etwa  280,  woflir  sie  an  allen 
Gebttren  zusammen  372  fl.  jährlich  entrichteten.  ^  Als  hierauf 
die  dreissigjährige  Lezzeny-Kriegshaber'sche  Pachtung  '  zu  Ende 
gieng,  schritten  wieder  die  Staatsbehörden  ein,  um  den  Ver- 
trag von  1790  zu  erneuern.  ,Weil  sich  die  Zeiten  geändert 
and  die  Preise  aller  Dinge  seit  dem  Jahre  1790  bedeutend 
gestiegen  waren^,  so  wurden  400  fl.  C.-M.  gefordert  und  schliess- 
lich mit  dem  Vertrage  vom  10.  Juli  1821  320  fl.  festgesetzt. ' 
Die  Ldppowaner  kamen  also  noch  sehr  glimpflich  davon,  be- 
sonders wenn  man  berücksichtigt,  dass  nach  einem  aus  dem 
Jahre  1820  herrtlhrenden  , Ausweise^  ^  in  Omoutz  68  Hauswesen 
vorhanden  waren,  von  denen  32  Bespannte,  11  Unbespannte, 
30  Häusler  und  5  Befreite  waren.  Unter  die  ,Befreiten'  waren 
gezählt  das  herrschafthche  Wirthshaus,  die  Kuluger-(Mönchs-) 
Wohnung  (s.  S.  312),  der  Richter,  der  Attaman^  und  der  Qe- 
schwome.  Unbesteuert  war  übrigens  auch  die  Hirtenwohnung 
und  ein  leeres  Haus;  zusammen  zählte  ELlimoutz  damals  70  Haus- 
inimmem.  Der  obige  Vertrag  war  übrigens  nur  fiir  sechs  Jahre 
geschlossen  worden,  womach  entweder  ein  neuer  Reluitions- 
vertrag  geschlossen  werden  sollte  oder  die  Gemeinde  die  Ab- 
gaben in  natura  zu  leisten  hätte;  sollte  es  innerhalb  der  sechs 
Jahre  zu  einer  allgemeinen  Regulierung  der  Grundschuldig- 
keiten kommen,  so  sollte  der  Vertrag  überhaupt  nur  bis  zu 
diesem  Zeitpunkte  gelten.  Am  15.  Juni  1827  wurde  der  Ver- 
sag unter  denselben  Bedingungen  bis  1833  erneuert,^  auch 
liesmal  also  sehr  zum  Vortheile  der  Lippowaner;  sie  hatten 
(lies  dem   Umstände   zu  verdanken,   dass   die  Behörden   über 


^  Siehe  oben  8.  281.  Nach  Beilage  49  (December  1804)  waren  in  Klimoutz 
mir  33  Familien. 

'  VergL  oben  8.  280.  Bis  1821  hatten  sich  die  Lippowaner  —  wie  es  in 
einem  Berichte  Tom  14.  Jannar  1843  heisst  (Beilage  89)  —  ,mit  denen 
alle  drei  Jahre  gewechselten  Afterpächtern  ohne  Interveniening  des 
k.  k.  Kreisamtes  abgefunden*.  Doch  vergl.  oben  8.  280  das  Einschreiten 
dee  Kreisamtes  im  Jahre  1802. 

'  Beilagen  64,  66  nnd  68. 

*  Beilage  63. 

^  Vergl.  Splöny,  Beschreibung  der  Bukowina,  S.  46:  ,£ndlich  waren  in 
jedem  Dorfe  1  Dwornik  oder  Richter  und  1,  2  bis  3  Yatamanns  oder 
Kleinrichter  befindig.' 

*  Beilage  78. 


286 

ihren  Grundbesitz  völlig  im  Unklaren  waren.  ^  Nach  Ablauf 
des  Vertrages  wurde  Klimoutz  auf  neun  Jahre  verpachtet,  und 
so  kam  es  erst  1842  wieder  zu  neuen  Verhandlungen  zwischen 
den  Staatsbehörden  (Religionsfonds)  und  den  Elimoutzern.  ^ 
Diesmal  gieng  man  strenge  zu  Werke.  Es  wurde  der  Geld- 
werth  der  Robot  und  der  Abgaben  nach  dem  damaligen  Werth- 
verhältnisse  berechnet,  und  darnach  wurden  die  Lippowaner  im 
December  1842  aufgefordert,  534  fl.  31*/^  kr.  C.-M.  an  Reluitions- 
gebür  zu  zahlen,  was  die  Abgeordneten  der  Elimoutzer  ab- 
schlugen; sie  wollten  nur  wie  bisher  320  fl.  zahlen.  Bei  einer 
weiteren  Nachrechnung  fanden  die  Behörden  den  Reluitions- 
betrag  von  534  fl.  31 '/^  kr.  noch  zu  gering  angeschlagen,  und 
so  wurde  derselbe  im  Jänner  1843  auf  790  fl.  7%  kr.  be- 
rechnet. Interessant  ist  es,  Einsicht  in  diese  Berechnung  zu 
nehmen.  Klimoutz  zählte  damals  ohne  den  Ortsrichter  34  be- 
spannte und  21  unbespannte  Grund wirthe,  77  Häusler  und 
6  Inleute.  Die  jährliche  Schuldigkeit  dieser  Unterthanen  be- 
stand in  55  Fuhren  Kopfholz,  56  Strähnen  Gamgespinnst, 
55  Hühnern  und  1158,  d.  i.  408  Zug-  und  750  Handfrohntagen. 
Herkömmlich  bestanden  für  diese  Leistungen  in  der  Bukowina 
folgende  Preise:  1  Fuhre  Kopf  holz  12  kr.,  1  Strähn  Garn  15  kr., 
1  Henne  3  kr.  und  ein  Frohntag  ohne  Unterschied,  ob  Zug- 
oder Handfrohne  geleistet  wurde,  10  kr.  C.-M.  Da  diese 
Schätzung  ftlr  die  Vierzigerjahre  jedoch  zu  niedrig  war,  so 
wurde  der  Reluitionsberechnung  Folgendes  zu  Grunde  gelegt: 
Für  1  Fuhre  Kopfholz  24  kr.,  für  1  Gespinnst  30  kr.,  fUr 
1  ausgewachsene  Henne  6  kr.,  für  1  Zugfirohntag  24  kr.  und 
für  1  Handfrohntag  12  kr.  C.-M.  Damach  wurde  der  Werth 
der  Robot  und  der  Kleingaben  mit  368  fl.  12  kr.  berechnet. 
Hiezu  kam  dann  noch  der  Zehent  von  den  Feldfrüchten, 
welcher  auf  Grund  des  im  Jahre  1837  zum  Zwecke  der 
Grundsteuerbemessung  festgestellten  Ertrages  auf  421  fl.  55%  kr. 
veranschlagt  wurde.  Dies  ergibt  zusammen  die  oben  schon  ge- 
nannte Summe  von  790  fl.  1^1^  kr.,  worin  die  Waldconvention 
nicht  inbegriffen  war,  weil  diese  alljährlich  bestimmt  werden 
sollte.  Da  die  Lippowaner  diese  auf  das  Aeusserste  geschraubte 
Bemessung   nicht  anerkennen   wollten   und  sogar  behaupteten^ 


^  BeUage  79. 

*  Beilagen  87  und  89. 


287 

sie  seien  zur  Reluierung  des  Zehents  nicht  verpflichtet^  solange 
die  ,vor  fünfzig  wo  nicht  mehr  Jahren^  (1790)  an  die  Herrschaft 
abgetretene  Wiese  sich  in  deren  Besitze  befinde,^  so  bestand 
der  Beligionsfonds  auf  die  Abstattung  der  Abgaben  in  natura. 
Zu  diesen  äussersten  Consequenzen  sind  die  Behörden  wohl  zu 
grossem  Theile  durch  die  Widerspenstigkeit  der  Lippowaner 
gegen  mannigfaltige  Verwaltungsmassregeln  veranlasst  worden; 
auf  diese  Händel  werden  wir  im  folgenden  Abschnitte  näher 
einzugehen  haben. 

Schliesslich  mögen  noch  einige  Notizen  über  die  Bevöl- 
kerung von  Klimoutz  zusammengestellt  werden.  Wie  soeben 
tngefhhrt  wurde,  zählte  diese  Gemeinde  am  Anfange  des 
Jahres  1843  ausser  dem  Ortsrichter  34  Bespannte^  21  Unbe- 
spannte,  77  Häusler  und  6  Inleute,  zusammen  also  139  Fami- 
lien.' Dies  entspricht  den  wohl  aus  dem  Anfange  des  nächsten 
Jahres  herrührenden  Angaben,  dass  Klimoutz  131  Hausnummern 
mit  840  Bewohnern  zählte,  von  denen  755  einheimische  und 
85  firemde  waren.  In  den  folgenden  Jahren  wuchs  die  Be- 
wohnerzahl dieser  Colonie  beständig,  so  dass  im  Jahre  1858 
bereits  47  Bespannte,  37  Unbespannte  und  69  Häusler,  also  zu- 
sammen 154(155?)  Familien  oder  1187  Seelen  vorhanden  waren.  * 
Wie  bei  Mitoka  so  erfolgte  auch  in  Klimoutz  seit  1869  ein 
Rückschlag.*  Vom  Jahre  1880  bis  zum  Jahre  1890  stieg  die 
Bewohnerzahl  wieder  von  1078  auf  1223  Köpfe.* 


3.  Wir  gelangen  nun  zur  Entwicklungsgeschichte  von 
Warniza  =  Biala  Kiernica  oder  Fontina  alba.  Im  August 
des  Jahres  1785  sassen  daselbst,  wie  wir  bereits  wissen,  nur 
6  Familien.  *  Bald  darauf  wurden  weitere  Familien  —  ,etliche 
aber  20*  —  angesiedelt;  ^  in  üebereinstimmung  damit  erfahren 

*  Ueber  diese  Wiese  Tgl.  oben  S.  279.  Es  ist  interessant,  die  yerschiedenen 
AjMchaaimgen  über  dieses  Rechtsgeschäft  an  der  Hand  der  Beilagen  33, 
58  und  87  ins  Aoge  zu  fassen. 

*  Vergl.  Beilage  87,  und  zum  folgenden  92;  siehe  auch  die  Beilage  98, 
in  welcher  von  756  Einheimischen  und  79  Fremden  die  Rede  ist 

*  Siehe  oben  S.  277  Anm.  2  und  Goehlert  a.  a.  O.,  S.  487. 

*  Vergl.  oben  8.  277. 

'  Nach  den  Special-Ortsrepertorien. 

*  Beilage  31. 
^  Beilage  37. 


288 

wir,  dass  nach  der  Josephinischen  Grundsteuervermessung  vom 
Jahre  1786  in  Fontina  alba  30  Lippowaner-Familien  steuer- 
freie Gründe  hatten  und  durch  zwanzig  Jahre  von  allen  Steuern 
und  Contributionen  frei  waren.  Sie  verfügten  über  folgende 
Gründe:  61  Joch  1066  Quadratklafter  Aecker,  208  Joch 
926  Quadratklafter  Wiesen,  26  Joch  1459  Quadratklafier  Gärten 
und  398  Joch  47  Quadratklafler  Hutweiden;  zusammen  685  Joch 
298  Quadratklafler.  ^ 

Auch  in  Fontina  alba  fehlte  es  nicht  an  zahlreichen  Hän- 
deln. Sie  betrafen  theils  den  Grundbesitz  und  die  Reluitions- 
verträge,  theils  die  Begründung  der  Erlöster  in  dieser  Gemeinde. 
Von  den  Zwistigkeiten,  welche  einzelne  Verwaltungsmassregeln 
hervorriefen,  sehen  wir  hier  zunächst,  sowie  bei  Klimoutz,  ab. 

Die  Streitigkeiten  um  den  Grundbesitz  wurden  in  ähn- 
licher Weise  wie  in  Klimoutz  hervorgerufen.  Weil  man  auf 
eine  weit  zahlreichere  Ansiedelung  gehofft  hatte,*  so  waren  fiir 
diese  zunächst  bedeutendere  Strecken  bestimmt  worden;  als 
hierauf  die  Lippowaner  in  den  Jahren  1787  und  1788  nicht  in 
so  grosser  Anzahl  eintrafen,  wurde  der  Ueberschuss  eingezogen, 
zu  den  Fratautzer  und  St.  Onufrer  Gründen  geschlagen  und 
mit  diesen  verpachtet.  Wie  Klimoutz  war  damals  auch  Fontina 
alba  als  Zubehör  zur  St.  Onufrer  Herrschaft  an  Lezzenj  ver- 
pachtet worden. '  Dagegen  reichten  die  Lippowaner  am 
18.  August  1795  eine  Klage  ein,*  in  welcher  sie  besonders  be- 
tonten, dass  sie  die  ihnen  über  dem  Tamaukabache  ange- 
wiesene Wiese  gleich  nach  ihrer  Einführung  zu  benützen  an- 
gefangen und  dort  auch  einen  kleinen  Teich  angelegt  hatten, 
welchen  sie  bei  der  Bereitung  des  Flachses  und  Hanfes  be- 
nützten. Am  30.  September  1795  wurden  den  Lippowanern 
thatsächlich  die  Gründe  am  Tamaukabache  zugesprochen;^ 
der  wichtigste  Grund  dieser  günstigen  Entscheidung  lag  wohl 
in  dem  Umstände,  dass  den  Lippowanern  die  im  Jahre  1785 
zugetheilten  Gründe  erst  nach  dem  Jahre  1788  abgenommen 
wurden^   und  somit  die  Verordnungen  vom  Jahre  1787,   wor- 


'  Beilage  82. 

'  Beilagen  31  und  37. 

>  Siehe  oben  S.  280. 

*  Beilage  36. 
^  Beilage  38. 

•  Beilage  37. 


289 

nach  den  Unterthanen  alle  Qründe  zu  yerbleiben  hatten,  die  sie  am 
I.November  dieses  Jahres  besassen,  in  Rechtskraft  erwachsen  war. 
Zur  Zeit,  da  die  Elimoutzer  sich  an  die  Revisions-Hof- 
eommission  wandten,  thaten  auch  die  Lippowaner  von  Fontina 
alba  dasselbe.  Ihr  Gesuch  rührt  vom  5.  April  1804  her  und 
ist  von  demselben  unbekannten  Schreiber  verfasst  wie  das- 
jenige der  Klimoutzer.*  Auch  diese  Lippowaner  forderten  ein 
Stück  reinen  Feldes  zum  Ackern  und  Mähen,  ,welches  ihnen 
bei  ihrer  Ansiedelung  auch  versprochen  wurde,  aber  bis  der 
Stunde  noch  nicht  geschehen^;  ferner  baten  sie  um  Befreiung  oder 
Abl5sang  des  Czerdakendienstes  und  stellten  das  Ersuchen,  dass 
ue  fortan  nicht  ,unter  der  Herrschaft  [dem  Pächter]  bleiben 
sollten,  sondern  unter  die  ärarischen  Unterthanen  gerechnet 
werden';  endlich  sollte  kein  Wirthshaus  im  Dorfe  errichtet 
werden,  ,weil  dadurch  die  meisten  jungen  Leute  zu  Liederlich- 
keiten,  Ausschweifungen  und  bösen  Handlungen  angeleitet  wer- 
den, welches  ihre  Religion  unmöglich  leiden  kann^  Mit  dem 
Gesuche  wurde  ebenso  verfahren  wie  mit  jenem  der  Klimoutzer,  * 
auch  der  Erfolg  war  ebenso  gering.  Insbesondere  wurde  jede 
Gnmderweiterung  abgeschlagen,  weil  ,die  Gemeinde  auf  einem 
unter  der  bestandenen  MiUtäradministration  ihr  zugewiesenen 
und  abgerainten  Grunde  dotiert  worden  ist  und  dermal  bei  der 
jeden  Orts  angewachsenen  Bevölkerung  ausser  ihrem  Ge- 
meindeumfange nirgends  einige  Grtlnde  zur  Zertheilung  an 
dieselbe  erübrigend  Wie  die  ELlimoutzer  so  liessen  aber  auch 
die  Bewohner  von  Fontina  alba  es  nicht  bei  diesem  Versuche 
bewenden,  nur  schlugen  sie  einen  anderen  Weg  ein.  Während 
eretere  nochmals  durch  eine  Petition  ihre  Absicht  zu  verwirk- 
lichen suchten^  eigneten  sich  diese  insgeheim  allmälig  Theile 
des  herrschaftUchen  Waldes  durch  Roden  an.  Bis  1813  hatten 
äe  bereits  56  Joch  Gründe  auf  diese  Weise  an  sich  gerissen.' 
Einige  Jahre  später  gieng  die  Lezzeny'sche  Pachtung  zu  Ende,* 
and  nun  stellte  es  sich  infolge  der  Bukowiner  Katastralver- 
niessung   von   1819 — 1821   heraus,^   dass   die  Fontiner  bereits 


*  Beilage  44. 

*  BeUagen  46,  4S,  60,  52  and  54. 
'  Beilage  56. 

*  VergL  oben  8.  2S0. 

^  Das  Folgende  ist,   insofern  nicht   auf  eine   andere  Beilage   yerwiesen 
wird,  nach  dem  weiter  nnten  im  Texte  genannten  Berichte  des  Znczker 


290 

959  Joch  417-7  Quadratklafter  besassen;  vergleicht  man  dies 
mit  ihrer  (1795  bestätigten)  Bestiftimg  vom  Jahre  1786,  welches 
für  die  Frage,  ob  die  Gründe  rustical  oder  domimcal  sein 
sollen,  entscheidend  ist,  so  ergibt  sich  innerhalb  dreissig  Jahren 
ein  Zuwachs  von  274  Joch  119*7  Quadratklaftem,  welche  sich 
die  Lippowaner  durch  List  und  Gewalt  angemasst  hatten,  da 
sie  sich  über  den  redlichen  Erwerb  der  Gründe  nicht  aus- 
weisen konnten.  Als  herrschaftliche  Gründe,  welche  sie  da- 
mals benutzten,  werden  in  einem  Protokolle  vom  Jahre  1821 
ausserdem  noch  die  Onisimowka  und  die  Waldhutweide  Balta 
Sitarului  angeführt;^  letztere  mass  allein  120  Joch  1410  Qna- 
dratklafter  und  ist  wohl  zu  unterscheiden  von  der  Balta  Sitaruloi^ 
um  deren  Gebiet  (103  Joch  412  Quadratklafter)  damals  der  Streit 
zwischen  Fontina  und  Rlimoutz  begann,*  welche  aber  in  Wirklich- 
keit ebenso  wie  die  andere  Balta  herrschaftlich  war.  Als  hierauf 
in  dem  Jahre  1836/37  ,der  Besitz  von  Grund  und  Boden  durch 
die  Grundschätzung  mit  Berücksichtigung  der  seit  1821  einge- 
tretenen Veränderungen  zur  Bemessung  der  Grundsteuer  ausge- 
mittelt'  wurde,  ergab  sich  in  Fontina  alba  für  das  Jahr  1837 
nach  Angaben  des  Religionsfondes  bei  den  folgenden  Processen 
ein  Rusticalbesitz  von  1124  Joch  464  Quadratklaftern,  also 
wieder  um  165  Joch  46*3  Quadratklaft»r  mehr  als  im  Jahre 
1821.  Die  Lippowaner  gaben  aber  an,^  dass  sie  schon  seit  der 
Abgrenzung  im  Jahre  1819  1347  Joch  1500*3  Qaadratkhiiler 
besassen,  da  auch  die  Waldparcelle  Srub  Wamiza  oder  Kor- 
czy  Lysok  von  103  Joch  412*2  Quadratklaftem  (Balta  Sitarului  ^ 
und  eine  andere  Namens  Lysok  von  120  Joch  1410' 1  Quadrat- 
klaftem (die  Waldhutweide  Sitarului)  ihr  Eigenthum  gewesen 
seien.  Thatsache  ist,  dass  zwischen  der  Herrschaft  und  der  Ge- 
meinde Fontina  alba  um  den  Besitz  dieser  Parcellen  ein  heftiger 
Kampf  geführt  wurde.  Schon  1824  hatten  die  Lippowaner 
durch  ihre  Klage  beim  Kreisamte  einen  ,Schutzerla88^  erwirkt, 
der  ihnen  den  ungestörten  Weidegenuss  im  Lysok  zusicherte, 
,weil  sie  seit  langer  Zeit  dieses  Qestrüpp  beweideten'.    Ebenso 


Wirthschaftsamtes  Tom  16.  April  1851  en&hlt;  da  die  wesentliche  Inhalts- 
angabe desselben  bereits  an  dieser  Stelle  erfolgt,    wird  er  unter  den 
Beilagen  (Nr.  106)  nnr  yerkünt  abgedruckt. 
1  Beilage  66. 

*  Siehe  oben  8.  S88f.  und  weiter  unten  im  Texte. 

•  Beilage  lOS. 


291 

ist  es  ihnen  gelungen,  in  dem  verwickelten  Streite  um  die 
Balta  Sitarului  oder  den  Srub  Warniza  =  Korczy  Lysok 
über  ihre  Gegner  den  Sieg  davonzutragen,  denn  die  Gemeinde 
nahm  dieses  Gebiet  thatsächlich  in  Besitz.  Als  nämlich  die 
Herrschaft  im  Jahre  1834  ihren  Besitz  durch  Gräben  und 
Zäune  zu  beschützen  suchte,  rotteten  sich  die  Lippowaner  am 
11.  Mai  1835  ^  zusammen  und  zerstörten  diese  Einfriedung.  Es 
wurde  nun  eine  Untersuchung  eingeleitet,  der  zufolge  das 
Kreisamt  im  Jahre  1840  den  Srub  Warniza  dem  Religions- 
fonde  absprach.  Dieser  hielt  sich  aber  infolge  eines  Form- 
fehlers auch  noch  weiter  flir  den  rechtmässigen  Besitzer.  Da- 
her klagten  die  Lippowaner  in  den  letzten  Monaten  des  Jahres 
1849  beim  neuen  Finanzministerium  und  dann  wieder  im  Jahre 
Iföl  auf  Rückgabe  beider  Parcellen;  endlich  überreichten 
sie  zu  demselben  Zwecke  am  21.  October  1851  ein  Majestäts- 
gesuch.' In  demselben  Jahre  hatte  das  Zuczker  Wirthschafts- 
amt  in  einem  ausführlichen  Berichte  die  Unrechtmässigkeit  der 
Ansprüche  der  Lippowaner  darzulegen  versucht.  Es  erklärte, 
iiss  die  Lippowaner  diese  Ghründe  an  sich  reissen  wollten,  ,weil 
sie  bei  der  anwachsenden  Volksmenge  die  ihnen  ursprünglich  zu- 
gewiesene Hutweide  bereits  in  Aecker  verwandelt  haben,  und  weil 
sie  der  Ansicht  sind,  dass  sie  soviel  Gründe  unentgeltlich  er- 
kalten mtissten,  als  fiir  ihre  Bevölkerung  nothwendig  sind^  Es 
folgen  sodann  einige  Angaben  über  das  Anwachsen  der  Be- 
völkenmg  von  Fontina,  welche  hier,  durch  andere  ergänzt  und 
is  auf  die  Gegenwart  fortgeführt,  folgen  mögen: 

Jahr     Anzahl  der  Familien  Kopfzahl 

1791«  34  ? 

1843*  106  ? 

1844  *  ?  547  Einheimische  und  57  Fremde 

1850'  143  ? 


'  fieilage  80. 

'  Beilagen  102—104,  106. 

'  Nach  dem  citierten  Berichte  des  Zuczker  Amtes. 

*  Beilage  89,  wo  aber  die  betreffende  Stelle  nicht  abgedruckt  ist.  Man 
sählte  ausser  dem  Richter:  37  Bespannte,  7  Unbespannte  und  60  Häusler. 
VergL  Beilage  88. 

*  Beilagen  92  und  98. 


292 

Jahr     Ansahl  der  Familien     Kopfiuüil 

1858*  150  1008 

1880*  ?  932 

1890*  ?  972 

Es  erübrigt  noch  zu  bemerken,  dass  den  Lippowanem 
schliesslich  die  strittigen  Qründe  zugesprochen  wurden.' 

Wie  die  Bewohner  von  Mitoka  und  KÜmoutz,  so  waren 
auch  diejenigen  von  Fontina  alba  bemüht,  ihre  Unterthans- 
schuldigkeiten  durch  Geldzahlungen  zu  reluieren.  Den  ersten 
bezüglichen  Vertrag  hatten  sie  am  2.  September  1796  mit  dem 
Verwalter  der  Kuczurmarer  Pachtung  Ignaz  Zagurski  ge- 
schlossen. Nach  demselben  hatten  sie  ftir  die  zwölf  Robottage, 
den  Strähn  Gespinnst,  die  Fuhre  Brennholz  und  die  Henne, 
wie  auch  für  den  Zehent  an  Garten-  und  Feldfrüchten,  ferner 
von  dem  Heu  182  fl.  W.  W.  jährlich  zu  zahlen.*  Als  1821 
beim  Uebergang  des  Dorfes  in  eigene  Kegie  wie  mit  Elimoutz 
auch  mit  Fontina  alba  ein  Vertrag  geschlossen  wurde,  verein- 
barten die  Lippowaner  190  fl.  zu  zahlen.'^  Die  Emeuerang 
dieses  Vertrages  bis  1833  fand  ebenfalls  im  Jahre  1827  statt,  ^ 
wobei  es  auch  zu  Tage  trat,  dass  der  Religionsfonds  über  den 
Grundbesitz  der  Gemeinde  im  Unklaren  war.''  Hierauf  wurde 
Fontina  alba  für  neun  Jahre  verpachtet,  imd  nach  dieser  Zeit 
begannen  wie  mit  Klimoutz  die  Verhandlungen  wegen  der  Er- 
neuerung des  Vertrages.®  In  ganz  ähnlicher  Weise  wie  bei 
Klimoutz  wurde  auch  für  diese  Gemeinde  der  Keluitionsbetrag 
zunächst  mit  438  fl.  56Y4  kr.  berechnet  und  hierauf  auf  544  fl. 
28%  kr.  erhöht,  abgesehen  von  der  Waldconvention,  welche 
alljährlich  festgesetzt  werden  sollte.     Da  auch  die  Lippowaner 


^  Siehe  S.  277,  Anm.  2. 

'  Die  Special-Ortsrepertorien  der  Bukowina. 

'  Dieser  Schluss  wird  durch  den  geg^enwärtigen  Flächeninhalt  1416  Jocli 
=  8' 16  Km*  nahegelegt.  Urkundliches  Material  lag  darüber  mir  nicht 
vor  und  haben  Nachsuchungen  nach  demselben  zu  keinem  Resultate 
geführt. 

*  Beilage  66. 

'^  Beilagen  66—67. 

•  Beilage  77. 
'  Beilage  79. 

<>  Beilagen  87  und  89. 


293 

7on  Fontina  alba  diese  hohe  Summe  nicht  zahlen   wollten,   so 
lerechlugen  sich  die  Unterhandlungen. 

Wir  gelangen  nun  zur  Schilderung  der  langwierigen  Unter- 
kidlungen,  welche  mit  der  BegHindung  der  in  Fontina  alba 
bestehenden  Klöster  in  Verbindung  stehen.  Bereits  unter  den 
ereten  Einwanderern  vom  schwarzen  Meere  waren  Mönche  in 
die  Bukowina  gekommen,  und  unter  den  ersten  Ansiedlem 
waren  sechs  Kaluger  (Mönche)  und  ein  Igumen  (Abt).'  Als 
Eozenbei^  diese  Ansiedler  im  Juni  1784  in  Hliboka  aufsuchte, 
M  er  einen  Igumen  und  sieben  Kaluger.  In  seinem  inter- 
ejssanten  Berichte  theilt  er  über  diese  Mönche  Folgendes  mit:* 
Ihr  Igumen  heisst  Simeon,  hat  bei  seiner  Gemeinde  Ansehen 
oiid  scheint  bei  denselben  Vieles  zu  vermögen;  aber  weder  er 
noch  seine  Angehörigen  wollten  wahrscheinlich  aus  Argwohn 
die  Namen  der  sieben  Kalftger  angeben,  sondern  der  Igumen 
Hess  sie  schlechtweg  „seine  sieben  Kinder**,  und  dabei  Hess 
ich  es  bewenden.  .  .  .  Wenn  ihr  Igumen  nur  etwas  weniger  un- 
wissend wäre,  so  könnte  man  doch  etwas  mehr  von  ihrer  Religion 
erfahren;  aber  ausser  den  Kirchengebeten,  die  sie  auswendig 
terschnurren,  obschon  sie  die  Augen  auf  das  vor  ihnen  liegende 
Bach  starr  hinheften,  können  die  Kaluger  weder  lesen  noch 
«hreiben  und  sind  auch  sonst  nicht  mit  der  kleinsten  Wissen- 
schaft oder  Gelehrsamkeit  bekannt.  Sie  essen  nie  Fleischspeisen, 
^erheiraten  sich  nie  und  wollen  behaupten,  dass  sie  ein  sehr 
strenges  Leben  führen.  . . .  Ich  muthete  dem  Igumen  zu,  dass  er 
seine  Gemeinde  an  Einigkeit,  Liebe  und  zu  einem  christlichen  Le- 
ien  oft  erinnern  und  derselben  mit  allem  Rath  an  die  Hand  gehen 
möchte;  aber  er  erwiderte,  dass  er,  sobald  ihre  Kirche  und  ihr 
Kloster  im  Walde  unweit  dem  Dorfe  erbaut  sein  wird,  den 
geistlichen  Satzungen  zufolge  mit  den  sieben  Kindern  im  selben 
ibgesondert  leben  und  in  die  weltliche  Handlung  sich  nicht 
<^engen  wolle  noch  könne.  Er  hoflfe,  dass  noch  viele  Ka- 
^er  nachkommen  werden.  Ich  widerlegte  ihm  nichts,  auch 
Eicht,  dass  ein  grosses  Kloster  erbaut  werden  möge.  Sollten 
jedoch  diesem  Baue  nicht  einigermassen  Schranken  gesetzt 
werden  ?^  In  ähnlichem  Sinne  sprach  sich  Enzenberg  gegen 
len  Klosterbau  —  bezüglich  dessen   sich  übrigens  die  Lippo- 


*  Siehe  oben  S.  268  und  260. 

'  Wickenbauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  99,   lOOf.  und  103. 


294 

waner  schon  einige  Wochen  früher  gegenüber  dem  Director 
Storr  geäussert  hatten^  —  auch  in  einem  vom  folgenden 
Tage  datierten  Berichte*  aus.  Daraufhin  erklärte  auch  der 
Hofkriegsrath  in  einem  Erlasse  vom  10.  Juli  1784,  dass  dem 
Igumen  zwar  AUes,  ,was  zur  ungestörten  Ausübung  ihrer 
Religion  gehört,  an  die  Hand  verschafft^  werden  soll,  dass 
es  aber  ,weder  auf  einen  Kirchen-  noch  einen  Klosterbau 
anzukommen  hat^ '  Trotz  diesem  allenfalls  zu  weit  gehen- 
den Verbote  erbauten  die  Lippowaner*  ^insgeheim  .  .  .  von 
ihrem  Dörfel  eine  Strecke  in  den  Wald  hinein  ein  Haus 
mit  zwei  Stuben,  deren  eine  zur  Kirche,  die  andere  zur 
Wohnung  der  fünf  vorhandenen  Mönche  dientet  Dieses  Klö- 
sterchen wurde  kurz  vor  dem  8.  August  1791  ausgeraubt 
In  einem  diesbezüglichen  Berichte  an  das  Lemberger  Ou- 
bemium  theilt  das  Kreisamt  üb^  die  Mönche  Folgendes 
mit:  ,Diese  Mönche  werden  von  den  übrigen  Insassen  nur 
durch  einen  pilgramartigen  kleinen  Schultermantel  unterschie- 
den, leben  von  Feldarbeit  und  Almosen  der  (Gemeinde, 
sind  zu  keinen  geistlichen  Verrichtungen  fkhig,  sondern,  wie 
die  Insassen  sagen,  nur  dazu  bestinmit,  dass  sie  fUr  sie 
beten,  und  wenn  sie  gesündigt  haben,  gegen  ein  Almosen  sie 
von  Sünden  reinigen.  Sie  wähnen  verschiedene  andere  Al- 
bernheiten von  diesen  Mönchen  und  machen  sich  es  zur  Re- 
ligionspflicht, diese  Art  Geistliche  zu  haben.  Die  Abschaffung 
derselben  dürfte  unter  diesen  sehr  vorurtheiligen  Leuten  eine 
Bewegung  erwecken  und  sie  vielleicht,  was  wahrscheinHch 
ohnehin  mit  der  Zeit  geschehen  wird,  zur  Auswanderung  ver- 
leiten, weshalb  der  Umstand  um  hohe  Weisung  und  mit  dem 
Beisatze  gehorsamst  angezeigt  wird,  ob  nicht  diese  Mönche 
vorläufig  ins  Dorf  und  dahin  gewiesen  werden  können^  dass 
sie  sich  einzeln  häuslich  niederlassen  und  gleich  anderen 
gegen  Entrichtung  der  gewöhnlichen  Qiebigkeiten  sich  land- 
wirthschaftlichen  Verdienst  erwerben,  was,  wie  oben  gesagt, 
sie  ohnehin  schon  mit  in  ihrem  Berufe  haben.^  Das  Gu- 
bemium  gieng  auf  diesen  Antrag  ein.   Die  Mönche  zogen  ins 

1  Ebenda  Nr.  22,  8.  97. 

•  Wickenhanser,  Molda  V,  2,  Nr.  24,  8.  98. 
»  Ebenda  Nr.  27,  8.  106. 

*  lieber  das  Folgende  die  Beilagen  34  und  85,  ferner  Wickenhanser 
a.  a.  O.,  Nr.  80,  8.  108  f. 


295 

Dorf  ^  und  widmeten  sich  in  der  That  der  Landwirthschaft,  wie 
wir  dies  z.  B.  bei  Gelegenheit  des  oben  geschilderten  Handels  zwi- 
schen den  Klimoutzem  und  den  Bewohnern  von  Fontina  alba  er- 
fiüiren.  *  Aus  den  Processacten  *  werden  uns  nicht  nur  einige  Namen 
von  Mönchen  bekannt^  die  gegen  das  Ende  des  vorigen  Jahr- 
honderts  lebten^  wir  erfahren  auch,  dass  um  das  Jahr  1798  in 
Fontma  alba  vier  Kaluger  sich  aufhielten,  und  dass  diese  Ka- 
kger  sich  mit  dem  Roden  des  Waldes  beschäftigten.  Zur  Zeit 
des  Processes  (1821)  lebten  in  Fontina  alba  sechs  Mönche,  fUr 
welche  die  Gemeinde  die  strittige  Wiese  forderte,  ,weil  sie 
sonst  der  Gemeinde  zur  Last  fallend  Um  diese  Zeit  bestand 
auch  schon  das  Kloster  wieder,  ohne  dass  aber  das  Elreisamt 
etwas  davon  wusste;  erst  durch  einen  Zufall  erhielt  es  Kunde 
Ton  demselben.  Am  8.  August  1822  wandten  sich  nämlich  die 
Fontiner  an  das  Amt  mit  der  Bitte,  dass  fünf  im  Czemowitzer 
Militftrarreste  wegen  Grenzübertritt  eingesperrte  Mönche  in  das 
Kloster  zu  Fontina  alba  übersiedeln  dürften.  Verwundert  richtete 
das  Kreisamt  am  10.  August  an  die  Verwaltung  von  St.  Onufii 
die  Anfrage,  welches  Kloster  in  Fontina  alba  bestehe,  da  dem  Kreis- 
amte hierüber  nichts  bekannt  sei?  *  Später  (1833)  brachte  das  Bjreis- 
ünt  in  Erfahrung,^  dass  das  Kloster  schon  seit  vielen  Jahren  ohne 
Bewilligung  der  Regierung  bestand.  Schon  im  Jahre  1818  *  habe 
der  verstorbene  Vorsteher  der  Gemeinde  Fontina  alba,  Barion  Pe- 
trowicz,  einen  grossen  Obst-  und  Gemüsegarten  als  Dotation  fUr 
das  EJoster  verschrieben,  ,woselbst  bereits  siebzehn  (?)  Mönche 
waren^  die  grösstentheils  aus  der  Moldau  und  Bessarabien  auf 
unbeftigte  Art  eingewandert  waren^  Im  Jahre  1835  befanden  sich 
im  Kloster  Fontina  alba  sechzehn  ausländische  Mönche.  "^ 

Am  26.  Februar  1840  reichten  hierauf  die  Lippowaner 
an  das   k.  k.  Kreisamt  ein   Gesuch   ein,  in  welchem   sie   um 

'  Nftch  Qoehlert  a.  a.  O.,  S.  479  wäre  dies  erst  im  Jahre  1803  geschehen; 
nach  dem  mir  yorliegenden  Materiale  wurde  in  diesem  Jahre  die  Kloster- 
kirche erbaut    Siehe  weiter  unten  im  Texte. 

'  Siehe  oben  S.  284. 

*  Beilagen  69  und  71. 

*  Beilagen  72  und  73. 

*  Beilage  82. 

*  Verigl  auch  Czemowitzer  Zeitung  1868,  Nr.  96,  wo  der  12.  August  1818 
als  Datum  der  Schenkung  genannt  wird. 

'  Beilage  81.  Ebenso  gross  war  die  Zahl  im  Jahre  1840  (Czemowitzer 
Zeitung  1868,  Nr.  96). 


296 

die  Bewilligung  baten,  sich  einen  Bischof  aus  dem  Auslande 
bringen  zu  dürfen,  den  sie  aus  eigenen  Mitteln  erhalten  wollten 
und  als  dessen  Sitz  sie  das  Kloster  Fontina  alba  bezeich- 
neten. ^  Infolge  einer  Untersuchung,  welche  das  Ereisamt  nun 
einleitete,  stellte  es  hierauf  im  Jahre  1840  beim  Gubernium  den 
Antrag,  dass  das  Kloster  gestattet  werde;  doch  sollten  die  ein- 
gewanderten Mönche  in  ihre  Heimat  zurückgeschafft  und  drei  * 
Klosterälteste  mit  noch  drei  anderen  Mönchen  nur  geduldet 
werden,  wenn  sie  Unterricht  ertheilen,  Seelsorge  besorgen  und 
Matrikenbücher  führen  würden.  Von  den  Mönchen  soll  einer 
zum  Klostervorsteher  gewählt  werden,  die  Ordenssatzungen 
sollen  vorgelegt  und  von  der  Kegierung  bestätigt  werden.' 
ThatsächUch  legten  die  Lippowaner  schon  im  Jahre  1841  eine 
121  Seiten  umfassende  Schrift  vor,  welche  sowohl  eine  Ge- 
schichte ihrer  Einwanderung  und  des  Klosters  enthielt,  als 
auch  ihr  Glaubensbekenntniss  darlegte  und  ein  Klosterstatut 
beibrachte.*  Dieselbe  rührte  vorzüglich  vom  Mönche  Paul 
Wassylow  her,  der  in  den  folgenden  Jahren  mit  dem  Mönche 
Olympi  Miloradow  eine  hervorragende  Rolle  unter  den  Lippo- 
wanem  der  Bukowina  spielte.  Nach  der  Ueberreichung  der 
erwähnten  Denkschrift  folgte  eine  lange  Keihe  von  Verhand- 
lungen. ^  Auch  der  Bischof  und  die  theologische  Lehranstalt  in 
Czemowitz  wurden  zu  einem  Gutachten  aufgefordert,  welches 
—  wie  vorauszusehen  war  —  ablehnend  ausfiel.  ^  Das  Guber- 
nium betonte  hierauf  in  seiner  abschlägigen  Entscheidung  vom 
21.  März  1842  insbesondere,  dass  den  Lippowanem  in  ihrem 
Patente  vom  Jahre  1783  zwar  die  ungestörte  Ausübung  des  Gottes- 
dienstes und  der  geistUchen  Seelsorge  zugesichert  wurde,  nicht 
aber  die  Befugniss  zur  Errichtung  eines  nur  der  Abgeschieden- 
heit   und    Contemplation    gewidmeten    klösterUchen    Instituts.^ 


^  Vergl.  Dan  a.  a.  O.,   8.  16,  der  sich  in  dieser  Partie  auf  die  Arbeiten 

von  Worobkiewicz  und  Snbbotyna  stützt. 
'  Wohl  der  bei  Dan  a.  eben  a.  O.  genannte  bessarabiscbe  Flüchtling  Ge- 

rontie,   femer  die  Mönche  Olympi  Miloradow  und  Paul  Wassylow,    die 

uns  weiter  unten  öfters  begegnen  werden. 
'  Beibige  82. 

*  Dan  a.  a.  O. 

"  Beilagen  83  und  84. 

•  Beilage  85. 

^  Beilage  86;  bezüglich  der  Matriken  yergl.  auch  die  Beilagen  81  ff.  und 
weiter  unten  S.  308  ff. 


297 

Gleichzeitig  befaM  das  Gubemium  zum  wiederholten  Male  die 
Fäbrang  der  Matrikenbücfaer^  da  dieselben  mit  der  Religion 
und  dem  Gottesdienste  in  keiner  Verbindung  stünden. 

Nachdem  sodann  auch  noch  ein  zweites  Gesuch  ddo.  27.  Juni 
1842  von  der  Landesregierung  abschlägig  beantwortet  worden 
far/  indem  dieselbe  wieder  auf  das  Patent  und  ferner  auf  die 
bereits  1784  und  1791'  erfolgten  Verbote  hinwies,  überreichten 
(üe  Mönche  Olympi  Miloradow  und  Paul  Wassylow  einen  vom 
12.  April  1843  datierten  Hofrecurs.  *  Die  Ausführungen  in  dem- 
selben sind  klar  und  überzeugend.  Er  betont  nämlich,  dass  auch 
schon  nnter  den  ersten  Einwanderern  Hieromonachen,  d.  h. 
Mönche,  welche  höhere  Weihen  empfangen  hatten  und  kirchliche 
Functionen  verrichten  durften,  sich  befanden.  Diese  seien  ausge- 
storben; aus  der  Fremde  könnten  wegen  des  Auswanderungs- 
Terbotes  keine  kommen,  deshalb  befanden  sich  in  der  Gemeinde 
keine  Priester;  es  herrsche  Unordnung,  und  es  könnten  keine 
Matrikenbücher  gefiihrt  werden,  weil  Taufen  und  Trauungen 
im  Auslande  (Bessarabien  oder  Moldau)  vorgenommen  werden 
JEfissten.  In  der  österreichischen  Monarchie  bestehen  keine 
AhglÄubigen  von  gleichem  Glaubensbekenntnisse  wie  die  Lippo- 
»aner,  daher  bitten  die  vier  Lippowaner-Gemeinden  der  Buko- 
wina* um  Gestattung  eines  Weihbischofs,  der  seinen  Nachfolger 
li^stinunen  und  den  Mönchen  die  höheren  Weihen  ertheilen 
öürfte.  Nur  so  könnten  sie  vom  Auslande  unabhängig  ihren 
ßeligionspflichten  nachkommen.  Wenn  die  Mönche  geweiht 
sein  werden,  so  würden  sie  nicht  ein  blosses  contemplatives 
Leben  fiihren,  sondern  auch  als  Seelsorger  thätig  sein  und  der 
Jogend  den  Religionsunterricht  ertheilen;  dann  erst  könnten 
auch  die  Matrikenbücher  eingeführt  werden.  Ihren  Weihbischof 
^oflen  sie  aus  Eigenem  erhalten.^  Da  derselbe  nur  aus  einem 
Boster  hervorgehen  könnte,  so  bitten  sie  auch  um  den  Fort- 
^>^stand  desselben.  Der  Bischof  in  Czernowitz  sei  zu  einem 
^Wehten  über  sie  nicht  competent  gewesen.     Dieses  Gesuch 


^  Dan  a.  a.  O.,  S.  17. 
'  Vergl.  oben  8.  294. 

*  Beilage  90. 

*  Mitoka,  Klimoutz,  Fontina  und  Mihodra. 

^  Jeder  Familienyater  war  verpflichtet,  ein  Zehntel  seiner  Einkünfte  zur 
Erhaltnng  der  Qeistlichen  herzugeben.   Vergl.  Beilage  92. 
AreWT.    LXXXm.  Bd.  II.  H*lfte.  20 


298 

überreichten  ^  die  beiden  genannten  Bittsteller  Olympi  und  Paul 
am  13.  Juli  1843  bei  einer  Audienz  in  Wien  dem  Kaiser  Fer- 
dinand. Infolge  dessen  ordnete  im  August  die  Hofkanzlei  die 
Untersuchung  an.  Sowohl  der  Bericht  des  Kreisamtes  *  als  auch 
jener  des  Landesguberniums  '  fiel  sehr  zu  Gunsten  der  Lippo 
waner  aus.  Wir  erfahren  aus  denselben^  dass  das  Kloster  aus 
einer  1803  erbauten  Kirche  und  fünf  Holzhäusern  bestand, 
welche  (später)  in  dem  von  Petrowicz  (im  Jahre  1818)  ge- 
schenkten Garten  errichtet  worden  waren.  In  einem  der  Häuser 
wohnte  der  Klostervorsteher,  in  den  anderen  die  Mönche,  zu- 
sammen neun  Personen.  Sie  waren  nach  dem  Berichte  über- 
aus fleissig,  besassen  eine  reiche  Dotation  und  bezogen  ein 
jährliches  Einkommen  von  3060  fl. ;  das  Gesammtvermögen  des 
Klosters  war  etwa  50.000  fl.  werth.*  Die  vier  Gemeinden  hatten 
zwei  Kirchen  und  drei  Kapellen,  litten  aber  grossen  Mangel  an 
Priestern.  Die  Lippowaner  selbst  werden  als  wohlhabend, 
nüchtern,  reinHch,  arbeitsam  und  andächtig  geschildert.  Auf 
diese  Berichte  hin  stellte  die  vereinigte  Hofkanzlei  am  19.  Juli 
1844  den  Antrag/  den  Lippowanern  den  Fortbestand  des 
Klosters  und  den  Weihbischof  zuzugestehen.  Am  18.  September 
erth eilte  Kaiser  Ferdinand  diesem  Vorschlage  seine  Genehmigung" 
Die  Kunde  hievon,  welche  durch  das  Lemberger  Landesgubernium 
und  das  Bukowiner  Kreisamt  dem  Kloster  zukam, ''  wurde  nicht 
nur  von  den  Lippowanern  in  der  Bukowina,  sondern  auch  den- 
jenigen in  Russland,  der  Moldau,  Walachei,  in  der  europäischen 
und  asiatischen  Türkei  mit  Freuden  aufgenommen.  Von  allen 
Richtungen  trafen  bei  den  Zollämtern  der  Bukowina  zum  Theile 
sehr  kostbare  Geschenke  für  den  Metropoliten  und  das  Kloster 
ein;  so  z.  B.  ein  Priestergewand,  Bischofsmützen,  Weihrauch- 
gefässe,  Sprengwedel,  Leuchter,  allerlei  Heiligenbilder,  Bücher, 
aber  auch  Caviar,  Thee(?),  Wachskerzen   u.  dgl.»     Der  erste 

*  Vergl.  zum  Folgenden  Dan  a.  a.  O.,  S.  17. 
'  Beilage  92. 

'  Beilage  93. 

*  Vergl.  Czernowitzer  Zeitung   1868,  Nr.  95. 

*  BeUage  94. 
^  Beilage  96. 

'  Vergl.  Beilage  97  und  Dan  a.  a.  O.,  8.  18. 
'^  Beilagen  101  nnd  107. 


299 

Bischof  von  Fontina  alba  wurde  Ambrosius,  Exmetropolit  von 
Serajewo.  * 

Einige  Jahre  später  wurde  in  Fontina  ohne  Vorwissen  und 
BewilKgung  der  Regierung  auch  ein  Nonnenkloster  errichtet.* 
Dies  wie  auch  verschiedene  andere  Umstände,'  so  das  Auf- 
nehmen fremdländischer  Mönche  und  allerlei  Landstreicher, 
die  Weigerung,  Matrikenbücher  zu  führen,  den  Eid  abzulegen, 
die  Kiihpockenimpfung  und  die  ärztiÜche  Hilfe  anzunehmen, 
veranlasste  die  Regierung  im  Jahre  1858  zur  Absendung  einer 
Commission  nach  Fontina  alba.  Auf  die  Kunde  von  der  be- 
vorstehenden Commission  zerstoben  die  Mönche  und  Nonnen, 
während  Miloradow  und  der  Metropolit  Kyril  die  Regierung 
m  bewegen  suchten,  von  entscheidenden  Massregeln  abzu- 
stehen. In  einem  ihrer  Bittgesuche,  datiert  Wien,  am  1.  März 
iS58,  fähren  sie  aus,  dass  ihre  Religion  es  verbiete,  etwas 
Seaes,  mit  den  alten  Traditionen  der  heiUgen  Väter  nicht  im 
Einklänge  Stehendes  anzunehmen.  Daher  könnten  sie  auch 
flicht  Matriken  anlegen,  die  durch  Volkszählungen  ersetzt  wer- 
den könnten;  sie  dürften  nicht  die  Kuhpockenimpfung  zulassen, 
weil  ihre  religiösen  Grundsätze  ausdrücklich  jede  Blutvermi- 
^hung  mit  thierischen  StoflFen  verbiete;  Aerzte  zu  gebrauchen 
»ei  unstatthaft,  weil  die  Krankheiten  von  oben  bestimmte,  zeit- 
liche Heimsuchungen  seien,  die  nur  von  Gott  wieder  genommen 
werden  könnten,  auch  hielten  Ordnungsliebe,  ReinUchkeit  und 
Fasten  die  Krankheiten  von  ihnen  ferne;  den  Eid  abzulegen 
sei  nach  dem  heiligen  Evangelium  nicht  gestattet.  Ueber  das 
Nonnenkloster  bemerkt  das  Gesuch,  dass  in  demselben  die 
weibliche  Jugend  im  Lesen,  Schreiben  und  Nähen  unterrichtet 


'  Aaf  die  Vorgänge  bei  der  Wahl  dieses  Biscbofis  und  die  bereits  hin- 
reichend  bekannte  Geschichte  des  Lippowaner-Bisthums  näher  einzu- 
üben, halte  ich  nicht  für  nOthig.  Man  vergleiche  Dan  a.  a.  O.,  S.  18 ff. 

'  Goehlert  a.  a.  O.,  S.  479  irrt,  wenn  er  annimmt,  das  Nonnenkloster  sei 
einige  Jahre  nach  der  Entstehung  des  Mönchsklosters  errichtet  worden, 
also  noch  etwa  am  Anfange  dieses  Jahrhunderts ;  dasselbe  kann  vielmehr 
erst  nach  der  Bestätigung  des  Mönchsklosters  (1844)  entstanden  sein, 
weil  bei  den  zahlreichen  Verhandlungen  noch  damals  mit  keinem  Worte 
dieses  zweiten  Klosters  Erwähnung  geschieht.  Allenfalls  wurde  das 
Nonnenkloster  bald  nach  der  Bestätigung  des  Mönchsklosters  begründet, 
denn  die  Lippowaner  hoben  im  Jahre  1858  hervor,  dass  die  Landes- 
regierung von  dessen  langjährigem  Bestehen  bereits  Kunde  hatte. 

'  Vergl.  Dan  a.  a.  O.,  S.  21  ff. 

20* 


300 

werde,  während  es  Waisen,  femer  armen,  alten  und  kranken 
Frauen  einen  Sicherheitshafen  gewähre;  auch  wird  angefhhrt, 
dass  die  Landesregierung  von  dessen  langjährigem  Bestehen 
Kenntniss  hatte.  Laut  kaiserlicher  Entscheidung  vom  18.  August 
1859  wurde  daraufhin  auch  das  Nonnenkloster  bestätigt;  doch 
durften  in  keines  der  beiden  Klöster  fortan  fremde  Personen 
aufgenommen  werden.  Bezüglich  ihrer  anderen  Bitten  wurden 
die  Lippowaner  abgewiesen.  * 


m. 

1 .  Die  Lippowaner  im  Urtheile  der  Behörden.  —  2.  Ihr  Widerstreben  gegen 
administrative  Verfügungen  der  Obrigkeiten.  —  3.  Ihre  Beschäftigxing. 

1.  Am  12.  März  1783,  also  bevor  noch  Kaiser  Joseph  II. 
die  Anregungen  zur  Colonisierung  der  Lippowaner  durch  den 
Staat  gegeben  hatte,  äussert  sich  der  Landesverweser  Q-eneral 
Enzenberg  in  einem  Berichte  an  das  Generalconmiando  in  Lem- 
berg  folgendermassen  über  die  Lippowaner:*  ,Die  Lippowaner 
haben,  als  Peter  der  Grosse  sie  mit  der  russischen  Kirche  ver- 
einigen wollte,  dieses  nicht  angenommen,  sondern  sich  theils 
nach  der  Krim,  theils  nach  Polen  und  der  Moldau  geflüchtet. 
Die  türkischen  Kirchenvorsteher  haben  sich  um  die  im  Lande 
üblichen  Religionsübungen  nicht  bekümmert  und  einen  Jeden 
bei  dem  belassen,  was  er  glaubt.  Die  Lippowaner  sind  unge- 
mein ruhig,  fleissig,  still,  arbeitsam,  geschickt  und  überhaupt 
starke  und  gut  gewachsene  Leute.  Ein  Jeder  von  ihnen  muss 
ein  Handwerk  lernen,  auf  das  sie  sich  nebst  dem  Ackerbau, 
den  sie  auf  das  Beste  pflegen,  mit  Nutzen  verlegen.  Betrunkene 
Lippowaner  werden  selten  gesehen,  daher  Betrunkenheit  und 
Fluchen  als  grosse  Laster  bei  ihnen  angesehen  sein  müssen . . . 
Ueber  diese  wahrhaft  würdigen  Leute  ist  unter  mir  nicht  die 
geringste  Beschwerde  vorgekommen,  und  sie  benöthigen  zur 
Entrichtung  der  Schuldigkeiten  keine  zweite  Erinnerung.'  In 
ähnlicher  Weise   spricht  sich  Enzenberg   in  einem  an  dasselbe 


*  Vergl.  weiter  unten  im  III.  Abschnitt 

«  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  2,  S.  Sl  f. 


SOI 

Generalcommando  gerichteten  Schreiben  aus,   in  welchem   er 
diesem    kurz    die  Ansichten  Kaiser  Josephs  über   die   Lippo- 
waner  mittheilt.  *  Der  Monarch  selbst  hat  diesen  Anschauungen 
in   seiBem   denkwürdigen   Handschreiben   Ausdruck   verliehen, 
das  er  am  19.  Juni  1783,  unmittelbar  bevor  er  Czemowitz  verliess, 
an  den  Hofkriegsrathspräsidenten  Hadik  richtete.   Nachdem  er 
im   neunten  Punkte   dieses   Schreibens  über   die   Rücksichten, 
welche    gegen   die  Bukowiner  Armenier   geübt  werden   sollen, 
gesprochen  hat,  bemerkt  er  Folgendes:^    ,Die  nämliche  Rück- 
dcbt   verdienen   die  hierlandes    befindliche   sogenannte   Lippo- 
waner,    welche    blosse    russische    Bauern    sind,    die    sich    hier 
niedergelassen  haben;  ihre  Religion  ist  die  wahre  schismatische,* 
and   will   man   nur   darin   einen   Unterschied   finden,    dass   sie 
ihren  Gottesdienst  illyrisch   wie  in  Russland  und  nicht  in  wal- 
lachiseher  Sprache  halten  wollen.  Ausserdem  sind  solche  fieissige 
und  arbeitsame  Leute,  welche  man  durch  jene,  so  sich  in  der 
Moldau  von  dieser  Nation  noch  befinden,  zu  vermehren  trachten 
Quss,    und   aus   dieser  Ursache   ist  ihnen   auch   ein  Pope   von 
ihrer  Nation    allerdings  zu  gestatten  oder  ihnen  einer  aus  Sla- 
vonien,  wo  die  illyrische  Sprache  am   meisten   in   der  Uebung 
ist,   zu    verschafien.'      Und    am   5.  October    desselben    Jahres 
schreibt  der  Kaiser  an  Hadik:  *  ,Die  Ueberkommung  der  vermöge 
nebengehender    Bittschrift    zur  Uebersiedelung    in    diesseitige 
Lande  geneigten  Gemeinden,  welche  mir  als  eine  der  besten  und 
arbeitsamsten  Gattung  Menschen  bekannt  sind,  ist  von  solcher 
Wichtigkeit  und  so  dringend,  dass  Sie  unverzüglich  an  General 
Enzenberg  in  die  Bukowina  den  Befehl  erlassen  werden,  dass 
er  diesen  Leuten  zu  ihrer  Herübertretimg  allen  mögUchen  Bei- 
stand leiste  und  solche  .  .  .  dortlands  ansiedelt'   Vierzehn  Tage 
>jÄter  äussert  sich  Enzenberg  in  einem  Schreiben  vom  19.  Oc- 
lober  an  den  Hofkriegsrath  folgendermassen:  *  ,Lippowaner  sind 
in  der  Bukowina  schon  von  früher  ansässig,  und  ich  hatte  seit 


*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  3,  fälschlich  vom  13.  Juni  datiert. 
VergL  oben  8.  244  Anm.  2. 

*  Polek,  Kaiser  Josephs  II.  Reisen,  S.  62. 

'  EHes  war  ein  Irrthnm,  aus  dem  sich  übrigens  auch  die  Verordnungen 
erklären,  dass  die  Lippowaner  sich  dem  orthodoxen  Bischöfe  Ton  Czer- 
nowitz  nnterordnen  mögen.    Vergl.  oben  S.  255. 

*  W  ickenhauser  a.  a.  O.,  Nr.  8,  S.  84 f. 

*  Ebenda  Nr.  13,  S.  90. 


302 

meiner  sechsjährigen  hiesigen  Anstellung  nicht  den  geringsten 
Verdruss  oder  einen  vor  Gericht  zu  rufen.  Ich  ziehe  deshalb 
eine  Lippowaner-Familie  fUnfzehn  polnischen  oder  fünf  mol- 
dauischen jederzeit  vor  und  nehme  sie  an/  Und  am  27.  Oc- 
tober,  obwohl  sich  damals  bereits  bedeutende  Schwierigkeiten 
der  Ansiedelung  entgegengestellt  hatten/  lautet  sein  Urtheil 
nicht  minder  günstig:  *  ,Diese  griechischen  Lippowaner  werden 
sich  niemals  aber  mit  Moldauern  untermischt  ansiedeln,  weil 
das  ihrer  Lebensart  und  Gewohnheit  entgegen  ist,  ungeachtet 
in  einer  anderen  Betrachtung  es  sehr  nützlich  wäre,  weil  da- 
durch die  Moldauer  zu  mehr  Ordnung,  ferner  zu  nützlicher 
und  ergiebiger  Feld-  und  Landwirthschaftspflege  angeeifert 
werden  dürften,  wenn  sich  die  Lippowaner  zum  Theile  in  die 
schon  bestehenden  Dorfschaften  ansiedeln  möchten.'  Einige 
Tage  später  —  am  31.  October'  —  fasst  Enzenberg  sein  Ur- 
theil in  folgende  Worte  zusammen:  ,Die  Lippowaner  sind 
redUch,  emsig  und  dem  allgemeinen  Wesen  nützUch.'  Als  der 
Landesverweser  im  Juni  des  folgenden  Jahres  (1784)  die  neue 
Lippowaner-Ansiedelung  in  Hliboka  besuchte,  bemerkt  er,  dass 
nur  zwei  oder  drei  derselben  dem  Trünke  ergeben  wären."* 
,Wenn  sie  übrigens  den  hierlands  befindlichen  Lippowanem 
ähnlich  werden  könnten,  so  werden  solche  überhaupt  züchtige 
Leute  sein.'  Auch  aus  späterer  Zeit  entbehren  wir  nicht  gün- 
stiger Berichte  über  diese  Ansiedler.  Im  Gutachten  der  theo- 
logischen Lehranstalt  in  Czemowitz,  das  im  Jahre  1841/42  ein- 
geholt wurde,  wird  gesagt,  dass  sich  die  Lippowaner  von 
hitzigen  Getränken  enthalten,  selbst  von  Thee  und  Kaffee.^ 
In  einem  wenig  später  erstatteten  Berichte  des  Kreisamtes 
(1844)  werden  sie  als  frugal,  nüchtern,  reinlich,  arbeitsam  und 
andächtig  geschildert.^  Diesem  Urtheile  wird  auch  heute  noch 
Jedermann  beipflichten,  der  diese  Leute  kennen  gelernt  hat, 
womit  natürlich  nicht  gesagt  werden  soll,  dass  sich  unter  den 
Lippowanem  durchaus  kein  verkommenes  Individuum  befindet 
Dies  würde  umsomehr  erkläriich  sein,  als  die  Lippowaner  zahl 


*  Siehe  oben  S.  249  ff. 
'  Beilage  4. 

^  Beilage  5. 

*  Wickenhauser  a.  a.  O.,  Nr.  26,  S.  102. 

*  Beilage  85;  doch  vergl.  Beilage  101  d. 
«  Beilage  92. 


803 

reiche  fremde  Elemente  an  sich  zogen.  Es  sei  aber  gestattet, 
z.  B.  auf  den  Umstand  hinzuweisen,  dass  nach  einer  statisti- 
schen Berechnung^  über  die  in  den  Jahren  1862 — 1871  in  der 
Bukowina  begangenen  Verbrechen  nach  diesem  zehnjährigen 
Durchschnitte  in  der  Bukowina  ein  Verbrechen  erst  auf  le 
1898  Altgläubige  ßlllt,  während  bei  den  Römisch-Katholischen 
schon  auf  je  1216  und  bei  den  Griechisch-Katholischen  auf  je 
480  Bewohner  ein  Verbrechen  gezählt  wird. 

Biesen  Berichten  gegenüber,  flir  deren  Richtigkeit  auch 
die  gegenwärtigen  Zustände  zeugen,  fehlt  es  freilich  nicht  an 
solchen,  welche  die  Lippowaner  arger  Verkommung  zeihen. 
Es  lässt  sich  aber  leicht  nachweisen,  dass  diese  ziun  grössten 
Theile  tendenziös  sind.  So  wird  es  vor  Allem  gegenüber  den 
gkubwürdigen  Berichten  von  der  Nüchternheit  der  Lippowaner 
und  dem  Umstände,  dass  sowohl  die  Klimoutzer  ^  als  auch  die 
Lippowaner  von  Fontina  ^  gegen  die  Errichtung  eines  Wirths- 
hauses  auf  ihrem  Gebiete  waren,  schwer  fallen,  gegentheiligen 
Behauptungen  Gehör  zu  schenken.  Wenn  z.  B.  die  herrschaftlichen 
Verwaltungen  sowohl  im  Jahre  1804*  als  auch  im  Jahre  1843^ 
den  Umstand,  dass  die  Lippowaner  keine  Wirthshäuser  dulden, 
beklagen,  weil  daraus  der  Herrschaft  Schaden  entstehe,  hiebei 
aber  den  Lippowanem  Trunksucht  vorwerfen,^  so  ist  der  un- 
lautere Grund  dieses  Vorwurfes  genügend  dargethan.  Da  die 
Gutsherrschaften  aus  der  Propination  bedeutende  Vortheile 
zogen,  so  strebten  sie  darnach,  gerade  in  den  wohlhabenden 
Lippowaner-Gemeinden  Wirthshäuser  zu  errichten,  wohl  doch 
nicht  zu  dem  Zwecke,  um  diese  an  Nüchternheit  zu  gewöhnen.  "^ 


*  Haoptbericht  und  Statistik  über  das  Herzogtbura  Bukowina  für  die  Pe- 
riode vom  Jahre  1862—1871,  8.  101. 

'  Wickenhauser  a.  a.  O,  Nr.  26,  S.  105  (Jahr  1784),  Beilage 41  (Jahr  1802) 
und  Beilage  57  (Jahr  181 7).  Im  Jahre  1802  gab  es  darnach  in  Klimoutz  selbst 
noch  kein  Wirthshaus ;  da  aber  das  KreLsamt  entschied,  dass  die  Errichtung 
eines  ,Branntweinhauses*  dem  Pächter  unbenommen  bleibe,  so  hatte  bereits 
im  Jahre  1804  das  Dorf  eine  Schänke  aufzuweisen  (Beilage  45). 

^  Beilagen  5  (Jahr  1783),  und  44  (Jahr  1804). 

*  Beilage  48. 
^  Beilage  89. 

*  Beilagen  48  und  89. 

^  Vor  wenigen  Monaten  hat  sich  etwas  ganz  Aehnliches  in  der  Bukowina 
zugetragen.  Zufolge  der  Predigten  des  in  dem  Jahre  1893/94  aufge- 
tretenen Bauempropheten  gegen  den  Branntweingenuss  schworen  ganze 


304 

Mag  auch  immerhin  in  der  Bukowina  nicht  derartiger  Unfiig 
geherrscht  haben  wie  in  Galizien,  wo  die  Unterthanen  mitunter 
gezwungen  wurden,  bestimmte  Quantitäten  Branntwein  zu  ver- 
brauchen,* so  hat  doch  s6hon  Kaiser  Joseph  11.  im  Jahre  1783 
gegen  die  ,Verarrendierung  der  Unterthanen'  Verordnungen 
erlassen.*  Uebersehen  darf  man  übrigens  nicht  den  Umstand, 
dass  die  zweite  erwähnte  Anklage  gegen  die  Lippowaner  ge- 
rade zu  derselben  Zeit  laut  wird,  da  das  Consistorium  und  das 
Kreisamt  die  Nüchternheit  derselben  constatierten.  *  Dement- 
sprechend haben  die  Lippowaner  von  Hliboka  im  Jahre  1804 
ihre  Bitte,  dass  kein  Wirthshaus  in  ihrer  Gemeinde  eröfihet 
werde,  mit  der  Bemerkung  motiviert,  ,weil  dadurch  die  meisten 
jungen  Leute  zu  Liederlichkeiten,  Ausschweifungen  und  bösen 
Handlungen  angeleitet  werden,  welches  ihre  ReUgion  unmög- 
lich leiden  kann^  *  Nach  einem  Berichte  *  vom  14.  Januar  1843 
sollen   dann   die   Lippowaner  ihr  Widersti'eben   gegen  die  Er- 


Geraeinden  den  Branntwein  ab  und  vergruben  denselben.  Die  Artikel, 
welche  darüber  gewisse  Tagesblätter  brachten,  bilden  ein  Gegenstück  zu  den 
Klagen  unserer  Dominien.  Man  vergleiche  Ka  in  dl,  Der  Prophet  (Münchener 
Allgemeine  Zeitung  1894,  Nr.  254)  und  derselbe  im  ,Globn8*  B.  69  Nr.  5. 
^  Vergl.  Kaindl,  Kleine  Studien,  S.  42,  woselbst  die  rnthenische  Volks- 
überlieferung vom  ,Juden  Selman*,  dem  galizischen  ,Jud  Süss',  auf  ihre 
historische  Grundlage  geprüft  wird.  Es  genügt  übrigens  ein  Durch- 
blättern der  Pille  raschen  Gesetzsammlung,  um  sich  über  die  traurigen 
Verhältnisse  in  Galizien  zu  belehren.  So  findet  man  z.  B.  eine  Ver- 
ordnung vom  Jahre  1775:  ,Da  der  hierländische  Unterthan  verschiedent- 
lich gezwungen  wird,  ein  von  den  jüdischen  Pächtern  willkürlich 
bestimmtes  Quantum  Branntwein  abzunehmen,  so  wollen  wir*  u.  s.  w. 
Ganz  ähnliche  Verordnungen  sind  auch  in  dem  Robotpatente  Kaiser 
Josephs  vom  16.  Juni  1786  enthalten.  So  heisst  es  daselbst  im  §.  68: 
,Den  Obrigkeiten  wird  ferner  nicht  mehr  gestattet,  an  christlichen  Kirch - 
weihen  oder  jüdischen  Feiertagen  den  allgemeinen  Ausschank  zu  ver- 
bieten und  denselben  einem  einzigen  Schanker  einzuräumen,  welcher 
bei  dieser  Gelegenheit  die  Preise  zu  erhöhen  oder  der  Gemeinde  eine 
gewisse  Menge  des  Getränkes  aufzudringen  sich  für  berechtigt  hielt.* 
Und  im  nächsten  Paragraph  wird  verordnet:  ,Die  Unterthanen  können  zur 
Zeit  der  Kirch  weihe  nicht,  wie  es  bisher  in  einigen  Gegenden  g^cheheu, 
mit  zehn  und  mehreren  Quart  Branntwein  belegt  und  zur  Zahlung  eines 
polnischen  Gulden  .  .  .  verhalten  werden.* 

*  Polek,  Kaiser  Josephs  II.  Reisen,  S.  62. 
3  Vergl.  oben  S.  302. 

*  Beilage  44. 
«  Beilage  89. 


305 

richtang  eines  Wirthshauses  auch  durch  ihre  Abneigung  gegen 
das  Znsammenkommen  mit  Andersgläubigen  begründet  haben, 
worauf  übrigens  schon  eine  Stelle  in  einem  Schreiben  Enzen- 
bei^'s  vom  31.  October  1783  hindeutet*  Die  Gutsobrigkeiten 
versuchten  daher  auch  den  Umstand,  dass  Lippowaner  ,in  den 
Städten  ohne  eine  Auswahl  der  Individuen,  nämlich  in  Oe- 
seUschaft  allerhand  Olaubensgenossen  zechend'  gesehen  werden, 
za  ihren  Gunsten  auszunützen,  um  damit  den  ,Vorwand'  der 
Lippowaner  zu  entkräftigen,  dass  sie  wegen  der  durch  ihre 
Religion  verbotenen  ,Vermi8chung  mit  anderen  Glaubensge- 
nossen' die  Errichtung  eines  Wirthshauses  hintanhalten. '  Eben- 
so ungerecht  wie  der  Vorwurf  der  Trunksucht  und  sicher  ver- 
allgemeinert sind  die  Klagen,  dass  die  Lippowaner  zu  Raub, 
Hord,  Diebstahl,  Betrügereien  und  zum  Schuldenmachen  ^  ge- 
neigt seien;  zu  derartigen  harten  Bemerkungen  sind  die  Be- 
torden durch  den  Widerstand,  welchen  die  Lippowaner  ihnen 
bei  der  Durchführung  mannigfaltiger  administrativer  Massregehi 
entgegensetzten,  gereizt  worden.  Begründeter  mag  der  Vor- 
warf gewesen  sein,  dass  sie  Schwärzer  waren  ;^  es  ist  nämlich 
anzweifelhaft,  dass  sie  oft,  zumeist  um  ihre  Priester  aufzu- 
machen, ohne  Pässe  die  Grenzen  passierten,  und  hiebei  dtlrften 
allenfalls  auch  Zollunterschleife  stattgefunden  haben. 


?•  Anders  verhält  es  sich  mit  einer  Reihe  von  Beschwer- 
den gegen  die  Lippowaner,  welche  diese  bis  in  die  Sechziger- 
jthre  dieses  Jahrhunderts^  des  Widerstandes  gegen  die  mo- 
dernen administrativen  und  gesundheitlichen  Anordnungen 
zeihen.  Die  Erklärung  dieser  Erscheinung  ist  in  einem  Be- 
richte des  Mandatariats  in  Hadikfalva  treffend  mit  folgenden 
Worten   gegeben :  ^     ,Im   ersten  Augenblicke  einer  Anordnung 


'  Beilage  5. 

*  Beilage  89. 

'  Beilagen  81,  89  und  95,  auch  74. 

*  Beilagen  81  und  89;  ferner  auch  Beilage  96. 

^  Noch  im  Jahre  1868  recurierten  die  Lippowaner  gegen  die  Matriken- 
filhrung,  die  Kuhpockenimpfung,  die  Eidablegung  u.  dgl.  Den  Wortlaut 
der  betreffenden  Eingabe  bietet  Dan  a.  a.  O.,  S.  22 ff.  Vergl.  oben  S.  299. 

*  Beilage  95. 


306 

von  was  immer  ftlr  einer  Beschaffenheit  erwarte  man  ja  nicht  den  un- 
bedingten Gehorsam^  weil  es  dieser  im  Nationalcharakter  von  Ai^- 
wohn  und  Vorurtheil  begleiteten  Secte^  die  übrigens  zweihun- 
dert Jahre  noch  zurücklebt,  eingefleischt  ist,  dass  man  sie  im 
neuern  Zeitalter  um  ihre  Privilegialrechte  bringen  wolle/  That- 
sächlich  ist  es  das  Festhalten  am  Hergebrachten,  das  die  Lippo- 
waner  jedem  Fortschritte  abhold  zeigte.  Die  Abneigung^  g^en 
die  durch  den  russischen  Patriarchen  Nikon  im  17.  Jahrhundert 
verbesserten  Kirchenbücher  hatte  ihre  Trennung  von  der 
griechisch-orientalischen  Kirche  hervorgerufen;  ihre  Abneigung 
gegen  das  Tabakrauchen,  vielleicht  auch  gegen  den  Genußs 
des  Thees  und  Kaffees,  ebenso  das  Verbot,  italienischen  Gesang 
anzuhören,  Oelbilder  zu  benützen,  die  Leichen  zu  secieren 
oder  zu  balsamieren,  sind  aus  demselben  Grunde  leicht  erklärlich; 
desgleichen  das  Gesetz,  keine  deutschen  Kleider  zu  tragen; 
deshalb  halten  die  Lippowaner  fast  ausschliessUch  an  ihrer 
alten  russischen  Tracht  fest,  den  lang  herabfallenden  Röcken, 
dem  langen  Kopfhaare  und  dem  ungeschnittenen  Bart,  wie  sie 
noch  immer  sich  eines  der  russischen  Kibitka  ähnlichen  Wagens 
bedienen.  Ebenso  konnten  sie  sich  nicht  mit  neueren  admini- 
strativen und  sanitären  Einrichtungen  befreunden,  ja  sie  be- 
ti*achteten  dieselben  geradezu  als  Sünde.  Aber  auch  der  Arg- 
wohn gegenüber  den  Behörden,  von  welchen  der  obige  Be- 
richt Erwähnung  macht,  wird  sie  gegen  diese  Neuerungen 
gestimmt  haben.  Leider  haben  thatsächlich  die  Behörden  nicht 
immer  Alles  vermieden,  was  das  Misstrauen  dieser  Ansiedler 
wachrufen  konnte.  So  gesteht  das  oben  genannte  Mandatariat 
in  einem  Berichte  vom  20.  September  1844'  selbst  ein,  ,einen 
vertrauten  geheimen  Observator  aus  ihrer  (d.  i.  der  Lippo- 
waner) Mitte  gewählt  zu  haben,  der  jeden  Umtrieb  zur  Kennt- 
niss  zu  bringen  hatte.  Leider  nur  einmal  ist  dieser  Versuch 
gelungen.  .  .  .  Seitdem  war  jeder  Versuch  vergeblich,  und  der 
Gefertigte  sah  nicht  einmal  seinen  Vertrauten  mehr,  welcher 
zuverlässig  seine  Redlichkeit  hart  büssen  musste.'  Es  ist  selbst- 
verständlich, dass  derartige  Missgriffe  der  Obrigkeiten  dieselben 
um  das  Vertrauen  der  Lippowaner  bringen  mussten;   überdies 


»  Ueber  das  Folgende  vergl.  die  8.  237,  Anna.  1  eitierten  Schriften,  ferner 

einielne  unserer  Beilagen,  besonders  86. 
*  Beilage  OB. 


807 

mosste  die  drückende  Lage  der  Nationalnnterthanen  ein  steter 
Sporn  fÄr  diese  Ansiedler  sein,  auf  das  ihnen  verliehene  Pri- 
vilegium gestützt;  oft  freilich  in  übermässiger  Weise  ihre  Sonder- 
stellung hervorzukehren.  Die  Obrigkeit  machte  übrigens  keine 
Hehl  daraus,  dass  es  ihr  darum  zu  thun  war,  unterthänige 
Lippowaner-Gemeinden  zu  besitzen.^  Diese  fleissigen  und  ge- 
schickten Leute  hätten  allenfalls  einen  reicheren  Ertrag  ge- 
boten als  die  durch  langjährige  Bedrückung  herabgekommene 
altansässige  Bevölkerung. 

Frühzeitig  begegnet  uns  vor  Allem  das  Widerstreben  der 
Lippowaner  gegen  das  Zusammensiedeln  mit  Anders- 
gläubigen. Enzenberg  bemerkt  schon  in  einem  Schreiben 
vom  19.  October  1783,*  dass  die  Lippowaner  für  sich  Gemeinden 
bilden  wollen.  Ebenso  sagt  er  am  27.  October  1783:  ,Die8e 
griechischen  Lippowaner  werden  sich  niemals  aber  mit  Moldauern 
antermischt  ansiedeln,  weil  das  ihrer  Lebensart  und  Gewohn- 
heit entgegen  ist.'^  Noch  deutlicher  drückt  er  sich  in  einem 
Berichte  vom  31.  October  desselben  Jahres  aus:*  ,Sie  ver- 
langten auch  die  Zusicherung,  dass  sie  nicht  vermischt,  sondern 
dorfischaftenweise  beisammen  wohnen  könnten,  ohne  aber  ein 
Wirthshaos  zu  halten;  was  ihnen  zugestanden  wurde.^  Eben- 
so berichtet  Enzenberg  am  12.  November  desselben  Jahres, 
dass  diejenigen  Lippowaner,  welche  aus  dem  Kreise  Herleu 
in  der  Moldau  einzuwandern  die  Absicht  hätten,  ,allein  sein  und 
sich  nicht  mit  Anderen  vermischen,  sondern  nur  ganze  Ort- 
schaften ausmachen  wollend  ^  Diese  zurückweisende  Haltung 
der  Lippowaner  gegen  Andersgläubige  wurde  schon  Enzenberg 
unbequem,  weil  er  die  Einwanderer  nicht  in  bereits  bestehende 
Ortschaften  vertheilen  konnte.  ^  Auch  gegenwärtig  sollen  streng- 
gläubige Lippowaner  das  Beten  und  Essen  mit  Andersgläubigen 
an  demselben  Orte  vermeiden,  ja  ein  Trinkgefäss  oder  eine 
Bank,  welche  ein  Fremder  benützte,  erscheinen  ihnen  schon 
als  unrein;  sie  halten  deshalb  flir  Fremdenbesuche  einen 
Teppich  bereit,  mit  dem  sie  die  dem  Gaste  angebotene  Bank 


'  BeiUge  98. 

*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  13,  8.  90. 
'  Beilage  4. 

*  Beilage  5. 

*  Beilage  10. 

*  Beilagen  4  und  5,  ferner  auch  10. 


308 

bedecken^  tun  dieselbe  nach  dem  Fortgehen  des  Fremden  nicht 
scheuem  zu  müssen.  In  den  Städten^  besonders  in  Suczawa^ 
sieht  man  allenfalls  die  Lippowaner  oft  auch  schon  in  den 
Wirthshäusem  mit  Andersgläubigen  zechen.  Wie  mit  der  Ab- 
neigung gegen  das  Zusammenwohnen  mit  Andersgläubigen  das 
Widerstreben  gegen  die  Errichtung  von  Wirthshäusem  in  ihren 
Gemeinden  im  Zusammenhange  steht^  ist  schon  oben  berührt 
worden.  ^ 

Mit  besonderem  Nachdrucke  betonen  die  Behörden  wieder- 
holt den  Umstand^  dass  die  Lippowaner  keine  Matriken  (6e- 
burts-,  Trauungs-  und  Sterbebücher)  fUhren  wollten.*  Ob  die 
Lippowaner  hiezu  durch  ihre  religiösen  Anschauungen  veran- 
lasst worden  sind^  ist  zweifelhaft;  wenigstens  haben  sie  es  selbst 
zugestanden^  dass  sie  bereit  seien^  Matriken  zu  führen^  sobald 
durch  die  Bewilligung  des  Bischofs  und  des  Klosters  ihre  geist- 
lichen Verhältnisse  geordnet  sein  würden.  *  Auch  wissen  wir  aus 
ämtlichen  Berichten/  dass  die  Familienväter  in  ihren  Andachts- 
bttchem  Tauf-^  Trauungs-  und  Begräbnissacten  ftlhrten  und  die 
von  den  Kirchensängern  (Daskals)  und  den  aus  der  Fremde 
berufenen  Geistlichen  verrichteten  Functionen  vormerkten, 
welche  Aufzeichnungen  dann  bei  den  Conscriptionen  vorge- 
zeigt wurden.  Es  scheint  also  thatsächlich  mehr  der  Mangel 
an  einer  geeigneten  Centralbehörde  im  Dorfe  als  religiöse  Be- 
denken eine  geregelte  Matrikenftihrung  hintangehalten  zu  haben. 
Andererseits  haben  aber  die  Obrigkeiten,  und  zwar  wohl  mit 
Recht,  dieses  Widerstreben  der  Lippowaner  durch  den  Umstand 
erklärt,  dass  sie  den  Behörden  keine  Hilfsmittel  an  die  Hand 
geben  wollten,  ihre  Zahl  zu  controlieren.  Schon  Enzenberg 
lässt  merken,  dass  die  Lippowaner  von  Klimoutz  ihre  Anzahl 
zu  verhehlen  suchten,  *  und  aus  einer  Verhandlung  ddo.  23.  März 
1790  geht  es  hervor,  dass  sie  die  Conscriptionsnummem  an 
ihren  Häusern  nicht  duldeten,  indem  sie  religiöse  Gebräuche 
und  Eigenthümlichkeiten  vorschützten.^  Der  Zweck,  welchen 
die   Lippowaner   durch   diesen  Vorgang   verfolgten,   war   nach 


^  Siehe  oben  S.  305. 

^  Beilagen  81—86,  89,  95,  98  und  99,  ferner  Dan  a.  a.  O.,  8.  17. 

»  Vergl.  oben  S.  297. 

*  Beilagen  92  nnd  93. 
»  Vergl.  oben  S.  278. 

*  Cfemowitzer  Zeitung  1868,  Nr.  95. 


309 

den  ÄDgaben  der  Behörden  doppelter  Art.  Sie  suchten  sich 
faiednrch  gegen  die  mit  der  Vermehrung  der  FamiUen  ver- 
bundene Steigerung  der  Urbarialschuldigkeiten  zu  schützen^ 
andererseits  die  von  ihnen  unbefugter  Weise  in  ihre  Mitte  auf- 
genommenen neu  zugewanderten  Lippowaner  oder  Uppowani- 
aerten  Fremdlinge  zu  decken.  ^  Durch  den  letzteren  Vorgang 
wurde  einerseits  die  Absicht,  eine  unterthänige  Lippowaner- 
Qemeinde  zu  begründen,  vereitelt,  *  und  andererseits  wuchs  die 
Zahl  der  Privilegierten,  da  die  durch  den  Vorrechtsbrief  vom 
Jahre  1783  gewährleisteten  Rechte  auch  auf  diese  insgeheim 
Angesiedelten  Anwendung  fanden.  Die  Berichte  der  Behörden 
schildern  in  grellen  Farben  diese  Missstände. '  Sie  weisen  dar- 
auf hin,  dass  die  Lippowaner  aus  den  benachbarten  wehr- 
pflichtigen Gemeinden  Jünglinge  aufnehmen  und  diese  lippo- 
wanisieren,  femer  würden  von  ihnen  fremde  Einwanderer  auf- 
genommen; hiedurch  würde  die  Grundzerstückelimg  immer 
weiter  getrieben.  Die  Zahl  der  FamiUen  könnte  nicht  festge- 
stellt werden  und  daher  auch  die  Urbarialbeschreibung  nicht 
ordnungsmässig  erfolgen.  Als  hierauf  die  Lippowaner  auch  nach 
der  gesetzlichen  Bestätigung  des  Klosters  keine  Matriken  führten, 
wurde  im  Jahre  1860  (?)  auf  ihre  Kosten  ein  hiezu  bestimmter 
Beamter  bestellt;  da  demselben  Fontina  alba  zum  Wohnsitze 
bestimmt  wurde,  machten  die  Lippowaner  Anstalten,  die  Re- 
sidenz des  Metropoliten  nach  der  Türkei  zu  verlegen,  wozu  es 
jedoch  nicht  kam.^ 

Die  Auftiahme  von  Fremden  hängt  mit  einer  anderen 
schwachen  Seite  der  Lippowaner  zusammen,  nämlich  ihrem 
Proselytenmachen.  Dieses  gelang  ihnen  umsomehr,  als  sie 
durch  besondere  Rechte  vor  den  anderen  Einwohnern  ausge- 
zeichnet waren.  Schon  zur  Zeit  ihrer  Einwanderung  finden 
sich  übrigens  unter  ihnen  manche  Fremdlinge,  so  z.  B.  der  oft 
genannte  Alexander  Alexiewicz,   der  von  Geburt  ein  Kalmük 


*  Da»  thatoächlich  zahlreiche  Fremde  in  den  Lippowaner-Colonien  unbe- 
fugter Weise  Aufnahme  fanden,  geht  einerseits  aus  dem  raschen  An- 
wachsen derselben  hervor,  dann  aber  aus  speciellen  Ausweisen.  Man 
vergleiche  z.  B.  Beilage  92  und  98. 

*  Beilage  98:  vergl.  auch  oben  S.  307. 
'  Beilagen  81,  89,  95,  98  und  99. 

*  Dan  a.a.  O.,  8.  26  nach  Melchisedek.    Vergl.  oben  S.  299f. 


310 

war  und  erst  seit  seinem  achten  Jahre  den  Altgläubigen  ange- 
hörte, *  ebenso  sein  Geftlhrte  Larion,  der  ein  Armenier  gewesen 
sein  soll.*  Aus  dem  Jahre  1829  liegen  Klagen  des  Bukowiner 
Consistoriums  vor,  dass  die  Lippowaner  nicht  allein  Ruthenen 
und  Rumänen,  sondern  auch  Deutsche  in  ihre  Mitte  auf- 
nehmen.» Wie  die  Lippowaner  hiebei  verfuhren,  erfahren  wir 
aus  zwei  späteren  Berichten.  In  einem  derselben  (1841/42) 
heisst  es,^  dass  sie  ,Alle,  welche  von  einem  anderen  Qlauben 
sich  zu  ihnen  wandten  und  die  noch  nicht  nach  dem  beim 
griechisch -nichtunierten  Ritus  üblichen  Brauche  des  Unter- 
tauchens getauft  worden  sind,  wiedertaufen^  Aus  diesem 
Umstände  erklärt  es  sich,  dass  die  Lippowaner,  wie  wir  oben 
gesehen  haben,  als  Wiedertäufer  (Mennoniten)  betrachtet  wur- 
den, besonders  da  sie  wie  diese  auch  den  Eid  und  den  Krieg 
verabscheuten.  Li  einem  anderen  Berichte  (1843)  wird  femer 
Folgendes  mitgetheilt:^  ,Die  Bewohner  dieser  Gemeinden  be- 
dienen sich  meist  eingeschlichener  Fremdlinge,  die  sich  dann 
nach  Lippowaner- Art  verkleiden,  den  Bart  wachsen  lassen  und 
unkennbar  werden,  bei  ihren  häuslichen  Verrichtungen,  und 
unter  angenommenen  moskowitisch  klingenden  Namen,  auch  bei 
auswärtigen  im  Gedinge  übernommenen  Arbeiten  oder  sonstigen 
Unternehmungen  als  Lohn  oder  als  Dankbarkeit  für  den  gelei- 
steten verbotenen  Unterstand.^  Noch  in  jüngster  Zeit  (1891)  er- 
eignete es  sich,^  dass  ein  Lippowaner  aus  Klimoutz  mit  Wissen 
seiner  Eltern  die  Enkelin  des  jüdischen  Grossgrundbesitzers 
daselbst  entfUhrte  und  sich  mit  derselben,  nachdem  sie  im 
Kloster  Fontina  alba  getauft  worden  war,  vermählte.  Die  Be- 
wohner des  Dorfes  traten  für  das  junge  Ehepaar  ein,  und  die 
Verwandten  der  Frau  mussten  schliesslich  nachgeben.  Uebrigens 
ist  einer  der  eifingsten  Verfechter  der  altgläubigen  Seete, 
A.  W.  M.  Karlowicz,  welcher  das  mehrbändige  Werk  ,Hi8to- 
rische  Forschungen  zur  Rechtfertigung  der  Altgläubigen  in 
Russland'   herausgab,^   seiner   eigenen   Angabe   nach   ebenfalls 


*  Wickenhauser,  Molda  V,  2,  Nr.  26,  S.  101. 
>  Goehlert  a.  a.  O.,  S.  479f. 

'  Worobkiewicz  a.  a.  O.  (vergl.  S.  237,  Anm.  1),  S.  469.    Anna.  1. 
^  Beilage  88. 
<^  Beilage  89. 

•  Verjrl.  Kaindl,  Kleine  Studien,  R.  27. 
"*  Vergl.  S.  287,  Anm.  1. 


311 

ein  Israelit.  Feraer  ist  zu  bemerken^  dass  auch  gegenwärtig 
bei  reichen  Lippowanem  bedienstete  Ruthenen  zur  altgläubigen 
Lehre  übertreten  und  Lippowanerinnen  heiraten.  Anderer- 
seits kommt  es  freilieh  auch  vor,  dass  Altgläubige  zur  ortho- 
doxen griechisch-orientalischen  Lehre  übertreten;  ja  in  EUmoutz 
besteht  jetzt  geradezu  eine  orthodoxe  Gemeinde  neben  der 
Altgläubigen.  ^  Einzelne  Uebertritte  von  Lippowanem  zum 
griechisch-orientalischen  Glauben  sind  schon  seit  den  Vierziger- 
jahren  dieses  Jahrhunderts  vorgekommen.  Später  begann  sich 
diese  Erscheinung  besondei*s  bei  den  priesterlosen  Lippowanem 
XU  häufen.  Im  Jahre  1871  baten  bereits  zehn  Lippowaner  aus 
RUmoutz  den  damaligen  griechisch  -  orientalischen  Bischof  in 
Czemowitz  Eugen  Hakman,  er  möge  sie  in  den  Schooss  der 
orthodoxen  Kirche  aufnehmen  und  einen  aus  ihrer  Mitte  zum 
Priester  weihen,  flir  den  sie  bereits  auch  Felder  bestimmt 
hätten.  Da  der  Bischof  dieser  Bitte  nicht  willfahren  konnte, 
so  zerschlug  sich  zunächst  die  Angelegenheit.  Erst  sechs  Jahre 
später  wiederholten  die  Lippowaner  ihr  Gesuch  beim  Erzbischof 
Teoktist  Blazewicz.  Unter  der  Bedingung  eines  förmlichen 
üebertrittes  wurde  ihnen  ihre  Bitte  nunmehr  bewilligt  und  in 
den  Jahren  1878  und  1879  fiir  sie  ein  Priester  geweiht.  Seit- 
her besteht  in  Klimoutz,  wie  bereits  erwähnt  wurde,  eine  ortho- 
doxe Gemeinde.  Dieselbe  verfügt  auch  über  ein  Kirchlein,  das 
ebenfalls  im  Jahre  1879  geweiht  worden  ist. 

Wie  wenigstens  theilweise  der  Mangel  an  Matriken,  so 
hängen  auch  andere  Missstände  mit  dem  Mangel  an  Priestern 
zusammen,  so  z.  B.  das  Einschwärzen  von  Priestern* 
jtief  aus  Russland^  ,mit  Umgehung  aller  Grenz-  und  Sanitäts- 
Torschriften',  und  die  von  den  Lippowanem  den  Klagen  der 
Behörden'  gegenüber  selbst  zugestandenen  Missstände  in  der 
Seelsorge.*  In  ihrem  Hofrecurse  um  Belassung  des  Mönchs- 
klosters in  Fontina  alba  bemerken  nämUch  die  Mönche  Olympi 
imd  Paul,  dass  oft  Kinder  sterben,  bevor  sie  getauft  würden, 
und  erwachsene  Leute  vom  Tode  hingerafft  würden,  bevor  sie 
die  letzte  Oelung  erhalten.  Wie  in  demselben  Recurse  deutUch 
dargethan  wird,   trifft  aber  die  Schuld  dieser  Missstände  nicht 

^  I>araber  ist  zu  yergleichen  Dan  a.  a.  O.,  S.  28 f. 

*  Beilagen  89,  98. 

'  Beilagen  81,  89  und  99. 

*  Beilage  90. 


312 

die  Lippowaner  allein;  der  Grund  des  Mangels  an  Priestern, 
der  den  Behörden  ,wie  viele  ihrer  Religionsgebräuche  als  ein 
Geheimniss'  erschien,*  ist  in  demselben  deutUch  erklärt*  An- 
dererseits scheinen  doch  wohl  manche  Berichte  zu  übertreiben. 
So  heisst  es  z.  B.  in  einem  Schriftstücke  vom  Jahre  1843,^ 
dass  die  Meisten  im  Concubinate  leben^  weil  sie  nicht  von 
Priestern  getraut  werden  könnten.  Offenbar  nahm  man  bei 
diesen  und  ähnlichen  Klagen  nicht  darauf  Rücksicht^  dass  die 
altgläubigen  Klimoutzer  Lippowaner,  wie  später  auch  die  von 
ihnen  stammenden  in  Mihodra^  wohl  Mönche  und  Nonnen,^  aber 
keinen  Priesterstand  besitzen,  weil  sie  den  priesterlosen  Lippo- 
wanem  (bezpopowscina)  angehören,  bei  denen  die  Stelle  der 
Priester  nichlgeweihte  Vorsteher  (nastawnik)  vertreten.  Von 
Priestermangel  konnte  also  eigentlich  nur  die  Rede  sein  in  den 
Gemeinden  Mitoka,  Fontina  alba  und  dem  aus  letzterer  Gre- 
meinde  hervorgegangenen  Lippoweni-Kossowanka. 

Mit  grosser  Hartnäckigkeit  haben  die  Lippowaner  auch 
der  Einführung  der  Impfung  widerstrebt.  Schon  den  ersten 
Versuchen  zu  Anfang  dieses  Jahrhunderts  setzten  sie  den 
heftigsten  Widerstand  entgegen.  Wir  haben  hierauf  schon  oben 
S.  282  verwiesen;  auch  in  Berichten  aus  den  Jahren  1835, 
femer  1843  und  1844^  wird  von  der  Abneigung  der  Lippo- 
waner gegen  diese  sanitäre  Massregel  Mittheilung  gemacht. 
Der  letzte  dieser  Berichte  enthält  wieder  ein  Beispiel  jener  un- 
vorsichtigen Aeusserungen  der  Obrigkeiten,  welche  ihnen  das 
Vertrauen  der  Lippowaner  raubten.  Es  heisst  daselbst:  ,Der 
Schlag  der  Menschen  würde,  sobald  die  Impfung  eingeftlhrt 
wäre,  schön  sein  und  —  man  hätte  tüchtige  Recruten  zur  Aus- 
wahl.' Man  kann  sich  leicht  vorstellen,  wie  diese  unvorsichtige 
Zusammenstellung  der  Impfung  mit  der  verabscheuten  Recm- 
tierung  —  sobald  sie  den  Lippowanem  bewusst  wurde  —  auch 
die  erstere  in  Misscredit  stellte;  der  hauptsächlichste  Orund 
der  Voreingenommenheit   gegen   die  Impfung  wird  aber  allen- 


^  Beilage  S9. 

•  Vergl.  oben  S.  297. 
^  Beilage  89. 

*  Schon  1821  wird  eine  ,Calagerwohnung'  in  Klimoutz  erw&hnt  (Beil.  63). 
Die  Bestätigung  erfolgte  im  Jahre  1859  (Dan  a.  a.  O.  26  und  28).  lieber 
die  Priester  von  Fontina  s.  8.  297,  von  Mitoka  S.  270  Anm.  8. 

^  Beilage  81,  89,  96  und  98. 


313 

tÄlls  die  allgemeine  Abneigung  der  Lippowaner  gegen  jede 
Xenerung  gewesen  sein;  sie  selbst  sagten  noch  1858,  die  Re- 
ligion verbiete  ihnen  jede  Blutvermischung  mit  thierischen 
Stoffen.  ^  Der  modernen  Arzneikunst  trauten  sie  aber  ganz  be- 
sonders wenig.*  So  wird  in  einem  Berichte  vom  Jahre  1844 
Folgendes  gesagt:  ^  Sie  suchen  jede  Epidemie  unter  Menschen 
and  Thieren  durch  Verschweigen  zu  unterdrücken,  damit  ja 
kein  Arzt  ihre  Behausung  betrete,  weil  sie  im  Wahne  leben, 
der  Arzt  sei  kein  Kunstverständiger  und  zur  Linderung  körper- 
licher Leiden  berufenes  Individuum^  sondern  ein  Wesen,  dem 
sie  eine  ausserordentliche  böse  Kraft  zumuthen,  die  auf  keinen 
Rechtgläubigen  wirken  kann^ 

Femer  wurde  den  Lippowanem  zum  Vorwurfe  gemacht, 
dass  sie  keine  Friedhöfe  hatten,  sondern  ihre  Todten  in 
GÄrten,  Gräben  und  anderen  Orten  ,verscharrten^;*  sie  Hessen 
Dicht  zu,  dass  ihr  Vieh  mit  dem  Brenneisen  bezeichnet  würde,** 
wie  sie  überhaupt  auch  der  Vi  eh  beschau  widerstrebten.^  Von 
dem  Dienste  in  den  Grenzczerdaken  suchten  sie  —  wie  schon 
oben  außgeflihii;  wurde  —  schon  am  Anfange  des  Jahrhunderts 
sich  freizumachen,  und  auch  in  den  Jahren  1843,  1844  und  1845 
machte  man  ihnen  denselben  Vorwurf,  wobei  besonders  auch 
die  Klage  erhoben  wurde,  dass  sie  selbst  als  ,bekannte  Schwärzer 
ein  besonderes  Augenmerk  verdienten'.'' 

üeber  das  Widerstreben  der  Lippowaner  gegen  den  Mi- 
litärdienst ist  schon  oben  ausführlich  gehandelt  worden.  Es 
ist  auch  bereits  darauf  hingewiesen  worden,  dass  seit  der 
Einfährung  der  allgemeinen  Wehrpflicht  in  dem  Jahre  1868/69 
die  Anzahl  der  Lippowaner  im  starken  Rückschritte  begrifl*en 
war.  Dies  ergibt  sich  am  besten  aus  der  Betrachtung  der  im 
Folgenden  zusammengestellten  Gesammtzifl*ern  der  Lippowaner 
fär  eine  Reihe    von  Jahren:®     1784:    73  Familien   oder   etwa 


*  Vergl.  oben  8.  299. 

'  Beilage  81,  89  und  95. 
'  Beilage  95. 

*  Beilagen  81,  89  und  99. 
^  Beilagen  89  und  95. 

'  Beilage  99. 

^  Beilagen  89,  95,  98  und  99. 

'  Vergl.  fiber  die  folgenden  Zahlen,    wo  nicht  anders   bemerkt,   Polek, 

Die  Lippowaner-Colonien,  Q.  12. 

i^^.   LXXXIII.  Bd.  II.  Hftlfte.  21 


314 

350— 400  Köpfe;  1844:  1813;^  1847:  2000;  1852:  2645;  1857: 
2939;  1863:  2942;  1869:  2928;  1880:  2801;  1890:  3213.«  Aus 
dem  Vergleiche  der  letzten  Zahlen  ist  es  ersichtlich,  dass  die 
Zahl  der  Lippowaner  wieder  im  Steigen  begriffen  ist;  sie 
haben  sich  offenbar  mit  dem  Wehrgesetze  versöhnt,  ins- 
besondere da  ihnen  über  ihr  Einschreiten  schon  durch  die 
kaiserliche  EntSchliessung  vom  31.  August  1869  zugestanden 
worden  war,  dass  sie  nicht  als  Combattanten  verwendet 
werden  sollten.  Mehr  hatten  die  Lippowaner  auch  durch  eine 
im  Jahre  1870  an  den  Reichsrath  gerichtete  Petition  nicht  er- 
reicht. ' 

Ueber  die  Eid  Verweigerung  ist  schon  oben  gehandelt 
worden  (S.  266,  282  und  299);  auch  gegenwärtig  schwören  die 
Lippowaner  nicht. 


3.  Am  Schlüsse  unserer  Mittheilungen  möge  es  noch  ge- 
stattet sein,  einen  Blick  auf  die  Beschäftigung  der  Lippowaner 
zu  werfen.  Ihres  allzeit  anerkannten  Fleisses  ist  bereits  oben 
Erwähnung  geschehen.  Die  Lippowaner  vom  schwarzen  Meere 
scheinen  besonders  zur  Schiffahrt  und  zum  Fischfang  Vorliebe 
gehabt  zu  haben.  ,Da  sie  sich  von  ihrer  ersten  Jugend  an  — 
berichteten  ihre  Gesandten  Enzenberg*  —  der  Schiffahrt  ge- 
widmet und  alle  Arten  Fahrzeuge  zu  erbauen  gelernt  haben, 
so  wollen  sie  sich  vorzüglich  an  der  Donau  oder  an  einem  son- 
stigen schiffbaren  Strome  ansiedeln;  doch  gäbe  es  auch  viele, 
welche  sich  bloss  dem  Ackerbaue  und  dem  Gewerbe,  das  ein 
jeder  von  ihnen  erlernen  müsse,  widmen  und  in  der  Bukowina 
ansiedeln  wollen.*  Mit  diesen  Bemerkungen  hängt  die  bereits  oben 
erwähnte  Absicht  zusammen,  die  Ansiedelung  der  Lippowaner 
auch  nach  Ungarn,  insbesondere  in  das  Banat  zu  leiten.  Auch  als 
Enzenberg  die  Lippowaner  in  Hliboka  im  Juni  1784  aufsuchte, 
hatten  die  ledigen  keine  Ackergeräthe,  ,indem  sie  gesinnt 
waren,    sich  blos  mit  dem  Fischfange,   es  sei,  wo  es  wolle,    zu 


^  Beilage  92. 

^  SaDitätsbericht  der  Bukowina  fOr  das  Jabr  1891,  S.  140. 

^  Vergl.  darüber  Polek  a.  a.  O.,  S.  9 f.,  femer  das  in  dieser  Arbeit  öfters 

genannte  ^Promeuioria  znr  Petition  der  Lippowaner*,  s.  S.  245  Anm.  1. 
*  Wickenbauser,  Molda  V,  2,  Nr.  13,  S.  88f. 


315 

t 

ernähren/  *  Von  dieser  Absicht  müssen  die  Ansiedler  jedoch 
bald  abgekommen  sein^  da  dieselbe  an  ihrem  Ansiedelungs- 
orte sich  nicht  verwirklichen  liess.  Ihr  Streben  war  fortan, 
wie  wir  wissen,  auf  stetige  Vermehrung  ihrer  Felder  und 
Wiesen  gerichtet;  Ackerbau  und  Viehzucht  wurden  neben 
einigen  Gewerben  ihre  Hauptbeschäftigung.  Von  den  in  Mitoka 
angesiedelten  Lippowanern  bemerkt  Enzenberg  am  6.  October 
1783,  dass  sie  vom  Kloster  als  Teichgräber,  Seiler  und  Obst- 
Eüchter  angesiedelt  wurden.'  Als  Enzenberg  im  Juni  des 
folgenden  Jahres  die  Lippowaner-Ansiedelung  in  Hliboka  be- 
suchte, besassen  die  dort  angesiedelten  22  Familien  40  Pferde 
und  17  Stück  grosses  und  kleines  Rindvieh;  ^  sie  klagten,  dass 
ihnen  auf  der  langwierigen  Reise  viele  Viehstücke  umgekommen 
seien,  und  Enzenberg  sah  sich  veranlasst,  ihnen  175  Gulden 
zinsfrei  zur  Anschaffung  von  Vieh  und  Geräthschaften  vorzu- 
schiessen.  Daneben  beschäftigten  sie  sich  aber  schon  damals 
mit  der  Herstellung  von  allerlei  Holzarbeiten,  Seilen  und  Leder- 
werk; um  ihnen  den  Absatz  dieser  Waaren  zu  erleichtern,  ge- 
währte ihnen  Enzenberg  das  Vorrecht,  dass  am  Markttage 
(jeden  Donnerstag)  ihre  nach  Suczawa  mit  Holzarbeiten,  Seilen 
and  Lederwerk  fahrenden  Fuhren  mauthfrei  seien.*  Hieraus  ist 
ersichtlich,  dass  die  Lippowaner  mit  ihren  Erzeugnissen  offenbar 
einen  lebhaften  Handel  trieben.  Als  diese  Lippowaner  nach 
Fontina  alba  übersiedelten,  betrieben  sie  —  wie  aus  einer  Klage 
aus  dem  Jahre  1795  hervorgeht  ^  —  zumeist  Seilerei.  Um  den 
Hanf  und  Flachs  zu  rösten,  hatten  sie  auf  der  Tarnauka  so- 
fort einen  Teich  angelegt.  Aehnliches  gilt  von  den  Bewohnern 
von  Klimoutz  und  Dragomirna.  Von  den  Klimoutzern  bemerkt 
Enzenberg  im  Jahre  1784,  dass  sie  ,nebst  gut  bestelltem  Feld- 
bau auch  Holz-,  Hanf-  und  Flachserzeugung  und  das  hier- 
lands  sehr  gut  absetzbare  Leinöl  habend  ^  Daraus  geht  her- 
vor, dass  die  Lippowaner  hier  vorzüglich  Hanf  und  Flachs 
bauten.  Im  Jahre  1787  kam  es  daher  zwischen  den  KKmoutzem 
und   ihrer  Grundobrigkeit   zu   einem  Streite    wegen    des  Hanf- 


>  Ebenda  Nr.  26,  S.  101. 

*  Vergl.  oben  S.  239. 

*  Wickenhauser  a.  a.  O.,  S.  103. 

*  Ebenda  S.  104  und  Beilage  27  S.  106. 
^  Beilage  36. 

*  Wickenhauser  a.  a.  O.,  S.  104. 

21* 


316 

und  Flachszehents.  ^  Nach  den  üblichen  Urbarialsatzungen  hatte 
nämlich  jeder  Unterthan,  welcher  ,seinem  Grundherrn  das  so- 
genannte Gespunstgam  mit  15  kr.  in  Geld  bezahlte  ^  weder 
vom  Hanf,  noch  vom  Flachs  einen  Zehent  in  natura  zu  geben*.* 
Da  nun  aber  ,diese  Nation  den  Hanf-  und  Flachsbau  zu  ihrem 
Hauptanbau  und  Nahrungsbetrieb  machte,  folgUch  sehr  wenig 
andere  Früchte  anbaute',  wurde  hiedurch  die  Herrschaft  ,an 
dem  Zehentgefillle  mit  der  Reluition  per  15  kr.  verkürzt'. 
Vielleicht  lag  gerade  darin  die  Berechnung  der  Lippowaner; 
sie  machten  sich  die  gesetzlich  bestimmte  geringe  Reluition  für 
die  Hanf-  und  Flachsproduction  zu  Nutzen  und  betrieben  nur 
diese;  wenigstens  scheint  später,  als  sie  ihre  Schuldigkeiten 
reluiert  hatten,  der  Flachsbau  bei  Weitem  nicht  so  im  Schwünge 
gewesen  zu  sein.  Die  Herrschaft,  durch  die  Lippowaner  ge- 
schädigt, suchte  nach  einem  Mittel,  um  ihrerseits  die  Lippo- 
waner zu  übervortheilen  und  erklärte,  dass  jene  Reluition  nur 
von  dem  Hanfe  gelte;  vom  Flachse  hob  sie  dagegen  be- 
sonders den  Zehent  ein.  Da  legte  sich  aber  das  Kreisamt  ins 
Mittel  und  befahl  dem  Dominium,  den  eingehobenen  Flachs- 
zehent  zurückzustellen,  dagegen  stünde  es  ihm  frei,  durch 
gütlichen  Vertrag  die  Lippowaner  ,wegen  des  stärkeren  und 
sonst  im  Lande  nicht  gewöhnlichen  Hanf-  und  Flachsbaues'  zu 
einer  höheren  Reluition  zu  bewegen  oder  —  was  den  Grund- 
herren freistand  —  statt  der  Reluition  den  Zehent  in  natura 
zu  fordern.  Dass  die  Klimoutzer  mit  ihren  Seilerwaren  einen 
weit  verbreiteten  Handel  treiben  mussten,  ist  selbstverständlich. 
Von  den  Lippowanem  in  Mitoka-Dragomima  wird  dies  aus- 
drücklich berichtet.  So  wird  in  einem  Schreiben  des  Suczawer 
Districtsdirectors  Storr  vom  Jahre  1787  Folgendes  bemerkt:^ 
,Der  Nahrungszweig  dieser  Lippowaner  war  zumeist  die  Hand- 
lung. Durch  die  Ausschliessung  der  Stadt  Suczawa  wurde  ihr 
Handel  gänzlich  gehemmt,  und  muthmasslich  muss  dieser  ge- 
hemmte Handel  die  Auswanderung  zum  Grunde  haben.*  Ein 
Zusatzbericht  des  Kreisamtes  hebt  besonders  scharf  hervor, 
dass   diese   Lippowaner    vorzüglich  Hanf-   und   Flachsbau    be- 


^  Die  betreffende  Urkunde  werde  ich  in   einer  anderen  Arbeit  veröffent- 
lichen. 
"  Vergl.  oben  8.  286. 
>  Wickenhauser  a.  a.  O.,  Nr.  29,  S.  107 f. 


317 

trieben,  so  dass  sie  damit  ihre  Gründe  erschöpften;  ihre  Er- 
sengnisse  haben  sowohl  im  Inlande  als  über  dem  Grenzstriche 
guten  Absatz  gefunden,  weil  es  an  Seilern  gebrach. 

Von  späteren  Berichten  Über  die  Thätigkeit  der  Lippo- 
waner  mögen  nur  noch  zwei  angeführt  werden;  ihre  Mitthei- 
langen  gelten  auch  noch  für  die  gegenwärtigen  Zustände; 
Der  erste  ist  enthalten  in  einem  Schreiben  vom  Jahre  1843 
des  Zuczker  Wirthschaftsamtes,  das  den  Lippowanem  nicht 
besonders  freundlich  gesinnt  war.^  Es  lautet:  ,Ist  wohl  ein 
Theil  dieser  Einwohner,  aber  nur  der  ärmere,  arbeitsam; 
lassen  sich  nämlich  bei  Erdarbeiten,  Dämmeaufftlhrung,  Wasser- 
abzapfung, Teichausschlämmung  und  dergleichen  gebrauchen; 
der  wohlhabendere  zieht  aber  den  Handel  vor,  und  daher  kommt 
es,  dass  ein  grosser  Theil  derselben  sich  mit  dem  Hausieren 
befasst.  Der  Umfang  des  Handels  und  Hausierens  lässt  sich 
leicht  aus  dem  abnehmen,  dass  die  Einwohner  der  besagten  zwei 
Orte  im  Jahre  1840:  250,  1841:  230,  1842:  225  Reisepässe 
3SU  Erwerb-  und  Handelsangelegenheiten  bei  dem  Hadikfalver 
Cameralmandatariate  behoben  haben/*  Und  an  einer  anderen 
Stelle  desselben  Berichtes  wird  das  beständige  Streben  der 
Lippowaner,  ihre  Robot  zu  reluieren,  durch  folgende  Be- 
merkung erläutert:  ,Man  ist  tiberzeugt,  dass  diesen  (den 
Lippowanem)  die  Reluierung  der  Schuldigkeiten  im  Qelde 
am  so  erwünschter  ist,  weil  diese  sich  theils  mit  dem  Handel, 
theils  mit  auswärtigen  Arbeiten  beschäftigen  und  daher  bei 
Abarbeitung  der  Frohne  in  ihren  Unternehmungen  nur  be- 
hindert würden/ 

Der  zweite  oben  erwähnte  Bericht  ist  wahrscheinlich 
Tom  Kreisamte  im  Jahre  1844  erstattet  worden.^  In  dem- 
selben lesen  wir:  ,I>iese  1966  Seelen  [nämlich  die  Bewohner 
der  vier  damals  bestehenden  Colonien  Dragomirna,  Elimoutz, 
Fontina  alba  und  Mihodra],  welche  sich  mit  Ackerbau,  Vieh- 
und  Bienenzucht,  Oelerzeugung,  Gräbenziehen,  Dammbauten 
und  verschiedenen  Gewerben  befassen  und  mit  ihren  Erzeug- 
nissen, besonders  aber  mit  Obst,  einen  ausgebreiteten  Handel 
in  der  Bukowina,   ferner  nach  Galizien   und   der   Moldau   be- 


*  Beilage  89. 

'  Ueber  diese  Passangelegenheiten  vergl.  Beilage  95. 

'  Beilage  92. 


318 

treiben,  gehören  zu  den  vermöglichen  Insassen  der  Buko- 
wina/ Auch  von  den  Mönchen  in  Fontina  alba,  deren 
Kloster  bekanntlich  in  einem  grossen  Obstgarten  lag,  wird  in 
demselben  Berichte  bemerkt,  dass  sie  ihre  Kleider  und  die 
anderen  Bedürfnisse  selbst  erzeugen,  und  dass  sie  sich  vor- 
züglich durch  Handwerksarbeit  ernähren. 


BEILAGEN. 


!•  A,*  6.  October  1783.  —  Bericht  der  Bukowiner  MilitäiTerwaltung 
[Enzenberg)  an  das  Generalcommando  in  Lemberg  über  die  Entstehung 
Ton  Mitoka-Dragomirna  vor  dem  Jahre  1770;  zugleich  Anfrage  wegen 
Hnes  diesen  Ansiedlern  zu  gewährenden  Popen. ^ 

2.  A.  8.  October  1783.  Hofkriegsrathspräsident  Hadik  an  den  Ge- 
neral-Feldwachmeister Enzenberg.  —  Die  zwei  Abgeordneten  der  russisch- 
ältgläobigen  Gemeinden,  welche  sich  mit  dem  Dolmetsch  Mai*tin  Kowatz 
wegen  ihrer  Niederlassung  auf  kaiserlich  königlichen  Gnind  und  Boden 
dahier  eingefunden  haben,  werden  dermalen  über  Czernowitz  wieder  mit 
«inem  Pass  und  einem  Reisegeld  per  200  fl.,  dann  50  fl.  für  den  Dol- 
metsch und  andern  50  fl.  als  Ersatz  des  an  den  Dolmetsch  bereits  von 
Omen  bezahlten  Betrages,  von  hier  auf  die  Art  abgeschickt,  dass  sie  zur 
Bestreitung  ihrer  weiteren  Auslagen  ausser  diesen  dahier  erhaltenen  300  fl. 
Qoch  andere  200  fl.  sogleich  in  Czernowitz  zu  überkommen  haben.  Zur 
Herüberbringung  dieser  Gemeinde  ist  die  nöthige  Geldaushilfe  wie  auch 
sonst  zu  ihrer  Unterstützung  allenfalls  ei-forderlicher  Beistand  zu  leisten 
and  nebst  den  schon  bemerkten  Gegenständen  ^  insbesondere  auch  über 
dasjenige,  was  über  diese  Leute  vorläufig  in  Eifahrung  zu  bringen  ist,  zu 
berichten,  damit  zu  dieser  Ansiedlung  Veranstaltungen  getroffen  werden 
kennen. 

S.  A.  9.  October  1783.  Majestätsgesuch  der  Lippowaner-Gesandten. 
—  Von  Hadik  abgefertigt,  überreichten  Alexiewicz  und  Larianowicz  am 
&.  October  Sr.  Majestät  ein  Bittgesuch  des  Inhaltes:  1 .  Ob  ihr  Glaube  ihnen 
belassen  wird;  2.  wie  lange  sie  Steuerfreiheit  haben  werden;  3.  ob  sie  und 
ihre  Kindeskinder  vom  Soldatenleben  frei  sein  würden;  4.  welche  Abgaben 


^  Ueber  die  Bedeutung  dieser  der  laufenden  Nummer  nachgesetzten  Buch- 
staben vgl.  oben  S.  236. 

*  Ein  ausführlicher  Auszug  aus  diesem  Schriftstücke  ist  mitgetheilt  bei 
Wicken  hau  8  er,  Molda  II,  2,  S.  94.   Vergl.  Polek,  Die  Lippowaner  S.  4. 

Mm  Schreiben  vom  6.  October  1783  bei  Wicken  hauser,  Molda  V,  2, 
Nr.  9  (S.  85  f.). 


320 

und  Steuern  sie  nach  der  steuerfreien  Zeit  zu  zahlen  haben  werden.    Sie 
bitten  um  eigene  Unterschrift  aller  dieser  Punkte. 

4.  A.  27.  October  1783.  Enzenberg's  Bericht  an  den  Hofkriegs- 
rath.  —  Die  Bukowina  soll  vor  Allem  zu  einer  Grenzeinrichtung  geeignet 
sein.  In  diesem  Betracht  werden  jederzeit  die  an  den  Grenzen  liegenden 
Dorfschaften  und  das  Terrain  drei  oder  vier  Meilen  rückwäi-ts,  welches 
meistens  den  Klöstern  zugehöi*t,  ffir  die  Militarisierung  angetragen  werden 
müssen,  folglich  nicht  wohl  diese  Ansiedler  dahin  etablieii;  werden  können. 
Der  hohen  Hofstelle  ist  es  bekannt,  dass  seit  1778  mehr  als  13.000  Fami- 
lien sich  nach  der  Bukowina  übersiedelt  haben ;  dessenungeachtet  ist  zwar 
noch  genug  Baum  yorhanden,  dass  noch  viele  tausend  Familien  unter- 
gebracht werden  können ;  für  ganze  Dorfschaften  sei  aber  bloss  Baum  in 
einer  Gegend,  die  Horaiza  genannt  wird,  doch  muss  gehorsamst  bemerkt 
werden,  dass  eben  diese  Horaiza  jene  Gegend  ist,  wo  das  Bimontierungs- 
gestüt,  obschon  auch  dermal  mit  Nachtheil  der  daselbstigen  Gemeinden, 
sich  der  Grasung  bedient.  Diese  griechischen  Lippowaner  werden  sich 
niemals  aber  mit  Moldauern  untermischt  ansiedeln,  weil  das  ihrer  Lebens- 
ai*t  und  Gewohnheit  entgegen  ist,  ungeachtet  in  einer  anderen  Betrach- 
tung es  sehr  nützlich  wäre,  weil  dadurch  die  Moldauer  zu  mehr  Ordnung, 
ferner  zu  nützlicher  und  ergiebiger  Feld-  und  Landwirthschaftspflege  an- 
geeifert werden  dürften,  wenn  sich  die  Lippowaner  zum  Theil  in  die  schon 
bestehenden  Dorfschaften  ansiedeln  möchten.  Um  diese  Absicht  zu  er- 
reichen,.  würden  aber  merkliche  Uebersiedelungen  erfolgen  müssen,  die 
aber  dann  den  Uebersiedlern  viele  Kosten  und  empfindliche  Veränderungen 
in  ihren  schon  im  Gange  befindlichen Wirthschaften  verursachen  würden. 

6.  A.  31.  October  1783.  Enzenberg's  Bericht  an  den  Hofkriegs- 
rath.  —  Die  Lippowaner  können  auf  den  Klostergütern  angesiedelt  wer- 
den. Zur  Uebernahme  derselben  sind  aber  vor  Allem  Wirthschaftsbeamte 
nöthig.  Es  muss  aber  hiefür  gesorgt  werden,  dass  geeignete  Leute  dazu 
kommen.  Ich  muss  aber  auch  meine  Schwäche  bekennen,  dass  ich  dieses 
ganze  Handwerk  nicht  verstehe.  Nur  auf  den  Kotzmaner  bischöflichen 
Gütern,  die  proaerario  eingezogen  worden  sind,  könnten  60—70  Fami- 
lien mit  ganzen  Sessionen  dotiert  werden.  Es  sind  keine  Camei*algüter  in 
der  Bukowina,  mit  denen  man  disponieren  könnte.  Grundherren  nehmen 
keine  fremden  Ansiedler  an.  Seit  1778  sind  13.000  Familien  angesiedelt 
worden;  bei  der  Uebernahme  bestand  der  Einwohnerstand  aus  15.000  Fa- 
milien. Larion  geht  von  Suczawa  in  die  Ortschaften  der  Lippowaner, 
welche  sich  übersiedeln  wollen,  und  Alexiewicz  bleibt  in  Suczawa,  um  die 
Ankommenden  zu  übernehmen  und  an  Enzenberg  zu  schicken.  Enzen- 
berg  übergab  dem  Larion  100  (1000?)  Zettel  auf  einer  Seite  mit  dem 


321 

Siegel  des  Alexiewicz,  auf  der  anderen  mit  Enzenberg^s  Unterschrift; 
diese  soll  Larion  den  Einwanderern  geben,  damit  dieselben  solche  bei  der 
örenze  vorzeigen,  um  unbehindert  zu  passieren.  Die  Ansiedler  werden  von 
Soezawa  nach  Czernowitz  geschickt,  wo  sie  bis  zu  einer  Anzahl  unter- 
gebracht und  sodann  in  der  Bukowina  angesiedelt  oder  mit  Eowatz  nach 
dem  Banat  abgeschickt  werden  sollen.  Alle  wollten  über  Bossanze  ein- 
brechen, um  sich  in  Suczawa  bei  Alexiewicz  zu  sammeln.  Enzenberg  rieth 
iD,  damit  der  Einbrach  so  vieler  Familien  kein  Aufsehen  mache,  derselbe 
m«»ge  von  verschiedenen  Orten  aus  bei  Bojan,  Synoutz,  Zuryn  und  Baja- 
^chestie  stattfinden,  wo  sie  die  Cordonposten  übernehmen  würden;  zum 
Tbeile  sollen  sie  auf  Schleichwegen,  welche  diesseits  alle,  jenseits  aber 
wenige  bewacht  sind,  herüberkommen.  Jetzt  suchen  auch  die  Moldauer 
die  Einwandening  durch  Landwachen  zu  verhindern,  deshalb  sollen  fünf 
bis  höchstens  sechs  Familien  zusammen  die  Grenze  passieren.  Ist  es  mög- 
lich, so  sollen  sie  an  Enzenberg  voraus  anzeigen,  wie  viel  und  wo  Fami- 
lien einbrechen,  damit  ihre  Uebersiedelung  erleichtei*t  werde.  Es  gehen 
die  Bussen  in  die  Moldau,  dort  soll  die  Pest  herrschen,  und  in  Fokschany 
sollen  schon  mehrere  Leute  gestorben  sein.  Enzenberg  schickte  deshalb 
tinen  Boten  dahin,  um  die  Wahrheit  zu  erforschen.  Die  Leute  (Lippo- 
luier)  sind  redlich,  emsig  und  dem  allgemeinen  Wesen  nützlich.  Behufs 
iker  Dotiemng  wäre  die  Einziehung  der  Elostergüter  zu  beschleunigen 
and  über  den  Unterhalt  der  Kaluger  und  die  Verwaltung  dieser  Güter  das 
Erforderliche  zu  veranlassen.  Mit  den  Wiener  Deputieiien  kamen  auch 
drei  Deputierte  der  Bukowiner  Lippowaner  wegen  des  ihnen  mittlerweile 
bewilligten  Geistlichen,  worüber  sie  sich  ungemein  freuten.  Sie  (die 
.Wiener*  Deputiei'ten)  verlangten  auch  die  Zusicherung,  dass  sie  nicht  ver- 
mischt, sondern  dorfschaftenweise  beisammen  wohnen  könnten,  ohne  aber 
«in  Wirthshaus  zu  halten ;  was  ihnen  zugestanden  wurde.  Die  Loszählung 
dieser  Leute  vom  Soldatenstande  ist  deshalb  verstandlich,  weil  sie  gar 
keinen  Hang  hiezu  von  ihrer  Geburt  und  ganzen  Erziehung  haben.  In 
Himoutz  wohnen  bereits  15  Familien;  in  Mitoka  21  Familien.  An  die 
Lippowaner  könnten  die  Heufelder,  ferner  die  Gebirge  der  Klöster  ver- 
theilt  werden,  welche  bisher  die  cavallarischen  Rimonten  benützen.  Bi- 
toontengestüt  und  Ansiedelungen  können  nicht  neben  einander  bestehen ; 
deshalb  eines  von  beiden  eingestellt  werden  müsse. 

6.  A.  31.  October  1783.  Enzenberg  an  den  Obristwachtmeister 
T.  Feldt  in  Suczawa.  —  Es  werden  Leute  von  jenseits  anhero  über  den 
C^)rdon  aus  der  Moldau,  Walachei  oder  Türkei  oder  auch  wo  immer  her- 
kommen, die  eben  solche  Bollete  wie  die  beiliegenden  aufweisen  werden, 
lind  die  nach  Vorweisung  derselben  ohne  Weiteres  hereinzulassen  sind. 


322 

Der  Herr  Obrist  wolle  demnach:  1.  von  diesen  20  Bolleten  jeder  Czerdakf 
eine  durch  die  Officiere  mit  der  Belehrung  und  dem  Befehle  zustellen, 
dass  die  Officiere  bei  öfteren  Patroullierungen  auf  die  richtige  und  gut« 
Verwahrung  dieser  BoUete  achten  sollen;  2.  die  Gordonswächter  sind  zu 
belehren,  dass,  wenn  Leute  von  jenseits  an  die  Grenze  kämen  und  solche 
Bollete  vorweisen,  die  vorgezeigte  mit  der  auf  der  Czerdake  befindlichen 
wohl  gegen  einander  gehalten,  und  wenn  beide  dieser  Bolleten  einander 
vollkommen  gleich  befunden  werden,  die  Leute  ohne  mindesten  Anstand 
gleich  herübergelassen  und  ihnen  alle  ungesäumte  Vorschub  und  Beför- 
derung geleistet  werden  sollen;  3.  ist  es  gleich  viel,  ob  einzelne  oder  auch 
mehi*ere  zu  50  und  60  Köpfe  mit  einer  Bollete  kommen.  Sie  sollen  da, 
wo  sie  ankommen,  auch  auf  Nebenwegen  hereingelassen,  jedoch  zugleich 
an  die  nächste  Gontumaz,  Mauth  oder  Einbruchstation  gewiesen  werden. 
Eine  jede  Czerdake  muss  eine  derlei  Bollete  haben,  um  beurtheilen  zu 
können,  wen  sie  hereinpassieren  lassen  können  oder  nicht.  Wenn  die  Leut<? 
einmal  über  den  Gordon  sind,  sie  mögen  herkommen,  woher  sie  wollen, 
wenn  sie  nur  ein  derlei  ähnliches  Bollete  haben,  muss  ihnen  in  Allem 
hilfreiche  Hand  geboten  werden.  Diese  Bollete  sollen  von  den  Cordon- 
posten  Niemandem  vorgezeigt,  überhaupt  sehr  im  Geheimen  gehalten  wer- 
den; auch  nicht  das  mindeste  Gerede  hierüber  geführt  oder  Aufsehen  er- 
regt werden. 

7.  A.  31.  October  1783.  Hofkriegsrath  an  das  Generalcommando 
in  Lemberg.  —  Da  nach  dem  kaiserlichen  Reiseberichte  getrachtet  wer- 
den soll,  mehr  Lippowaner  in  die  Bukowina  herüberzubringen,  so  kann 
auch  derjenige  Pope,  auf  dessen  Zurackbekommung  in  die  Bukowina  die 
Districtsadministration  nach  dem  Wunsche  der  dortigen  Lippowaner  mit- 
telst der  im  Generalcommandoberichte  vom  15.  d.  M.  eingelangten  Anzeige 
den  Antrag  macht,  nachdem  derselbe  schon  vor  der  russischen  Besetzung 
der  Bukowina  bei  den  gedachten  Lippowanern  gewesen  ist,  durch  die 
Küssen  mit  allen  Anderen  aus  der  Bukowina  abgeschafft  worden,  und  als 
die  Lippowaner  nach  der  diesseitigen  Besitzergreifung  der  Bukowina  da- 
hin zurückgekehrt  sind,  in  der  Moldau  verblieben  ist,  von  daher  wieder  in 
die  Bukowina  kommen  zu  lassen,  keinen  Anstand  verursachen,  wenn  nicht 
etwa  derzeit  hier  unbekannte  Umstände  vorwalten,  welche  gegen  ihn  ein 
begründetes  Bedenken  erwecken  dürften,  weil  derselbe  weder  gleich  da- 
zumal, als  die  Russen  die  Bukowina  verlassen  und  die  Lippowaner  ihre 
vorigen  Wohnorte  allda  bezogen  haben,  noch  auch  seither  zurückgekehrt  ist. 

8.  A.  1.  November  1783.  Befehl  Enzenberg's  für  Alexander  Alexie- 
wicz  an  die  Behörden  in  Suczawa.  —  Der  Vorweiser  dieses,  Alexander 
Alexiewicz,  wird  sich  in  Suczawa  eine  Zeitlang  aufhalten,  welchem  von 


323 

Seiten  des  Directoriats  für  Bezahlung  nicht  nur  ein  Quaiiiier  aufzusuchen 
sßd  zn  erfolgen  ist,  sondern  es  sind  auch  demselben  sowohl  von  der  po- 
litischen Behörde  als  auch  vom  Militär  alle  nur  nöthigen  Assistenzen  und 
Vorschub  zu  gewähren,  und  da  derselbe  ohnehin  ein  ruhiger  und  fried- 
fertiger Mann  ist,  ist  selber  auch  bei  allen  Gelegenheiten  mit  Glimpf  und 
oaglichster  Willfährigkeit  zu  behandeln.  Wenn  jenseitige  Transemigranten 
iieräber-  und  zu  diesem  Alexiewicz  kommen,  ist  derselbe  in  nichts  zu  hin- 
dern, Tielmehr  demselben  alle  diesfallig  verlangte  Hilfe  auf  besonderen 
AUeriiöchsten  Befehl  willföhrigst  zu  verschaffen. 

9.  A.  8.  November  1783.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg  bezüglich 
seines  Berichtes  vom  19.  October  1783.  —  Die  Begünstigungen  von 
St.  Majestät  für  die  Lippowaner  vom  schwarzen  Meere  im  Falle  ihrer 
Herüberkunft  sind  schon  bereits  bekannt  gegeben.  Um  willigen  und  ge- 
eigneten Familien  alles  Nöthige  zum  Feldbau,  zum  Gewerbe  und  zum 
Handel  (wo  Gelegenheit  dazu  ist)  zu  bieten,  muss  die  Landesverwaltung 
lie  Vorbereitungen  hiezu  treffen,  dass  sie  nach  ihrer  Ankunft  und  nach 
k  Erklärung  der  Abgeordneten,  im  Grenzstriche  bleiben  zu  wollen,  die 
^the  dazu  gleich  bei  der  Hand  haben,  um  desto  geschwinder  Kraft  und 
Vermögen  der  Angesiedelten  nutzbar  anwenden  zu  können.  Kommen  sie 
Mhi  oder  gehen  sie  ins  Banat,  so  bleiben  die  Vorbereitungen  für  andere 
Ansiedler.  Die  neuen  Ansiedler  haben  sich  nach  Allerh.  Verwilligung  einer 
^änzigjährigen  Freiheit  von  allen  Abgaben  und  allen  Steuern  zu  er- 
freuen; da  Enzenberg  bloss  drei  Jahre  zugesagt  hat,  so  könnte  die  Landes- 
Terwaltnng  die  Allerhöchste  Gnade  bei  den  neueren  Ansiedlern  in  Geltung 
l^ringen,  damit,  soweit  sie  bei  ihrer  neuen  Ansiedelung  Auslagen  haben, 
sie  sich  desto  mehr  hiezu  bequemen.  Den  Familien,  weiche  ins  Banat 
^ehen  und  Geldunterstützungen  nöthig  haben,  kann  per  Kopf  täglich  ein 
Beirag  von  2  Kreuzern  nach  dem  in  anderen  Fällen  bewilligten  Ausmasse 
verabreicht  werden.  Für  die  Einziehung  und  Verwaltung  der  Klostergüter 
habe  Enzenberg  dringend  zu  sorgen. 

10.  A.  12.  November  1783.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath.  — 
Xeoerlich  haben  sich  100  im  Zinut  Herleu  in  der  Moldau  dermalen  woh- 
Bende,  im  letzten  Kriege  von  den  Bussen  aus  der  Bukowina  vertriebene, 
^erzuStupka  ansässig  gewesene  Lippowaner-Familien  durch  zwei  De- 
putierte gemeldet,  um  sich  wieder  ansässig  zu  machen.  Sie  wollen  allein 
^in,  sich  nicht  mit  anderen  vermischen  und  nur  ganze  Ortschaften  aus- 
iBachen.  So  lange  die  Klöster  bestehen,  sei  dies  nicht  möglich. 

11.  km  23.  November  1783.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath  be- 
treffs des  Erlasses  vom  8.  November.  —  Er  habe  Befehl,  jedem  nach  dem 
Btnat  Uebersiedelnden  2  Kreuzer  per  Se^e  zu  zahlen;  soll  aber  den 


324 

nach  dem  Banat  Abreisenden,  die  meist  Weib  und  Kind  haben,  auch  Vor- 
spann gezahlt  werden,  wenn  sie  dieselbe  nicht  selbst  bestreiten  können? 
Dem  Kowatz  werde  er  täglich  30  Kienzer  bis  auf  weiteren  Befehl  verab- 
reichen. Die  Lippowaner- Ansiedelung  wird  gehemmt,  so  lange  die  geist- 
lichen Güter  nicht  übernommen  sind.  Die  Vorkehrungen  zur  Kegulierung 
des  Elosterwesens  sind  unzureichend. 

13.  A.  26.  November  1783.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  — 
Der  eine  Deputierte,  Alexander  Alexiewicz,  hatte  in  Wien  eizählt,  er 
habe  während  seines  Aufenthaltes  in  Constantinopel  das  Seitengewehr 
vom  Sultan  geschenkt  erhalten  und  habe  gebeten,  solches  in  den 
hiesigen  Ländern  tragen  zu  dürfen;  sonst  ist  dem  Hofkriegsrathe 
von  den  Kaftans  und  dem  Seitengewehre  nichts  bekannt.  Würde  die 
Uebersiedelung ,  besonders  bei  den  Juden,  bekannt,  so  würden  sie 
solche  den  moldauischen  Befehlshabern  um  einige  Ducaten  verrathen, 
worüber  Enzenberg  schon  Eifahi-ung  gemacht  hätte.  Die  Districtsadmini- 
stration  werde,  wie  schon  früher,  auch  jetzt  angewiesen,  Vorkehrung  zu 
treffen,  damit  diejenigen  Lippowaner,  welche  nach  ihrer  Ankunft  in  der 
Bukowina  bleiben  wollen,  keine  Hindernisse  finden.  Jene,  welche  ins 
Banat  oder  nach  Ungarn  gehen  wollen,  sollen  mit  Geld  und  sonstigen 
Erfordernissen  unterstützt  werden.  Die  Absendung  der  beiden  Gesandten 
am  1.  November  1783  wird  zur  Kenntniss  genommen,  ebenso  die  Aus- 
zahlung von  200  Gulden  an  dieselben.  Kowatz  möge  in  Czernowitz  blei- 
ben, da  er  angab,  er  habe  einige  Familien  bei  ihi-er  Ankunft  nach  Weiss- 
kirchen in  das  Banat  zu  fühi-en.  Enzenberg  weise  dem  Kowatz  ein 
Quartier  und  ein  gutes,  vertrautes  Kosthaus  an.  Er  möge  ihm  zureden, 
mit  Niemandem  vertrauten  Umgang  zu  haben,  kein  Wirthshaus  zu  be- 
suchen und  sich  so  viel  als  möglich  mit  Reden  und  Erzählungen  rückzu- 
halten. Se.  Majestät  bewilligte  es,  dass  ihm  täglich  statt  des  begehrten 
1  fl.  zum  Lebensunterhalte  30  ki*.  so  lange  zu  gewähren  seien,  bis  er  sich 
selbst  Nahrung  ei-werben  könnte.  Die  Lippowaner  wollen  sich  nur  auf 
Gründen  niederlassen,  die  keinen  Privatgrundherren  unterstehen,  also 
auf  Cameralherrschaften.  Sie  sollen  daher  auf  diesen  gleich  nach  ihrem 
Eintreffen  wenigstens  die  unentbehrliche  Unterkunft  und  dasjenige  er- 
halten, was  zu  ihrem  Aufkommen  in  der  Landwirthschaft  oder  in  ander- 
weitigem Verdienste  gehört.  Schon  1781  sei  das  Bukowiner  Mauth- 
inspectorat  angewiesen  worden,  Ansiedler  mit  Effecten  und  Vieh  mauthfrei 
hereinzulassen,  wenn  ans  Inspectorat  hiezu  eine  Weisung  von  der  Di- 
strictsadministration  gelangt.  Betreffe  der  Pestgefahr  werde  bemerkt, 
dass  die  Lippowaner  bei  der  Einwanderung  nicht  mehr  hingehalten  wer- 
den, als  der  Gesundheitsstand  es  unumgänglich  erfordert.    Deshalb  soll 


325 

die  DiBirictsadminisiration  diesfalls  verlässliche  Nachrichten  einholen. 
Müssen  sie  aber  Contumaz  halten,  so  soll  für  Unterkunft,  Lebensmittel 
Bnd  üeberwachnng  gesorgt  werden.  Die  Einwanderung  in  ganzen  Haufen 
wtrde  gegen  die  Verträge  sein,  daher  sei  es  angezeigt,  die  Einwanderer 
kl  Terschiedenen  Zollämtern  einzulassen. 

13.  A.  10.  December  1783.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  —  Da 
iie  Vorgesetzten  der  Lippowaner  in  der  Bukowina  bereits  ansässig  sind, 
%  ist  der  Holzschlag  für  den  Hänserbau  auf  der  Horaiza  im  Einverständ- 
mse  mit  den  Vorgesetzten  der  Lippowaner  unter  Leitung  des  Oekonomen 
Beck,  der  einen  Gehalt  von  500  fl.  erhalten  solle,  anzufangen.  Die  bischöf- 
lichen Güter  sind  bereits  in  ärarischer  Administration  und  somit  ist  zur  An- 
siedelung Gelegenheit  geboten.  Es  ist  dahin  zu  ti'achten,  dass  auch  bald  die 
Klostergüter  ihren  Verwalter  und  ihi*  Landwii-thschaftspersonal  erhalten. 

. . .  Mittellosen  Lippowanern,  welche  Kinder  haben,  kann  bei  der  üeber- 
dedelnng  nach  dem  Banat  Vorspann  unentgeltlich  angewiesen  werden. 

14.  A.  Jänner  (?)  1784.  Bericht  des  Districtsdirectora  Storr  in 
Suczawa.  —  Schon  am  5.  Jänner  1784  habe  er  Enzenberg  angezeigt, 
i^  drei  Münche  angekommen  seien.  Am  6.  Jänner  kam  das  Weib  des 
Äl«xiewicz  mit  drei  Kindern  und  drei  Pferden,  dann  eine  Witwe  mit  zwei 
fcdratemässigen  Burschen  (Burlaki)  ohne  Vieh  und  Geräthschaften  vom 
^Warzen  Meere.  Diese  sagen  aus,  nach  ihnen  seien  noch  mehrere  Lip- 
povaner  abgegangen ;  wegen  des  rauhen  Wetters  und  ihres  Viehes  haben 
m  sich  Hen  gekauft  und  wollen  bei  Paschkan  übei*wintern  und  erst  im 
Frühjahre  kommen. 

15.  A.  30.  Jänner  1784.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath.  — 
Enzenberg  theilt  mit,  er  habe  dem  Director  in  Suczawa  die  Ansiedelung 
^r  Lippowaner  besonders  empfohlen ;  derselbe  soll  sich  mit  Alexiewicz, 
^«r  io  Suczawa  blieb,  ins  Einverständniss  setzen  und  freundschaftlich  be- 
Q^Junen.  Kommen  Familien,  so  soll  er  sie  bis  zur  guten  Witterung  unter- 
^en.  Den  Lippowanern  der  Bukowina  habe  Enzenberg  zu  verstehen 
!^ben,  dass  ihr  Pope  unter  dem  Bukowiner  Bischof  und  unter  dem  Me- 
^politen  Yon  Karlowitz  stehe,  worauf  sie  erwiderten,  dass  sie  dies  auf 
^mn  Fall  zugeben  könnten.  Enzenberg  suchte  ihnen  das  auszureden; 
^  sagten  aber,  wenn  das  die  einwandernden  Lippowaner  erfahren  wür- 
^Q,  würden  sie  gar  nicht  sich  niederlassen.  Sie  wünschen,  dass  ihr  Pope 
^ter  ihrem  Bischof  und  Ei'zbischof  in  Moskau  belassen  werde.  Enzen- 
^rg  bemerkt,  er  habe  dies  vorläufig  auf  sich  beruhen  lassen;  doch  hoffe 
«r,M  ihnen  auszureden.  Am  18.  December  1788  waren  sechs  Lippo- 
nner  aus  der  Moldau  beim  Suczawer  Districtsdirector,  verabredeten  sich 
Büt  den  Lippowanern  bei  Mitoka  und  sagten,  dass  sie  sämmtliche  20  Fa- 


326 

steßtie  in  der  Moldan  nach  Abgang  des  Schnees  nach  Mi- 

iQiUen  ^^^  ^  1^^   werden.    Biese  Kostestier  wollen  keinen  anderen  Vor- 

toia  übersi  -y^yen  Schnlzen  und  sind  mit  den  ilmen  von  der  Landes- 

geseU^^    ^         wresetzten  Beamten  zufrieden.     Sie  wollen  mit  dem  Yom 

^et^^Atuii^  eingewanderten  Aleiiewicz  nichts  gemein  haben,  und 

sch^«^^®^  .   ^    nicht  rühme,  dass  sie  hieher  bloss  auf  sein  Zureden  ge- 

dami^  ®^  ^\  g0  hegnügen  sie  sich  mit  drei  steuerfreien  Jahren,  bis  sie 

^om^»®^  »ei©    '- j^0t  und  ihre  Wirthschaft  eingerichtet  haben.  Diese  20  FiL- 

sichHatis®^  ^  da  in  Dragomima  schon  genug  Bewohner  sind,  in  Kli- 

^Wien  ^^*^    X,   f\  l6  Lippowaner  Familien  wohnen,  ansiedeln.    Zwischen 


^o  sclion 


inout^«  ^^  ^ippowanem  und  Alexiewicz  ist  Eifersucht  entstanden, 

den  Btdtow  ^^  Hitoka  meldete  dem  Director  in  Suczawa,  Alexander 

Der  probat'  ^^        ^.^  ^^^  ^^j^  ^^^^  ^^i^  ^^^  ^^^  Bukowina  schon  ansässigen 

A\exi®^^^^  l^l^ersiedelnden  Lippowaner  das  Oberhaupt  zu  werden. 

und  öi^^  ^^^.ji  den  moldauischen  Lippowanem  gesagt,  dass,  wer 

^\exie^icx  ^^^  ^^^  y^^j^  melden  soll;  er  werde  sie  in  sein  Einwände- 

\ier*böt8io<*®    '  ^  eintragen,  wogegen  er  vermöge  des  in  Händen  haben- 

rungs^®^®^  ^j^  20  Jahre  Steuerfreiheit  verspreche.    Den  XJebrigen 

den  Pa^^  geinen  Säbel  vom  Kaiser  zum  Geschenke  erhalten.  Diese 

sagte  er,  er        ^^jialb,  mit  der  Zeit  dennoch  zum  Militär  genommen  zu 

flXrchteten        ^^^^  deshalb  in  ihn  kein  Vertrauen.  Der  zweite  Deputierte, 

-werden,  nn  ^^  ^.^^  ^^  Alexiewicz  ebenfalls  entzweit  und  den  Mi- 

;Sildiot  j^^m  entdeckt,  dass  Alexiewicz  den  Säbel  keineswegs  zum 

toker  ijipp"    ,   ,^jj^  ^ohl  aber  von  jenem  Gelde,  welches  er  unterwegs 

Gesehen  e  ^^.^j^iten,  gekauft  habe;  daher  ihn  die  Mitoker  fftr  einen 

zxxm  ^©  Enxenberg  habe  dem  Alexiewicz  den  Säbel  noch  tragen 

X^ügner  ^^  ^^^  Holdau  ansässigen  und  die  Bukowiner  Lippowaner 

^*®^*^'    .    1  ißxiewicz  nichts  zu  thun  haben  und  verlangen  nur  drei  steuer- 

woUen  Alexiewicz  verlangt  den  Dolmetsch  Kowatz  nicht  weiter. 

^^^^  \h     st  ausschweifend  und  liederlich.   Er  hat  überall,  wo  Bier-  und 

^^^   hänken  sind,  Balgereien  angefangen,  so  dass  ihn  kein  Mensch  in 

^®^^   nehmen  wollte.  Enzenberg  war  bemössigt,  ihn  zum  Professor  (!?), 

^*    ^^  te     ehrlichen  Mann,  in  die  Kost  zu  geben,  der  auch  auf  ihn  ein 

^^^r  bLnd'es  Auge  haben  soU.  Das  nützt  jedoch  wenig.  Enzenberg  habe 

beobac  ^  ^^  ^^^  festgesetzten  Betrag  gegeben,  und  dessen- 

ibm  von       ^^^  ^^  ^^^^^  ^^^^  Schulden  bei  Civü  und  Militär,  so 


Enzenberg  tägüch  von  den  Gläubigem  überlaufen  werde.   Enien- 

berg 

nicht  ^®^*^^^"^°^j^^,.  Bischof  und  deu  Carlowitzer  Metropoliten  nichts 


hätte  wegen  der  von  Sr.  Majestät  zu  begünstigten  Lippowaner 
^^^  Sorgen.   Diese  wollen  von  einer  Unterordnung  ihres  Popen 


\ 


i 


327 

Tissen.     Alexiewicz*   Aussagen   widersprechen   sich;   Eowatz   ist   lie- 
derlich. 

16.  A.  1*6.  Februar  1784.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath.  — 
Kowatz  muss  bei  den  Deputierten  alles  Zutrauen  während  der  Beise 
Ttrloren  haben,  da  sie  sich  weigerten,  ihn  nach  Suczawa  mitzunehmen. 
Enzenberg  behielt  ihn  trotz  seiner  fiblen  AufifQhrung,  damit  er  im  An- 
nedelungsgeschäfte  keine  Hindernisse  mache.  Enzenberg  macht  Vor- 
bereitungen, um  Ansiedler  unterzubringen  und  mit  Gründen  zu  dotieren, 
sobald  sie  eintreffen. 

17.  A.  25.  Februar  1784.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  —  Die 
Lippowaner  können  sich  Popen  yon  ihrer  Nation  kommen  lassen,  doch 
sollen  solche  unter  dem  Bukowiner  Bischof  stehen,  nicht  unter  einem 
auswärtigen.  Vorläufig  soll  zwischen  diesen  Leuten  und  dem  Bukowiner 
Bischof  bloss  eine  gute  Harmonie  hergestellt  werden,  damit  sie  nach  und 
Dich  zur  freiwiUigen  Unterwerfung  unter  diesen  Bischof  herbeigezogen 
Ttrden.  Sobald  die  Lippowaner  in  Suczawa  einlangen,  hat  Alexiewicz 
uf  die  Ansiedler  weiter  keinen  Einfluss  zu  üben.  Mit  der  Zeit,  wenn  er 
das  Tragen  des  Seitengewehres  yerwirkt,  ist  es  ihm  zu  untei*sagen.  Eo- 
vatz  ist,  da  er  liederlich  und  auch  nicht  mehr  nöthig  ist,  in  seine  Heimat 
nach  Ungarn  zurückzuschaffen,  jedoch  erst  bis  auf  weiteren  Befehl,  da 
Eber  Alles  Sr.  Majestät  berichtet  wird.  Zum  Häuserbaue  für  die  Ansiedler 
kt'^anen  die  in  Suczawa  vorhandenen  üeberbleibsel  der  alten  grossen 
steinernen  Gebäude  und  die  in  der  Nähe  befindlichen  Waldungen  yer- 
v«ndet  werden.  Zur  Ansiedelung  ist  die  Horaiza  bestimmt.  Wer  nicht 
in  der  Bukowina  bleiben  will,  gehe  ins  Banat. 

18.  A.  26.  April  1784,  Zahl  122.  Enzenberg  an  den  Hofkriegs- 
rath. —  Für  die  Ansiedelung  sei  das  Prädium  Korczestie,  welches  dem 
Kloster  Dragomima  gehört,  in  Aussicht  genommen;  dasselbe  sei  öde  (d.  h. 
unbewohnt)  und  vom  Kloster  einem  Pächter  überlassen;  es  könnte  daher 
mit  Lippowanem  besiedelt  werden.  Femer  ist  die  Warniza  in  Betracht 
g^ogen  worden,  die  dem  Kloster  Putna  gehöre;  doch  ist  noch  zu  erheben, 
<^>b  dieses  Gebiet  nicht  von  anderen  Insassen  beurbart  werde.  [Enzenberg 
^eilt  auch  mit,  dass  die  üebersiedelung  der  Lippowaner  in  der  Moldau 
entdeckt  sei.]  ^ 

19.  A.  3.  Mai  1784.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath.  —  Die 
fifersncht  zwischen  den  zwei  Lippowaner-Gruppen,  nämlich  jenen  in  der 


'  Ob  die  zwischen  []  gesetzten  Worte  dem  Berichte  vom  26.  April  an- 
gehören, geht  aus  dem  Manoscripte  Wickenhauser^s  nicht  klar  hervor. 
Aehnliches  gilt  von  der  zwischen  []  gesetzten  Stelle  in  Beilage  21. 


328 

Bukowina  und  ans  der  türkischen  Moldan,  und  jenen  yom  schwarzen 
Meere  ist  doch  auch  schlecht,  weil  man  sie  getrennt  wird  ansiedeln 
müssen.  Wären  sie  einig,  so  könnte  man  die  yom  schwarzen  Meere  zu- 
wandernden in  Klimoutz  nnd  Mitoka  unterbringen,  wobei  allenfalls  der 
Hotar  zu  erweitera  wäre. 

20.  A.  12.  Mai  1784.  Hofkriegsrath  an  £nzenbei*g.  —  Man  sah 
Yoraus,  dass  die  Verwaltung  Terrains  zur  Ansiedelung  ausgezeichnet  hätte« 
alle  nöthigen  Requisiten  herbeigeschafft  und  sonstige  Vorkehrungen  ge- 
troffen habe.  Die  Lippowaner  yom  schwai-zen  Meere  dürfen  nur  auf  Ca- 
meral-  oder  geistlichen  Gütern,  die  in  ärarische  Administration  fallen, 
angesiedelt  werden,  weil  sie  unter  keinem  Grundherrn  stehen  wollen.  Es 
sollen  aber  den  anderen  Leuten  ihre  Gründe  nicht  weggenommen  werden. 
Auch  Leute  aus  Galizien  wollen  in  die  Bukowina  einwandern. 

21.  A.  13.  Mai  1784.  Bericht  des  Directors  Storr  in  Suczawa  an 
Enzenberg.  —  Am  10.  Mai  1784  kam  der  Igumen  der  Lippowaner  in 
Suczawa  an;  derselbe  sagte,  keine  Familie  kommt  mehr  nach.  Den  vier 
Familien  in  Paschkan,  die  dort  wegen  des  Schnees  überwinterten,  sei 
bekannt  geworden,  dass  vielen  Lippowanern  verboten  sei,  in  die  Buko- 
wina zu  übersiedeln;  sie  hätten  den  Befehl  erhalten,  bei  Verlust  aller 
ihrer  Güter  sich  von  ihren  Dörfern  nicht  wegzubegeben.  Sowohl  Die- 
jenigen vom  schwarzen  Meere,  als  auch  die  Moldauischen  mussten  Bürg- 
schaft geben.  [Ferner  berichtet  Storr,  dass  der  Suczawer  Insasse  Joan 
Erste  ihm  gesagt  habe,  einige  Lippowaner-Familien  seien  unlängst,  um 
in  die  Bukowina  zu  gehen,  in  die  Moldau  eingetreten ;  man  habe  sie  aber 
gleich  bei  ihrem  Eintritte  in  ihren  Wohnort  zurückgewiesen.  Bis  jetzt 
wären  15  ganze  Familien,  mit  Alexiewicz  16,  ferner  drei  Burschen,  ein 
Igumen  und  sechs  Kaluger  nach  Suczawa  gekommen.  Alle  seien  sammt 
Alexiewicz  nach  Wamiza  abgegangen,  um  sich  daselbst  niederzulassen. 
Storr  habe  das  Kloster  'Putna  benachrichtigt,  dass  auf  der  Warniza  ein 
neues  Dorf  erbaut  werden  soll,  und  zugleich  das  Ansuchen  gestellt,  weil 
Wamiza  nicht  hinreichend  sei,  ihnen  ein  Stück  von  der  Horaiza  zur  Noth- 
durft  einstweilen  zuzutheilen,  bis  sie  sich  etwas  ausrotten  könnten.  Be- 
sonders sei  hiefür  ein  Stück  Wiesengiund  von  110  Faltschen,  das  hai-t 
am  Orte  liegt,  wo  das  Dorf  erbaut  werden  soll  und  welchen  das  Kloster 
nicht  braucht,  ausersehen  worden.  Storr  bitte  daher  die  Landesadmini- 
stration, den  entsprechenden  Aufti-ag  an  das  Kloster  gelangen  zu  lassen.]^ 
Endlich  meldet  Storr,  dass  er  auch  in  Hliboka  war  und  daselbst  den 
Thaddäus  Turkul  und  den  Oberlieutenant  Zaj^czjk  anti*af.  Turkul  sagte, 


^  Vergl.  die  Anm.  la  Beilage  18. 


329 

er  könne  in  Hliboka  mehr  als  300  Faltschen  für  100  Mntterpferde,  dann 
in  Petrontz  bis  200  Faltschen,  auf  denen  meist  Klee  nnd  Ken  wachsen, 
Q&ter  Vertrag  überlassen.  In  Hliboka  habe  Tnrknl  mehr  als  1200  Fal- 
tschen Gründe,  Aecker  nnd  Wiesen. 

23.  A.  14.  Mai  1784.  Kaiserliches  Handschreiben.  —  Zur  Wissen- 
schaft nnd  ist  nochmals  dem  Generalcommando  [und  der  Landesverwal- 
tiing?]  einzubinden,  dass  sie  sich  höchst  yerantwortlich  machen  würden, 
wenn  sie  nicht  zur  Ansiedelung,  besonders  der  Lippowaner,  alle  mög- 
liche Beförderung  zu  leisten  und  alles  dazu  vorzubereiten  sich  angelegen 
5€in  liessen. 

33.  A.  15.  Mai  1784.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  —  Mit  Hof- 
kriegsratbserlasse  vom  15.  Mai  1784  wurde  Enzenberg,  wenn  die  Lippo- 
vaner-Ansiedelungen  aus  der  Moldau  und  vom  schwarzen  Meere  nicht  zu 
Stande  kommen  würden,  für  höchst  verantwortlich  erklärt;  daher  soll  er 
den  Ansiedelungen,  besonders  der  Lippowaner,  alle  mögliche  Beförderung 
leisten  nnd  soll  sich  angelegen  sein  lassen,  hiezu  Alles  vorzubereiten. 

34.  A.  Mai,  Juni  1784.^  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  —  Es  ist 
xa  überlegen,  ob  nicht  etwa  der  in  der  Bukowina  anwesende  Igumen  der 
lippowaner  zum  Werkzeug  zu  gebrauchen  sein  könnte,  um  die  von  den 
Lippowanei^n  geschöpften  irrigen  Begriffe  aus  dem  Wege  zu  räumen. 
Ausserdem  ward  schon  voriges  Jahr  und  heuer  bereits  zu  wiederholten 
Malen  bedeutet,  dass  zwischen  der  Bukowiner  und  der  slavonisch-banati- 
schen  Cameraladministration  schon  vor  geraumer  Zeit  das  Einvernehmen 
eingeleitet  worden  sei,  dass  die  Familien  vom  schwarzen  Meere  auch  im 
Banat  auf  cameralischen  Grund  und  Boden  untergebracht  werden  könnten, 
venu  sie  in  der  Bukowina  zu  bleiben  Anstand  hätten.  Sonach  ist  mittelst 
des  besagten  Igumen  jeder  mÖglicheVersuch  für  die  Hei*überbringung  dieser 
Familien  in  die  Bukowina  oder  in  das  Banat  zu  machen.  Inzwischen  ist 
weh  noch  der  von  den  hier  (d.  h.  in  Wien)  gewesenen  Deputieiiien  als 
Dofanetsch  gebrauchte  Kowacz  mit  dem  Bezug  von  täglichen  30  Kreuzern 
beizubehalten,  um  in  der  obberührten  Absicht  noch  einen  Versuch  zu 
Bachen. 

25.  A.  2.  Juni  1784.  Enzenberg  an  den  Hofkriegsrath.  —  Am 
I.Juni  1784  nachts  kam  Enzenberg  von  der  Reise  wegen  der  Veröffent- 
lichung der  Grundeintheilung  und  der  geometrischen  Aufnahme,  wo  er  es 


'  Der  in  dem  Schreiben  genannte  Igumen  kam  erst  am  10.  Mai  in  die  Ba- 
kowina  (vergl.  Beilage  21),  und  um  die  Mitte  des  Juni  verhandelt  Enzen- 
berg laut  dem  vorliegenden  Auftrage  mit  ihm  (vergl.  Wickenhause r, 
Molda  y,  2,  S.  104);  darnach  ist  das  obige  Datum,  welches  in  der  Ab- 
schrift fehlt,  bestimmt. 

Arekir.   LXXXIII.  Bd.  U.  H&lfte.  22 


330 

.••B  I^rSb^     HCTNiticli  nichte.  mräek.    Am  3.  Juni  kamen  Alexander 
:di1  ~aaoa   lienAwia  m  Jim  tuiI  u^n:  dae  QatWsrnizs  sei  ihnen  zu 
a>-ia  ia>i  Jr^r  'Vriioiea^t  akin  aogenesssn.   Sämmtliche  SO  Familien 
ja-^  -i'-3   >^aaü  3»ä  HCix-B  tbtfsedelt,  wo  fflr  100  Familien  hin- 
ioe:-  3  ZriT'hca  .x.  ^u  ivMD.  i»  iknen  der  Platz  gefällt,  bereits  mit 
r-jTS.  inan    iiiniiliiiMn  Vtnac  «aacht.   Er  gebe  jedem  Haasvater 
'iMtsnuM  'Viw*   uui  ?«)  ^u  TüaeAtu  Ackei',  als  sie  aar  immer  an- 
amML  ai'fso.    Om&r  Jatw  :«-<lu'  BBBnter  Jährlich  in  Allem  nnr  6  fl. 
;>•  ir.  in  inmiiiBfi  m  zaiiieit.    s2u  lippowaaer  wollen  in  Hliboka  blei- 
«B.    SiiDiia  ÜAXUwics  ^il  is^pttrai.  Las  Banat  abgehen,  um  eich,  da  er 
^im  ukerban  uchts  twtbcm».  iastüiei  ait  der  Fischerei  zu  ern&hren;  er 
«tili«  Sil  SnaBboia»  ier  ViTwaitanif  aocfa  andere  ledige  Burschen  mit- 
:ivoB*B.    5[mnb«ni:  vvrapncil  ümen.  iass  sie  dortselbst  dieselbe  Unter- 
>Maiuw  inm  -uvr  dikdeti  «önittD.    AIiuan<Ier  Aleiiewicz  will  mit  den  An- 
i)^^va  la  Ulibuka  ')itfib«a  miu  bat  ien  Eazenberg  um  einen  Vorscbuss  von 
W  Babvin  ntr  -Voädiaffai^c  voa  Vieh  oad  Wirthschaftseinrichtnngen.  En- 
»ubwiF  vfrepmch  ihnuit,  .im  äamsag  Mlbst  nach  Hliboka  in  kommen. 
"tt»  .h.  3.  Juni  17?44.    ünzenbw^  an  den  Hofkiiegsratb.  —  Am 
js   lai  hab«  KuMutxu);  -hv  tnOt  Xachricht  erhalten,  dsss  die  Lippo- 
wauwr  ^uach  Ulibuka)  );e|pui)^a  Mien.    Er  habe  schon  frflher  dem  Con- 
siEiturtum  augKMi^,  Jen  Li^iiKiwanera  Jas  von  Storr  ausgezeichnete  £rd- 
rvU'li  auMustnckou  und  ituuthvilen.    Die  Befehle  wegen  des  Qestöts  und 
dM-  Liiipuwauei'  «oieu  auch  i^r^ant^n.   Storr  und  der  vom  Oberstwacht- 
u«(«t«r  Cavallar  abipMnluew  W«:fataieister  giengen  auf  Anordnung  Enzen- 
btfi^'s  heruui,  uiu  uiue  OiKscbaft  «um  Gratttt  ta  ermitteln,  die  Einwohner 
ttK'bl  lu  b«wiutitWblt){«u,  mit  Oirundherren  Verträge  abzuscbliessen    un<i 
UrtliiUv  III  Vnuht  (u  uohiuitu.  Zum  ö«6tat  wurde  auch  Hliboka  ausersehen, 
und  uiau   vvi bauilette  mit  Turknl.    Nun  seien  die  Lippowaner  hio^- 
iUil  tjwtftt  konnten  aber  auf  einem  Boden  aicfat 
ill  dahin  trachten,  dass  die  Stuterei  in  Petrontz 
1  Hliboka  könnten  sich  250  Familien  füglich  er- 
behalt, wenn  auch  Turknl  200  FaltBchen  davon 
Ujf.    H^  die  Bemonten  verlangt  der  in  Hliboka 
it  ausser  äOU  Faltschen  im  dealu  cruce  noch  das 
lur  Aule^ng  eines  Dorfes  nicht  geebnet  ist  und 
Httie  ist  jetit  Tom  Kloster  Dragomirna  sn  Eodres- 
iSicht  dauert  noch  drei  Jahre. 
17^4.     Handschreiben  des  Hofkriegsrathgpr&ai- 
lerg.  —  Da  die  Herfibersiedlung  der  Lippowaner 
er  Moldau  ergangenen  Verbote  gebindert  ist,    ao 


331 

bum  in  Ansehung  derselben  nichts  Andeies  geschehen,  als  abzuwarten, 
ob  einige  Familien  kommen  werden  oder  nicht,  und  könne  also  auch  der 
Dobnetsch  Eowatz,  falls  sich  nicht  etwa  bis  Ende  August  etwas  Günsti- 
geres ei'eignen  würde,  alsdann  entlassen  werden.  Nach  den  eingelangten 
Anzeigen  scheinen  die  dem  Ansiedelungsgeschäfte  im  Wege  stehenden 
Hindernisse  bloss  davon  herzuiilhren,  dass  die  dortigen  Elostergüter  noch 
nicht  in  die  Administration  des  Staates  genommen  worden  sind;  deren 
kidiger  Vollzug  wird  von  Sr.  Majestät  wieder  anbefohlen. 

28.  A.  9.  Juni  1784.  Hofkriegsrath  an  Enzenberg.  —  Da  nach 
km  ernstlichen  WiUen  Sr.  Majestät  die  üebeinahme  sämmtlicher  geist- 
lichen Güter  in  die  Staatsadmiuistration  yor  sich  gegangen  sei,  habe  nicht 
dis  Kloster  Putna,  sondern  der  Bisthumsrath  und  eigentlich  die  Landes- 
rerwaltung  Terrain  anzuweisen,  wo  für  die  Lippowaner  das  Doi*f  hinzu- 
stellen sei,  weil  sonst  bei  ihnen  der  Argwohn  entsteht,  dass  sie  gegen 
St.  Majestät  Gesinnung  einem  Grundherrn  zu  unterstehen  hätten.  Wenn 
über  eine  Verhandlung  eine  Verfugung  nöthig  wird,  welche  nicht  in  die 
Glaabensgmndsätze  oder  das  geistliche  Fach  einschlägt,  so  hat  eine  solche 
Verfügung  nicht  durch  den  Bisthumsrath,  sondern  durch  die  Admini- 
stration zu  geschehen.  Das  Versprechen  wegen  des  nöthigen  Ten*ains 
für  die  Lippowaner  bringt  es  mit  sich,  dass  sie  mit  den  übrigen  Unter- 
üianen  in  dieselbe  Eigenheit  kommen  werden.  Ihre  Einführung  in  das 
Eigenthum  der  Gemeinde  hat  nach  dem  Massstabe  und  der  Richtschnur 
für  die  übrigen  Bukowiner  Unterthanen  zu  geschehen.  Sie  sind  20  Jahre 
steuerfrei,  deshalb  ist  es  befremdend,  dass  an  sie  das  Ansinnen  gemacht 
worden,  den  Gi-undherren  eine  Gininds teuer  oder  den  Zehent  zu  geben. 
Den  Lippowanern  ist  freie  Beligionsübung  zugesichert.  Hiedurch  kann 
Me  die  Administi'ation  auf  die  beste  Art  von  dem  geplanten  Klosterbaue 
wegleiten.  Sind  in  der  Bukowina  Gründe  zur  Ansiedelung  nicht  genug, 
e«  soll  man  die  Lippowaner  ins  Banat  leiten. 

29.  A.  10.  Juni  1784.  —  Vertiag  vom  10.  Juni  1784  zu  Hliboka 
zwischen  Thaddäus  Turkul,  Erbhenn  von  Potorylawze,  Bojanczuk,  Hliboka 
Diid  Petroutz,  des  Putiller  Okols  Stai*osten,  und  den  auf  seinen  Gi*ünden 
ansässig  zu  machenden  20  Lippowanern.  1.  Jeder  Lippowaner  erhält 
lO'/s  Faltschen  Aecker  und  Wiesen;  2.  grundherrschaftliche  Hutweide, 
aos  dem  Walde  das  nöthige  Bau-  und  Brennholz;  3.  die  20  Lippowaner 
sind  von  dem  Zehent  und  Robot  für  die  lOV«  Faltschen  Feld  frei;  jeder 
ohlt  aber  jährlich  5  fl.  30  kr.  Grundzins;  sonst  aber  nichts,  weder  an 
Seid  noch  an  Arbeit.  Mehr  Gründe  als  die  zugetheilten  10*/«  Faltschen 
iörfen  die  Lippowaner  weder  ankaufen  noch  sonst  erwerben.  Sollten  sich 
ilire  Familien  vermehren,  so  haben  sie  sich  mit  den  10*/»  Faltschen  zu 

22* 


ans 

K^^^urvQ.  ««sg^nonunen  mit  dem  Willen  des  Gnmdherm  oder  v«ui  eine 

AAiycv  LdUii^ciiMiikkUiiig  eintreten  würde.    Bodet  ein  Lip^vaaer  Wald 

i'x  Xri*'.  5C  >:•*:>$  :!■  4ic«  uisser  den  lOVs  Faltechen.   So\Ats  Feld  ist 

ti.%a  *i  if  ^aIty  xlxs»  imi  zehentfrei;  im  sechfiten  Jahre  hat  «r  den  Ze-* 

Wu'  n  r*<}wa  '«i.-^  xftck  iM»  Werthe  desselben  Zahlcng  an  den  Gnmd* 

b^-^n  rt  >«u{QHL    V^  «a  Lippowaaer,  a{iarte  den  1(P  ,  Fahschen,  auf 

^  i»aa  ».vi^-^a    *^4  »iftr^rfs  anbanen,  so  ist  dies  g«6taxt4<t.  doch  mnsa 

..    ^v...  •>   «wa   ul-whi  üaiitnhaaett  den  Zehent  daT«n  xahkn.   Sie  sind 

.« '    iv-^'^*xaw^:*'*<i»Hi  's*«n!cä«s6vtcft  antervorfoL.  dnilieB  ans  fr^aden 

\  .«u>^j^^«r-i  k^ioi»  :r«*crial«  ^ica  lassen,  sondeni  Mkhf  Uose  im  Hli- 

.  •.      %    '::>x'iü>*»  r»a.**Än-  Vm.  $c=5tipK-  eesetEficher  Strafe.    Für  das 

V  .^i.    .-     ^wÄTi-ti  l.?p«»«^aper  i">«T-r:<  Tctxl  eönen  Gr&nd  t<»  5  Fal- 

>s.  ^  -    -u:»  r.:i  ^^^s^  SwOJ-uaic-  bü  «sj  axs  Äiff  ürsac^^  wiäl  ae  ihm  hie- 

' -    .  '.  ^*     -  :>-•*  ri  -  sflfcn  --rsnr  <ajea  h&Ws.  Hlilnb.  dcA  10.  Jnni  1 784. 

-^w.       *  ^    :  ■*:\n      .  Sv.!i.^?.  smuc:  r..tr  Buätaem.   l%tddips  Ton 


m^  ^  •  .  :^^     5  i^*!scsx^  ax  £xK»hmr.  —  In  Wien 

,^^  <  »a..    -  .Ä-  .Äcr.  Sil  a»  liwnfdwt  Ässeih,  nnr  asf  Ca- 

Z^^  Jht  Bi3iB  l^eKäedfiln  Wollen- 


■* 


>»^   -^  ^>iii     Gsn.^  üH  mdiai  fie  TorEpann  be- 

Lii,    >c   ^^~  :Av   tai>i:s  oai^  3^7)thäf!e  reranstaltet 


-^.    ^     .'*-.":.-^    ;i>  *i  i  MTUffliniHi  sl  «tun.   Zu  GeldTt»r- 

SJ;     ^.    -  *    j  ^-T-.^^  -  "^  -      ■  '--'ni-'^^*»*  3iifflk  aa  die  Sl  Onnfrer 

^   .  ^     -.-.         Tl  '     '3-  '  -.TTi:?^   *  :  il-a>ums  ja  «f  ith-  mit  jenem  vol 

_   .  ^       ■  — .-*  2-*:.i*  :*iiL  ü  >^i-r  >'ik&  !;•'  i.  Eümtoitz  dem  Eo- 

^      *  -  .    ♦     w  n.-  «■♦  !.-  L:*b   .^<:  itt»  rrcndberrlichen Schnl- 

.      .— .-^    2v» '^miff*  t»*:'*»"'  TT^mrtniBHL  laöiBL  mii Ende  Apri 

»    >^,  sr*.  ..■-     i-i.;  f.*  ti*'-*^!  ^■*  iia»j*'Si»iii :it^ iv^uiüJÄfliÄOi  gleich  an- 

.  -  — i.i**i  ri   f»'.-*''>-2-  ÄCr**^*  UM»-  Huni*ui3  «ai  mn  einem  toi 

.»     \       -  ^— fc«  I  :«-*nu:_->i  ^^rTTBcmcz  w^ina^  rtiörr  ausweisen  kOnnt 

V.,-..  .!>  Xr-.  *fr  1;-'  r:"  Tli.  *    d^i^lMa  iifr  mr  nlj^nmiftinriL  Gnmdrer 

tho.  -  ^  i.  itrÖJ-r^T^     f  -11  -i"^  hk»»*  r^unta  jutfncnonztBL Hotar,  son 

Kt\^  u  vvv  iiaNf  ^  *  >*'  i/rti-**-4.  ?Tr:_  *^-  "jh.  «rhnhfiL.  nif  d»  Fxmüiejixah 

..14  ihivi  \  - ' t.- .-    i-i  -i'-^'.^V'ij:  :»räir^  W^ox  hmm  anA  die  politisch 

HvkKvMvt*>  *ir.i^:i  rr*'**'%.''*i  r>-rLn:  aÄTtwjK^a.  mtat.  auf  welchen  sie  nui 

\h<^ouoh  *rh*^*-.  *•'  ^*  '-^  z^-'n  ftr  i«  wrsiitst  viciandaien  Pami 

U\<\\    n\Mu\^xxk  *h^  rA.*ii:-m=.*-r:*ri  r«cäibXrfa-    Iwr  T-fd^arfiMif  aai  gmnd 

l*i»Hiu«U**M  i»»ii\ud^a  ^.*,bt  saiitf  *:  iax^  xxier  crmidharriidisr  Di£^ 


3S3 

sition,  bis  das  Dorf  auf  eine  diesem  Üeberflosse  entsprechende  Anzahl 
inwachse.  Bei  dem  besonderen  Umstände,  dass  die  heurige  fQr  den  Feld- 
bau so  traurige  Witterung  so  vielen  ünterthanen  die  unentbehrliche  Heu- 
fechsung  benommen  hat,  hat  die  Gruudherrschaft  umsomehr  Ursache,  mit 
dem  überflössigen  Heuschlag  der  Elimoutzer  den  nothleidenden  ünter- 
thanen aufzuhelfen.  Auf  der  Pojana  Warniza  wurden  6  Familien  an- 
CTsiwlelt;  es  war  aber  für  20  [richtiger:  200]*  Familien  Terrain  an- 
getragen. Von  diesem  Terrain  sei  daher  den  sechs  Familien  nur  so  yiel 
zuzugestehen,  als  für  ihren  Unterhalt  hinlänglich  sei;  der  üeberrest  sei 
aber  anderweitig  zu  verwenden.  Auch  in  Hliboka  haben  sich  Lippowaner 
angesiedelt.  Es  wurde  ein  Vertrag  geschlossen  und  von  der  Landesstelle 
renebmigt.  Statt  der  ünterthansleistung  zahle  jede  Familie  jahrlich  der 
Herrschaft  einen  gewissen  Betrag.  Das  kaiserliche  Patent  konnte  nur  die 
landesherrlichen  Leistungen  erlassen,  nicht  aber  die  grundherrlichen, 
welche  der  Landesfürst  den  Gutsbesitzern  nicht  nehmen  kann,  noch  will. 
Die  Lippowaner  können  nur  von  der  Billigkeit  der  Grundbesitzer  Unter- 
stützung hoffen,  nicht  aber,  wie  sich  viele  beigehen  lassen,  freie  und  un- 
entgeltliche Gebai-ung  mit  dem  Grund  und  Boden  und  Allem,  was  darauf 
ist,  erzwingen. 

33.  A.  19.  November  1789,  Zahl  1065.  Bericht  der  Fratautzer 
Wirthschaftsdirection.  —  Nach  dem  Ausweise  der  Josephinischen  Grund- 
s^eoervennessung  vom  Jahre  1786  haben  nur  30  Lippowaner-Familien  zu 
Fontina  alba  steuerfreie  Gründe  und  sind  durch  20  Jahre  von  allen  Steuern 
und  Contributionen  frei.  Diese  Fontina  alba- Lippowaner- Gründe  in 
ler  Pratauzer  ßeligionsfondsherrschaft  sind  folgende:  Aecker  51  Joch 
:066  Quadratklafter,  Wiesen  208  Joch  926  Quadratklafter,  Gärten 
iS  Joch  1459  Quadratklafter,  Hutweiden  398  Joch  47  Quadratklafter; 
Snmma  685  Joch  298  Quadmtklafter. 

3S.  A.  16.  Juni  1790.  Vertrag  zwischen  der  königlichen  Fra- 
'^antzer'  Oekonomiedirection  einer-  und  der  Klimoutzer  Gemeinde  anderer- 
^its.  —  1.  Da  die  Gemeinde  Klimoutz  die  Herrschaft  zu  mehreren  Malen 
angegangen,  damit  sie  von  den  hierlandes  gewöhnlichen  Natural-Prae- 
standen  gegen  die  Herrschaft  befreit  und  dagegen  in  einen  haaren  Geld- 
zins gesetzt  werden  möchte :  So  ist  von  Seiten  der  Herrschaft  in  ihr  Ge- 
mh  in  Bücksicht  ihrer  Beschäftigungen  gewilligt  worden,  und  verbindet 
sich  besagte  Klimoutzer  Gemeinde  alle  bisher  gewöhnlichen  Natural- 

» Vei^l.  Beilage  37. 

•  In  einer  Originalurkunde  (Beilage  41)  wird  dieser  Vertrag  als  mit  der 
Radautsser  Wirthschaftsdirection  abgeschlossen  bezeichnet;  ebenso  in 
der  Beilage  58;  Beilage  64  wird  dagegen  wieder  Fratautz  genannt. 


334 

Praestanden  in  Baarem  abzulösen  und  am  1.  Mai  1790  gegen  300  fi. 
nomine  Grundzins  jährlich:  und  zwar  die  Halbscheid  mit  Georg!  und  die 
andere  Hälfte  mit  Michaeli  in  concreto  baar  zu  entrichten.  Nebstdem 
aber  die  conventionsmässige  Waldgebühr  per  Familie  Yon  Bespannten  mit 
1  fl.  und  Yon  Unbespannten  30  kr.  jährlich  für  den  Genuss  des  erforder- 
lichen Brenn-  und  Bauholzes  besonders  zu  bezahlen.  Wogegen  2.  die 
Gemeinde  Elimoutz  yon  allen  anderen  herrschaftlichen  Natural-Praestan- 
den,  als  der  Bobot  und  Zehent  ausdrücklich  befreit  wird.  Doch  aber  soll 
sie  wie  jeder  andere  Insass  und  ünterthan  verbunden  sein,  die  Strassen 
und  Brücken  innerhalb  ihres  Hotars  nebst  den  gewöhnlichen  Strassenbau- 
Hilfstagen  zu  unterhalten.  3.  Wird  die  hen*schaftliche Wiese  von  200  Jochen 
für  immer  zur  eigenen  Benutzung  für  die  Hen-schaft  vorbehalten  und  ist 
unter  obstipulierten  Zinsen  nicht  mitbegriffen.  4.  Soll  es  bei  gegenwärti- 
gem Antrage  und  den  durch  selben  stipulierten  Grundschuldigkeiten  so 
lange  sein  unabänderliches  Verbleiben  haben,  als  nicht  eine  allgemeine 
Regulierung  der  ünterthansgaben  vorgenommen  wird,  ürkund  dessen 
gegenwärtiger  Vertrag  in  drei  gleichlautenden  Exemplaren  verfasst  und 
von  beiden  Theilen  gehörig  unterfertigt  worden.  Radautz,  den  16.  Juni 
1790.  Franz  Pauli  m.  p.,  Director.  Coram  me  Georgiewicz  m.  p.,  Kieis- 
commissäi'.  Martin  Abrahamowicz,  Dwornik.  Fedor  Andreiow,  Semen 
Andreianow,  Iwan  Kolomenski  im  Namen  der  Gemeinde. 

34.  A.  8.  August  1791.  Ei'eishauptmann  J.  J.  Beck  an  das  Lem- 
berger  Gubernium.  —  Erstattet  den  bei  Wicken  hauser,  Molda  V,  2, 
S.  108  f.  unter  Nr.  30  in  der  Entscheidung  des  Guberniums  vom  24.  Au- 
gust 1791,  Zahl  19.832  vollständig  wiederholten  Bericht  über  das  Kloster 
in  Fontina  alba  und  stellt  den  ebenda  wiederholten  und  genehmigten  Antrag. 

35.  A,  14.  September  1791,  Zahl  2990.  —  Das  Bukowiner  Kreis- 
amt theilt  den  in  der  vorhergehenden  Nummer  angeführten  Erlass  des 
Lemberger  Guberniums  der  Fratautzer  Wirthschaftsdirection  mit. 

36.  A.  15.  August  1795.  Klage  der  Lippowaner  von  Fontina  alba. 
—  Der  Verwalter  Ludwig  habe  ihnen,  als  er  sie  bei  ihrer  Einwanderung 
in  Fontina  alba  ansiedelte,  über  dem  Bache  Tarnauka  eine  Wiese  an- 
gewiesen, welche  sie  auch  gleich  damals  zu  benutzen  angefangen.  Diese 
sei  ihnen  nun  weggenommen  worden.  Auch  gaben  die  Lippowaner  da- 
mals an,  sie  seien  meist  Seiler  und  hätten  daher  zur  Bereitung  des 
Flachses  und  Hanfes  einen  kleinen  Teich  auf  der  Tarnauka  angelegt. 
Während  des  letzten  Krieges,  welchen  die  Russen  mit  den  Türken  führ- 
ten, haben  sich  mehrere  Flüchtlinge  auf  dem  Fontina  alba-Grunde  nieder- 
gelassen. Da  für  das  Vieh  nicht  genügend  Grund  vorhanden  war,  so  ro- 
deten sie  während  dieser  ,Fluchtzeit^  eine  grosse  Strecke  hochstämmigen 


3S5 

Waldes,  welches  Stück  dann  von  den  Lippowanern  gereinigt  and  orbar 
gemacht  wurde. 

37.  A.  28.  Angust  1795.  Bericht  des  Onnfrer  Verwalters  Ludwig 
äb«r  die  Klage  der  Lippowaner  ddo.  15.  August  1795.  —  Die  Lippo- 
wuier  in  Fontina  alba  haben  sich  nach  vorhergegangener  Erwirkung 
eines  Privilegiums  im  Jahre  1784  vor  der  höchsten  Hofstelle  anheischig 
gemacht,  die  Prädien  Moisen,  dann  den  Theil  zwischen  dem  Temauker 
Bach  und  Satoava  (!)  mit  200  Familien  Handwerksleuten  zu  besetzen. 
Den  ersten  Emigrantentransport  von  etlichen  über  20  Familien  hat  das 
bestandene  Onufrer  Wirthschaftsamt  (Verwalter  Ludwig  in  Onufri)  auf 
Veranlassung  des  damaligen  Serether  Directoriates  in  Fontina  alba  ein- 
geführt und  dann  ihnen  die  Gegend,  wo  dieses  Dorf  dermalen  existiert, 
wie  auch  über  dem  Temauker  Bache  einen  grossen  Theil  angewiesen,  in 
Voraussetzung,  dass  200  Familien  nachkommen  werden.  Diese  trafen 
ftber  1787  und  1788  nicht  ein,  daher  theilte  ihnen  die  Mappierungscom- 
mission  in  ihren  Plänen  nur  so  viel  Grund  zu,  als  die  Bevölkerung  da- 
mals nöthig  hatte.  Die  übrigen  Theile  wurden  zu  den  Fratautzer  und 
St.  Onnfrer-Gründen  geschlagen.  Nach  dieser  Eintheilung  wurden  die  bei- 
den Dominien  abgeschätzt  und  verpachtet. 

SS.  A.  30.  September  1795.  —  Den  Lippowanern  werden  die  Gründe 
am  Temauker  Bache  zugesprochen.   Freiherr  von  Balsch. 

39.  A.  März  1801.  —  Gesuch  des  LarionPetrowicz,  Dorfvorstehers 
Ton  Wamiza,  um  erbliche  Ueberlassung  des  in  seinem  Besitze  befind- 
lichen Hanses  und  Hofes;  ferner  um  Bemessung  der  landesfürstlichen 
Steuern  von  seiner  Besitzung  und  um  Bestimmung  eines  Reluitionspreises 
für  die  herrschaftliche  Robot. 

-40.  A.  10.  Juli  1802.  —  Gesuch  desselben  an  das  Ereisamt  des- 
selben Inhaltes,  zugleich  um  Befreiung  seiner  Familienangehörigen  von 
der  Becrutierung. 

41.  0.  6.  Dec.  1802.  [An]  Thomas  Wolowski,  Pächter  zu  Kli- 
moatz.  —  üeber  die  von  der  Klimoutzer  Lippowaner-Gemeinde  wider  ihren 
zeitlichen  Pächter  Wolowski  wegen  Erdrückungen  bei  Sr.  Excellenz  dem 
Herrn  Landesgouvemeur  eingereichte  Beschwerde  wird  folgende  Ent- 
H^idong  gefallt:  1.  Da  aus  dem  diesfölligen  Untersuchungsprotokoll 
Qberhaapt  hervorkommt,  dass  die  Gemeinde  mehr  über  Besorglichkeit 
künftiger  Bedrückungen  als  wegen  wirklicher  Bevortheilung  wider  ihren 
Pächter  .Wolowski  geklagt,  sowie  die  Gemeinde  bei  dem  ersten  Klage- 
ponkte  selbst  eingestanden  hat,  dass  ihr  der  Pächter  bloss  drohte,  sie  zur 
Frohnenarbeit,  ohngeachtet  sie  vermöge  eines  mit  der  ehemaligen  Ba- 
dautzer  Wirthschaftsdirection  auf  ewige  Zeiten  geschlossenen  Conti*acts 


336 

alle  ihre  Schuldigkeiten  haar  verzinset,  zu  verhalten;  das  aber  nicht  ge- 
schah, und  sie  bis  itzo  nach  obigem  Contracte  behandelt  werden,  so  wird 
über  diesen  Elagepunkt  lediglich  hinausgegangen.  2.  Gestand  ebenfalls 
die  Gemeinde  selbst,  dass  sie  über  keinen  Holzmangel  sich  zu  beschweren 
Ursache  habe,  und  obschon  in  dem  Klimoutzer  Territorio  kein  Wald  mehr 
vorhanden  ist,  so  werde  ihr  jedoch  der  Holzbedarf  in  den  Korczestier-,  von 
Elimoutz  eine  kleine  Meile  entlegenen  Dominicalwaldungen  angewiesen. 
3.  Die  Klage,  dass  die  Gemeinde  jede  Nacht  vier  Nachtwächter  zum  herr- 
schaftlichen Wirthshaus  zu  stellen  verhalten  werde,  betreffend,  hat  sich 
erwiesen,  dass  der  Pächter,  bloss  um  den  häufigen  Diebereien  Einhalt  zu 
thun  und  von  der  Richtigkeit  der  Dorfwache  versichert  zu  sein,  die  Ein- 
leitung getroffen,  dass  jede  Nacht  vier  Wächter  bestimmt  werden,  die  sich 
im  Wirthshause  versammeln  und  sonach  wechselweise  von  da  in  das  Dorf 
gehen  und  Wache  halten,  dass  aber  diese  Wächter  sich  beständig  im 
Wirthshause  bei  dem  gewesten  Schanker  wider  Willen  des  Pächters  auf- 
geboten, kann  Letzterem  diesfalls  nicht  zur  Last  gelegt  werden,  sowie 
die  Gemeinde  die  Einleitung  wegen  diesen  Nachtwachen  selbst  für  billig' 
erkannte  und  von  diesem  Elagepunkte  abstand.  4.  Die  Klage  wegen 
Ueberhaltung  mit  der  Vorspann  betrifft  eigentlich  nicht  den  Pächter,  son- 
dern die  Serether  Cambiatursstation.  Und  um  diesen  Bedrückungen  vor- 
zubauen und  nicht  die  Cambiatursstation  nach  eigener  Willkür  mit  den 
Gemeinden  schalten  zu  lassen,  endlich  das  billige  Ebenmass  zwischen  den 
Gemeinden  selbst  bei  Yorspannsleistungen  herzustellen,  wird  unter  Einem 
sämmtlichen  Cambiaturisten  mitgegeben,  alle  Quartal  das  Yorspannspro- 
tokoll,  wie  sie  die  nöthige  Vorspann  unter  die  Gemeinden  veilheilen  und 
abfordern ,  dem  königlichen  Kreisamte  vorzulegen,  damit  selbes  in  die  Kennt- 
niss  der  Vertheilung  gesetzt  und  jede  Unbilligkeit  sogleich  abgestellt  wer- 
den könne.  Durch  welche  (?)  über  Bedrückung  mit  Vorspann  ohne- 
hin nur  in  allgemeinen  Klage  geführt  hat,  gleichfalls  klaglos  gestellt  und 
vor  fernerer  Bedrückung  gesichert  wird.  5.  Bleibt  die  angesonnene  Er- 
richtung eines  Branntweinhauses  in  Klimoutz  dem  Pächter  unbenommen, 
ohne  dass  die  Gemeinde  Ursache  hätte,  sich  hierwegen  zu  beschweren. 
Endlich  6.  in  Ansehung  der  Unzulänglichkeit  der  Grundstücke  haben  die 
Kläger  bei  ihrer  Vermehrung  der  Familienanzahl  ihre  unbillige  Forderung 
selbst  eingesehen  und  mit  der  Herrschaft  endlich  einen  Vergleich  ge- 
schlossen, vermög  diesen  (!)  den  neuen  Wirthen  30  Faltschen  unnutzbares 
und  bisher  von  der  Gemeinde  nie  benutztes  Gestrüpp  zur  Bodung  anzu- 
weisen sich  herbeiliess,  wenn  im  Gegentheil  jene  jährlich  50  fl.  an  Grund- 
zins, worinnen  der  Waldgenuss  sammt  Naturalfrohnen  und  Zehent  abge- 
rechnet ist,  der  Herrschaft  zu  zahlen  sich  verpflichten  wollen.    Da  nun 


S37 

liie  Kläger  diesen  Antrag  willig  angenommen  nnd  nm  die  amtliche  Be- 
»läügong  baten,  so  wird  ihrem  Verlangen  hiemit  anch  willfahrt.  Gzemo- 
fite,  den  6.  December  1802.  Georgiewicz  m.  p. 

42.  0.  (Concept.)  1.  Juni  1804.  Lemberger  Landesgabeminm  an 
las  Bokowiner  Ereisamt.  (Ohne  die  Eanzleiyermerke  mitgetheilt)  — 
D«m  königlichen  Kreisamte  wird  in  Erledigung  seines  Berichtes  vom 
9.  Angnst  1802,  Zahl  5901,  über  das  von  dem  Larion  Petrowitz, 
Aeltesten  und  Vorsteher  der  dortkreisigen  Lippowaner  Ansiedelungs- 
gemeinde  Wamitza  dem  Landespräsidium  am  9.  Juli  1802  übergebene 
t'ieeQch  erwidert,  dass  ad  1  keinem  Anstände  unterliegen  werde,  dem  Bitt- 
steller sowohl  als  den  übrigen  Mitgliedern  dieser  Lippowaner-Ansiedelung 
^inerzeit  die  Grundstücke  für  sie  und  ihre  Erben  in  Nutzungseigenthum 
ni  übergeben  und  darüber  ordentliche  Grundbücher  eriichten  zu  lassen, 
wenn  einmal  die  Grundsätze,  nach  welchen  die  Dotierung  der  Unterthanen 
«'JUDtreten  hat,  festgesetzt  sein  werden.  Weswegen  sodann  ad  2  nach  ge- 
schehener Regulierung  des  Grundbesitzes  oder  der  eigentlichen  Dotation 
«ich  die  ürbarialschuldigkeiten  für  Jeden  in  Baarem  nach  dem  Verhält- 
iiisse  des  Grundbesitzes  werden  bemessen  und  für  immer  festgesetzt  wer- 
den. Ad  3  und  4.  Ist  wegen  der  Steuerschuldigkeit  ohnehin  nach  der 
üeeortigen  Verordnung  Yom  6.  September  1802,  Zahl  26.132,  festgesetzt 
worden,  dass  vom  1 .  November  1 803  eine  jede  der  gedachten  Lippowaner- 
hmilien  an  der  Contribution  jährlich  4  fl.  10  kr.  und  an  der  Strassen- 
robottrekition  2  fl.  30  kr.,  zusammen  also  6  fl.  40  kr.  und  nebst  diesen 
von  den  allenfalls  besitzenden  Bienenstöcken,  Borstenvieh,  dann  den 
Schafen  und  Ziegen  die  bestehende  Desetina-  nnd  Gostinasteuer,  zu 
^ck  ä  12  und  5  kr.,  sammt  der  sogenannten  Basura  ä  6  kr.  zu  ent- 
nchten  habe.  Das  weitere  Ansinnen  des  obgedachten .  Larion  Petrowicz 
*ber,  womit  er  für  seine  Person  bei  der  Kreiscassa  mit  seiner  Steuer- 
gvbör  besonders  vorgeschiieben  werde,  kann  nicht  platzgreifen.  Ad  5. 
Kann  weder  dem  Bittsteller  noch  den  übrigen  Lippowanern  gegen  die 
«ntricbtete  Waldgebür  zu  1  fl.  per  Familie  ein  anderes  Holzungsrecht  in 
■i^Q  obrigkeitlichen  Waldungen  eingeräumt  werden,  als  dass  ihnen  zum 
Glichen  Gebrauche  an  den  nämlichen  bestimmten  Tagen  die  Ausfuhr 
^es  Lagerholzes  gestattet,  dann  das  erforderliche  Bau-  und  Gerätheholz 
^n  jedesmalige  ämtliche  Anweisung  von  dem  Waldaufsichtspersonale 
^Qsgeieichnet  und  verabfolgt  werde.  Endlich  ad  6  hat  das  königliche 
Kreisamt  bei  der  Kuczurmarer  Pachtung  die  Einleitung  zu  treffen,  dass  der 
Bittsteller  Larion  Petrowicz  seinem  Gesuche  gemäss,  falls  es  in  der 
Zwischenzeit  noch  nicht  etwa  geschehen  sein  sollte,  von  dem  Gemeinde- 
Torstehersdienst  enthoben  und  ein  anderer  hiezu  tauglicher  Insass  gewählt 


338 

werde.  Wonach  demDacb  dasselbe  dem  mebrgedachten  Laiion  Petro- 
wicz  zu  bescheiden  und  das  Nöthige  zu  veranlassen  bat.  Lemberg,  den 
1.  Juni  1804. 

43.  A.  26.  Mai  1804.  Petrowicz,  Bicbter  Yon  Fontina  alba,  ist 
vom  Amte  entfernt. 

44.  0.  5.  April  1804.  Gesuch  der  Lippowaner-Gemeinde  Fontina 
alba.  —  Hochlöblicbe  k.  k.  Revisionsbofcommission !  Zwar  bei  der  An- 
siedelung der  Lippowaner  zu  Fontina  alba  waren  ihrer  nur  35  Familien, 
wo  man  ihnen  nur  einen  Öden  Wald  und  wQste  Gegend  zur  Niederlassung 
angewiesen,  und  sie  haben  sich  zwar  durch  ihren  rastlosen  Fleiss  urbare 
Stücke  zum  Ackern  und  Mähen  gemacht,  was  ihnen  yermuthlicher weise 
zur  Erhaltung  ihres  Lebens  nicht  hinreichend  ist,  sondern  sie  müssen 
immer  von  fremden  Gütern,  Aecker  und  Wiesen,  ausser  Vermehrung  ihrer 
Familien  durch  das  Heiraten,  immer  kaufen;  daher  bittet  die  ganze  Lippo> 
waner-Gemeinde  um  folgende  gnädige  Abhilfe:  1.  Dass  ihnen  ein  Stück 
reinen  Feldes,  wo  in  einer  Gegend  unweit  ihres  Dorfes  zum  Ackern  und 
Mähen  angewiesen  werde,  welches  ihnen  bei  ihrer  Ansiedelung  auch  ver- 
sprochen wurde,  aber  bis  der  Stunde  noch  nicht  geschehen.  2.  Dass  sie 
der  Czerdaken  enthoben  werden  und  nicht  in  Person  auf  die  Czerdaken 
gehen  oder  andere  Leute  zu  miethen  und  hinschicken,  sondern  wenn  es 
nicht  möglich  wäre,  dass  sie  dieses  Umstandes  ganz  enthoben  würden^ 
solches  in  Geld  reulieren  (!)  zu  können.  3.  Dass  sie  von  nun  an  nicht  mehr 
unter  der  Herrschaft  bleiben  sollen,  sondern  unter  die  ärarische  Unter- 
thanen  gerechnet  werden,  und  4.  dass  in  ihrem  Dorfe  kein  Wirthshaus  auf- 
gestellt wird,  weil  dadurch  die  meisten  jungen  Leute  zu  Liederlichkeiten, 
Ausschweifungen  und  bösen  Handlungen  angeleitet  werden,  welches  ihre 
Religion  unmöglich  leiden  kann.  Fontina  alba,  den  5.  April  1804. 
HjiapHOH'B  IXeTpoBb  m.  p.  (Illirion  Petrowicz). 

45.  0.  6.  April  1804.  Gesuch  der  Klimoutzer  Lippowaner.  — 
Hochlöbliche  k.  k.  Revisionshofconmiission !  Bei  der  Ansiedelung  der 
Klimoutzer  Lippowaner-Gemeinde  waren  ihrer  nur  15  Familien;  nun  aber 
durch  das  Heiraten  der  Kinder  haben  sich  die  Lippowaner  ünterthanen 
bis  auf  35  Familien  veimehrt,  wo  ihnen  die  Gründe  zum  Ackern  und 
Mähen,  was  ...  ein  jeder  Unterthan  kaum  8  Faltschen  besitzt,  nicht  hin- 
reichend ist.  Im  Anfange,  als  sie  noch  wenig  waren,  hat  man  ihnen  zum 
Aerarium  109  Faltschen  reinen  Feldes  auf  der  Horajetza  mit  dem  Ver- 
sprechen abgenommen,  dass,  wenn  sich  die  Lippowaner-Gemeinde  vermehrt, 
dieses  abgenommene  Feld  ihnen  zurückgestellt  wird,  welches  bis  der 
Stunde  noch  nicht  geschehen  ist.  Für  diese  Moschie  zahlt  die  Lippowaner- 
Gemeinde  der  Herrschaft  an  Gebühr  372  fl.  jährlich,  und  nebst  diesem 


339 

wird  ihnen  das  Holz  zu  ihrem  eigenen  Gehranche  in  den  kaiserlichen 
Wäldern  nur  einmal,  und  das  nur  fanles  Holz  nnd  kein  stehendes,  zn 
hauen  gestattet.  Es  befindet  sich  im  Dorfo  ein  Schanker,  gewisser  Gott- 
lieb Steinbock,  welcher  die  Unterthanen  zur  Wache  auffordert;  erst  hat 
er  nur  zwei  Mann,  hernach  vier,  itzt  aber  sechs  Mann  zur  Wache  auffor- 
dert« den  die  Gemeinde  nicht  brauchet,  denn  sie  kann  einen  Schanker 
finden,  der  keine  Wache  braucht.  Zum  Beschluss  bitten  die  Gefertigten 
and  respective  die  Lippowaner-Gemeinde,  dass  sie  der  Czerdaken  ganz 
befreiet  werden.  Elimoutz,  den  6.  April  1804.  f  Wasile  Jakoweiw,  Kli- 
moutier  Bichter.  f  Fedor  Andriew,  f  Themotey  Nika,  f  Jakob  Eozmen 
and  die  ganze  Elimoutzer-Gemeinde. 

46.  0.  (Concept.)  13.  November  1804.  (Hier  im  Auszuge  mitge- 
theilt.)  Das  k.  k.  Bukowiner  Staatsgüterinspectorat  St.  Hie,  welchem  das 
Landespräsidium  das  unter  Nr.  44  mitgetheilte  Gesuch  zur  Begutachtung 
vorlegte,  richtet  an  die  Kuczurmarer  Pachtung  die  Anfrage,  ,ob  zur  Ein- 
leitung der  Propinationsregie  in  dieser  Gemeinde  wirklich  schon  und 
welche  Anstalten  getroffen  worden,  da  doch  zur  Zeit  der  Ararialregie 
iaselbst  ein  Schank  aus  der  Ursache  nicht  bestanden  hat,  noch  dem 
Pachter  in  Anschlag  gebracht  worden,  weil  eine  solche  Einleitung  wider 
die  Beligionsgrundsatze  dieser  Lippowaner  ist'. 

47.  0.  (Concept.)  13.  November  1804.  (Hier  im  Auszuge  mit- 
getheilt.)  Ebenso  richtet  dasselbe^ Inspectorat  an  dieselbe  Pachtung  be- 
treffs des  unter  Nr.  45  mitgetheilten  Gesuches  die  Aufforderung,  ,dass 
a)  eine  Abschrift  von  dem  mit  dieser  Gemeinde  bestehenden  Schuldigkeits- 
Tertrage  nebst  der  Angabe  der  bestehenden  Anzahl  von  Wirthen  anhero 
mitgetheilt  und  b)  die  Aufklärung  gegeben  werde,  wie  es  wohl  komme, 
•iass  die  Gemeinde  verhalten  werde,  zur  Bewachung  des  Schankers  vier  bis 
itechs  Mann  zur  Nachtwache  zu  stellen,  da  die  Gemeinde  hiezu  doch 
mit  keinem  Rechte  verhalten  werden  kann.  Sollte  daher  dieser  Unfug 
wirklich  bestehen,  so  dürfte  er  dem  betreffenden  Unterpächter  oder  dem 
Schanker  Steinbock  in  Zeiten  untersagt  werden^ 

48. 0. 20.  December  1804.  —Wohllöbliches  k.  k.  Bukowiner  Staats- 
fäterinspectorat!  Man  hat  die  Ehre,  auf  den  gütigen  Erlass  vom  13.  v.  M., 
Zahl  1427,  zu  erwidern,  dass  man  im  Dorfe  Fontina  alba  gar  keine  An- 
stalt zur  Einführung  der  Propinationsregie  gemacht  hat,  und  dass  auch 
in  der  Zukunft  gar  keine  eingeführt  werden  wird ;  ob  es  aber  wider  die 
ReügioBsgrundsätze  der  Lippowaner  wäre,  ausserhalb  des  Dorfes  auf  der 
Horaitze  an  einer  Landstrasse  ein  ordentliches  Wirthshaus  für  die  Reisen- 
den aufzustellen,  welches  seinerzeit  auch  dem  Dominio  Directo  Nutzen 
bringen  könnte,  hat  man  Ursache  umsomehr  zu  zweifeln,  als  es  unter  den 


340 

Lippowanern  selbst  viele  gibt,  welche  das  Branntweintrinken  nicht  ent- 
behren können.  Enczurmare,  den  20.  December  1804.  Zagurski,  Ver- 
walter. 

49.  0.  27.  December  1804.  —  Wohllöbliches  k.  k.  Bnkowiner 
Staatsgtlterinspectorat!  In  Folge  erhaltenen  Zustellung  vom  13.  et  präs. 
30.  v.M.,  Zahl  1428,  unterlasset  man  nicht  die  Abschrift  des  in  Händen 
der  Klimoutzer-Gemeinde  befindlichen  und  im  Jahre  1790  in  Ansehung 
ihres  Grundzinses  geschlossenen  Vei'trages  mit  dem  Bemerken  zu  über- 
senden, dass  diese  Gemeinde,  welche  dermalen  schon  ans  33  Familien  be- 
stehet, laut  beigeschlossenem  kreisämtlichen  Provisorium  puncto  sexto  die 
Erhöhung  der  Zinsen  mit  jährlich  50  fl.  selbst  für  billig  anerkannt  hat. 
Was  hingegen  die  angegebene  Bewachung  des  Schankers  anbelangt,  ist 
die  Beschaffenheit  dieses  Gregenstandes  in  erwähnten  Provisorium  puncto 
tei'tio  gleichfalls  ersichtlich,  dass  es  nämlich  keine  Absicht  ist,  den 
Schanker  bewachen  zu  lassen,  sondern  dass  die  Wächter  sich  dahin  ver- 
sammeln und  sonach  wechselweise  das  Dorf  bewachen  sollen.  Diese  Ver- 
anlassung war  umsomehr  nöthig,  als  man  sich  von  der  richtigen  Bestel- 
lung der  Dorfwache  auf  keine  andere  Art  überzeugen  könne,  weil  es  sich 
oft  ereignet  hat,  dass  theils  wegen  Nachlässigkeit  des  Bichtei^s,  tbeils 
auch  wegen  dessen  Abwesenheit  mehrmalen  keine  Nachtwachen  im  Dorfe 
gehalten  waren.  Kuczurmare,  den  27.  December  1804.  Zagurski,  Ver- 
walter. 

50. 0.  (Concept.)  31.  December  1804.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.)  — 
Mit  Bücksicht  auf  die  unter  Nr.  48  mitgetheilte  Aeusserung  des  Pächters 
,der  Herrschaften  Kuczurmare  und  Onuphre'  sprach  sich  das  Staatsgüter- 
inspectorat  St.  Hie  über  das  unter  Nr.  44  abgedruckte  Gesuch  dahin  aus, 
,da8s  ad  1  diese  Fontinaalber  Lippowanergemeinde  auf  einem  unter  der 
bestandenen  Militär  -  Landesadministration  ihr  zugewiesenen  und  abge- 
rainten  Grunde  dotieil  wurden,  und  dermalen  bei  der  jeden  Orts  angewach- 
senen Bevölkerung  ausser  ihrem  Gemeindeumfange  nirgends  einige  Gründe 
zur  Zutheilung  an  diese  Gemeinde  erübrigen,  daher  denn  ihrem  diesfalli- 
gen  Gesuche  um  mehrere  Grundstücke  zu  willfahren  keine  Möglichkeit 
vorhanden  seie.  Ad  2  ist  die  Unterhaltung  der  Czerdaken  und  die  Stel- 
lung der  Wächter  bei  Cordonssperrungen  eine  Obliegenheit,  die  jede  Ge- 
meinde ohne  Unterschied  beschwerlich  findet  und  lieber  durch  eine  baare 
Beluition  leisten  würde.  Wenn  darnach  auch  diese  Lippowaner-Colonie 
hohen  Orts  dieser  Verbindlichkeit  enthoben  werden  könnte,  so  kommt 
hiebei  doch  in  Betracht,  dass  durch  eine  solche  Begünstigung  einer  ein- 
zelnen Gemeinde  die  Last  für  die  übrigen  nur  vermehrt  würde;  daher  denn 
auf  die  angesuchte  Befreiung  oder  Verwandlung  dieser  Obliegenheit  in 


341 

eine  Baarrelnition  nicht  angetragen  werden  kann.  Ad  3  geht  der  Sinn 
des  Gesuches  dahin,  womit  die  Gemeinde  nicht  femer  verpachtet,  sondern 
einem  Cameral-Wirthschaftsamte  untergeordnet  werden  möchte.  Wenn  nun 
sber  der  Ort  Fontina  alba  mit  der  Herrschaft  Euczurmare  und  Onuphre 
an  den  Freiherrn  von  Lezzeni  verpachtet  und  über  die  Dauer  der  Pacht- 
zeit nocli  immer  nicht  finaliter  entschieden  ist,  so  scheint  auch  in  diesem 
Punkte  dem  Gesuche  der  Gemeinde  über  dem  Ende  dieser  Pachtung  nicht 
willfahrt  werden  zu  können.  Endlich  ad  4  besteht  bis  nunzu  in  dieser 
Gemeinde  kein  Wirthshaus,  noch  hat  die  Pachtung  nach  ihrer  Aeusserung 
zu-  Einführung  eines  Schankes  daselbst  einen  Antrag  gefasst.  Daher 
denn  die  Gemeinde  auch  in  diesem  Punkte  beruhigt  sein  kann'. 

51.  0.  (Concept.)  3.  Jänner  1805.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.)  — 
Ebenso  sprach  sich  dasselbe  Inspectorat  mit  Rücksicht  auf  die  unter 
Xr.  49  mitgetheilte  Aeusserung  desselben  Pächtera  über  das  unter  Nr.  45 
abgedruckte  Gesuch  dahin  aus,  ,dass  ad  1  den  höchsten  Vorschriften  und 
insbesondere  dem  höchsten  Directorialdecrete  vom  21.  März  1795  ent- 
fegen sein  würde,  die  vorhandenen  Dominicalgründe  zu  vergeben  und 
den  ünterthanen  dieser  Gemeinde  zuzutheilen,  wie  andererseits  auch  so 
lange  die  Herrschaft  verpachtet  bleibt,  eine  solche  Zutheilung  gar  nicht 
aQsffilirbar  ist,  ohne  dem  Pächter  die  Dominicalgründe  zu  schmälern  und 
dadorch  zu  Entschädigungsforderungen  und  Nachlässen  Anlass  zu  geben. 
Zudem  ist  die  Gemeinde  über  diesen  Punkt  nach  der  von  der  Pachtung 
bttgebrachten  und  hier  in  Abschrift  erliegenden  kreisämtlichen  Entschei- 
dung vom  6.  December  1802  bereits  zurechtgewiesen  worden,  wie  es 
tbrigens  auch  an  keinem  Orte  thunlich  ist,  die  Grundstücke  nach  Masse 
*kr  zunehmenden  Bevölkoioing  zu  vermehren,  sondern  immer  darauf  an- 
kommt, dass  der  Zuwachs  von  Ünterthanen,  insofeme  er  mit  Gründen 
nicht  versehen  werden  kann,  seinen  Unterhalt  durch  Taglohn  und  Hand- 
werksverdienst  suche.  Ad  2  hat  die  Gemeinde  eine  freie  und  unbe- 
schränkte Holzung  in  obrigkeitlichen  Wäldern  genossen,  und  sie  hätte 
Bidi  daher  gleich  den  übrigen  ünterthanen  mit  der  Gestattung  der  Aus- 
fokr  des  Brenn-  und  Lagerholzes  an  den  wöchentlich  bestinmiten  Tagen 
XU  begnügen.  Ad  3  hat  es  sich  schon  bei  der  Untersuchung  der  noch  im 
Jahre  1 802  von  der  Gemeinde  eingereichten  Beschwerden  laut  der  oben- 
liegenden kreisämtlichen  Entscheidung  aufgeklärt,  dass  die  Gemeinde  zur 
Bewachung  des  Schankers  nicht  verhalten,  sondern  nur  die  Versammlung 
der  nach  der  bestehenden  Polizeivorschrift  zu  stellenden  Nachtwächter  im 
Wirthshause  angeordnet  worden  sei,  weil  ohne  diese  Vorsicht  die  Nacht- 
Tichter  für  die  Gemeinde  nie  richtig  zu  erzielen  gewesen.  Wenn  nun  die 
Gemeinde  schon  zu  jener  Zeit  mit  eigener  Ueberzeugung  von  diesen 


342 

Elagepunkten  abgestanden  und  erkannt  bat,  dass  auf  andere  Ali;  und 
ohne  die  Aufsicht  des  Schankwirthes  die  Stellung  der  Nachtwächter  der 
Gemeinde  nicht  zu  erzielen  sei,  so  hatte  sie  keinen  Grund  zu  dieser  wie- 
derholten Beschwerde,  oder  aber,  wenn  von  Seiten  des  Pächters  oder 
seines  Schankwirthes  yon  dieser  Stellung  der  Nachtwächter  Missbrauch 
gemacht  werde,  hätten  sie  beim  königlichen  Ereisamte  Abhilfe  zu  suchen. 
Endlich  ad  4  lässt  sich  aus  dem  nämlichen  Grunde,  der  über  ein  ähn- 
liches Gesuch  der  Gemeinde  Fontina  alba  mit  Bericht  vom  31.  y.  M., 
Zahl  1684,  angefühii  worden,  auf  die  angesuchte  Befreiung  von  der  Ver- 
bindlichkeit, Czerdaken  zu  unterhalten  und  nöthigenfalls  Grenzwächter 
zu  stellen,  nicht  antragen,  weil  nothwendig  Unterthanen  einer  Provinz 
auch  zu  den  öffentlichen  Lasten  gleich  beitragen  müssen  und  ein  Aus- 
nehmen einiger  Gemeinden  nur  auf  die  übrigen  von  schädlichem  Einflüsse 
sein  könnte,  die,  wenn  es  möglich  wäre,  ähnlicher  Lasten  nicht  minder 
als  die  Lippowaner-Gemeinden  enthoben  zu  sein  wünschen.' 

53.  0.  10.  Jänner  1805.^  Lemberger  Landespräsidium  an  das 
Staatsgüter-Inspectorat  in  St.  Ilie.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.)  —  ,In  Er- 
ledigung des  vom  königlichen  Staatsgüter-Inspectorate  unterm  31.  t.  M., 
Zahl  1684,  anher  erstatteten  Berichts  wird  demselben  hiemit  verordnet, 
die  Lippowaner-Gemeinde  Fontina  alba  über  ihr  rückfolgendes  Gesuch  .  . . 
in  Gemässheit  seines  oberwähnten  Berichtes  ausführlich  zu  Vorbescheiden.' 

5S.  0.  10.  Jänner  1805.'  Lemberger  Landespräsidium  an  das 
Staatsgüter-Inspectorat  in  St.  Ilie.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.)  —  ,In  Ge- 
mässheit des  vom  königlichen  Staatsgüter-Inspectorate  unterm  3.  d.  M., 
Zahl  8,  anher  erstatteten  Berichts  hat  dasselbe  die  Lippowaner-Gemeindo 
ElSnoutz  über  ihr  zurückfolgendes  Gesuch  .  .  .  mittelst  eines  motivierten 
Bescheides  abzuweisen.  Vom  k.  k.  galizischen  Landespi-äsidium.  Lem- 
berg,  am  10.  Jänner  1805.' 

54.  0«  (Goncept.)  25.  Jänner  1805.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.) 
—  Das  Staatgüter-Inspectorat  St.  Ilie  (Schubert)  theilt  der  Gemeinde 
Fontina  alba  durch  die  Euczurmarer  Pachtung  den  in  seinem  unter  Nr.  50 
abgedruckten  Gutachten  begründeten  Bescheid  mit.  Zugleich  wui'den  von 
der  Gemeinde  ,aus  Anlass  dieses  Gesuchs'  gefordert:  ,an  Postporto  1  fl.  4  kr., 
an  Präsidialstempel  15  kr.  und  an  diesseitigen  Stempel  6  kr.,  zusammen 
1  fl.  25  ki\' 

55.0.  (Concept.)  25.  Jänner  1805.  (Im  Auszuge  mitgetheilt.)  — 
Ebenso  theilt  dasselbe  Inspectomt  der  Gemeinde  Elimoutz  gemäss  seinem 


^  Auf  einem  ,fUnf2ehn  Kreuzer* -Stempel bogen. 
*  Ebenso. 


343 

anter  Nr.  51  abgedruckten  Gutachten  den  entsprechenden  Bescheid  mit 
und  fordert  die  Bezahlung  desselben  Porto-  und  Stempelbetrages. 

56.  A.  1813/14.  Bis  zum  Jahre  1813  hatten  die  Lippowaner  von 
Fontana  alba  durch  Rodungen  bereits  56  Joch  Gründe  an  sich  gerissen. 
Die  Wirthschaftsdirection  kam  erst  durch  die  im  Jahre  1813  vorgenom- 
mene ökonomische  Vermessung  darauf.  Die  Sache  blieb  laut  Protokoll 
Tom  Ji^ire  1814  auf  sich  beruhen,  da  der  Ansiedelungsact  nicht  aufzu- 
heben war. 

57.  A.  1817.  Majestätsgesuch  der  Klimontzer  Lippowaner.  Ueber- 
reicht  dem  Kaiser  Franz  II.  bei  seiner  Anwesenheit  in  Czernowitz  und 
?on  demselben  signiert.  —  Die  Lippowaner  bitten :  1 .  Um  Bestätigung 
ikres  von  weiland  Sr.  Mi^estät  Kaiser  Josef  U.  bei  Gelegenheit  ihrer 
Ansiedelang  erhaltenen  Privilegiums  und  um  Ertheilung  einer  neuen  Ur- 
kunde; 2.  nm  Befreiung  vom  Militärstande;  3.  um  Entfernung  des  Frei- 
berm  Nikolaus  Kapri  von  der  Pachtung  dieses  Dorfes;  den  Pachtschilling 
ToUten  sie  selbst  berichtigen;  4.  um  Bückstellung  der  der  Gemeinde  vor 
30  Jahren  entzogenen  70  Faltschen  Wiesen  auf  der  Horaitza;  5.  um  die 
Freiheit,  damit  im  Dorfe  kein  Wirthshaus  bestehe;  zugleich  erbietet  sich 
die  Genieinde,  den  Ertrag  des  Wirthshauses  zu  entrichten;  endlich  6.  um 
Befreiung  von  der  Vorspannsleistung  und  Reluierung  dieser  Last  in  Geld. 

58.  A.  10.  Juni  1818,  Zahl  6607.  Kreisämtliche  Begutachtung 
des  vorstehenden  Gesuches.  —  Nach  gepflegter  Erhebung  des  Kreis- 
uotes  und  des  Domäneninspectors  stand  die  Gemeinde  von  den  Punkten 
3, 4,  5  und  6  ihres  Gesuches  ganz  ab:  ad  3,  weil  sie  sich  mit  dem  Pächter 
nicht  abfinden  konnte;  ad  4,  weil  sie  diese  Wiese  laut  dem  mit  der 
Radaatzer  Direction  abgeschlossenen  Vertrage  ddo.  16.  Juni  1790 
^r  Herrschaft  abgetreten  hatte  und  dafür  der  Gemeinde  statt  der 
LeistoBg  der  Bobot  und  anderer  Naturalabgaben  die  Geldi'eluition  ge- 
stattet wurde;  würden  sie  auf  die  Bückstellung  der  Wiesen  beharren,  so 
mUssten  sie  die  Robot  und  die  anderen  Abgaben  in  natura  leisten;  die 
Gemeinde  ziehe  aber  die  Geldreluition  jeder  Naturalleistung  vor;  ad  5  wird 
die  Gemeinde  mit  dem  Pächter  rücksichtlich  des  Ersatzes  des  jährlichen 
Wlrthsbansertrages  in  keine  Verhandlung  treten;  ad  6  verlangt  die  Ge- 
meinde die  Befreiung  von  der  Vorspannsleistung  nicht  mehr,  weil  die 
V(»?panngebühren  erhöht  seien,  die  Vorspannsleistung  aber  nur  selten 
«ntreie;  auch  sei  die  kreisämtliche  Weisung  erflossen,  dass  bei  Forde- 
rungen von  Vorspannsleistungen  die  gehörige  Ordnung  eingehalten  werde. 
Aineerdem  bemerkt  das  S[reisamt  zu  den  Punkten  1  und  2  Folgendes: 
die  Lippowaner  sind  in  ihren  ihnen  verliehenen  Rechten  nie  gestört  wor- 
den;  insbesondere  ist  ihi*e  Religionsfreiheit  nicht  angegiiffen  worden. 


344 

Man  wollte  zwar  die  Kuhpockenimpfang  und  die  gerichtliche  Eidesab- 
iegung auch  bei  ihnen  einführen.  Von  der  Forderung  der  Enhpocken- 
impfung  sei  man  aber  zufolge  des  Hofkanzleidecretes  vom  30.  September 
1813  zurückgetreten;  einen  Bescheid  hätten  sie  fi*eilich  darüber  nicht  er- 
halten, da  sie  sich  mit  der  Zeit  eines  Besseren  überzeugen  dürften.  Ge- 
legentlich wolle  man  durch  Belehi'ung  auf  sie  einwirken  und  sie  auf 
die  Wohlthätigkeit  der  Impfung  aufmerksam  machen.  Auch  betreffs  des 
Eides  bedürfe  es  keiner  Be&einngsurkunde,  da  sämmtliche  Dominien  von 
der  Allerhöchsten  Entschliessung  vom  10.  Jänner  1816  verständigt  wor- 
den seien  und  die  Lippowaner-Gemeinde  thatsächlich  nicht  zur  Eidesab- 
iegung verhalten  wird.  Betreffs  des  Punktes  2  sei  aber  zu  bemerken. 
dass  die  Lippowaner  zur  Becrutenstellung  nicht  verhalten  wurden;  selbst 
als  im  Jahre  1809  und  dann  1813/14  in  der  Bukowina  zwei  Freicorps 
errichtet  wurden,  haben  sie  1809  nur  zwei  Pferde  und  1814  blos  100  fl. 
gegeben.  Auch  für  die  Zukunft  wäre  es  zu  genehmigen,  dass  die  Ge- 
meinde statt  Becruten  Geldunterstützungen  leiste. 

59.  A.  2.  März  1819.  Vorschlag  der  Lemberger  Landesregierung. 
—  Da  Kaiser  Joseph  IL  dieser  Gemeinde  bei  ihrer  Ansiedelung  mittelst 
unter  dem  9.  October  1783  ertheilten  Privilegiums  im  §  1  das  freie  Be- 
ligionsezercitium  für  sie,  ihre  Kinder  und  Kindeskinder  allergnädigst  zu- 
gestanden hat,  so  trage  die  Landesregierung  an,  diesen  betriebsamen  und 
gutgesitteten  Menschen  zu  ihrer  Beruhigung  duixh  das  Kreisamt  die  Ver- 
sicherung ertheilen  zu  lassen,  dass  vermöge  des  höchsten  Hofkanzlei- 
decretes vom  30.  September  1813,  Zahl  15586,  und  10.  Jänner  1816. 
Zahl  951,dieMennoniten  überhaupt,  zu  denen  auch  die  Lippowaner-Gemein- 
den  in  der  Bukowina  gehören,  von  der  zwangsweisen  Kuhpockenimpfang 
und  der  vorgeschriebenen  Eidesabiegung,  als  ihren  Glaubenslehren  zu- 
widerlaufenden Uebungen,  befreit  werden,  und  sie  aus  eben  diesem  Grunde 
zu  keiner  Becrutenstellung  verhalten  würden. 

60.  A.  25.  März  1819.  Vortrag  der  Hofkanzlei  in  der  Sitzung  des 
genannten  Tages.  —  Die  Lippowaner  gehören  zur  Secte  der  Mennoniten 
oder  Wiedertäufer.  Sie  haben  ein  Privileg  vom  9.  October  1783,  Später 
erfolgte  eine  Allerhöchste  Entschliessung,  die  unter  dem  30.  Juli  1789, 
Zähl  1691,  dem  galizischen  Landesgubernium  intimiert  wurde  und  Folgen- 
des bestimmte:  1.  Dass  diese  Gemeinde  als  lutherische  zu  betrachten  ist. 
nicht  aber  zu  verhalten  wäre,  sich  zu  einem  tolerierten  Glaubensbekennt- 
nisse zu  erklären;  2.  wenn  sie  sich  auf  die  Zahl  von  100  Familien  ver- 
mehrt haben  wird,  kann  ihr  auch  die  Erbauung  eines  eigenen  Bethause«! 
gestattet  werden;  3.  seien  alle  Häusler  und  ihre  Nachkommen,  so  lange 
sie  sich  zur  Religion  der  Mennoniten  bekennen,  von  der  Recratierung  mit 


345 

dem  Bemerken  freizuhalten,  dass  in  Zukanft  den  Einwanderern  dieser 
Secte  keine  weitere  Aufnahme  ertheilt  und  Niemandem  der  üebertritt  von 
ka tolerierten Beligionen  zur  Secte  derMennoniten  gestattet  werden  solle; 
endlich  sei  zwar  keinem  Mennoniten  die  Auswanderung  zu  verweigern, 
doch  müsse  jeder  Auswanderer  dem  Staate  die  auf  seine  Ansiedelung  ver- 
rendeten  Auslagen  ersetzen.  Ferner  wurde  hervorgehoben,  dass  über 
Vortrag  des  Hofkriegsrathes  im  Einverständnisse  mit  der  Hofkanzlei  am 
1  Mai  1812  folgende  Allerhöchste  Entschliessung  erfolgte:  Bei  den  in 
öalizieii  angesiedelten  Mennoniten  habe  es  bei  der  ihnen  bei  ihrer  Auf- 
oabme  zugesicherten  Eecrutierungsfreiheit  zn  verbleiben,  doch  sollte  jede 
Familie,  wie  bisher,  1  fl.  jährlich  als  Beluitionsäquivalent  entrichten.  Als 
später  das  Landesgubernium  berichtete,  dass  sie  der  Kuhpockenimpfung 
widerstrebten  und  lieber  auswandern  wollten,  da  diese  ,Methode'  ihren 
Beligionsbegriffen  widerstrebe,  habe  die  Hofkanzlei  unter  dem  30.  Sep- 
tember 1813,  Zahl  15586,  erwidert,  man  könne  gegen  Yorurtheile  nicht 
nit  Zwangsmitteln  vorgehen ;  vielmehr  soll  man  durch  Beispiel  und  Be- 
klinmg  vermöge  des  Ereisamtes  und  Derjenigen,  welche  auf  die  Lippo- 
vaner  Einfluss  haben,  zur  Verminderung  ihrer  Abneigung  gegen  die 
hopfimg  beitragen.  Schliesslich  wurde  auf  die  Bewilligung  Sr.  Majestät 
n>m  10.  Jänner  1816  hingewiesen,  dass  den  mennonitischen  Lippowaner- 
i^einden  die  mit  ihren  Beligionsgrundsätzen  unvereinbarliche  Eides- 
^legnng  nicht  angedrungen  werde  und  fortan  ihre  feierliche,  mit  einem- 
Handschläge  bestätigte  Versicherung  als  hinreichend  angenommen  wer- 
«ien  könnte. 

61.  A.  26.  März  1819,  Zahl  9233.  Antrag  der  Hofkanzlei.  —  Die 
Bestätigung  des  Privilegiums  vom  Jahre  1783  oder  die  Anfertigung  einer 
ücnen  Urkunde  habe  nicht  stattzufinden  und  es  sei  umsoweniger  abzu- 
^ben,  zu  welchem  Ende  die  Gemeinde  darum  angesucht  habe,  da  sie  selbst 
gestehe,  dass  sie  in  Allem,  was  ihr  mit  jenem  Privileg  verliehen  wor- 
i«a  sei,  nicht  gestört  werde,  sondern  im  Gegentheile  auf  ihre  Beligions- 
?ebräuche  die  thnnlichste  Bücksicht  genommen  worden  sei.  Den  Inhalt 
üföes  Protokolles  nehme  ich  zur  Wissenschaft.  Wien,  I.Mai  1819.  Auf 
^erhöchsten  Befehl  Sr.  Majestät  Erzherzog  Ludwig  m.  p.  An  die  Lem- 
berger  Landesregierung  zur  Verständigung  2.  Mai  1819  (?). 

63.  0.  5.  Juni  1820.  Grenzbegehungsprotokoll  von  Deutsch-Itz- 
iani.  (Im  Auszüge  mitgetheilt.)  —  Die  deutsche  Gemeinde  »Jetzkani*  war 
'^  ihrer  Anlegung  nie  für  sich  besonders  abgegrenzt.  Auf  Verlangen 
^  Herrschaft  und  der  Gemeinde  wurde  daher  die  Grenzbegehung  vor- 
fenonunen  und  die  Gemeinde  aus  dem  ,Mittoker  Hottar'  ausgeschieden.  Die 
^nzen  und  gewisse  gegenseitige  Bechte  werden  schriftlich  festgestellt. 

inkir.   LXXXIII.  Bd.    II.  H&lfto.  23 


346 


6S.  0.  22.  März  1821.  Ausweis  über  den  Stand  der  Uuteitbaue 
des  zur  Religionsfondsherrschaft  St.  Onuphri  gehörigen  Gutes  Kliniout; 
dann  was  die  jährlichen  XJrbaiialscholdigkeiten  derselben  betragen,  wi 
solche  im  Jahre  1820  bestanden  haben. 


•Nr. 

Stud  der  DiUrtkuei 

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Haben 
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Wald- 

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Wasili  Nikitin    .  . 

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Iwan  Mitrow   .  .  . 

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Caluger  Wohnnng . 

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1 

1 

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5 

Nikita  Sirgey  .  .  . 

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1    1!    1 

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Iwan  Osip    .  .  .  . 

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1 

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Wasil  Maznriak  .  . 

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30 

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Firsa  Thnatow .  .  . 

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• 

in 

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9 

Alaktion  Sidarow  . 

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10 

Safron  Jefanow  (?) . 

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Fedora  Jacubowa  . 

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Lnca  Prokopow  .  . 

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Fedot  Famiw   .  .  . 

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1        . 

1       1 

1 
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14 

Michailo  Fedorow  . 

1  i  . 

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1    ,   1 

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15 

Semion  Mafteiow   . 

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Nical  Wasilow.  . 

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Joseph  Jacubow .  . 

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Pawel  Dawidow  .  . 

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30 

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Antrop  Lukin  .  .  . 

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30 

22 

Timofi  Fedorow  .  . 

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1     1 

23 

Ulian  Eurylink  .  . 

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1  !   1 

24 

Jawgen  Wasilow   . 

1 

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1     1 

25 

Fedor  Asonow .  .  . 

i     1 

1                           1 

1 

26 

Iwan  Asonow  .  .  . 

1 

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1 

347 


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29 

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• 

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1 

1 

• 

30 

Ustin  Prokopow .  . 

1 

1 

. 

1 

X 

1 

• 

31 

Martin  Sidarow  .  . 

• 

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L 

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!    l 

• 

30 

32 

Iwan  Sidarow  .  .  . 

1 ;  . 

.            < 

A 

1 

• 

33 

Anna  Hawiilowa   . 

1 

4 

1 
'    1    '■    i 

1 

• 

34 

Fedor  Sidarow  .  .  . 

1 

1 

1 

* 

X 

1 

• 

35 

Iwan  Hurow    .  .  . 

.                          4 

1,1 

• 

• 

Richter 

36 ,  Ihnat  Lakin .... 

1 

•           1              ' 

. 

1             1 

• 

• 

37 

Myron  Trafinow .  . 

1 

i 

.                          1 

1 

• 

1 

• 

30 

33 

Trifon  Iwanow   .  . 

1 

1 

l 

• 

39 

Kozma  Ihnatow  .  . 

1 

• 

1 

l 

X 

• 

30 

40 

Ste&n  Alexeiow .  . 

1 

1 

1 

• 

41 

DiniR  Iwanow .  .  . 

1 

^ 

1     . 

42 

Fedot  Eusmin .  .  . 

« 

I 

•fl 

« 

30 

43 

Ipat  Ihnatow  .  .  . 

1 

1 

• 

U 

Iwan  Xasmin  .  .  . 

1 

* 

1 

• 

45  Agafia  Mihaiowa    . 

1 

X 

1 

1 

46  Iwan  Simenow    .  . 

1 

'!    • 

47 

•   !      • 

leeres  Haus 

48 

Jahor  Mihailo  .  .  . 

^ 

1 

1   i,    .  '  30 

49 

Markil  Aiiamanow 

1         . 

50  Timofi  Michaüow  . 

] 

30 

51 

Parfin  Michailow  . 

1 

1    • 

30 

52 

Fedei  Sidorow  .  .  . 

• 

1 

1  ;  1     . 

53 

Iwan  Lysei  .... 

1 

1 

1  ■    .      30 

54 

Iwon  Czobotar .  .  . 

1 

1 

1 

1 

1             30 

55 

Sidor  Hlnchi    .  .  . 

• 

1  i;  . 

56 

Trifon  Trifonow .  . 

•               i 

1  '  1  i   . 

57 

1 

• 

4 

,    .  i  .     . 

1 

Hirteawohnang 

58 

'  Stefanida  Simonow 

1 

* 

1 

• 

30 

23* 


348 


m 
o 


^^H" 


Namen 

der 

Unterthanen 


Grund-      ^ 
besitzer:  »^ 


SUid  der  UiUrlkiiei  ,'   Uabeu 

an  der 
Wald- 
conven- 
tion 
zu  zahlen 


a 
_       o 

'S  I    § 

PQ 


(^ 


Familien. 


Anmerkung 


fl.      kr. 


59 
60 
61 
62 
63 
64 
65 
66 
67 
68 
69 
70 


WasilTitow.  .  . 
Lukian  Sidor  .  . 
Haiaktion  Hudyk 
Sydor  Iwanow .  . 
Fedor  Andrejow 
Lukira  Simenowa 
Nikieta  Andrejow 
Pariiki  Kriwericki  . 
Matei  Barabolka 
Wasil  Olexei    .  . 
Jakim  Prokopow 
Aron  Lawrenow . 


Summa  .  . 


1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 
1 


30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 
30 


Geschworener 


32    11 

1 

20 

5 

68 

47 

30 

Klimoutz,  am  22.  Mäi*z  1821. 

t  Iwan  Huru,  Dwornik;  f  Michael  Fedorow,  f  Iwan  Assonow, 

t  Fedor  famin,  f  Ossip  Jakobow. 

64.  0.  Actum  Elimoutz,  22.  März  1821.  Protokoll,  welches  in 
Folge  hoher  Domainen-  und  Salinen-Administrationsverordnung  Tom 
23.  Juli  1820,  Nr.  7206,  mit  der  Lippowaner-Gemeinde  Elimoutz  über 
ihre  Gi*undschuldigkeiten  aufgenommen  worden  ist.  Durch  den  unterzeich- 
neten Domaineninspector  me  actuante  Joanne  Koch.  Der  Ortsvorstand  und 
die  Deputierten  dieser  Gemeinde  wurden  vemoromen.  I.  Euere  Gemeinde 
hat  nach  einem  unterm  16.  Juni  1790  Yon  der  Fi*atautz6r  Oekonomie- 
direction  mit  ihr  angestossenen,  aber  weder  von  dem  k.  k.  Kreisamte, 
noch  von  der  k.  k.  Domainen-  und  Salinenadroinistration  bestätigten 
Contract  die  Naturalurbanalgaben,  als  12Bobot8tage,  1  Stück  Gespinnst, 
1  Fuhre  Holz,  1  Henne,  dann  den  Zehent  sowohl  von  allen  Garten  und 
Feldfrüchten,  als  auch  von  Heu,  im  Gelde  mit  800  fl.  bis  nun  reluiert. 
Dieser  nicht  bestätigte  Vertrag  kann  nur  bis  Ende  October  1.  J.  gelten, 
die  Gemeinde  muss  also  vom  1.  November  I.  J.  anfangend  die  obigen 
Praestationen  entweder  in  natura  leisten,  oder  sich  zu  einem  den  der- 


349 

maligen  Zeiten  angemessenen  höheren  Keluitionsbetrage  herbeilassen 
and  diesfalls  mit  mir  einen  neuen  €k>ntract  auf  sechs  nachfolgende  Jahre 
unter  Vorbehalt  höherer  Genehmigung  anstossen.  Die  Gremeindedepu- 
tierten  haben  sich  demnach  hierüber  ad  Protocollum  zu  erklären.  Ad  1 : 
Da  sich  die  Grundstücke,  welche  wir  besitzen,  seit  der  Anstossung  un- 
seres bisherigen  Contractes  um  nichts  erweitert  haben,  so  bitten  wir,  es 
bei  dem  bisherigen  Zins  noch  ferner  zu  belassen,  den  wir  künftig  mit 
300  fl.  in  C.-M.  oder  in  Banknoten  zahlen  wollen.  IT.  Die  Zeiten  haben 
sieh  geändert,  die  Preise  aller  Dinge  sind  seit  dem  Jahre  1790  bedeutend 
gestiegen,  auch  hat  sich  die  Yolkszahl  seither  um  viele  Landfamilien 
vermehrt.  Der  Zuwachs  mag  auch  nur  in  Häuslern  und  Inwohnern  be- 
stehen, so  würde  doch  die  Herrschaft  von  jedem  jährlich  6  Robotstage 
kben.  Es  ist  also  billig,  dass  die  Gemeinde  an  der  diesfölligen  Reluition 
^hch  wenigstens  400  fl.  G.-M.  zahle.  Ad  2:  Die  zugewachsenen  Fa- 
milien sind  den  wirklichen  Wirthen  nur  lästig,  denn  eine  jede  derselben 
hält  wenigstens  eine  Kuh,  wodurch  für  das  Vieh  der  Wirthe  die  Ge- 
meindehutweide nur  geschmälert  wird.  Indem  sind  wir  bereit,  gleichwohl 
320  fl.  in  O.-M.  oder  Banknoten  jährlich  an  der  diesfalligen  Reluition  zu 
zahlen,  nur  bitten  wir,  dass  der  Contract  mit  uns  womöglich  auf  immer- 
währende Zeiten  angestossen  werden  möchte,  f  Hnani»  TypoBi»  (Iwan 
Hnrow),  f  MHxaüJo  ^^opoBT»  (Mihailo  Fedorow),  f  HnaHi»  Acohobt» 
(Iwan  Assono w),  f  ^e^oT'L  ^aMMH-B  (Fedot  Famin),  f  ycTHii'L  IIpoKo- 
noBT»  (Ustin  Pi*okopow),  f  AnTpom,  JlyKHH'B  (Antrop  Lukin),  f  Usan'B 
Thtobt>  (Iwan  Titow),  f  Oceni»  flKOBHM'B  (Osip  Jakowim).  Es  meldet 
sich  Iwan  Titow  von  Klimoutz,  welcher  von  dem  verstorbenen  Larion 
Petrowicz  einen  Rottgrund,  d.  i.  eine  Waldwiese  von  15  Faltschen  bei- 
äüfig  käuflich  an  sich  gebracht  hat  und  an  die  bishenge  Gutspachtung 
anen  besonderen  Zins  dafür  von  10  fl.  W.  W.  zahlte.  Er  bat,  dass  ihm 
heser  Grund  noch  ferner  belassen  werden  möchte.  Da  ihm  jedoch  be- 
deutet wurde,  dass  Rottgründe  nur  auf  Leibeserben  übergehen,  mithin 
nicht  verkauft  werden  dürfen,  sondern  nach  dem  Tode  des  ersten  Be- 
sitzers und  seiner  Erben  der  Herrschaft  anheimfallen,  wofern  der  Käufer 
sich  mit  der  Grundherrschaft  über  einen  billigen  Zins  nicht  einversteht, 
«*»  erklärt  er:  Ich  habe  bisher  10  fl.  W.  W.  gezahlt  und  bin  bereit, 
Hnftig  10  fl.  C.-M.  jährlich  der  Grundherrschaft  an  Zins  zu  entrichten. 
Ich  bitte,  die  hohe  Bewilligung  zu  erwirken,  dass  mit  mir  hierüber  der 
Contract  angestossen  werde.  Als  Zeugen  f  Antrop  Lukin.  f  Fedot  Fa- 
lun,  unterfertigt  Koch,  f  Iwan  Titow,  dessen  Namen  gefertigt  Koch.  Der 
QBtcrsuchende  Inspector  findet  die  angebotene  Reluition  per  320  fl.  C.-M. 
aagemessen,  weil  die  Gründe  dieser  Lippowaner-Colonie  durchaus  sumpfig 


350 

und  nassgallig  sind.  Ebenso  ist  auch  der  angebotene  Grundzins  des 
Iwan  Titow  mit  10  fl.  C.-M.  der  Qualität  einer  Waldwiese  angemessen. 
Womit  das  Protokoll  geschlossen  und  gefei*tigt  wurde.  Sig.  ut  snpi*a 
Franz  Schubert,  Inspector.  Johann  Koch,  Amtsschreiber.  —  Foi*tsetzung 
zu  Fontina  alba  den  23.  März  1821.  Der  Gemeindeausschuss  macht  be- 
merklich, dass  der  yerstorbene  Larion  Petrowicz,  welcher  sich  als  Prae- 
potent  den  grössten  Theil  von  den  der  Gemeinde  zur  Dotierung  zuge- 
theilten,  mit  Wald  und  Gestrüppe  bewachsenen  Grundstücke  zugeeignet 
hatte,  Yor  seinem  Tode  die  Wiese  Balta  Sitarului  (sie  beträgt  nicht, 
wie  oben  gesagt  worden,  15  Faltschen,  sondern  nach  der  EatastnÜTer- 
messung  103  Joch  412  Quadratklafter)  an  den  Iwan  Titow  von  Eli- 
montz  verkauft  habe.  Der  Gemeindeausschuss  protestiei*t  gegen  diesen 
Verkauf,  weil  der  Grund  nicht  ein  Eigenthum  des  Larion  Petrowitsch,  son- 
dern ein  der  Gemeinde  mit  ganzen  zugetheilter  Dotienmgsgrund  war,  für 
welchen  Larion  Petrowicz  zu  der  Grundschuldigkeitsreiuition  per  182  fl. 
verhältnissmässig  beigetragen  hat.  Obwohl  nun  Larion  Petrowicz  nicht 
berechtigt  war,  einen  der  Gemeinde  in  concreto  gehörigen  Grund  zu  ver- 
äussem,  und  obwohl  dieser  Verkauf  ohne  Wissen  und  Genehmigung  des 
Dominii  directi  geschehen  ist,  mithin  keine  Giltigkeit  haben  kann,  so  ist 
die  Gemeinde  doch  bereit,  aus  Achtung  für  den  verstorbenen  VerkäofeV, 
der  in  seinem  hohen  Alter  schon  kindisch  war,  das  Kaufcapital  per 
170  fl.  W.  W.  zu  ersetzen,  sobald  das  befragte  Grundstück  der  Gemeinde 
zurückgestellt  wird.  IsaHi»  Kipfijanx,  ABopuHKi»  m.  p.  f  Ilerp^  Ep-Dia- 
jaeBi»,  t  Eacßjififl  InaHaBH^b,  f  ra4>0Hi»  KysMdHi»,  f  MaKcdMi»  Ilan- 
jani».  Nach  der  vorstehenden  Erklärung  wiid  es  nothwendig  sein,  dem 
Iwan  Titow  das  ungebürlich  an  sich  gebrachte  Grundstück  abzunehmen 
und  der  ohnehin  schwach  dotierten  Gemeinde  Fontina  alba  zurückzu- 
stellen. Iwan  Titow  kann  sehr  zufrieden  sein,  dass  ihm  die  Gemeinde 
Fontina  alba  den  Eaufschilling  per  170  fl.  freiwillig  zurückzahlen  will. 
Damit  wird  gegenwärtiges  Protokoll  geschlossen  und  gefertigt.  Sig.  ut 
supra  Franz  Schubert,  Inspector.  Johann  Koch,  Amtsschreiber,  quo 
actuante. 

66.  0.  Actum  Fontina  alba,  am  23.  Mäiz  1821.  —  Pi*otokoll, 
welches  in  Folge  einer  hohen  Domainen-  und  Salinen-Administrations- 
verordnung vom  23.  Juli  1820,  Zahl  7026,  mit  der  Lippowaner-Gemeinde 
Fontina  alba  über  ihre  Grundschuldigkeiten  aufgenommen  worden  ist 
durch  den  untei*zeichneten  Domaineninspector  me  actuante  Joanne  Koch. 
Der  Ortsvoi'stand  und  die  Deputierten  dieser  Gemeinde  wui'den  vernommen. 
I.  Euere  Gemeinde  hat  nach  einem  unteim  2.  September  1796  mit 
dem  Verwalter  der  Kuczurmarer  Pachtung   Ignaz  Zagurski 


351 

angestoBsenen,  aber  weder  vom  k.  k.  Ereisamte,  noch  von  der  hohen  Staats- 
göteradminiBtration  bestätigten  Contract  die  Cameralurbanalgaben  als: 
12  Bobotetage,  1  Stück  Gespinnst,  1  Fuhre  Holz,  1  Henne,  dann  den  Ze- 
hent  sowohl  Yon  allen  Garten-  und  Feldfrüchten,  als  auch  von  Heu,  im 
Gelde  niit  182  fl.  W.  W.  bis  nun  reluiert.  Dieser  Vertrag  kann  nun- 
mehr nur  bis  Ende  October  d.  J.  gelten,  die  Gemeinde  muss  also  vom 
1.  October  1.  J.  an&ngend  die  obigen  Prästationen  entweder  in  natura 
leisten  oder  sich  zu  neuem,  den  gegenwärtigen  Zeiten  angemessenerem 
höheren  Beluitionsbetrage  herbeilassen  und  diesfalls  mit  mii*  einen  neuen 
Contract  auf  sechs  nächstfolgende  Jahre  unter  Vorbehalt  höherer  Ge- 
Behmi^ung  anstossen.  Die  Gemeindedeputierten  haben  sich  demnach 
Merflber  ad  ProtocoUum  zu  erkläi'en.  Ad  1.  Wir  haben  bisher  für  diese 
Natoralschuldigkeiten  182  fl.  W.W.  gezahlt;  wir  sind  aber  bereit,  künftig 
jihrlich  190  fl.  C.-M.  oder  in  Banknoten  zu  entrichten  und  darüber  den 
Contract  anzustossen.  Wir  bitten  jedoch,  höheren  Ortes  bewirken  zu 
wollen,  dass  dieser  Ck)ntract  nicht  blos  auf  sechs  Jahre,  sondern  auf 
nomerwährende  Zeiten  geschlossen  werden  möchte.  iBaHi»  KipnjiaB, 
OBOpBfiKBm.p.  (Iwan  Eirilow,  Richter).  tneTpi>EMaiaeB'L(!)S  t^^^^"^^^ 
IsaHani»  (Wasil  Iwanow),  f  Ara4>dH'L  KysMäirL  (Agaphon  Kuzmin), 
t  MaKCHMi»  üaBJiaBi»  (Maxim  Paulow).  II.  Veimöge  Auszug  aus  den 
Katastralvermessungsacten  sind  in  dem  Umfange  eurer  Gemeinde  248  Joch 
1252  Quadi-atklafter  Dominical wiesen  und  120  Joch  1410  Quadratklafter 
Waldhütweide.  Ihr  habt  anzugeben,  ob  diese  Gründe  der  Gutspächter 
Herr  Wolowski  selbst  benutzt  hat,  oder  ob  ihr  sie  von  ihm  in  Pacht  ge- 
halten und  ihm  hiefür  einen  besonderen  Pachtzins  gezahlt  habt,  dann 
wie  viel;  zu  eurer  besseren  Orientierung  wird  euch  bekannt  gemacht, 
dass  diese  Grundstücke  in  folgenden  Abtheilungen  bestehen:  a)  Balta 
Sitamlui  mit  GestiUpp  verwachsen  103  Joch  412  Quadratklafter,  b)  Oni- 
simowka  631  Quadratklafter,  c)  Onisimowka  33  Joch  875  Quadratklafter, 
d)  Onisimowka  111  Joch  934  Quadratklafter,  e)  die  Waldhutweide  Balta 
Sitamlui  120  Joch  1410  Quadratklafter.  Ad  2.  Die  Wiese  Balta  Sita- 
mlui hat  ein  Lippowaner  von  Elimoutz,  Namens  Iwan  Titow,  durch  Kauf 
onbefagterweise  an  sich  gebracht,  denn  sie  ist  ein  Theil  der  Dotierung 
unserer  Gemeinde,  wie  wir  schon  in  das  anderweitige  Klimoutzer  Protokoll 
ertiärt  und  diese  Wiese  reclamiert  haben.  Auch  die  übrigen  Grundstücke, 
nämlich  die  Onisimowka  und  die  Waldweide  Balta  Sitarului,  sind  nicht 
dominical,  sondeiii  gehören  zu  unserer  Dotierung  und  machen  eigentlich 
den  grössten  Theil  unserer  Besitzungen  aus,  ohne  welchen  wir  nicht  be- 


'  Der  Name  Peters  ist  nicht  umschrieben. 


352 

stehen  können.  Der  Herr  Ingenieur,  welcher  diese  Grundstücke  als  herr- 
schaftlich angegeben  hat,  muss  sich  also  geirrt  oder  uns  nicht  verstanden 
haben;  und  der  Herr  Unterpächter  Wolowski  muss  es  bestätigen,  dass  in 
dem  für  uns  ohnehin  sicher  beschränkten  Terrain  auch  nicht  eine  Handbreit 
Ginind  für  die  Herrschaft  vorbehalten  worden  ist.  leani»  Kipiuanrii  m.p. 
t  IleTpi»  EpMajiaeBi>,  f  BacHjifi  leaHaBi»,  f  Ara^öuani»,  f  MaKCH3fi> 
üasjiaBi».  Da  hier  nichts  weiter  zu  erheben  wai*,  so  wurde  gegenwärtige« 
Protokoll  geschlossen  und  gefeiiigt.  Sig.  ut  supra  Fmnz  Schubert,  lu- 
spector.   Johann  Koch  quo  actuante. 

66«  0.  11.  April  1821.  Aus  einem  Schreiben  an  den  ,königlichen 
Bukowiner  Gameralbezirksinspector  Herrn  Schubeil^  —  8.  Kann  auch 
mit  der  Lippowaner-Gemeinde  Klimoutz  der  Vertrag  auf  sechs  Jahre  zor 
Beluierung  ihrer  Grundschuldigkeiten  mit  dem  jährlichen  Betrage  per 
320  fl.  C.-M.  eingegangen,  jedoch  darin  vorbehalten  werden,  dass  nach 
Ausgang  der  sechs  Jahre  der  Obrigkeit  frei  bleibt,  neuen  Vertrag  auf  die 
Beluierung  abzuschliessen  oder  die  Gi-undschuldigkeiten  in  natura  abzu- 
fordern, ingleichen  ist  vorzubehalten,  wenn  im  Laufe  der  sechs  Jahre  die 
Grundschuldigkeiten  reguliert  werden  sollten,  dass  sich  die  Gemeinde  ge- 
fallen lassen  muss,  darnach  neue  Vertiäge  einzugehen.  Auf  gleiche  Art 
9.  ist  mit  der  Lippowaner-Gemeinde  Fontina  alba  der  Vertrag  auf  sechs 
Jahre  über  die  Reluierung  der  Giiindschuldigkeiten  für  jährlich  190  fl. 
in  G.-M.  einzugehen.  Nachdem  sowie  aus  dem  Protokoll  ad  8  and  9  zu 
entnehmen  ist,  die  Lippowaner-Gemeinde  Klimoutz  den  Bodgrund,  den 
der  Iwan  Titow  von  dem  verstorbenen  Jurio  (!)  Petrowicz  an  sich  käuf- 
lich gebracht  haben  soll,  und  der  103  Joch  412  Quadratklafter  nach  der 
Katastralvermessung  enthält,  als  ihr  Eigenthum  anspricht,  so  tragt  man 
unter  einem  der  Kotzmaner  Verwaltung  auf,  diesen  Anstand  näher  zu 
untersuchen,  weil  durch  die  einseitige  Angabe  der  Gemeinde  noch  nicht 
erwiesen  ist,  dass  dieser  aus  Rodung  entstandene  Grund  nicht  ein  Eigen- 
thum der  Herrschaft  ist.   Lemberg,  am  11.  Aphl  1821. 

67.  0*  10.  Juli  1821.^  —  Veilrag,  welcher  am  heute  zu  Ende 
gesetzten  Tag  und  Jahr  in  Folge  hoher  Domainen-  und  Salinenadministra- 
tionsweisung vom  11.  April  1.  J.,  Zahl  4392,  zwischen  dem  k.  k.  Buko- 
winer Domaineninspector  im  Namen  des  Bukowiner  Beligionsfonds  einer- 
und der  zur  Eeligionsfondsherrschaft  St.  Onuphrie  gehörigen  Lippo- 
waner-Gemeinde Fontina  alba  andererseits  wegen  Bestimmung  der  von 
der  Gemeinde  zu  leistenden  Urbarialgrundschuldigkeiten  in  eine  baai*e 
Beluition  unter  Vorbehalt  höherer  Begnehmigung  nachstehend  verabredet 

^  Am  Rande  oben:  ,Suppliment8tempel  per  4  fl.'. 


863 

ind  geschlossen  worden  ist.  1.  Wird  von  Seiten  des  k.  k.  bnckowiner 
Dom&ineninspectorats  im  Namen  des  Religionsfonds  der  Lippowaner- 
Gemeinde  Fontina  alba  die  Relnierung  der  von  ihr  der  Grnndherrschaft 
nrbarialmassig  zn  leistenden  Ginndschuldigkeiten,  nnd  zwar:  der  von 
einem  jeden  Unterthan  zn  prästirenden  12  Bobotstäge,  1  Stück  6e- 
sponst,  1  Fnhre  Holz,  1  Henne,  dann  den  Zehent  sowohl  von  allen 
Gärten-  nnd  Feldfrüchten,  als  auch  von  Hen  im  baren  Oelde  während  der 
nächstfolgenden  sechs  Jahre,  das  ist  vom  1.  November  1821  bis  eben  da- 
hin 1827  gestattet,  gegen  deme,  dass  2.  die  Gemeinde  Fontina  alba  sich 
Terbindlich  macht,  den  laut  ihrer  nnteim  22.  (!)  März  1.  J.  zu  Protokoll 
gegebenen  Erklärung  angebotenen  jährlichen  Relnitionsbetrag  von 
190  a.  C.-M.  in  halbjährigen  Raten  und  zwar:  die  erste  Hälfte  mit  An- 
fang November  und  die  zweite  mit  1.  Mai  eines  jeden  Jahres  an  die 
H«T8chaft  oder  ihren  Pächter  unweigerlich  vorhinein  zu  bezahlen.  3.  Für 
die  richtige  Einzahlung  des  im  vorhergehenden  Paragraph  stipuliert^n 
Belnitionsbetrages  haftet  die  Gemeinde  Fontina  alba  mit  ihrer  Habe  in 
soUdum,  das  ist  Einer  für  Alle  und  Alle  füi*  Einen  dermassen,  dass,  wenn 
fahrend  der  bedungenen  sechs  Jahre  sich  die  Anzahl  der  Unterthanen 
Tennehren  oder  vermindern  sollte,  sie  demnach  an  ihrer  ganzen  Reluitions- 
sdiiildigkeit  nicht  mehr  und  nicht  weniger  als  190  fl.  C.-M.  zu  zahlen 
eckoldig  sein  soll.  4.  Wird  hier  ausdrücklich  ausbedungen,  dass  gegen- 
wärtiger Relnitionsvertrag  nur  auf  die  §  1  bestimmte  Zeit  seine  volle 
Knft  haben  soll,  nach  seinem  Verlaufe  aber  behält  sich  der  Religions- 
fonds  das  Becht  vor,  mit  der  Gemeinde  entweder  einen  neuen  ähnlichen 
Tertrag  auf  fernere  Zeit  anzustossen  oder  die  bestimmten  Grundschuldig-^ 
keüen  in  natura  abzufordern,  ebenso  5.  macht  sich  die  Gemeinde  Fontina 
alba  anheischig,  für  den  Fall,  wenn  während  der  bedungenen  sechs  Jahre 
Ton  hohen  Oiiien  eine  neue  Bestimmung  der  Grundschuldigkeiten  erfolgen 
sollte,  hiemach  auf  Verlangen  der  Herrschaft  neue  Verträge  über  die  Re- 
hüerung  derselben  einzugehen.  6.  Leistet  die  Gemeinde  auf  jeden  Nach- 
to  von  diesem  §  1  stipulierten  Relnitionsbetrag  hiemit  ungezwungen 
leierlichst  Verzicht.  Urkund  dessen  sind  drei  gleichlautende  Exemplare 
dieses  Contractes  ausgefeiügt,  von  beiden  Theilen  in  Gegenwart  zweier 
UezQ  erbetenen  Zeugen,  denen  ihre  Unterschriften  nicht  nachtheilig  sein 
sollen,  unterfertigt  und  besiegelt  worden.  Fontina  alba,  am  10.  Juli  1821. 
Fnnz  Schnbeil,  Inspector.  lBam>  KipAjiaB'B  m.  p.,  (Juon  Eirilo,  Rich- 
ter), ?  Thxohobi»  m.  p.  (Anton  Tichonow),  ÜCTpo  EptMejaeni»  m.  p. 
(Petro  Jermalaw).  Als  erbetene  Zeugen:  Fignra,  Postmeister.  Michael 
Winiarski  (abgefallenes  Siegel).  Vorstehender  Vertrag  wird  seinem  vollen 
Inhalte  nach  anmit  bestätigt.     Von  der  k.  k.  Domainen-  und  Salinen- 


354 

administration.  (L.  S.)  Lemberg,  den  30.  December  1821.  Vorliegender 
Vertrag  wird  vom  k.  k.  Baccowiner  Ereisamte  im  Grunde  der  yoraos- 
gegangenen  Verificiening  desselben  bestätigt.  Vom  k.  k.  Bnccowiner 
Kreisamte.    (L.  S.)    Czernowitz,  den  28.  Mäi'z  1827. 

68«  0.  10.  Juli  1821.^  (Gekürzt.)  Mit  der  vorbergebenden  Nummer 
völlig  gleicblautender  Vertrag  mit  Klimoutz,  nur  dass  der  Belnitions- 
betrag  mit  320  fl.  festgestellt  wird.  Der  Schluss  der  Urkunde  lautet: 
Elimoutz,  den  10.  Juli  1821.  Franz  Schubert,  Inspector.  Im  Namen  der 
ganzen  Gemeinde:  f  Iwonn  Hnrow,  Dwornik,  f  Sirgi  Mikitin,  MHxafijo 
^e^opoBii  m.  p.  (Mibailo  Fedorow).  Winarski  (Name  des  zweiten  Zeugen 
unleserlich).  Vorstehender  Contract  wird  seinem  vollen  Inhalte  nach  an- 
mit  bestätigt.  Von  der  k.  k.  Domainen-  und  Salinenadministration.  (L.  S.) 
Lemberg,  den  30.  December  1821. 

69.  A.  19.  Juli  1821.  Klage  der  Lippowaner  von  Fontina  alba. 
In  Fontina  alba  leben  sechs  Kaluger:  Joseph,  Pelage,  Nectari,  Adam, 
Anastasi  und  Simon.  Diesen  Mönchen  soll  man  die  Wiese  Sitarului 
geben,  weil  sie  sonst  der  Gemeinde  zur  Last  fallen.  Der  jetzige  Be- 
sitzer derselben,  der  Klimoutzer  Insasse  Juon  Titow,  habe  sie  vom  ein- 
stigen Dorfältesten  von  Fontina  alba  Larion  Petrowicz  gekauft,  ohne  dass 
aber  dieser  zum  Verkauf  berechtigt  wäre;  die  Gemeinde  schwieg  damals, 
weil  Petrowicz  der  älteste  war.  Seither  habe  allenfalls  Titow  etwas  selbst 
gerodet.  Die  Wiese  liegt  innerhalb  der  herrschaftlichen  Waldung  und 
wurde  1821  mit  26  Faltschen  =  46  Joch  1280  Quadmtklafter  bemessen. 

70*  A.  22.  Juli  1821.  Gegenklage  der  Einwohner  von  Suczaweni. 
Die  Fontina  alber-Insassen  wollen  die  Balta  Sitarului  unrechtmässig  in 
Besitz  nehmen.  Drei  Viertel  dieser  Wiese  sind  seit  der  Metzger*schen 
Abgi*enzung  auf  unserem  Bereich  gelegen,  und  wir  haben  darauf  Vieh  ge- 
weidet und  Wald  gerodet.  Hierauf  hat  sich  Larion  Peti'owicz  und  später 
Juon  Titow  unrechtmässig  in  den  Besitz  dieser  Wiesen  gesetzt.  Petro- 
wicz ist  mit  allen  seinen  Erben  ausgestorben ;  er  hat  hier  nur  unbedeu- 
tende Bodungen  vorgenommen.  Die  Herrschaft  soll  uns  diese  Wiesen  geben, 
worauf  wir  dem  Titow  die  unbedeutenden  Bodungskosten  ersetzen  werden. 

71.  A«  1821/22.  Aus  den  Verhandlungsacten  über  diesen  Pro- 
cess.  —  Die  Wiese  wurde  anfangs  durch  einen  Kaluger  Hawrilo  gerodet. 
Nach  dessen  Tode  gieng  sie  an  (den  Kaluger)  Mitrodor  Jakiw  tiber.  Nach 
dessen  Tode  übernahm  sie  Larion  Petrowicz,  rodete  etwas  und  verkaufte 
sie  an  den  Klimoutzer  IJnterthanen  Juon  Titow.  Nach  dem  Hofdecret 
vom  15.  März  1810  gehört  das  Nutzungseigenthum  eines  Bodginindes 


^  Oben  am  Rande:  ,Steinpei bogen  per  4  fl.  C.-M.  liegt  bei.* 


355 

denjenigen,  der  ihn  urbar  gemacht  hat,  und  ma88  seinen  Nachkommen 
belassen  werden.  Nach  dem  Erlöschen  dessen  Descendenz  fällt  die  Wiese 
fto  die  Herrschaft  zurück,  weil  ihre  Rodung  nicht  vor  1786  geschah.  Pe- 
trowicz  starb  ohne  Descendenz.  Die  Gemeinde  Fontina  alba  will  sie  zum 
Unterluüt  der  Ealuger  verwenden.  Diese  aber  haben  ,keine  Fundation 
f&r  sich^  Sie  sind  keine  Geistlichen,  sondern  alte  abgelebte  Lippowaner, 
meist  Flüchtlinge  aus  Bussland,  welche  die  Gemeinde  aufnimmt  und  da- 
her auch  fftr  sie  sorgen  mag.  Die  Suczawener  sagten  am  19.  Mai  1822, 
isss  sie  die  Pojana  Sitarului  beweideten,  bevor  Fontina  alba  mit  Lippo- 
wanem  besiedelt  wurde.  In  der  Bukowina  herrschte  das  Becht,  sein  Vieh 
zu  weiden,  wo  man  konnte.  Sie  rodeten  vor  Petrowicz  ihren  Theil  durch 
Feuer;  dieser  verdrängte  sie.  Titow  sagte,  als  er  die  Wiese  an  sich 
brachte,  war  sie  so  verwachsen,  dass  er  in  der  Mitte  selbst  8  Faltschen 
roden  musste.  Jakiw  habe  6Vt  Faltschen  dem  Sohne  des  1818  verstor- 
beaen  Luion  Petrowicz  verkauft.  Larion  wollte  im  April  1818  die  Wiese 
zanichst  an  Juon  Maiiniow  um  175  fl.  W.  W.  verkaufen.  Als  dies  die 
Fontina  alber  hintertiieben,  verkaufte  er  sie  um  denselben  Preis  im 
August  dem  Titow.  Um  1798  waren  vier  Ealuger  in  Fontina  alba:  der 
Altvater  Jakiw,  Eirion,  Parafont,  Nikifor  Larianow.  Diese  rodeten  zu- 
erst auf  der  Pojana  Sitai-ului  etwa  6  Faltschen  =  11  Joch  1120  Quadrat- 
klafler.  Die  Pojana  lag  in  Fontina  alba  und  in  Suczaweni,  und  zwar 
bttderseits  etwa  zur  Hälfte.  Nachdem  die  drei  Kaluger  gestorben  waren, 
verkaufte  Jakiw  1802  (1804)  sie  dem  Mina  Larion  för  100  fl.,  worauf 
sie  Larion  Petrowicz  ei'weiteite.  Die  Ealuger  hatten  auch  Vieh  von 
Korczestie  und  Suczaweni  auf  der  Wiese  weiden  lassen. 

72.  A«  8.  August  1822.  —  Im  Militäi-arreste  in  Czernowitz  sind 
finf  Lippowaner-Mönche  wegen  Grenz-(Contumaz-)Uebei*tretung  einge- 
sperrt. Die  Gemeinde  bittet  um  die  Erlaubniss,  dass  sich  dieselben  im 
Kloster  Fontina  alba  niederlassen  dürfen. 

73*  A.  10.  August  1822,  Zahl  10649.  Das  Ereisamt  (Issetsches- 
kal)  an  die  Verwaltung  in  St.  Onufri.  —  Was  für  ein  Eloster  existiert 
ia  Fontina  alba?   Dem  Ei-eisamte  sei  hie  von  nichts  bekannt. 

74.  A.  31.  Jänner  1823,  Zahl  31.  Bericht  der  St.  liier  Verwal- 
tng  (Horwath).  —  Die  Lippowaner  sind  von  jener  Sittenreinheit,  welche 
sie  der  höchsten  BQcksichten  würdig  machten,  sehr  auffallend  abgewichen 
snd  stehen  an  Demoralität  und  Ti*ägheit  den  Nationaluntei*thanen  nicht 
nach.    Sie  isolieren  sich  von  allen  Polizei-  und  Sanitätsmassregeln. 

75.  A.  4.  Mai  1823,  Zahl  496.  —  Das  Wirthschaftsamt  in  ? 
spricht  dem  Elimoutzer  Insassen  Titow  die  mit  den  Lippowanern  von 
Fontina  alba  strittige  Wiese  ab. 


366 

76.  A.  26.  Mai  1825,  Zahl  4251.  Das  Ereisamt  hebt  die  in  der 
vorigen  Nummer  gefällte  Erkenntniss  auf;  Titow  bleibt  im  Besitze  der 
Wiese. 

77*  1.  A.  15.  Juni  1827.  —  Vertrag,  welcher  am  heute  zu  Ende 
gesetzten  Tag  und  Jahr  zwischen  der  Zuczkaer  k.  k.  Cameral-Geffllen- 
Verwaltung  für  und  im  Namen  des  Bukowiner  Beligionsfonds  [einerseits 
und  der  zur]  Herrschaft  St.  Onnphry  gehörigen  Filipowaner- Gemeinde 
Fontyna  alba  oder  Bila  Eirnica  andererseits  über  die  Verwandlung  ihrer 
Urbarialgrundschuldigkeiten  in  eine  haare  Geldreluition  . . .  (wie  in  Nr.  67, 
nur  dass  der  Vertrag  für  die  Zeit  »vom  I.November  1827  bis  dahin  1833' 
gilt  und  die  betreifende  Erklärung  der  Gemeinde  ,unterm  15.  Juni  1.  J.' 
erfolgte.)  ...  Zuczka,  am  15.  Juni  1827.  August  Eunzel  m.  p.,  Ver- 
walter. Euhn  m.  p.,  Controlor.  Leibschütz  m.  p.  (L.  S.)  Maximilian  Pawlow, 
Richter.  (L.  S.)  Iwan  Eiiylo,  Mikita  Iwanow.  Vorliegender  Vertrag  wird 
von  Seite  des  k.  k.  Bucowiner  Ereisamts  im  Grunde  der  vorausgegangenen 
Verificierung  desselben  bestätigt.  Vom  Bucowiner  k.  Ereisamte.  Czemo- 
witz,  am  18.  Juli  1829.  (L.  S.)  (Unterschrift  unleserlich.)*  Vorliegender 
Reluitionsvertrag  wird  zufolge  Eimächtigung  der  hohen  Cameral-Gef^len- 
Verwaltung  vom  8.  Novembei'  1836,  Zahl  4480,  nachträglich  seinem  gan- 
zen Inhalte  nach  bestätigt.  Von  der  k.  k.  Czernowitzer  Gameral-Bezirks- 
Verwaltung,  den  16.  December  1836.  (L.  S.)  Zulawski. 

78.  0.  15.  Juni  1827.  (Gekürzt.)  —  Gleichlautender  Vertrag  mit 
der  Gemeinde  Elimoutz,  nur  dass  der  Beluitionsbetrag  mit  320  fl.  fest- 
gesetzt ist.  Der  Schluss  lautet:  Zuczka,  am  15.  Juni  1827.  (L.  S.)  Carl 
Euhn,  Leibschütz.  ^BopbHHKi»  FaAHBOHi»  CeMenoBi»  m.p.  (L.S.  von  Kli- 
moutz)'  (Badion  Semenow,  Ortsrichter),  MHxafija  ^e^opoBi  m.  p. 
(Michailo  Fedorow),  Oxe^an  AaeKcaBi»  m.  p.  (Stephan  Alexejow).  (Das 
Folgende  wie  in  der  vorhergehenden  Nummer,  nur  dass  die  letzte  Be- 
stätigung bereits  am  16.  November  1836  erfolgte.) 

79«  0,  (Concept).  7.  September  1832.  —  Zuczkaer  Gamei-alwirth- 
schaftsamt  überreicht  mit  Bericht  vom  30.  April  1832,  Zahl  1038,  die  TJr- 
barialrelnitionsverträge  der  Gemeinden  Elimoutz  und  Fontina  alba  für  die 
Jahre  1827  bis  1833  der  hohen  Stelle  zur  Bestätigung.  Gesehen  Buko- 
winer Gameral-Gef&lleninspectorat  und  wird  einer  hohen  Stelle  mit  der 
Bemerkung  überreicht,  dass,  um  beui*theilen  zu  können,  inwiefeme  der 
seit  dem  Jahre  1821  bestehende  Belnitionsbetrag  dem  Werthe  der  ge- 
setzlich zu  leistenden  Urbarialgaben  und  Zehent  entsprechen,  der  Be- 


*  Bis  hier  Abschrift;  das  Folgende  ist  Oripinal. 

»  Lesbare  Inschrift:  ELIMOUTZ;  das  Wappenbild  ist  undeutlich. 


357 

stand  eines  GrundiiiTentars  nothwendig  wäie,  woran  es  aus  Ui-sache,  weil 
der  Gnmdbesitz  der  CFrbarialpflichtigen  nicht  bekannt  ist,  bis  nun  noch 
nangelt.  Um  daher  bei  der  schon  izt  nothwendigen  ferneren  Erneue- 
ning  dieses  Zinsvertrages  auf  einer  derlei  GinindUge  verhandeln  za 
können,  wolle  eine  hohe  Stelle  dahin  wirken,  dass  dem  Zuczkaer  Wirth- 
schaftsamte  eine  Abschrift  der  letzten  Eatastralvermessungsprotokolle  der 
Gemeinden  Elimoutz  und  Fontina  alba  zukomme,  aus  welcher  die  Anzahl 
dw  Grundbesitzer,  sowie  der  Werth  des  Zehents  mit  weniger  Zeit-  und 
Kostenaufwand  zu  entnehmen  sein  wird,  als  dies  vermittelst  einer  Local- 
tfhebnng  geschehen  könnte.   Czernowitz,  7.  September  1832.   Koch. 

80.  A.  Bericht  des  Hegei'sohnes  Joseph  .  .  .  über  den  am  11.  Mai 
1835  stattgefundenen  Angriff  der  Lippowaner.  —  Der  Angriff  geschah 
tm  11.  Mai  1835.  Ich  gieng  aus  dem  Hegerhaus,  um  das  Vieh  meines 
Vaters  aufeusuchen,  und  hörte,  als  ich  durch  den  herrschaftlichen  Wald 
Wamiza  gieng,  einen  grossen  Läim  in  diesem  Abschnitte.  Ich  gieng  dem 
Geschrei  nach,  und  dieses  führte  mich  zu  den  herrschaftlichen  Ab- 
Burknngspf&hlen,  Erdhaufen  und  Schanzen,  welche  zur  Einfriedung  des 
herrschaftlichen  Waldes  durch  die  Camera  errichtet  worden  wai*en.  Bei 
ffiesen  Grenzpföhlen  und  Haufen  waren  fast  alle  Lippowaner  aus  Fontina 
alba,  und  zwar  Männer,  Jünglinge  und  Knaben  damit  beschäftigt,  theils 
mit  Holzhacken,  theils  mit  Schaufeln  die  Grenzpfähle  auszugraben,  die 
Schanzen  zu  verwerfen  und  die  Grenzhaufen  zu  zerstören.  So  schleiften 
sie  eine  grosse  Strecke  der  Abmarkung  und  machten  sie  dem  übrigen 
Erdboden  gleich.  Da  die  gan^e  Gemeinde  versammelt  war,  konnte  ich  die 
Gewalttbat  nicht  hindern,  sondern  lief  zu  dem  in  dem  Walde  sich  befind- 
lichen Holzschlag,  um  meinen  Vater  zu  rufen.  Als  ich  ihm  unterwegs 
b^egnete,  erzählte  ich  ihm  denVoifall,  und  wir  giengen  beide  zurück  nach 
Hause.  Als  wir  bei  unserer  Wohnung  anlangten,  waren  alle  Lippowaner 
bereits  bei  unserem  aus  Buthen  geflochtenen  Gartenzaun.  Sie  hackten 
dessen  Pfähle  knapp  bei  der  Erde  ab  und  warfen  den  Zaun  nieder.  Als 
nein  Vater  sie  fragte,  waium  sie  das  gethan  hätten,  fiengen  sie  Alle  zu- 
gleich an  zu  schreien,  sie  würden  auch  den  Förster  veijagen;  hier  hätte 
Niemand  etwas  zu  suchen,  denn  der  Grund  sei  ihr  Eigenthum.  Nachdem 
iie  den  Zaun  zerstört  hatten,  giengen  alle  zum  Saume  des  schlagbaren 
Waldes  und  gruben  hier  einen  neuen  Abmarkungsgraben.  Gegen  Abend 
kamen  sie  sodann  zu  dem  in  unserem  Garten  stehenden  alten  Häuschen, 
riHen  vom  Dachvorsprunge  desselben  sechs  Stützsäulen  heraus  und 
warfen  sie  zur  Erde.  Endlich  kamen  sie  in  unsere  Wohnung,  und  der 
Fontina  alber  Bichter  Pappon  Anesin  schrie  meinem  Vater  zu,  er  solle 
ias  Haus  gleich  verlassen,  sonst  werden  sie  es  ihm  über  dem  Kopfe  zu- 


358 

sammen werfen.  Mehrere  Lippowaner  fiengen  anch  an,  mit  den  Köpfen  der 
Holzhacken  an  dieW&nde  zu  schlagen.  Mein  Vater  antwortete  dem  Rich- 
ter, er  werde  das  Hans  nicht  yerlassen  und  sie  mögen  machen,  was  sie 
wollen;  er  werde  es  dem  Förster  melden.  Die  Lippowaner  fOhrten  die 
Drohung  nicht  aus;  doch  sagte  Eliswoy  Zelisniak  zu  meinem  Vater,  er 
solle  bis  zum  folgenden  Tage  das  Haus  räumen,  weil  sie  morgen  wieder- 
kommen  und  das  Haus  niederreissen  werden;  auch  Basil  Daskaliuk  schrie 
zu  meinem  Vater:  ,Du  kannst  dein  Recht  suchen;  dieser  Waldabschnitt 
ist  unser  Eigenthum,  und  wenn  Du  morgen  noch  im  Hause  bist,  so  wer- 
den wir  es  Dir  über  dem  Kopfe  zusammenwerfen.'  Am  anderen  Tage  kam 
der  Mandatar  und  nahm  die  Besichtigung  vor.  Die  Lippowaner  kamen 
aber  nicht  mehr.  Mein  Vater  war  nämlich  gleich  nach  dem  Abzüge  der 
Lippowaner  zum  Förster  Schaller  in  Kamenka  gegangen,  der  ihm  ein 
Schreiben  an  das  Mandatariat  in  Sereth  gab;  hierauf  erschien  der  Man- 
datar am  12.  (13.)  zur  Beaugenscheinigung.  Es  werden  femer  die  Lip- 
powaner einzeln  genannt,  welche  bei  den  geschilderten  Vorgängen  sich 
betheiligt  hatten,  unter  ihnen  auch  der  vormalige  Richter  Haurilo. 

81.  A.  21.  Mai  1835.  —  Das  Serether  Mandatariat  (Wirthschafts- 
amt)  zeigt  mannigfaltige  Unzukömmlichkeiten  in  den  Lippowaner-6e- 
meinden  Klimoutz  und  Bialakiernica  an.  Beide  Gemeinden  haben  keine 
Priester,  daher  keine  Trauungen,  Taufen  und  Beerdigungen  ordnungs- 
mässig  stattfinden;  auch  werden  keine  Pfan-bücher  (Matrikeln)  geführt. 
Sie  haben  keinen  Friedhof,  sondern  verscharren  ihre  Leichen  in  Gräben 
und  Gärten.  In  Fontina  alba  befindet  sich  ein  Kloster  mit  16  ausländi- 
schen Mönchen.  Die  Lippowaner  nehmen  keine  Impfung  und  keine  ärzt- 
liche Behandlung  bei  epidemischen  Krankheiten  an.  Aus  den  dem  Wehr- 
stande unterliegenden  Gemeinden  nehmen  sie  Jflnglinge  in  ihre  Mitte  auf 
und  lippowanisieren  dieselben;  da  keine  Matrikeln  vorhanden  sind,  könne 
ihnen  dieses  Vergehen  nicht  nachgewiesen  werden,  üeberhaupt  wären 
die  Lippowaner  in  allen  Beziehungen  den  anderen  Staatsbürgern  gleich- 
zustellen, weil  von  ihnen  bereits  eine  bedeutende  Anzahl  als  Raubmörder, 
Todtschläger,  Diebe  und  Schwäi*zer  verhaftet  wurde. 

83.  A.  29.  Juni  1840,  Zahl  1129.  Bericht  des  Kreisamtes.  — 
Der  Mangel  an  Matrikelbüchem  bei  den  Lippowanern  ist  sehr  ffthlhar 
und  deren  Einführung  nothwendig;  daher  hatte  das  Kreisamt  deren  Füh- 
rung angeordnet.  Die  Lippowaner  weigerten  sich  aber,  dies  zu  thun,  in- 
dem sie  behaupteten,  dies  sei  eine  Neuerung;  jede  Neuerung  sei  aher 
gegen  ihre  Grundsätze  und  gegen  die  Privilegien  Kaiser  Josephs.  Darüber 
wurde  schon  im  Jahre  1833  eine  Erhebung  gepflogen,  wobei  das  Kreis- 
amt auch  Kenntniss  erhielt,  da^^s  in  Fontiua  alba  ein  Klostor  ohne  Be- 


359 

wiUiguug  der  Begieining  bestehe.  Strafandrohungen  halfen  nichts;  man 
^gte  daher  den  Lippowanern,  dass  eigene  Individuen  zur  Führung  der 
MaMkenbücher  aufgestellt  werden  würden.  Was  das  Kloster  anbelangt, 
so  glaubte  das  Ereisamt  damals,  dass  dieses  ohne  höhere  Genehmigung 
gegründete  Kloster  der  Lippowaner  Unwissenheit  und  Starrsinn  in  die 
Gemeinde  bringen  werde.  Dieses  Kloster  bestehe  schon  seit  vielen  Jahi'en. 
Im  Jahre  1818  Terschrieb  der  verstorbene  Vorsteher  der  Lippowaner  in 
Fontina  alba,  Ilarion  Petrowicz,  einen  grossen  Obst-  und  Gemüsegarten 
als  Dotation  für  das  Kloster,  woselbst  bereits  17  Mönche  waren,  die 
^öastentheils  aus  der  Moldau  und  Bessarabien  auf  unbefugte  Art  ein- 
gewandert waren.  Hierauf  führte  der  Kreiscommissär  Czalowski  die  Unter- 
suchung. Nunmehr  trage  das  Kreisamt  (29.  Juni  1840,  Zahl  1129)  beim 
Gabemlnm  an,  dass  das  Kloster  gestattet  werde;  doch  sollten  die  ein- 
gewanderten Mönche  in  ihre  Heimat  zurückgeschafft  und  die  drei  Kloster- 
iltesten mit  noch  drei  anderen  Mönchen  nur  geduldet  werden,  wenn  sie  Un- 
terricht ertheilen,  Seelsorge  besorgen  und  Matrikelbücher  führen  würden. 
Ton  diesen  Mönchen  soll  einer  zumVoi-steher  gewählt  werden;  die  Ordens- 
satznngen  sollen  vorgelegt  und  von  der  Begieining  bestätigt  werden. 

83.  1.  ?  —  Das  Gubernium  befahl  die  Führung  der  Matriken- 
böcher  an  und  gab  den  Auftrag,  dass  gegen  die  eingeschlichenen  Mönche 
die  Amtshandlung  eingeleitet  werde.  Zugleich  verlangte  es  vom  Fiscal- 
uot  und  Yom  griechisch-nichtunierten  Consistorium  in  Czeiiiowitz  ein 
Gutachten  ab  behufs  einer  den  Staatszwecken  angemessenen  Organisie- 
rung des  Klosters  in  Fontina  alba. 

84.  A.  ?  Bericht  des  Fiscalamtes.  —  Bezüglich  der  Matriken- 
büdier  ist  zu  bemerken,  dass  dieselben  durchaus  keinen  religiösen  Cha- 
rakter haben,  da  sie  bloss  zur  Evidenz  dieuen,  wofür  als  Beweis  angeführt 
werden  kann,  dass  die  Führung  derselben  zum  Beispiel  in  Frankreich  den 
CiTilbehörden  überti*agen  worden  sei  und  selbst  in  Oesterreich  hinsicht- 
lich der  Juden  eine  analoge  Verfügung  bestehe.  Zwang  dürfe  aber  doch 
nicht  ausgeübt  werden,  da  es  immerhin  möglich  wäre,  dass  das  Eintragen 
der  Getauften,  Getrauten  und  Verstorbenen  dennoch  den  Beligions- 
begrüTen  dieser  Secte,  welche  viele  Sonderbarkeiten  hat,  widerstreitet  und 
sie  so  in  ihren  erworbenen  Bechten  der  Beligionsübung  verletzt  werden 
könnten.  Die  Glaubenslehren  und  Grundsätze  der  Lippowaner  sind  je- 
doch dem  Fiscalamt  unbekannt.  Ueber  das  Kloster  sei  zu  bemerken,  dass 
eine  Klostercommunion  bei  geregelter  Staatsverwaltung  ohne  Wissen  und 
Zulassung  des  Staates  nicht  rechtswirksam  bestehen  könnte.  Da  nun  das 
lippowaner-Kloster  ohne  eine  solche  Bewilligung,  ja  sogar  gegen  ausdrück- 
Ikhtö  Verbot  errichtet  wurde,  so  ist  es  als  kein  Kloster  anzusehen.   Es 


360 

handelt  sich  gegenwärtig  darum,  demselben  eine  gesetzliche  Basis  zugeben 
und  dasselbe  zu  organisieren.    Dies  ist  Sache  der  Verwaltungsbehörden. 

85.  A.  ?  Gutachten  der  theologischen  Lehranstalt  in  Czemowitz. 
—  Die  Beligionsregeln  der  Lippowaner  stimmen  mit  den  Grundregeln 
und  Hauptprincipien  der  orthodoxen  (griechisch-nichtunierten)  Kirche 
flberein;  doch  sind  einige  unterschiedliche  Gebräuche  vorhanden,  welche 
die  Lippowaner  aber  fülr  so  wesentlich  erkennen,  dass  sie  alle  diese  Ge- 
bräuche nicht  Beobachtenden  fClr  Ketzer  erklären.  So  meiden  sie  den  Eid 
und  das  gemeinschaftliche  Beten  und  Essen  mit  fremden  Glaubens- 
genossen ;  sie  behaupten,  dass  die  göttliche  Gnade  zwar  zur  Beendigung 
des  beabsichtigten  Guten,  nicht  aber  zum  Wollen  desselben  nothwendig 
sei;  sie  machen  beim  heiligen  Geiste  den  Beisatz  ,des  wahren';  sie  er- 
klären das  dreimalige  Eintauchen  bei  der  Taufe  für  nothwendig,  ebenso 
das  Benützen  eines  achtaimigen  Kreuzes;  sie  erkennen  nur  jene  Kirchen- 
bücher für  recht,  welche  vor  dem  Patriarchen  Nikon  aufgelegt  worden 
sind,  u.  s.  w.;  sie  beobachten  die  Fasten  strenger  als  andere  Gläubige; 
enthalten  sich  von  hitzigen  Getränken,  selbst  von  Thee  und  Kaffee; 
scheeren  nicht  den  Bart,  rauchen  und  schnupfen  nicht;  alle  Jene,  welche 
sich  von  einem  anderen  Glauben  zu  ihnen  wandten  und  die  noch  nicht 
nach  dem  beim  griechisch-nichtunierten  Bitus  üblichen  Brauche  des 
Untertauchens  getauft  worden  sind,  taufen  sie  wieder.  ...  Es  folgen  Be- 
merkungen über  die  Entstehung  der  Secte  und  spärliche  Mittheiiungen 
über  deren  Einwanderung  in  die  Bukowina.  Nach  diesem  Gutachten  be- 
merkt das  Consistorium,  dass  über  diese  Secte  ,kein  Beschluss  gefiasst 
werden'  könnte,  weil  über  mehrere  Beligionsgrundsätze  und  Gebräuche 
nichts  Bestimmtes  bekannt  ist.  Da  die  Lippowaner  ihre  Grundsätze  und 
Gebräuche  verheimlichen,  sei  das  Consistorium  überhaupt  nicht  geneigt, 
für  dieselben  das  Wort  zu  führen,  besonders  sei  es  gegen  die  Duldung 
eines  Theiles  der  Lippowaner,  nämlich  der  priesterlosen. 

86.  A.  21.  März  1842,  Zahl  11613.  Verfügung  des  Landesgnber- 
niums.  —  Die  Lippowaner  können  von  der  Führung  der  Matrikenbücher 
als  einer  Verwaltungsmassregel,  die  weder  mit  der  Religion,  noch  mit 
dem  Gottesdienste  im  Zusammenhange  steht,  nicht  losgezählt  werden. 
Die  Errichtung  eines  Klosters  und  eines  Weihbisthums  sei  unstatthaft ; 
im  Patente  vom  9.  October  1783  sei  ihnen  zwar  die  ungestöi-te  Ausübung 
des  Gottesdienstes  und  der  geistlichen  Seelsorge  zugesichert,  nicht  aber 
die  Befugniss  zur  Errichtung  eines  nur  der  Abgeschiedenheit  und  Con- 
templation  gewidmeten  klösterlichen  Instituts. 

87.  0.  Actum  Klimoutz,  den  3.  December  1842.  Protokoll,  wel- 
ches mit  der  Gemeinde  Klimoutz  über  die  weitere  Beluierung  der  unter- 


361 

tbinigen  Schuldigkeiten,  dann  der  Urbarialgiebigkeiten  und  des  Zehents 
Ton  dem  Rnsticalgrundbesitze  aufgenommen  worden  ist.  —  Vennög  dem 
mit  löblichem  k.  k.  Bezirksvenraltungserlasse  Yom  16.  December  1836, 
Zahl  9710,  herabgelangten,  im  Grunde  Ermächtigung  der  hohen  k.k.  Ca- 
mendgeföllen-Landesyerwaltung  vom  8.Noyember  1836,  Zahl  34485,  be- 
stätigten Vertrage  vom  15.  Juni  1827  hat  die  Gemeinde  Elimoutz  die 
herrechaftlichen  Ürbarialschu1digkeit8gaben  und  Leistungen,  das  ist  die 
Frohne,  das  G^mgespunst,  die  Fuhre  Kopf-  oder  Brennholz,  dann  den 
2^hent  von  allen  Feld-  und  Gartenfrfichten,  dann  Heu,  im  Gelde  mit  jähr- 
lichen 320  fl.  C.-M.  relniert.  Da  jedoch  der  besagte  Vertrag  fftr  die  Zeit 
¥om  1.  November  1827  bis  letzten  October  1833  geschlossen  war  und  die 
eingangs  belobte  Behörde  den  Vertrag  bis  Ende  April  1843,  nämlich  bis 
zum  Ausgange  der  letzten  Pachtperiode  zu  erneuem  anordnete,  die  Er- 
neuemng  jedoch  nicht  vorgenommen  wurde,  weil  die  am  1.  Mai  1834  ein- 
fetretene  neunjährige  Pachtperiode  nicht  nur  froher  begonnen  hatte,  aber 
auch  die  erwähnte  Gemeinde  dem  oberwähnten  Vertrage  gemäss  das  Be- 
lotum  im  Gelde  anstandslos  entrichtete,  so  scheint  es  nun  angedeutet  zu 
sein,  mit  der  besagten  Gemeinde  über  die  weitere  Reluierung  besagter 
Schuldigkeiten  in  Verhandlung  zu  treten.  Demzufolge  wurde  besagte  Ge- 
meinde am  2.  1.  M.  von  der  Vornahme  dieser  Verhandlnng  in  Kenntniss 
gesetzt  und  aufgefordert,  aus  ihrer  Mitte  zwei  Insassen  zu  erwählen,  diese 
mit  einer  Vollmacht  zu  versehen  und  anzuweisen,  im  Grunde  der  besagten 
Terbandlnng  vor  dem  gefei-tigten  HeiTschaftsverwalter  zu  erscheinen. 
Ytnnög  der  am^  November  1842  somit  letzt  bewirkten  individuellen  Be- 
schreibung zählt  die  besagte  Gemeinde  32  bespannte,  21  unbespannte 
frundbesitzende  Wirthe,  7  7  Häusler  und  6  Inleute,  deren  Schuldigkeit  nach 
dem  BucoTinaer  ürbarialsystem  in  53  Fuhren  Kopfholz,  53  Strähnen 
Garn,  53  Hühnern  und  1140  Fi'ohntagen  besteht,  ausserdem  haben  diese 
den  Katnralzehent  von  allen  Feld-  und  Gartenerzeugnissen  abzugeben, 
den  Henzehent  mit  3  kr.  W.W.  per  Klafter  in  der  Rundung  des  Schobers 
geredinet  zu  reluieren,  und  der  Bespannte  per  1  fl.W.W.,  der  Unbe- 
spannte und  Häusler  hingegen  per  30  kr.  W.  W.  sub  titulo  Wald- 
eonvention,  nämlich  für  den  Bezug  des  Abraum-  und  Lagerholzes  an  die 
Herrschaft  zu  entrichten.  Nach  den  angenommen  werdenden  Inventarial- 
prmsen  würden  die  obigen  Schuldigkeiten  im  Gelde  betragen,  und  zwar: 
53  Fuhren  Kopfholz  ä  12  kr.  =  10  fl.  36  kr.,  53  Strähne  Garn  ä  15  kr. 
=  13  fl.  15  kr.,  63  Hühner  ä  8  kr.  =  2  fl.  42  kr.,  1140  Frohntage 
ä  10  kr.  =  190  fl.    Der  Zehent  wird  nach  dem  Resultate  der  im  Jahre 


^  Die  Zahl  fehlt. 

Atikn.    LXXXIll.  Bd.    U.  U&lfte.  24 


362 

1837  vorgenommenen  Grundschätzung  behufs  der  landesfurstlichen 
Grundsteuerbemessung,  und  zwar  nach  dem  in  der  Gemeinde  ermittelten 
Ertrage  des  sämmtlichen  unterthänigen  Grundbesitzes  per  1444  fl. 
147«  ^'f  nämlich  mit  dem  zehnten  Theile  hieyon  angeschlagen  mit 
144  fl.  2b* 1 4  kr.    Die  Waldconyention  auf  Conventionsmünze  reduciert 

32  fl.  24  kr.,  zusammen 393  fl.  22«/4  kr. 

In  Bücksicht  dessen  aber,  dass  der  Werth  eines 
Zugfrohntages  nach  dem  Bucovinaer  Urba- 
rialsystem  mit  wenigstens  24  kr.  und  ein 
Handtag  mit  12  kr.  angeschlagen  werden 
könne,  so  kommen  annoch  zur  obigen  Summe 

zuzuschlagen 114„36        „ 

Nachdem  bei  der  Zufuhr  des  Kopfholzes  wenig- 
stens ein  Tag  erfordert  wird,  so  wird  die  Zu- 
fuhr des  Kopfholzes  gleich  dem  Werthe  eines 
Zugfrohntages  gestellt  und  das  Mehrere  mit       10  „   36        „ 
sowie  auch  für  ein  Sti*ähn  Garn,  das  der  ünter- 
than  aus  eigenem  Materiale  zu  erzeugen  und 
abzuliefern  schuldig  ist,  mit  dem  üblichen 
Werthe  von  30  kr.,  somit  mit  15  kr.  höher 
an-  und  der  obigen  Summe  zugeschlagen  per       13  „   15       ^ 
Endlich  werden,  nachdem  eine  ausgewachsene 
Henne  wenigstens  mit  6  kr.  im  Werthe  an- 
geschlagen werden  kann,  annoch  zugeschlagen         2  „  42       ^ 
Der  Gesammtwerth  der  zu  reluierenden  sämmt- 
liehen  Schuldigkeiten  und  Giebigkeiten  würde 

sonach  betragen 534  fl.  Sl"/*  kr.  C.-M. 

Die  mit  der  Gemeindevollmacht  ddo.  2.  December  1842,  die  dem  gegen- 
wärtigen Protokolle  im  Anschlüsse  beigelegt  wird,  sich  ausgewiesenen 
Bevollmächtigten  Ustin  Prokopow,  Tadey  Sidorow  und  Firsa  DinaWw 
wurden  demnach  vorgerufen,  und  nachdem  denselben  bekannt  gegeben 
worden,  dass  die  administrierende  Behörde  nicht  abgeneigt  sei,  sich  anch 
auf  eine  fernere  Dauer  von  3 — 6  Jahren  mit  denselben  über  die  Be- 
luierung  sämmtlicher  Schuldigkeiten  im  Gelde  abzufinden,  wurden  die- 
selben befragt:  Ihr  habt  im  Namen  der  Gemeinde  die  wohlüberdachte  Er- 
klärung hier  zu  Protokoll  zu  geben,  ob  Ihr  die  hier  landesüblichen 
ürbarialschnldigkeiten,  nämlich  die  BYohne,  dann  die  übrigen  Giebig- 
keiten in  natura  abzustellen  oder  im  Gelde  zu  reluieren  gesonnen  seid, 
endlich  in  letzterem  Falle,  welchen  Betrag  Ihr  der  Herrschaft  als  ein 
Belutum  im  Gelde  zahlen  wollet?   Wir  waren  nicht  darauf  gefasst,  dass 


363 

lue  Herrschaft  den  bisheiigeu  Kelutionsbetrag  steigern  werde,  und  haben 
m  dem  Grunde  mit  den  Machtgebern  diesfalls  keine  Bücksprache  ge- 
pflogen; wir  bitten  daher,  uns  zu  erlauben,  dies&lls  mit  den  Machtgebern 
in  Berathung  treten  und  morgen  früh  die  Antwoii)  zu  Protokoll  geben  zu 
Itnfen.  $flpca  HrnarFB  m.  p.,  f  ycxflii'B  IIpoKonB'L,  f  ^ff,e&  Cft- 
jiopBrL,  Aenyxa,  f  rajairrftBH'B  ÄBopHfliTB.  ^  Somit  wurde  das  Pro- 
;okoU  far  heute  geschlossen  und  gefertigt.  Sig.  ut  supra.  Hohenauer, 
Cischek  (?).  —  Fortsetzung  den  4.  December  1842.  Die  erschienenen 
ot^fertigten  Deputierten  erklären:  Ad  1.  Wir  haben  uns  mit  sämmt- 
Hchen  Ortsinsassen  berathen  und  erklären  daher,  dass  wir  überhaupt  für 
sämmtiiche  Schuldigkeiten  und  Giebigkeiten,  nämlich  für  die  Frohnen,  für 
43S  Gamgespunst,  die  Fuhre  Kopfholz,  dann  die  Hähne  den  bisherigen 
fielnitionsbetrag  per  320  fl.,  sage  dreihundertundzwanzig  Gulden  C.-M. 
ui  halbjährigen  anticipativen  Baten  an  die  Herrschaftsrenten  als  ein  Be- 
hitnm  jährlich  entrichten  wollen  und  den  diesfälligen  Vertrag  vom  1.  Mai 
1843  angefangen  mit  der  Herrschaft  zu  schliessen  bereit  seien.  2.  Ihr 
äeheint  in  dem  Wahne  zu  sein,  dass  der  Abfindungsbetrag  für  sämmt- 
Hebe  Schuldigkeiten  von  Euch  abhänge,  oder  scheint  Ihr  nicht  zu  wissen 
oder  wissen  zu  wollen,  dass  im  Grunde  des  von  weiland  Sr.  Majestät 
Kaiser  Joseph  erhaltenen  Zugeständnisse  (Privilegium)  die  Grandherr- 
^^laft  das  Becht  habe,  Yon  Euch  jene  Schuldigkeiten  und  ürbarial- 
^bigkeiten  abzuverlangen,  welche  von  ähnlichen  Bucov.  ünterthanen 
gefordert  und  geleistet  werden,  femer  dass  es  nicht  den  ünterthanen 
^igestellt  sei,  der  Herrschaft  die  Schuldigkeiten  nach  eigenem  Gut- 
Unken  abzustatten  oder  dieselbe  beliebig  in  Geld  abzufertigen.  Es 
wird  Euch  demnach  bekanntgegeben,  dass  vermöge  dem  Bucov.  Ur- 
barialsystem  und  dem  bisher  aufrecht  erhaltenen  Chrisov  es  allein  der 
Herrgchaft  zusteht,  die  Schuldigkeiten  in  natura  abzuverlangen  oder  sich 
iü  Hinsicht  des  Beluitionsbetrages  mit  denselben  abzufinden.  Im  Grunde 
^sma  wird  denselben  daher  ferner  bedeutet,  dass  der  angetragene  Be- 
hiitionsbetrag  per  320  fl.  C.-M.  um  so  unannehmbarer  erscheint,  als  die- 
^Iben  selbst  nicht  verkennen  dürften,  dass  die  besagten  Schuldigkeiten 
^ein  einen  um  so  höheren  Werth  haben,  als  die  Frohne,  bei  wirthschafk- 
Hdien  Verrichtungen  verwendet,  weit  zweckmässiger  verwerthet,  das 
^gespunst  und  die  Hähne  um  weit  höhere  Preise  veräussert  und  selbst 
^  Kopfholz,  das  die  ünterthanen  aus  eigenen  Mitteln  anzukaufen  und 
^  Herrschaft  nach  dem  beliebigen  Orte  beizustellen  haben,  einen  weit 


'  Die  in  der  Urkunde  nicht  unterschriebenen  Namen  lauten :    Firsa  Ihna- 

tow;  Ustin  Prokopow;  Fedei  Sidorow,  deputa;  Haiaktion,  dwomik. 

24» 


364 

höheren  Werth  hat.    Dieselben  mögen  daher  wohl  erwägen,  dass   wem 

die  Gremeinde  der  Herrschaft  keinen  angemessenen  Entgelt  für  besagte 

Giebigkeiten  au  zahlen  sich  anheischig  machen  und  verpflichten  wollte 

der  Herrschaft  das  Recht  unbenommen  bleibt,  die  Giebigkeiten  und  di< 

Frohne  in  natura  zu  fordern.    Ad.  2.  Wir  erklären  hiemit,  dass  wir  it 

einem  höheren  Beluierungsbetrage  als  dem  obangetragenen  per  320  fl.C.-M 

uns  nicht  herbeilassen  können,  und  bitten,  womit  dieser  nach  unserem  Ep 

achten  angemessene  Entschädigungsbetrag  umsomehr  angenommen  unc 

wir  von  den  Naturalleistungen  um  so  gnädiger  enthoben  werden  wollen, 

als  die  Gemeinde  sich  zu  keiner  höheren  Entschädigung  herbeizulasset 

erklärt  habe.  3.  Dieselben  erklärten,  bloss  die  Frohne  und  die  Kleingaben, 

als  das  Garngespunst,  die  Fuhre  Kopfholz  und  die  Hähne  mit  320  fl.  C.-M 

reluieren  zu  wollen.   Nachdem  dieselben  daher  rücksichtlich  des  Zehentä 

von  ihren  Grunderzeugnissen,  dann  der  Waldconvention  für  die  Holzung 

in  dem  angrenzenden  herrschaftlichen  Revier  keine  Erwähnung  machten, 

so  werden  dieselben  hiermit  angefordert,  sich  zu  erklären,  ob  sie  der 

Naturalzehent  in  natura  abgeben  und  die  Waldconvention  entrichten 

oder  auf  die  freie  Holzung  Vei-zicht  leisten  wollen?   Ad.  3.  Wir  können 

uns  zur  Abstellung  des  Zehents  von  den  Erzeugnissen  unserer  Gründe 

nicht  erklären,  weil  wh-  es  nicht  verpflichtet  sind.    Im  Grunde  einer  mil 

der  Herrschaft  und  der  Gemeinde  vor  mehreren  Jahren  getroffenen  üeber  ^ 

einkunft  hat  nämlich  die  Gemeinde  der  Herrschaft  als  Entschädigung  deg 

Zehents  ein  Stück  Rusticalgrundes  von  beiläufig  80  Faltschen  in  eigene 

'Benützung  überlassen,  und  so  ist  die  Gemeinde  der  Pflicht,  den  Zehen f 

abzustatten,  enthoben  worden  und  bleibt  es  so  lange,  als  die  Herrschaft 

im  Besitze  und  Genüsse  dieses  Grundes  sich  befinden  wird.    Die  besagte 

Uebereinkunft  soll  noch  zu  jener  Zeit  stattgefunden  haben,  als  das  Dori 

Klimoutz  in  der  eigenen  Aerarialregie  gestanden  und  der  ehemaligen 

Wirthschaftsdirection  zu  Radautz  zugetheilt  sich  befand,  somit  vor  50  wc 

nicht  mehr  Jahren.    Die  Gemeinde  besitzt  zwar  hierüber  keine  Schrift 

noch  sonst  eine  Urkunde,  allein  zur  Zeit,  als  der  bereits  verstorbene 

Cameralverwalter  Kunzek  zu  Zuczka  amtierte  und  die  Bückstellung  de« 

besagten  Grundes  unsererseits  angesprochen  wurde,  wies  uns  derselbe 

eine  von  mehreren  Ortsinsassen,  namentlich  von  Martin  Abrahamow 

Dwornik ;  Thodor  Andrejow,  Timofey  Anikejow,  Luka  Simionow,  Stepau 

Korilla  (?)  und  noch  anderen  gefertigte  Schrift  vor,  welche  besagte  Abfin^ 

dungsverhandlung  enthalten  haben  soll.    Die  Waldconvention  entrichten 

wir  bisher  alljährlich,  und  zwar  abgesondert  von  dem  Reluierungsbetragc 

der  Schuldigkeiten,  an  den  jeweiligen  Gntspächter,  und  erklären  daher, 

dass  wir  auch  fernerhin  diese  nach  der  bisherigen  Hebung  entrichten 


865 

vollen.  Nachdem  wir  jedoch  seit  10 — 12  Jahi'en  das  benöthigende 
Zengholz  nicht  erhalten  haben,  so  bitten  wir,  wenigstens  von  uun  an  da- 
mit betheilt  za  werden.  —  Vorgelesen  und  befragt:  4.  Ob  dieselben  bei 
iker  hier  zu  Protokoll  gegebenen  Erklärung  behaiTen  oder  sonst  etwas 
beizufügen  haben?  Ad.  4.  Wir  beharren  unabänderlich  bei  unseren  Aus- 
^agen,  ohne  ferneren  Zusatz.  $Apca  HrnarBi»,  f  YcTfiH'B  üpoKiiBi», 
t  ^efl  CöÄopBX,  t  BopHÖKT,  TajaKTfiH'B  CflAopB'L  (L.  S.  vonKlimoutz.)^ 
Pör  heute  geschlossen  und  gefertigt  dat.  ut  supra.  Hohenauer,  Cischek  (?). 

88.  0.  Actum  Fontina  alba.  4.  Becember  1842.  (Hier  im  Aus- 
zage.) —  Der  vorhergehenden  Nummer  entsprechendes  Protokoll  mit 
Fontina  alba.  Die  Einwohnerzahl  betrug  36  bespannte,  7  unbespannte 
^ndbesitzende  Wirthe,  59  Häusler  und  6  Inleuto.  Die  Giebigkeiten 
ierselben  wurden  mit  438  fl.  56V4  kr.  berechnet.  Als  Bevollmächtigte 
ier  Gemeinde  erschienen  Iwan  Kirillo,  Wassyli  Iwanow  und  der  Richter 
Feder  Petrow.  Sie  gaben  ähnliche  Erklärungen  wie  die  Klimoutzer  ab 
und  wollten  als  Reluition  nur  190  fl.  C.-M.,  die  Waldconvention  aber  wie 
froher  in  Wiener  Währung  entiichten.  Von  den  drei  genannten  Bevoll- 
oächtigten  hat  nur  lBaHi>  KHpHjaBi»  (!)  m.  p.  gefertigt.  Im  Siegel  (von 
Fontina  alba?)  sieht  man  innei'halb  des  kreisrunden  Feldes  nur  ein  Quadrat. 

89.  0.  14.  Jänner  1843.  —  Löbliche  k.  k.  Cameralbezirksverwal- 
tang!  Mit  Allerhöchster  Genehmigung  weiland  Sr.  Majestät  Kaiser  Joseph 
sind  mehrere  der  am  schwarzen  Meere  wohnenden  altgläubigen  Familien 
oach  dem  Js^e  1783  in  der  Bukowina  eingewandert,  und  einige  hievon 
haben  sich  auf  den  Beligionsfondsgütern  Klimoutz,  dann  Fontina  alba 
ond  Wamiza  niedergelassen,  die  nun  im  Bereiche  der  vereinten  Religions- 
fondfiherrschaften  Euczurmare  und  St.  Onufrey  die  Gemeinden  Klimoutz 
QBd  Fontina  alba  oder  Bila  Kernica  bilden.  Vermöge  des  hier  1/1  in  be- 
ruhigter Abschrift  anruhenden  Privilegiums  vom  9.  October  1783  sind 
iiesen  Familien  bedeutende  Begünstigungen  zugestanden  worden;  diesen 
wvde  nämlich:  1.  die  vollkommen  freie  Ausübung  ihrer  Religion  ge- 
^^Uttet,  ist  diesen  2.  von  der  Zeit  ihrer  Ansiedelung  durch  20  Jahre  die 
Entrichtung  der  Contribution  und  Steuern  nachzusehen  zugesichei*t,  dann 

3.  die  Befreiung  vom  Militärstande  zugestanden  worden,  und  sie  sollten 

4.  nach  Verlauf  der  20  Jahre  nur  nach  Mass  ihrer  Vermögensumstände 
b^^ahlen  und  wie  andere,  mit  ihnen  in  gleicher  Lage  befindliche  kaiser- 
uche  ünterthanen  hierinfalls  behandelt  werden.  Die  Niederlassung  dieser 
Familien  auf  den  besagten  Religionsfondsgründen  dörfte  noch  vor  der 
Anziehung  der  Bukowiner  Religionsfondsgüter  in  die  allgemeine  Aerarial- 

»  Vergl.  S.  356,  Anm.  2. 


366 

verwaltnng  stattgefunden  haben,  weil  hierüber  keine  Yerhandlungsacten 
vorhanden,  wenigstens  hier  keine  bekannt  sind^.  Nach  der  Einziehung 
der  Bnkowiner  Beligionsfondsgüter  standen  die  besagten  zwei  Gemeinden 
zwar  unter  der  Verwaltung  der  zu  Radautz  bestandenen  Güterdirection 
und  dem  Yerwalteramte  St.  Onufrey,  aber  wie  aus  den  hier  anliegenden 
Actenstücken  neuerer  Zeit  zu  ersehen  ist,  soll  auch  da  keine  Spur  deren 
Ansiedelung  und  Behandlung  rücksichtlich  der  Grund-  und  sonstiger  Ur- 
barialschuldigkeiten  aufzufinden  sein,  und  da  diese  Gemeinden  im  Jahre 
1791  mit  den  Beligionsfondsherrschaften  Euczurmare  und  St.  Onufrey 
in  die  dreissigjährige  Pachtung  vom  Jahre  1791  übei*gegangen  sind,  so 
konnte  bisher  in  der  nur  aus  einigen  unvollkommenen  Bruchstücken  be- 
stehenden Begisti*atur  dieser  Pachtung  diesfalls  auch  nichts  aufgefunden 
werden ;  man  muss  daher  schliessen,  dass  die  Bewohner  dieser  zwei  Ge- 
meinden bezüglich  der  Leistungen  an  Grund-  und  sonstigen  Schuldig- 
keiten mit  denen  alle  drei  Jahre  gewechselten  Afterpächtern  ohne  Inter- 
venierung des  k.  k.  Ereisamtes  sich  abgefunden  haben.  Nach  Ausgang 
der  dreissigjährigen  Pachtung  und  im  Jahre  1821  eifolgten  Einziehung 
besagter  BeligionsfondsheiTschaften,  nämlich  bei  der  durch  den  gewe- 
senen Buk.  Staatsgüterinspector  Schubert  zufolge  k.  k.  Staatsgüteradniini- 
strationserlasses  vom  23.  Juli  1820,  Nr.  7206,  erhobenen  Erträgniss 
behufs  der  neuerlichen  Verpachtung  hat  dieser  mit  den  besagten  zwei 
sogenannten  Lippowaner-Gemeinden  bezüglich  der  Unterthansschuldig- 
keiten  unterhandelt.  . .  .  (Es  folgen  Mittheilungen  über  die  in  den  Num- 
mern 64,  65,  67,  68,  77  und  78  dargelegten  Bechtsgeschäfte.  Hierauf 
wird  über  die  unter  Nr.  87  und  88  mitgetheilten  Verhandlungen  berichtet 
und  die  Schätzungsergebnisse  derselben  in  der  S.  286  und  292  angeführten 
Art  richtiggestellt.  Hierbei  wird  einerseits  hervorgehoben,  dass  ,man 
überzeugt  ist,  dass  diesen  (den  Lippowanern)  die  Reluierung  der  Schul- 
digkeiten im  Gelde  um  so  erwünschter  ist,  weil  diese  sich  theils  mit  dem 
Handel,  theils  mit  auswäiiigen  Arbeiten  beschäftigen  und  daher  bei  Ab- 
arbeitung der  Frohne  in  ihren  Unternehmungen  nur  behindei*t  würden  ;* 
andererseits  wird  die  Ansicht  ausgesprochen^  ,dass  besagte  Gemeinden  zur 
Abstattung  aller  Schuldigkeiten  in  natura  verhalten  werdend  Die  Berechti- 
gung dieser  Forderung  wird  unter  Hinweis  auf  eine  frühere  Entscheidung 
dargethan.  lieber  die  Eigenthumsrechte  der  stiittgen  Wiese  (vergl.  Nr.  87), 
die  hier  mit  160  Joch  bemessen  wird,  wird  wegen  Mangels  an  Acten  nichts 
Bestimmtes  entschieden)  . . .  Nicht  genug  an  dem,  dass  diese  Gemeinden 
die  Abstattung  der  Schuldigkeiten  in  natura  versagen  und  sich  nicht 


^  Diese  Behauptungen  sind  nur  theilweise  richtig. 


367 

htfbeilassen  wollen,  diese  den  Verhaltnissen  und  dem  Werihe  angemessen 
m  Gelde  zu  relnieren,  wird  die  Herrschftffc  noch  insbesondere  dordi  diese 
iB  dem  Propinationsertrage  beeinträchtigt,  denn  diese  wollen  nicht  nur 
keine  Wirthshaaser  in  der  Gemeinde  dulden,  aber  führen  besonders  viel 
Bier  ein,  welches  dann  in  Gemeinschaft  verzehrt  wird,  und  weil  der 
^rdsste  Theil  dieser  dem  Trünke  geistiger  Getränke  ergeben  ist,  suchen 
£ese  ihre  Sauflnst  in  den  angrenzenden  Privatschankhänsem  zu  befrie- 
%n.  Es  ist  daher  augenscheinlich,  dass  sie  Allem  zuwider  sind,  was 
^  Beste  der  Herrschaft  betrifft,  der  sie,  wo  nichts  Anderes,  doch  wenig- 
iteos  den  Schutz  und  die  Gerichtsbarkeit  zu  verdanken  haben,  und  der 
aeinnelen  Beziehungen  viel  zu  schaffen  und  zu  thun  geben.  Dass  diese 
6emeinden  sich  auch  in  anderen  Beziehungen  unter  dem  Deckmantel  der 
Seligion  den  allgemeinen  Vorschriften  selbst  mit  Hintansetzung  des  all- 
fcmeinen  Wohles  widersetzen,  wolle  aus  folgender  Schilderung  entnommen 
werden.  Die  ursprünglichen  Bewohner  dieser  zwei  Gemeinden  bildeten 
nrei  Secten,  Popinczuki  und  Bezpopinczuki,  das  ist  mit  Priestern  und 
ibe Priester;  in  beiden  Gemeinden  befinden  sich  Kirchen,  und  zwar  derm 
inneren  and  äusseren  Ansehen  nach  ganz  den  griechischen  gleich  und 
wohl,  man  kann  sagen,  kostspielig  eingerichtet;  an  Priestern  leiden  diese 
lehrentheils  Mangel,  waiiim?  Dies,  sowie  viele  ihrer  Beligionsgebräuche 
lii^ibt  ein  Geheimniss.  Weil  in  diesen  zwei  Gemeinden  nur  äusserst  selten 
An  Priester  sich  befindet,  denn  diese  müssen  tief  aus  Bussland  gehoH 
werden  (eben  vor  Kurzem  ist  einer  mit  Uebergehung  aller  Grenz-  und 
bnitatsTorschriften  eingeschwärzt  worden),  finden  nur  äusserst  selten 
(nämlich  nur  bei  Bemittelten,  die  zu  ihren  Glaubensgenossen  nach  Buss- 
Ittd  reisen  können)  Trauungen,  Kindestaufen  und  Beerdigungen  statt; 
üe  Meisten  leben  daher  im  Concubinate  und  werden  entweder  gar  nicht 
^er  höchst  selten  getauft,  und  da  sie  gegen  alle  Vorschrift  keine  Fried- 
höfe haben,  in  Gärten  oder  sonstigen  Orten  verscharrt.  In  dem  Dorfe 
fontina  alba  befindet  sich  zwar  seit  einigen  Jahren  ein  M6nch-Kaluger- 
Oostermit  16  Mönchen,  aber  diese  haben  sich  ohne  Wissen  der  Begie- 
ftsg  eingeschlichen  und  sind  zweifelsohne  russische  Emigranten,  Militär- 
fflichtige  und  daher  Flüchtlinge  oder  gar  Deserteure,  wo  nicht  mehr. 
^Mönche  haben  gar  keinen  Zweck,  denn  sie  verrichten  keine  priester- 
i^en  Functionen^  weil  ihr  Beruf  blos  Beten  und  Fasten  sein  soll,  be- 
wohnen in  einigen  Häusern  kleine  Zellen  und  verrichten  die  Gebete  in 
^r  eigenen  Kirche.  Ihre  Wohnhäuser  mit  den  Zellen,  dann  deren 
Erehe  sind  von  Holz  in  einem  grossen  Obstgarten  erbaut,  letztere  mit 
••^khen  Bildern,  kostspieligen  Ornaten  und  vorzüglichen  Glocken  ausge- 
stattet. Diese  Gemeinden  entziehen  sich  ohngeachtet  der  politischen  An- 


L 


368 

Ordnungen  der  Fühlung  von  Matrikel,  d.  i.  Tauf-  und  Sterbebücher,  da- 
her  nicht  nui*  die  Nationalitat  nicht  ergründet  werden  kann,  aber  den 
Nachtheil  hat,  dass  die  sich  doi*t  einschleichenden  fremden,  insbesondere 
dem  Wehrstande  sich  entziehenden  Individuen  lippowanisiert  und  so  den 
Nachforschungen  entzogen  werden.  Hiedurch  kann  ferner  der  Stand  der 
Familien  nicht  nur  nicht  eruiert,  aber  selbst  den  Grundzerstückelungen 
kein  Ziel  gesetzt,  somit  können  auch  die  Urbarialbeschreibungen  nicht 
gehörig  ermittelt  werden.  Entziehen  sich  diese  Einwohner  unter  dem 
Deckmantel  der  Beligion  den  Sanitatsvorschiiften,  nämlich  der  Impfang 
und  der  ärztlichen  Behandlung  bei  Epidemien,  was  des  allgemeinen 
Wohles  wegen  den  politischen  Vorschriften  zuwider  ist.  Unter  dem  Titel 
der  Beligionsgrundsätze  wollen  sich  diese  der  politischen  Vorschrift,  das 
Vieh  mit  dem  Brenneisen  zu  bezeichnen,  nicht  unterziehen.  Unter  dem 
Verwände  der  Beligion  haben  sich  selbe  der  Unterhaltung  der  Grenzczer- 
daken,  einer  das  Wohl  des  Landes  bezweckenden  Anstalt,  entzogen,  ob- 
sdion  diese  bekannten  Schwärzer  ein  besonderes  Augenmerk  verdienten. 
Bedienen  sich  die  Bewohner  dieser  Gemeinden  meist  eingeschlichener 
Fremdlinge,  die  sich  dann  nach  Lippowaner  Art  verkleiden,  den  Bart 
wadisen  lassen  und  unkennbar  werden,  bei  ihren  häuslichen  Verrich- 
tungen und  unter  angenommenen  moskowitisch  klingenden  Namen  auch  bei 
auswärtigen  im  Geding  übernommenen  Arbeiten  oder  sonstigen  Unter- 
nehmungen als  Lohn  oder  aus  Dankbarkeit  für  den  geleisteten  ver- 
botenen Unterstand.  Bei  dem  Abgange  von  Matrikel-  und  genauen 
Conscriptionsbüchern  muss  man  es  dulden,  weil  man  keinen  Gegenbeweis 
herstellen  kann.  . .  .  (Hier  folgt  die  S.  317  wiedergegebene  Stelle  über  die 
Beschäftigung  der  Lippowaner  von  den  Worten:  ,Ist  wohl*  bis  ,behobeu 
haben'.)  . . .  Gestatten  diese  unter  dem  Vorwande,  die  Beligion  erlaube 
keine  Vermischung  mit  anderen  Glaubensgenossen,  nicht,  dass  Wirths- 
häuser  im  Dorfe  errichtet  werden,  und  doch  findet  man  diese  zu  jeder  Zeit 
in  den  umliegenden  Wirthshäusern  und  Kneipen,  ja  selbst  in  Städten 
ohne  einer  Auswahl  der  Individuen,  nämlich  in  Gesellschaft  allerhand 
Glaubensgenossen,  zechend  und  im  hohen  Grade  berauscht.  Endlich 
scheinen  diese  nichts  weniger  als  die  Grundsätze  der  Beligion  zu  be- 
achten, weil  schon  mehrere  Individuen  des  Diebstahles,  Baubes  und  Mordes 
beschuldigt  und  bestraft  worden  sind.  Aus  dem  Allen  erhellt,  dass  diese 
Familien  unter  dem  Deckmantel  der  Beligion  sich  Allem  und  Jedem  zu 
entziehen  und  zu  widersetzen  bemüht  sind,  was  ihnen  widrig  scheint  und 
lässig  (!)  fallt,  dass  daher  diese  auch  keine  und  umsoweniger  von  Seiten 
der  HeiTSchaft  eine  Bücksicht  verdienen,  als  diese  sich  auch  anmassen, 
sonstige  Bechte  der  Herrschaft,  und  das  mit  Gewalt,  zu  bestreiten,  näm- 


369 

• 

lieh  die  Waldparcellen  Lesok,  dann  Warniza  nnd  Fnndatnra  sich  zuzu- 
eignen, was  in  einer  besonderen  Verhandlung  steht.  Zuczka,  14.  Jänner 
1843.    Hohenauer,  Quirsfeld,  Hauser. 

90.  A.  12.  April  1843.  Hofrecurs  der  Mönche  Olympi  Miloradow 
and  Paul  Wassylow  um  Belassung  ihres  Klosters,  Bestätigung  ihres  Or- 
densstatotes  und  Bewilligung  eines  Weihbischofs.  —  Im  Vertrauen  auf 
das  Privileg  ist  eine  grosse  Zahl  von  Glaubensgenossen  mit  allen  Ein- 
richtangen  fQr  eine  Kirche  und  ein  Kloster  eingewandert;  unter  den- 
selben befanden  sich  13  Mönche.  Da  diese  nach  ihrer  Religion  nur  in 
Hnem  Kloster  leben  dürfen,  so  wurde  gleich  damals  ein  Kloster  begründet. 
Unter  den  Mönchen  waren  auch  Hieromonachen,  das  ist  Geistliche,  welche 
die  höheren'  Weihen  erhalten  haben  und  die  kirchlichen  Functionen  aus- 
üben durften.  Da  die  Auswanderung  aus  Russland  hierauf  verboten 
wurde,  so  sind  jetzt  nur  Mönche  mit  den  niederen  Weihen  vorhanden,  die 
Hieromonachen  aber  ausgestorben.  Weil  Mönche  keine  kirchlichen  Func- 
tionen ausüben  dürfen,  so  müssen  alle  Taufen  und  Trauungen  im  russi- 
schen Bessarabien  oder  in  der  Moldau  vorgenommen  werden.  Dies  ver- 
nrsacht  viele  Schwierigkeiten  und  Kosten ;  oft  sterben  Kinder,  bevor  sie 
getauft  werden,  und  erwachsene  Leute  sterben,  ohne  dass  sie  das  heilige 
Sierament  der  letzten  Oelung  erhalten  hätten.  In  der  ganzen  österreichi- 
schen Monarchie  bestehen  keine  Altgläubigen  von  gleichem  Glaubens- 
bekenntnisse wie  die  Lippowaner.  Die  vier  Lippowaner-Gemeinden  der 
Bukowina  bitten  daher  um  Gestattung  eines  Weihbischofs,  der  nach  ihren 
Beligionsbegriffen  aus  dem  Mönchsorden  hervorgehen  muss.  Dieser  solle 
seinen  Nachfolger  bestimmen  und  den  Mönchen  die  höheren  Weihen  er- 
theilen  dürfen.  Da  nun  eines  ohne  das  Andere  nicht  bestehen  könne, 
so  bitten  sie  auch  um  die  Bewilligung  des  Klosters.  Nur  so  könnten  sie 
ihre  Religion  ausüben  und  vom  Auslande  unabhängig  sein.  Sie  werden 
den  Weihbischof  selbst  erhalten  und  von  der  Regierung  hiefür  nichts  an- 
sprechen. Wenn  die  Mönche  geweiht  sein  werden,  so  würden  sie  nicht 
bk>ss  ein  contemplatives  Leben  führen,  sondern  auch  den  Gk)ttesdienst  be- 
sorgen, als  Seelsorger  thätig  sein  und  der  Jugend  den  ReligionsunteiTicht 
ertiieilen.  Der  Bischof  in  Czernowitz  sei  zu  einem  Gutachten  über  sie  nicht 
competent.  Matrikenbücher  könnten  erst  geführt  werden,  wenn  sie  einen 
Weihbischof  und  geweihte  Geistliche  haben  werden,  da  bis  dahin  Taufen 
and  Trauungen  im  Auslande  vorgenommen  werden  müssten. 

91.  Ä.  A.  22.  September  1843.  (Gekürzt.)  »Bezirksverwaltung 
theilt  mit  die  sub  Nr.  3501  abverlangten  kreisämtlichen  Verhandlungs- 
acten  zur  Amtshandlung  über  die  Beschwerde  der  Gemeinde  Lippoweny 
gegen  die  Häuslerfrohne.   —  üeber  die  rückfolgende  Berufung  der  zur 


370 

Herrschaft  St.  Die  gehörenden  Gemeinde  Rnschior-Lipoweni  gegen  den 
Dominicalbescheid  vom  10.  December  1840,  Zahl  4270,  wird  in  Folge  des 
rückfolgenden  geehrten  Ind.  vom  25.  December  1840  unter  Anschlnss 
der  diesfälligen  Dominiculerhebnng  die  Aensserang  in  Folgendem  er- 
stattet. . . .  (Bas  Folgende  ist  bereits  oben  S.  239  f.  und  S.  274 ff.  mitge- 
theilt.  Der  Schlnss  der  Urlninde  lautet:)  ...  Im  Jahre  1826  aber  wurde 
die  Herrschaft  St.  Ilie  verpachtet  und  seitdem  die  Urbarialschuldigkeit 
der  Gemeinde  Lippoweny  durch  diesen  beschrieben  und  nach  dem  be- 
stehenden Beluitionsvertrage  eingehoben.  Aus  der  Torstehenden  rech- 
nungsmässigen  Nachweisung  wird  ein  löbliches  k.  k.  Ereisamt  ersehen, 
dass  man  sich  in  Ansehung  der  Urbarialgabenreluition,  insbesondere  be- 
züglich der  Häusler,  nicht  an  die  ursprüngliche,  sondern  an  die  von  Jahr 
zu  Jahr  wirklich  bestandene  Familienanzahl  seit  jeher  gehalten  habe, 
dass  somit  das  Verlangen  der  Gemeinde,  womit  die  in  Zuwachs  kommen- 
den nicht  behausten  Familienväter  von  den  Urbarialgaben  freigehalten 
werden,  umsoweniger  statthaft  sei,  als  diese  Befreiung  weder  in  der  hier- 
ländigen  Unterthans Verfassung,  noch  in  dem  Veiirage  vom  Jahre  1803, 
noch  aber  in  dem  bisherigen  Gebrauche  gegründet,  die  Herrschaft  übrigens 
in  Ansehung  der  Dominical-Jurisdictionsauslagen  bezüglich  dieser  Fami- 
lien in  keiner  Art  losgezählt  ist.  Auf  diese  Gi*ünde  und  den  Umstand, 
dass  die  Bobot  und  die  Urbarialkleingaben  in  der  Bukowina  keine  Grund-., 
sondern  eine  Personalabgabe  sind,  stützt  sich  der  Dominicalbescheid  vom 
10.  December  1840,  Zahl  4270,  und  ein  löbliches  k.  k.  Kreisamt  wird 
gebeten,  die  recurrierende  Gemeinde  hienach  abweisen  zu  wollen.  Solka, 
22.  September  1843.    Buch  m.  p. 

92.  A.  16.— 22.  Februar  1844.  Protokoll  des  Kreisamtes?  *  — 
Das  Kloster  ist  auf  dem  von  Petrowicz  geschenkten,  ringsum  eingeplank- 
ten  Obstgai-ten  mitten  im  Dorfe  erbaut.  Die  Kirche  ist  nach  Art  der 
griechisch-katholischen  Kirchen  ganz  aus  Holz  erbaut  und  fasst  200 
Menschen ;  sie  hat  drei  mit  Kreuzen  versehene  Thürme,  von  welchen  der 
eine  zugleich  als  Glockenthurm  dient.  In  dem  Obstgarten  sind  ausser 
der  Kirche  noch  fünf  Holzhäuser;  in  einem  derselben  wohnt  der  Kloster- 
vorsteher, in  den  anderen  die  Mönche  in  Zellen;  sie  verrichten  Hand- 
werksarbeiten, von  denen  sie  sich  vorzüglich  ernähren.    Vor  beiläufig 

'Ans  dem  Zustande  des  Wickenhause  raschen  Manuscriptes  war  es  nicht 
genau  zu  ersehen,  ob  zu  diesem  Titel  das  Folgende  gehört;  doch  ist  dies 
wohl  ans  dem  ganzen  Sachverhalte  (vergl.  Beilage  90  und  die  folgende 
Beilage  93)  ziemlich  zweifellos.  Für  jeden  Fall  jrehören  die  in  unserem 
Schriftstücke  gemachten  Angaben  derselben  Zeit  an  wie  die  in  der  Bei- 
lage 93,  also  dem  Jahre  1844. 


371 

60  Jahi'en  war  das  Kloster  ausserhalb  des  Dorfes  im  Walde  erbaut  wor- 
den. Da  es  aber  von  Räubern  überfallen  und  ausgeraubt  worden  war,  so 
siedelten  sich  die  Mönche  im  Dorfe  an,  wo  sie  im  Jahre  1803  die  Kirche 
auf  eigene  Kosten  erbauten.  Gegenwärtig  leben  in  dem  Kloster  9  Mönche. 
Nach  dem  Ton  ihnen  verfassten  Klosteiinventar  hat  das  Kloster  jährlich 
3060  fl.  Einkommen.  Die  Mönche  würden  das  Kloster,  die  Geistlichen 
und  den  Weihbischof  aus  Eigenem  erhalten.  Der  Weihbischof  bedarf 
keines  Pompes ;  er  lebt  wie  ein  Kaluger  und  unterscheidet  sich  von  den 
anderen  Mönchen  nur  durch  die  geistliche  Kleidung,  welche  er  bei  den 
priesterlichen  Eunctionen  trägt.  Die  Mönche  leben  sehr  massig,  essen 
kein  Fleisch  und  erzeugen  sich  die  Kleider  und  die  anderen  Bedürfnisse 
selbst.  Auch  wollen  sie  im  Dorfe  eine  Schule  errichten  und  erhalten. 
Dem  Kloster  sind  schon  Schenkungen  und  Stiftungen  gemacht  worden, 
theils  an  Grundstücken,  theils  an  baarem  Gelde. 

Fontina  alba  hat  547  Einheimische  und    57  Fremde  in    94  Hausnummern 
Klimoutz         „    755  „  „       85       „       „    131  „ 

Lippoweny 
oder  Mitoka  „    350  „  „11„„63  „ 

Mihidra  »161  „  ^      —      „      „      30  „ 

Zusammen  1813  Einheimische  und  153  Fremde  in  318  Hausnummern. 

Diese  1966  Seelen,  welche  sich  mit  Ackerbau,  Vieh-  und  Bienen- 
mcht,  Oelerzeugung,  Gräbenziehen,  Dammbauten  und  verschiedenen  Ge-^ 
werben  befassen  und  mit  ihren  Erzeugnissen,  besonders  aber  mit  Obst, 
einen  ausgebreiteten  Handel  in  der  Bukowina,  ferner  nach  Galizien  und 
der  Moldau  betreiben,  gehören  zu  den  vermöglichen  Insassen  der  Buko- 
wina. Sie  haben  zwei  Kirchen  und  drei  Kapellen,  aber  keinen  Geist- 
lichen. Ihr  Kloster  in  Fontina  alba  (mit  der  Kirche)  ist  50.000  fl.  C.-M. 
w^lh.  Die  Gemeinde  Klimoutz  hat  eine  Kirche  und  eine  Kapelle,  die 
Gemeinde  Lippoweny  und  die  Gemeinde  Mihodra  je  eine  Kapelle.  Die 
Lippowaner  werden,  soweit  sie  können  und  die  Geistlichen  es  wollen,  zur 
Erhaltung  des  Klosters  beitragen,  da  jeder  Lippowaner  verpflichtet  ist, 
ein  Zehntel  seiner  Einkünfte  zur  Erhaltung  der  Geistlichen  herzugeben, 
was  aber  bisher  nicht  verlangt  wurde.  Jeder  Familienvater  führt  für  seine 
Familie  die  Tauf-,  Trauungs-  und  Begräbnissacten,  und  diese  Vor- 
merkungen werden  bei  der  Conscription  benützt.  Die  Lippowaner  sind 
Irogal,  nüchtern,  reinlich,  arbeitsam  und  andächtig. 

93«  A.  28.  Mai  1844.  Landesregierungsbericht  an  die  Hof- 
kanzlei (?)  über  den  Recurs  des  Miloradow  und  Wassilow.  —  Die  kirch- 
liche Leitung  der  Lippowaner  besorgen  in  Biala  kiernica  die  Mönche,  in 


372 

den  übrigen  Gemeinden  in  Ermangelung  von  Priestern  (swiaszczenik) 
aber  die  Daskals  (Eirchensänger).  Sie  yerrichten  die  Andachten  und  die 
Nothtaufen,  firmen  die  Kinder,  sprechen  den  Sterbenden  Trost  zn  und 
besorgen  die  Beerdigungen.  Zeitweise  werden  mit  bedeutenden  Kosten 
aus  der  Moldau  Geistliche  berufen ,  welche  sich  heimlich  über  die  Grenze 
schleichen,  da  sie  keine  Pässe  erhalten.  Sie  yerrichten  dann  Taufen,  die 
Firmung  und  Trauungen,  spenden  die  Sacramente  und  kehren  dann  gleich 
wieder  zurfick.  Die  von  den  Daskals  und  den  fremden  Geistlichen  ver- 
richteten Functionen  werden  von  den  Familienvätern  in  ihre  Andacbt- 
bücher  (Psalter)  vorgemerkt  und  diese  Vormerkungen  bei  der  Conscription 
vorgezeigt.  In  Bussland  ist  den  Lippowanem  die  Ausübung  ihres  Reli- 
gionsexercitiums  untersagt;  daher  sich  auch  dort  nur  wenige  Geistliche 
befinden.  Den  Oberhirten  beabsichtigen  die  Lippowaner  aus  Anatolien 
zu  bringen  und  ihn  gehörig  zu  dotieren.  Er  soll  die  Macht  und  Pflicht 
haben,  unmittelbar  nach  seiner  Bestellung  seinen  Nachfolger  zu  ernennen, 
damit  sie  für  jeden  unvorhergesehenen  Fall  nicht  ohne  Oberhirten  blei- 
ben. Die  Einkünfte  des  Klosters  bestehen  laut  dem  Inventar  im  Erti-ag 
der  Klostergründe,  der  (rebäude,  Teiche,  Bienengärten  und  den  Interessen 
vom  verzinslichen  Capital;  sie  betragen  3060  fl.  C.-M.  Die  Mönche  sind 
nach  dem  Privileg  nicht  berechtigt,  ein  Kloster  zu  bauen ;  es  ist  dies  ihnen 
vielmehr  oft  untersagt  worden.  Das  Gubernium  trägt  an,  das  seit  vielen 
Jahren  bestehende  Kloster  in  Fontina  alba  zu  belassen  und  den  Lippo- 
wanem zu  gestatten,  einen  Oberhirten  aus  Anatolien  am  Ararat  zu  holen, 
der  den  Mönchen  die  höheren  Weihen  ertheilt  und  seinen  Nachfolger  be- 
stimmen soll.  Den  Oberhirten  hätten  sie  vorläufig  den  Behörden  namhaft 
zu  machen,  damit  im  diplomatischen  Wege  erhoben  werde,  ob  seine  Er- 
nennung zulässig  sei. 

94.  A.  19.  Juli  1844.  —  Die  vereinigte  Hofkanzlei  trägt  in  ihrer 
Sitzung  von  diesem  Tage  die  Genehmigung  der  Vorschläge  des  Guber- 
niums  an. 

95.  i.  A.  16.  September  1844.  —  Wohllöblicher  Vorstand  des 
Bukowiner  k.  k.  Kreisamtes!  Mit  dem  geehrten  Erlasse  vom  1 1 .  Juli  1 844, 
Zahl  509,  und  vom  81.  August  1844,  Zahl  601,  wurde  dieses  Mandatariat 
verständigt,  dass  den  hierbezirkigen  Lippowanem  Michaile  Wasiliew  nnd 
Thodosey  Assanow  (muthmasslich  Hafanow)  zum  feineren  einjährigen 
Aufenthalte  in  der  Moldau  das  hohe  Landespräsidium  Pässe  zu  ertheilen 
geruht  habe.  Einem  löblichen  k.  k.  Kreisamte  wird  wohl  bekannt  sein, 
wie  vielßlltig  man  mit  den  diesbezirkigen  Lippowaner  -  Gemeinden 
zu  kämpfen  hatte,  um  sie  ins  Geleise  der  gesetzlichen  Anordnung  zn 
bringen,  denn  es  ist  gewiss  nichts  schwieriger,  als  einem  hartnäckigen 


373 

fiaiiAtischen  Lippowaner  beizubringen,  dass  man  im  Namen  des  Oesetzes 
handelt  oder  es  so  das  Gemeinwesen  unbedingt  erheischt.  . .  .  (Das  Fol- 
gende ist  oben  S.  308 f.  Ton  den  Worten:  Jm  ersten  Augenblicke*  bis  ,brin- 
gen  wolle'  mitgetheilt).  . .  .  Dieses  Mandatariat  wäre  in  der  Lage,  ganze 
ConTolute  einem  löblichen  k.  k.  Kreisamte  zu  producieren  und  so  nachzu- 
weisen, wie  man  seit  der  Regulierung  dieses  Amtes  um  die  Herstellung 
and  Aufrechthaltung  der  Polizei  wenigstens  in  deren  yorzüglichsten 
Zweigen  bei  den  Lippowanern  beflissen  war,  allein  dass  alle  diese  Be- 
mfthnngen  grösstentheils  mit  keinem  erwünschten  Erfolge  gekrönt  waren, 
liefern  die  Umstände  den  Beweis,  dass  die  Lippowaner  bis  heutzutage 
kdne  Tanf-,  Trau-  und  Sterbematrikel  führen,  der  Conscriptionsreyision 
sich  entziehen,  indem  sich  die  Familienväter  hiezu  persönlich  nicht  stellen 
wollen,  femer  der  Verpflichtung  die  Grenzwachczardaken  zu  unterhalten, 
sich  widersetzten,  fremden,  passlosen,  aus  der  Moldau  und  Bussland  ein- 
gwchlichenen  Vagabunden  und  Deserteuren  den  Aufenthalt  gestatten, 
diese  lippowanisieren  und  eben  aus  Abgang  der  Matrikelbficher  jedwede 
Amtshandlung  vereiteln,  ihr  Hom-  und  Hufvieh  nicht  bezeichnen  lassen, 
die  Wohlthat  der  Impfung  nicht  agnoscieren,  und  ebenso  jede  Epidemie 
. . .  (Das  Folgende  siehe  oben  S.  318.)  . .  .  Man  hat  zu  Anfang  des  Militär- 
jahres 1844  auf  die  vorschriftsmässige  Tsislirung  der  Grundsteuer 
i^edmngen  und  die  directe  Steuer  duixhaus  individuell  einzuheben  ver- 
uüasst,  allein  diese  Gemeinden  wussten  es  zu  beurtheilen,  dass  man  auf 
diese  Art  zu  einer  genaueren  Evidenz  ihrer  Population  gelange,  haben, 
ehe  man  noch  ordentliche  Schritte  dafür  that,  beim  löblichen  k.  k.  Kreis- 
amte Klage  geführt,  die  eben  hier  in  der  Erledigung  schwebt,  und  man 
war  im  Geschäftsdrange  gezwungen,  auch  für  diesmal  nach  dem  alten 
Schlendrian  die  Steuer  in  der  Totalsumme  von  den  Deputierten  der  Lippo- 
waner-Gemeinden  einzuheben.  Nachdem  unter  den  Lippowanern  seit 
mehreren  Jahren  bedeutende  Diebstähle,  Betrügereien,  Hang  zum  Trünke 
and  Schnldenmachen  an  Tag  gefördert  wurden,  hat  man  strenge  darauf 
gehalten,  nur  jenen  Lippowanern  Certificate  zur  Erwirkung  der  Beise- 
pässe  im  In-  oder  nach  dem  Auslande  zu  ertheilen,  welche  die  Nothwen- 
digkeit  ihrer  Beise  hieramts  hinlänglich  nachzuweisen  vermögend  waren ; 
^n  um  dieselben  vom  Müssiggange  und  dem  zwecklosen  Herumziehen 
iffl  Auslande  hintanzuhalten  und  um  sie  mehr  bei  Hause  zu  erhalten,  die 
Pusdaner  womöglich  billig  beschränkt,  nicht  minder  darauf  bestanden, 
dass  bei  jedesmaliger  Zurückkunfb  der  Passinhaber  sich  in  der  Amts- 
kanslei  gehörig  zu  melden  habe.  Da  wussten  sie  dieser  Anordnung  nichts 
vorzuschützen;  um  aber  diese  ihrer  Gewohnheit  nach  rund  zu  umgehen, 
nahmen  sie  zur  Schlauheit  die  Zuflucht,  und  es  ist  denselben  schon  zwei- 


374 

mal  gelungen,  sich  Pässe  auf  beliebige  Dauer  zu  erwirken,  ohne  dass  sie 
ihre  Ortsobrigkeit  hierum  vorschriftsmässig  anzugehen  brauchen.  Ein 
löbliches  k.  k.  Ereisamt  wolle  diese  Umstände  dem  hohen  Landespräsidiam 
zur  Eenntniss  bringen,  um  den  ünffigen  der  Lippowaner  für  die  EQnkunft 
entgegenzukommen,  weil  dieses  Mandataiiat  im  Angesichte  der  Lippo- 
waner-Gemeinden  nicht  wenig  compromittiert  sich  findet  und  jede  hier- 
ämtliche  Verfügung  auf  dieselben  hinkünftlich  noch  weniger  wirken  wird. 
Uebrigens  bürgt  man  keineswegs  dafür,  dass  die  auf  die  Person  des  Mi- 
chaile Wasylow  und  Teodosy  Assanow  (vielleicht  Haffanow)  Tom  hohen 
Landespräsidinm  ausgestellten  Pässe  schon  durch  hereingeschlichene  oder 
in  der  Moldau  verweilende  fremde  Lippowaner  benützt  werden.  Hadik- 
falva,  am  16.  September  1844.  Dombay,  Amtsschreiber,  Mandatarsnb- 
stitut.  Für  die  Richtigkeit  der  Abschrift:  Dombay,  Amtsschreiber,  Man- 
datarsubstitut. 

96.  A.  18.  September  1844.  —  Kaiser  Ferdinand  ertheilt  den 
Anträgen  der  vereinigten  Hofkanzlei  vom  19.  Juli  1844  bezüglich  der 
Lippowaner  seine  Genehmigung. 

97.  A.  29.  September  1844,  Zahl  31.031.  Verständigung  an  das 
Landesgubemium.  —  Es  ist  Allerhöchst  genehmigt,  die  Einführung  eines 
ausländischen  Geistlichen  als  Oberhirten  oder  Weihbischof,  um  den  in 
Fontina  alba  befindlichen  Mönchen  die  höheren  Weihen  zu  ertheilen  und 
zugleich  seinen  Nachfolger  zu  ordinieren,  welcher  wieder  zur  Priester- 
weihe sowie  zur  Benennung  und  Ordination  seines  Nachfolgers  befähigt 
wäre.  Da  aber  diese  Nachfolger  nur  aus  Mönchen  hervorgehen  dürfen, 
so  wurde  der  Fortbestand  des  seit  vielen  Jahren  bestehenden  Elostera 
genehmigt.  Die  Gemeinde  hat  erklärt,  die  Geistlichen  und  das  Kloster 
aus  eigenen  Mitteln  zu  erhalten  und  ebenso  im  Dorfe  eine  Dorfschule  auf 
eigene  Kosten  zu  errichten  und  zu  erhalten. 

98.  0.  20.  September  1844.  Bericht  des  k.  k.  Hadikfalver  Ca- 
meralmandatariats  an  das  k.  k.  Wirthschaftsamt  in  Zuczka.^  —  Löbliches 
k.  k.  Cameral- Wirthschaftsamt!  Einem  löblichen  k.  k.  Cameral-Wirth- 
schaftsamte  wird  in  der  Nebenlage  eine  Abschrift  des  hierämtlichen  unterm 
16.  d.  M.,  Zahl  1130  dem  löblichen  Bakowiner  Kreisamte  erstatteten 
Berichts,  worin  man  in  gedrängter  Ordnung  den  Eigensinn  und  die  ün- 
folgsamkeit  der  hierbezirkigen  Lippowaner-Gemeinden  geschildert  hat,  zur 
Einsicht  und  Beruhigung  der  vorgesetzten  Cameralbehörden  mit  derVer- 


*  Dieses  legte  laut  einer  dem  Stücke  beigefügten  Notiz  dasselbe  am 
so.  October  1844  der  k.  k.  Bezirksverwaltting  vor  ,im  Nachhange  des 
hierämtlichen  Berichts  vom  4.  September  1.  J.  Z.  1620%  der  nns  nicht  er- 
halten ist 


375 

sicheiHDg  vorgelegt,  dass  man  die  Stützigkeit  dieser  Secte  aas  yerschie- 
denen  derlei  Anlässen  vielfältig  höheren  Oiis  zur  Sprache  gebracht  hat, 
und  dieses  Mandatariat  allemal  in  der  Lage  ist  (wenn  es  nicht  mit  Un- 
kosten verbunden  wäi*e),  einen  Wnlst  von  Acten  und  Entscheidungen,  die 
meistens  wenig  gefruchtet  haben,  zur  Ueberzeugung  vorzulegen.  Die 
Ptihrung  der  Matrikelbücher,  die  aus  Staatsrücksichten  und  im  bürger- 
lichen Leben  von  grosser  Wichtigkeit  ist,  wurde  vermöge  Verordnung  des 
k.  k.  Ereisamtes  vom  26.  Apill  1839,  Zahl  5298,  auf  das  Strengste  an- 
befohlen und  gedroht,  dass,  wenn  sich  die  Lippowaner  hiezu  nicht  be- 
quemen, das  k.  k.  Ereisamt  auf  Kosten  der  Gemeinden  ein  Individuum  im 
Orte  aufstellen  werde,  welches  die  Ortspolizei  in  allen  Zweigen  handzu- 
baben  und  die  Matrikelbücher  zu  führen  haben  wird ;  aber  auch  dieses  hat 
nichts  gefruchtet,  sie  waren  vielmehi*  bemüht,  die  Strenge  des  k.  k.  Ereis- 
amtes dadurch  in  suspenso  zu  erhalten,  dass  sie  sich  bis  zum  Allerhöch- 
sten Throne  schlugen,  um  die  Stiftung  eines  Klosters  anhielten  und  an- 
g^obt  haben,  bei  Einführung  ordentlicher  Priester  sich  der  Matrikel- 
bücherführung zu  unterwerfen.  Diese  Verhandlung  schwebt  noch  bei 
der  hohen  aUgemeinen  Hofkammer  im  Zuge,  und  man  müsste  das  Resultat 
noch  abwarten,  dann  wird  man  sehen,  inwieferne  die  Lippowaner  den 
schuldigen  Dank  für  alle  Begünstigungen,  die  ihnen  die  milde  österreichi- 
sche B^erung  angedeihen  liess,  zu  zollen  wissen  werden,  dessen  man 
sich  bis  nunzu  nicht  erfreut  hat.  Nach  der  letzten  Conscription  ist  die 
Seelenanzahl  zu  Fontina  alba  547,  zu  Elimoutz  755.  Man  nehme  die 
Sterbe&lle  in  jeder  Gemeinde  2  von  100  jährlich  an,  so  düiften  sich  bei- 
nahe 520  Sterbefalle  (worunter  Weiber  und  Kinder  verstanden  werden) 
^t  den  letzten  20  Jahren  entziffern;  nachdem  seit  der  Colon  isation  dieser 
Seete,  und  zwar  zu  Fontina  aljba  fünf  Verlassenschaftsabhandlungen,  zu 
Xlimoutz  hingegen  noch  keine  derlei  gepflogen  worden  ist,  so  lässt  sich 
iftit  Becht  schliessen,  dass  da  keine  kleine  Zahl  von  Yerlassenschaftsab- 
handlungen  rückständig  ist,  was  zur  Folge  hat,  dass  die  Busticalgründe 
rerstOckelt,  vergriffen  oder  auch  durch  Wohlhabende  den  Aermeren  ent- 
zogen worden  sind,  oder  endlich  zumTheile  im  Besitze  hereingeschlichener 
bemittelter  Fremdlinge  sich  befinden.  Um  allen  diesen  ünfügen  langsam 
entgegenzusteuern,  hat  der  dermal  beurlaubte  Staatsmandatar  Herr  La- 
czynski  verfügt,  dass  jeder  Sterbefall  von  den  Lippowanern  schon  aus 
Polizeirflcksichten  gleich  angezeigt  werde;  nicht  minder  hat  derselbe  auf 
die  Tsislirung  und  individuelle  Einzahlung  der  Grundsteuer  gedrungen, 
wovon  in  dem  beiliegenden  abschriftlichen  Berichte  erwähnt  worden  ist, 
allein  sie  wussten  gut  zu  urtheilen,  dass  man  auf  diese  Art  sie  nach  und 
nadi  in  die  Evidenz  bringen  will,  schlugen  es  rund  von  sich  ab,  und 


376 

haben  noch  obendrein  beim  k.  k.  Kreisamte  Klage  gefOhi-t,  wobei  sie  Tur- 

t  

zuschützen  nie  unterliessen,  dass  die  Forderungen  der  Grundobrigkeit 
ihrem  Privilegialginindsatz:  ,freies  Beligionsexercitinm'  widerstrebt.  Eben 
diesen  Privilegialsatz  machte  sich  diese  Secte  bei  jeder  Gelegenheit  zd 
Nutzen,  unter  deren  Fiima  sie  die  unumschränkte  Freiheit  haben  wollen, 
und  halten  jede  Anordnung,  diese  mag  von  was  immer  ffir  einem  Inhalt« 
sein,  sobald  solche  vor  40  Jahren  nicht  bestanden  hat,  recht  ferne  Ton 
sich.  Die  Fremdentabelle  ex  1843  weiset  in  der  Gemeinde  Fontina  alba 
57  und  zu  Klimoutz  79  fremde  Personen  nach,  die  aus  der  Moldau  und 
Bessarabien  eingeschlichen  und  deren  Pässe  bis  nun  längst  erloschen 
sind,  sie  finden  allda  Unterstand  und  Schutz,  und  es  ist  auf  deren  Ab- 
schaffung gar  nicht  zu  denken,  weil  man  diese  Menschen  nie  zu  Gesicht«^ 
bekam.  Die  Ortsrichter  dieser  Gemeinden  diesfalls  in  Anspruch  zu  nehmen, 
ist  fruchtlos,  weil  ganz  natürlich  diese  ans  ihrer  Mitte  gewählt  werden  und 
nichts  weiter  als  Maschinen  sind,  die  von  der  Triebkraft  der  Gemeindedepn- 
tierten  abhängen.  (Das  Folgende  von  ,Man  nahm  Zuflucht  sich  einen  Ter- 
trauten'  bis  ,bQssen  musste'  s.  oben  S.  306).  Man  geht  keineswegs  von  der 
Ansicht  aus,  um  etwa  eine  Unmöglichkeit,  die  Lippowaner  in  das  Geleise 
des  Gesetzes  bringen  zu  können,  hiemit  darzustellen.  Bei  Weitem  möglieb 
ist  es  schon,  dass  man  sie  zum  Gehorsam  bequemen  kann,  allein  man 
mässte  mit  Hintansetzung  der  übrigen  Amtsgeschäfte  sich  ausschliesslich 
mit  diesen  zwei  Gemeinden  befassen,  und  auch  dann  hätte  man  2  bis 
3  Jahre  unter  Anwendung  energischer  Thatkräfte  gut  zu  kämpfen,  bi^ 
man  zum  Ziele  kommen  möchte.  Das  k.  k.  Ereisamt  hat  bei  der  obcitierten 
Entscheidung  im  Jahre  1839  in  die  Lage  der  Sache  gut  eingedrungen, 
und  die  Bedrohung,  dass  man  auf  Kosten  der  Gemeinden  ein  Indiridnum 
zur  Handhabung  der  Ortspolizei  aufstellen  werde,  war  auf  dem  besten 
Platze,  denn  nur  durch  unablässliche  gesetzliche  Strenge  wären  reichliche, 
erfolgrolle  Resultate  für  den  Staat  und  nicht  minder  für  die  Herrschaft 
zu  erwarten.  Die  Lippowaner  müssten  einmal  dem  Geiste  der  Zeit  in  der 
spirituellen  Ausbildung  nachkommen  und  zum  Erkenntnisse  ihres  eigenen 
Wohles  gelangen;  vorzüglich  wäre  hiedurch :  a)  die  nothwend ige  Evidenz 
in  ihrer  Population  und  durch  diese  der  Einhalt  der  Unterstandgebong 
für  Fremde  bezweckt;  b)  Fremde,  die  durch  langjährigen  Aufenthalt  die 
österreichische  Staatsbürgerschaft  ersessen  haben  und  ganz  unrechtmassig 
jetzt  die  Gunst  geniessen,  welche  nur  den  im  Jahre  1788  eingewanderten 
Lippowanern  zutheil  geworden  ist,  diese  wären  leichter  zu  ermitteln,  ?on 
den  letzteren  auszuscheiden  und  ganz  billig  zur  Leistung  der  Unterthans- 
schuldigkeiten  in  allen  Zweigen  zu  untei'werfen,  die  Herrschaft  dürfte  sie 
gegen  dem  mit  Kusticalgründen  dotieren,  und  der  Nutzen  wäre  darrh 


377 

Bildung  einer  untertMnigen  Lippowauer-Gemeinde  einmal  von  einem 
guten  Ertrage ;  c)  die  Zahl  der  Fremden  nimmt  hier  keineswegs  ab,  wohl 
za,  der  Schlag  der  Menschen,  sobald  die  Impfung  da  eingeführt  wäre, 
ibi  schön,  und  man  hatte  tüchtige  Becruten  zur  Auswahl;  d)  wird  zu 
Fontina  alba  das  Kloster  zu  Stande  kommen,  so  wäre  vor  allem  Anderen 
die  Sache  der  politischen  Obrigkeit,  zwei  Drittel  der  bisher  tolerierten  be- 
schrankten bigotten  Mönche  nach  ihrer  Heimat  ausser  Landes  zu  schaffen 
und  ordentliche,  mehr  wissenschaftlich  gebildete  Priester  zu  installieren, 
welche  nicht  nur  mit  dem  Lesen  des  Psaltyr,  aber  auch  mit  der  Ausbil- 
dung der  Jugend  sich  nothwendig  beschäftigen  müssten,  sonst  wäre  die 
Errichtung  eines  Klosters  ohne  Zweck  und  ganz  entbehrlich.  Ich  glaube 
ikicht,  dass  es  in  der  Monarchie  eine  zweite  Gemeinde  gibt,  die  sich  so 
überlassen  wäre  wie  Fontina  alba  und  Klimoutz ;  diese  vom  Amte  zu  ent- 
fernt, das  Amt  hingegen  mit  zwei  Individuen  bestellt,  deren  Kräfte  aus 
Ursach  des  Geschäftsdranges  oft  unzulänglich  sind,  können  sich  nicht 
äuaschließslich  mit  den  Lippowaner-Gemeinden,  in  Absicht  auf  die  Ein- 
fahmng  der  strengen  Ortspolizei  nach  dem  wahren  Sinne  beschäftigen; 
Dud  bis  nicht  dem  haitnäckigen  Lippowaner  die  Strenge  des  Gesetzes 
durch  unablässige  Handhabung  desselben  recht  fühlbar  wird,  kann  auch 
die  Herrschaft  von  dieser  lästigen  undankbaren  Secte  keine  Yortheile  er- 
warten. Hiedui'ch  wird  der  geehrte  Aufti'ag  vom  4.  September  1844, 
Zahl  1G19,  noch  dahin  erledigt,  dass  man  den  Umstand,  dass  die  Lippo- 
waner-Gemeinden sich  der  Verpflichtung,  die  Grenzwach-Czertaquen  zu 
onterhalten,  auflehnen,  bei  Gelegenheit  der  Erledigung  des  geehrten  Auf- 
trages vom  3.  d.  M.,  Zahl  2736,  wo  die  Erleichterung  des  Unterhaltes 
der  Czertaquen  beabsichtigt  wird,  füglich  zur  Sprache  biingen  werde. 
Hadikfalva,  am  20.  September  1844.  Bombay,  Amtsschreiber,  Mandatars- 
substitut. 

99*  A.  Mai  1845.  Aus  einem  amtlichen  Berichte.  —  Die  Lippo- 
waner locken  Fremdlinge  an;  dieselben  werden  entnationalisiert  und 
nehmen  dann  an  den  Begünstigungen  der  Lippowaner  theil;  so  finden 
allerlei  Vagabunden  in  den  Ansiedelungen  Unterstand.  Man  trug  daher 
an,  in  den  Gemeinden  Fontina  alba  und  Klimoutz  einen  unberittenen 
Amtsdiener  zu  exponieren.  Beide  Gemeinden  haben  noch  keine  Seelsorger. 
Bei  ihnen  werden  keine  Tauf-,  Trauungs-  und  Sterbebücher  geführt.  Sie 
ftutzieben  sich  der  Vieh-  und  Todtenbeschau,  wie  auch  anderen  politischen 
ond  polizeilichen  Anordnungen.  Von  der  Unterhaltung  der  Grenzczar- 
daken  and  dergleichen  Gemeindelasten  wollen  sie  nichts  wissen.  Ihre 
Todten  verscharren  sie  in  Gärten  und  Gräben.  Sie  ziehen  bei  ihi'en 
Wanderungen  passloses  Gesindel  und  Militäraosreißser  an  sich,  nehmen 

▲ichiT.   LXXXin.  Bd.   U.  H&lfte.  25 


378 

sie  unter  sich  auf  und  machen  auch  Bnkowiner  Insassen  zu  Anhängern 
ihres  Glaubens. 

100.  A.  —  Die  Abschaffung  dieser  Missbräuche  ordnete  die  Finanz- 
Landesdirection  (?)  am  13.  Juni  1845,  Zahl  14913,  an. 

101.  A.  1845 — 1846.  Aus  den  ZoUacten.  —  a)  Leonow  G^ronti, 
Klostervorsteher  von  Fontina  alba,  kommt  am  28.  August  1845  beim 
Bojaner  Zollamt  um  Verzollung  folgender  Effecten  ein:  Blechwaaren: 
Kirchenleuchter,  Bauch-  und  Gluthpfannen ;  Glaswaren :  geschliffene  Lam- 
pengläser;  Schwarzschmiedarbeiten :  eiserne  Stangen ;  Gusswaaren :  Kessel ; 
Ciborium  aus  Kupferblech;  Zeug-  und  Hammei*8chmiedwaaren :  Brettsage. 
b)  Da  die  Lippowaner  seit  1 80  Jahren  in  keinem  Staate  einen  geistlichen 
Oberhirten  hatten,  so  machten  sie  im  Jahre  1846  dem  Kloster  und  dem 
neuen  Bischöfe  verschiedene  Geschenke,  nämlich  das  Metropolitan-  oder 
Priestergewand,  vergoldete  Weihi-auchgefässe,  versilberte  Leuchter,  Hei- 
ligenbilder auf  Holztafeln  nach  altbyzantinischen  Zeichnungen,  verschie- 
dene Verzierungen  u.  dgl.  c)  4.  August  1846  langten  um  20  fl.  Bilder, 
aus  Messing  geprägt,  über  Bojan  fQr  die  Lippowaner  ein ;  desgleichen  bei 
Synoutz  6  Gemälde  in  vergoldeten  Bahmen,  Messingai'beiten,  Bilder  ans 
Messing,  2  Bischofsmützen,  versilbertes  Kupfergeschirr,  Sprengwedel; 
Alles  für  das  Kloster  in  Biala  kierniza.  d)  16.  October  1846  langten  mit 
derselben  Bestimmung  ein:  Bücher,  Caviai*,  Thee,  Wachskerzen  u.  s.  w., 
ferner  abgenützte  Messkleider,  e)  17.  October  1846.  Mit  Silber  und 
Messing  verzierte  Gemälde,  welche  bei  Hussiatyu  eingeführt  worden 
waren.  /)  14.  December  1846.  Eingabe  der  Lippowaner:  Mittelst  Aller- 
höchster Entschliessung  vom  18.  September  1844  wurde  für  Biala  kierniza 
ein  priesterlicher  Oberhirt  oder  Weihbischof  bewilligt,  welcher  den  Lippo- 
waner-Mönchen  die  höheren  Weihen  zu  ertheilen  und  seine  Nachfolger  zu 
ordinieren  hat.  Die  Lippowaner  sind  in  Bussland,  in  der  Moldau,  der 
Walachei  und  in  der  europäischen  und  asiatischen  Türkei  in  einer  Aji- 
zahl  von  drei  Millionen  wohnhaft.  Diese  haben  für  das  Kloster  in  Fontina 
alba  verschiedene  Geräthe  geschenkt,  und  zwar  einen  grossen  Gandelaber 
und  mehrere  Armleuchter,  aus  Kupfer  gefei-tigt  und  silberplattiei-t.  Diese 
Gegenstände  sind  Nachahmung  altbyzantinischer  Kunstwerke  und  können 
nur  in  Bussland  beschaffen  werden.  Da  das  Zollamt  hiefür  einen  uner- 
schwinglichen Zoll  verlangt,  so  bitten  sie  um  dessen  Ermässigung. 

102.  A.  6.  September  1849.  Klage  der  Lippowaner  von  Fontina 
alba  durch  die  Bevollmächtigten  Olimpi  Miloradow  und  Paul  Wasiliew 
beim  Finanzministerium.  —  Kaiser  Joseph  hat  die  Lippowaner  vom 
schwarzen  Meere  angesiedelt  und  ihnen  am  9.  October  1783  ein  Privileg 
gegeben.   Sie  siedelten  sich  an  einer  weisses  Wasser  sprudelnden  Quelle 


379 

an.  Die  Kegierung  hatte  im  Jahre  1785  den  Lippowanern  einen  Wald» 
Warniia,  znr  Ansiedelung  angewiesen.  Diesen  Hochwald  trieb  die  Ge- 
meinde ab  und  benutzte  ihn  als  Hntweide.  Im  Jahre  1819  wurde  durch 
den  Cameralingenieur  der  Grund  Warniza  und  die  anderen  Gründe  ab- 
gegrenzt und  1347  Joch  1500*3  Qnadratklafter  gefunden.  Dieselben 
wurden  unter  die  einzelnen  Besitzer  in  450  Theile  getheilt,  darunter  der 
Ton  der  Gremeinde  als  Hutweide  benützte  srub  (abgetriebener  Wald)  mit 
103  Joeh  412*2  Quadratklafter  sub  Nr.  5  unter  dem  Namen  Eorczy 
Lysok  (Waldgestrupp)  und  unter  Nr.  3  der  nicht  abgetriebene  Wald  mit 
120  Joch  14101  Quadratklafter.  Der  Förster  Schaller  wollte  von  der 
(jemeinde  Geld  erpressen,  und  als  diese  nichts  gab,  fieng  er  an,  sie  ans 
dem  Eorczy  Lysok  zu  verdrängen,  worauf  er  ihn  1829  abnahm.  1833 
nahm  er  dieses  Gebiet  ganz  ab,  verband  es  mit  dem  herrschaftlichen  Wald 
and  Yerschanzte  es.  Diese  Schanzen  hat  die  Gemeinde  zerstört.  Sie  bittet 
jetzt  lim  Bäckgabe  jener  Parcellen. 

103.  A.  27.  November  1849.  Wiederholtes  Gesuch  derselben  um 
die  Rückgabe  der  strittigen  Gi*ünde.  —  Dass  diese  der  Lippowaner  Eigen- 
timm seien,  haben  Leute  aus  den  benachbaHen  Dörfern  bezeugt,  so  auch 
der  Pachter  Fignra  und  der  BichterWolanicki.  Der  Förster  Schaller  und 
der  Heger  seien  keine  Zeugen,  weil  sie  nicht  wnssten,  wer  den  grossen 
Wald  Nr.  5  ansgehauen  habe. 

104.  A.  20.  März  1851.  Miloradow  betreibt  sein  Gesuch  vom 
27.  November  1849.  —  Zunächst  wird  auf  das  Privileg  des  Kaisers  Jo- 
seph verwiesen.  Die  einen  Lippowaner  siedelten  sich  am  Brunnen  mit 
weissiichem  Wasser  an  (daher  Weissenbrunnen) ;  die  anderen  in  Hliboka. 
Später  übersiedelten  diese  ebenfalls  nach  Warniza.  Nach  der  Meinung 
alter  Leute  wohnen  sämmtliche  Familien  seit  dem  Jahre  1790  in  Weissen- 
brunnen vereint.  Ihnen  wurde  der  ganze  Warnizer  Grund  von  der  Re- 
giemng  zur  Ansiedelung  übergeben  und  mit  Graben  und  Grenzhaufen 
ftbgemarkt.  Diese  Gründe  besass  die  Gemeinde  unbeschränkt  und  ohne 
Hindernisse  bis  1833.  Die  Ansiedelungsacten.  aus  denen  sich  auch  er- 
?eb«»n  würde,  wie  viele  sich  ursprünglich  ansiedelten  und  wie  viele  aus 
Hliboka  und  anderen  Orten  übersiedelten,  sind  bei  der  Regierung.  Laut 
Administrationsbericht  vom  26.  April  1784,  Zahl  122,  an  den  Hofkriegs- 
rath  war  beabsichtigt,  das  ganze  Gut  Warniza  an  die  Lippowaner  zu  über- 
^b«n,  wenn  es  nicht  besetzt  wäre,  ebenso  Korczestie,  obwohl  dasselbe 
verpachtet  war,  wenn  es  nur  die  Lippowaner  geeignet  fänden.  Da  damals 
Alles  Urwald  war,  so  stand  es  der  Gemeinde  frei,  Wald  zu  roden.  Zu- 
nächst wurden  die  nächsten  Gründe  gerodet  und  vertheilt;  sodann  die 

weiteren,  zum  Beispiel  die  Parcelle  5,  wo  der  Urwald  niedergehauen 

25* 


380 

wurde,  und  welche  als  gemeinschaftliche  Viehweide  benutzt  wurde.  Die 
Parcelle  3  hat  sich  die  Gemeinde  zum  Hausbedarf  als  Wald  gelassen. 
Man  gestattete  auch  den  anderen  Dörfern  und  dem  Förster  Schaller  hier 
Holz  zu  fallen,  weil  man  den  Platz  vom  Walde  nicht  überwuchern  lassen 
wollte.  Es  folgt  dann  wieder  die  Mittheilnng  über  die  450  Par- 
cellen  u.  s.  w.  wie  in  der  Nummer  102. 

105.  A.  16.  April  1851.  Bericht  des  Zuczker  Wirthschaftsamtes. 
—  Die  Untersuchung  über  die  Gründe  der  Lippowaner  sind  schwierig. 
Die  Gemeinde  Biala  kierniza  (entstanden  1785)  erklärte  im  Protokoll 
vom  16.  August  1828,  Zahl  263/963,  dass  sie  gar  keinen  schriftlichen 
Beweis  über  ihr  Grundausmass  besitze,  und  die  Gemeinde  Klimontz  sagte 
am  10.  Juli  1828,  Zahl  1729,  dass  ihr  die  schiiftlichen  Beweise  über 
ihren  Grundbesitz  entwendet  wurden.  .  .  .  (Es  folgt  sodann  die  ausführ- 
liche Schilderung  des  oben  S.  290  f.  geschilderten  Kechtsstreites  und  die 
Angaben  über  die  Bewohnerzahl  von  Fontina  alba  für  1791  und  1850.)  . . . 
Der  unter  dem  Namen  Warniza  den  Lippowanem  zugetheilte  Grund  ist 
bei  der  Catastndyermessung  von  1819  als  Ried  Nr.  2  mit  277  Joch 
875  Quadratklafter  abgegrenzt  worden. 

106.  A.  21.  October  1851.  Majestätsgesuch.  —  Die  Bewohner 
von  Fontina  alba  bitten  um  Rückgabe  der  Paixellen  Nr.  3  (120  Joch 
14101  Quadratklafter)  und  Nr.  6  (103  Joch  4121  Quadratklafler), 
welche  den  srub  Warniza  bilden. 

107.  A.  1854—1857.  Aus  den  ZoUacten.  —  a)  7.  Februar  1854. 
Langten  (auf  dem  Zollamte  in  Sinoutz?  Bojan?)  1  Kronleuchter  und 
6  andere  Leuchter,  gefertigt  aus  Blech  und  leicht  versilbert,  ein;  sie 
waren  aus  Russland  geschenkt,  h)  3.  August  1857.  Gelangten  ans  der 
Moldau  über  Sinoutz  nach  Czernowitz  als  milde  Gaben  eine  Anzahl  von 
Bildern  auf  Holztafeln  mit  Wasserfarben  gemalt  (Oelgemälde  durften  die 
Lippowaner  nicht  haben),  und  zwar  die  12  Apostel,  2  heilige  Maria,  2  Jo- 
hannes der  Täufer,  2  Johannes  Evangelist,  zusammen  18  Stück. 

108.  A.  23.  März  1865.  —  Die  Gemeinde  Fontina  alba  wanderte 
im  Jahre  1785  aus  der  Moldau  in  die  Bukowina  ein  und  wurde  in  Folge 
allerhöchsten  Privilegs  Kaiser  Josephs  II.  auf  Anordnung  der  hier  be- 
standenen Militärverwaltung  durch  die  zu  Radautz  bestandene  Staats- 
güterdirection  auf  dem  zum  Kloster  Pntna  gehörigen  Prädium  Warniza 
mit  Dominicalgiünden  betheilt,  wo  sie  sich  auch  ansiedelte.  Die  Gründe 
sind  in  der  Josephinischen  Steuervermessung  angegeben.  Es  wnrde 
weder  ein  Ansiedlungsvertrag,  noch  ein  Schuldigkeitsinventar  verfasst. 


NACHTRAG. 


Der  Druck  der  vorstehenden  Abhandlung  hatte  bereits 
begonnen,  als  mir  Herr  Stud.  jur.  J.  Fr.  Serfas  die  unten  ab- 
gedruckte Originalurkunde  zur  Verfügung  stellte,  welche  er 
unter  den  Schriften  seines  Vaters  in  Unter- Sinoutz  gefunden 
hatte.  Dieses  Schriftstück  ist  höchst  werthvoll,  weil  es  jene 
empfindliche  Lücke  in  dem  sonst  so  reichen  Materiale  Wicken- 
hanser's  ausfUIlt,  auf  welche  oben  S.  266  hingedeutet  worden  ist. 
Durch  diese  Urkunde  wird  nämlich  zunächst  unsere  Ausführung 
bestätigt,  dass  im  Jahre  1786  ein  neuer  Zuzug  von  Lippo- 
wanem  in  der  Bukowina  erschien.  Wir  ersehen  femer  aus 
dieser  Urkunde,  dass  diese  neuen  Ankömmlinge  aus  der 
Moldau  einwanderten,  was  mit  Hilfe  des  bisher  zugänglichen 
Materiales  sich  nicht  mit  Bestimmtheit  feststellen  Hess  (S.  267, 
Anm.  2).  Die  Verhandlungen,  welche  über  die  Ansiedelung 
stattfanden,  beleuchtet  unsere  Urkunde  allenfalls  nur  theilweise; 
wir  erfahren  hauptsächlich  aus  derselben  nur,  dass  auch  dies- 
mal die  Wahl  einer  geeigneten  Stätte  viele  Noth  verursachte. 
Wie  im  Jahre  1784,  so  dachte  man  unter  Anderem  auch  jetzt 
(1785)  an  Korczestie.  Dagegen  wird  Warniza  in  diesem  Schrift- 
stücke noch  nicht  erwähnt;  ihre  Wiederbesiedelung  ist  also 
offenbar  erst  nach  dem  13.  April  in  Betracht  gezogen  worden. 
Aus  der  Urkunde  ergibt  sich  femer,  dass  unsere  Annahme 
(S.  268),  die  Wiederbesiedelung  der  Wamiza  sei  nicht  vor  dem 
Mai  1785  vollzogen  worden,  richtig  ist.  Wenn  in  der  Urkunde 
die  Verwalterei  von  St.  Onufri  bereits  erwähnt  wird,  so  ist 
offenbar  dies  gegenüber  der  Bemerkung  oben  S.  268  dahin  zu 
erklären,  dass  die  Einrichtung  der  Verwalterei  bereits  im  April 
erfolgte,  während  ihre  Amtsthätigkeit  erst  am  1.  Mai  1785  be- 
gann. Auch  sei  noch  darauf  hingedeutet,  dass  unsere  Urkunde 
auch  einzelne  Nachrichten  über  die  Ansiedelung  von  Moldauern 


382 

(Rumänen)  und  Szeklern  bietet.  Schliesslich  sei  noch  bemerkt, 
dasB  im  laufenden  Jahrgange  der  ^Zeitschrift  für  österreichische 
Volkskunde^  II,  53  flf.  eine  Arbeit  über  die  Lippowaner  von 
J.  Polek  erschien,  die  ich  nicht  mehr  berücksichtigen  konnte. 

109.  0.  13.  April  1785.  —  Gehorsamste  Meldung.  Der  Ort  von 
dem  Praedio  Palkentz,  wo  sich  die  52  Familien  aus  der  Moldau  ansiedeln 
wollen,  liegt  beinahe  zwei  Stunden  von  jenem  an  dem  Sucsavafluss  ent- 
fernt, auf  welchem  die  Szekler  angesiedelt  werden  sollen.  Wir  haben  da- 
her bis  auf  hohe  Begnehmiguug  die  Verabredung  dahin  getroffen,  dass 
obigen  Familien  deijenige  Oi*t,  auf  welchem  ehemals  das  Dorf  Balkoutz 
gestanden,  zum  Wohnsitze  angewiesen  und  durch  das  Directorat  denen- 
selben  davon  Nachiicht  gegeben  werde,  damit  sie  sich  das  nöthige  Mate- 
riale  zu  Häusern  herbeischaffen  und  bei  günstiger  Witterung  sogleich  den 
Ackerbau  pflegen  können.  Es  wird  unter  einem  das  Qnofreuer  Verwalter- 
amt dahin  angewiesen,  diesen  Ansiedeiern  da,  wo  es  am  nächsten  sein 
kann,  das  erforderliche  Bauholz  eifolgen  zu  lassen.  Es  kommt  nun  dar- 
auf an,  ob  dieser  vorläufige  Antrag  begnehmigt  werden  wolle  oder  nicht? 
Auf  beide  Fälle  wäre  dem  Sereder  Directorat  das  Nöthige  mitzugeben,  als 
mit  welchem  noch  weiter  verabredet  worden  ist,  dass,  wenn  sich  die  russi- 
schen darunter  befindlichen  Familien  von  den  walachischen  trennen 
wollten,  denenselben  das  Praedium  Korceste  angewiesen,  der  üeberrest 
von  dem  Braedio  Palkutze  aber  für  nachkommende  wallachische  Ansiedler 
vorbehalten  werde.  Und  weil  durch  diese  Ansiedelungen  ganz  neue 
Oerter  entstehen,  so  sollen  die  Wohnplätze,  wozu  ein  halbes  Joch  Gmnd 
zureichend  sein  wird,  so  ausgesteckt  weiden,  dass  die  Häuser  in  eine  der 
Localität  angemessene  Ordnung  zu  stehen  kommen,  wozu,  wenn  kein  In- 
genieur eigens  abgeschickt  werden  wollte,  der  Onofreuer  Kanzleischreiber 
V.  Scharf enberg  verwendet  werden  kann.  Was  die  Szekler  Familien  an- 
betrifft, so  kann  f&r  ein  Doif  der  nämliche  Platz  an  der  Sucsava,  wo  ehe- 
mals das  Dorf  Plesnitza  gestanden,  angewiesen,  für  ein  zweites  Doif  aber 
auf  dem  Praedio  Tornestie  ein  Platz  gewählt  werden.  Es  wird  sich  viel- 
leicht thun  lassen,  dass  der  von  dem  HeiTU  Bischofen  geniessende,  von 
dem  jenseitigen  Kloster  Pantokrator  in  Anspnich  genommene  Antheil  von 
Turnesti  einstweilen  in  stato  quo  wird  belassen  werden  können,  welches 
sich  jedoch  erst  dazumal  bestätigen  muss,  wenn  berührte  zwei  Dörfer 
werden  ordentlich  ausgesteckt  werden ;  gleichwie  sich  dann  auch,  wenn 
für  diese  zwei  Dörfer  das  nöthige  Terrain  zu  Feldern  und  Wiesen  ausge- 
zeichnet sein  wird,  zeigen  wird,  ob  in  der  nämlichen  Linie  nicht  noch  ein 
dritter  Ort  wird  sein  können.    An  der  ganzen  sogenannten  Horaitze, 


383 

woTon  hier  eigentlich  die  Bede  ist,  nimmt  sonst  kein  anderer  Grundherr 
als  Storsza  Antheil,  welcher  zwischen  der  Stadt  Sered  und  Balkautz  ein 
Praedinm  hat.  Dieses  Praedium,  mit  welchem  von  dieser  Seite  der  Stadt 
Sered  geholfen  werden  könnte,  wäre  einzutauschen  und  der  Eigenthfimer 
Storsza  darüber  zu  vernehmen.  Er  soll  in  dieser  Gegend  noch  eine  zweite 
Mosehie  haben  und  würde  sich  vielleicht  thun  lassen,  ihm  daran  ein 
Aeqoivalent  zu  geben.  Wie  übrigens  bereits  oben  gehorsamst  erwähnt 
worden,  so  wird  zwar  auf  die  hier  rückangeschlossene  Nota  des  bischöf- 
lichen Herrn  Ordinarii  so  viel  möglich  Bücksicht  genommen  werden; 
bollte  jedoch  das  strittige  Pantokratoer  Terrain  der  vorhabenden  Ansiede- 
lung im  Wege  stehen,  so  wird  man  sich  nothwendigerweise  nach  den 
Umstanden  benehmen  und  diese  Bücksicht  aufgeben  müssen.  Wir  unter- 
legen eines  so  das  Andere  hiemit  hohem  Ermessen.  Wir  erwaiiien  die 
Herren  Consistoriales  und  werden  mit  denselben  nach  Petruz  abgehen, 
daselbst  gehorsamst  einberichtetermassen  mit  der  anderweit  aufhaben- 
den Commlssion  den  Anfang  zu  machen.  Sig.  Granicestie,  den  18.  April 
1785.   Adler,  Hauptmann.    Beck,  Oberdirector. 


INHALT. 


I.  Abschnitt:  S««« 

1.  Einleitendet 235 

2.  Ansiedelungen  in  der  moldaiuMheii  Zeit:  Die  ehemalige  Colonie 

in  Stupka;  Mitoka-Dragomirna 238 

3.  Die  Begrfindang  ron  Klimoatx  dic^«'        241 

4.  Eiiidufiscaiioie  Kaiser  Josephs  II.  und  der  Österreichischen  Be- 

hörden; die  GründungsgeMrbichte  toq  Biala-Kiernica  (Fon- 

üna  alU  17^4  b) 242 

5.  Das  Entstehen  von  Mihodra  (c.  1836")  und  von  Lippoweni- 

Kossowanka  (c.  1845) 269 

II.  Abschnitt: 

1.  Die  Entwicklung  von  Mitoka-Dragomirna 269 

2.  Aus  der  Geschichte  der  Ansiedelung  Ton  Klimouts  .     .     .     .  277 

3.  Fontina  alba  und  die  Lippowaner-KlOster  daselbst  ....  287 

III.  Abschnitt: 

1.  Die  Lippowaner  im  Urtheile  der  Behörden 300 

2.  Das  Widerstreben   der  Lippowaner  gegen  administratiTe  Ver- 

fügungen der  Obrigkeiten 305 

3.  Die  Beschäftigung  der  Lippowaner 314 

Beilagen 319 

Nachtrag 381 


DAS  ARIBONENHAÜS. 


VON 


D^^  JOS.  EGGER, 

CORR.  MITGLIEDE  DER  KAIS.  AKADEMIE  DER  WISSENSCHAFTEN. 


^««▼.  Lnxin.  Bd.  11.  Hüfte.  26 


I. 

Einleitung. 

Uas  Haus  der  Aribonen  wird  allgemein  für  eines  der  be- 
deutendsten im  südöstlichen  Deutschland  und  weitverzweigtesten 
gehalten.  Von  den  älteren  Forschem  abgesehen^  betrachtet 
schon  R.  V.  Koch-Stemfeld  ^  die  Grafen  von  Plain,  Hardegg, 
Mittersill,  Peilstein  und  die  Hallgrafen  als  Sprossen  eines  und 
desselben  Stammes,  und  ähnlich  fasst  C.  H.  Ritter  v.  Lang  *  die 
Grafen  von  Mittersill,  Peilstein,  Liebenau,  Burghausen  und 
Wasserburg  als  Zweige  eines  Geschlechtes  auf,  das  er  als  die 
Grafen  von  Piain  bezeichnet.  M.  Filz  *  lässt  die  Grafen  von  Burg- 
hausen,  Schala,  Peilstein  und  Möring  von  Sighard  oder  Sizo  HI. 
abstammen  und  macht  diesen  zugleich  zum  Stammvater  des 
Pfalzgrafen  Hartwig  I.  Carl  Siegert*  leitet  die  Pfalzgrafen, 
die  steirischen  Ottokare,  die  Grafen  von  Peilstein  und  Möring 
von  Isengrim,  Grafen  im  Chiemgau  um  765,  ab  und  sieht  in 
Aribo  I.,  Markgrafen  der  Ostmark,  einen  älteren  und  in  Aribo  H., 
Sohn  Ottokars  (H.),  einen  jüngeren  Abkömmling  desselben,  von 
denen  er  jenen  ßir  den  Stammvater  der  Pfalzgrafen,  diesen 
aber  fiir  den  Stammvater  der  Ottokare  ansieht.  Dagegen  be- 
trachtet J.  Wendrinsky*^  als  gemeinsamen  Stammvater  beider 
Linien  den  Markgrafen  der  Ostmark,  Aribo  L,  den  er  zu  einem 
Enkel  Emsts  I.,  Herzogs  und  Markgrafen  des  Nordgaues,  macht. 


^  R.  ▼.  Koch-Sternfeld,  Beyträge   zur  teutschen  Länder-,  Völker-,  Sitten- 

und  Staatenknnde  3,  97  ff.,  Beil.  zu  S.  133.  155. 
'  B.  V.  Lang,  Baierus  alte  Grafschaften,  S.  101. 
^  M.  Filz,  G^chichte  des  Salzburger  Benedictinerstiftes  Michaelbeuem  1, 

74.  147.  170. 

*  C.  Siegert,  Geschichte  der  Herrschaft  und  Burg  Hilpoltstein  in  Verhandl. 
d.  histor.  Ver.  f.  Oberpfalz  u.  Regensburg,  20.  Bd.,  Beil.  zu  S.  42. 

•  J.  Wendrinsky,  Die  Grafen  von  Peilstein,  S.  4  in  Bl.  d.  Ver.  f.  Landesk. 
y.  Niederösterr.,  15.  Bd. 

26* 


388 

und  als  Söhne  Aribos  I.  nimmt  er  Sighard  I.,  Graf  im  Salz- 
burggau  und  Kärnten,  den  er  für  den  Ahnherrn  der  Pfalz- 
grafen, und  Ottokar  I.  an,  den  er  flir  den  Ahnherrn  der  Otto- 
kare hält;  sein  weiterer  Stammbaum  stimmt  im  Wesentlichen 
mit  jenem  tiberein,  den  bereits  A.  Meiller  ^  aufgestellt  hat. 
Nach  S.  Riezler*  sind  die  Grafen  von  Burghausen  und  Schal a 
höchst  wahrscheinlich  desselben  Stammes  wie  die  Peilsteiner 
und  mit  einiger  Wahrscheinlichkeit  auch  die  Grafen  von  Lim- 
burg, Attel,  Reichenhall  und  Wasserburg  unter  die  Aribonen 
zu  reihen.  Joh.  Wendrinsky  und  A.  Meiller  schliesst  sich  der 
eine  der  zwei  neuesten  Forscher,  die  sich  hierüber  ausge- 
sprochen haben,  E.  Richter,'  an;  nur  dass  er  ausser  den  Grafen 
von  Peilstein  und  Burghausen  auch  die  Grafen  von  Lebenau 
zu  der  Familie  der  Aribonen  rechnet  und  noch  die  Grafen  von 
Piain  als  nähere  Verwandte  derselben  vermuthet;  ganz  anderer 
Ansicht  ist  der  zweite,  O.  Kaemmel,*  wovon  weiter  unten  die 
Rede  sein  soll. 

Nach  den  Ergebnissen,  zu  denen  die  genannten  Forscher 
gelangt  sind,  wird  man  kaum  mehr  bezweifeln  dürfen,  dass 
die  bairischen  Pfalzgrafen  von  Hartwig  I.  bis  einschliesslich 
Aribo  II.,  die  Grafen  von  Peilstein,  Burghausen  und  Schala 
sowie  die  Grafen  von  Lebenau  eines  und  desselben  Stammes 
sind;  auch  wird  man  einen  engeren  Zusammenhang  derselben 
mit  den  Grafen  von  Plain-Hardegg  und  von  Wasserburg  oder  den 
Hallgrafen,  sowie  mit  den  Markgrafen  von  der  Steiermark  im 
11.  und  12.  Jahrhunderte  und  ihren  Ahnen,  den  Ottokaren, 
flir  sehr  wahrscheinhch  halten  dürfen.  Die  Verzweigung  des 
Aribonengeschlechtes  scheint  mir  aber  noch  viel  weiter  zu 
gehen  und  dasselbe  noch  mehrere  andere  Aeste  zu  umfassen. 
Ich  will  es  in  Folgendem  versuchen,  auch  noch  die  beiden 
Pfalzgrafenfamilien,  die  der  aribonischen  im  Pfalzgrafenamte  un- 
mittelbar folgen,   der  Pfalzgrafen  von  Rot- Voh  bürg  und  Cham 


^  A.  Meiller,  Salzb.  Reg.,  S.  544. 

•  S.  Riezler,  Geschichte  Baieras  1,  862  f. 

'  £.  Richter,  Untersuchnngen  zur  histor.  Geographie  des  ehemaligen  Hoch 

Stiftes  Salzburg  und  seiuer  Nachbargebiete  im  I.  Ergänzung^bd.  d.  Mittlm 

f.  österr.  Geschichtsf.,  S.  637. 
^  O.  Kaemmel,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  weltlichen  Grundherrschaf 

in  den  Südostmarken  während  des   10.  u.   11.  Jahrh.   in  Histor.    Unter 

Buchungen  von  der  histor.  Gesellsch.  zu  Leipzig  1894. 


389 

dann  die  Grafen  von  Frantenhausen  und  Megling,  weiter  die 
älteren  Grafen  des  Pusterthaies  und  Lumgaues,  die  von  Graf 
Otmn  abstammen,  und  die  ihnen  entsprossenen  Zweige,  ja 
seFlwt  die  Grafen  von  Flavon  und  von  Tirol  mit  dem  Aribonen- 
stamme  in  näheren  Zusammenhang  zu  bringen  und  als  weitere 
Zweige  desselben  oder  nähere  Verwandte  zu  erweisen;  ebenso 
werde  ich  versuchen,  die  Beziehungen  der  Spanheimer  und 
namentlich  der  beiden  Zweige  dieses  Hauses,  die  Grafen 
TOD  Ortenburg  sich  nennen,  zu  dem  Aribonenhause  klarzu- 
legen und  die  Verwandtschaft  der  Grafen  von  Falkenstein  und 
Lechsgemtind  mit  demselben  wahrscheinlich  zu  machen.  Ich 
beginne  hiebei,  indem  ich  die  sichergestellten  Zweige  des  Ari- 
bonenhauses  kürzer  behandle,  mit  dem  Nachweise  der  Ab- 
stammung der  steirischen  Ottokare,  erörtere  dann  die  Her- 
knnft,  Reihenfolge  und  Besitzverhältnisse  des  pfalzgräflichen 
Zweiges,  insbesondere  auch  ihren  Besitz  in  Tirol,  und  gehe 
hierauf  zur  Darlegung  der  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
and  Besitzungen  der  Pfalzgrafen  Chuno  und  .  Rapoto  über. 
Daran  knüpfe  ich  die  Ausführungen  über  die  älteren  Grafen 
des  Pusterthaies  und  Lurngaues,  über  'die  Famihe  Bischof  Alt- 
manns von  Trient,  die  älteren  Ortenburger  und  die  Grafen 
von  Gtörz,  ihre  nächsten  Verwandten,  dann  über  die  Grafen 
von  Flavon  und  ganz  besonders  über  die  alten  Grafen  von 
Tirol  und  die  Familie  der  heil.  Emma.  Nachdem  ich  alle  bis 
in  die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  wenigstens  zurückverfolg- 
baren  Familien  besprochen  habe,  behandle  ich  jene  Famihen, 
die  erst  im  12.  Jahrhundert  mit  besonderen  Namen  hervor- 
treten oder  jetzt  im  Besitze  von  Gütern  und  Rechten  erscheinen, 
die  fttlher  Zweige  des  Aribonenhauses  innegehabt  haben  imd 
dadurch  Rückschlüsse  auf  ihre  Abstammung  gestatten.  Es 
änd  dies  die  Grafen  von  Peilstein  i^id  Burghausen-Schala,  die 
Grafen  von  Lebenau  (Liebenau),  die  Grafen  von  Piain,  die 
Grafen  von  Wasserburg  oder  Hallgrafen,  die  Grafen  von 
Frantenhausen -Megling,  die  Markgrafen  von  Vohburg,  die 
Grafen  von  Spanheim  und  ihre  Zweige,  die  Ortenburger  in 
Kärnten  und  Baiem,  die  Grafen  von  Falkenstein  und  Lechs- 
gemünde.  Es  kann  aber  natürlich  nicht  eine  vollständige  Be- 
bandlung  aller  dieser  Familien,  wenn  auch  nur  in  der  älteren 
Zeit,  beabsichtigt  sein,  eine  solche  würde  ja  mehrere  Bände 
ftUen;  es  kommt  mir  allein  darauf  an,  den  verwandtschafdichen 


390 

Zusammenhang  derselben,  soweit  möglich,  zu  erweisen  oder 
bis  zu  einem  grösseren  oder  geringeren  Grade  wahrscheinlich 
zu  machen.  Gewissheit  dürfte  mit  dem  bisher  veröflFentUchten 
Materiale  in  vielen  Fällen  nicht  zu  erzielen  sein. 

Wenn  ich  mich  trotz  solch'  geringer  Aussichten  nicht  vom 
Versuche  abschrecken  lasse,  in  das  Dunkel  des  Ursprunges  der 
Mehrzahl  der  genannten  Famihen  vorzudringen,  so  geschieht 
dies  aus  zwei  Gründen  vorzüglich.  Einmal  kann  ich,  da  ich 
eine  Geschichte  des  Adels  Tirols  in  älterer  Zeit  zu  schreiben 
beabsichtige,  nicht  vermeiden,  mir  über  das  Aribonenhaus  und 
seine  Zweige  meine  eigenen  Anschauungen  zu  bilden  und  zu 
den  verschiedenen  Hypothesen  Stellung  zu  nehmen,  und  dann 
hoffe  ich,  dass  durch  meine  Ausfuhrungen  doch  auf  manche 
Verhältnisse  und  Beziehungen  dieser  Familien  und  Geschlechter 
ein  helleres  Licht  falle,  und  dass  namentlich  drei  bisher  wenig 
oder  gar  nicht  beachtete  Thatsachen  besser  sich  begreifen 
lassen.  Es  sind  das  die  Thatsachen:  erstens,  dass  das  bai- 
rische  Pfalzgrafenamt,  wenn  auch  die  Inhaber  desselben  recht- 
lich nicht  höher  stehen  als  die  anderen  Grafen  und  solchen 
selbst  öfter  in  den  Z^ugenreihen  nachgesetzt  werden,  doch 
sichtlich  mit  Eifer  von  Familien-  und  Familienmitgliedern  er- 
strebt wird;  zweitens,  dass  die  bairischen  Pfalzgrafen  alle,  mit 
Ausnahme  der  Witteisbacher,  in  Baiern  und  in  Carantanien  be- 
gütert erscheinen;  drittens,  dass  ein  paar  Pfalzgrafen  von  ihnen 
sicher,  wahrscheinlich  aber  auch  die  anderen  in  Tirol,  ins- 
besondere im  Unterinnthale,  bedeutenden  Besitz  hatten  und 
zwei  aus  ihnen  erweisUch  die  ganze  Grafschaft  des  unteren 
Innthales,  zwei  andere  den  grösseren  Theil  derselben  verwalteten. 

Die  folgenden  Erörterungen  stützen  sich  natürlich  vor 
Allem  auf  die  sicheren  Zeugnisse  über  verwandtschaftliche  Be- 
ziehungen, die  sich  erhalten  haben.  Da  jedoch  diese  sehr 
spärlich  sind,  so  können  weitere  Beweismittel  unmöglich  ent- 
behrt werden.  Unter  diesen  lege  ich,  festhaltend  an  dem  Aus- 
spruche Dubuat's:  ,praediorum  haereditaria  ratio,  haec  sola  est 
via*,  der  bei  genealogischen  und  topographisch-historischen  For- 
schungen von  jeher  vorzügliche  Beachtimg  gefunden  hat,  das 
meiste  Gewicht  auf  den  Besitz  von  AUod  und  den  daraus  ent- 
springenden Rechtsverhältnissen.  Aber  auch  der  Besitz  von 
Lehen  und  die  aus  dem  Lehen wesen  sich  ergebenden  Be- 
ziehungen  zwischen   einzelnen   Personen    verdienen    im    Laufe 


391 

der  Zeit  immer  grössere  Berücksichtigung,  je  mehr  die  Erb- 
lichkeit der  Lehen  durchdringt  und  je  weitere  Kreise  sie  um- 
fiisst.  Eine  nicht  viel  geringere  Würdigung  darf  der  Besitz 
von  geisthehen  Vogteien  beanspruchen,  namentlich  solcher,  die 
vom  Anfange  an  dem  Geschlechte  vorbehalten  wurden  oder  im 
Laufe  der  Zeit  sich  zu  vererben  anfingen;  aber  auch  in  solchen 
Fällen  gilt  dies,  wo  die  Stifter  und  Klöster  das  freie  Verfügungs- 
recht über  die  Vogteien  entweder  vom  Anfange  an  hatten  oder 
später  erlangten,  denn  in  der  That  bleiben  sie  selbst  dann  noch 
oft  genug  durch  Menschenalter  in  den  Händen  ein  und  der- 
selben FamiUe.  Sehr  bezeichnend  ist  weiter  der  Besitz  von 
Aemtem  und  Würden,  denn  diese  gehen  schon  häufig,  ja  fast 
regelmässig,  wenn  nicht  besondere  Hindemisse  eintreten,  in 
jenen  Zeiten,  wo  sie  noch  ihren  ursprünglichen  Charakter  be- 
wahren, vom  Vater  auf  den  Sohn  über;  um  so  viel  mehr  gilt 
dies  von  den  späteren  Jahrhunderten,  in  denen  sie  zu  Lehen 
geworden  sind  und  gleich  anderen  Lehen  auf  immer  fernere 
Glieder  sich  vererben. 

n. 

Die  Familie  der  Ottokare. 

Die  Frage  nach  dem  Stammvater  des  Aribonenhauses 
wird  sich  kaum  je  mit  voller  Bestimmtheit  beantwoi*ten  lassen, 
aber  gewiss  ist  unter  allen  Grossen  des  9.  Jahrhunderts,  deren 
Namen  und  Thaten  wir  kennen,  keiner,  für  den  mehr  spricht 
ab  fftr  den  bekannten  Markgrafen  der  Ostmark  in  den-  Tagen 
Kaiser  Ludwigs  des  Deutschen,  Kaiser  Arnulfs  und  seines 
Sohnes  König  Ludwigs  IV.,  imd  die  Worte  der  Weltchronik 
Ekkehards:  ,illius  nimirum  famosi  Aerbonis  posteri^  quem  in 
venatu  a  visonta  bestia  confossum,  vulgares  adhuc  cantilene 
resonant^^  passen  auf  keinen  anderen  Grafen  dieses  Namens, 
weder  aus  jener  noch  aus  einer  späteren  Zeit,  besser.  Gleich- 
zeitig mit  ihm  erscheinen  nur  noch  zwei  Aribo,  von  denen  wir 
aber  nichts  Weiteres  wissen,  als  dass  der  eine  Graf  im  Augst- 
gaue    gewesen,  *    der    andere    von    König    Ludwig    IV.    mit 

>  Mon.  Germ,  histor.  Script.  6,  225,  Z.  47. 
*  E.  Mühlbacher,  Rejc-  Nr.  1882. 


392 

20  Hüben  und  einem  ummauerten  Hofe  zu  Schladnitz  in  der 
Grafschaft  seines  Vaters  Ottokar  im  Leobenthale  beschenkt 
worden  ist.  *  Dieser  ist  aber  aller  Wahrscheinlichkeit  nach 
kein  Anderer  als  des  Markgrafen  Enkel,  denn  unter  den  Für- 
bittern derselben  Urkunde  tritt  noch  ein  zweiter  Aribo  auf,  der 
nach  seinem  Platze  unter  den  anderen  wohl  nur  der  Markgraf 
sein  kann.  *  Demnach  muss  dieser  einen  Sohn,  Namens  Ottokar, 
Grafen  im  Leobenthale,  gehabt  haben,  wie  er  auch  einen  Bruder 
dieses  Namens  hatte.  ^ 

Fragen  wir  nach  dem  Besitze  der  Familie  des  Markgrafen, 
so  erfahren  wir  aus  sicheren  Zeugnissen  nur,  dass  er  die  Ost- 
mark und  den  darin  liegenden  Gau  Grunzwiti  und  den  Traun- 
gau  innegehabt  hat.*  War  obgenannter  Ottokar  in  der  That 
sein  Sohn,  dann  gehörte  auch  die  Grafschaft  im  Leobenthale 
und  die  dort  erworbenen  Besitzungen  seinem  Hause.  Aber  die 
Ostmark  ging  noch  bei  seinen  Lebzeiten  durch  die  Ungam- 
einftdle  verloren,  und  es  war  ein  geringer  Ersatz  fUr  diesen 
Verlust,  wenn  König  Ludwig  IV.  an  Aribo  gemeinsam  mit  dem 
Erzbischof  Piligrim  von  Salzburg  die  Abtei  Traunkirchen  zu 
lebenslänglichem  Genüsse  tibertrug,  die  nach  seinem  Tode  ganz 
an  das  Erzstift  Salzburg  fallen  sollte.^  Dieser  Anfall  kann  nun 
allerdings  kaum  eingetreten  sein,  da  wir  später  dieselbe  Abtei 
noch  in  den  Händen  einer  Familie  sehen,  die  als  ein  Zweig  des 
Aribonenhauses  betrachtet  wird.^  Diese  Thatsache,  sowie  die 
gemeinsame  Belehnung  Aribos  und  des  Erzbischofe  Piligrim 
veranlassen  mich  zur  Vermuthung,  dass  beide  verwandt  seien. 
Was  ausser  dem  Traungau  Aribo  noch  verblieben,  ist  gänzlich 
unbekannt,  und  ebenso  wenig  gibt  irgend  eine  Quelle  Aufschluss 
darüber,  was  Aribos  L  Bruder  Ottokar  etwa  besessen;  spätere 
Verhältnisse  erlauben  aber   den  Schluss,   das  Geschlecht   habe 


^  E.  Mühlbacher,  Reg.  Nr.  1964. 

'  S.  Hirsch,  Jahrb.  des  deutschen  R.  unter  Heinrich  TL.  1,  36  ist  entgegen- 
gesetzter Ansicht;  er  meint,  bei  dieser  Zusammenstellung  der  beiden 
Aribo  hätte  auch  ihr  Verwandtschaftsverhältniss  zum  Ausdrucke  kommen 
müssen;  allein  ähnliche  Zusammenstellungen  naher  Verwandter  ohne  Be- 
zeichnung ihrer  Verwandtschaft  sind  selbst  in  späteren  Jahrhunderten 
nicht  selten. 

>  £.  Mühlbacher,  Reg.  Nr.  1961a. 

*  E.  Dümmler,  Geschichte  des  Ostfr.  R.  3,  64.  226.  360. 

*  Urkb.  d.  L.  o.  d.  E.  2,  66.     E.  Mühlbacher,  Reg.  Nr.  2001. 

*  Urkb.  d.  L.  o.  d.  E.  2,  374  Nr.  257,  400  Nr.  272,  427  f.  Nr.  296. 


S93 

den  Schwerpunkt  seiner  Macht  in  den  westheheren  Gauen  ge- 
funden. 

Obgenannten  Ottokar  nun,  des  Markgrafen  Sohn  und  den 
Vater  des  beschenkten  Aribo,  hält  der  neueste  Historiker  Otto 
Kaemmel  *  für  den  Stammvater  der  Aribonen,  und  zwar  haupt- 
sächlich aus  dem  Grunde,  weil  im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts 
der  Pfalzgraf  Aribo  I.  und  dessen  gleichnamiger  Sohn,  der 
Diakon  Aribo,  der  nachmaUge  Erzbischof  von  Mainz,  im  Be- 
sitze obiger  20  Hüben  seien.  Um  den  Zusammenhang  zwischen 
diesen  und  jenem  herzustellen,  entwirft  er  folgenden  Stamm- 
baum. Jenes  Aribo  (IL)  Söhne  sind  nach  seinem  Daftlrhalten 
Pero  und  Albwin  und  des  Letzteren  Söhne  von  Hildegard,  einer 
Tochter  Oudalberts,  Erzbischofs  von  Salzburg  (923 — 935),  Hart- 
wig, Aribo  (HI.)  und  Albwin,  jene  die  bekannten  Pfalzgrafen 
Hartwig  I.  und  Aribo  I.,  dieser  der  gleichnamige  Bischof  von 
Brixen  (ca.  975 — 1006).  Dieser  Stammbaum  erklärt  allerdings 
die  Thatsache  des  Besitzes  der  genannten  Hüben  sehr  einfach, 
allein  er  stimmt  nicht  zur  Lebensdauer  der  einzelnen  Personen. 
Wie  schon  O.  Redlich  ^  gegen  S.  Hirsch  eingewendet  hat, 
kann  der  Pfalzgraf  Hartwig  I.  kaum  ein  Bruder  dps  Pfalz- 
grafen Aribo  I.  sein.  Noch  mehr  Bedenken  gegen  O.  KaemmeFs 
Annahme  erregt  mir  aber  der  Umstand,  dass  in  dem  gleich- 
zeitigen Quellenmateriale  unter  den  vielen  Grafen  Süddeutsch- 
lands  keiner  des  Namens  Albuin,  ja  nicht  einmal  ein  Edler 
oder  Lehensmann  sich  findet,  ausser  jenem,  der  vom  Bischöfe 
Eigilbert  von  Freising  (1006 — 1039)  ein  paar  Barschalken  zu 
Lehen  hat.  *  Und  wenn  wirklich  Aribo  (H.),  Ottokars  Sohn, 
die  späteren  Pfalzgrafen  zu  seinen  Nachkommen  gehabt  hat, 
dann  begreift  man  schwer,  warum  nicht  auch  letztere  im  Be- 
sitze des  Grafenamtes  im  Leobengaue  sind.  Ich  weiss  wohl, 
dass  an  erster  Stelle  im  Necrologium  von  Göss  Aribo  ,comes  in 
liubena'  genannt  wird.*  Aber  nach  einer  anderen  Quelle,  die 
jedenfalls  mehr  Glauben  verdient  und  ganz  unzweideutig  ist. 


'  O.  Kaemmel,  Zur  Entwicklungsgeschichte  der  weltlichen  Grundherrschaft 
in  den  Sttdostmarken  während  des  10.  u.  11.  Jahrh.  in  Histor.  Unter- 
suchimgen,  Leipzig  1894. 

*  O.  Redlich,  Zur  Geschichte  der  Bischöfe  von  Brixen  vom  10.— 12.  Jahrh. 
in  Ferdin.  Zeitschr.  III,  28,  S.  10,  Anm.  2. 

»  C.  Meichelbeck,  Historia  Friß.  Ib,  504  Nr.  1201  u.  507  Nr.  1211. 

*  S.  PuÄch  u.  E.  Froelich,  Diplom,  ducatus  Styriae  1,  133. 


394 

aus  ungefähr  gleicher  Zeit,  nach  einer  Urkunde  Kaiser  Hein- 
richs n.  vom  16.  Mai  1023,  hat  ein  Graf  Gebhard  den  Co- 
mitat  im  Liubenthale  inne  und  nicht  einer  der  Söhne  Aribos  I.  ^ 
Der  Einwand,  dass  das  Grafenamt  damals  noch  nicht  erblich 
oder  seine  Erblichkeit  noch  nicht  fest  begründet  war,  beseitigt 
die  Schwierigkeit  keineswegs,  denn  in  der  Regel  bleibt  doch 
schon  im  10.  Jahrhunderte  dieses  Amt  in  derselben  Familie 
und  geht  vom  Vater  auf  Sohn  und  Enkel  über,  wie  viele  Bei- 
spiele hinlänglich  bezeugen,  besonders  wenn  diese  Familie  in 
der  Grafschaft  grösseren  Besitz  hatte,  und  das  war  ja  hier  der 
Fall.  Auch  das  Seoner  Todtenbuch  spricht  gegen  Kaemmel's 
Annahme;  wenn  Aribo  I.,  der  Stifter  dieses  Klosters,  in  der 
That  ein  Bruder  Bischof  Albuins  war,  so  konnten  darin  doch 
wohl  nicht  alle  Glieder  seiner  Familie  unerwähnt  bleiben.  Als 
nahe  Verwandte  des  Aribonenhauses,  vielleicht  selbst  als  Ange- 
hörige desselben,  wird  man  dieselben  allerdings  betrachten 
dürfen,  wenngleich  ihr  Hauptsitz  nicht  nördlich  von  den  Tauern 
oder  auch  nur  von  dem  Drauflusse,  sondern  im  Jaunthale  zu 
suchen  ist.* 

K^n  sonach  Ottokar  nicht  durch  seinen  Sohn  Aribo  der 
Stammvater  des  pfalzgräflichen  Zweiges  des  Aribonenhauses 
geworden  sein,  so  darf  man  ihn  doch  sehr  wahrscheinlich  als 
Begründer  einer  anderen  Linie,  jener  der  Ottokare,  die  um 
die  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  in  den  Besitz  der  Steiermark 
gelangte,  in  Anspruch  nehmen.  Die  älteren  Genealogen  und 
jüngst  noch  J.  Wendrinsky  geben  in  der  That  Ottokar  einen 
Sohn  gleichen  Namens  und  sehen  diesen  für  den  Ahnherrn 
dereelben  an.  Für  diese  Annahme  fehlt  es  nicht  an  mancherlei 
Anhaltspunkten.  Denn  während  in  den  Traditionen  des  Erz- 
bischofs Oudalbert  der  Name  Aribo  selten  und  nie  als  der 
eines  Grafen  auftritt,  kommt  der  Name  Ottokar  ziemlich  häufig 
auch  an  erster  Stelle  unter  den  Zeugen  vor^  und  zweimal 
wird  dessen  Inhaber  zugleich  als  Graf  bezeichnet.*    Es  ist  dies 


*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkb.  1,  60  f. 

*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher  des  Hochstiftes  Brixen,  Nr.  30.  34.  35.  36. 
»  Juvavia,  Anh.,  S.  127   Nr.  3,   138  Nr.  27,   139  Nr.  30,  140  Nr.  32,    149 

Nr.  49,  163  Nr.  60,  166  Nr.  60,  167  Nr.  62  u.  64,  168  Nr.  66,  163  Nr.  74 
u.  76,  164  Nr.  76.     Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  3,  82  Nr.  2. 

*  Juvavia,  Anh.,   S.  174  Nr.  93.     Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Qeschichtiif.   3, 
83  Nr.  4. 


395 

meist  bei  Verhandlungen  über  Güter  im  Salzburggaue  und 
Chiemgaue  und  nur  einmal  bei  Vertauschung  eines  Gutes  im 
Lsengaue  mit  einem  anderen  im  Undrimathale  ^  der  Fall.  Der 
Träger  dieses  Namens^  der  wohl  immer  derselbe  sein  dürfte, 
hat  eine  Frau,  Alte  genannt,  und  Kinder  und  ist  im  lsengaue 
begütert;*  er  kann  der  Zeit  nach  mit  Ottokar  (I.),  dem  Vater 
Aribos,  identisch  oder  auch  ein  gleichnamiger  Sohn  desselben 
sein.  Jedenfalls  lässt  ihn  sein  ganzes  Auftreten  nicht  als  Grafen 
im  Lrcobengaue,  viel  eher  als  Grafen  im  Salzburg-  oder  Chiem- 
gaue erkennen. 

In  der  That  finden  wir  im  Jahre  959  im  Chiemgaue  einen 
Grafen  Ottokar  (ü.),*  den  man  sicher  nicht  mehr  fiir  Aribos  (11.) 
Vater,  aber  ohne  grössere  Bedenken  fiir  dessen  Bruder  halten 
kann.  Allerdings  widerspricht  dieser  Auffassung  der  Umstand, 
das6  sein  Vorgänger  in  der  Grafschaft,  den  Gerichten  Traun- 
stein-Halmberg  nicht  Ottokar,  sondern  Reginbert  heisst  und  der 
Obervogt  des  Erzstiftes  Salzburg  ist,  der  im  Jahre  940  auch 
als  Graf  im  Salzburggaue  erscheint  und  zwei  Frauen,  Perchtild 
und  Rosmuot,  und  drei  Söhne,  Ratolt,  Friedrich  und  Rapoto, 
aber  keinen  Namens  Ottokar  hat.  Allein  von  diesen  mangelt 
jede  ^veitere  Spur,  dagegen  gestatten  noch  manche  Documente, 
Ottokar  11.  als  Grafen  in  genannter  Gegend  aufzufassen.  So 
ein  Tausch  Erzbischof  Friedrichs  von  Salzburg  (958 — 991)  mit 
einem  gewissen  Dietrich  um  Liegenschaften  in  Lanzing  gegen 
solche  im  Meckenthale  (bei  Tittmoning,  Landgericht  Laufen), 
wobei  ein  Ottokar  als  erster  Zeuge  erscheint;*  eine  Schenkung 
an  das  Erzstift,  die  der  Edle  Rihheri  mit  seinem  Eigen  in  den 
Orten  Himminga  (Chieming,  Landgericht  Traunstein),  Che- 
menata  und  Engilhartesheime,  wohl  alle  drei  im  Chiemgaue  in 
Ottokars  Grafschaft;,'^  zu  Salzburg  macht  und  bei  der  er  als 
zweiter  Zeuge  mitwirkt;^  die  wichtige  Verhandlung  zwischen 
dem  Erzbischofe  und  der  edlen  Frau  Sigiharts,   die  gleichfalls 


*  Juvavia,  Anh.,  8.  176  Nr.  95. 

«  Ibid.  S.  163  Nr.  74  u.  76,  164  Nr.  76. 
»  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  281,  m»  282,  ai- 

*  Hitth.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  3,  83  Nr.  4.    Juvavia,  Anh.,  S.  197 
Nr.  18. 

»  Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  u.  die  kirchl.  Frei  im  Salzburggan  in  Mitih. 
der  Ges.  f.  Salzb.  Landesk.  23,  263. 

*  Juvavia,  Anh.,  S.  190  Nr.  1. 


396 

ein  Ottokar  als  zweiter  Zeuge  nach  dem  Pfalzgrafen  Hartwig  I. 
bezeugt.*  Raum  zu  bezweifeln  ist  die  Identität  Ottokars  11. 
mit  dem  ersten  Zeugen  desselben  Namens  in  einer  Tradition 
an  das  Kloster  Monsee  (ca.  974)  *  und  in  einer  anderen  an  das 
Stift  St.  Peter  in  Salzburg.  ^  Der  Zeit  nach  könnte  Ottokar  II. 
wohl  auch  mit  Otgerus  zusammenfallen,  der  im  Jahre  993  einen 
Comitat  im  pagus  Croudi  verwaltet.*  Dieser  pagus  ist  am 
ehesten  für  einen  Theil  des  ehemaligen  Lumgaues  anzusehen, 
der  um  den  Mülstätter  See  Hegt,  wo  noch  ein  Ort  Kraut  in 
der  Pfarre  Lieseregg  sich  findet.^  Möglich  wäre  auch,  dass 
auch  noch  der  dreimal  als  erster  Zeuge  in  den  Traditionen 
des  Erzbischofs  Hartwig  (991 — 1023)  auftretende  Ozi  unser 
Ottokar  IL  ist,  und  dass  gerade  aus  seinem  hohen  Alter  sich 
sein  Vortritt  vor  dem  Pfalzgrafen  Hartwig  IL  in  zweien  davon 
erklärt.  ^  Aus  dem  ganzen  Auftreten  Ottokars  IL  ergibt  sich 
noch  sicherer  als  aus  dem  seines  muthmasslichen  Vaters,  dass 
er  nicht  der  Steiermark,  sondern  dem  südöstlichen  Baiem  an- 
gehört, wenn  er  auch  jenseits  der  Tauern  Besitz  hat,  und  dass 
seine  Familie  im  Zusammenhange  mit  den  Pfalzgrafen  und 
anderen  MitgUedern  des  Aribonenhauses  steht;  gerade  sein 
kämtnerischer  Besitz  wäre  in  dieser  Hinsicht  sehr  charakteristisch. 
Noch  festere  Gestalt  gewinnen  die  bezeichneten  Beziehungen 
durch  das,  was  wir  von  Ottokars  IL  Sohne  wissen.  Als  solchen 
haben  wir  wohl  den  im  Jahre  1027  erscheinenden  Ozinus  auf- 
zufassen, in  dessen  Grafschaft  der  Forst  Heit  liegt.'.  Dieser 
Forst  breitet  sich  aus  in  loco  ubi  aqua  Merina  idem  forestum 
perfluit  ac  sie  in  sursum  per  eandem  aquam',  somit  im  Zidlar- 
gaue,  keinem  eigentlichen  Gaue,  sondern  einem  Theile  des 
Isengaues,  wo  Ozin  gemeinsam  mit  Graf  Chadalhoch  die  Grafen- 
rechte   übt,    den    wir    noch    als    einen    Sohn    des   Pfalzgrafen 


*  Juvavia,  Anh.,  S.  196  Nr.  12. 
«  B.  Pez,  Thes.  anecd.  6  a,  120. 

*  Notizbl.,  Beilage  z.  Arch.  f.  Kunde  österr.  Geschichtsqu.  6,  48  Nr.  117, 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  2,  644,  j^- 

*  G.  V.  Ankershofen,  Ürkunden-Reg.  Archiv  11,  346  Nr.  643.  O.  Redlich, 
Die  Traditionsbücher  S.  290.  J.  Resch  hält  die  Lage  des  pagus  an  der 
Liser  für  wahrscheinlicher  als  in  Krain.  Aetas  millen.  67  Anm.  d.  Feli- 
cetti-Liebenfels  in  Beitr.  z.  Kunde  steierm.  Geschichtsqu.  6,  103. 

«  Archiv  f.  Kunde  österr.  Geschichtsqu.  22,  803  Nr.  11.    Mitth.  des  In«t.  f. 

österr.  Geschichtsf.  3,  86  Nr.  8;  91  Nr.  20. 
'  Mon.  Boic.  29  a,  22.  Stumpf,  Die  Reichskanzler  Nr.  1967. 


897 

Aribo  I.  werden  kennen  lernen.  Ozin  oder  Ottokar  (III.)  er- 
scheint aber  auch  im  Jahre  1048  als  Graf  im  Chiemgaue^  und 
zwar  in  derselben  Grafschaft,  wo  wir  Ottokar  11.  getroflFen 
haben,  denn  der  Forst  an  der  Traun,  den  schon  K.  Otto  I. 
an  das  Erzstift  Salzburg  geschenkt  hat,  durchzieht  auch  sie,^ 
und  so  darf  man  beide  wohl  im  Verhältnisse  von  Vater  und 
Sohn  auffassen.  Ein  paar  Jahre  später,  im  Jahre  1051,  treffen 
wir  Ottokar  III.  wieder  unter  dem  Namen  Ouzzo  als  Grafen 
im  Zidlargaue.^  Seine  Grafenrechte  hier  und  dort  lassen  ihn 
ziemlich  sicher  als  MitgUed  des  Aribonenhauses  erkennen.  Er 
ist  offenbar  der  Ozy,  von  dem  das  Vorauer  Fragment  sagt: 
,qui  temporibus  Henrici  III.  pollebat^,  ^  und  ohne  Anstand  dürfen 
wrir  in  dem  ,Otachyr  marchio,  qui  temporibus  imperatorum 
Heinr.  IV.  et  V.  inclitus  fuit*  derselben  Quelle  seinen  Sohn 
sehen.  Das  Fragment  irrt  nur  darin,  dass  es  schon  seinen 
Vater,  Grossvater  und  ürgrossvater  zu  Markgrafen  der  Steier- 
mark macht. 

Ottokar  IV.  ist  also  der  erste  wirkliche  Markgraf  der 
Steiermark  aus  der  Familie  der  Ottokare  und  erscheint  als 
solcher  bereits  unzweifelhaft  in  den  Jahren  1056  und  1059. 
Denn  am  21.  Februar  1056  schenkt  Kaiser  Heinrich  III.  dem 
Bisthume  Brixen  das  Gut  Oisnitz  bei  Preding  (predium  vide- 
iicet  Odelisniz  ceteraque  bona  sua  omnia  que  in  marchia  et 
eomitatu  Otacharii  marchionis  sita  sunt);^  am  1.  Juni  1059 
schenkt  Kaiser  Heinrichs  III.  Sohn,  König  Heinrich  IV.,  dem 
Erzbischofe  Balduin  von  Salzburg  fünf  bestiftete  Hüben  zu 
Gunprehtesteten  bei  der  Lasnitz,  in  marchionis  Otacheres  mar- 
chia Carintina'.^ 

Aus  den  bisherigen  Ausftihrungen  dürfte  sich  mit  ge- 
Dflgender  Sicherheit  ergeben,  dass  Ottokar  I.  nicht  ohne  Grund 
fer  den  Stammvater  der  steirischen  Ottokare  gehalten  wird,  dass 
er  und  seine  anderen  Nachkommen  die  Güter  in  der  Leobener 
Grafschaft   nicht  besessen,   diese   auch  Grafenrechte   da  nicht 


1  Mon.  Boic.  29,  89.  Stumpf  2347. 

*  Ibid.  3,  103;  31a,  326.  St.  2398. 

*  Mon.  Germ.  Script.  24,  72. 

*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkb.  1,  70  Nr.  62.  F.  A.  Sinnacher,  Beytr.  2,  568. 
U.  W&hnschaffe,  Das  Herzogthom  Kärnten  und  seine  Marken  im  1 1.  Jabr- 
hnndert  40.  St.  2493. 

*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkb.  1,  76  Nr.  66.  St  2676. 


398 

geübt  haben,  und  dass  überhaupt  diese  Familie  vor  der  Mitte 
des  11.  Jahrhunderts  in  Steiermark  keinerlei  Bedeutung^  kaum 
irgend  welchen  namhaften  Besitz  gehabt  hat,  vielmehr  bis  zu 
diesem  Zeitpunkte  zu  den  hervorragenden  Grafenfamilien  des 
Chiem-  und  Isengaues  zählt.  Dagegen  verschwindet  sie  aus 
den  genannten  Gauen  seit  dem  Jahre  1056  ebenso^  wie  sie  in 
der  Steiermark  an  Macht  und  Ansehen  gewinnt,  und  ihr  dortiger 
Besitz  kann  wohl  nur  an  nahe  Verwandte  übergegangen  sein, 
wobei  nach  dem  ganzen  Zusammenhange  am  ehesten  an  die 
Pfalzgrafen  und  anderen  Zweige  des  Aribonenhauses  zu  denken 
ist,  mit  denen  wir  sie  ja  wiederholt  gemeinsam  auftreten  ge- 
sehen haben  und  die  in  denselben  vorzüglich  begütert  sind, 
wie  die  Folge  zeigen  wird.  ^ 

III. 

Die  Familie  der  Siteren  Pfalzgrafen. 

Schon  Dubuat  gab  dem  Markgrafen  Aribo  (I.)  ausser  den 
Söhnen  Isangrim  (richtiger  Isanricus)  *  und  Ottokar  noch  einen 
Sohn  Sigihard.  M.  Filz  sucht  diese  Annahme  durch  die  Ge- 
schichte der  Nachfolger  Sigihards  in  der  Grafschaft  des  Salz- 
burggaues und  durch  ihren  Besitz  im  Salzburg-,  Chiemgau  und 
in  Kärnten  eine  feste  Stütze  zu  geben.*  C.  Siegert  theilt  ihre 
Annahme  nicht,  sondern  macht  Sigihard  zu  einem  Bruder 
Aribos  II.  und  zugleich  des  Erzbischofs  Oudalbert,*  aber  Wen- 
drinsky  und  Richter  entscheiden  sich  wieder  ftir  Dubuat's  und 
Filzens  Hypothese.  E.  Richter  nimmt  weiter  an,  Graf  Engel- 
bert, der  Graf  Sigihard  in  seiner  Grafschaft  des  Salzburg- 
gaues folgt,  sei  sein  Sohn  gewesen,  und  macht  zu  dessen 
Oheimen  Sigihard  II.  und  Nortpreht,  zu  dessen  Sohne  Sigi- 
hard m.,  der  in  den  Traditionen  Erzbischof  Friedrichs  (958 
bis  991)  wiederholt  als  dessen  Bruder  und  als  Gemahl  der 
Edelfrau  Wila  zu  erkennen  ist.  ^  Für  Sigihards  III.  und  Wilas 
Sohn  hält  er  Engelbert  IL  und   für   des  Letzteren  und  seiner 


*  Vergl.  S.  Hirsch,  Jahrb.  1,  37  Anm  2. 

"  E.  Dümtnler,  Geschichte  d.  Ostfr.  R.  3,  224.  461.  464  n.  a. 
'  M.  Fils,  Geschichte  von  Michaelbeuem  1,  49.  53. 

*  C.  Siegert,  Stammtafel,  S.  42. 

<^  E.  Richter,  Untersuchungen  629  ff. 


399 

Gemahlin  Adala  Söhne  sucht  er  Graf  Sigihard  IV.  und  den 
Diakon  Friedrich  zu  erweisen,  indem  er  zugleich  nachdrücklich 
auf  den  Besitz  dieser  Brüder  im  Thale  Gastein  hinweist,  wo 
auch  die  Grafen  von  Peilstein  im  12.  Jahrhundert  begütert 
sind.  *  Sigihard  IV.  und  seiner  Gemahlin  Pilhilde  aber  gibt  er  zu 
Söhnen  Pfalzgraf  Hartwig  IL,  dessen  Bruder  Friedrich  und 
den  Patriarchen  Sigihard  von  Aquileja  (1068 — 1077),  gewöhn- 
lich Syrus  genannt,  und  dabei  stützt  er  sich  vor  Allem  auf 
die  bekannte  Stelle  des  sächsischen  Chronisten  Ekkehard,  wo 
dieser  den  Tod  des  Grafen  Boto,  des  Bruders  des  Pfalzgrafen 
Aribo  n.,  meldet  und  dabei  auch  ihres  Vaters,  des  Pfalzgrafen 
Hartwigs  II.,  und  seines  Bruders  Friedrich,  sowie  ihres  Ahn- 
herrn Aribo  gedenkt,^  und  auf  die  Bestätigungsurkunde  Papst 
Innocenz  IL  fUr  das  Kloster  Michaelbeuern  aus  dem  Jahre  1137.^ 
Des  Pfalzgrafen  Hartwigs  IL  Bruder  Friedrich  von  Tengling 
betrachtet  er  wie  seine  Vorgänger  als  den  gemeinsamen  Stamm- 
vater und  seine  Söhne  Sigihard  und  Friedrich  als  die  Be- 
gründer der  beiden  Familien  Burghausen-Schala  und  Peilstein. 
Den  Pfalzgrafen  Hartwig  I.  jedoch  und  Sigihard,  den  Stifter 
von  Baumburg,  ^  sowie  die  Familie  Piain,  die  er  alle  auch 
lom  Aribonenhause  zählt,  in  dasselbe  einzureihen  verzichtet 
er,  da  es  hiefür  an  ausreichenden  Anhaltspunkten  fehle.  ^ 

Ist  nun  auch  seit  £.  Richter's  Forschungen,  die  auf  einer 
viel  sohderen  Grundlage  als  alle  früheren  ruhen,  kaum  mehr 
zu  bezweifeln,  dass  die  Grafen  von  Burghausen-Schala,  von 
Peilstein  und  von  Lebenau,  sowie  die  Plainer  als  Angehörige 
des  berühmten  Aribonenhauses  anzusehen  sind,  so  stehen  doch 
der  von  ihm  beUebten  Art  der  Einfügung  des  pfalzgräflichen 
Zweiges  in  dasselbe  erhebliche  Bedenken  entgegen.  Einmal 
ist  dadurch  nicht  erklärt,  wie  die  von  Graf  Aribo  (IL),  Sohne 
Ottokars,  in  der  Grafschaft  Leoben  erworbenen  Hüben  in  die 
Hände  des  pfalzgräflichen  Zweiges  gelangten,  wenn  dieser  nicht 
von  Aribo  (IL)  oder  Ottokar  abstammte,  und  dann  bleibt  bei 
diesem  Zusammenhange  die  ganze  Stellung  des  Pfalzgrafen 
Aribo  L,  insbesondere  der  Uebergang  der  pfalzgräflichen  Würde 

*  £.  Siebter,  Untersuchungen  632.  634. 
«  Mon.  Germ,  histor.  Script.  6,  225  f. 

*  M.  Filz,  Geschichte  von  Büchaelbeuern  2,  748  Nr.  6. 

*  Mon.  Boic.  3,  3. 

*  £.  Richter,  Untersuchungen  635. 


400 

vom  Pfalzgrafen  Hartwig  I.  auf  ihn  und  von  ihm  auf  den 
Pfalzgrafen  Hartwig  II.  unbegreiflich.  Aribo  I.  tritt  aber  in 
der  Gegend  von  Salzburg  sehr  bedeutend  hervor;  er  ist  in 
den  Zeugenreihen  der  Traditionen  der  Erzbischöfe  Friedrich 
(958—991)  und  Hartwig  (991—1023)  oft  an  erster  Stelle.  Zu- 
dem scheint  mir  das  zweite  Document,  auf  das  E.  Richter  sich 
neben  Ekkehards  Stelle  vorzüglich  beruft,  bei  näherer  Betrach- 
tung nicht  so  sehr  für  seine  Auffassung  zu  sprechen.  Die  entschei- 
dende Stelle  dieses  Schriftstückes  der  päpstUchen  Kanzlei  lautet: 
,Quam  ob  rem  dilecte  in  domino  fili  Truonto  abbas  •  exorati  a 
nobili  comitissa  Ita  •  et  filüs  eius  Gebehardo  et  Sigehardo  co- 
mitibus  atque  nepotibus  gloriosi  Lotharii  Imperatoris  •  buronense 
cenobium  in  honore  beati  Michaelis  archang.  a  Sigehardo 
bone  memorie  Aquilejensi  patriarcha  •  nee  non  Bilhilt  matre 
eius  •  a  comite  etiam  Sigehardo  ac  Friderico  fratre  eius  •  Hart- 
wige quoque  comite  palatino  •  et  Sizone  comite  in  sua  posses- 
sione  fundatum.'  Darin  sind  die  angeftihrten  Wohlthäter  und 
Stifter  Michaelbeuerns  offenbar  in  drei  Gruppen  geordnet:  als 
die  jüngste  gibt  sich  die  Gräfin  Ita  und  ihre  Söhne,  die  Grafen 
Gebehard  und  Sighard,  als  die  nächst  ältere  der  Patriarch 
Sigihard  von  Aquileja,  seine  Mutter  Pilhilde  und  deren  weitere 
Söhne,  die  Grafen  Sigihard  und  Friedrich,  als  die  dritte  und 
älteste  der  Pfalzgraf  Hartwig  und  Graf  Sizo  zu  erkennen; 
man  beachte  nur  die  Art  der  Anreihung  und  Verbindung  der 
Gruppen  durch  die  Partikeln.  Darnach  und  nach  der  Art  des 
Ausdruckes  kann  unter  dem  Sigihard  oder  Sizo,  der  mit  dem 
Pfalzgrafen  gepaart  ist,  doch  wohl  nicht  der  Gemahl  Pilhildens 
und  noch  weniger  natürlich  wieder  des  Pfalzgrafen  Hartwigs  H. 
Bruder,  der  Patriarch,  und  unter  dem  ihm  beigeordneten  Pfalz- 
grafen schwerUch  der  Pfalzgraf  Hartwig  II.,  sondern  nur  Hart- 
wig I.  verstanden  sein  und  bei  Sizo  nur  an  einen  verwandten 
Zeitgenossen  desselben,  etwa  an  seinen  Nachbar  Sigihard  HJ., 
gedacht  werden.  Der  Ausdruck  ,in  sua  possessione  ftindatum' 
passt  auch  am  besten  auf  Pfalzgraf  Hartwig  I.,  in  dessen  Graf- 
schaft ja  das  Kloster  Michaelbeuern  gelegen  war.  ^  M.  Filz 
sieht  in  ihm  darum  den  ersten  Wiederhersteller  des  Klosters, 
und  hiezu  stimmt  der  Todestag,  der  im  Necrologium  desselben 
flir    einen    Pfalzgrafen    Hartwig    angesetzt    ist;     denn     dieser 


*  Mon.  Germ.  Dipl.  2,  184,  „. 


401 

iXV.  kal.  jul.)   ist   wesentlich    verschieden   von  dem  (IX.  kal. 
dec.),  welchen  das  Necrologium  Seonense  Hartwig  IL  gibt.^ 

Das  andere  Hauptbeweisstück  Richter's,  die  erwähnte 
Stelle  der  Weltchronik  Ekkehards,  verdient  bei  der  anerkannten 
Glaubwürdigkeit  des  Verfassers  ohne  Zweifel  alle  Beachtung 
and  ist  zu  klar,  als  dass  sie  missverstanden  werden  könnte; 
allein  ein  Namensirrthum  des  in  femer  Gegend  lebenden  Ver- 
fassers ist  doch,  so  gut  er  sich  sonst  in  solchen  Dingen  unter- 
richtet zeigt,  nicht  ausgeschlossen,  und  entweder  seine  Angabe 
oder  die  des  Necrologium  Seonense  muss  einen  Irrthum  ent- 
halten, denn  sie  lassen  sich  nicht  in  Einklang  bringen.  Es  kann 
sich  also  nur  darum  handeln,  welcher  von  den  beiden  Quellen 
man  den  Vorzug  geben  will.  S.  Hirsch  und  H.  Bresslau,*  sowie 
P.  Wittmann  ^  halten  sich  an  das  Necrologium,  J.  Wendrinsky 
und  E.  Richter  meinen,  es  verwerfen  zu  sollen,  weil  es  inter- 
poliert sei.  Der  Herausgeber  der  Excerpte  desselben,  die  in 
Jen  Monumentis  Boicis*  veröffentlicht  sind,  nennt  allerdings 
diese  so;  wie  es  sich  aber  eigentlich  damit  verhält,  zeigt  klar 
die  neue  vollständige  Ausgabe  des  Necrologiums  in  den  Monu- 
mentis Germaniae  hist.^  Darnach  besteht  es  aus  älteren  und 
jüngeren  Theilen,  die  der  Herausgeber  genau  durch  grösseren 
and  kleineren  Druck  unterschieden  hat.  Aribo  I.  und  seine 
?anze  Familie  jedoch  erscheinen  ausnahmslos  in  den  ältesten 
Theilen,  die  von  der  ersten  Hand  herrühren,  und  diese  sind 
aach  der  Ansicht  des  Herausgebers  seit  dem  Jahre  1164  ein- 
getragen, fallen  also  jedenfalls  in  die  ersten  Decennien  der 
meiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts.  Somit  steht  ihre  Glaub- 
würdigkeit wohl  ausser  Frage,  und  für  die  Richtigkeit  der  An- 
^ben  spricht  noch  sehr  entschieden  die  Thatsache,  dass  sich 
dieselben,  soweit  man  sie  durch  andere  Quellen  controlieren 
kann,  als  durchaus  wahr  erweisen.  Personen  mit  solchen 
Namen,  solchen  Aemtern  und  Würden,  wie  sie  das  Necrolo- 
^um  den  Gliedern  der  Familie  Aribosl.  zutheilt,  haben  wirk- 
lich in  jener  Zeit  gelebt  und  gerade  da  sich  aufgehalten,  wo 
man   sie    als  Angehörige   der   pfalzgräflichen  Familie   oder  des 


»  M.  G.  h.  Necrolog.  G.  2, 235.  Mon.  Boic.  2, 162.  8.  Hirsch,  Jahrb.  1, 33  Anm.  2. 
«  8.  Hirsch  u.  H.  Bresslau,  Jahrb.  1,  32  flf.  3,  340  ff. 

*  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  v.  Baiem  17  ff. 

*  Mon.  Boic.  2,  158—163. 

*  Mon.  Germ,  histor.  Necrologia  Germaniae  2,  217 — 235. 

IrekiT.     LXXXIII.  Bd.    II.  H&lfte.  27 


402 

Aribonenhauses  überhaupt  zuerst  sucht.  Darum  glaube  ich  auch 
dem  Necrologium  vor  der  berührten  Stelle  der  Weltchronik 
Ekkehards  den  Vorzug  geben  zu  sollen. 

Es  sind  aber  nicht  allein  oder  hauptsächlich  diese  Er- 
wägungen, die  es  mir  sehr  tmwahrscheinlich  machen,  dass  der 
pfalzgräfliche  Zweig  des  Aribonenhauses  von  Sighard  I.  ab- 
stamme, sondern  vor  Allem  die  Besitzverhältnisse  beider  Fa- 
milien, die  sehr  stark  von  einander  abweichen.  So  selten,  wie 
man  gemeinhin  annimmt,  sind  allerdings  Aenderungen  im  Be- 
sitze im  Mittelalter  nicht;  es  gab  auch  damals  Käufe  und  Ver- 
käufe und  namentlich  Schenkungen  an  Kirchen  und  Klöster 
oft  genug.  Allein  grössere  Gütercomplexe,  namentlich  die  alten 
Erbgüter,  werden  von  den  Familien  doch  nur  in  den  selteneren 
Fällen  veräussert,  und  eine  Art  von  Gütern,  die  Stammgüter 
(Handgemal)  konnten  von  den  Edlen  gar  nicht  einmal  ver- 
geben werden,  so  lange  noch  Glieder  ihrer  Familie  vorhanden 
waren.  Es  bestand  noch  die  Anschauung  fort,  dass  das  Stamm- 
gut nicht  Privatgut  des  Einzelnen,  sondern  Gesammtgut  des 
Geschlechtes  sei,  daher  war  es  untheilbar  und  wurde  auch 
denjenigen  Familiengliedem  zugerechnet,  die  sich  nicht  im  Be- 
sitze und  Genüsse  desselben  befanden.^  An  dasselbe  knüpfte 
sich  ja  die  Eigenschaft  des  Adels;  welche  Familie  es  nicht 
mehr  besass,  diese  sank  zu  den  gemeinft-eien  herab. 

Man  hat  bisher  den  Hauptsitz  des  Aribonenhauses  im 
Chiemgaue  gesucht  und  darum  die  Aribonen  geradezu  Chiem- 
gauer  genannt.  Die  Familie  der  Sigiharde  ist  nun  in  der  That 
in  diesem  Gaue  ausser  im  Salzburggaue,  wo  sie  zuerst  auf- 
tritt, seit  der  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  vorzüglich  begütert 
und  hat  ihr  Uauptgebiet  im  Südosten  desselben,  in  der  Nachbar- 
schaft des  Salzburggaues,  von  dem  sie  gleichfalls  noch  Theile 
innehat.  Den  ursprünglichen  und  Hauptsitz  der  pfalzgräflichen 
Familie  glaube  ich  jedoch  nicht  da,  sondern  im  nördlich  davon 
gelegenen  Isengaue  suchen  zu  sollen.  Und  es  ist  keineswegs 
auflaUig,  wenn  der  Stammsitz  des  Aribonenhauses  hier  gewesen. 
Es  dürfte  im  9.  und  10.  Jahrhundert  kaum  einen  Gau  Baiems 
geben,  der  schon  so  stark  cultiviert,  so  dicht  bevölkert  war.* 
Von   keinem   sind  uns   so  viele  Ortschaften  und  Ansiedlungen 


^  R.  Schröder,  Deutsche  Rechtsgeschichte,  1.  Aufl.,  263.  420. 
*  V.  Koch-Stemfeld,  Beytr&ge  2,  50  ff. 


403 

bekannt^  und  man  braucht  den  Grund  hievon  nicht  etwa  in 
einem  glticklichen  Zufalle  zu  suchen,  der  das  diese  Gegenden  be- 
treffende Urkundemnateriale  besser  erhalten  hat.  Der  Isengau 
gehört  ja  zu  den  fruchtbarsten  Strichen  des  Baiemlandes,  und 
daraus  wie  aus  der  günstigen  Lage  erklärt  sich  zur  Genüge 
dessen  frühe  und  starke  Besiedlung.  Selbst  die  verheerenden 
üngameinfUlle  scheinen  hier  nur  einen  vorübergehenden  Rück- 
gang der  Cultur  bewirkt  zu  haben,  in  der  zweiten  Hälfte  des 
10.  Jahrhunderts  muss  bereits  die  Besiedlung  desselben  noch 
stärker  geworden  sein,  wie  die  nun  eintretende  Güterzer- 
stückelung schliessen  lässt.  Hier  war  auch  die  Begüterung  der 
Salzburger  Kirche  sehr  stark.  ^  Der  rasche  Anwachs  der  Be- 
Tölkerung  mag  nicht  wenig  dazu  beigetragen  haben,  dass  der 
Isengau,  obwohl  er  zu  den  kleineren  zählt,  spätestens  im 
9.  Jahrhundert  wie  die  Nachbargaue  in  kleinere  Verwaltungs- 
gebiete, Grafschaften,  getheilt  wurde,  und  dass  deren  Zahl 
nicht  geringer,  eher  grösser  wurde  als  in  den  anderen.  Der- 
selbe zählte  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  zum  wenigsten 
vier,  sehr  wahrscheinlich  fünf  oder  sechs  Grafschaften.  Es 
hatten  da  ihre  Grafschaftssprengel  die  Grafen  Megingoz  und 
Vuatilo,*  in  deren  Comitaten  die  Orte  Chazpach  und  Tollin- 
howa  an  der  Vils  lagen,  der  Graf  Chadalhoch,^  der  Pfalzgraf 
Hartwig  I.,  dessen  Grafschaft  die  Ortschaften  Eihhi  (Eich  an 
der  Isen)  imd  Tagaperhtesheim  (Taibrechting  an  der  Rot)  an- 
gehören,* wahrscheinlich  auch  noch  die  Grafen  Moimir  und 
Pöigrim,^  sowie  Graf  Poppe,  dessen  Grafschaft  mit  dem  Orte 
Cholinga  (KöUing?)  unmittelbar  neben  jener  Hartwigs  genannt 
wird.  ^  Der  Pfalzgraf  Hartwig  I.  war  offenbar  der  Nachfolger 
des  Grafen  Orendil,  denn  dessen  Grafschaft  umfasste  ausser 
den  Orten  Paldrichesheim  (Perlsham  im  Landgerichte  Mühldorf), 
Timinpach,  Utinhusa,  Tiufstadon  (Tiefstädt,  Landgericht  Eggen- 
felden)  und  Preitindorf  (bei  Nonnberg,  Landgericht  Altötting) 
noch  den  oberwähnten  Ort  Tagaperhtesheim  an  der  Rot,'  und 


»  T.  Koch-Sternfeld,  Beytr.  2,  74  f. 

«  Jav-avia,  Anh.,  S.  139  Nr.  32,  144  Nr.  43,  168  Nr.  82. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  207,  40,  St.  189. 

♦  JuvÄvia,  Anh.,  S.  193  Nr.  9,  196  Nr.  13;  v.  Koch-Stemfeld  BeytrÄge  2,  71. 
5  n>id-  S.  140  Nr.  33,  147  Nr.  45  und  46,  148  Nr.  48. 

•  n>id.  S.  193  Nr.  9. 

^  Ibid.  8.  153  Nr.  60,  165  Nr.  78.     Notisshl.  6,  24  Nr.  83. 

27* 


404 

er  kann  daher  mit  demselben  Rechte  als  Vater  des  Pfalzgrafen 
aufgefasst  werden,  mit  dem  der  Graf  Engelbert,  der  Nach- 
folger des  Grafen  Sigihard  im  Salzburggaue,  als  dessen  Vater 
gilt.  ^  Auch  die  Anderen  als  Verwandte  anzusehen,  liegt  nahe  ge- 
nug, da  ihre  Namen  bis  auf  den  Moimirs  im  Aribonenhause 
wiederkehren  und  der  sonst  deutschen  Geschlechtem  fremde 
Name  Moimir  in  diesem  Hause  sich  am  ehesten  erklären  lässt, 
dessen  Ahnherr  ja  mit  dem  gleichnamigen  Herzoge  von  Mähren 
wiederholt  in  Verkehr  getreten  ist.*  In  den  Grafen  Chadalhoch 
und  Poppe  möchte  ich  am  ehesten  Brüder  des  Pfalzgrafen 
Hartwig  I.  erkennen.  Sind  aber  alle  als  Angehörige  des  Ari- 
bonenhauses  zu  betrachten,  dann  unterliegt  es  nicht  dem  ge- 
ringsten Zweifel,  dass  des  Pfalzgrafen  Hartwig  I.  Grafschaft 
alter  Besitz  desselben  ist.  Jedenfalls  war  sein  im  östlichen  und 
südlichen  Isengaue  gelegenes  Grafengebiet  bedeutender  und 
älter  als  sein  zweiter  Bezirk,  jener  im  Salzbui^aue,  denn 
dieser  umschloss  nur  Theile  der  Grafschaft  Engelberts,  Striche 
östlich  und  westlich  von  dem  Salzachflusse,  die  Gerichte 
Wildshut  und  Tetelheim  und  die  Schranne  Titmoning,  und 
kann  an  ihn  oder  seine  Familie  erst  gekommen  sein,  als  Graf 
Engelbrecht  oder  seine  Familie  die  Grafschaft  verloren  hatte.  ^ 
Als  jüngerer  Besitz  müssen  entschieden  auch  Hartwigs  I. 
Aemter  und  Besitzungen  südwärts  der  Tauem  betrachtet  werden, 
wo  seine  Machtstellung  am  bedeutendsten  ist.  Deren  Erwerb 
hängt  vermuthlich  mit  dem  Sturze  des  Hauses  Arnulfs  I.,  Herzogs 
von  Baiem,  und  dessen  Verdrängung  vom  Pfalzgrafenamte,  so- 
wie mit  dem  Uebergange  desselben  auf  das  Aribonenhaos  zu- 
sammen. Denn  bis  um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  erscheint 
im  Herzen  Kärntens  Berthold,  Arnulfs  I.  Bruder,  als  gewaltiger 
Herr,  neben  dem  alle  Anderen  zurücktreten,  mit  herzoglichem 
Titel  und  herzoglicher  Gewalt,  anfangs  seinem  Bruder  unter- 
geordnet und  dann  selbst  Herzog  von  Baiem.  *  Sein  NeflFe  aber, 
Amidfs  I.  gleichnamiger  Sohn,  musste  sich  mit  der  Würde  des 
(ersten)  Pfalzgrafen  von  Baiern  begnügen,  und  als  er  sich  mit 
seinen   Brüdern   den   rebellischen   Söhnen  Kaiser   Ottos  I.   an- 


^  £.  Richter,  Untersachungen  630. 

*  E.  Dümmler,  Geschichte  d.  ostfr.  R.  3,  463  f.  516. 
'  £.  Richter,  Untersttchun^n  635.  639. 

*  S.  Riezler,  Geschichte  Baierns   1,  332  ff.     Javavia,  Anh.,  S.   126  Nr.  2, 
136  Nr.  23,  152  Nr.  57,  166  Nr.  80, 178  Nr.  64.  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  147,  „. 


405 

schloss,  da  kam  er  selbst  ums  Leben,  und  seine  Familie  wurde 
in  die  Verbannung  geschickt  (955).  ^  Ein  paar  Jahre  nach  deren 
Sturze  sehen  wir  einen  Grafen  Hartwig  im  Besitze  eines  Grafen- 
amtes in  Kärnten  und  einer  Grafschaft  im  pagus  Chrouuat,^ 
der  an  der  Gurk  und  Glan  sich  ausbreitet,'  und  zehn  Jahre 
nachher  einen  Grafen  desselben  Namens  im  nämlichen  Gaue, 
der  den  auff^ligen  Beinamen  Vualtpoto  führt.*  Es  ist  wohl 
immer  dieselbe  Persönlichkeit,  und  der  Beiname  deutet  gewiss, 
wenn  er  auch  nicht  identisch  ist  mit  dem  Ausdrucke  Pfalz- 
graf, auf  höheres  Ansehen  und  erweiterte  Machtbefugnisse. 
Diese  Bezeichnung  kehrt  noch  zweimal  wieder,^  und  zwar  zu 
einer  Zeit,  wo  er  auch  bereits  den  Titel  Pfalzgraf  führt.  ^  Wie 
bedeutend  sein  Grafschaftsgebiet  in  Kärnten  ist,  ergibt  sich 
daraus,  dass  darin  nicht  allein  die  Orte  Crapofelt  (Krapfeld), 
Zurik,  Vuirzsosah  (an  der  unteren  Gurk),  Ribniza  (Reifnitz  am 
Südufer  des  Wörthersees),  Lebeniah  und  Glanadorf,  Malmosic, 
Buissondorf  und  Bodpechah,  die  Dörfer  Otmanica  und  Blasin- 
dorf, Gnevuotindorf,  Racozoloch  imd  Galisich,  die  doch  alle  bis 
auf  Reifnitz  nördlich  vom  genannten  See  liegen,  sondern  auch 
der  Ort  Fillac  (Villach),  der  einem  anderen  Gaue  zugehörig 
ist,  nämlich  dem  Lumgaue,  vorkommen."^  Bei  der  Grösse  und 
Lage  seines  Besitzes  zu  beiden  Seiten  der  Tauern  ist  es 
fliehte  weniger  als  befremdUch,  wenn  er  auch  zugleich  die 
Würde  eines  Vogtes  des  Erzstiftes  bekleidet;®  eine  solche 
Stellung  diesem  gegenüber  jedoch,  wie  sie  ihm  Zillner®  zuschreibt, 
hat  er  sicherlich  nicht  gehabt;  er  ist  nicht  einmal  als  dessen 
Obervogt  sicher  zu  erweisen. 

Als  Hartwigs  I.  Nachfolger  im  ^falzgrafenamte  gilt  allge- 
mein der  Pfalzgraf  Aribo  L,  aber  sein  Verhältniss  zum  Vor- 
gänger wird  verschieden  aufgefasst;  die  einen  Forscher  halten 

*  S.  Riezier,  Geschichte  Baierns  1,  343  ff. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  253,  »;  255,  ^.  St.  231.  234. 

'  M.   Felicetti  v.  Liebenfels,  Pag.  Chrounat,   in   Beitr.   z.  Kunde  steierm. 
Geschichtsqu.  6,  96  ff. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  396,  s-  St.  352. 

*  Ibid.  2,  183,  „.  St  712;  230,  35.  St.  751. 

*  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiem  16.   Oberbaier.  Archiv  34,  279 
Nr.   69. 

^  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  253,  ,0;  255,  „;  396,  ,.  2.  183,  „1  ^^l»  s«;  ^^t  n* 

*  JnvÄTia,  Anh.,  S.  198  Nr.  20,  200  Nr.  24. 

*  Dt.  Zillner,  Die  Grafschaften  190. 


406 

ihn  fhr  dessen  Bruder  oder  Sohn,  die  anderen  filr  dessen  Neffen, 
alle  jedoch  für  einen  nahen  Verwandten.*     E.  Richter   spricht 
sich  darüber  gar  nicht  aus.     Es  fehlt  eben  an  jedem  Zeugniss 
hierüber.   Auf  nächste  Verwandtschaft  glaubt  man  wegen  seiner 
Nachfolge  im  Pfalzgrafenamte  schliessen  zu  müssen,   denn  von 
seinen   anderen  Aemtem   und  Würden,   sowie   von   seinen   Be- 
sitzungen wissen  wir  wenig.   Sicher  ist  nur,  dass  er  bedeutenden 
Besitz  im  Chiemgaue  im  Landgerichte  Trostberg  gehabt  haben 
muss,   und  dass  er  solchen  in  dem  Gaue  Chrouuat  in  Kärnten 
erworben   hat.     Für  jenen  spricht  die  Gründung  des  Klosters 
Seon,   das  ja   dort  gelegen   und   begütert   ist.     Der  Ort   hiess 
früher  Burgili  und  war  Aribos  Erbgut,  wie  die  Urkunden,  womit 
Kaiser  Otto  HI.  (999)  das  neugegründete  Kloster  in  seinen  Schutz 
nimmt  und  ihm  Immum'tät  und  Wahlrecht  verleiht,  ausdrücklich 
melden.*     Die  Erwerbung  in  Kärnten  bestand  in  drei  Königs- 
hufen,  die  in  den  schon  genannten  Dörfern  in  regimine  wald- 
podonis  Hartwici  in  pago  Chrouuat  lagen.*     Aribo  heisst  zwar 
hier   nur   Getreuer   (fidelis),    dort   nur  Graf,    es  ist  aber  kaum 
zu  bezweifeln,   dass  beide  Male  an  dieselbe  Person,   und  zwar 
an   den   Pfalzgrafen   zu   denken   ist.     Auf  weiteren  Besitz   im 
Kroatengaue  lassen  die  Besitzungen  des  Klosters  Göss  daselbst 
schliessen,    denn    diese  stammen  doch   wohl  von  dem  Gründer 
dieses  Klosters  und  seinen  nächsten  Verwandten.    Als  Gründer 
nennt  eine  Urkunde  Kaiser  Heinrichs  11.  (1020)  den  Salzburger 
Diakon  Aribo,   den  Sohn   eines   anderen  Aribo,   der  seine  Zu- 
stimmung gibt,  und  dessen  Mutter  Adala.^    Nun  hat  nach  dem 
Seoner    Necrologium    der    Pfalzgraf    eine    Gemahlin    Namens 
Adala,  einen  Sohn  Namens  Aribo,  den  gleichnamigen  Erzbischof 
von  Mainz  (1021 — 1031),  und  eine  Tochter  Namens  Chunigunde 
(cometissa),^  und   eine   ,Chunigundis   tilia  Aribonis,   comitis  in 
valle   Liubena   et  Adulae   seu   Adolae,   soror  Aribonis,    postea 
Moguntini  Archiepiscopi^  nennt  das  Admonter  Necrologium   als 
erste  Aebtissin.*^     Darnach  ist  wohl  nicht  zu  bezweifeln,    dass 
der  Diakon  Aribo  der  Sohn  des  Pfalzgrafen  und  Adala  dessen 


'  S.  Hirsch,  Jahrb.  1, 33.  3, 341.  M.Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuem  1,  35. 

>  Mon.  Germ.  Dipl.  2,  744.  745. 

«  Ibid.  2,  230. 

*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkb.  1,  46. 

<^  Necrolog.  Germ.  2,  220.  223.  230.  231.     Mon.  Boic.  2,  158  ff.  162. 

'  E.  FrOlich,  Diplomat.  1,  133. 


407 

Gemahlin  sind^  und  dass  also  die  geschenkten  Grüter  von  dieser 
Familie  herrühren.  Desselben  Ursprunges  werden  die  anderen 
Besitzungen  sein^  mit  denen  die  Stifter  ihre  Stiftung  ausstatten^ 
wie  die  im  Leobenthale,  wo  das  Kloster  liegt  und  einen  grösseren 
Bezirk  besitzt.  *  Wie  aber  letztere  vom  obgenannten  Aribo  (11.) 
an  diese  Famihe  gekommen^  darüber  wage  ich  kaum  eine  Ver- 
mathnng  auszusprechen;  am  wahrscheinlichsten  scheint  mir, 
dass  Adala  der  Famihe  der  Ottokare  angehöre  und  sie  ihrem 
Gemahle  Aribo  zugebracht  habe. 

Auf  weiteren  Besitz,  namenthch  im  Chiem-  und  Salzburg- 
gaue, weist  Pfalzgraf  Aribos  I.  Gegenwart  bei  manchen  Ver- 
handlungen hin,  wie  zugleich  der  Rang  unter  den  Zeugen, 
anter  denen  er  fast  immer  der  erste,  sein  hohes  Ansehen  und 
seine  Gegenwart  seine  nahen  Beziehungen  zum  Erzstifte  Salz- 
burg, dessen  Vogt  er  auch  vermutUich  gewesen,  bezeugen;* 
darauf  lassen  auch  die  Aemter  und  Güter  zweier  anderer  Söhne 
schliessen,  die  ihm  das  Necrologium  Seonense  gibt:  Hartwigs  II. 
and  Chadalhochs  (11.).  ^  Pfalzgraf  Hartwig  H.  hat  Besitz  an  der 
Lasnitz  im  Murthale,  wo  wir  auch  den  Diakon  Aribo  und  seine 
Mutter  begütert  gesehen,*  und  das  spricht  zugleich  ftlr  den 
verwandtschafdichen  Zusammenhang,  der  nach  dem  Seoner 
Necrologium  zwischen  ihnen  besteht.  Ein  Graf  Chadalhoch  (II.) 
hatte  im  Jahre  1027,  wie  wir  schon  oben  gesehen,  eine  Graf- 
schaft im  Isengaue  inne,  über  die  sich  der  Forst  Heit  erstreckt, 
welcher  am  Flüsschen  Merina  (Möm)  sich  hinzieht  und  den 
auf  Bitten  des  Erzbischofs  Aribo  von  Mainz  Kaiser  Konrad  H. 
dem  Erzstifte  Salzburg  bestätigt.^  Da  die  Möm  etwas  nördlich 
Ton  Neuötting  von  rechter  Seite  in  den  Inn  fliesst  imd  einst 
mit  diesem  das  Landgericht  Mermosen  im  Osten  und  Norden 
begrenzte,*  so  kann  die  genannte  Grafschaft  nur  im  südüchen 
Isengaue,  im  Cidalargaue  gesucht  werden,  also  da,  wo  wir 
auch  die  Grafschaft  Hartwigs  I.  gefunden  und  die  Chadalhochs  (I.) 
zu  suchen  haben.   Das  spricht  doch  deutlich  flir  die  Richtigkeit 


>  J.  Zftbn,  Steienn.  Urkb.  1,  46  Nr.  39. 

«  B.  Pez,  Thes.  anecd.  Ic,  116.  Juvavia,  Anh.,  S.  196  f.  Nr.  13—16.  Archiv 
22,  300  ff.  Nr.  lab.  2—4.  10. 

*  Mecrolog.  Germ.  2,  230.  236. 

*  JuvATia,  Anh.,  223  Nr.  3, 

»  Mon.  Boic.  29a,  22.  St.  1957. 

*  Oberbaier.  Archiv  39,  2S3  f. 


408 

der   Verwandtschaftsbezeichnungen    des   Seoner   Necrologiums 
und   wenn   diese  richtig,   wenn   wirklich  Hartwig  IL.  und  Cha- 
dalhoch  (II.)  Söhne  des  Pfalzgrafen  Aribos  I.  gewesen,  dann  hat 
er  wohl  auch  einmal  ihren  Besitz  in  den  Händen  gehabt. 

Nach  all'  dem,  was  uns  sonst  noch  von  Aribo  I.  bekannt, 
war  er  ein  hochangesehener  und  reicher  Fürst.  Nahe  Bluts- 
verwandtschaft und  persönliche  Freundschaft  verband  ihn  mit 
Herzog  Heinrich  IV.  von  Baiern,  der  noch  zu  seinen  Lebzeiten 
den  deutschen  Königsthron  bestieg.  ^  Das  kaiserliche  Haus 
zeigte  seine  Gunst  fiir  die  Stiftungen  der  Familie  Aribos  I. 
ausser  durch  die  oberwähnten  Schutz-  und  Freiheitsbriefe  ftir 
das  Kloster  Seon  noch  durch  reiche  Schenkungen  an  das  Kloster 
Göss.  *  Aribo  I.  genoss  auch  noch  die  besondere  Freundschaft 
des  heil.  Wolfgang,  dem  Baiem  den  damaUgen  Aufschwung 
seines  religiösen  Lebens  meist  verdankte,  so  dass  derselbe  noch 
in  der  Nacht  vor  seinem  Tode  seiner  gedachte.^  Dies  hohe 
Ansehen  des  Pfalzgrafen,  die  Blutsverwandtschaft  mit  dem 
reichen  Herzog  von  Baiern  und  dann  König  und  Kaiser  von 
Deutschland,  die  grossen  Stiftungen  der  Familie,  all'  das  drän^ 
zum  Schlüsse,  dass  der  Besitz  derselben  noch  tiel  bedeutender 
gewesen  ist,  als  es  nach  den  bisher  angeführten  Zeugnissen  er- 
scheint. Es  liegt  die  Annahme  nahe,  Aribo  sei  der  Erbe  der 
reichen  Besitzungen  seines  Vorgängers  in  Kärnten  geworden 
aber  dafUr  fehlt  es  an  jedem  Zeugnisse.  Hartwigs  I.  dortiger 
Nachlass,  besonders  seine  Grafschaftsämter,  scheint  nach  seinem 
Tode,  da  er  wahrscheinlich  keine  männUchen  Nachkommen  hatte 
auf  andere  Verwandte  übergegangen  zu  sein.  Ich  glaube  eanz 
anderswo  einen  sehr  bedeutenden  Theil,  ja  den  wichtigsten 
den  Haupttheil  seines  Besitzes  suchen  zu  sollen,  nämlich  ün 
Lande  Tirol. 

Der  erste  und  einzige  aus  früherer  Zeit  bekannte  Graf 
des  unteren  Innthales,  des  Gebietes  vom  Ziller  bis  in  die  Nahe 
von  Rosenheim,  heisst  Engelbert,  denn  von  den  beiden  Grafen 
welche  die  Schenkungsurkunde  Kaiser  Arnulfs  vom  5.  October 
889  nennt,*  ist  wohl  der  so  benannte  hiefür  in  Anspruch  zu 
nehmen,   während   der   andere,    Jezo   genannt,    dem    mittleren 

>  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  744,  so»  746,  ,o.  J.  Zahn,  Steienn.  Urkb.  1, 47,  ,;  43 
«  J.  Zahn,  Steienn.  Urkb.  1,  48  ff.  Nr.  40,  41,  42.  *  *** 

'  Mon.  Germ,  histor.  Script.  4,  541,  ^  ff. 
*  Juvavia,  Anh.,  109  Nr.  61.    E.  Mühlbacher,  Eeg.,  Nr.  1779. 


409 

Innthale  vom  Ziller  bis  zur  Mellach  und  vielleicht  auch  dem 
Eisackthale  (Noritale)  zuzuweisen  sein  mag.  Engelbert  erinnert 
schon  durch  seinen  Namen,  der  unter  allen  Benennungen  im 
Änbonenhause  vielleicht  am  öftesten  vorkonmit,  sehr  lebhaft 
an  dasselbe.  Der  beschenkte  Cleriker,  dem  der  Kaiser  ausge- 
dehnten Besitz  im  Zillerthale  zu  beiden  Seiten  des  Zillerflusses, 
der  als  Grenze  der  beiden  Grafechaften  erscheint,  tibergab, 
war  Piligrim,  nachmals  Erzbischof  von  Salzburg,  nach  seinen 
Beziehungen  zum  Markgrafen  Aribo  wohl,  wie  schon  gesagt,^ 
ein  naher  Verwandter,  vielleicht  selbst  ein  Bruder  desselben, 
schon  durch  seinen  Namen  auf  dessen  Haus  hinweisend,  in  dem 
dieser  öfters  wiederkehrt.  Zu  Engelberts  Nachfolger  im  Grafen- 
amte des  unteren  Inuthales  führen  freihch  sehr  schwache  Spuren, 
allem  von  allen  Grafen,  die  in  den  Traditionen  des  Salzburger 
Erzbiscbofs  Oudalbert  (923 — 935)  angeftlhrt  sind,  eignet  sich 
keiner  besser  als  ein  Graf  Chadalhoch;  er  hat  Besitz  zu  Chuof- 
stein  (Kufstein),  Pirchinauuanch  (Bühelwang  bei  Kirchbilhel), 
zu  Reut  und  Brixlegg,*  erscheint  als  Graf  wiederholt  bei  Tausch- 
handlungen betreffs  Güter  des  benachbarten  Pinzgaues,  einmal 
ak  erster  und  einmal  als  dritter  Zeuge,  nach  dem  Obervogte 
des  Erzstiftes  Salzburg  Reginbeii;  und  dem  Grafen  des  Gebietes 
am  Salzburg  Engelbert^  und  als  Vogt  bei  Vertauschung  von 
Gütern  im  Chiemgaue  und  Salzburggaue;*  er  ist  wohl  der 
nämliche  wie  der  früher  genannte  Chadalhoch  I.,  Graf  im  sttd- 
Kehen  Isengaue.^  Die  Vereinigung  zweier  so  entlegener  Graf- 
schaften in  seiner  Hand  hat,  wie  das  Beispiel  des  gleichzeitigen 
P£alzgrafen  Hartwig  I.  darthut,  nichts  Auffälliges  an  sich;  dass 
eine  Familie  Besitz  im  Isengaue  mit  solchem  im  Innthale  ver- 
bindet, dafür  gibt  es  noch  ein  anderes  recht  bezeichnendes 
BeispieL 

Eß  ist  dies  die  Familie  des  Erzbischofs  Oudalbert,  der 
vor  seinem  Eintritte  in  den  geistlichen  Stand  vermählt  gewesen 
and  Vater  mehrerer  Kinder  geworden.  Derselbe  übergibt  ein- 
nuJ  seiner  Gemahlin,  der  sehr  vornehmen  Rihni,  die  v.  Koch- 
Stemfeld    und    M.   Filz    ftir    eine    Schwester    des    Markgrafen 

*  Siehe  8.  392. 

*  Juvavia,  Anh.,  S.  134  Nr.  18  u.  19,  192  Nr.  3. 
»  Ibid.  8.  169  Nr.  67  u.  160  Nr.  70. 

*  Ibid.  8.  133  Nr.  16  u.  138  Nr.  29. 

»  Ibid.  8.  144  Nr.  43,  149  Nr.  49,  169  Nr.  83  u.  176  Nr.  96. 


410 

Luitpold  halten^  ^  durch  die  Hand  seines  Obervogtes  Reginbert, 
Qrafen  im  Chiemgaue;  einen  Ort  zu  Erl  mit  mehreren  Eigen- 
leuten,  ^  dann  bei  einer  feierlichen  Versammlung  zu  Rohrdorf  in 
Gegenwart  zweier  Sendboten  des  Herzogs  Arnulf  von  Baiem 
(924)  eine  Reihe  Ton  Orten  im  Isengaue  und  nördlichen  und 
westlichen  Chiemgaue  bis  herein  in  die  Grafschaft  des  Unter- 
innthales  und  ins  Gebiet  von  Frieromarca  im  stldöstliehsten 
Theile  des  Sundargaues^  darunter  namentlich  zu  Chrems  (bei 
Altötting),  Flozingon  (Flossing),  Garoz  (Gars),  Epilingam 
(Eibling)  und  Prisinum  (Brixenthal)  und  capellam  ad  Prisnaum 
cum  Omnibus  adjacentiis  suis  et  locum  Puotilinpach,  (nach  dem 
Zusammenhange  vermuthlich  tirolisch)  zu  lebenslänglichem  Ge- 
nüsse für  sich  und  theilweise  für  ihre  Töchter,  wogegen  sie 
dem  Erzbischofe  ihren  Besitz  in  loco  Seuua  mit  den  darauf 
wohnenden  Eigenleuten  und  mit  dem  Jagdrechte,  weiter  locum 
Cidalara  mit  Eigenleuten  und  Zugehör  und  noch  Güter  im 
Chiemgaue,  wo  sie  sich  nur  ein  Grundstück,  genannt  Hant- 
gimali,  vorbehält,  überlässt.  ^  Seinem  Sohne  Dietmar  und  seiner 
Tochter,  der  Witwe  Heilrate,  wendet  Oudalbert  zuerst  die  Orte 
Erharting  (Landgericht  Mühldorf)  und  Tüssling  (im  Cidalargaue) 
zu,  wofUr  sie  Eigenthum  zu  Tüssling  und  Merinmos  abtreten 
musste.*  Dietmar  allein  übergibt  er  bei  einer  anderen  Gelegen- 
heit, nämlich  bei  einer  feierlichen  Versammlung  zu  Garst  in 
Anwesenheit  der  Sendboten  Herzog  Arnulfs,  Orendil  und  Rod- 
bert, im  Jahre  930  gegen  Ueberlassung  des  Ortes  Teising 
(Landgericht  Altötting  oder  Mühldorf),  ausser  Erharting  und 
Tüssling  noch:  Burg,  Teising,  zwei  Kirchen  zu  Reischach 
(Landgericht  Altötting)  mit  Zehenten,  Purhpah  und  den  Zehent 
zu  Rota.^  Diese  Orte  sind  ausnahmslos  im  Isengaue  zu  suchen. 
Ein  ähnliches  Uebereinkommen  wie  mit  Dietmar  und  Heilrate 
traf  der  Erzbischof  mit  seiner  Tochter  Himiltrude  und  deren 
Bruder  Bernhard,  ebenfalls  in  feierlicher  Versammlung  im 
Jahre  930  zu  Garst  und  in  Gegenwart  derselben  herzoglichen 
Sendboten,  das  im  Jahre  darauf  zu  Eharting   erneuert  wurde. 


1  R.  V.  Koch-Stemfeld,  Bejträge  2,  67.     M.  Filz,  Geschichte  Ton  Michael- 
beuem  1,  41. 

*  JayayiA,  Anh.,  S.  143  Nr.  41. 
'  Ibid.  S.  145  f.  Nr.  44. 

*  Ibid.  8.  146  f.  Nr.  46. 

»  Ibid.  8.  164  Nr.  77.     Bavaria  1,  620. 


411 

Himiltrude  legte  als  Eigenthum  in  die  Hände  Oudalberts  Wein- 
berge und  all  ihr  Eigenthum  zu  Bozen  und  Müls^  dann  Eigen- 
gut  und  Eigenleute  zu  Vomp,  Schwaz  und  Wiesing  und  Bern- 
hard flir  den  Fall  früheren  Ablebens  seiner  Schwester  und  seiner 
Frau  Eigenleute  ad  Vuinesprunnen.  Dafür  erhielten  sie  alle 
drei  auf  Lebenszeit:  Bernhards  Frau,  wenn  sie  nicht  wieder 
heiratete,  von  ihrem  Vater  die  Orte  Vuatenes  (Wattens),  Puotin- 
perch,  Onihesdorf,  Rioda  (letztere  wohl  im  ZiUerthale)  mit  allem 
Zogehör,  Kirchen,  Eigenleuten  und  Zehenten,  ausserdem  drei 
Schiffsleute  und  Epinga  mit  Eigenleuten,  dazu  in  Salina  pa- 
tella  I,  eine  Mühle  ad  Dratinpach  und  Fischereirecht  (auf  dem 
Inn?).^  Bernhard  allein  übergab  Oudalbert  fUr  sein  Eigenthum, 
das  er  zu  Preitindorf  in  der  Grafschaft  Orendels  und  zu  Tief- 
städt  hatte,  den  Ort  Auerdorf  für  sich  und  seine  Frau  zu  lebens- 
länglichem Genüsse*  und  ebenso  seiner  Tochter  Rihni  und  ihrer 
gleichnamigen  Schwester  Darhausen  bei  Schneitsee  im  nörd- 
lichen Chiemgaue,  woftir  sie  Mulinheim  (Mümelkam,  Land- 
gericht Mühldorf?)  abtrat.*  Diese  Besitzungen  der  FamiUe 
Oudalberts  beweisen  doch  deutlich  genug,  dass  sie  im  Isen- 
gaue  wurzle,  wo  sie  vorzüglich  begütert  ist  und  des  Erzbischofs 
Söhne  sich  aufhalten. 

Graf  Chadalhoch  L  hatte  einen  Sohn  Aribo,  der,  gemäss 
der  Sitte  der  Zeit,  wohl  unmittelbar  nach  seines  Vaters  Tode, 
weil  es  sich  sichtUch  um  den  Vollzug  einer  letztwilUgen  An- 
ordnung handelt,  einen  bereits  von  diesem  mit  dem  Erzbischofe 
Friedrich  ausgemachten  Tausch  vollzieht  und  dabei  für  ,quan- 
dam  ecclesiam  decimatam  Pura  (Neubeuern,  noch  in  der  Graf- 
schaft Innthal)  sitam  cum  omni  decimatione.  cum  omni  terra 
quae  ad  hanc  dictam  ecclesiam  visa  fuit  adiacere  et  cum  omni 
legalitate  ad  hanc  ipsam  ecclesiam  pertinente',  eine  volle  Hube 
zu  Reut  im  Innthale,  eine  andere  zu  Pirchinvvant  (Bühelwang) 
and  zwei  Mühlgebäude  in  Brixlegg  übergab,  aber  noch  zur  Be- 
festigung dieses  Tausches  den  ,censum  qui  hengistfuoter  v.  1.  di-  * 
citur'  hinzufügte.*  Wird  auch  hier  Aribo  nicht  Graf,  sondern 
nur  vasallus  des  Erzbischofs  genannt,  so  scheint  mir  doch  der 


^  JavaTia,  Anh.,  S.  162  Nr.  73.     Vergl.  M.  Filz,  Geschichte  von  Michael- 

beuem  1,  42  f. 
«  Ibid.  8.  166  Nr.  78. 
»  Ibid.  8.  161  Nr.  71. 
*  Ibid.  8.  192  Nr.  3.     Tiroler  Bote  1843,  S.  256  Anm. 


412 

genannte  census  entschieden  auf  gräfliche  Gewalt  hinzudeaten^ 
and  Rir  die  Wichtigkeit  des  Actes  zeugt  hinlängh'ch  die  damals 
noch  ungewöhnliche  Angabe  der  Zustimmung  ^tocius  cleri 
tociusque  militiae  familiaeque  omnis^;  dass  der  Grafentitel 
fehlt;  ist  ja  überhaupt  nicht  auffällig,  weil  es  unzähligemal  vor- 
kommt;  und  hier  umsoweniger,  als  ja  im  Zeitpunkte  dieses 
Actes  Aribo  als  Nachfolger  in  den  Grafschaften  seines  Vaters 
vom  Könige  kaum  bestätigt  sein  konnte.  Unser  Aribo  ist  wohl 
identisch  mit  dem  Zeugen  gleichen  Namens,  der  uns  in  den 
Traditionen  des  Bischofs  Richbert  von  Brixen  (ca.  955 — 975) 
ein  paarmal  an  erster  Stelle  entgegentritt/  und  ich  kann  in 
ihm  keinen  Geringeren  sehen  als  den  uns  wohlbekannten  Pfalz- 
grafen  Aribo  I.  Als  Graf  des  unteren  Innthales  war  Aribo  im 
Besitze  eines  Gebietes^  das  die  damaligen  Grafschaften  Baiems 
mehrmals  an  Umfang  und  Grösse  übertraf^  denn  es  kam 
ungefähr  einem  der  bairischen  Gaue  gleich,  und  diese  waren 
ja  schon  in  mehrere  Gra&chaften  getheilt;  als  Sohn  Chadal- 
hochs  I.,  des  Grafen  einer  Grafschaft  im  südlichen  Isengaue, 
darf  man  ihn  doch  ftir  einen  nahen  Verwandten  des  Pfalz- 
grafen Hartwig  I.  halten,  sollte  er  auch  nicht  ein  Neffe  des- 
selben sein,  und  dies  umsomehr,  da  nach  seinem  Tode  wieder 
ein  Chadalhoch,  der  sein  Sohn  sein  kann,  daselbst  als  Graf  auf- 
tritt. Diese  Annahme  ist  bisher  schon  wiederholt  vertreten 
worden.  Wenn  aber  S.  Hirsch  und  H.  Bresslau  in  Hartwig  I. 
den  Vater  Aribos  I.  sehen  wollen,  weil  dieser  einen  Sohn 
gleichen  Namens  hatte,  so  lässt  sich  dieser  Grund  ebensogut 
ftir  Chadalhoch  (I.)  geltend  machen,  denn  nach  dem  Seoner 
Necrologium  hat  Aribo  ja  auch  einen  Sohn  Chadalhoch  (II.).* 
An  zwei  verschiedene  Chadalhoche,  einen  im  Innthale  und  einen 
anderen  im  Isengaue,  ist  bei  den  oben  dargelegten  Beziehungen 
zwischen  beiden  Gauen  kaum  zu  denken.  War  aber  Aribo  im 
Besitze  beider  Grafschaftsgebiete  imd  zugleich  ein  naher  Ver- 
^  wandter  des  ersten  Pfalzgrafen  aus  dem  Aribonenhause,  dann 
erscheint  seine  Nachfolge  im  Pfalzgrafenamte  fast  selbstver- 
ständlich, denn  gewiss  kam  ihm  kein  anderes  Mi^lied  des- 
selben an  Macht  nur  im  Entfernten  gleich;  dann  begreift  man 


»  O.  Redlich,  Die  Traditionabücher,  Nr.  3  u.  5. 

"  8.  Hirsch,  Jahrbücher  1,  33;  3,  341.     R.  v.  Koch-Stemfeld,  BejtrSge  2, 
80  Anm.  b. 


413 

auch  viel  besser  die  hervorragende  Rolle,  die  er  allem  An- 
scheine nach  gespielt  hat,  die  Gunst  des  bairischen  Herzogs 
und  der  deutschen  Könige,  dann  auch  die  grossen  Schenkungen 
an  Kirchen  und  Klöster.  Nur  im  Besitze  des  Innthales  hatte 
er  eine  genügende  Grundlage  ftir  die  Würde  eines  Pfalzgrafen, 
da  von  den  reichen  Besitzungen  seines  Vorgängers  blos  ein 
Theil  auf  ihn  übergegangen  sein  kann  und  seine  Grafschaft 
im  Isengaue  klein  gewesen  sein  muss,  der  Besitz  im  Chiem- 
gaue  und  Leobenthale  aber  durch  die  Schenkungen  an  Seen 
und  Göss  jedenfalls  sich  sehr  vermindert  hatte. 

Für  den  Nachfolger  Aribos  I.  in  der  Pfalzgrafenwürde 
wird  übereinstimmend  Hartwig  H.,  dessen  Sohn  nach  dem 
Seoner  Necrologium,  angesehen.  Von  seinen  Besitz  Verhältnissen 
erfisJiren  wir  nur  das  Wenige,  das  bereits  erwähnt  worden  ist: 
er  besass  sehr  wahrscheinlich  das  Grafschaftsgebiet  im  Salz- 
bnrggaue  östlich  der  Salzach,  wo  Ostermunding  (Ostermiething 
im  Gerichte  Wildshut)  liegt,  ^  und  Güter  im  Murthale.  Dass 
ein  Graf  Cbadalhoch,  der  vermuthlich  sein  jüngerer  Bruder 
ist,  eine  Grafschaft  im  Isengaue  verwaltete,  wurde  gleichfalls 
schon  bemerkt.  Sehr  wahrscheinlich  hatte  Chadalhoch  H. 
aber  auch  im  südöstlichen  Theile  des  Sundargaues  Besitz,  wo 
wir  zu  Pfiinzen  am  Inn  Erbgut  in  den  Händen  seiner  beiden 
Söhne,  Piligrims,  Erzbischofs  von  Köln,  und  Chadalhochs  (HI.), 
sehen.*  Der  Letzterie  war  dann  reich  begütert  in  der  Gegend 
zwischen  Inn  und  Isen  und  wohl  auch  daselbst  Graf.  Hier 
übergibt  er  um  das  Jahr  1050  mit  seiner  Gemahlin  Irmingard 
dem  Erzbischof  Balduin  von  Salzburg  seinen  herrschaftlichen 
Wohnsitz  Namens  Bttrten,  dazu  die  dort  erbaute  Kirche  mit 
den  Priestern  und  ihren  Pfründen,  einen  Forst  in  der  Nachbar- 
schaft von  Bürten  mit  drei  Bauernschaften  und  den  hiezu  ge- 
hörigen Zinshuben,  überdies  drei  Mühlen,  vier  Weinberge  und 
überhaupt  all'  sein  Eigen  an  Land  und  Leuten  zwischen  den 
genannten  Flüssen.*  Was  etwa  an  die  drei  bekannten  Schwe- 
stern des  Pfalzgrafen  Hartwig H.  und  seines  Bruders:  Uvichpurch, 
Hiltiburch   und   die   schon  genannte  Chunigunt,*   gefallen,  ent- 


*  Urknndenbuch  des  Landes  ober  der  Enns  2,  80.  84. 
'  Mon.  Boic.  6,  27.     H.  Bresslau,  Jahrbücher  3,  341. 

*  R.  V.  Koch-Sternfeld,  Beytr.  2,  76  ff. 

*  Xecrolog.  Germ.  2,  228.  229.  281.     Mon.  Boic.  2,  160.  161. 


J 

i 


414 

zieht   sich   ebenso   unserer  Kenntniss,    wie   ob  Chadalhochs  11. 
gleichnamiger  Sohn  kinderlos  geblieben  oder  nicht. 

Des  Pfalzgrafen  Hartwig  IL  Söhne  von  seiner  sächsischen 
Gemahlin  Friderun  sind  nach  den  Angaben  der  Weltchronik 
Ekkehards  Pfalzgraf  Aribo  II.  und  Boto,  deren  Richtigkeit  auch 
durch  andere  Zeugnisse  bestätigt  wird.  ^  Auch  über  ihren  Be- 
sitz fehlt  es  nicht  an  sicheren  Zeugnissen.  Nach  der  Urkunde 
Heinrichs  HI.  vom  14.  Mai  1041  ist  die  Grafschaft  im  Salzburg- 
gaue östlich  von  der  Salzach,  die  sicher  Pfalzgraf  Hartwig  I., 
sehr  wahrscheinlich  auch  sein  Nachfolger  im  Pfalzgrafenamte, 
Aribo  I.,  gehabt,  in  diesem  Jahre  in  Hartwigs  H.  Händen.* 
Weitere  Aufschlüsse  bieten  die  Urkunden,  mit  welchen  Kaiser 
Heinrich  IH.  Güter,  die  den  Brüdern  wegen  ihrer  Theilnahme 
an  der  Verschwörung  gegen  denselben  im  Jahre  1055  vom 
Pfalzgrafengerichte  aberkannt  worden  sind,  an  Kirchen  schenkt. 
Schon  auf  seinem  zweiten  Zuge  nach  ItaUen  begriffen,  vergab 
Heinrich  IH.  am  6.  März  zu  Regensburg  an  den  Erzbischof 
Balduin  von  Salzburg  Gut  und  Kirche  zu  St.  Martin  bei  Strass- 
gang  (Gerichtsbezirk  Graz)  sammt  Liegenschaften  bis  zur  Mur, 
die  das  Hofgericht  Boto  abgesprochen  hatte,  ^  und  am  22.  März  zu 
Brixen  an  dasselbe  Stift  die  confiscierten  Güter  Botos  zu  Isin- 
grimesheim  an  der  Marchlupp  im  Matachgaue.*  Inzwischen 
hatte  auch  das  Bisthum  Eichstädt  des  Kaisers  Huld  erfahren, 
denn  diesem  verHeh  er  am  12.  M^rz  auf  dem  königlichen  Hofe 
Aeuting  bei  Freising  Botos  Gut  zu  Skeltheim  und  Gerolvingen, 
sowie  die  Weinberge,  die  der  Pfalzgraf  Aribo  H.,  sein  Bruder, 
auf  den  Hügeln  um  Regensburg  von  Rebdorf  bis  Inching  zu 
Lehen  hatte,  und  dessen  Mansus  im  Nordgaue  in  der  Graf- 
schaft des  Grafen  Heinrich.^  Ein  Skeltheim  kann  ich  nicht 
finden,  aber  ein  Schelldorf  gibt  es  bei  Eichstädt  und  ein  Gerol- 
ving  bei  Ingolstadt,  und  an  diese  Orte  ist  auch  zu  denken,  wie 
bereits  S.  Riezler  gethan  hat.  ®  So  hatten  also  bereits  die  Ari- 
bonen,   imd   zwar   vor  ihrer  Aechtung  Güter  an  und  nördlich 


*  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiern  19  flf. 

■  Urkondenbuch  des  Landes  ober  der  Enns  2,  84  Nr.  65.    Mon.  Boic.  31a. 

319.  St.  221.3 
»  J.  Zabn,  Steierm.  Urkb.  1,  68  Nr.  60.  St.  2465. 

♦  ürkundenbuch  des  Landes  ober  der  Enns  2,  88  Nr.  69.  St.  2468. 

*  Mon.  Boic.  31a,  329.  St.  2466. 

•  S.  Riezler,  Geschiebte  Baierns  1,  471. 


415 

der  Donau  und  im  Nordgaue  Besitz,  wo  wir  auch  ihre  Nach- 
folger im  Pfalzgrafenamte,  die  Rot-Vohburger,  begütert  sehen 
werden.  Was  sonst  noch  jene  damals  verloren  haben^  wissen 
wir  nicht;  nur  das  Eine  ist  sicher,  nämlich  dass  sie  später 
wieder  zu  Gnaden  gekommen  sind,  und  dass  sie,  wenn  sie 
einst  Alles  verloren  hatten,  einen  Theil  wieder  zurück  gewonnen 
und  auch  neue  Erwerbungen  gemacht  haben.  Zweifelhaft  bleibt 
es,  ob  sie  auch  Grafschaften  wieder  erlangt;  jedenfalls  nannten 
sie  sich  nicht  nach  solchen,  sondern  Boto  nach  der  Burg  Potenstein 
in  Franken  comes  de  Potensteine  und  Aribo  nach  einer  alten 
Besitzung  des  Hauses  im  Salzburggaue  comes  de  Hegirmos.^ 
Boto  g'ewann  durch  seine  Vermählung  mit  der  Witwe  des  ge- 
st&rzten  und  in  der  Verbannung  verstorbenen  Herzogs  Konrad 
von  Baiem,  einer  Tochter  des  Markgrafen  von  Schweinfurt, 
neuen  bedeutenden  Besitz  im  Norden  der  Donau,  ja  er  ver- 
legte dorthin  den  Schwerpunkt  seiner  Macht  und  wurde  der 
Stifter  des  am  Maine  zwischen  Bamberg  und  Schweinfurt  ge- 
legenen Klosters  Theres.  ^  Doch  behauptete  er  auch  noch 
Güter  im  südlichen  Deutschland,  wie  eine  Schenkung  an  das 
Kloster  Milstatt  in  Kärnten  ^  und  eine  Tradition  an  das  Kloster 
Stanshofen*  bezeugen.  Er  müsste  hier  noch  viel  mehr  begütert 
gewesen  sein,  wenn  er  nicht  von  einer  neu  erworbenen  Burg 
in  Franken,  die  er  nach  seinem  Namen  umtaufte,  dem  Felsen- 
schlosse an  der  Pegnitz,  sondern  von  einer  Burg  gleichen 
Namens  in  Niederösterreich,  wie  noch  jüngst  angenommen  wor- 
den, den  Grafentitel  geführt  hätte.*  Ist  dies  sehr  fi*aglich,  ja 
anwahrscheinlich,  so  erscheint  doch  sein  Bruder  noch  später 
da  im  bedeutenden  Besitze,  wo  ihr  Geschlecht  einst  geblüht. 
Denn  er  hat  nicht  allein  Güter  im  Salzburggaue,  sondern  auch 
in  Kärnten,  wo  er  innerhalb  des  ehemaligen  Lurngaues  die 
Benedictinerabtei  Milstatt  am  Milstätter  See  stiftet.®  Dass  hier 
in  den  letzten  Zeiten  seines  Lebens  der  Schwerpunkt  seiner 
Macht  gewesen,  ergibt  sich  schon  aus  den  Worten,  mit  denen 
ihn  der  sächsische  Chronist  bei  Erwähnung  seines  im  Jahre  1102 

Mon.  Boic.  3,  246.     v.  Meiller,  R.  der  M.  u.  Herz.  v.  Babenber^  9  Nr.  12. 

P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiern  26. 

V.  Ankershofen,  Geschichte  Kärntens  2,  922  Anm.  d. 

Mon,  Boic.  3,  237. 

Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  261. 

▼.  Ankershofen,  Geschichte  Kärntens  2,  920  ff. 


416 

erfolgten  Todes    bezeichnet:    ,Aerbo  iam  grandevus  nobilis   de 
Carinthia  princeps/^   Sein  Bruder  ßoto  starb  1104.^ 

Am  Schlüsse  der  kurzen  Erörterung  über  die  Besitzver- 
hältnisse der  Pfalzgrafen,  die  bisher  stets  dem  Aribouenhause 
zugezählt  wurden,  drängt  sich  uns  von  selbst  die  Frage  auf, 
an  wen  bei  der  Aechtung  der  Letzteren  das  Pfalzgrafenamt 
und  die  anderen  Grafenämter  und  sonstigen  Besitzungen,  deren 
Vergabung  nicht  bekannt  ist,  gekommen  sind.  Dass  die  Pfalz- 
grafenwürde auf  ein  ganz  anderes  Geschlecht  tibergegangen, 
gilt  nun  als  ziemlich  ausgemacht;  was  aber  mit  ihren  anderen 
Lehen  und  mit  ihrem  Eigen  geschehen,  darüber  spricht  sich 
kein  Forscher  näher  aus.  Doch  gerade  dieser  Umstand  ist  ge- 
wiss für  die  Ansicht  über  die  Abstammung  dieser  Pfalzgrafen 
von  hohem  Belange.  Entspriessen  sie  der  Familie  der  Sigi- 
harde  und  sind  sie  Abkömmlinge  Sigihards  I.,  wie  E.  Richter 
und  Andere  wollen,  dann  müssen  doch  die  noch  vorhandenen 
Zweige  dieser  FamiKe  vor  Allem  im  Besitze  der  einstigen  Güter 
und  Würden  der  Brüder  Aribo  und  Boto  erscheinen.  Es  fehlt 
nun  freilich  sehr  an  ganz  sicheren  gleichzeitigen  Zeugnissen 
sowohl  für  das  Dafür  als  für  das  Gegentheil,  aber  allem  An- 
scheine nach  sind  sie  nur  zum  geringen  Theile  in  diesem  Be- 
sitze. Die  Obervogtei  des  Stiftes  Salzburg  ist  kaum,  wenn  sie 
die  Pfalzgrafen  je  gehabt  haben,  sofort  auf  sie  übergegangen, 
denn  im  Salzburger  Nekrologe  finden  wir  einen  Chuono  advo- 
catus  et  filius  ejus  Aribo  aufgeführt,  die  sicherUch  nicht  ihrer 
Familie  angehört  haben,  welcher  die  Namen  Chuno  und  Aribo 
ganz  fremd  sind.^  Die  Ahnen  der  Grafen  von  Burghausen 
haben  jedenfalls  schon  die  Vogtei  des  Stiftes  St.  Peter*  in  den 
Händen,  da  ein  Vogt  Sigihard  wiederholt  erwähnt  wii'd,  doch 
nicht  ausschliesslich,  denn  es  werden  daneben  auch  noch  Vögte 
anderen  Namens,  wie  ein  Chuno,  ein  Weriant,  genannt,  die 
schwerlich  ihrem  Hause  angehören.^  Allein  ihr  Hauptgebiet, 
die  Grafschaft  Burghausen,  ist  gewiss  nicht  sofort  nach  der 
AechtuHg  der  Brüder  Boto  und  Aribo  oder  vor  dem  Ende  des 


^  Mon.  Germ.  liiBtor.  Script.  6,  224,  s«. 
»  Ibid.  6,  225,  48. 
»  Mon.  Boic.  14,  404. 
*  E.  Richter,  Untersuchungen  646. 

»  Juvavia,  Anh.,  S.  293   Nr.  13,   294  Nr.  22,  295  Nr.  24,  298  Nr.  66,  306 
Nr.  85  (?).  291  ff.  Nr.  8.  10.   12.  14. 


417 

1 1.  Jahrhunderts  an  ihre  Vorfahren  gekommen,  denn  am  24.  Oc- 
tober  1079  schenkt  Kaiser  Heinrich  IV.  seinem  Diener  Rafold 
einen  königlichen  Hof  in  villa  Waide  in  pago  Elinigowe  (richtiger 
Isinigowe)  in  comitatu  Udalrici.  ^  Das  ist  das  Gebiet  des  pagus 
Zidalaregowe,  wo  wir  noch  1051  einen  Grafen  Ouzzo  gefunden, 
den  Vater  des  ersten  Markgrafen  von  Steiermark,  Ottokar.  Nach 
Allem,  was  wir  von  der  Familie  der  Sigiharde  wissen,  kann 
dieser  Udalricus  ihr  nicht  angehören;  es  entsteht  daher  die 
Frage,  wohin  wir  diesen  Grafen  stellen  müssen. 

Die  Beantwortung  der  Frage  nach  der  Herkunft  des  ge- 
nannten Grafen  unterliegt  grossen  Schwierigkeiten.  Der  Name 
Odalricus  ist  im  südöstlichen  Deutschland  im  10.  und  11.  Jahr- 
hundert bei  Grafen  und  auch  bei  Edelherren  selten.  In  den 
Kaiserurkunden  dieser  Zeit  begegnen  wir  ausser  den  Grafen 
und  Markgrafen  in  Krain  und  Istrien  und  Obigem  nicht  Einem, 
in  den  Urkunden,  Nekrologien  und  Traditionen  der  Stifter  nur 
Wenigen,  darunter  verhältnissmässig  oft  in  denen  des  Erzstiftes 
Salzburg.  Bei  einer  Schenkung  Herzog  Heinrichs  (VIH?)  von 
Baiem  an  den  Abt  Thiemo  des  Stiftes  St.  Peter  tritt  vor 
anderen  Grafen  ein  Odalricus  als  Zeuge  auf*  und  ebenso  an 
erster  Stelle,  als  die  Edelfrau  mit  der  Hand  ihres  Sohnes  Sigi- 
hard  ihr  Eigen  zu  Puotineperch  dem  nämlichen  Kloster  tiber- 
gibt. '  Diese  beiden  Schenkungen  betreffen  Eigen  im  Isengaue, 
vielleicht  auch  eine  dritte,  wo  ein  Odalricus  als  zweiter  Zeuge 
hinter  einem  Pabo  mitwirkt*  Fehlt  in  letzteren  Fällen  der 
Grafenname,  so  fiihrt  das  Salzburger  Necrologium  auch  zwei 
Grafen  dieses  Namens  an.^  Nichts  verbietet,  in  allen  den  ge- 
nannten Fällen  und  in  ein  paar  weiteren  ^  an  Grafen  des  Isen- 
gaues  zu  denken  und  beim  dritten  insbesondere  an  den  oben- 
erwähnten Ulrich,  wo  ein  Oudalricus  als  Zeitgenosse  des  Erz- 
bischofs Balduin  (1041 — 1060)  erscheint.  Viel  zweifelhafter 
bleibt  ein  anderer  Fall.  Am  8.  April  1048  schenkt  nämKch 
Kaiser  Heinrich  HI.  der  Abtei  Niederaltaich  drei  Hüben  am 
Scbwarzachfiusse   in   Niederösterreich,   die   an   das   Eigenthum 


*  Mon.  Boic.  3,  104;  31a,  362.  St.  2819. 

*  Juiravia,  Anh.,  291  Nr.  7.     Notizbl.  6,  44  Nr.  96. 
»  Ibid.  294  Nr.  21.     Notizbl.  6,  46  Nr.  109, 

*  Ibid    250  Nr.  13. 

*  Mon.  Boic.  14,  867.  374. 

ö  Javavia,  Anh.,  298  Nr.  42.  45. 
Archir.    LXXXUI.  Bd.  II.  H&lfte.  28 


418 

Ulrichs,  des  Sohnes  Grafen  Thiemos,  grenzen.  *  J.  Moritz  nimmt 
diese  Beiden  ohne  Bedenken  unter  die  Grafen  von  Formbach 
auf  und  hält  die  Grafen  von  Putten  für  einen  Zweig  derselben.* 
Aber  so  sicher  dahin  zu  gehören  scheinen  sie  mir  nicht  Den 
Namen  Thiemo,  im  11.  Jahrhundert  überhaupt  nicht  gerade 
selten,  führen  im  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  Grafen  im 
Salzburggaue  (1007)»  und  Schweinachgaue  (1005—1009)  und 
in  der  Mitte  des  nämlichen  Jahrhunderts  noch  ein  Graf,  in 
dessen  Grafschaft  die  Villa  Ilelmgerisperc  in  der  Nähe  der 
Abtei  Niederaltaich  lag,  der  somit  auch  im  Schweinachgaue 
amtierte  und  mit  dem  Vater  Ulrichs  zusammenfallen  wird.* 
Aber  des  Letzteren  Besitz  in  Niederösterreich  würde  sich  viel 
leichter  erklären,  wenn  wir  in  ihm  ein  Mitglied  der  im  Salz- 
burggaue begüterten  Zweige  des  Aribonenhauses  oder  einen 
nahen  Gesippten  des  Pfalzgrafen  Chuno  von  Vohburg*  und 
seines  nächsten  Nachfolgers  im  Pfalzgrafenamte  zu  sehen  hätten, 
und  es  stünde  dann  auch  kein  Hindemiss  im  Wege,  ihn  mit 
dem  Udalricus  de  Raetelnperge  zu  identificieren,  der  im  Jahre 
1074  als  Zeuge  einer  Schenkung  Heinrichs  IV.  an  das  Kloster 
Ranshofen  neben  dem  Grafen  Rapoto  von  Chambe  und  den 
Brüdern,  den  Grafen  Aribo  und  Boto,  erscheint,  ^  also  neben  den 
letzten  Gliedern  der  aribonischen  Pfalzgrafenfamilie  und  neben 
dem  Vater  des  Pfalzgrafen  Rapoto.  Er  könnte  auch  identisch  sein 
mit  dem  Odalricus  comes  advocatus  Patauie  einer  Urkunde 
Bischof  Altmanns  von  Passau  (ca.  1070),'  wenn  dieser  nicht 
derselbe  Graf  sein  sollte  wie  Ulrich  von  Passau,®  von  dem 
noch  unten  die  Rede  sein  wii'd.  Der  Umstand,  dass  später, 
doch  erst  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts,  die  Grafen  von 
Formbach  auch  sich  Grafen  von  Putten  nennen,  scheint  mir 
mit  meiner  Auffassung  nicht  absolut  unvereinbar;  vielmehr 
glaube  ich,  sie  hätten  diesen  Namen  entschieden  früher  ange- 
nommen,  wenn   sie  dort  grösseren  Besitz  gehabt  oder  Grafen- 

1  Mon.  Boic.  11,  155;  29  a,  96.  St.  2346. 

^  J.  Moritz,  Die  Grafen  von  Formbach  in  N.  b.  Abhandl.  d.  b.  Akad.  d.  W. 

(1803)  1,  53  f. 
»  Mon.  Boic.  28  b,  374.  St.  1476. 

*  Ibid.  11,  134;  28b,  323;  11,  136;  28b,  409;  29,96.  St.  1413.  1519.2364. 
^  A.  Nagel,  Notitiae  166  hält  ihn  geradezu  für  einen  Bruder  Chunos. 
«  Mon.  Boic.  3,  246.     A.  Meiller,  Babenb.  Regesten,  S.  6  Nr.  12. 
'  Urkundenbueh  des  Landes  ob  der  Enns  2,  95  Nr.  74. 
8  Mon.  Boic.  3,  71.  2,  176  flf.  264.  268. 


419 

rechte  geübt  hätten.  £inen  anderen  Beweis  flu*  Besitz  der  Grafen 
von  Formbach  daselbst,  ausser  dem,  welcher  sich  an  den  obge- 
nannten  Ulrich,  Sohn  Thiemos,  knüpft,  gibt  es  meines  Wissens 
nicht,  und  es  scheint  mu*  nicht  wahrscheinlich,  dass  neben  den 
Familien  der  Pfalzgrafen  Chuno  und  Rapoto  noch  eine  andere 
bairische  Qrafenfamihe  in  der  kleinen  Mark  Putten  bedeuten- 
den Besitz  gehabt  habe;  dass  aber  die  eben  Genannten  dort 
stark  begütert  waren,  wird  die  Folge  zeigen.  Und  fest  steht 
auch  das  Vorkommen  des  Namens  Odalricus  in  der  Familie 
Rapotos,  zu  vermuthen  ist  es  auch  in  der  Chunos. 

Nach  dem  Sturze  des  Pfalzgrafen  Aribo  IL  folgte,  wie 
ailgemein  angenommen  wird,  ein  Pfalzgraf  Namens  Chuno. 
J.  Moritz  glaubte  einst  zwei  Pfalzgrafen  Chuno  verschiedener 
Herkunft,  einen  älteren  Chuno  von  Vohburg  mit  einem  gleich- 
namigen Sohne  und  einen  jüngeren  Chuno  von  Rot  imter- 
seheiden  zu  müssen.^  A.  Nagel  behauptete  dagegen  die  Iden- 
tität beider  Chuno,  ^  und  ihm  schloss  sich  später  auch  J.  Moritz 
an  *  Ihre  Ansicht  theilte  R.  v.  Koch-Stemfeld  *  und  betonte 
namentlich  den  verwandtschaftlichen  Zusamnoenhang  seiner  Fa- 
milie mit  jener  der  Grafen  und  Vögte  von  Megling-Franten- 
bausen.  P.  Wittmann  bestritt  diese  Identität  wieder,*  S.  Riezler 
jedoch  sprach  sich  wieder  entschieden  für  sie  aus.  ^  Nach  meiner 
Ansicht  ist  nicht  aUein  Chuno  von  Vohburg  und  von  Rot  eine 
und  dieselbe  Person,  er  muss  auch  für  einen  sehr  nahen  Ver- 
wandten der  Aribonen,  des  Grafen  Rapoto  von  Cham  und  des 
ebenfalls  ganz  gleichzeitigen  Markgrafen  Dietpold  (von  Giengen) 
aufgefasst  werden.  Dafür  sprechen  vor  Allem  die  Besitzver- 
hältnisse und  Würden  dieser  vier  Familien,  wie  sich  aus  den 
folgenden  Ausführungen  ergeben  dürfte,  dafür  auch  zum  Theile 
ihre  Politik  und  ihr  gleichzeitiges  und  gemeinsames  Auftreten. 
Neigt  Rapoto  von  Cham   auch  im  Streite   zwischen  der  Partei 


*  J.  Moritz,  Abliandlung  von  dem  Pfalzgrafen  Rapotho  in  N.  h.  Abhandl. 
d-  churb.  Akad.  d.  W.  (1798)  5,  585  f. 

'  A.  Nagelf  Notitiae  origines  dorn.  Boicae  157  ff. 

^  J.  Moritz,  Stammreibe  und  Qeschicbte  der  Grafen  von  Sulzbach  in  Ab- 
hmndl.  d.  h.  Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  W.  (1833)  1,  70. 

*  Zar  Verständigung  über  die  Stammreihe  und  Geschichte  der  Grafen  von 
Sukbach  in  Abhandl.  d.  h.  Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  W.  (1848)  6,  23  ff. 

*  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiem  27. 
«  S.  Riezler,  Geschichte  Baiems  1,  472.  865. 

28* 


420 

Papst  Gregors  VII.  und  der  kaiserlichen  anfangs  mehr  zu  jener, 
so  hält  er  doch  später  entschieden  zu  Kaiser  Heinrich  IV.,  wie 
die  beiden  Aribonen  Aribo  und  Boto,  der  Pfalzgraf  Chuno  und 
sein  Sohn  und  der  Markgraf  Dietpold,  und  fUllt  gleich  den 
letzteren  Beiden  in  dessen  Kämpfen  mit  seinen  Gegenkönigen; 
sein  Sohn  Pfalzgraf  Rapoto  ist  ein  noch  viel  eifrigerer  Anhänger 
Heinrichs  IV.  ^  Pfalzgraf  Chuno  aber  und  Markgraf  Dietpold 
treten  zweimal  gemeinsam  als  Fürbitter  für  den  Patriarchen 
Syrus  von  Aquileja,  ein  Mitglied  der  aribonischen  Familie  der 
Sigiharde,  auf,*  während  Rapoto  Graf  von  Cham  mit  seinen 
Söhnen  bei  der  Einweihung  der  Klosterkirche  durch  denselben 
im  Jahre  1072  zugegen  ist.^  Ein  nahes  Verwandtschaftaver- 
hältniss  zwischen  Dictpolds  gleichnamigem  Sohne  Markgrafen 
Dietpold  und  der  Familie  der  Sigiharde  bezeugt  der  sächsische 
Chronist,  indem  er  ihn  einen  Neffen  des  im  Jahre  1104  ge- 
tödteten  Sigihard  IV.  nennt.  ^  Diese  Fälle  können  doch  wohl 
nicht  reine  ZuftlUe  sein,  sie  lassen  vielmehr  auf  verwandt- 
schaftlichen Zusammenhang  schliessen.  Einen  solchen  hat  be- 
reits Nagel  ^  und  noch  entschiedener  M.  Filz  angenommen,  wie 
folgende  zwei  Stellen  seiner  Geschichte  des  Stiftes  Michael- 
beuern  bezeugen:  ,Aber  auch  in  dieser  Entsetzung  Aribos 
(im  Jahre  1055)  und  in  der  Uebertragung  der  pfalzgräflichen 
Würde  an  das  Haus  Vohburg  glaube  ich  von  dem  Kaiser  nicht 
nur  die  Descendenten  des  Herzogs  Arnulf  von  Baiern,  wor- 
unter die  Vohburger  gewiss  gehören,  sondern  auch  die  Ver- 
wandtschaft derselben  mit  dem  entsetzten  Pfalzgrafen  Aribo 
und  seinem  Bruder  Botho  berücksichtigt  zu  sehen',  und:  ,Ich 
schliesse  hieraus  auf  eine  nahe  Verwandtschaft  der  Vohburger 
mit  Aribo  und  Botho  oder  deren  Eltern  und  Voreltern,  von 
welchen  sie  jene  Besitzungen  in  der  österreichischen  Ostmark 
erbten.  Diese  Vermuthung  wird  durch  die  Erscheinung  eines 
Grafen  Rapotho  und  seiner  Söhne  Ulrich  und  Rapotho  bei  der 
Einweihung  der  Klosterkirche  zu  Michaelbeuern  durch  den 
Patriarchen  Sighard  von  Aquileja  im  Jahre  1072  gerechtfertigt.'^ 


^  S.  Riezier,  Geschichte  Baierns  536  ff.  Mon.  Germ,  histor.  Script.  5,  466,  35. 

*  F.  Schumi,  Urkunden-  und  Regestenbuch  des  Herzogth.  Krain  1,  63  f. 
'  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuern  2,  745.  747. 

*  Mon.  Germ,  histor.  Script.  6,  739,  jq.     Vgl.  Nagel  189. 

*  A.  Nagel,  Notitiae  165  f. 

*  M.Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuern  1,  8*2  f. 


421 

Wenn  man  dem  Pfalzgrafen  Chuno  die  Bezeichnung  ,von 
Yofabarg^  gibt,  so  will  man  damit  ihn  offenbar  als  Besitzer  des 
gleichnamigen  Bezirkes  und  Schlosses  bezeichnen.  In  der  That 
ist  sein  Sohn  Chuno  im  Besitze  derselben  und  ebenso  die  Nach- 
kommen des  obgenannten  Markgrafen  Dietpold,  die  sich  in  der 
Regel  Markgrafen  von  Vohburg  nennen.  Dass  aber  schon  der 
Pfalzgraf  Vohburg  besessen,  dafür  fehlt  es  an  jedem  Zeugnisse, 
und  es  ist  an  und  für  sich  wenig  wahrscheinlich.  Der  Pfalz- 
graf selbst  wird  niemals  Markgraf  oder  Graf  von  Vohburg  ge- 
nannt; bei  den  Stellen,  die  man  hiefUr  geltend  macht,  ist 
schwerlich  an  ihn,  sondern  nur  an  einen  Edlen  oder  Ministe- 
rialen dieses  Namens  zu  denken,^  denn  beidemal  steht  er  weit 
hinten  in  der  Zeugenreihe  ohne  irgend  welches  Prädicat.  Und 
wenn  der  Pfalzgraf  Chuno  wirklich  Vohburg  besessen  haben 
sollte^  so  war  dieser  Besitz  kein  bedeutender  und  noch  weniger 
eine  wirkliche  Mark.  Auch  sein  Sohn  wird  nicht  Markgraf, 
sondern  einfach  de  Focheburch  genannt,*  und  wenn  der  nahe 
Verwandte  Dietpold  den  Titel  eines  Markgrafen  führt,  so  fehlt 
jeder  Grund,  ihn  gerade  auf  dies  Gebiet  zu  beziehen,  denn  er 
heisst  nur  Markgraf  ohne  nähere  Bestimmung;  er  hätte  doch 
sich  auch  nicht  Markgraf  von  Vohburg  nennen  können,  da 
nicht  er,  sondern  der  Sohn  des  Pfalzgrafen  Chuno  es  damals  besass. 
Es  hat  meines  Erachtens  überhaupt  nie  eine  Markgrafschaft 
Vohburg  gegeben,  so  wenig  wie  eine  eigentliche  Markgraf- 
schaft Cham,  die  nur  ein  Theil  des  Nordgaues  war,  und  der 
Titel  ist  erst  im  12.  Jahrhundert  aufgekommen.  Das  Gebiet 
von  Vohburg  liegt  ja  nicht  an  einer  Grenze,  sondern  zu  beiden 
Seiten  der  Donau  östUch  von  Regensburg  im  Chelasgowe;  es 
ist  kaum  vom  Umfange  einer  Theilgrafschaft,  also  eines  späteren 
L»andgerichtes.  Der  Titel  ist  offenbar  nur  von  einer  wirkHchen 
Mark  übertragen,  denn  reine  Titel  solcher  Art  sind  im  11.  Jahr- 
hundert doch  wohl  noch  nicht  vorgekommen.  Derartige  Fälle 
der  Uebertragung  begegnen  uns  aber  im  12.  Jahrhundert  öfters, 
wie  z.  B.  bei  den  Markgrafschaften  Ronsberg  und  Kraiburg. 
Woher  aber  derselbe  in  unserem  Falle  stamme,  das  ist  nicht 
leicht  zu  sagen.  Nach  meiner  Ansicht  kann  er  auch  nicht  von 
der    späteren  Mark  Cham    herrühren,   die  ja  auch  nicht  Diet- 


1  MoD.  Boic.  14,  181.  185. 

»  Mon.  Germ.  hUtor.  Script.  20,  647,  „  flf. 


422 

pold,  sondern  Graf  Rapoto  besass,  ohne  sich  darnach  Mark- 
graf zu  nennen,  und  ebenso  kaum  vom  Nordgaue  überhaupt, 
den  zu  nennen  ja  gar  nichts  verbot.  Ich  sehe  vielmehr  in  der 
blossen  Führung  des  Titels  ohne  Ortsangabe  Grund  zur  An- 
nahme, dass  Dietpolds  Mark  damals  nicht  mehr  bestanden 
habe  und  in  der  wirklichen  Mark  zu  suchen  sei,  die  zur  Zeit 
.der  ungarischen  Kriege  von  Heinrich  III.  an  Ungarns  Grenze 
(1043)  errichtet  worden  war.  Was  mich  zu  dieser  Ansicht  be- 
stimmt, das  sind  gerade  die  vielen  Besitzungen,  die  Chunos  Fa- 
milie daselbst  erwirbt  oder  früher  schon  gehabt  zu  haben  scheint 
Der  tapfere  Leopold  von  Babenberg,  Sohn  des  Mark- 
grafen Adalbert,  dem  Kaiser  Heinrich  IH.  die  neue  Mark  ver- 
liehen hatte,  starb  bekanntlich  schon  nach  wenigen  Tagen, 
nach  zwei  Jahren  auch  dessen  Nachfolger  Siegfried,  nach 
seinem  Tode  wird  aber  kein  Markgraf  mehr  erwähnt,  und 
doch  erscheint  die  Vereinigung  der  neuen  Mark  mit  der  Ost- 
mark sicher  erst  im  Jahre  1063  vollzogen.^  Thausing  hat  nun 
den  in  der  Urkunde  Heinrichs  HL  vom  12.  December  1055  ge- 
nannten Markgrafen  Otto,  dem  wegen  Incestes  in  dieser  Ur- 
kunde Güter  abgesprochen  werden,  als  Markgrafen  der  neuen 
Mark  in  der  Zeit  von  1045 — 1055  angesehen  und  als  2feit- 
punkt  der  Vereinigung  beider  Marken  das  Jahr  1058  wahr- 
scheinlich zu  machen  gesucht,*  aber  S.  Riezler  hat  nachge- 
wiesen, es  habe  die  Verurtheilung  des  Markgrafen  Otto  nicht 
mit  den  politischen  Ereignissen  der  Jahre  1053 — 1055  zu- 
sammengehangen, der  Verm*theilte  habe  früher  gelebt  und  wirk- 
lich wegen  des  genannten  Vergehens  seine  Güter  verloren.  Ge- 
rade in  diese  Zwischenzeit  aber  fkllt  die  Verleihung  eines  be- 
deutenden Reichslehens  durch  Kaiser  Heinrich  IV.  an  seinen 
Getreuen  Chuno,  der  kein  anderer  als  der  spätere  Pfalzgraf 
sein  kann,  in  der  Nähe  des  genannten  Gebietes;  dieser  erhält 
durch  königliche  Huld  zehn  Königshuben  zu  Guzbretesdorf  an 
der  Schwarza  (bei  St.  Georgen  an  der  Stiefing  in  der  Graf- 
schaft des  Markgrafen  Otacher),^  also  gerade  an  jenem  Flusse, 
wo  wir  auch  den  Odalricus,  Thiemos  Sohn,  begütert  gesehen, 
und   nur   wenige  Jahre    nach    der  Verleihung   der  markgräf- 


*  A.  Huber,  Geschichte  Oesterreichs  1,  189. 

*  M.  Thausing,  Die  Neumark  in  Forsch,  z.  deutsch.  Oeschiebte  4,  361  ff. 
3  J  Zahn,  Steienn.  Urkb.  1,  74  Nr.  65.  St.  2566. 


423 

liehen  Würde  an  eben  diesen  Otacher.    Sollte  zwischen  diesen 
Ereignissen    wirklich    kein    innerer   Zusammenhang   bestehen? 
Sollte  die  Annahme  ganz  unhaltbar  sein,  ein  Glied  aus  Chunos 
Familie^  zu  der  wohl  auch  Dietpold  zu  rechnen  ist,  habe  nach 
Siegfried  die  Markgrafenwürde  in  der  neuen  Mark  einige  Zeit 
innegehabt,  vielleicht  Dietpold  selbst,  aber  dann  wieder  darauf 
verzichten  müssen,  und  in  obiger  Schenkung  sei  einer  der  Acte 
zu  sehen,    die  geschehen,   um  die  Familie  für  diesen  Verzicht 
zu  entschädigen?     Sollte  diese  Herleitung  des  Titels  der  Voh- 
burger  nicht  viel  wahrscheinlicher  sein  als  von  der  Mark  des 
Nordgaues,   die   sie   nie   besessen,   oder  von   der  Mark  Cham, 
d&s  nie  eine  wirkliche  Mark  gewesen,  und  das  sie  damals  auch 
ächerhch  noch  nicht  besessen,  von  der  auch  der  wirkliche  Be- 
sitzer in  jener  Zeit  sich  niemals  diesen  Titel  gegeben?*     Und 
dies   wäre  doch  trotz  seines  Pfalzgrafentitels  so  nahe  gelegen. 
Denn    war  Cham   eine  wirkliche  Mark,   wie  die  Ostmark  oder 
die    Mark    Istrien,   dann    bedeutete    der    Markgrafentitel    doch 
mehr   als  der  pfalzgräfliche.     Sehen  wir  nicht  regelmässig  die 
Markgrafen  wirklicher  Marken  unmittelbar  nach  den  Herzogen 
in  den  Zeugenreihen  und  fast  ausnahmslos  vor  den  Pfalzgrafen 
stehen?     Titularmarkgrafen    stehen   allerdings   den  Pfalzgrafen 
DJich^  wie  wir  ja  gerade  an  Dietpold  selbst  sehen.     Dass  aber 
Chane,  Dietpold  und  andere  Verwandte,  wie  der  bekannte  Ari- 
bone  Boto,*  an  den  Ungamkriegen  zu  Heinrichs  III.  und  Hein- 
richs IV.  Zeit   hervorragenden   Antheil   genommen,    ist   gewiss 
nichts    weniger   als   un wahrscheinUch ;   Ottokars  Erhebung  zur 
steirischen  Markgrafenwürde  ist  wohl  auch  auf  seine  Verdienste 
in  diesen  Kämpfen  zurückzuRihren. 

Wenn  es  aber  nicht  erweislich  ist,  dass  der  Pfalzgraf 
Chuno  je  Schloss  und  Bezirk  von  Vohburg  besessen,  so  kann 
man  unmöglich  hier  seinen  Stammsitz  suchen,  auf  diesen  wird 
uns  vielmehr  sein  zweiter  Name  ,von  Rot^  fuhren  müssen. 
Diesen  erhielt  er  offenbar  auf  Grund  der  Stiftung  der  be- 
rfihmten  Benedictinerabtei  Rot  am  linken  Innufer  südUch  von 
Wasserburg.  Die  Stifhingsurkunde,  ^  welche  ihm  in  dieser 
Gegend    Besitz    zuschreibt,    ist    nun    allerdings    eine    Kaiser- 


1  8.  RieKler,  Geschichte  Baiems  1,  746  f. 
'  Ibidem  1,  477. 

*  Ifon.  Boic.    1,   862;    81a,   866.    C.  Meichelbeck,    Histor.  Fris.    1,  264. 
8t.  2767.     8.  Hirsch,  Jahrbücher  1,  148  Anm.  1  u.  2,  147  Anm.  2. 


424 

Urkunde,  die  in  der  vorliegenden  Form  nicht  echt  sein  kann, 
allein  es  ist  kaum  zu  bezweifeln,  dass  die  Güter,  die  der 
Stifter  darnach  seiner  Schöpfung  schenkt,  wirklich  im  Besitze 
der  Abtei  gewesen  und  von  demselben  herrühren,  hiefUr  fehlt 
es  nicht  an  anderen  urkundlichen  Zeugnissen  und  sonstigen 
Anhaltspunkten.  Einen  grossen  Theil  dieser  Schenkungen  ent- 
hält auch  die  Bestätigung  der  Stiftsrechte  durch  Papst  Eugen  III. 
vom  Jahre  1151.*  Man  darf  demnach  die  Urkunde  ihrem  wesent- 
lichen Inhalte  nach  für  richtig  halten.  Von  den  Gütern  aber, 
die  darin  erwähnt  werden,  liegt  ausser  dem  Besitze  im  Orte 
Rota  selbst  kaum  etwas  in  der  Nähe  des  Stiftes,  sondern  sie 
sind  weit  durch  alle  Gaue  zerstreut.  Schon  das  ist  ein  Um- 
stand, der  es  unwahrscheinlich  macht,  dass  man  hier  den 
Stammsitz  zu  suchen  habe.  Unter  den  verschiedenen  Be- 
sitzungen wird  auch  eine  zu  Rota  an  der  Glon  genannt.  Aber 
weder  auf  dieses  noch  auf  jenes  Rota  werden  wir  des  Stifters 
Namen  zu  beziehen  haben,  sondern  auf  ein  drittes  Rota  im 
Isengaue,  wohin  uns  auch  ein  paar  der  geschenkten  Güter, 
wie  die  zu  Oettingen,  Neufam  und  Ask,  weisen.  Rot  am  Inn 
kommt  meines  Wissens  in  älterer  Zeit  kaum  einmal  vor,  selbst 
bei  dem  in  den  Traditionen  des  Bisthums  Freising  vorfind- 
hohen  Rota  ist  meist  an  den  Fluss  und  Ort  im  Isengaue  zu 
denken,^  immer  bei  denen  des  Erzstiftes  Salzburg.'  Man  ist 
zu  der  irrigen  Meinung  offenbar  durch  falsche  Auslegung  der 
Stellen  der  genannten  Kaiserurkunde  und  der  Stiftungsurkunde 
gekommen,  welche  von  dem  Orte  der  Stiftung  und  dem  zu 
derselben  verwendeten  Besitze  sprechen.^  Daraus  ergibt  sich 
zwar,  dass  der  Grund  des  Klosters  altes  Erbgut  der  Familie, 
aber  keineswegs,  dass  er  das  Stammgut  der  Familie,  das 
,hantgimali',  gewesen,  und  dass  Vater,  Sohn  und  Schwieger- 
tochter ihren  ganzen  Besitz  dem  Stifte  zugewendet  haben.  Das 
Stammgut  der  FamiUe  pflegte  man  nicht  und  konnte  es  wohl 
nicht  vergeben,  wie  schon  ft'üher  bemerkt  worden,  so  lange 
noch  nähere  oder  fernere  Anverwandte  vorhanden  waren.  Es 
fehlt  nicht  an   Beispielen,   dass   bei   solchen   Schenkungen  an 

^  Mon.  Boic.  1,  369. 

•  C.  Meichelbeck,  Hietor.  Fris.   Ib,  50  Nr.  87,  140  Nr.  245,  141  Nr.  «46  f., 
432  Nr.  979  u.  489  Nr.  lOlö. 

■  JuvÄvia,  Anh.,  S.  149  Nr.  60,  170  Nr.  86,  171  Nr.  87  u.  173  Nr.  91. 

♦  Mon.  Boic.  1,  348  f.  852  f. 


425 

Kirchen  oder  Tauschhandlungen  mit  ihnen  das  ^hantgimali' 
ausdrücklich  ausgenommen  wird.*  An  Verwandten  des  Pfalz- 
grafen  mangelte  es  aber  durchaus  nicht.  Er  hat  selbst  noch 
einen  zweiten  Sohn,  einen  älteren  als  Chuno,  gehabt,'  und 
dass  seine  Tochter  Irmgard  Kinder  vor  seinem  Ableben  hatte, 
sagt  die  Stiflungsurkunde  selbst.^  Einen  anderen  nahen  Ver- 
wandten habe  ich  früher  in  dem  Grafen  Odalricus,  Thiemos 
Sohn,  erkennen  zu  sollen  geglaubt,  und  noch  wahrscheinlicher 
dürfen  wir  seinen  Nachfolger  Rapoto  und  Markgraf  Dietpold 
dafbr  ansehen. 

In  denselben  Gau  führen  uns  auch  die  im  hohen  Grade 
wahrscheinlichen  nächsten  Vorfahren  des  Pfalzgrafen.  Diese 
nennt  uns  die  zweitwichtigste  QueUe  über  ihn,  die  Legende 
über  die  Stiftung  der  Abtei  Rot.  Erregt  eine  so  trübe  Quelle 
auch  gerechte  Bedenken,  so  erhält  doch  die  Stelle  derselben, 
auf  die  es  uns  ankommt,  die  Stolle,  welche  vom  Vater  und 
Grossvater  Chunos  handelt,  eine  überraschende  Bestätigung 
durch  die  grosse  Uebereinstimmung  in  Namen  und  Zeitver- 
hiütnissen,  die  sie  mit  drei^  Traditionen  des  Klosters  Ebersberg 
zeigt.  Die  Legende  gibt  dem  Vater  und  Grossvater  Chunos 
den  Namen  Poppe  und  bezeichnet  sie  beide  als  ,praesides',^ 
welchen  Titel  die  Traditionen  des  Stiftes  Tegemsee  den  Grafen 
gewöhnlich  geben;  die  drei  Eberspergischen  Traditionen  führen 
in  dem  Zeiträume  935 — 960  einen  Papo  de  Rota  als  ersten 
Zeugen,  in  dem  von  1010 — 1039  einen  Papo  de  Rota  gleich- 
falls als  ersten  Zeugen  und  ca.  1040  Poppe  de  Rota  et  filius 
eins  Chonradus  als  erste  Zeugen  an.^  Ein  solches  Zusammen- 
treffen lässt  doch  kaum  an  der  Identität  der  beiden  Personen- 
reihen zweifeln,  insbesondere  wenn  man  erwägt,  dass  der  Name 
Poppe  zu  den  selteneren  zählt.  Allerdings  kommen  Grafen  dieses 
Namens  im  Donau-,  Schweinich-  und  Westergaue  vor,  wie  unter 
den  Burggrafen  von  Regensburg,  den  Grafen  von  Bogen  und 
den  Vögten  von  Freising,  doch  nie  eine  solche  Geschlechts- 
folge,  und   dann   haben    diese  Familien  keine  Beziehungen  zu 


*  Juyavia,  Anh.,  8.  146  Nr.  44,  175  Nr.  96. 

*  A.  Nagel,  Notitiae,  S.  22  Nr.  66. 
»  Mon.  Boic.  1,  366. 

*  Ibid.  1,  348. 

^  AbhaDdl.  der  k.  bair.  Akademie  der  Wissensch.  (1879)  14  c,  137  Nr.  7,  139 
Nr.  24  u.  142  Nr.  37. 


426 

den  Klöstern  Rot  und  Ebersberg,  zu  dem  Isen-  und  Sunder- 
gaue. Als  Grafen  aber  darf'  man  obige  Herren  de  Rota  doch 
sicherlich  auffassen,  da  sie  allemal  an  erster  Stelle  als  Zeugen 
erscheinen.  Dass  diese  dem  Isen-  oder  Chiemgaue  zuzuweisen 
sind,  dafür  spricht  auch  das  öftere  Vorkommen  des  Namens 
Papo  (Poppe)  in  den  Traditionen  des  Erzstiftes  Salzburg  und 
des  Klosters  St.  Peter.  In  den  Traditionen  des  Erzbischofs 
Oudalbert  findet  sich  derselbe  häufig,  in  denen  des  Erzbischofs 
Friedrich  nicht  selten,  in  denen  des  Erzbischofs  Hartwig  ein 
paar  Mal  und  in  denen  des  Stiftes  St.  Peter  zu  verschiedenen 
Zeiten  wiederholt  und  einigemale  an  erster  oder  zweiter  Stelle 
oder  sonst  derart,  dass  an  Grafen  gedacht  werden  kann.^  Es 
ist  dabei  wohl  in  der  Regel  an  einen  der  obgenannten  beiden 
Papo  zu  denken,  ganz  sicher  aber,  wie  mir  scheint,  bei  folgen- 
der Stelle:  ,in  bis  duobus  locis  in  Cholinga  in  comitatu  Pop- 
ponis  et  Eihhi  in  comitatu  Hartwici  juxta  fluvium  n.  Isana^* 
Der  Ort  Cholinga  ist  zwar  nicht  sicher  bestimmbar,  aber  nach 
dem  ganzen  Zusammenhange  kann  er,  wie  oben  erwähnt,  auch 
nirgends  anders  sein  als  im  Isengaue,  wo  ja  die  genannte  Graf- 
schaft des  Pfalzgrafen  liegt,  und  es  ist  demnach  Poppo  so  gut 
wie  Hartwig  I.  für  einen  Grafen  des  Isengaues  zu  halten.  In 
dieser  Auffassung  bestärkt  mich  namentlich  eine  andere  Stelle, 
wo  dieselben  Grafen  ebenso  vereint  auftreten  und  ihre  gemein- 
same Zustimmung  zu  einer  Schenkung  geben,  deren  Gegen- 
stand, acht  Edelhuben,  im  Nachbargaue  zu  Schwabing  bei 
München  hegen.  ^  Wie  dieser,  so  spricht  aber  noch  ein  anderer 
Fall  für  ein  nahes  Verwandtschaftsverhältniss  Beider.  Chuno 
erscheint  nämHch  (ca.  1060)  im  Besitze  der  Orte  Frichindorf, 
Munihha,  Siezpach,  alle  im  Westergaue,  jedoch  unweit  der 
Grenze  des  Isengaues  gelegen,  die  um  das  Jahr  1020  Pfalzgraf 
Hartwig  H.  besitzt.*  Chuno  hat  Auch  nach  A.  NageFs  Angabe* 
einen  Bruder,  dessen  Name  Piligrimus  im  Aribonenhause  durch- 
aus nicht  selten  ist. 


»  Juvavia,  Anh.,  S.  170  Nr.  84,  170  Nr.  86,  193  Nr.  8.     Archiv  fUr   österr. 

Geschichtsforschung  22,  301   Nr.  5.     Notizbl.   6,  21  Nr.  86;  46  Nr.  100, 

46  Nr.  106. 
»  Juvavia,  Anh.,  S.  193  Nr.  9. 
»  Oberbair.  Archiv  34,  279  Nr.  69. 
*  Mon.  Boic.  6,  163. 
ö  A.Nagel  154  f. 


427 

Die  Annahme  naher  Verwandtschaftsbeziehungen  zwischen 
der  Pfalzgrafenfamilie  und  der  Chunos  findet  eine  weitere  Stütze 
in  den  Besitzungen,  die  dieser  nach  der  Stiftungsurkunde  von 
Rot  ausser  den  bereits  erwähnten  noch  gehabt  haben  muss,  und 
die  gewiss  nicht  die  einzigen  in  den  genannten  Gegenden  ge- 
wesen sind.  Die  von  Chuno  geschenkten  Güter  sind  über  einen 
grossen  Theil  des  südlichen  Deutschlands  ausgebreitet  und  liegen 
in  den  Gauen:  Sundar-,  Wester-,  Isen-,  Nord-  und  Traungau 
Baiems,  im  unteren  und  mittleren  Innthale,  im  Eisack-  und 
E^chthale  Tirols,  in  Kärnten,  Steiermark,  Niederösterreich,  in 
Ungarn  und  Schwaben.  So  aufiUlig  dieser  grosse  und  weit- 
zerstreute  Besitz  Chunos  auch  ist,  wir  haben  keinen  ausreichen- 
den Grund,  die  Glaubwürdigkeit  der  Stiftungsurkunde  hierin 
ernstlich  anzuzweifeln;  umsoweniger,  als  Chuno  gerade  da  er- 
weislich Güter  gehabt  hat,  wo  man  es  am  wenigsten  erwartet: 
nämlich  in  den  seinem  Stammsitze  entlegensten  Gegenden,  in 
Niederösterreich,  Kärnten  und  Schwaben.  Seiner  Erwerbung 
in  Niederösterreich  ist  schon  gedacht  worden;  dort  sind  die 
Orte  Breitenowe,  Swarzaha,  Liuprantesdorf,  Snozindorf  und 
Hedrichenwerde  (Breitenau,  Schwarzau,  Schurzendorf  und  Ha- 
dersMrerth)  und  Liuzimannesdorf  (Loizmannsdorf),  wie  Guz- 
bretesdorf,  in  der  That  sein  Eigenthum  gewesen,  wie  man  aus 
dem  üebergange  dieser  Besitzungen  und  der  Verleihungs- 
urknnde  vom  Jahre  1058  an  das  Kloster  Göttweih  schliessen 
mnss;^  den  Besitz  des  Schlosses  Jrschen  in  Kärnten  machen 
die  späteren  Besitzverhältnisse  sehr  wahrscheinlich,*  den  der 
Villa  Eslingen  in  Schwaben  darf  man  nicht  bezweifeln,  wenn 
er  daselbst  eine  ganze  Grafschaft  besessen  hat.^  Ich  weiss 
wohl,  dass  man  Letzteres  wiederholt  angezweifelt  und  gemeint 
hat,  den  Text  verbessern  und  statt  ,Peringen  situm  in  pago 
Brisgowe  in  comitatu  Cvononis  palatini  comitis :  Peringen  situm 
in  pago  Vilsgowe'  etc.  lesen  zu  sollen,  aber  ohne  anderen  Grund, 
als  weil  Schwaben  sehr  entlegen  ist;*  denn  einen  Vilsgau  oder 
auch  nur  eine  Grafschaft  dieses  Namens  hat  es  gar  nicht  ge- 
geben, und  die  weite  Entfernung  allein  ist  gewiss  kein  triftiger 


^  M.  Felicetti  ▼.  Liebenfelss,  Steiermark  1,  33  f. 

*  R  ▼.  Koch-Stemfeld,  Zur  näheren  Verständigung,  8.  26. 
»  Mon.  Boic.  11,  169.     St.  2817. 

*  Ibid.  11,  160.     P.  Wittmann,   Die  Pfalzgrafen  von  Baiem  178  Nr.  226. 


428 

Ghund,    eine  Verderbtheit    der   Stelle    anzunehmen,    da   Ver- 
bindungen von  weit  entfernten  Gütern  häufig  sind.    Einen  Ort 
Peringen  in  Schwaben  nachzuweisen,    bin  ich  freilich  nicht  im 
Stande,  aber  es  handelt  sich  ja  nicht  um  eine  villa  oder  curtis, 
sondern  nur  um  ein  predium  dieses  Namens.     Die  Begüterung 
Chunos  in   Kärnten    erinnert  uns   wieder   lebhaft   an    das  Ari- 
bonenhaus;  ist  doch  Irschen  ein  Pfarrsprengel  im  oberen  Drau- 
thale,   somit  in   einer  Gegend,   wo  Pfalzgraf  Aribo  IL  noch  in 
seinen  letzten  Lebzeiten  den  Hauptbesitz  hat.  ^     Wie  uns  aber 
dieser    Besitz   auf  Chunos  Vorgänger   im  Pfalzgrafenamte  hin- 
weist, so  ein  anderer  auf  seinen  Nachfolger  Rapoto,  nämlich:  ,Ultra 
Chambe  Chostingen  et  Reswetingen  cum  ecclesia,  decimatione, 
theloneis,    terminis    et    appendiciis    suis.^'     Chostingen    ist    das 
jetzige  Städtchen  Kötzting  am  Weissen  Regenflusse  in  der  Nähe 
von  Cham;  hier  bestand  später  eine  Propstei  des  Klosters  Rot 
am  Inn,  die  aber  nach  unserer  Stelle  schon   vor  ihrer  Einver- 
leibung  in   dieselbe  bestanden   haben  und  auch   eine   Stiftung 
Chunos  gewesen  sein  mag.'    Jedenfalls  muss  er  da  schon  be- 
deutenden Besitz  gehabt  haben.  Einen  ähnlichen  Schluss  gestatten 
die  im  südöstlichen  Sundargaue  und  im  südwestlichen  Chiemgaue 
an  Rot  übergebenen  Güter,  und  hier  haben  auch  seine  nächsten 
Vorfahren  Grafenrechte  gehabt.   Vogtareut  liegt  nach  einer  Ur- 
kunde Kaiser  Heinrichs  H.  vom  Jahre  1021  in  der  Grafschaft 
eines  Grafen  Papo*  und  desgleichen  die  Abtei  Chiemsee  nach 
einer   Urkunde   Kaiser  Heinrichs  IV.   vom   Jahre  1062^    und 
beide  zugleich  in  dem  Chiemgaue.     Die  Zeitdauer  gestattet  es 
noch,   diese  Beiden  mit  den  beiden  Papos  in   den  Ebersperger 
Traditionen  zu  identificieren  und  auch  in  ihnen  den  Vater  und 
Grossvater   Chunos   zu   sehen,   und   es   stimmte   gut  zu  seiner 
Machtstellung  in  Tirol,   wenn   er   auch  eine  Grafechaft  im  an- 
grenzenden Theile  des  Chiemgaues  besessen  hätte.     Denn    ge- 
rade im  Innthale,   aber  auch  im  übrigen  Tirol  hatte  er,   nach 
der   mehrerwähnten  Stiftungsurkunde   zu  schliessen,   ganz   be- 
sonders reichen  Besitz  und  das  erinnert  uns  wieder  sehr,  dass 
wir  auch  noch  zwei  andere  aus  dem  Isengaue  stammende  Fa- 


*  R.  V.  Koch-Stemfeld,  Zur  näheren  VersUlndigung  26,  Anm.  *. 

*  Mou.  Boic.  1,  354. 

'  Ibid.  1,  370.     y.  Lang,  Baierns  Grafschaften  191. 

*  Ibid.  28  b,  493.     8t.  1760. 
>  Ibid.  29  a,  163.    St.  2616. 


429 

milien  hier  stark  begütert  getroffen.  In  diesem  Umstände  dürfte 
man  doch  mehr  als  blossen  Zufall  sehen,  selbst  wenn  gar  keine 
anderen  Beziehungen  zwischen  den  drei  Familien  bekannt  wären; 
aas  dem  Zusammenhalte  aber  mit  denselben  ergibt  sich  doch 
f&r  meine  Annahme  noch  ein  weit  höherer  Grad  von  Wahr- 
scheinlichkeit. 

Die  auf  Tirol  bezügliche  Stelle  der  päpstlichen  Bestätigungs- 
urkunde  vom  Jahre  1151  lautet:^   , Wachreine,  Turholz,  Walch- 
see,  Colental,  totum  Billersee  cum  ecclesia  ejusdem  loci,  deci- 
miß  et  appendiciis  suis.  In  Luihental,  Stegen,  Wissenschwank, 
Criesenovve,    Grantovve,   Barne   et   quidquid   iUustris    memorie 
comes  palatinus  a  Strichen  usque  ad  Jochperg  juste   habuerat, 
pia  devotione  vobis  ab  eo  concessum,  preter  unam  mansionem 
apud   Wisinschvvank,    apud  Halle  patellam  salis  et  locum  pa- 
teile,    in  monte  qui  dicitur  Ritimo  unum  mansum  in  Pozen  cu- 
riam    et  vineas,    in  Hartperch  sex  vineas  et  agros.*     Der  Stift- 
brief Rots  weicht  hievon  am  Schlüsse  etwas  ab  und  fügt  noch 
einige  Orte  hinzu,  indem  er  lautet:   ,praeter  unam  mansionem 
apud   Wisinschwanck,   quam  filiae  ad  pernoctandam  tradiderat, 
cum    de  loco  ad  locum  transiret.     Apud  Halle  patellam  sahs, 
et  locum  patelle.     In  Stubeia   duos  mansos,  in  Wibetal  stabu- 
hurem  curiam.    Ad  valles  in  monte,  qui  dicitur  Ritino,  quinque 
mansos,  ad  Sufan  in  Poscen  curiam  et  vineas.**   Die  Orte  von 
Wachreine   bis  Halle   sind   alle   tirolisch   und  alle  zugleich  im 
ösdichen  Innthale   gelegen,    denn  Wachreine   war   ein   Schloss 
bei  Ebbs,  Turholz  ist   der  Weiler  Durchholzen   und  Walchsee 
der    gleichnamige  Ort   im   Bezirksgerichte   Kufstein,   Kolenthal 
und   Pillersee  liegen  im  Bezirksgerichte  Kitzbühel  und  ebenso 
die  im  Leukenthale  befindUchen  Ortschaften:   Stegen,  Wiesen- 
sch^vang,  Griesenau,  Grandau  und  Brama;   Strichen  heisst  der 
nördlich    von    Kössen    sich    erhebende  Grenzberg.*     Bei    Hall 
soUte  man  nach  der  geographischen  Anordnung  der  Orte  nur 
an  das  im  Innthale  denken,  und  somit  wäre  diese  Stelle  dessen 
erste  Erwähnung,  die  übrigen  im  Sill-,  Eisack-  und  Etschthale 
liegenden  Orte  sind  bekannt.     Des  Stiftes  Rot  Besitz  in  dem 

»  Hund-Gewold,    Metrop.   Salisb.   3,    269.     Mon.   Boic.   1,    360  f.     Vergl. 

A.  Nagel,  Notitiae  289. 
»  C.  Meichelbeck,  Histor.  Fris.  1,  64.    A.  Nagel,  Notitiae  289.     Mon.  Boic. 

1,  354;  ibid.  31a,  365  ff. 
»  Tiroler  Bote  1830,  8.  284. 


430 

heutigen  Gerichtsbezirke  Kitzbühel  ist  über  jeden  Zweifel  ei-- 
haben  und  wird  durch  eine  ganze  Reihe  von  Urkunden  aus 
dem  13.,  14.  und  15.  Jahrhundert  bestätigt,  insbesondere  auch 
der  Besitz  des  ganzen  Thaies  Pillersee  ^  und  der  Gerichtsbar- 
keit darin,  denn  schon  im  13.  Jahrhundert  hatte  es  da  seinen 
eigenen  Richter.*  Für  das  14.  Jahrhundert  besitzen  wir  hiefür 
noch  einen  stärkeren  Beweis  in  dem  noch  erhaltenen  Weisthum, 
das  aus  dieser  Zeit  stammen  muss,  dessen  Inhalt  aber  ent- 
schieden noch  auf  eine  frühere  hinweist*  Für  den  Besitz  von 
Gütern  auf  dem  Ritten  mangelt  ein  weiterer  Beweis  gleich- 
falls nicht.  ^ 

So  zahlreiche  und  wichtige  Güter  und  Rechte  in  einer 
Grafschaft,  wie  sie  Chuno  im  unteren  Innthale  besessen  haben 
muss,  konnten  in  einer  Zeit,  wo  das  Grafenamt  schon  lange 
erblich  war,  doch  wohl  nur  einer  Familie  eigen  sein,  die  zu- 
gleich dieses  Amt  innehatte,  und  darum  wird  der  Schluss  von 
jenen  auf  dieses  gestattet  sein.  Ii^  der  That  sehen  wir  in  der 
zweiten  Hälfte  der  Regierung  des  Bischofs  Altwin  (1050  bis 
1090)  einen  Chuno  im  Innthale  ein  paarmal  als  Zeugen  er- 
scheinen, wo  man  ihn  ziemlich  sicher,  einmal  ganz  sicher,  als 
Grafen  dieser  Gegend  auflfassen  darf,^  da  er  von  einem  anderen 
Grafen  Namens  Otto,  dem  Grafen  des  benachbarten  mittleren 
Innthales,  den  Vortritt  hat.^  Ist  dieser  Chuno  wirklich  unser 
Pfalzgraf,  dann  darf  man  wohl  den  im  Diplome  Kaiser  Hein- 
richs vom  10.  December  1055  erwähnten  Grafen  Poppo,  in 
dessen  Grafschaft  der  Ort  Laien  sich  findet,  für  seinen  Vater 
halten;^  nicht  minder  den  Grafen  gleichen  Namens,  der  zu 
Flains  im  Wippthale  begütert  ist, '  und  wohl  auch  den,  welcher 
als  dritter  Zeuge  in  einer  Schenkung  Graf  Arnolds  von  Andechs 
an  das  Kloster  Benedictbeuern,  die  das  offenbar  tirolische  Gut 
Taerzins  betrifft,  neben  mehreren  anderen  Grafen,  zum  Theile 
wohl  aribonischen  Stanmies,  Zeugschaft  leistet.®     Dann   erregt 


1  Oberbair.  Archiv  13,  176—224.  313—330;  14,  14—18. 

«  Mon.  Boic.  36  a,  247.     Tiroler  Weisth.  1,  89. 

»  Tiroler  Weisth.  1,  89—98.     Mon.  Boic.  2,  102—108. 

*  Mon.  Boic.  1.  393. 

»  O.  Redlich,  Die  Traditiousbücher,  Nr.  214.  294  u.  295. 

0  Ibid.  Nr.  294. 

'  Mon.  Boic.  29a,  123.    J.  Zahn,  C.  d.  Austro-Fris.  31,  79  Nr.  77.    St.  2487. 

»  Mon.  Boic.  7,  39.     Taerzins   zu  Ellbogen:   Archiv-Ber.  a.  Tirol  2,  286. 


431 

^  auch  kein  Bedenken,  diesen  Poppe  als  den  Nachfolger  jenes 
Grafen  Engelbert  zu  betrachten,  dem  sein  Bruder  Bischof  Hart- 
wig von  Brixen  (1022 — 1039)  die  Grafschaft  des  Eisackthales 
verliehen  hatte.  ^  Auf  die  Fragen  freilich,  warum  diese  Graf- 
schaft nicht  auf  Engelberts  Sohn  übergegangen  oder  warum  sie 
auch  nicht  bei  Poppos  Stamme  verblieben,  gibt  es  keine  Ant- 
wort, weil  hiefür  jeder  Anhaltspunkt  fehlt.  Dagegen  steht  nach 
den  fiüheren  Ausfiihrungen  der  Annahme,  Chuno  oder  viel- 
leicht schon  sein  Vater  seien  nach  dem  Sturze  der  beiden  Ari- 
bonen  Aribo  (II.)  und  Bote  diesen  in  manchen  Besitzungen 
und  Rechten,  namentUch  in  ihren  Grafenämtem,  durch  kaiser- 
liche Gunst  gefolgt  und  auf  diese  Weise  gleichfalls  das  Pfalz- 
grafenamt an  Chuno  gekommen,  nicht  das  geringste  Hindemiss 
entgegen;  es  ist  vielmehr  im  hohen  Grade  wahrscheinlich,  dass 
der  Kaiser  eine  mit  den  Gestürzten  nahe  verwandte  Familie, 
die  sich  durch  ihre  Treue  erprobt  hatte,  bei  der  Verleihung 
der  confiscierten  Aemt^r  und  Würden  allen  anderen  vorgezogen 
habe,  besonders  wenn  sie  für  diese  die  nöthige  reelle  Grund- 
lage und  gerade  in  der  Nähe  der  herrenlos  gewordenen  Be- 
zirke oder  in  ihnen  selbst  Lehen  und  Eigen  hatte.  An  dem 
Vorhandensein  der  ersteren  Bedingung  ist  bei  der  so  be- 
deutenden Macht  Chunos  gar  nicht  zu  zweifeln,  und  auch  die 
letztere  dürfte  nicht  gefehlt  haben.  Treffen  wir  doch  im 
Jahre  950  im  südöstlichsten  Theile  des  Sundergaues,  im  kleinen 
Gaue  Frieromarca,  einen  Grafen  Namens  Piligrim,^  der  iden- 
tisch mit  dem  fiiiher  genannten  Grafen  Piligrim  im  Isengaue 
sein  kann,*  und  um  dieselbe  Zeit  (938 — 957)  hat  ein  Edler 
gleichen  Namens,  der  später  auch  Graf  geworden  sein  mag 
und  einen  Sohn  Namens  Papo  sein  nennt,  Besitz  in  Amras.* 
Es  liegt  nicht  so  fern,  in  diesen  Piligrimen  ein  und  dieselbe 
Person  und  den  Vater  von  Chunos  Grossvater  zu  sehen,  be- 
sonders wenn  man  bedenkt,  dass  ja  Chuno  in  dem  genannten 
Gaue  erheblichen  Besitz  hatte,  wie  Helphendorf,  Tocinhusen 
;Tattenhausen  im  Landgerichte  Rosenheim),  Warte  (ebenda  bei 
Holzhausen),  Veristetten.^ 

1  O.  Redlich,  Die  Traditionsbticher,  Nr.  66.  71.  Sinnacher  2,  223.  226. 232. 369. 

*  Mon.  Germ.  Dipl.  1,  207,  40 

»  Juvavia,  Anh.,  8.  140  Nr.  33,  147  Nr.  46  u.  46,  148  Nr.  47. 

*  C.  Meichelbeck,  Histor.  Fris.  Ib,  447  Nr.  1039. 
»  Mon.  Boic.  1,  354.  360. 


432 

Nach  dem  Ableben   des  Pfalzgrafen  Chuno  von   Rot   im 
Jahre  1086,   dem   sein  gleichnamiger  Sohn  schon  einige  Jahre 
(f  1081)  im  Tode  vorangeeilt  war,  ging  die  Würde  eines   bai- 
rischen   Pfalzgrafen   auf  den   Grafen   Rapoto   über,    den   Sohn 
des  oben  erwähnten  Grafen  Rapoto  von  Cham,   der   zu  seinen 
Lebzeiten   eine   so   hervorragende   Rolle   gespielt  hatte  und  in 
der   Schlacht   an   der   Elster  im   Jahre  1080   für   König  Hein- 
rich IV.  gefallen   war.  ^     Der   neue  Pfalzgraf  muss   nach   dem 
Urtheile  der  Zeitgenossen,  nach  dem  grossen  Einflüsse,  den  er 
auf  die  Zeitereignisse  ausübt,  nach  der  Stellung  und  dem  An- 
sehen,  deren   er  sich   erfreut,   und  nach  dem,   was  über  seine 
Besitzverhältnisse  bekannt  ist,   ein  sehr  bedeutender  Mann  ge- 
wesen  sein.     Er   besitzt   nicht   allein  die  von  seinem  Vater  er- 
erbte Grafschaft  Cham  und  ist  Vogt  des  Bisthums  Regensburg 
und   des  Klosters   St.  Emmeran,*   er   hat  auch   Schloss,  Stadt 
und  Bezirk  Vohburg   und   weiter   die   Grafschaft   Indale  inne; 
auch  trägt  er  von  dem  benachbarten  Herzoge  von  Böhmen  eine 
Reihe   von   Lehen    und    wohl    auch   von    den    genannten    und 
anderen  Stiftern.     Die  Grafschaft  des  unteren  Innthales  besitzt 
er  in  ihrem  ganzen  Umfange,   wie  die  ausdrückUch  erwähnten 
Orte    Chuntula    (Kundl),    Luisfeit    (Liesfeld),    Obemdorf    (?), 
Winkelheim   (bei   Kirchbühel),   Birkenwank   (bei   Kirchbühel), 
Ebese  (Ebbs),  die  über  einen  grossen  Theil  des  Thaies  zerstreut 
sind,  schliessen  lassen.*     Auf  ihn  mögen  sich  wohl   die  Worte 
beziehen,  die  der  böhmische  Chronist  Cosmas  von  seinem  Vater 
gebraucht;    da    er    erst    in    hohem   Alter    die   Erlebnisse    und 
Ereignisse   aus   seiner  Jugendzeit  niederschrieb,   so   konnte   er 
sich  wohl  leicht  in  der  Person  irren  und.Vater  und  Sohn   ver- 
wechseln,  nicht   so   in   der   Sache.     Als   er  von  Graf  Rapotos 
erster  (?)  Romreise   berichtet,   sagt   er:   ,Nam  tantae  potestatis 
hie  comes  erat,  quod  usque  Romam  per  continua  loca  proprias 
villas  seu  praedia  et  per  castella  milites  sibi  devotes  habebat^* 
Man  hat  darin  eine  arge  Uebertreibung  der  Macht  des  Vaters 
gesehen,  aber  auf  den  Sohn  angewandt,  kann  die  Stelle  kaum 
mehr  als  solche  bezeichnet  werden,   selbst  wenn  dieser  nichts 
weiter  als   die   erwähnten   Gebiete  gehabt   haben  sollte;    doch 


*  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiem  28  ff. 
«  Quellen  und  Erörterungen  1,  36.  42  f.  46  f.  61. 
»  Chronik  von  St.  Georgen  u.  F.  229. 

*  Mon  Germ,  bistor.  Script.  9,  86,  ^i- 


433 

das  ist  gewiss  nicht  wahrscheiDlich,  da  wir  ja  so  wenig  Einzel- 
heiten aus  seinem  Leben  kennen,  und  wir  haben  darum  keinen 
Grund,  die  Angabe  des  im  Ganzen  zuverlässigen  Berichter- 
statters für  irrig  zu  erklären.  Von  diesen  Gebieten  war  aber 
die  vom  Vater  ererbte  Gra&chaft  Cham  nur  ein  kleiner  Theil, 
denn  sie  war  nur  ein  Stück  des  Nordgaues.  Ihre  geringe  Be- 
deutung ergibt  sich  schon  daraus,  dass  nicht  allein  die  beiden 
Rapotonen  nie  von  ihr  den  Markgrafentitel  annehmen,  sondern 
dass  auch  die  Vohburger  selten  ihn  führen  und  in  der  Regel 
sich  nach  Vohburg  nennen,  obwohl  auf  Cham  der  Titel  Mark 
nicbt  von  einem  anderen  Gebiete  übertragen  worden  ist,  sondern 
dasselbe  eben  den  Titel  als  Grenzgebiet  und  Theil  einer  eigent- 
lichen Mark  bekommen  hat.  ^ 

Wenn  Pfalzgraf  Rapoto  von  den  bezeichneten  Gebieten 
nur  die  Mark  Cham  und  vielleicht  die  Vogteien  von  Regens- 
burg und  St.  Emmeran  durch  den  Vater  überkommen  hat,  so 
fragt  es  sich,  woher  und  wie  die  anderen  an  ihn  gelangt  sind. 
Man  hat  bisher  den  Grund  hievon  einerseits  in  seiner  Heirat 
mit  der  Witwe  des  jüngeren  Chuno,  genannt  von  Vohburg,  Elisa- 
beth von  Lothringen,  andererseits  in  der  besonderen  Huld  des 
königlichen  Hofes  gesehen.*  Die  Reichslehen  und  das  Reichs- 
gut  verdankt  er  ohne  Zweifel  der  Gunst  des  Reichsoberhauptes, 
und  auf  diese  Weise  mag  er  die  Mark  Vohburg,  die  Grafschaft 
Innthal  und  andere  Grafengebiete  erworben  haben,  aber  es 
müssen  dabei  doch  auch  Verwandtschaftsansprüche  mitgewirkt 
haben,  denn  es  erscheint  mir  unglaubUch,  dass  der  Kaiser  die 
berechtigten  Erwartungen  der  nächsten  Verwandten  Phunos 
ganz  unberücksichtigt  gelassen  haben  könnte,  wodurch  er  sich 
ja  diese  zu  Feinden  machte;  und  das  gerade  zu  einer  Zeit,  wo 
er  der  alten  Freunde  sehr  bedurfte.  Ganz  anders  verhält  es 
sich  mit  den  anderen  Lehen  und  mit  den  Eigengütem;  von 
diesen  konnte  ihm  der  Kaiser  nichts  geben  und  seine  Gemahlin 
gewiss  nur  zubringen,  was  sie  als  Aussteuer  mitgebracht  oder 
von  ihren  Verwandten  ererbt  und  was  sie  von  ihrem  ersten 
Gemahle  als  Brautgut  und  Witthum  erhalten  hatte.  Für  unseren 
Fall  kann  es  sich  aber  nur  um  die  Letzteren  handeln,  und 
diese  können  unmöglich  sehr  bedeutend  gewesen   sein,   da  ja 


*  Vergl.  8.  Riezler,  Die  Mark  Cham  in  Forschnngen  18,  637  f. 
«  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiern  29.   A.  Nagel,  Notitiae  169. 
ArehtT.   LlXXm.  Bd.   H.  Hälfte.  29 


434 

jeder  Gemahl  bei  Verfugung  über  seine  Güter  durch  die  Rück- 
sicht auf  seine  Verwandten  gebunden  war.  Das  Alles  drängt 
zum  Schlüsse,  es  müssen  die  meisten  Eigengüter,  die  Rapoto 
nicht  von  seiner  Familie  geerbt  oder  selbst  erworben,  von  einer 
nahe  befreundeten  anderen  Familie  stammen,  und  ich  kann  in 
diesem  Falle  nach  den  Besitzverhältnissen  nur  an  Chuno, 
seinen  Vorgänger,  denken,  mit  dessen  Besitz  sich  Rapotos  zum 
grossen  Theile,  soweit  dies  nachweisbar  oder  erschliessbar  ist, 
deckt.  Habe  ich  darauf  schon  früher  hingewiesen,  so  sei  hier 
noch  erwähnt,  dass  Rapotos  Familie  auch  in  Schwaben  wie 
Chuno  Besitz  hat,  dort  ein  grosses  Gut  Cremhein  dem  Augs- 
burger Domcapitel  schenkt  und  wegen  einer  Grafschaft  mit 
dem  Bisthume  im  Streite  liegt.  ^  Wenn  Rapoto  auch  ein 
Sprosse  des  Aribonenhauses  ist,  als  welchen  ich  früher  Chuno 
zu  erweisen  gesucht,  dann  begreift  man  die  Worte  vollkommen, 
die  Paulus  Bemriedensis  von  seinem  Vater  gebraucht:  ,Rapoto, 
qui  nimirum.  propter  sanguinis  nobilitatem  et  morum  honestatem 
in  regem  a  populo  expetitus  asseritur';*  und  wenn  seine  Fa- 
milie die  Haupterbin  des  Nachlasses  der  Familie  Chunos  ge- 
worden ist,  dann  hat  der  ihr  nachgerühmte  grosse  Besitz  nichts 
Auffälliges  und  ebensowenig  die  Worte,  die  der  sächsische 
Chronist  von  seinem  patruelis  Oudalricus  gebraucht:  ,queiii 
multum  divitem  dicebant^' 

Wessen  Sohn  ist  aber  dieser  Oudalricus?  Wir  kennen 
ausser  ihm  nur  noch  einen  Verwandten  des  Pfalzgrafen,  nämlich 
seinen  zugleich  mit  ihm  im  Jahre  1072  genannten  Bruder.^ 
Da  sie»  also  beide  Ulrich  heissen,  da  patruelis  doch  vorzüglich 
Brudersohn  bedeutet,  von  einem  anderen  Bruder  aber  nichts 
verlautet,  so  liegt  es  doch  gewiss  sehr  nahe,  den  reichen  Ulrich 
für  einen  Sohn  des  älteren  gleichnamigen  Bruders  des  Pfalz- 
grafen zu  halten.  ^  Aber  kaum  minder  drängt  sich  uns  die  An- 
sicht auf,  dass  er  identisch  mit  dem  Grafen  Ulrich  von  Passaa 
sei.  Denn  auch  dieser  wird,  in  der  Stiftungsurkunde  des  Chor- 
hermstiftes Baumburg,  der  Reiche  genannt  (prepotens  ac  predives 


^  Mon.  Germ,  histor.  Script.  3,  127,  ^f[,    A.  Nagel,  Notitiae  188  f. 
'  P.  Wittmann,  Die  Pfalzgrafen  von  Baiem  186  n.  252.    Mon.  Germ,  histor. 
Script.  4,  427. 

*  Ibid.  6,  210,  m;  218,  ». 

*  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbenem  2,  746.  747. 
^  So  artheilt  auch  A.  Nagel,  Notitiae  171. 


435 

ita  ut  vulgo  Vilreich  appellaretur)*  und  muss  tun  dieselbe  Zeit 
gelebt  haben.  Doch  da  erhebt  sich  eine  grosse  Schwierigkeit: 
in  dem  Necrologium  desselben  Stiftes  wird  ein  Ulricus  filius 
Palatini  fundator  angeführt  und  unter  den  in  der  Stiftskirche 
begrabenen  Wohlthätem  ein  Ulricus  comes  de  Pactavia  ge- 
nannt:* an  allen  diesen  Stellen  ist  zweifelsohne  eine  und  die- 
selbe Person  gemeint.  Wie  kann  aber  Ulrich  von  Passau  der 
Sohn  eines  Pfalzgrafen  heissen,  wenn  er  nicht  der  Sohn  Chunos 
oder  Rapotos  oder  eines  anderen  Pfalzgrafen,  sondern  nur  der 
Sohn  eines  Bruders  eines  Pfalzgrafen,  Ulrichs  (von  Cham)  Sohn 
und  Rapotos  Neffe  ist?  Ueber  diese  Schwierigkeit  hebt  nur 
die  Vermuthung  einigermassen  hinweg,  das  Necrologium  habe 
es  in  unserem  FaDe  mit  der  Bezeichnung  nicht  sehr  genau  ge- 
nommen. An  solchen  Fällen  mangelt  es  nicht,  und  um  den 
onserigen  wahrscheinlicher  zu  machen,  könnte  man  immerhin 
auf  einen  ähnlichen  verweisen.  Der  Tod  Chunos,  des  Sohnes 
des  Pfalzgrafen  gleichen  Namens,  wird  in  den  Casus  mona- 
sterii  Petrishusensis  auch  mit  den  Worten  berichtet:  ,Ibi  cecidit 
Couno  palatinus  de  Fohiburch  cum  aliis  multis'  (1081):  der 
jüngere  Chuno  also  hier  und  kurz  vorher  nochmals  Pfalzgraf 
genannt,*  obwohl  er  nie  selbst  die  Pfalzgrafenwtirde  bekleidet, 
sondern  nur  der  Sohn  eines  Pfalzgrafen  gewesen  ist.  Viel 
schwieriger  ist  noch  die  genauere  Feststellung  des  Verwandt- 
schdtsverhältnisses  der  beiden  Pfalzgrafen  Chuno  und  Rapoto 
za  einander  und  zu  Grafen  Dietpold,  das  ich  annehmen  zu 
müssen  vermeine;  doch  ich  will  auch  hierüber  meine  Meinung 
nicht  zurückhalten.  Unter  der  Voraussetzung,  dass  obige  An- 
nahme richtig  und  Ulrich  von  Passau,  der  zweite  Gemahl  der 
Adelheid  von  Frantenhausen,  in  der  That  mit  dem  Bruder- 
sohne des  Pfalzgrafen  Rapoto  identisch,  wären  alle  Wider- 
sprüche und  Schwierigkeiten  beseitigt,  wenn  Dietpold,*  der 
Vater  des  Rapoto  von  Cham,  zugleich  der  Bruder  des  Pfalz- 
grafen Chuno  von  Rot  und  der  Sohn  des  Poppe  von  Rot  wäre, 
und  also  die  Rot,  Rapotonen  und  Vohburger  eines  Stammes 
wären.   Die  Lebensdauer  und  Lebenszeit  der  betreffenden  Per- 


*Mon.  Boic.  2,  175  f. 

*  Ibid.  2,  264.  268.    Necrolog.  Germ.  2,  238. 

*  Mon.  Germ,  histor.  Script.  20,  647,  „  flf. 

*  Dubuat  and  A.  Nagel  halten  den  Pfalzgrafen  Rapoto  für  einen    Sohn 
Poppos  von  Rota.    A.  Nagel,  Notitiae  167. 

29"* 


436 

sonen  ist  mit  einer  solchen  Annahme  nicht  unvereinbar.  Der 
Pfalzgraf  Chuno  muss  bei  seinem  Tode  (1086)  schon  ziemlich 
bejahrt  gewesen  sein,  da  sein  fünf  Jahre  vorher  gestorbener 
Sohn  schon  vermählt  war  und  seine  Tochter  Irmgard  bei  seinem 
Ableben  bereits  Kinder  hatte.  ^  So  könnte  immerhin  Dietpold 
sein  jüngerer  Bruder  sein,  wenn  ihr  Altersunterschied  nur  ge- 
ring und  dieser  doch  schon  im  Jahre  1072  einen  erwachsenen  Sohn 
Rapoto  und  zwei  Enkel  haben,  die  sich  erst  im  angehenden 
Jünglingsalter  befinden  mochten.  Dass  dann  der  Eine  von 
diesen,  und  zwar  allem  Anscheine  nach  der  jüngere,  inzwischen 
zum  jungen  Manne  herangewachsen,  seinem  Grossonkel  in  der 
Würde  eines  Pfalzgrafen  folgte  (1086),  ist  gewiss  nicht  unwahr- 
scheinlich, da  indess  ja  sein  Vater  und  Grossvater,  wohl  auch 
sein  älterer  Bruder,  sowie  Chunos  Söhne  gestorben  waren  und 
vom  Stamme  nur  noch  ein  Sohn  seines  älteren  Bruders  und 
ein  anderer  Sprosse,  Namens  Dietpold,  der  erste  Vohburger, 
und  ihre  Kinder  lebten.  In  Dietpold  aber  möchte  ich  einen 
jüngeren  Bruder  des  Pfalzgrafen  Rapoto  sehen.  Mit  diesen 
Annahmen  stimmt  auch,  was  wir  von  den  eben  genannten 
Beiden  hören.  Ulrich  von  Passau  muss  jung  gestorben  sein, 
da  seine  Frau  nochmals  heiratete  und  mehrere  Eander  hatte, 
seine  Tochter  Uta  aber  bei  seinem  Tode  (1099)  noch,  wie  es 
scheint,  ein  Kind  war;  auch  Dietpold,  Markgraf  von  Vohburg, 
kann  bei  seines  Neffen  Ableben  die  besten  Mannesjahre  kaum 
erreicht  haben,  da  er  erst  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
(1146)  starb.  Meiner  Annahme  widerstreben  auch  nicht  die 
poUtischen  Zeitverhältnisse.  Der  Aribone  Graf  Sighard  und 
Markgraf  Dietpold  von  Vohburg  genossen  nicht  die  Gunst  Kaiser 
Heinrichs  IV.,  und  darum  folgte  keiner  in  dem  Pfalzgrafenamte 
und  auch  nicht  in  der  Grafschaft  Innthal,  aber  gerade  dies 
dürfte  sie  gegen  den  Kaiser  aufgebracht  und  den  Markgrafen 
zu  seinem  heftigsten  Widersacher  gemacht  haben.* 


*  Mon.  Boic.  1,  355. 

•  Mon.  Germ,  histor.  Script.  3,  107,  mAT.;  6,  142,  „ff. 


437 


IV. 
Die  anderen  Siteren  Familien. 

Waren  auch  die  bisher  behandelten  Zweige  des  Aribonen- 
battses  südlich  von  den  Tauern  begütert^  hatte  da  der  Pfalz- 
graf  Hartwig  I.  ausgedehnten,  seine  nächsten  Nachfolger  gewiss 
nicht  geringen  und  selbst  Pfalzgraf  Aribo  II.  nach  seinem  Sturze 
noch  den  Hauptbesitz,  erscheint  sogar  Pfalzgraf  Chuno  als  Herr 
eines  grösseren  Qrundcomplexes,  so  lagen  doch  sicherlich  weder 
in  Kärnten  noch  in  Steiermark  oder  Kri^in  ihre  Stammgüter 
und  ebenso  nicht  der  Schwerpunkt  ihrer  Macht.  Wir  müssen 
alle  diese  FamiUen  als  bairische  betrachten  und  in  Baiem  wie 
Ihren  Ausgangspunkt,  so  auch  den  Grundstock  ihrer  Besitzungen 
suchen;  von  dort  aus  sind  sie  in  die  südlichen  und  südöstlichen 
Slavengebiete  vorgedrungen  und  haben  hier  den  deutschen  Ein- 
fiuss  und  die  deutsche  Herrschaft  begründen  geholfen.  Anders 
ißt  es  mit  einer  weiteren  Reihe  von  Zweigen  des  Aribonen- 
hauses  bestellt;  auch  diese  sind  wohl  vom  südöstlichen  Baiem 
ausgegangen,  allein  hier  hatten  sie  in  der  Folge  nur  geringen 
oder  auch  gar  keinen  Besitz  mehr  und  sahen  darum  auch  nicht 
mehr  bairische  Gaue,  sondern  die  neu  erworbenen  Gebiete  in 
Kärnten,  Steiermark  und  Tirol  als  ihre  Heimat  an.  Doch  fehlt 
es  nicht  an  mancherlei  Spuren,  seien  es  Besitzverhältnisse  oder 
verwandtschaftliche  Beziehungen,  die  mit  meist  hinreichender 
Sicherheit  zu  ihrer  ursprüngUchen  Heimat  leiten.  Als  solche 
Familien  werden  sich  uns  in  den  folgenden  Ausflihrungen  dar- 
stellen: die  Familie  Bischof  Albuins  von  Sähen,  das  Geschlecht 
Orafen  Otwins  von  Kärnten  und  dessen  Zweige:  die  Familie 
Bischof  Altmanns  von  Trient,  die  Görzer  und  älteren  Orten- 
burger  Grafen,  die  Grafen  von  Flavon  und  Tirol,  die  Familie 
der  heil.  Emma. 

Der  früher  angeftlhrte  Stammbaum  hat  gezeigt,  wie  noch 
jtlngst  Albuins  Familie  für  die  pfalzgräfliche  gehalten  wurde; 
die  nahen  Beziehungen  zur  letzteren  sind  übrigens  schon  früher 
wiederholt  erkannt  worden.  Vermag  ich  auch  erstere  Ansicht 
nicht  zu  theilen,  so  möchte  ich  doch  um  so  entschiedener  auf 
den  Zusammenhang  dieser  Familie  mit  dem  Isengaue  hinweisen. 
Albain  selbst  und  seine  Angehörigen  haben  Besitz  dortselbst, 
wie    die  Verhandlungen  des  Bischofs  mit  seinen   Geschwistern 


438 

und  seine  Schenkungen  an  das  Stift  Sähen  unwiderleglich  dar- 
thun.  Damach  besassen  sie  Eigengüter  in  Oberbaiern^  und 
insbesondere  zu  Aschau  und  Tan  im  Isenguae,*  weit  mehr 
freilich  schon  im  südlichen  Kärnten,  im  Jaunthale.  ^  Lässt  schon 
die  Begüterung  im  Isengaue,  dem  Hauptsitze  des  Aribonen- 
hauses,  in  Albuins  Familie  einen  Zweig  dieses  Hauses  ver- 
muthen,  so  geben  hiezu  die  bekannten  Familienmitglieder  weitere 
Anhaltspunkte :  die  bekannten  zwei  Brüder  des  Bischofs  führen 
die  bezeichnenden  Namen  Hartwig  und  Aripo,  von  denen  der 
Letztere,  vielleicht  als  Graf  im  Jaunthale,  einmal  Markgraf 
heisst.*  Albuins  Grossvater,  wohl  von  mütterlicher  Seite,  ist 
aber  keine  geringere  Persönlichkeit  als  der  uns  wohlbekannte 
Erzbischof  Oudalbert  von  Salzburg,  dessen  Familie  ja  auch  im 
Isengaue  wurzelt.*  Denselben  Ursprung  darf  man  auch  bei 
einer  anderen  nahe  verwandten  Familie  vermuthen,  bei  einem 
gewissen  Hadamar  und  seiner  Gemahlin,  der  edlen  Frau  Truta, 
einer  Base  Albuins  und  Enkelin  desselben  Erzbischofs  durch 
ihre  Mutter  Perehsuuint,  die  unter  Anderen  Söhne  Namens 
Eberhard  und  Gerhoch  hat;^  von  ihrem  Besitze  wissen  wir 
zu  wenig,  als  dass  davon  ein  Schluss  verstattet  wäre. 

Weit  bedeutender  als  die  genannten  Familien  tritt  des 
Grafen  Otwin  Geschlecht  aus  dem  geschichtlichen  Hintergrunde 
und  erscheint  auch  zugleich  entschiedener  als  Sprosse  des  Ari- 
bonenhauses.  Otwin  ist  Graf  des  Pusterthaies  und  Lumgaues 
und  Gemahl  Wichburgs,  der  Schwester  Erzbischof  Hartwigs 
von  Salzburg  (991—1023).  Ihre  Söhne  heissen  Hartwig,  Engel- 
bert, Meginhard,  Volchold,  Heinrich  und  Gerloch:  Hartwig  be- 
steigt den  Stuhl  des  heil.  Cassian,  Engelbert  und  Meginhard 
werden  Nachfolger  des  Vaters  im  Pusterthale  und  Lumgaue, 
Volchold  stiftet  das  Frauenkoster  Sonnenburg  im  Pusterthale 
und  seine  Mutter  das  Frauenkloster  St.  Georgen  am  Längsee 
in  Kärnten,  zwei  Schwestern  aber  folgen  sich  als  Aebtissinnen 
der  Stiftung   der  Mutter,   eine   Nichte,   wahrscheinlich  Tochter 


*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  25. 

*  Ibid.  Nr.  28.  31.  36.  44. 

»  Ibid.  Nr.  5.  28.  30.  36.  36. 

*  Ibid.  Nr.  58. 
«  Ibid.  Nr.  64. 

'  Ibid.  Nr.  64.     Vergl.  O.  Redlich,  Zur  Geschichte  9  f. 


439 

Heinrichs,^  wird  die  erste  Aebtissin  Sonnenburgs.  Erinnern 
schon  diese  Namen  und  diese  Thatsacfaen  sehr  an  die  Ari- 
bonen^  so  wird  auch  noch  in  einer  Urkunde  Erzbischof  Hartwig 
TOD  Salzburg  ausdrücklich  als  ein  naher  Verwandter  eines  Grafen 
bezeichnet;  der  ziemlich  sicher  fUr  einen  Sprössling  des  Ari- 
bonenhauses  anzusehen  ist.  Es  ist  der  im  ersten  Viertel  des 
11.  Jahrhunderts  öfters  auftretende  Graf  Eppo  oder  Eberhard^ 
dessen  Sohn  Friedrich  Tangl  ganz  irrig  zum  Stammvater  der 
Grafen  von  Ortenburg  in  Kärnten  gemacht  hat*  Eberhard 
heisst  nach  dem  Seoner  Necrologium  ein  Bruder  des  Pfalz- 
grafen Aribo  L;  und  an  diesen  ist  sowohl  in  obiger  Stelle  als 
auch  bei  dem  gleichnamigen  Zeugen  in  der  Urkunde  der 
BLaiserin -Witwe  Kunigunde  vom  Jahre  1025  zu  denken,  der 
mit  mehreren  anderen  Grafen  deren  Schenkung  an  das  Bis- 
thom  Freising  bezeugt;^  derselbe  leistet  noch  fUr  mehrere 
andere  Rechtsgeschäfte  derselben  Gegend  Zeugschaft  neben 
Standesgenossen;  von  denen  einzelne  sich  sicher  als  Aribonen 
erweisen.^  Zudem  fehlt  es  Otwins  Familie  nicht  an  Besitz  im 
Isengaue;  zu  Totinberg  und  Aschau,  sw.  Mühldorf,  schenkt 
Hartwig  Besitz,  nämlich  dort  drei  Hansen  und  drei  Weinberge, 
hier  einen  Mansus,  an  sein  Stift  im  benachbarten  Donaugaue 
zu  Kufberg  nordöstlich  von  Regensburg  ein  Gut.*  Auf  Grund 
dieser  Beziehungen  haben  schon  frühere  Forscher  und  zuletzt 
0.  Redlich  ^  Otwins  Familie  ftir  einen  Seitenzweig  des  Aribonen- 
haases  gehalten;  man  wird  hiezu  aber  umsomehr  berechtigt 
sein,  wenn  sich  noch  andere  Anhaltspunkte  finden  sollten,  und 
das  ist^  wie  ich  glaube,  in  der  That  der  Fall.  Da  Otwin  auch 
Graf  des  Lumgaues  war,  so  muss  er  in  einer  Grafschaft  auch 
des  Pfalzgrafen  Hartwig  I.  Nachfolger  geworden  sein,  denn 
ViUach,   das  in  des  Letzteren  Grafschaftssprengel  lag,   gehörte 


>  O.  Redlich,  Zur  Geschichte   20  f.    v.  Ankershofen,  Geschichte  K&rntenB 

2,  833  ff.;  Urkunden  u.  Reg.,  8.  82  f. 
'  Karlmann  Tangl,  Die  Grafen   von  Ortenburg  in  Archiv  fQr  Osten*.  Ge- 

schichtdTorschung  30,  227  ff. 
»  J.  Zahn,  Cod.  dipl  Austr.  Fris.  in  Font  rer.  Austr.  Dipl.  31,  63. 

*  Besch,  Aetas  millenaria  67.  Archiv  fOr  österr.  Geschichtsforschung  22, 
300  Nr.  1,  303  Nr.  12,  304  Nr.  16.  Notiabl.  6,  24  Nr.  81.  Juvavia,  Anh., 
S.  197  Nr.  16.  v.  Ankershofen,  Reg.  in  Archiv  2,  329  Nr.  133.  v.  ELarajan 
Das  Yerbrüderungsb.  LX. 

»  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  65.  67. 

•  O.  Redlich,  Zur  Geschichte  20. 


441 

Grafschaft  im  Pasterthale  und  zwei  Mansen  darin  zu  Reischach 
dem  Stifte  Brixen.^  Es  verdient  hervorgehoben  zu  werden, 
dass  unter  den  Intervenienten  auch  der  Pfahsgraf  Rapoto  sich 
befunden  hat,  der  zugleich  Graf  des  Unterinnthaies  war.  Das 
an  Brixen  geschenkte  Gebiet  war  im  Wesentlichen  noch  der 
alte  Grafschaftsbezirk  des  Pusterthalgaues,  d^  nach  Abtrennung 
des  Exemptionsgebietes  von  Innichen  sich  bis  in  diese  Zeit 
ungetheilt  erhalten  hat.  Anders  war  entschieden  das  Schicksal 
des  Lumgaues,  der  im  Laufe  des  11.  Jahrhunderts  in  kleinere 
Bezirke  sich  schied,*  wenn  nicht  etwa  schon  früher,  denn  wir 
sehen  hier  gleichzeitig  mehrere  Grafen  auftreten:  neben  dem 
schon  genannten  Meginhart  und  noch  einen  zweiten  dieses 
Namens,  zwei  Udalschalke  und  Adalberte.  Sie  sind  wohl  alle 
als  Sprossen  desselben  Stammes,  als  Nachkommen  Otwins  anzu- 
sehen. Der  gegen  Ende  des  11.  Jahrhunderts  erscheinende 
M^inhard  ist  sehr  wahrscheinlich  des  älteren  Sohn,  denn  auch 
er  tritt  im  westlichen  Theile  des  Lumthaies,  im  Oberpuster- 
thale,  auf.'  Die  Udalschalke  hingegen  gehören  dem  östlichen 
Lurngaue,  Oberkämten,  an. 

Im  Lumfelde  und  in  Oberkämten  überhaupt  begegnet 
uns  in  dem  Zeiträume  von  1060 — 1090  wiederholt  ein  Graf 
Odalscalch  (I.),  der'  zugleich  des  Bischofs  von  Brixen  Vogt  da- 
selbst ist  und  Besitz  im  Möllthale  hat,  in  dessen  Grafschaft  der 
Ort  Malantin  liegt.*  Um  1126  hat  bedeutenden  Besitz  in  dem 
Thale  Malentina  ein  Graf  Adalbero,  dessen  Vater  Graf  Udal- 
schalk  heisst,*^  imd  ein  Graf  dieses  Namens  tritt  als  erster 
Zeuge  in  einer  Tradition  Brixens  unter  Bischof  Hugo  (ca.  1100 
bis  1125)  auf.^  Es  ist  wohl  beide  Male  die  nämliche  Persön- 
lichkeit und  kaum  jemand  Anderer  als  der  gleichnamige  Sohn 
oder  Neffe  des  obgenannten  Udalschalk,  Grafen  im  Lumgaue. 
Auch  die  beiden  Stellen  in  zwei  Urkunden  Herzog  Heinrichs  H. 
von  Kärnten  fiir  das  Kloster  St.  Lambrecht,  in  deren  einer  ein 
Graf  Udalschalk  mit  seinem  Sohne  Chunrad,  in  deren  anderer 


»  Mon.  Boic.  29  a,  216.     St.  2913, 

*  O.  Redüch,  Die  Traditionabücher,  Nr.  274.  292. 

*  Ibid.  Nr.  90.  91.  292. 

*  Ibid.    Nr.   168.   216.  232.  261.  274.  29S.  304.    J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Austr. 
Fris.  io  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  31,  82. 

*  Mon.  Boic.  4,  619.  620. 

'  0.  Redlich,  Die  Traditionabücher,  Nr.  409. 


442 

ein  Graf  Udalschalk  allein  Zeugschaft  leistet,  sind  sehr  wahr 
scheinlich  hieher  zu  ziehen.^  Graf  Udalschalk  (11.)  war  mit 
seiner  Gemahlin  Adalheid  erster  Stifter  des  am  Inn  nördlich 
von  Schärding  gelegenen  Chorherrenstiftes  Suben,  ihr  Sohn 
Altmann,  nachmals  Bischof  von  Trient  (1124—1149),  Vollender 
dieser  Stiftung  und  Graf  Adalbero  ein  grosser  WohlthÄter  der- 
selben. Damach  war  ihre  Familie  reich  in  Oberösterreich  be- 
gütert, wo  die  nachmals  im  Besitze  des  Stiftes  Suben  befind- 
Hchen  Meierhöfe,  Mühlen,  Weiden,  Waldungen  und  Fischereien 
wohl  grösstentheils  von  ihr  herrühren  werden,*  aber  entschieden 
noch  mehr  südlich  von  den  Tauem,  in  Kärnten  und  Steiermark. 
Da  gaben  Graf  Udalschalk  und  seine  Söhne  Bischof  Altmann 
und  Graf  Adalbero  das  Prädium  und  die  pfarrlichen  Rechte 
zu  Malentein,  die  Stammburg  Hohenburg,  Zehente  zu  Meichin- 
stein,  Rusimche  und  Rakamche  (Meisselding,  Russbach  oder 
Raisach  und  Rangersdorf  im  Gurker  Sprengel?)  in  Kärnten, 
die  Pfarrkirche  St.  Margarethen  zu  Hengist  (St.  Lorenz  zu 
Hengsberg  bei  Wildon)  und  dazu  einen  Edelhof  mit  Leib- 
eigenen und  Weinbergen  und  allen  nutzbaren  Rechten,  selbst 
Jagd  und  Fischerei,  dann  Liegenschaften  und  Renten  in  den 
Dorfschaften  Seding  und  Berendorf,  zu  Lebring  und  Ekken- 
berg,  zu  Stammerek  und  Rossnitz,  um  Lelbnitz,  in  Absberg, 
zu  Sulm  und  Schwarzach  und  an  anderen  Orten  der  Steier- 
mark; Udalschalks  Gemahlin  Adelheid  spendete  die  Kirche  zu 
Kolmitz  in  Kärnten. '  Es  ist  wohl  nicht  reiner  Zufall,  wenn  bei 
diesen  und  ähnlichen  Schenkungen  an  Suben  Männer  als 
Zeugen  oder  sonst  mitwirken,  die  als  Angehörige  oder  nahe 
Verwandte  des  Aribonenhauses  anzusehen  sind,  wie  Friedrich 
Graf  von  Tengling,  Dietrich  Graf  von  Wasserburg  und  Mark- 
graf Engelbert  von  Kraiburg.  Diese  Beziehungen,  insbesondere 
aber  der  reiche  Besitz  im  Lurngaue,  gestatten  wohl  den  Schluss, 
dass  Altmanns  Familie  ein  Zweig  des  Geschlechtes  Otwins  und 
zugleich  des  Aribonenhauses  sei,  das  ja  auch  an  denselben 
Orten  Kärntens  sich  begütert  zeigt. 

Gegen   Ende   des    11.  Jahrhunderts    taucht   im    östlichen 
Lumgaue  neben  Altmanns  Familie   noch  eine  zweite  auf  und 

^  J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  110.  112. 
«  Mon.  Boic.  4,  617.  619  f.  521.  623.  626. 

'  R.  y.  Koch-Stemfeld,  Die  Chorherrenpropstei  Suben  in  Abhandl.  der  bist 
Cl.  d.  k.  b.  Akad.  d.  Wissensch.  (1848)  5, 3,  löflf.  31.  38.  Mon.  Boic.  4,  517flf. 


443 

erscheint  im   Besitze   des   Schlosses  Ortenburg^    das   sie   woh] 
auch  erbaut  haben  mag,  und  womach  sie  sich  nennt:   es  sind 
die    Ortenbui^er,    die   ich   als   die   älteren   dieses  Namens   be- 
zeichnen möchte,  weil  sie  nach  meinem  Dafürhalten  ganz  ver- 
schieden jsind  von  den  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts   da 
ansässigen  Grafen.   Wie  ich  später  zeigen  werde,  kommen  die 
Spanheimer,   von   denen   die  jüngeren   Ortenburger  ein  Zweig 
sind^    erst  nach  der  Mitte  des  11.  Jahrhunderts  nach  Kärnten 
und  nicht  schon  anfangs,  wie  Tangl  und  Witte  annehmen,  und 
der  Name,    den  die  beiden  bekannten  Ortenburger  aus  dieser 
Zeit    führen,   kommt  bei  jenen   gar  nicht  vor,   weder  damals 
noch  später;  es  ist  aber  eine  dem  Aribonenhause  nicht  fremde 
Bezeichnung,   und  ein  Zweig   dieses   Hauses  ist  es  auch,   mit 
dem    diese   älteren  Ortenburger   gleichzeitig   und  am   gleichen 
Orte    auftreten:   die  Görzer  Grafen.     Ein  Adalbert  von  Orten- 
burg  erscheint  neben  dem  Markgrafen  Dietpold  (von  Vohburg) 
und    ein  paar  anderen  Edlen  als  Zeuge  einer  Urkunde  Kaiser 
Heinrichs  IV.  für  die  Kirche  von  Aquileja,  ^  und  ein  Adalbert 
und  sein  gleichnamiger  Sohn  sind  von  dem  Markgrafen  Ulrich  I. 
von    Istrien   mit   den    Schlössern    Cemogrado    und   Belligrado, 
beide  bei  Rozzo  in  Istrien,  belehnt.*    Tangl   hält  diese  beiden 
Adalberte  für  Grafen  von  Tirol,   vorzügHch  weil  Bellograd  im 
Besitze  der  Gräfin  Adelheid  von  Tirol,  der  Tochter  des  letzten 
Tiroler  Grafen  Alberts  HI.  (IV.)  und  Witwe  Meinhards  IH.  von 
Görz-Tirol,  ist. '    Allein  er  übersieht,  dass  das  nämUche  Schloss 
im   Jahre   1150   nicht,    wie   es    zufolge    seiner    Annahme    sein 
müsste,   in   den   Händen   eines   Grafen   von   Tirol,    sondern   in 
denen  Graf  Engelberts  II.  von  Görz   ist*     Es   kann   also   erst 
später  an   die   Tiroler  Grafen   gekommen   sein,  und   dies  war 
vermuthhch  bei   einer   der  Heiraten   zwischen   beiden  Grafen- 
familien  der  Fall.     Gerade  derselbe   Umstand   ist  mir  jedoch 
zugleich  ein  Beweis  für  die  nahe  Verwandtschaft  der  Adalberte 
mit  den  Görzem  und   das  Erlöschen   ihrer  Familie,   sowie   ein 
weiterer  Anhaltspunkt    für  die  Behauptung,   dass   diese  Adal- 


^  H.  Wartmann,  St  Gallener  Urkundenbuch  3,  38  Nr.  823.     F.  Schumi, 

Urknnden  und  Begesten  1,  67  Nr.  69.    St  2919. 
'  F.  Schumi,  Urkunden  und  Regesten  1,  73  Nr.  67. 

*  K.  Tangl,  Die  Ortenburger  241. 

*  De  Rubeis,  Mon.  eccl.  Aquil.  671.    F.  Schumi,  Urkunden  und  Regesten 
1,  104. 


444 

berte  nicht  die  Vorgänger  der  späteren  Ortenburger  gewesen 
sein  können.  Für  einen  Görzer  müssen  wir  wohl  auch  jenen 
Meginhardos  halten,  den  Markgraf  Ulrich  I.  als  seinen  Vasall 
unmittelbar  vor  den  beiden  Adalberten  nennt^  wie  den  Zeugen 
Heinricus  de  Qorizia.^  Ob  die  älteren  Ortenburger  n-uch  den 
Grafentitel  gefUhrt  haben,  ist  unbekannt,  ihre  adelige  Abkunft 
hingegen  durch  die  Stelle  unter  den  Zeugen  sichergestellt,  und 
jedenfalls  hätte  der  Mangel  des  Titels  nichts  Auffälliges  an  sich, 
da  ihn  in  denselben  Urkunden  die  Görzer  auch  nicht  fiihren. 
Ein  Sprosse  dieser  Familie  dürfte  auch  jener  Graf  Emest  sein, 
der  eine  Uebergabe  zweier  Bauernhöfe  zu  Reischach  durch 
Bischof  Ellenhard  von  Freisingen  an  das  Stift  Brixen  mit  den 
Grafen  Meginhard  und  Ger  bezeugt*  und  um  das  Jahr  1060 
noch  in  einer  zweiten  Urkunde  desselben  Bischofs  als  Zeuge 
neben  einem  Egilpreht,  Hartnit,  Odalschalk,  Marchwart,  Megin- 
hart,  Ger  und  Anderen  bei  einem  Vergleiche  mit  dem  Erz- 
stifte Salzburg  betreffs  Zehents  von  Gütern  zu  Wörthsee,  Katsch, 
St.  Peter  im  Holz  u.  a.  in  Kärnten  und  Steiermark  erscheint. '  Die 
Orte  und  Namen  der  Mitzeugen  erinnern  sehr  an  das  Aribonen- 
haus.  Noch  sicherer  könnte  man  den  eben  genannten  Grafen  Ger 
hieher  rechnen,  der  im  Pusterthale  begütert  ist,  *  wenn  er  nicht 
der  Stammvater  der  Grafen  von  Heunburg  sein  sollte,  wie 
V.  Ankershofen  meint. 

Drängen  also  die  Besitzverhältnisse,  die  Namen  und  Be- 
ziehungen der  beiden  eben  behandelten  Familien,  der  Familie 
Bischof  Altmanns  oder  Udalschalke  so  gut  wie  jener  der  Adal- 
berte  oder  Ortenburger,  zur  Annahme  naher  Verwandtschaft 
mit  den  Grafen  von  Görz,  so  bleibt  doch  hiebei  ein  wichtiger 
Punkt  dunkel,  nämlich  warum  nach  dem  Erlöschen  jener  nicht 
diese  deren  Erben  geworden.  Die  Ortenburger  müssen,  wenn 
meine  Annahme  richtig  ist,  um  dieselbe  Zeit  wie  die  Familie 
Altmanns  ausgestorben  sein,  jedenfalls  vor  der  Mitte  des 
12.  Jahrhunderts.  Da  hätte  man  erwarten  sollen,  dass  die 
Görzer  in  ihren  Grafschaften  und  in  ihren  sonstigen  Lehen, 
Eigengütem   und  Vogteien  ihnen   nachgefolgt.     Kann  dies  be- 

^  F.  Schami,  Urkunden  and  Regesten  1,  73.  76. 

«  J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Anrtr.  Fris.  in  Font  rer.  Außtr.  Dipl.  Sl,  85.   F.  A.  Sin- 
nacher,  Beiträge  2, 436  ff.  676  Nr.  96.  ReschjAetasmillen.  eccl.  Intic,  S.  97. 
»  J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Austr.  Fris.  in  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  81,  81. 
*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  241. 


445 

züglich  der  AUodien,  vielleicht  auch  einzelner  Vogteien  und 
Lehen  der  Fall  gewesen  sein^  so  fielen  die  Qrafenlehen  ent- 
schieden nicht  ihnen  zu,  denn  in  deren  Besitz  treffen  wir  in 
der  zweiten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  eben  einen  Zweig  der 
Spanheimer,  ja  selbst  des  Schlosses  Ortenburg.  Diese  befremd- 
liche Erscheinung  lässt  sich  nur  aus  den  poUtischen  Ereignissen 
der  Zeit  erklären.  Die  ersten  Spanheimer  sind  bekanntUch 
entscliiedene  Anhänger  der  päpstUchen  Partei  und  also  der 
Gegenkönige  Kaiser  Heinrichs  IV.,  namenthch  seines  Sohnes 
und  Nachfolgers  Heinrich  V.,  und  diesem  verdanken  sie  die 
Erhebung  auf  den  Herzogsstuhl  von  Kärnten,  ihm  oder  seinem 
Nachfolger  vielleicht  auch  die  Belehnung  mit  den  Lehen  der 
äheren  Ortenburger.  ^ 

Dass  die  Grafen  von  G^rz  AbkömmUnge  des  Grafen  Otwin 
und  der  frommen  Wichbui^  sind,  gilt  schon  lange  für  ausge- 
macht. Schon  Coronini  vertrat  diese  Ansicht,*  und  sie  erfuhr 
seitdem  keinen  ernsten  Widerspruch.  In  der  That  sprechen  die 
Besitzverhältnisse,  die  PoUtik  und  die  Namen  der  Görzer  Grafen 
sehr  für  dieselbe.  Ihr  Hauptbesitz  und  wohl  erster  zugleich  ist 
eine  Grafschaft  im  westlichen  Lurngaue  im  heutigen  Ober- 
pusterthale,  zugleich  sind  sie  Vögte  des  von  dem  Aribonen 
Aribo  n.  gegrtlndeten  Klosters  Milstatt  und  haben  in  dessen 
Umgebung  viele  Güter.  Ihre  PoUtik,  namentlich  seit  dem 
13.  Jahrhundert,  ist  auf  den  Erwerb  von  Gebieten  in  Tirol  ge- 
richtet, wo  ja  Graf  Otwin  das  Pusterthal  und  sein  Sohn  Engel- 
bert auch  noch  die  Grafschaft  des  Eisackthales  innehatten. 
Doch  filiher  gelingt  es  ihnen,  jenen  Grafschaftsbezirk  in  ihre 
Gewalt  zu  bringen,  der  ihrer  Familie  den  Namen  gegeben  hat, 
die  villa  Gonza  und  das  um  sie  gelegene  Land  am  unteren 
Isonzo.  Dieser  Ort  erscheint  noch  im  Zeiträume  von  1070  bis 
1080  als  ein  Bestandtheil  des  comitatus  Foriulanensis  und  zu- 
gleich des  Königreiches  Italien,'  und  vor  dem  Jahre  1077,  wo 
Kaiser  Heinrich  IV.  dem  Patriarchen  Sigehard  von  Aquileja 
die  Grafschaft  Friaul  und  die  villa  Lunzaniga  (Luöenik  zwischen 
Cormons  und  Görz)  schenkte,*  gab   es   sicherlich  keine  Graf- 


^  S.  Riezier,  Geschichte   Baierns   1,  550.     Vergl.  F.  M.  Mayer,  Die  östl. 
Alpenlftnder  im  Investiturstreite  170  ff. 

*  Gr.  Coronini,  Tentamen  geneal.  63  ff. 

'  O.  Redlich,  Die  Traditionsbticher,  Nr.  240. 

*  F.  Schumi,  Urkunden  und  Begesten  1,  61  Nr.  51. 


446 

Schaft  Görz.^  Diese  kann  schon  ihrer  geringen  Ausdehnung 
nach*  keine  alte  Grafschaft  sein,  sondern  ist  nur  eine  Theil- 
grafschaft.  Daher  kann  auch  der  Titel  eines  Grafen  von  Görz 
kaum  vor  dem  genannten  Jahre  bestanden  haben,  denn  es  ist 
nicht  anzunehmen,  dass  die  reichen  Eppensteiner  von  dem  Orte 
Goriza  sich  so  genannt  haben  sollten.  Sie  beduriten  es  begreif- 
Ucherweise  umsoweniger,  als  sie  Markgrafen  von  Krain  und 
Istrien  und  selbst  Herzoge  von  Kärnten  wurden.'  Aber  kaum 
zu  bezweifeln  ist  es,  dass  Marquard  und  Heinrich  von  Eppen- 
stein  die  ersten  Grrafen  von  Görz  gewesen  sind,  wenn  sie  auch 
diesen  Titel  nie  gefuhrt  haben  sollten.  Doch  gewiss  hatten  sie 
so  wenig  wie  ihre  Nachfolger  die  Grafschaft  vom  Reiche  zu 
Lehen,  sie  waren  vielmehr  damit  vom  Patriarchen  von  Aquileja 
belehnt,  der  wie  andere  Kii'chenfürsten  die  Grafschaft  Friaul 
in  Theilgrafschaften  getheilt  und  diese  einzeln  vergeben  haben 
mag.  So  erklärt  sich  auch  die  Entstehung  des  Namens  Graf- 
schaft Görz  ganz  einfach.  Warum  die  neuen  Inhaber  derselben 
von  ihr  den  Namen  angenommen,  ist  schwer  zu  ermitteln, 
jedenfalls  verstattet  dieser  Umstand  den  Schluss,  dass  ihnen 
der  neue  Erwerb  sehr  werthvoll  gewesen.  Meine  Vermuthung 
geht  dahin,  dass  zuerst  ein  jüngeres  Mitglied  der  Grafen  des 
westlichen  Lurngaues  in  den  Besitz  der  neuen  Grafschaft  ge- 
kommen und  davon  sich  benannt,  dann  aber  auch  die  Graf- 
schaft in  jener  Gegend  geerbt  und  den  einmal  angenommenen 
Namen  nun  beibehalten  habe.  Solche  Fälle  sind  nicht  gar 
selten,  den  nächstliegenden  bieten  gerade  die  Grafen  von  Orten- 
burg  aus  dem  Geschlechte  der  Spanheimer,  die  ja,  wie  wir 
sehen  werden,  diesen  Namen  auch  in  Baiem  beij)ehielten.  Die 
Grafen  von  Görz  haben  diesen  Namen  bekanntlich  auch  nicht 
abgelegt,  als  sie  den  Titel  Pfalzgrafen  von  Kärnten  annahmen* 
und  ihre  Besitzungen  in  Kärnten  und  Tirol  weit  bedeutender 
wurden,  denn  ihre  Machtstellung  im  Küstenlande;  nur  ver- 
legten sie  nun  ihren  Hauptsitz  nach  Lienz,  also  wieder  nach 
jenem  Punkte,   von  dem  sie  ausgegangen  waren.     Bei   diesem 


^  y.  Czoemig,    Das  Land  Görz  489.    Seine  Ansicht  scheint  mir  unhaltbar; 
sie  beruht  auch  nur  auf  sehr  unsicherem  Materiale. 

*  G.  V.  Coronini,  Tentameu  geneal.  16  f. 

'  U.  Wahnschafife,  Das  Herzogthum  Kärnten  64  ff. 

*  G.  V.  Coronini,  Tentamen  geneal.  63.    v.  Czoemig,  Das  Land  GOrz  499. 


447 

Wechsel  mögen  alte  Erinnerungen  mitgewirkt  haben,  vielleicht 
aach  bei  der  Annahme  des  Pfalzgrafentitels. 

Als  Ahnen  der  Grafen  von  Görz,   die   diesen  Zweig   des 
Gescblechtes  Otwins   begründet  haben,   können  mit  ziemlicher 
Sicherheit   der   obenerwähnte   Graf  Meginhart  und   seine   Ge- 
mahlin Mathilde  gelten,  die  gleichzeitig  mit  Graf  Engelbert  au^ 
treten,^  als  deren  Sohn  oder  NeflFen  ein  im  letzten  Viertel  des 
11.   Jahrhunderts    lebender   Graf  gleichen    Namens.*     Diesen 
möchte   ich   für  identisch  mit  dem  oberwähntien  Lehensmanne 
des  Markgrafen  Ulrich  11.  (1102)  und  fUr  einen  Bruder  des  in 
derselben  Urkunde   auftretenden  Zeugen  Heinricus   de  Gorizia 
halten  und  in  Letzterem  den  ersten  Grafen  von  Görz   sehen.' 
Seine  Söhne  waren  wohl  dann  die  Brüder  Engelbert  und  Mein- 
hart, ^  von  denen  der  Letztere  im  Jahre  1122  zum  ersten  Male 
mit  dem  Grafentitel  genannt*  und  im  Jahre  1136  als  Vogt  von 
Aqoileja    bezeichnet    wird.     Nachfolger    der  Eppensteiner    im 
Besitze  der  Grafschaft  Görz  wurde  er  jedoch  sehr  wahrschein- 
lich schon  sogleich  nach  der  Erhebung  des  Heinrich  von  Eppen- 
stein,  Markgrafen  von  Istrien,  auf  den  Herzogstuhl  von  Kärnten 
im  Jahre  1090,^  und  dass  er  und  seine  Nachkommen  die  Graf- 
schaft Görz  vom  Patriarchen  zu  Lehen  trugen  und  auch  noch 
andere  Lehen  von  diesem,   insbesondere   auch   die  Stiftsvogtei, 
hatten,  ergibt  sich  nach  meinem  Dafürhalten  ganz  unzweifelhaft 
aas   den  Verträgen   der  Jahre  1150  und   1202   zwischen   dem 
Patriarchen  und  ihren  Vögten.     Nach   dem  ersteren  war  Graf 
Engelbert  II.,  Meinhards  I.  Sohn,  unzweifelhaft  vom  Patriarchen 
Pilgrim  I.  mit  der  Vogtei  über  des  Stiftes  Güter  in  Friaul   be- 
lehnt,  und   da   er   für  den  Fall  seines  kinderlosen  Absterbens 


*  O.  BedUch,  Die  Traditionsbilcher,  Nr.  72.  90.  91.  J.  Zahn,  Cod.  dipl. 
Aastr.  Fris.  in  Font.  rer.  Anstr.  Dipl.  31,  82.  86.  A.  Eichhorn,  Beyträge 
zur  Topographie  Oberösterr.  1,  178. 

«  O.  RedUch,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  228.  292. 

'  J.  Schumi,  Urkunden  und  Eegesten  1,  7ö.  Der  in  den  Jahren  1066  bis 
1080  auftretende,  in  Kärnten  und  Friaul  begüterte  quidam  Henricus  no- 
bilissima  prosapie  ortus  ist  nicht  ein  Görzer,  wie  O.  Redlich  meint 
(Nr.  228.  240  a),  sondern  sicherlich  Heinrich  von  Eppenstein,  Bruder  des 
Herzogs  Liupold  von  Kärnten,  nachmals  Markgraf  von  Istrien.  (VergL 
T.  Czoemig,  Das  Land  Görz  494). 

*  J.  Schumi,  Urkunden  und  Regesten  1,  80. 
'  De  Rubeis,  Mon.  eccl.  Aquil.  559. 

*  ▼.  Czoemig,  Das  Land  Görz  490. 


448 

dem  Stifte  die  Orte  (Schlösser")  Belgradum^  Prissinicum  (Bris^iki 
Bezirk  Sezana)  und  Goritia  sammt  Zugehör  zu  überlassen  ver- 
sprechen muss,  so  kann  doch  letzteres  nur  sein  Eigenthum 
oder  ein  aquilejisches  Lehen  sein,  denn  ein  reichsunmittelbares 
Gebiet  konnte  er  ohne  Zustimmung  des  Reichsoberhauptes  doch 
unmöglich  vergeben.  Und  wohl  nur  als  seinen  Vasallen  konnte 
ihn  der  Patriarch  vor  sein  Lehengericht  citieren.^  Noch  viel 
deutlicher  lässt  das  Verhältniss  beider  Fürsten  die  zweite  Ur- 
kunde, der  Vertrag  vom  13.  December  1202,  erkennen.  Die 
entscheidende  Stelle  derselben  lautet:  ,Comites  quidem  de  Go- 
ritia  debent  habere  castrum  de  Goritia  cum  omni  proprie- 
täte,  servis  et  ancillis  et  omni  iure  ad  ipsum  pertinente,  mini- 
sterialibus  exceptis,  et  castrum  de  Mosburg  cum  omni  iure 
et  Proprietät e,  servis  et  ancillis,  ab  ecclesia  Aquilegiensi  in 
feudum,  ita  quod  tam  masculi  quam  feminae  in  idem  equaliter 
succedant.  Et  si  ipsi  aut  eorum  heredes  aUquo  tempore  sine 
berede  decederent,  praedictum  castrum  de  Goritia  cum  omni 
jure  et  proprietate  hominum  in  possessionem,  exceptis  ministe- 
rialibus,  et  castrum  de  Mospurg  cum  ministerialibus  et  omni 
familia  ac  proprietate  pertinente  ad  ipsum  libere  et  integre  ad 
Aquilegensem  devolvi  debet  ecclesiam/  Es  steht  nach  meinem 
Erachten  ausser  Frage,  dass  man  den  Ausdruck  ,in  feudum^ 
auf  beide  Schlösser  zu  beziehen  habe,  auf  Goritia  so  gut  wie 
auf  Mospurg,  denn  ,in  feudum  habere'  ist  eine  häufige  Phrase, 
bei  welcher  der  Plural  ,feuda'  öfters  nicht  vorkommt,  auch  wenn 
es  sich  um  mehrere  Lehen  handelt;  der  Ausdruck  ,cum  pro- 
prietate' betrifft  nicht  den  ganzen  Besitz,  sondern  nur  einen 
Theil  und  steht  bei  Mospurg  ebenso  wie  bei  Goritia,  und 
ersteres  ist  ganz  sicher  ein  Lehen.  Der  Vertrag  verlangt  aUer- 
dings  seiner  Entstehung  nach  eine  den  Görzer  Grafen  günstige 
Auslegung,  aber  es  war  doch  gewiss  eine  bedeutende  Begün- 
stigung für  sie,  wenn  der  Patriarch  ihnen  die  Erblichkeit  der 
Lehen  für  beiderlei  Geschlecht  gewährte;  die  weibliche  Folge 
in  den  Lehen  war  doch  auch  in  diesen  südlichen  Gegenden 
damals  nicht  allgemein  durchgedrungen.*  Den  Ausdruck  ,in 
feudum'  hat  wohl  der  Bezug  auf  die  genannte  Phrase  statt  des 
genaueren   ,in   eadem  feuda'   veranlasst.     Das  Verhältniss   der 


^  De  Rubeis,  Mon.  eccl.  Aquil.  571  f. 

»  Ibid.  644  f.     Vergl.  v.  Czoernig,  Das  Land  Görz  öOo  f.  u.  Anm.  3. 


449 

Grafen  von  Görz  znm  Stifte  Aquileja  ist  offenbar  das  näm- 
liche^ wie  das  der  Grafen  von  Tirol  in  jener  Zeit  zum  Stifte 
Trient.  Scheint  mir  darüber  kein  ernster  Zweifel  möglich,  so 
bleiben  wir  dagegen  über  die  Gründe  des  Ueberganges  der 
Gtrafschaft  Görz  von  den  Eppensteinem  auf  die  Görzer  ganz 
im  Dunkel,  und  es  lässt  sich  nur  vermuthen,  dass  jene  zu 
Ghinsten  dieser  verzichtet  haben  könnten,  weil  sie  vielleicht  in 
weiblicher  Linie  verwandt  waren.  Diese  Annahme  erklärte 
auch  am  einfachsten  den  Besitz  einzelner  Burgen  und  Güter  in 
Friaul  durch  beide  Familien,  fllr  den  manche  Anhaltspunkte 
voriianden  sind,  wie  der  Güter  zu  Belgrado(?),  Codroipo,  Castel- 
Duovo  und  Latisana.^  Dass  um  1138  Görz  wie  Moosburg  in 
Kärnten  als  Aquilejer  Lehen  in  einem  Vergleiche  zwischen  Graf 
Meinhard  von  Görz  und  dem  Patriarchen  Peregrin  von  Aquileja 
ausdrücklich  anerkannt  werden,  mag  noch  erwähnt  sein,*  wie 
andererseits  der  Verzicht  der  Grafen  Meinhard  und  Heinrich, 
Vaters  und  Sohnes,  auf  die  Vogtei  über  Güter  des  Klosters 
St  Stephan  in  Görz,  in  Predemano,  Terenzano  und  Camia,  wo- 
f^  sie  24  bisher  daselbst  als  Lehen  besessene  Hüben,  nebst 
dem  Marktzolle  zu  S.  Daniele,  zu  Eigen  erhielten.*  Die  ersten 
Grafen  von  Görz  müssen  aber  südwärts  der  Alpen,  in  Friaul, 
Erain  und  dem  Küstenlande  noch  bedeutenderen  Besitz  erlangt 
haben,  darauf  lässt  die  Erwerbung  der  Vogteien  über  Be- 
aitzungen  des  Bischofs  von  Belluno  und  über  die  Abtei  von 
Moggio,*  die  Abtretung  von  30  Mausen  im  Karstgebiete  an 
den  Patriarchen  Pilgrim  I.  durch  Graf  Engelbert  H.  im  Jahre 
1150  zum  Ersätze  zugefügten  Schadens^  und  die  Erwähnung 
eines  ,Meinhard  Graf  von  Istrien*,  unter  dem  wohl  kein  Anderer 
ab  ein  Graf  von  Görz  (Bruder  oder  Sohn  Engelberts  H.)  ge- 
dacht werden  kann,^  mit  ziemlicher  Sicherheit  schliessen.  Er- 
heblich vergrössert  mag  dieser  Besitz  durch  die  Vermählung 
des  Grafen  Engelbert  HI.,   des  Sohnes  Engelberts  H.,   mit  der 


^  ▼.  Czoernig,  Das  Land  G0rz  492. 

'  ▼.  Ankershofen,  Urkunden  und  Regesten,  Nr.  241  (Archiv  5,  217). 

*  De  Bubeis,  Mon.  eccl.  Aqnil.  667. 

*  y.  Cxoemig,  Das  Land  Gön  499. 
^  De  Rabeis,  Mon.  eccl.  Aqnil.  571. 

*  Ughelli,  Ital.  sacr.  5,  64.  De  Rnbeis,  Mon.  eccl.  Aqnil.  675.  t.  Hor- 
mayr,  Bejträge  Ib,  103  (echt?).  Neustifter  Archiv  VVj.  Th.  Mairhofer, 
Urkundenbuch  37. 

ArckiT.  LUXIlLBd.    II.  H&lfte.  30 


450 

Tochter  Bertholds  III.  von  Andechs^  Markgrafen  von  Istrieu 
seit  1173,*  Mathilde  Gräfin  von  Pisino,  worden  sein,  schon 
ihre  Bezeichnung  weist  darauf  hin,  und  in  der  That  sind  die 
Grafen  von  Görz  im  13.  Jahrhundert  in  Istrien  stark  begütert. 
Doch  dürfte  der  grössere  Theil  der  neuen  Erwerbungen  da- 
selbst erst  nach  dem  Erlöschen  des  Hauses  der  Andechser  im 
Jahre  1248,  wenn  nicht  schon  nach  der  Aechtung  des  Mark- 
grafen Heinrich  IV.,  erfolgt  sein.*  Jedenfalls  wurde  aber  die 
Machtstellung  der  Görzer  im  13.  Jahrhundert  nördlich  von  den 
Südalpen  und  in  denselben  bedeutender  als  hier,  und  daher 
sehen  wir  sie  auch  nun  wieder  häufiger  dort  sich  aufhalten 
und  seit  der  Mitte  dieses  Jahrhunderts  die  Residenz  wieder 
dahin  verlegen. 

Im  Lumgaue  muss  um  die  Wende  des  11.  und  12.  Jahr- 
hunderts zunächst  ein  Rückgang  der  Macht  der  Görzer  einge- 
treten sein,  denn  ausser  dem  herzoglichen  Geschlechte  der 
Eppensteiner  sehen  wir  hier  noch  die  Grafen  von  Lechsge- 
münde  und  Frantenhausen  begütert  Heinrich  Gi'af  von  Lechs- 
gemünde  gibt  an  Bischof  Hugo  (1100 — 1110)  von  Brixen  das 
Schloss  Neuenburg  bei  Leisach,'  Chunrad  Graf  von  Lechsge- 
münde  an  Neustift  eine  Hube  in  Tefereggen  (1160),*  Graf 
Dietpold  von  Lechsgemünd  mit  seinem  Bruder  Heinrich  und 
seiner  Mutter  Liucarde  schenken  Güter  ebenda  an  dasselbe 
Kloster,*  Heinrich  allein  einen  Mansus,*  Heinrich  Graf  von 
Frantenhausen  eine  halbe  Hube  zu  Amblach.'^  Um  dieselbe 
Zeit  erscheinen  die  Grafen  von  Lechsgemünde  im  Besitze  der 
Schlösser  Windisch-Matrei  und  Lengbei^,  und  ein  Zweig  des 
Geschlechtes  hat  sich  hier  und  in  dem  benachbarten  Baiem 
und  Salzburg  vorzüglich  aufgehalten;  der  Titel  eines  Grafen 
von  Windisch-Matrei  ist  aber  erst  fiir  das  Jahr  1197  nachweis- 
bar.* Was  jedoch  im  Iselthale  die  Grafen  von  Görz  im  12.  Jahr- 
hunderte verloren,   das   ersetzten  sie  jedenfalls  reichlich    schon 


*  F.  E.  Oefele,  Geschichte  der  GrafeD  Ton  ÄDdechs  29  Nr.  36. 
«  Ibid.  96  ff. 

»  O.  Redlich,  Die  Tniditionsbücher,  Nr.  414. 

*  Th.  Mairhofer,  Urkundenbnch,  S,  27  Nr.  7ö. 
»  Ibid.  S.  34  Nr.  101,  S.  36  Nr.  108. 

*  Ibid.  S.  35  Nr.  106. 

*  V.  HonnAyr,  BeytrS^  1  b,  70. 

*  F.  A.  Sinnacher,  Beiträge  3,  632.  667. 


451 

damals   oder  im   13.  Jahrhundert   durch   neuen   Erwerb    oder 
Wiedererwerb  des  Verlorenen.     Um  das  Jahr  1137  wird  Graf 
Engelbert  II.  Vogt   der  Abtei  Milstatt  genannt,   und   ist  somit 
schon  die  Schutzherrlichkeit  über  diese  Stiftung  der  Aribonen 
an  sein  Haus  gekommen;^  um  1138  hat  Graf  Meinhard  I.  Moos- 
burg bei   St.  Veit  von  Aquileja   zu  Lehen*   und  führt    zuerst 
den    Titel  eines  Pfalzgrafen   von  Kärnten. '     Dass    die   Feste 
Moosburg  zur  Pfalzgrafschaft  Kärnten  gehöre,  sagt  Johann  von 
Victring,  ein  Schriftsteller  des  14.  Jahrhunderts,  ausdrücklich.* 
Freilich   ist   schwer   begreiflich,   wie  dann  dieselbe  ein  Lehen 
eines  ausserhalb   des  Landes   residirenden  Kirchenfttrsten   hat 
werden  können,  und  jedenfalls  waren  die  Görzer  und  Patriarchen 
hier  nicht  im  ausschUesslichen  Besitze,  wie  man  erwarten  sollte.^ 
Die  Görzer   hatten   überdies   nachweisbar  Güter   oder  Ministe- 
rialen zu  Liesing,^  zu  Namplach  und  Sagriz  bei  Winklem'  in 
Oberkämten,  zu  Eberstein  nordöstlich  von  Klagenfurt,®  und  zu 
ihren   Dienstleuten   zählten   sicher   schon    damals,    ausser    den 
Herren  von  Moosburg  und  Eberstein  und  den  Burggrafen  von 
Lienz,   noch   die   von  Nidekke,   von   Flaschberg  und  Falken- 
stein,* wahrscheinlich   auch  die  von  Rotenstein,    Schärfenberg, 
Spengenberg    und    Gesiess.  ^^    Neudeck    liegt   nordöstlich    von 
Friesach,  Flaschberg  bei  Oberdrauburg,  Falkenstein  und  Roten- 
stein  bei  Feldkirchen   in  Kärnten  und  Gesiess  im  Pusterthale, 
Spengenberg  ist  mir  unbekannt.     Der  Friede   von   S.  Quirino 
stärkte  insofeme  die  Stellung  der  Görzer  in  Kärnten,   als   nun 
das  Schloss  Moosburg,  das  im  Vertrage  vom  Jahre  1150   blos 
auf  Lebenszeit  an   Engelbert  II.   überlassen   worden  war,   als 
aquilejisches  Lehen   ftlr  immer   den  Görzern   verblieb.  ^^    Wie 
bedeutend    die  Machtstellung  unserer  Grafen   bis  zum  zweiten 


V.  Ankerebofen,  Urkunden  und  Kegesten,  Nr.  236  (Archiv  6,  215). 

Ibid.  Nr.  241  (Archiv  5,  217). 

V.  Czoemig,  Das  Land  Görz  499. 

F.  Boehmer,  Fontes  1,  321. 

J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  150  Nr.  143. 

Ibid.  1,  316  Nr.  322. 

J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  335  Nr.  347.  1,  860. 

V.  Ankerehofen,  Urkunden  und  Regesten,  Nr.  385  (Archiv  8,  337) 

J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  360.  402. 

A  Meiller,  Salzburger  Regesten  255  Nr.  386. 

De  Rubeis,  Mon.  eccl.  Aquil.  644. 

30* 


452 

Drittel  des  13.  Jahrhunderts  in  Oberkärnten  geworden  war, 
bezeugt  deutlich  der  Vertrag,  den  im  Jahre  1234  Patriarch 
Berthold  von  Aquileja  mit  dem  Grafen  Meinhard  HI.;  seinem 
Neffen,  schloss,  da  ihm  darin  der  Patriarch  das  Geleitsrecht 
fUr  alle  über  den  Kreuzberg  Reisenden  zugestehen  und  ihm 
das  Geleitsgeld  aller  Reisenden  aus  Baiem  und  über  den 
Tauem  ganz,  von  den  Reisenden  aus  Oesterreich,  Steiermark 
und  E^ämten  aber  ein  Drittel  überlassen  muss.^  Zum  Haupt- 
sitze ihrer  Macht  wurden  die  Besitzungen  und  Rechte  der 
Görzer  im  alten  Lumgaue  aber  erst  wieder,  als  ihre  wieder- 
holten Eheverbindungen  mit  den  Grafen  von  Tirol  sie  zu  Erben 
eines  grossen  Theiles  des  Nachlasses  des  letzten  Grafen  von 
Tirol,  Alberts  HI.  (IV.),  machten. 

Das  Dunkel,  das  über  dem  Ursprünge  der  Grafen  von 
Tirol  lagert,  ist  sehr  schwer  zu  lichten,  und  darum  weichen 
auch  hierüber  die  Ansichten  der  Genealogen  und  Historiker 
stark  von  einander  ab.  Wagen  die  vorsichtigeren  älteren  Forscher 
über  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  nicht  viel  zurückzugehen, 
wie  Fröhlich  und  Gebhardi,  so  leitet  v.  Hormayr  sie  ohne  Be- 
denken von  jenem  Grafen  Hunfried  ab,  der  als  Nachfolger  der 
Praesides  Rhaetiae  auftritt,  *  und  Graf  Coronini  macht  wenigstens 
einen  schüchternen  Versuch,  sie  mit  den  Grafen  von  Görz  in 
nahen  Zusammenhang  zu  bringen.'  Eine  ganz  andere  Ansicht 
vertritt  J.  Ladurner,  der  in  ihnen  ein  erst  im  Anfange  des 
12.  Jahrhunderts  in  den  Grafenstand  eingetretenes  Geschlecht 
sehen  will,*  und  seine  Annahme  hat  A.  Huber  für  beachtens- 
werth  gehalten.*  Allein  damit  finde  ich  den  Umstand  schwer 
vereinbar,  dass  die  Grafen  von  Tirol  schon  bei  ihrem  ersten 
Auftreten  in  Tirol  sehr  bedeutend  und  mächtig  erscheinen. 
Für  den  ersten  derselben  darf  wohl  mit  ziemlicher  Sicherheit 
jener  Graf  Adalbert  gelten,  der  in  den  Jahren  1070 — 1080  in 
der  Brixner  Gegend  auftritt;  denn  nicht  allein  sein  Name,  auch 
andere  Momente  weisen  auf  dies  Geschlecht  hin,  wie  sein 
Grafschaftsbezirk,   seine   Besitzverhältnisse,   seine   Beziehungen 


^  J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  2,  419  Nr.  317. 

*  V.  Hormayr,  Sämmtliche  Werke  1,  318.  341. 
'  Gr.  Coronini,  Tentamen  geneal.  145  f. 

*  J.  Ladurner,  Etwas  über  die  ursprünglichen  Grafen  von  Tirol  im  Archir 
für  Geschichte  Tirols  4,  187  ff. 

^  A.  Huber,  Die  Entstehung  der  weltlichen  Territorien,  S.  31. 


453 

zam  Stifte  Brixen.   Der  geringe  yon  ihm  bekannte  Besitz  liegt 
gerade  da,  wo  später  auch  die  Grafen  von  Tirol  begütert  sind. 
Sein  Grafschaftsbezirk  war  sehr  ausgedehnt  und  umfasste   das 
ganze    Eisackthal   bis    zum    Tinne-    und    Breibache    und    das 
mittlere  Innthal  von  der  Mellach  bis  zum  Ziller,  denn  in  seiner 
Grafschaft  liegen  die   Orte  Eolsass   und  Terfens  im  Innthale 
wie    Stilfes   im  Wippthale;*   er  waltete   seines  Amtes   als  Graf 
bei    einem  Tausche   von  Gütern   auf  dem   Rodenecker  Berge* 
und  bei  Schenkungen  von  Unfreien '  und  Gütern  zu  Mauls  und 
Viln58S^  und  schenkt  selbst  einen  Unfreien  und  Gut  an  Brixen.^ 
Das8  bei  all'  diesen  Stellen  an  einen  und   denselben  Mann  zu 
denken  sei,  wie  O.  Redlich  in  seinem  Register^  annimmt,  oder 
wenigstens  an  Vater   und   Sohn    desselben    Namens,    ist   wohl 
nicht  zu   bezweifeln;    man   könnte   allenfalls    nur    gegen    zwei 
Stellen    Bedenken    hegen,    von    denen    die    eine   Adalbert   als 
,Brixinensi8   ecclesie   comes   quidam   nobiUtatem   sortitus',^    die 
andere  seine  Witwe  als  ,vidua  quaedam  nobiUtaten  sortita  Adal- 
heit**   bezeichnet.     Allein   der  Ausdruck   ,nobilitatem  sortitus' 
(oder  ,8ortita')  findet  sich,  wie  der  ähnliche  ,Ubertatem  sortitus', 
in  den  Brixner  Traditionen  ziemlich  häufig^  und  ist,  wie  schon 
die  Beifligung  ,ingenitam^  deutUch  zeigt,   einfach  identisch  mit 
den  sonst  gewöhnlich  vorkommenden  Beiwörtern   ,nobilis'   und 
,ingenuus^   Dass  bei  den  späteren  Stellen  nicht  an  einen  Edel- 
mann oder  gar  Ministerialen,  der  erst  Graf  geworden,  zu  denken 
sei,  ergibt  noch   in   einer  derselben   sein  Platz   an   der  Spitze 
zweier  Grafen  und  Grafensöhne,  ^^  denn  die  da  dem  Adalpreht 
comes  unmittelbar  folgenden  Zeugen  Otto  eiusque  filii  Chf  nrath  et 
Gebeharth  sind  doch  wohl  nach  der  gewöhnlichen  Rangordnung, 
da   ihnen   Ödalrich    comes  folgt,  filr  Angehörige  eines  Grafen- 
geschlechtes anzusehen  und  wahrscheinlich  Grafen  von  Valai, 


O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  278.  336.  393  a.  400. 

Ibid.  Nr.  482. 

Ibid.  Nr.  280.  843. 

Ibid.  Nr.  242.  264.  273. 

Ibid.  Nr.  273.  424. 

Ibid.  S.  273:  Adalpreht  comes. 

Ibid.  Nr.  424. 

Ibid.  Nr.  440. 

Ibid.  Nr.  277.  287. 

Ibid.  Nr.  432. 


454 

der  ihnen  nachgesetzte  Odalrich  comes  ein  Graf  von  Eppan. 
Wenn  aber  bei  allen  angeflLhrten  Stellen  an  den  nämlichen  Grafen 
Adalbert  oder  an  Adalbert  I.  und  Adalbert  IE.,  Vater  und 
SofaU;  zu  denken  ist,  dann  haben  diese  das  ganze  grosse  Gebiet^ 
das  einst  Kaiser  Konrad  11.  der  Kirche  Brixen  geschenkt  hatte^ 
zu  verwalten  und  somit  ihr  Grafschaftsbezirk  einen  Umfang, 
in  dem  mehrere  gewöhnliche  Grafschaften  jener  Zeit,  wie  z.  B. 
bairische,  leicht  Platz  geftmden  hätten.  Noch  viel  bedeutender 
müsste  das  erste  Auftreten  der  Familie  erscheinen,  wenn  man 
zu  ihr  auch  den  gleichzeitigen  Grafen  des  Vintschgaues,  Ge- 
rung,^  rechnen  dürfte,  wie  Sinnacher,*  welcher  ihn  flir  identisch 
mit  dem  ein  paarmal  als  Zeuge  auftretenden  Grafen  Gero  hält 
und  in  ihm  den  Stammvater  der  Grafen  von  Tirol  sieht.  Allein 
einmal  sind  Gerung  und  Gero  (Gerhard)  zwei  verschiedene 
Namen,  und  dann  gibt  es  nicht  eine  Spur  eines  Zusammen- 
hanges zwischen  Adalbert  I.  und  11.  imd  Gerung,  ausser  dass 
der  Ersteren  Nachkommen  im  Besitze  der  Grafschaft  Vintsch- 
gau  erscheinen. 

Graf  Adalbert  11.  (I.)  hatte  einen  Sohn  gleichen  Namens 
ni.  (n.),  imd  dieser  ist  zweifelsohne  der  nämliche  wie  der 
erstere  der  beiden  Brüder,  die  als  die  ersten  Zeugen  der 
Stiftungsurkunde  des  Stiftes  Neustift  auftreten  und  ihre  Zu- 
stinmiung,  zugleich  mit  dem  Bischöfe  und  Stiftsvogte  Arnold 
von  Greifenstein,  zur  Schenkung  des  Ministerialen  Reginbert 
von  Sähen  geben:  der  comites  de  Tirol  Albertus  et  Perh- 
toldus.*  Die  ausdrückliche  Erwähnung  ihrer  Zustimmung  zur 
Schenkung  des  Bezirkes  von  Neustift  an  das  Kloster  spricht 
ganz  entschieden  daftlr,  dass  sie  hier  gräfliche  Rechte  geübt 
haben  und  also  hierin  die  Nachfolger  ihres  Vaters  geworden 
sind;  in  solcher  Eigenschaft  lassen  sie  auch  noch  ein  paar 
andere  Traditionen  an  das  Stift  Brixen  und  an  das  Kloster 
Neustift  erscheinen.  *  Doch  eben  der  Umstand,  dass  sie  in  dem 
langen  Zeiträume  von  fast  vierzig  Jahren  nur  so  selten  auf- 
treten, drängt  andererseits  wieder  zum  Schlüsse,  sie  seien  ihrem 


*  Mon.  Boic.  29  a,  199.  201.    St.  2804.  2810. 
>  F.  A.  Sinnacher,  BeytrSge  2,  438. 

«  Th.  Mairhofer,  N.  Urkundenbuch,  S.  2. 

*  O.  RedHch,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  454.  468.  496.  512.  Th.  Mairhofer, 
N.  Urkundenbuch,  S.  10  Nr.  19,  S.  14  Nr.  36.  A.  Huber,  Die  Ent- 
stehung etc.  32. 


455 

Vater  nicht  in  dem  ganzen  grossen  Grafschaftsbezirke  gefolgt, 
sondern  dieser  sei  schon  damals  in  zwei  oder  mehrere  Theile 
getheilt  worden  und  jener  Zustand  eingetreten,  der  sich  etwas 
später  sicher  erkennen  lässt.  Jedenfalls  ist  ihre  Stellung  an 
der  Etsch  schon  vom  Anfange  an  wichtiger  gewesen  als  die 
am  Eisack  und  Inn.  Darauf  weist  unverkennbar  der  Name 
,Grafen  von  TiroP  hin,  der  Berthold  bei  seiner  ersten  Er- 
wähnung im  Jahre  1141  gegeben  wird.*  Wie  und  wann  das 
Geschlecht  in  den  Besitz  des  Schlosses  Tirol  gekommen,  wie 
und  wann  es  die  Grafschaft  Vintschgau  und  einen  Theil  der 
Grafschaft  Bozen  erlangt,  und  wie  und  wann  es  die  Vogtei  des 
Stiftes  Trient  erworben  habe,  darüber  lassen  sich  nur  Ver- 
muthungen  anstellen.  In  der  Grafschaft  Vintschgau  dürfte  es 
wohl  dem  Grafen  Gerung  unmittelbar  gefolgt  sein,  jedenfalls 
waren  die  Grafen  Adalbert  (HI.)  und  Berthold  schon  bei  ihrem 
ersten  Auftreten  in  deren  Besitz.*  Die  Vogtei  über  das  Stift 
Trient  hat  es  sehr  wahrscheinlich  von  dem  Bischöfe  Altmann 
(1124 — 1149)  erhalten,  denn  vor  dem  Jahre  1124  waren  die 
Grafen  von  Tirol  sicher  nicht  Vögte  von  Trient,  da  der  in  den 
Jahren  1101, 1106, 1111, 1112  und  1124  erscheinende  Graf  Adal- 
bert, der  auch  Vogt  von  Trient  genannt  wird,»  nicht  zu  ihrem  Ge- 
schlechte, sondern  zu  dem  der  Grafen  von  Flavon  zu  rechnen 
ist;  aber  bei  seiner  ersten  Erwähnung  in  den  Tridentiner  Urkun- 
den im  Jahre  1144  tritt  Adalbert  (HI.)?  Graf  von  Tirol,  in  einer 
Weise  auf,  dass  er  wohl  schon  die  Würde  eines  Vogtes  be- 
kleidet haben  muss;  er  bezeugt  an  erster  Stelle  zu  Trient  den 
Schiedspruch  des  Bischofs  in  den  Streitigkeiten  zwischen  den 
Syndikem  der  Gemeinden  Riva  und  Arco.*  Nur  in  demselben 
Sinne  kann  man  seine  Zeugschaft  deuten  in  zwei  anderen  Do- 
cumenten  aus  den  Jahren  1161  und  1163,  in  deren  einem 
Bischof  Adalpret  von  Trient  die  Herren  Gumpo  und  Bonin- 
signa  mit  zwei  Bauplätzen  beim  neugebauten  Schlosse  Madruz 
und  mit  der  Hut  dieses  Schlosses  belehnt,^  in  deren  anderem 
jedoch  der  bischöfliche  Lehenhof  bei  einer  Gerichtssitzung  auf 
einer  Wiese   unterhalb  Sigmundskron   drei  Sprüche   fUllt,    wo- 


*  C.  Meichelbeck,  ffistor/Fria.  la,  322;  Ib,  646  Nr.  1317. 

*  Goswin,  S.  89.  67.     Mon.  Boic.  10,  15.  16. 

*  Bonelli,  Notizie,  2,  374.  376.  879.  382. 

*  Ibid.  2,  389. 

»  R.  Kink,  Cod.  Wang.  30.     Bonelli,  Notizie  2,  413. 


456 

durch  Ulrich  von  Campo  mit  seinen  Ansprüchen  auf  das  Lehen 
des  Schlosses  Stenico  abgewiesen  wird.  ^  In  dem  letzteren  steht 
neben  Adalbert  sein  Bruder  Berthold  an  der  Spitze  der  welt- 
lichen Zeugen,  worunter  sich  auch  Graf  Arnold  von  Greifen- 
stein  und  die  Brüder  Eberhard  I.  und  Arpo  Grafen  von  Flavon 
befinden.  Den  Titel  eines  Vogtes  führt  jedoch  Adalbert  bis  zu 
seinem  im  Jahre  1166  erfolgten  Tode*  nie  und  auch  sein  Bruder 
Berthold  erst  gegen  Ende  seines  Lebens,^  das  um  das  Jahr 
1181  eingetreten  ist.*  Als  Brüder  werden  beide  wiederholt  be- 
zeichnet,^ und  sie  scheinen  sich  so  in  die  Verwaltung  ihrer 
Aemter  und  Güter  getheilt  zu  haben,  dass  Adalbert  mehr  den 
Angelegenheiten  des  Stiftes  Trient  und  der  Grafschaft  Vintsch- 
gau.  Berthold  dagegen  mehr  den  anderen  sich  widmete.  ®  Adal- 
bert flihrt  im  letzten  Jahre  seines  Auftretens  (1166)  sogar  den 
Titel  eines  Podestk  von  Trient,''  aber  noch  in  demselben  Jahre 
tritt  Berthold  bei  zwei  wichtigen  Gerichtsverhandlungen  zu 
Bozen  auf,  die  ihn  nicht  allein  als  Nachfolger  seines  Bruders 
im  Vogteiamte  erscheinen  lassen,  sondern  auch  es  wahrschein- 
lich machen,  dass  damals  bereits  die  Grafen  von  Tirol  auch 
einen  Theil  der  Grafschaft  Bozen  in  den  Händen  oder  da 
wenigstens  erheblichen  Besitz  hatten.  Da  spricht  einmal  Bischof 
Albert  von  Trient  (1156 — 1177)  Recht  in  einem  Streite  zwischen 
dem  Grafen  Heinrich  von  Lechsgemünd  und  dem  Kloster  Rot 
um  daselbst  gelegene  Güter  in  Gegenwart  der  Fürsten  Arnold 
von  Mareit  und  Berthold  von  Tirol®  und  dann  (am  3.  De- 
cember)  in  einem  Streite  der  eben  genannten  Grafen  unter 
einander  wegen  Zehente  von  Neugereuten  in  der  Pfarre  Zell 
(Keller  =  Gries  bei  Bozen).*  Sicher  bezeugt  ist  freiUch  der  Be- 
sitz eines  Theiles  der  Grafschaft  Bozen  erst  von  Bertholds 
Nachfolger,   dem   Grafen  Heinrich   von   Tirol.     Als   dieser  mit 


1  R.  Kink,  Cod.  Wang.  35.     Bonelli,  Notizie  2,  422. 

*  Bonelli,  Notizie  2,  438. 
3  Mon.  Boic.  8,  418. 

*  Ibid.  7,  366. 

*  Th.  Mairhofer,  N.  Urkundenbuch  2,  10  Nr.  19.    Goswin  39.  67. 

«  C.  Meichelbeck,  Hiator.  Fris.  la,  322;    Ib,  546  Nr.  1317;  562  Nr.  1348. 

Mon.  Boic.  1,  362;  7,  356.  358.  365;  9,  391.  566;  10,  15.  16.  27. 
^  Bonelli,  Notizie  2,  438. 

*  Ibid.  3  b,  28.     Mon.  Boic.  1,  362. 

*  J.  Zahn,  Cod.  dipl,  Anstr.  Fria.  in  Font  rer.  Austr.  Dipl.  31,  110. 


467 

dem  Bischöfe  Albert  wegen  Erbauung  eines  Schlosses  auf  einem 
Hügel  ober  dem  Dorfe  (villa)  in  der  Pfarre  Terlan  in  Streit 
gerathen  war,  entschied  denselben  Kaiser  Friedrich  I.  (1184) 
durch  den  Schiedspmch :  wo  immer  zwei  Grafen  einen  Graf- 
schaftsbezirk gemeinschaftlich  haben,  kann  der  eine  ohne  des 
andern  Bewilligimg  darin  kein  Schloss  bauen.  ^  Daraus  erhellt 
klar,  dass  der  Bischof  und  Graf  Heinrich  in  den  Besitz  der 
Grafschaft  Bozen  sich  theilten,  und  dass  die  Grafen  von  Eppan 
daraus  bereits  verdrängt  waren.  Ob  bei  diesem  üebergange 
der  Grafschaftsrechte  von  den  Grafen  von  Greifenstein-Mareit 
auf  die  Tiroler  auch  eine  verwandtschaftliche  Verbindung  mit- 
gewirkt und  Graf  Adalbert  (HI.)  eine  Gräfin  Mathilde  von 
Greifenstein  zur  Ehe  gehabt,  wie  Hormayr  annimmt,^  oder 
nicht,  lässt  sich  nicht  sicher  bestimmen;  aber  schwerUch  wäre 
dann  schon  Graf  Berthold  in  den  Besitz  derselben  gekommen, 
da  Graf  Arnold  von  Greifenstein  nicht  um  das  Jahr  1170, 
sondern  wahrscheinlich  erst  um  1180  gestorben  ist.*  Ausser 
Zweifel  steht,  dass  obgenannter  Graf  Heinrich  nicht  ein  Sohn, 
sondern  ein  jüngerer  Bruder  des  Grafen  Berthold  war  und 
diesem  in  den  Grafschaften  folgte,*  und  dass  er  einen  Sohn 
Namens  Albert  IV.  (HL)  hatte,  den  letzten  der  alten  Tiroler 
Grafen.  * 


»  R.  Kink,  Cod.  Wang.,  8.  ö3. 

'  V.  Hormayr,  Sämmtl.  Werke  2,  78. 

*  Mon.  Boic.  8,  428.  433.  435. 

*  Ibid.  7,  366.  866. 

^  J.  Ladurner,  Albert  III.,  S.  13.  —  Da  Adalbert  I.  bereit«  im  Zeiträume 
Ton  1070 — 1080  auftritt,  Adalbert  oder  Albert  (III.),  der  Letzte  seines 
Stammes,  erst  am  22.  .Jnli  des  Jahres  1263  gestorben  ist,  so  reichen  drei 
Generationen,  Adalbert  I.,  Adalbert  II.  und  Adalbert  oder  Albert  III., 
keineswegs  bin,  den  langen  Zeitraum  (1070 — 1253)  auszufüllen,  selbst 
wenn  eine  zweimalige  längere  vormundschaftliche  Zwischenzeit  anzu- 
nehmen ist,  wie  mir  sehr  wahrscheinlich  erscheint:  nach  Adalbert  I.  (II.) 
und  nach  Heinrich.  Man  beseitigte  bisher  diese  Schwierigkeit,  indem 
man  Graf  Heinrich  zu  einem  Sohne  Bertholds  I.  machte  und  ihm  einen 
Bruder  Berthold  H.  gab,  und  reichte  damit  um  so  leichter  aus,  als  man 
den  ersten  Adalbert  nicht  so  früh  anzusetzen  brauchte,  wie  nun,  nach 
O.  Redliches  Traditionsbüchem,  es  sein  muss.  Allein  Heinrich  kann 
doch  nicht  ein  Sohn  Bertholds  I.  gewesen  sein,  denn  er  sagt  in  seiner 
Tradition  an  Wessobrunn  (1181)  ausdrücklich,  dass  er  den  Weinberg  zu 
Riffian  für  sein  und  seines  Bruders  Berthold  Seelenheil  schenke,  und 
Berthold  I.,  der  sein  Vater  sein  soll,  muss  um  eben  diese  Zeit  gestorben 


458 

Wie  die  Grafen  von  Tirol  nach  ihrem  ersten  Auftreten 
nicht  einem  unbedeutenden  Geschlechte  entsprossen  sein  können, 
sondern  einem  alten  berühmten  angehören  müssen,  so  sind  sie 
auch  viel  wahrscheinlicher  für  ein  ausländisches  als  einheimi- 
sches zu  halten.  Dafür  lässt  sich  zunächst  geltend  machen, 
dass  die  ersten  Tiroler  Grafen  trotz  ihrer  grossen  Grafschaften 
doch  so  wenig  Eigengüter  darin,  allem  Anscheine  nach,  be- 
sitzen. Im  mittleren  Innthale  sind  nicht  sie,  sondern  die  Grafen 
von  Andechs  und  andere  bairische  Edle  wie  bairische  Klöster 
vorzüglich  begütert.  Im  Eisackthale  hat  das  Stift  Brixen  vor 
Allem  viele  Allodien,  dann  einzelne  bairische  Edelgeschlechter, 
wie  die  Grafen  von  Lechsgemünde,  *  in  der  Gra&chaft  Bozen 
gehört  der  meiste  Besitz  nebst  bairischen  EJöstem  den  Grafen 


Bein.  Da  kann  man  doch  wohl  nur  an  einen  Berthold  denken,  denn 
es  ist  doch  sehr  wenig  wahrscheinlich,  dass  um  dieselbe  Zeit  Vater  und 
Sohn  gleichen  Namens  gestorben  sein  sollten,  besonders  da  von  einem 
zweiten  Berthold  jede  andere  Spur  fehlt.  Es  muss  also  Graf  Heinrich 
ein  Bruder  und  nicht  ein  Neffe  Adalberts  II.  sein,  und  offenbar  ein  be- 
deutend jüngerer,  da  er  bis  zum  Jahre  1189  gelebt  hat.  Er  konnte 
freilich  unmt^glich  mehr  Adalberts  11.  (UL)  Bruder  sein,  wenn  er  noch 
im  Jahre  1202  am  Leben  gewesen  wäre,  wie  Coronini  meint;  doch  an 
der  Stelle,  worauf  seine  Ansicht  sich  stützt,  in  dem  früher  genannten 
Vertrage  zwischen  den  Grafen  von  Götz  und  dem  Patriarchen  von  Aqui- 
leja,  ist  nicht  ausdrücklich  von  einem  Grafen  Heinrich  von  Tirol  die 
Rede  und  auch  nicht  an  einen  solchen  zu  denken,  denn  schon  am 
24.  Juni  1190  erscheint  Graf  Albert  IH.  (IV.)  als  Nachfolger  seines  Vaters 
in  der  Grafschaft  Bozen  (R.  Kink,  Cod.  Wang.,  S.  102).  Wenn  nun  aber 
zwischen  Berthold  und  Albert  HI.  (IV.)  nach  den  Zeugnissen  keine  Ge- 
neration sich  einschieben  lässt,  so  bleibt  nichts  Anderes  übrig,  als  eine 
solche  zwischen  Adalbert  I.  und  Adalbert  H.  (IH.)  einzuschieben  und  in 
dem  Grafen  Adalbert,  der  um  das  Jahr  1126  gestorben  sein  mag,  nicht 
mehr  den  ersten,  sondern  einen  gleichnamigen  Sohn  desselben  zu  sehen, 
also  für  den  Zeitraum  1070 — 1125  zwei  Adalberte  anzunehmen,  was  ja 
an  und  für  sich  wahrscheinlich  ist,  auch  wenn  vor  den  Brüdern  Adal- 
bert H.  (IH.)  und  Berthold  eine  längere  vormundschaftliche  Regierung 
eingetreten  sein  sollte.  Dann  ist  es  auch  nicht  mehr  unwahrscheinlich, 
dass  ein  jüngerer  Bruder  derselben  noch  um  1189  lebt,  und  es  Hesse 
sich  auch  Adalbert  I.  noch  um  einige  Jahre  dem  bekannten  nächst- 
früheren Grafen  des  Eisackthales  Poppe  um  ein  paar  Jahre  näherrücken, 
so  dass  zwischen  beiden  kein  weiterer  Graf  dieses  Bezirkes  angenommen 
werden  müsste.  Somit  hätten  vier  Adalberte,  I. — IV.,  und  ein  Heinrich 
und  ein  Berthold  als  GrafeA  von  Tirol  regiert. 

^  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  414. 


459 

von  Eppan-Greifensteiii;  und  diese  haben  auch  noch  GHiter  im 
Vintschgaae;  wo  selbst  gegen  Ende  des  11.  Jahrhunderts  der 
welfiscbe  Besitz  noch  sehr  bedeutend  ist  und  auch  die  schwä- 
bischen Orafen  von  Ronsberg  und  die  bairischen  Moosburger 
nicht  wenig  Eugen  habeU;  am  meisten  begütert  aber  das  Stift 
Chur  und  die  Vögte  von  Matsch  und  Herrn  von  Reichenberg 
erscheinen.  Für  den  fremdländischen  Ursprung  der  Grafen  von 
Tirol  spricht  dann  noch  der  Umstand,  dass  man  vergeblich 
nach  einem  hervorragenden  Edelgeschlechte  im  Lande  sucht, 
denn  dessen  Orafengeschlechter  im  11.  Jahrhundert  sind,  wie 
die  in  den  Zeiten  der  Völkerwanderung  einziehenden  neuen 
Bewohner,  alle  aus  den  Nachbarländern  im  Norden,  Osten  und 
Süden  gekommen.  Von  den  Grafen  des  Unterinnthaies,  des 
Norithales  und  Pusterthaies  wissen  wir  es;  dass  die  Grafen  des 
Oberinnthaies  aus  Schwaben  stammen,  ist  kaum  zu  bezweifeln, 
and  dort  muss  man  auch  den  Ausgangspunkt  der  Grafen  von 
Eppan  suchen.  Da  liegt  es  doch  nahe,  auch  in  den  Grafen 
von  Tirol  ganz  neue  Ankömmlinge  aus  einem  Nachbargebiete 
oder  nahe  Verwandte  eines  der  schon  im  Lande  sesshaft  ge- 
wordenen Geschlechter  zu  suchen.  Zu  der  letzteren  Meinung 
fähren  noch  insbesondere  ihre  Vorgänger  in  den  Grafschaften 
des  Lin-  und  Eisackthales,  und  sie  erhält  eine  Stütze  in  den 
allgemeinen  Zeitverhältnissen.  Wenn  der  früher  erwähnte  Graf 
Poppe,  Graf  des  Eisackthales,  wirkhch  der  gleichnamige  Vater 
des  Pfalzgrafen  Chuno  gewesen,  so  kann  die  auflfällige  That- 
sache,  dass  seine  Grafschaft  nicht  bei  seinem  Geschlechte  ver- 
blieben ist,  nur  durch  die  Annahme  naher  Verwandtschaft  mit 
den  Grafen  von  Tirol,  den  neuen  Inhabern  derselben,  einiger- 
massen  erklärt  werden.  Denn  diese  Grafschaft  konnte,  als 
Lehen  des  Stiftes  Brixen,  nur  der  damalige  Bischof  von  Brixen 
verieihen;  Bischof  Altwin  (1049 — 1097)  war  aber  ebenso  wie 
die  Pfalzgrafen  Chuno  und  Rapoto  ein  entschiedener  Anhänger 
des  Kaisers  Heinrich  IV.  und  wahrscheinlich  mit  ihnen  persön- 
lich beft'eundet,  wenn  nicht  vielleicht  gar  ein  MitgUed  ihres 
Geschlechtes.  Die  poHtischen  Ereignisse  können  darum  schwer- 
lich den  Wechsel  herbeigeführt  haben,  und  es  ist  viel  eher  an 
einen  Verzicht  der  Pfalzgrafen  zu  Gunsten  einer  befreundeten 
Familie  und  an  eine  Begünstigung  dieser  durch  den  möglicher- 
weise näher  mit  ihr  befreundeten  oder  verwandten  Bischof 
unter  Zustimmung   des  Kaisers  zu   denken,   der  ja  wiederholt 


460 

Altwin  seine  Gunst  bezeugt  hat.  ^  Da  nun  dieser  fast  keine  Be- 
ziehungen zu  Baiern^  wohl  aber  sehr  zahlreiche  zu  Elämten 
und  Steiermark  hat  und  dahin  seine  Erwerbspolitik  besonders 
gerichtet  ist^  so  kann  man  die  Vermuthung  kaum  abwehren^  es 
stammten  von  daher  auch  die  Grafen  von  Tirol,  und  dieselbe 
wird  durch  die  regen  Beziehungen  zu  dem  Patriarchen  von 
Aquileja  und  den  Grafen  von  Görz,  sowie  durch  die  nach  dem 
Osten  gewandte  Erwerbspolitik  des  Geschlechtes  und  durch 
den  Besitz,  den  schon  die  Brüder  (Grafen)  Adalbert  (IIT.)  und 
Berthold  in  Kärnten  zeigen,  fast  zur  Gewissheit;  ja  gerade  die 
genannten  Punkte  sind  es,  die  mich  vorzüglich  bestimmen,  ihre 
Heimat  dorthin  zu  verlegen. 

Als  die  Grafen  Meinhard  11.  und  Engelbert  HI.  in  den 
ersten  Jahren  des  13.  Jahrhunderts  mit  ihrem  Lehensherm, 
dem  Patriarchen  Piligrim  II.  (1195 — 1204),  im  Streite  lagen, 
schloss  sich  Albert  IV.  (III.)  zuerst  dem  Letzteren  an  und  ver- 
mittelte dann  mit  anderen  Fürsten,  wie  dem  Herzoge  Leopold  VI. 
von  Oesterreich,  dem  Herzoge  Bernhard  von  Kärnten,  Ulrich 
von  Eppan  und  Anderen,  den  Frieden  von  San  Quirino;*  bei 
einer  neuen  Friedensstörung  zwischen  beiden  Parteien  sehen 
wir  ihn  wieder  auf  Seiten  des  Patriarchen.^  Bald  darauf  ver- 
wandelten sich  die  bisherigen  feindlichen  Beziehungen  zwischen 
den  Grafen  von  Tirol  und  Görz  in  enge  freundliche  und  knüpften 
sich  zwischen  beiden  Familien  die  folgenreichsten  Bande  der 
Verwandtschaft.  Bereits  im  Jahre  1206  sehen  wir  Adelheid, 
Alberts  IV.  Schwester,  mit  Grafen  Meinhard  H.  vermählt,* 
und  dieser  Verbindung  beider  Häuser  folgte  eine  noch  viel 
wichtigere,  die  Vermählung  Meinhards  ED.,  eines  Sohnes  Engel- 
berts in.  und  Neffen  Meinhards  H.,  mit  Alberts  IV.  (III.) 
Tochter,  Adelheid.^  Diese  Beziehungen  der  Grafen  von  Tirol 
zu  dem  weit  entfernten  Patriarchen  von  Aquileja  und  zu  den 
Grafen  von  Görz,   die  ja  auch  damals  den  Schwerpunkt  ihrer 


^  Mon.  Boic.  29a,  133.  164.  183.   199.  200.    F.  A.  Sixmacber  2,  569.  571. 
572.  677.  B79.  680.     St.  2531.  2630.  2761.  2804.  2810. 

*  De  Rabeis,  Mon.  eccl.  Aquil.  644  ff. 

*  y.  Czoernig,  Das  Land  GOrz  505  f. 

*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  539.     v.  Czoemig,  Das  Land  G«r« 
509  Anm.  4. 

^  J.  Ladurner,  Albert  III.,  in  Zeitschr.  des  Ferdinandeums  III  F.  14,  136  ff. 


461 

Macht  noch  südwärts  von  den  Alpen,  im  Küstenlande  und 
Friaul  hatten,  verlieren  alles  Befremdliche,  wenn  jene  auch  aus 
Kärnten  stammten,  wie  die  Görzer,  und  weisen  entschieden  auf 
Besitz  derselben  in  Kärnten  und  Friaul  hin.  In  der  That  sehen 
wir  die  Grafen  von  Tirol  zu  einer  Zeit,  wo  wir  noch  von 
solchen  Beziehungen  nichts  hören,  in  den  genannten  Gegenden 
begütert.  Der  schon  wiederholt  genannte  Graf  Berthold,  Bruder 
Adalberts  IQ.  (11.),  hatte  um  die  Mitte  des  12.  Jahrhunderts 
(1155,  1163)  in  Kärnten  eine  Grafschaft  südlich  von  Krap- 
felde,^  und  der  Nämliche  schenkt  ein  paar  Jahre  nachher  (1165 
bis  1166)  im  Auftrage  seines  Bruders  Ad  albert  IQ.  (11.),  der 
wahrscheinlich  damals  schon  krank  darniederlag,  zwei  Hüben 
zu  Timeniz  nördlich  Klagenfurt  an  Brixen.  ^  Diese  Documente 
fähren  uns  also  wieder  in  das  Gebiet  des  Chrouuatengaues,  so- 
mit in  den  Hauptsitz  der  Aribonen  in  Kärnten.  Bertholds 
jüngerer  Bruder  Heinrich  erwirbt  aber  auch  schon  Besitz  in 
Friaul,  wenn  diese  Elrwerbung  nicht  etwa,  was  mir  wahrschein- 
licher vorkommt,  blosse  Vermehrung  älteren  Besitzes  ist.  So 
gesteht  ihm  der  Patriarch  Gottfried  die  Hälfte  des  Zolles  zu 
Glemona  als  Lehen  zu  und  bewilligt,  dass  zwischen  diesem 
Orte  und  dem  Passe  Pontafel  kein  anderer  Marktplatz  fUr  Salz 
und  andere  Waaren  sei;  eine  Uebereinkunft  beider,  die  Kaiser 
Friedrich  am  16.  November  1184  bestätigt'  Fünf  Jahre  darauf 
abergibt  ihm  der  Patriarch  noch  ein  Drittel  der  genannten 
Stadt,*  wohl  auch  in  Form  eines  Lehens. 

Scheint  mir  nach  den  bisherigen  Erörterungen  die  Heimat 
der  Grafen  von  Tirol  kaum  zweifelhaft,  so  vermag  ich  doch 
auf  die  Frage,  welchem  Edelgeschlechte  Kärntens  sie  ange- 
hören möchten,  keine  bestimmte  Antwort  zu  geben.  Am  nächsten 
läge  es  allerdings,  bei  deren  regen  Beziehungen  zu  den  Gtörzem 
in  ihnen,  nach  dem  Beispiele  des  Grafen  Coronini,  Angehörige 
desselben  Geschlechtes  zu  vermuthen,  und  diese  Vermuthung 
gewänne  wesentlich  an  Halt,  wenn  man,  wie  Tangl,  die  schon 
erwähnten    beiden   Adalberte,    welche    in    der    Urkunde    vom 


*  ▼.  Ankerahofen,  Urknnden  and  Regeeten,  Nr.  356  und  396  (Arcbir  8, 
350.  367).  Nach  mündlichen  Mittheilungen  des  Herrn  Archivars 
A.  ▼.  Jaksch  in  Klagenfart  ist  diese  Grafschaft  dort  zu  snchen. 

'  O.  Bedlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  492. 

*  T.  Hormayr,  Beitrüge  Ib,  149.    St.  4399. 

*  Gr.  Coronini,  Tentam.  geneal.,  S.  189. 


462 

17.  November  1102  als  Vasallen  des  Markgrafen  Ulrichs  II.  von 
Krain  and  Istrien  genannt  werden^  als  identisch  mit  Adalbert  I. 
und  Adalbert  11.  von  Tirol  ansehen  dürfte,  wozu  ihre  Lebens- 
zeit gut  stimmte.  Doch  dagegen  sprechen  nicht  allein  die  schon 
früher  geltend  gemachten  Gründe,  sondern  namentlich  auch  die 
Thatsache,  dass  südwärts  der  Drau  in  Kärnten  nicht  der  ge- 
ringste Besitz  der  Grafen  von  Tirol,  weder  früher  noch  später, 
sich  nachweisen  lässt;  auch  die  anfänglich  feindUche  Haltung 
beider  Familien  bei  so  naher  Verwandtschaft  wäre  schwer  zu 
begreifen.  So  bleibt  nichts  Anderes  übrig,  als  die  Grafen  von 
Tirol  für  einen  anderen  Zweig  des  Aribonenhauses  in  Kärnten 
oder  Baiem  anzusehen,  und  soll  ich  meine  Ansicht,  die  aller- 
dings nicht  mehr  sein  will  als  eine  wenig  begründete  An- 
nahme, aussprechen,  so  möchte  ich  sie  am  liebsten  mit  der 
pfalzgräflichen  Familie  selbst  in  nahen  Zusammenhang  stellen. 
Ich  glaube  deren  Stammvater  in  einem  der  vielen  Grafen  suchen 
zu  sollen,  welche  die  Schenkung  der  Kaiserin  Kunigunde  an 
das  Stift  Freising  im  Jahre  1025  bezeugen,  und  zwar  entweder 
in  dem  zweiten  Zeugen  Friderih  comes,  der  einen  Sohn  Namens 
Perahtolt  hat,  oder  in  dem  fünften,  Adalpero  comes,  welcher 
dem  Pfalzgrafen  Hartwig  H.  unmittelbar  folgt.  Eis  handelt  sich 
hier  hauptsächlich  um  Güter  in  Oberösterreich  aus  Gebieten 
der  Aribonen  oder  ihrer  Nachbarschaft,  und  die  meisten  Zeugen 
sind  wohl  auch  dem  Aribonenhause  angehörig.  Das  ist  ziemlich 
sicher,  ausser  beim  Pfalzgrafen,  mit  den  drei  Grafen  der  Fall, 
die  dem  Grafen  Adalbert  unmittelbar  folgen:  Tiemo,  Poppo 
und  Piligrim,  die  wir  als  solche  schon  kennen  gelernt  haben. 
Graf  Amolt  ist  wohl  für  einen  Grafen  von  Lambach  und  Wels, 
also  für  einen  nahen  Verwandten  der  Ottokare,  anzusehen,^ 
einen  Grafen  Gerolt  gibt  es  in  den  Jahren  1007  und  1011  in 
dem  Isen-  und  Rotachgaue.  *  Einen  Grafen  Gumpolt  finden  wir 
allerdings  um  diese  Zeit  nicht  in  der  Nähe  der  Stammsitze  der 
Aribonen,  sondern  nur  in  der  Gegend  von  Freising  zugleich 
mit  einem  Grafen  Gerolt,  *  aber  in  der  Freisinger  Gegend  lassen 
sich  sonst  Grafen  dieses  Namens  nicht  nachweisen,  dagegen 
trefl^en   wir  wiederholt  Grafen  Gumpolde   im   9.  und  10.  Jahr- 


1  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  2,  69.  91.  92.  118.  718. 
*  Mon.  Boic.  28  b,  334.  435. 
»  Ibid.  9,  361  f. 


463 

hundert  im  Isengaue.  *  Da  wir  also  beide  Grafen,  Friederich 
und  Adalbert,  mitten  unter  Aribonen  sehen,  so  sind  wir  einiger- 
massen  berechtigt,  sie  auch  für  solche  zu  halten. 

Fassen  wir  zunächst  den  Grafen  Friederich  ins  Auge,  so 
möchten  wir  vor  Allem  wohl  an  den  gleichnamigen  Bruder  des 
P£dzgrafen  Hartwig  II.  denken,  den  uns  der  sächsische  Chro- 
nist nennt  und  der  identisch  mit  Friederich,  dem  Sohne  des 
Grafen  Sizo  und  der  Gräfin  Pilhilde,  sein  soU.^  Allein  abge- 
sehen davon,  dass  dieser  damals  schwerlich  schon  Graf  sein 
konnte,  spricht  gegen  ihn  entschieden  der  Umstand,  dass  er 
dem  Pfalzgrafen  vorangeht  und  sogar  an  zweiter  Stelle  steht. 
Das  deutet  doch  auf  grösseres  Ansehen  oder  höheres  Alter, 
und  da  Ersteres  kaum  der  Fall  ist,  so  wird  man  an  Letzteres 
denken  müssen.  Von  zwei  anderen  um  dieselbe  Zeit  lebenden 
Friederichen  kann  der  Eine,  der  im  pago  Rieze  (Rhecia)  auf- 
tritt,' schon  der  örtlichen  Entfernung  wegen  kaum  in  Frage 
kommen,  eher  der  Zweite,  der  als  Zeuge  für  das  Stift  Tegem- 
sce  auftritt.*  Doch  besser  eignete  sich  noch  ein  Dritter,  der 
mit  dem  Zweiten  allenfalls  auch  zusammen  fallen  könnte.  Wir 
treffen  diesen  bei  der  Einweihung  der  Klosterkirche  des  von 
der  Gräfin  Wichburg,  der  Gemahlin  Otwins,  gegründeten  Klosters 
St.  Georgen  am  Längsee  als  zweiten  Zeugen  unmittelbar  nach 
dem  Erzbischofe  Hartwig  und  dann  nochmals  ftir  dasselbe 
Kloster  als  ersten  Zeugen.^  Diese  Thatsachen  gestatten  doch 
gewiss  den  Schluss  auf  nahe  Beziehungen,  auf  Verwandtschaft 
mit  den  Stiftern,  umsomehr  als  unter  den  Theilnehmem  sonst 
nur  ein  Graf,  nämlich  Otwins  Sohn  Engelbert,  steht.  Es  liegt 
nahe,  mit  Grafen  Friedrich  einen  der  drei  Grafen  gleichen 
Namens  zu  identificieren,  die  im  Nekrologe  des  Stift;es  Seon^ 
und  der  Stifter  Salzburg  und  St.  Emmeran  in  Regensburg  sich 
finden.^  Allein  sprechen  auch  manche  Momente  ftU*  die  An- 
nahme, der  Graf  Friedrich  der  Urkunde  vom  Jahre  1025  könnte 


^  B.  Zierngiebl,  Mark-  und  Grafschaften  in  hist.  Abhandl.  d.  k.  bair.  Akad.  d. 
W.  (17S1)  2,  221.  Oefele,  Script  1, 706.  E.Mühlbacher,  Regr.,  Nr.  1903. 1943. 
'  Hon.  Germ,  histor.  Script  6,  73S,  „.    Hon.  Boic.  29a,  90. 

*  Mon.Boic.  31a,  310. 

*  Ibid.  6,  11. 

'  y.  Ankershofen,  Geschichte  Kärntens  2.  Bd.,  Urkunden  83  f. 

*  Mon.  Moic.  2,  158.  160.  161. 
'  Ibid.  14,  369.  384.  389. 


464 

der  Stammvater  der  Grafen  von  Tirol  sein,  besonders  seine 
Anwesenheit  bei  den  auf  das  Kloster  St.  Georgen  bezüglichen 
Acten,  so  kommt  doch  sein  Name  bei  der  genannten  Grafen- 
familie niemals  vor,  während  der  Name  Adalbert  für  dieselbe 
ebenso  bezeichnend  ist  wie  der  Name  Hartwig  für  die  Pfalz- 
grafenfamilie, Chuno  fUr  die  Grafen  von  Megling  und  Andere. 
Darum  möchte  ich  lieber  in  dem  oben  angefahrten  Zeugen 
Adalbert,  der  dem  Pfalzgrafen  zunächst  folgt,  den  Ahnherrn 
der  Grafen  von  Tirol  sehen. 

Der  Name  Adalbert  ist,  wie  zu  jeder  Zeit,  so  auch  im 
Anfange  des  11.  Jahrhunderts  nichts  weniger  als  selten,  und 
darum  ist  est  sehr  schwer,  in  den  einzelnen  Fällen  den- 
jenigen zu  erkennen,  der  mit  dem  Zeugen  der  Urkunde  vom 
Jahre  1025  etwa  identisch  sein  könnte.  Wir  begegnen  in  den 
gleichzeitigen  Documenten  ausser  dem  Markgrafen  Adalbert 
von  Oesterreich  und  dem  Grafen  Adalbero  von  Ebersberg  und 
Sempt,  dem  Stifter  der  Klöster  Chtibach  und  Ebersberg,  ^  die 
leichter  zu  unterscheiden  sind,  noch  einem  Grafen  dieses  Namens 
in  den  Gauen  Ensitale*  und  Housi,^  im  Sundargaue*  und  am 
Nordwald, ^  im  Schweinachgaue ^  und  Donaugaue.'  Doch  an 
allen  diesen  Stellen  ist  kaum  einmal  unser  Adalbert  gemeint, 
viel  eher  ist  mit  ihm  flir  identisch  zu  halten  ein  Edler  dieses 
Namens,  der  um  dieselbe  Zeit  wiederholt  die  Verhandlungen 
mit  dem  Erzstifte  Salzburg  und  dem  Kloster  St.  Peter  zu  Salz- 
burg bezeugt  und  auch  ein  paar  Male  Vogt  der  beiden  heisst,® 
und  vielleicht  ist  auch  auf  ihn  die  Stelle  zu  beziehen,  wo  bei 
einer  Schenkung  des  Andechsers  Arnold  an  das  Kloster  Be- 
nedictbeuem  unter  der  auffälUg  grossen  Zahl  von  gräflichen 
Zeugen  vor  anderen   uns  wohl  bekannten  Namen,   wie  Poppe 


*  C.  Meichelbeck,  Histor.  Fris.  la,  222.  230.     Mon.  Boic.  6,  10;  11,  629; 
14,  180;  31a,  287;  29a,  56  f.     St.  1549.  2151. 

*  Mon.  Boic.  28  b,  324.    J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbach  1,  41.     Notizbl. 
6,  17  Nr.  4. 

»  Mon.  Boic.  28  b,  415.    St.  1628.    Mon.  Boic.  7,  16  f.  40.  89.     C.  Meichel- 
beck, Hirtor.  Fris.  1  b,  474  Nr.  116,  484  Nr.  1161,  489  Nr.  1165. 

*  Mon.  Boic.  28  b,  310.     St.  1363. 
»  Ibid.  28  b,  421.    St.  1533. 

*  Ibid.  28  b,  420.     St.  1531. 
^  Ibid.  28b,  483.    St.  1723. 

*  Notizbl.  6,  21  Nr.  32.  22  Nr.  44.  44  Nr.  97.  48  Nr.  116.    Archiv  fttr  österr. 
Geschichtsforschung  22,  300  Nr.  la  u.  Ib;   303  Nr.  12,  804  Nr.  15.  16. 


465 

nnd   Piligrim^    ein   Albero   erscheint  und   ein   Dietricus   comes 
Pfans   (Pfons   bei   Matrei  im  Wippthale)   an    dasselbe   Kloster 
schenkt.^     Wäre   dieser  Bezug  auch   noch  bei   einer  anderen 
Stelle  zulässige  an  der  ein  nobilis  vir  Adalperht  Eigenthum  am 
Flusse  Tiufstadon  an  St.  Peter  in  Salzburg  übergibt^  dann  hätten 
wir   sehr  wahrscheinUch   auch  eine  Beziehung  zum  Isengaue.' 
Von   dem  ersten   Grafen  Adalbert,  der  in  Tirol  nachzuweisen 
ist,  filhrt  gleichfalls  eine  schwache  Spur  dahin;  es  steht  nämlich 
einmal,  als  zweiter  Zeuge,  hinter  ihm  in  einer  Tradition  Brixens 
ein  Adalpreht  de  Rota.^  Sollte  es  nicht  erlaubt  sein,  dabei  an 
das   früher  betonte  Rota  im  Isengaue   zu   denken,   und  wenn 
dies  statthaft,  muss  es  nicht  in  hohem  Orade  auffallen,  einen 
Edlen  von  diesem  fernen  Gaue  im  Eisackthale  als  Zeugen  zu 
finden?     Alles  Befremdende   entfällt  aber,   sobald  wir  in  dem 
Grafen  Adalbert  I.  des  Eisackthales  einen  Aribonen  sehen  dtirfen, 
und  dessen  Zusammenhang  mit  dem  Adalbert  vom  Jahre  1025 
wäre  hergestellt,  wenn  wir  in  den  beiden  Zeugen:  Perhtolt  et 
eins  filius  Adalpreht  einer  Tradition  an  das  Stift  St.  Peter  in 
Salzburg  Angehörige  derselben  FamiUe,  nämlich  niemand  Anderen 
als  des  Letzteren  (1025)  Sohn  (Perhtolt)  und  den  Ersteren  (I.) 
selbst  (Adalbert)  sehen  dürften.*     Ort  und  Zeit  der  Tradition 
stehen  nicht  entgegen,  denn  zu  Halle  (Reichenhall)  treffen  wir 
Aribonen  öfters,  auch  solche  aus  Kärnten,  und  diese  Tradition 
darf    man    wohl  merklich   später   ansetzen   als   die   früher   er- 
wähnten, da  die  Anordnung,  wenigstens  im  Allgemeinen,  doch 
eine   chronologische   ist.     Der  Ort,   wo  das  geschenkte  Grund- 
stück  hegt,   ad  Ruozinlachan,   ist  freilich  nicht  bekannt.     Da- 
gegen ist  es  gewiss  zulässig,  in  den  beiden  Zeugen  Grafen  zu 
sehen,  da  sie  an  der  Spitze  mehrerer  Edelleute  stehen,  und  ist 
der   Zeitraum    zwischen    beiden   Adalberten    (Adalbert    1025: 
Grossvater,    und    Adalbert     1070 — 1080:    Enkel)    durch    ein 
Zwischenglied  (Perhtolt)   hinreichend   ausgeftlUt.     Den  Namen 
Adalbert  führt  auch  der  erste  nach  der  Analogie  anderer  Fälle 
sehr   wahrscheinlich   dem  Hause   des   Stifters  angehörige  Abt 
des  Stiftes  Seon.^ 


*  Mon.  Boic.  7,  39. 

«  Notizbl.  6,  44  Nr.  97. 

*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbücher,  Nr.  278. 

*  Notizbl.  6,  68  Nr.  139.     Vergl.  70  f.  Nr.  148 

*  Necrolog.  Germ.  2,  222  (17.  März).    Mou.  Boic.  2,  169. 
AitMT.    LXXXIII.  Bd.    n.  Hälfte.  31 


466 

Haben  die  Grafen  von  Tirol  ihre  Beziehungen  zu  ihrer 
älteren  Heimat  in  Kärnten  nie  ganz  aufgegeben  und  dort  später 
noch  bedeutenden  Besitz  erhalten  oder  erworben,  so  verliert 
ein  anderes  Qrafengeschlecht  aus  dem  nämlichen  Lande,  das 
gleichfalls  nach  Tirol  tibersiedelt,  ganz  den  Zusammenhang  mit 
seinem  ehemaKgen  Wohnsitze,  ich  meine  die  Grafen  von  Fla  von.  ^ 
Ueber  die  Abstammung  dieser  Grafenfamilien  besitzen  wir  ein 
verlässliches  Document,  allerdings  aus  späterer  Zeit.  Im  Jahre 
1214  verleiht  nämlich  Bischof  Friedrich  von  Trient,  der  be- 
kanntlich die  älteren  Urkunden  des  Stiftes  und  die  seiner  Zeit 
sorgfältig  sammeln  Uess,  den  Grafen  Ulrich  und  Gabriel  von 
Flavon  die  Schirm vogtei  des  Stiftes  Sonnenburg  mit  der  Be- 
merkung: ,et  ab  nostro  episcopatu  teneant  dictam  advocationem 
ad  rectum  et  honorabile  feudum,  cum  sui  antecessores  edifica- 
verint  dictum  monasterium^  *  Damach  ist  ihr  verwandtschaft- 
licher Zusammenhang  mit  dem  Geschlechte  Otwins  klar,  und 
flir  den  mit  dem  Aribonenhause  sprechen  auch  die  im  11.  Jahr 
hundert  öfters  vorkommenden  Familiennamen  Arpo  (Aribo), 
Eberhard,  Pelegrin,  Adalbert,  Conrad,  Udalschalk  und  Andere.' 
Ladurner  ist  nicht  abgeneigt,  flir  den  Stammvater  der  Grafen 
von  Flavon  und  (vielleicht  auch)  flir  einen  Bruder  des  Bischofs 
Ulrich  I.  von  Trient  (1006—1022)  jenen  Grafen  Arpo  zu  halten, 
der  Zeugschaft  leistet,  als  Wichburg  die  ursprüngliche  Dota- 
tion ihres  Klosters  bei  der  Begräbnissfeier  ihres  Gemahles 
Otwin  mit  zwei  Hüben  zu  Dopplach  vermehrte,*  und  was  er 
ftlr  die  nahe  Verwandtschaft  Arpos  und  Bischof  Ulrichs  geltend 
macht:  die  Namen  der  Eltern  des  Bischofs,  Aribo  und  Wil- 
burga,  die  Stiftung  des  Klosters  Sonnenburg  unter  seinem  Bei- 
rathe,  eine  Schenkung  des  Stifters  einerseits  an  das  Stift  Trient 
und  die  Beschenkung  des  KJostei'S  andererseits  mit  reichlichen 
Wein-  und  Oelzinsen  sowie  Fischereigerechtsamen  durch  den 
Bischof,  endlich  die  Uebertragung  der  Vogtei  an  das  Trientiner 
Stift:  air  das  sind  gewiss  sehr  beachtenswerthe  Momente  und 
machen  das  angenommene  Verwandtschaftsverhältniss  in  hohem 
Grade  wahrscheinlich.     Weniger  begründet  dagegen  erscheint 

^  J.  Ladurner,  Die  Grafen  von  Flavon  im  Nonsberge  im  Archive   fUr  Ge- 
schichte und  Alterthumskunde  Tirols  5,  137 — 182. 
*  Bonelli.  Notizie  3  b,  47. 
'  J.  Ladurner,  Stammtafel  181  f. 
^  V.  Ankershofen,  Geschichte  Kärntens  2,  879.    Regesten  u.  Urkunden  82  f. 


467 

• 

mir  die  Vermuthung,  die  er  über  Arpos  Nachfolger  aasspricht^ 
indem  er  zu  einem  Sohne  desselben  oder  anderen  nahen  Ver- 
wandten den  Grafen  Grimaldus^  zu  einem  Enkel  Graf  Ulrich 
und  zu  Urenkeln  dessen  Söhne  Eberhard  und  Adelper^  die  Alle 
in  der  Recordatio  fidelium  sancti  Vigilii  aufgeführt  sind,  machen 
möchte;    die   Namen   sind   allerdings   bis   auf  Grimaldus  dem 
Aribonenhause  nicht  fremd  und  vielleicht  auch  Letzterer  nicht, 
die  Reihenfolge  in  der  Recordatio  mag,   wie  er  annimmt,  chro- 
nologisch geordnet  sein  und  so  seine  Hypothese  immerhin  so 
lange  ihre  Berechtigung  haben,  bis  es  gelingt,  deren  Unhaltbar- 
keit  nachzuweisen  oder  sie  zur  Gewissheit  zu  erheben.     Dass 
die    Grafen    von   Flavon   in    späterer   Zeit   zu    solcher   Unbe- 
dentendheit  herabsinken,  kann   kaum  gegen  ihren  vornehmen 
Ursprung  geltend  gemacht  werden,  denn  sie  waren  bei  ihrem 
ersten  Auftreten   sichtlich   viel   mächtiger,   sie  nehmen   damals 
an  wichtigeren  Handlungen  des  Bischofs  Theil  und  sind  auch 
bis  zum  Jahre  1124  als  seine  Vögte  nachweisbar,  worauf  schon 
firaher  hingewiesen    wurde.  ^     Ich    kann   auch    in   dem  jungen 
Grafen,  der  im  Jahre   1106  die  von  König  Heinrich  V.  nach 
Rom  gesandten  deutschen  Bischöfe  zu  Trient  überfiel  und  von 
dem  Chronicon  Ekkehardi  mit  den  Worten:  ,quidam  adolescens 
Adalbertus,  partium  illarum  insignis  comitatu^'  bezeichnet  wird, 
nur  den  gleichzeitigen  Grafen  Adalbert  von  Flavon  sehen  und 
finde  in  der  Bemerkung  des  Chronisten,  dass  derselbe  den  Bi- 
schof Otto   von  Bamberg  besser  als   die  anderen  Gefangenen 
behandelt  habe^  weil  er  sein  Vasall  gewesen,  vielmehr  eine  Be- 
stätigung fUr  meine  Ansicht  als  einen  Widerspruch  gegen  die- 
selbe  oder   die   Erwähnung   einer  damit   unvereinbaren   That- 
sache.   Allerdings  haben  in  Tirol  die  Grafen  von  Flavon  schwer- 
fich  je  Lehen  von   dem  Bischöfe  von  Bamberg  gehabt,  aber 
hegt  es   nicht  recht  nahe,   an  bambergische  Lehen  derselben 
in  Kärnten  zu  denken,   wo  ja  die  Kirche  von  Bamberg  seit 
ihrer  Stiftung  reich  begütert  war?  Sollten  sie  wirkUch  schon  da- 
mals jeden  Besitz  in  ihrer  ehemaligen  Heimat  verloren  haben? 
Ihre  tirolische   Grafschaft,  wohl  vom  Anfange   an   ein   Lehen 
von  Trient,  war  allerdings  ein  ganz  kleiner  Gerichtsbezirk  auf 
dem  Nonsberge  am  rechten  Ufer  des  Noce,  doch  ihre  Lehen- 


^  St  3122.    Bonelli,  Noüzie  2,  874.  376.  379.  382. 
*  Hoo.  Qenn.  histor.  Script  6,  234,  i«. 

31* 


468 

und  Vasallenrechte  waren  einst  fast  über  ganz  Nons-  und  Sulz- 
berg ausgebreitet;  und  ausserdem  besassen  sie  noch  die  Vogtei 
der  Pfarre  Lana  und  das  Gericht  sammt  dem  Zehent  daselbst, 
die*  Vogtei  über  das  Kloster  Sonnenburg  und  sonnenburgisches 
Lehen  zu  Aldein,  das  Schloss  Haselberg  bei  Bozen,  Güter  zu 
Curtatsch,  einen  Zehent  in  Ulten  und  Anderes.  Gegenüber  dem 
firüheren  Besitz  der  Eppaner  oder  dem  späteren  der  Grafen 
von  Tirol  war  freilich  der  ihrige  jederzeit  gering,  und  so  er- 
klärt es  sich,  dass  sie  schliesslich  von  diesen  in  Lehensab- 
hängigkeit geriethen  und  zuletzt  ganz  verdrängt  wurden. 

Als  einen  Zweig  des  Aribonenhauses  glaube  ich  auch  die 
mächtigste  Grafenfamilie  Kärntens  im  11.  Jahrhundert^  ansehen 
zu  müssen,  die  Grafen  von  Friesach.  Wendrinsky*  hält  sie  fhr 
Abkömmlinge  der  Brüder  Wilhelm  und  Engelschalk,  Mark- 
grafen der  Ostmark,  die  durch  deren  gleichnamige  Söhne  ge- 
stürzt wurden  und  den  Markgrafen  Aribo  zum  Nachfolger 
hatten.  Allein  erhielten  auch  diese  von  Kaiser  Arnulf  Ver- 
leihung, trotzdem  dass  der  eine,  Engelschalk,  eine  uneheUche 
Tochter  des  Kaisers  entfUhrt  hatte,  und  wurden  sie  für  den 
Verlust  der  Markgrafschaft  mit  Grafschaften  theilweise  ent- 
schädigt, so  ereilte  doch  auch  sie,  wie  ihre  Väter,  für  ihre 
Frevel  ein  frühzeitiges  und  schmähliches  Ende,  und  ihre  ge- 
sammten  Besitzungen  wurden  eingezogen.'  So  fehlt  es  wohl 
an  jedem  festeren  Anhaltspunkte,  um  in  dieser  berühmten  Fa- 
milie ilen  Stammvater  des  Grafen  Wilhelm  (I.)  zu  suchen,  der 
um  die  Mitte  des  10.  Jahrhunderts  im  Besitze  einer  Grafschaft: 
des  Chiem-  und  Salzburggaues:  Raschenberg-Teusendorf  und 
Reichenhall  erscheint.*  Aber  darin  wird  man  Wendrinsky  und 
ZiUner^  beistimmen  können,  dass  von  diesem  Wilhelm  die 
Grafen  von  Friesach  abstammen.  Derselbe  ist  aber  auch  mit 
noch  grösserer  Wahrscheinlichkeit  für  den  Stammvater  der 
Grafen  von  Piain  zu  halten.     Als  Graf  des  Chiem-  und  Salz- 


^  O.  Kaemmel,  Zur  Entwicklungsgeschichte  61. 

*  J.  Wendrinsky,  Die  Grafen  von  Plain-Hardegg  (Blätter  d.  Vereines  für 
Landesk.  Niederösterr.  13,  221  ff. 

*  E.  Dümmler,  Geschichte  des  ostfr.  Reiches  3,  360  f. 
«  Mon.  Germ,  histor.  Dipl.  1,  281,  ,4.    St  263. 

B  Dr.  Zillner,  Die  Graftchaften  (Mitth.  d.  Gesellsch.  f.  Salzb.  Landesk.  23, 
203  ff.). 


469 

barggaues  ist  er  noch  an  vier  Stellen  nachweisbar^^  und  bei 
allen  kann  nur  an  dieselbe  Grafschaft  gedacht  werden.  Gerade 
da  und  in  dem  benachbarten  Gebiete  des  Salzburggaues  links 
von  der  Salzach  sind  auch  die  Plainer  vorzüglich  begütert;  ja 
die  G^richtsbezirke  Piain  und  das  spätere  Stadtgebiet  von 
Reichenhall  haben  wohl  einst  nur  ein  Gericht  gebildet.*  Wil- 
helm (I.)  hat  nachweisbar  einen  Sohn  Liutold  und  sehr  wahr- 
scheinlich einen  zweiten  Wilhelm  (II.),  und  Grafen  oder  Edle 
mit  diesen  Namen  treten  in  den  Traditionen  der  Erzbischöfe 
Hartwig  (991—1023)/  Dietmar  H.  (1025—1041)*  und  Balduin 
(1041 — 1060)^  wiederholt  auf;  ebenso  in  mehreren  von  St.  Peter.^ 
Da  der  Grafenname  Liutold  in  Kaiserurkunden  für  Baiem 
während  dieser  Zeit  fast  gar  nie  und  auch  in  anderen  ausser- 
ordentlich selten  vorkommt,  da  es  Grafen  Wilhelme  gleichfalls 
im  südöstlichen  Deutschland  sonst  nicht  gibt,  diese  Zeugen  der 
Erzbischöfe  andererseits  {tir  eine  andere  Grafschaft  des  Chiem- 
und  Salzburggaues  kaum  sich  in  Anspruch  nehmen  lassen,  so 
duriie  doch  der  Schluss  berechtigt  sein,  dass  wenigstens  an 
den  meisten  dieser  Stellen  die  Nachkommen  Wilhelms  I.  ver- 
standen seien,  und  für  den  nämlichen  wie  einen  dieser  Wil- 
helme wird  man  auch  den  gleichnamigen  Vogt  des  Erzbischofs 
Balduin^  halten  dürfen.  Noch  viel  sicherer  wäre  der  Schluss, 
wenn  der  so  häufig  erscheinende  Vogt  Walther  des  Erzbischofs 
Dietmar,  der  sich  keiner  anderen  AdelsfamiUe  zuweisen  lässt, 
zu  jener  der  Liutolde  gerechnet  werden  dürfte.* 

Wilhelm  I.  muss  aber  auch  in  Kärnten  Besitz  gehabt 
haben,  da  er  hier  ein  paar  Male  bei  wichtigen  Verhandlungen 
neben  bairischen  und  kärntnerischen  Grossen  zu  Maria-Saal 
auftritt.  ^  Denn  bei  der  Seltenheit  seines  Namens  ist  wohl  auch 


*  Juvavia,  Anh.,  S.  191  Nr.  2,  194  Nr.  11,  196  Nr.  18.    Mon.  Germ,  histor. 
Dipl.  1,  684,  M- 

*  E.  Richter,  Untersuchungen  (Mitth.  des  Inst.  f.  (Ssterr.  Geschichtsf.,  E.  1, 
665.  672) 

»  Mitth.  des  Inst.  f.  österr.  Geschichtsf.  3,  88  ff.  Nr.  16.  16.  18.  19. 

*  Juvavia,  Anh.  222ff.  Nr.  2.  10.  12.  13.  17.  19.  24.  26.  38.  34  n.  86. 

*  Ibid.  Anh.  247  ff.  Nr.  6.  8.  17—19.  26  u.  26. 

*  Notixhl.   6,   17  Nr.  6,   18  Nr.  9,  44  Nr.  97,  45   Nr.  99,  67   Nr.  133,  68 
Nr.  138,  69  Nr.  140  u.  a.  a.  O. 

'  Juvavia,  Anh.,  S.  223  Nr.  3. 

»  Ibid.  Traditionen  Dietmars  II.  (222—231),  Nr.  1.  2.  4—26.  31—35. 

»  Ibid.  S.  136  Nr.  23,  198  Nr.  20. 


470 

hier  an   den   nämlichen  Grafen   zu  denken,   umsomehr   als  ja 
Gebietserwerbungen    bairischer   Edler   in   Kärnten   damals   oft 
wiederkehren,  und  sein  Besitz  kann  aus  demselben  Grunde  und 
den  sonst  bekannten  Besitzverhältnissen   dieses  Landes   kaum 
anderswo  gesucht  werden  als  dort,  wo  wir  in  der  Folge  Grafen 
seines  Namens  finden:   in  der  Grafschaft  Friesach.     Aber  ge- 
rade in   dieser  Gbrafschaft,   die   yom  Gurkthale   bis   zum  Mur- 
thale  sich  erstreckte,  hatte  Kaiser  Arnulf  im  Jahre  898  einem 
Manne  progenie  bonae  nobilitatis  exorto  Zuentibolch  nominato 
so  ausgedehnten  Besitz  geschenkt,  dass  er  fast  die  ganze  Graf- 
schaft umfasste,^  und   einem   anderen  Eklelmanne,   seinem  ge- 
treuen Waltuni,   das,  was  Ottelin  zu  Undrina  (Ingering  rechts 
an   der  Mur  bei  Knittelfeld  in   Steiermark),    dann   noch   was 
jener   im  Trixnerthale  hatte,   mit  zwei  Burgen  und  Wald  auf 
dem  Diexberge,  drei  Königsmansen,  Reichenburg  genannt,   in 
der  Mark  an  der  Saye  und  das  Gut  Gurkfeld  jenseits  der  Save 
zu  eigen  gegeben.'   Gerade  die  bedeutendsten  nun  von  diesen 
Besitzungen  nennt  die  Gräfin  Hemma,  die  Witwe  eines  Gbrafen 
Wilhelm,   die  im  Jahre  1043  ein  Frauenstift  im  Gurkthale  er- 
richtet,'* in   den   zwei  Schenkungsurkunden  ausdrücklich,  wie 
den  Bezirk   yon  Friesach   sammt   dem  Markte  und   das  Land 
im  Gurkthale  sammt  den  Bauern,  Heistrichesdorf  imd  die  Curtis 
suburbana,  die  nächst  der  urbs  Truchsne  liegt,  mit  vierzig  dazu- 
gehörigen Hüben,  Altenhof  mit  Zugehör  und  alle  Weinberge 
im  Comitate  Truchsen  und  in  Osterwitz,   alles   Eigenthum   im 
Sounthale   mit  Ausnahme   von  vier  Weilern,   Geroltesdorf  mit 
allem  Besitzthume  in  Baiem   und  Anders.^    Unter  den  geist- 
lichen und  Zehentrechten,   die   sie   sich   vom  Bischöfe  Balduin 
abtreten  lässt,  um  sie  ihrer  Stiftung  zu  widmen,  werden  auch 
die   von  Gregor  und  Martin  in  Lubedingen  (Lieding)  nament- 
lich genannt.^    Alle  diese  Besitzungen  gelangten  dann  (1072) 
an  das  Bisthum  Gurk,   als  Erzbischof  Gebhard   von  Salzburg 
beschloss,   nach   Gurkenhofen   einen   Bischof  zu    setzen,^    und 


^  y.  JakBch,  Gurker  Geschichtsqu.  1,  41.    E.  Mühlbacher,  Reg.,  Nr.  1890. 
M.  Felicetti-Liebenfels,  Steiermark,  S.  58. 

*  y.  Jakflch,  Gurker  Geschlchtsqu.  1,  40.    £.  Mühlbacher,  Reg.,  Nr.  1861. 

•  Ibid.  1,  54flf. 

*  Ibid.  1,  68  ff.     V.  Ankershofen,  Reg.,  Nr.  115  (Archiv  2,  321  f.). 
»  Ibid.  1,  54  ff.     Ibid.  Nr.  116  (Archiv  2,  323). 

•  Ibid.  1,  3  ff.     Ibid.  Nr.  152  (Archiv  2,  340). 


471 

wurden  demselben  von  Kaiser  Lothar  HI.  am  18.  October  1130 
bestätigt.  ^  In  letzterer  Bestätigung  nennt  der  Kaiser  namentlich 
die  Edelleute  (homines  nobili  progenie  exorti),  die  seine  Vor- 
fahren beschenkt  hatten  und  deren  Güter  schliesslich  an  die 
Gurker  Kirche  gekommen,  nämlich  Walchun,  Zwetboch,  Gräfin 
Imma,  Graf  Wilhelm  und  dessen  Sohn  Wilhelm,  sowie  deren 
Erbin  Gräfin  Hemma,  beschreibt  genau  den  ganzen  Besitz  und 
enthebt  den  Kirchenvogt  Grafen  Werigand,  über  dessen  Nach- 
lässigkeit und  Unfkhigkeit  Beschwerde  erhoben  worden  war, 
seines  Amtes.  Daraus  ersieht  man  deutlich,  dass  in  demselben 
wirkUch  die  erwähnten  Schenkungen  an  die  Edlen  Zuentibolch 
und  Waltun  und  die  späteren  an  die  Gräfin  Imma  und  die 
beiden  Grafen  Wilhelm  enthalten  waren. 

Kaiser  Otto  II.  gestattete  nämlich  (975)  der  Witwe  Imma 
in  dem  Orte  Livbedinga,  im  Gurkthalgaue  und  in  der  Grafschaft 
des  Grafen  Ratold,  wo  sie  zu  Ehren  der  Gottesmutter  und  des 
heil.  Martin  und  Bekenners  Gregor  ein  Kloster  zu  bauen  be- 
gonnen, einen  Markt  und  eine  Münzstätte  zu  errichten  und 
einen  Zoll  zu  erheben.*  Derselbe  schenkte  dem  Grafen  Wil- 
helm (980)  seinen  Besitz  in  der  Grafschaft  des  Grafen  Rach- 
vuin  bis  zum  Eigenthum  des  Grafen  Marchward  und  an  die 
Grenze  der  Grafschaft  Sovuina*  (im  Westen  des  Marburger 
Kreises).  Kaiser  Heinrich  11.  schenkte  dem  Grafen  Wilhelm  zu- 
erst (am  15.  April  1016)  dreissig  königliche  Mausen  in  uillaTras- 
kendorf  (Dreschendorf,  Gemeinde  Pletrowitsch,  Gerichtsbezirk 
und  Bezirkshauptmannschaft  CilU)  und  das  sonstige  Kammer- 
gut zwischen  der  Save,  Sann,  Sotla  und  Neirin  in  Untersteier 
und  Krain,*  dann  (am  18.  April)  dem  Nämlichen  seinen  An- 
theil  an  den  Salzwerken  bei  Admont,  das  Marktrecht  auf  seinen 
Gütern,  das  Zollrecht  in  seiner  Grafschaft  Friesach  und  Anderes.^ 
Kaiser  Konrad  II.  machte  dem  Grafen  Wilhelm  (DI.)  dreissig 


^  ▼.  Jaksch,  Gurker  Geschichtsqn.    1,  93  Nr.  58.     v.  Ankershofen,    Reg., 
Nr.  217  (Archiv  5.  201).     St  3253. 

*  ▼.  Jaksch,  Garker  Geschichtsqn.  1,  47  Nr.  8.     Mon.  Genn.  histor.  Dipl. 
2,  124.     St.  658. 

'  y.  Jaksch,  Gurker  Geschichtsqu.  1,  48.     Mon.  Germ,  histor.  Dipl.  2,  264. 
St  780. 

*  V.  Jaksch,   Gurker  Geschichtsqu.   1,  50  Nr.  12.     J.  Zahn,    Steierm.  Ur- 
kundenbuch  1,  44.     St  1667. 

^  V.  Jaksch,  Gurker  Geschichtsqu.   1,   51   Nr.  13.    J.  Zahn,  Steierm.  Ur> 
knndenbuch  1,  45.     St  1668. 


472 

königliche  Mansen  im  Gebiete  der  Flüsse  Ködnig^  Eopreiniz 
und  Wogleina  in  Untersteier,  dann  zwischen  der  Gurk  und 
Save  in  Elrain  zum  Geschenke  und  bestätigte  Heinrichs  II. 
Schenkung.^  Aus  dem  Zusammenhalte  aller  dieser  Urkunden 
ergibt  sich  mit  grosser  Sicherheit,  dass  die  beschenkten  Per- 
sönlichkeiten und  die  Stifterin  Hemma  die  nächsten  Ver- 
wandten und  in  der  Ordnung  sich  gefolgt  sind,  wie  sie  die 
Urkunde  vom  Jahre  1130  anführt,  und  da  der  früher  erwähnte 
Graf  Wilhelm  in  Kärnten  wiederholt  auftritt  und  wohl  auch 
daselbst  Besitz  hat,  da  er  vor  dem  Jahre  973  nicht  gestorben 
sein  kann,  975  aber  Imma  Witwe  genannt  wird,  so  ist  wohl 
der  Schluss  erlaubt,  namenüich  bei  der  Seltenheit  seines  Namens, 
er  sei  niemand  Anderer  als  Immas  Gemahl  und  beide  die 
Eltern  des  jüngeren  Wilhelm  (IT.),  der  im  Jahre  1016  bereits 
todt  ist,  die  Gemahlin  des  Letzteren  aber  Emma  und  ihr  ge- 
meinsamer Sohn  der  jüngste  dieser  drei  Wilhelme,  Wilhelm  III. 
Man  wird  in  diesem  Schlüsse  noch  bestärkt,  wenn  man  sich 
vergegenwärtigt,  dass  unter  den  Besitzungen  der  Familie  auch 
eine  solche  zu  Geroltesdorf  in  Baiern,  ja  in  der  Bestätigungs- 
urkunde vom  Jahre  1130  sogar  noch  eine  zweite  daselbst,  zu 
Vohendorf,  erwähnt  wird;*  denn  beide  Orte  liegen  im  Land- 
gerichte Berchtesgaden,  Vohendorf  heisst  die  Pfarre,  innerhalb 
deren  sich  die  Abtei  erhob;'  sie  führen  uns  also  gerade  nach 
dem  Stammlande  der  Grafen  Wilhelm  und  Liutolde  und  legen 
den  Gedanken  nahe,  es  seien  hier  Güter  als  Morgengabe  oder 
Witthum  an  die  Gräfin  Imma,  nämlich  von  ihrem  Gemahle 
Wilhelm  I.,  gekommen.  Als  ihre  Ahnen  dürfen  wir  wohl  die 
beiden  Edlen  Zuentibolch  und  Waltun  ansehen  oder  wenigstens 
beide  als  nächste  Verwandte.  Emma  aber,  die  Gemahlin  Wil- 
helms n.,  welche  die  im  12.  Jahrhundert  gefälschten  Urkunden 
Gurks  neptis  Kaiser  Heinrichs  II.  nennen  und  wegen  ihrer  oft- 
maligen Dienste  von  demselben  beloben  lassen,  erinnert  uns  an 
den  pfalzgräflichen  Zweig  des  Aribonenhauses,  der  ja  auch  mit 
demselben  Könige  sehr  nahe  verwandt  war;  und  erwägt  man 
ihren  Aufenthaltsort,  so  möchte  man  sie  wohl  am  ehesten  filr 


^  V.  Jaksch,  Garker  Geschieh tsqu.  1,  52  f.  Nr.  14  u.  15.    J.  Zahn,  Steierm. 

Urkundenbuch  1,  52.  54.     St.  1884.  1985. 
•  V.  Ankershofen,  Reg.,  Nr.  217  (Archiv  6,  201). 
»  Mon.  Boic.  2,  292;  3,  551.  557;    7,  450.  496.     Drei    bairische    Tradi- 

tionsbUcber,  S.  13  u.  40. 


478 

eine  Tochter  oder  Enkelin  des  Pfalzgrafen  Hartwig  I.  halten^ 
dessen  kämtnerischer  Amtsbezirk  ja  an  den  Graf  Wilhelms  II. 
grenzte;  dafilr  spricht  auch  der  Umstand,  dass  ein  Sohn  der- 
selben nach  der  Legende  der  heil.  Emma  Hartwig  heisst.^ 
Jeden&lls  war  sie  eine  Frau  sehr  vornehmer  Herkunft.  Die 
Annahme  zweier  Hemma,  einer  Gemahlin  und  Mutter  Wil- 
helms in.  mit  diesem  Namen,  die  in  den  Urkunden  keine  Be- 
gründung findet,  ist  unnöthig,  denn  selbst  wenn  Hemma,  die 
Mutter  Wilhelms  HI.,  bei  ihrer  ersten  Erwähnimg,  wo  ihr  Sohn 
schon  Graf  heisst,  in  den  Vierzigern  stand,  ist  sie  im  Jahre 
1043,  wo  sie  jedenfaUs  noch  lebte,  erst  in  den  Siebenzigem, 
andererseits  kann  sie  in  den  Neunzigerjahren  des  10.  Jahr- 
hunderts wohl  schon  Wilhelm  II.  geheiratet  haben,  der  im  Jahre 
980  zuerst  als  Graf  erscheint.  Als  Sohn  Wilhelms  I.  kann  dieser 
wohl  keine  andere  Grafschaft  als  Friesach  gehabt  haben,  denn 
die  Grafschaft  im  Chiemgaue  muss  ja  auf  seinen  vielleicht 
älteren  Bruder  Liutold  übergegangen  sein,  die  Grafschaft  Frie- 
sach  liegt  aber  nach  urkundUchem  Zeugnisse  schon  beim  ersten 
Aufbeten  seines  gleichnamigen  Sohnes  in  dessen  Händen.  Sein 
Vater  Wilhelm  I.  hat  jedoch  die  Grafenrechte  in  Friesach  nicht 
besessen  und  ebenso  wenig  die  Edlen  Zuentibold  oder  Waltun, 
d^in  zu  deren  Zeiten  hatte  sie  Graf  (Markgraf)  Liutpold  inne 
und  zu  Inmias  Lebenszeit  ein  Graf  Ratolt.  Dieser  war  ver- 
muthlich  der  gleichnamige  Sohn  des  Grafen  Reginperht,  des 
vieljährigen  Hauptvogtes  des  Erzstiftes  Salzburg,*  und  wie 
dieser  weist  auch  der  Name  Zuentibolch  auf  die  Aribonen  hin. 
Ihnen  lag  es  jedenfalls  viel  näher  als  einem  anderen  Grafen- 
geschlechte,  einen  Sprossen  mit  diesem  Namen  zu  nennen,  und 
in  der  That  treflfen  wir  denselben  nochmals  in  einer  Familie, 
die  aus  dem  Isengaue  stammt,  in  jener  des  Erzbischofs  Oudal- 
bert,  der  einen  Enkel  dieses  Namens,  einen  Sohn  Dietmars, 
hatte,  ein  oftmaliger  Zeuge  in  dessen  Traditionen.*  Zuenti- 
polchs  Besitz  in  Oberösterreich  stimmt  gut  zu  dieser  Deutung.* 
Als  Verwandte  der  Familie  der  Grafen  von  Friesach 
müssen  auch  die  in  den  angeführten  Documenten  vorkonmien- 
den  Vögte  Aribo,  Askuin,  Starchand,  Werigand  und  der  Graf 

'  y.  Ankenbofen,  Geschichte  Kärntens  2,  650. 

•  Jnyayia,  Anh.,  139  Nr.  29. 

»  Ibid.  170  Nr.  86,  168  Nr.  66,  1Ö9  Nr.  67  u.  A. 

*  V.  Jaksch,  Gnrker  Qeschichtsqu.  1,  44. 


474 

Marchwart  gelten.  Ein  Edelmann  dieses  Namens^  der  zu  Un- 
drina  (Ingering)  Eigen  hat,  begegnet  uns  bereits  im  Jahre  930/ 
ein  comes  Marchwart  vor  dem  Grafen  Wilhelm  (I.)  und  nach 
einem  Engelbert,  zwei  Aribonen,  zu  Maria-Saal  im  Zeiträume 
von  963 — 976,*  ein  marchio  Marchuuardus,  in  dessen  Graf- 
schaft Udeldorf  (Nidrindorf)  bei  Amfels  in  Steiermark  liegt, 
im  Jahre  970.  *  Die  Frau  Judita,  die  mit  dem  Grafen  Ottokar 
und  der  Frau  Pilhilde,  Witwe  des  Grafen  Sizo,  imd  ihren 
Söhnen  die  Zustimmung  zur  Schenkung  Kaiser  Heinrichs  III. 
an  Salzburg  betreffs  des  Forstes  am  Traunflusse  gibt  (1048), 
hat  einen  Sohn  Marchwardus.^  Zwei  Marchwarde  erscheinen 
um  1060  in  einem  Vergleiche  Bischof  Ellenharts  von  Freising 
mit  Erzbischof  Gebhard  von  Salzburg  betreffs  Zehente  zu 
Wörthsee,  Katsch,  St.  Peter  im  Holz  und  an  anderen  Orten  in 
Kärnten  und  Steiermark  neben  vielen  anderen  Zeugen  mit  be- 
kannten Namen,  wie  Egilpreht  (Engelpreht),  Hartnit  (Hart- 
wig), Odalschalch,  Meginhart,  Ernest,  Ger  und  Andere,  von 
denen  die  Letzten  um  dieselbe  Zeit  auch  Grafen  heissen.^  Alle 
diese  Marchwarde  gehören  wohl  einer  Familie  an,  die  durch 
ihre  Besitzverhältnisse  und  ihr  Auftreten  sich  genügend  kenn- 
zeichnet, und  sind  verschieden  von  dem  Eppensteiner  Mark- 
ward, dem  Sohne  des  1035  abgesetzten  Herzogs  Adalbero.  ^ 
Der  seltene  Name  findet  sich  überhaupt  nur  noch  in  zwei 
Freisinger  Traditionen  des  10.  Jahrhunderts  flir  einen  Edel- 
mann^ und  in  einer  Urkunde  Admonts  vom  Jahre  (ca.)  1075, 
wo  nach  dem  Grafen  Sigihart  ein  Marchuuart  filius  Ascuini 
sieht. « 

Der  erste  der  obgenannten  vier  Vögte  verräth  sich  wohl 
schon  durch  seinen  Namen  als  Mitglied  des  Aribonenhauses, 
wenn  man  den  Ort  und  Anlass  seines  Auftretens  sich  gegen- 
wärtig hält;  er  kommt  zweimal  als  Hemmas  Vogt  vor.^    Ihren 

*  Juvavia,  Anh.  166  Nr.  80. 
»  Ibid.  198  Nr.  20. 

'  Mon.  Germ,  histor.  Dipl.  1,  530,  „.    J,  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  29. 
St.  483. 

*  Mon.  Boic.  29  a,  90.     St  2347. 

^  J.  Zahn,  Ck>d.  dipl.  Austr.  Fris.  in  Font.  rer.  Aostr.  Dipl.  31,  82.  86. 

«  U.  Wahnschaffe,  Das  Herzogthum  Kärnten  64.   Mon.  Boic.  14,  183.   184. 

f  C.  Meichelbeck,  Historia  Fris.  Ib,  483.  483  Nr.  992  u.  1147. 

*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  95.    Juvavia,  Anh.,  S.  263. 

*  V.  Ankershofen,  Nr.  116  (Archiv  2,  322),  Nr.  116  (Archiv  2,  328). 


475 

Vogt  Askoin  bezeichnet  Hemma  ausdrücklich  als  ihren  con- 
sanguineus  und  zugleich  als  erblichen  Vogt  ihrer  Stiftung;  er 
ist  offenbar  ihr  Hauptvogt  und  nimmt  darum  an  ihrem  Stiftungs- 
werke vorzüglich  Antheil^  wobei  er  auch  einmal  Oraf  genannt 
wird.  ^  Wir  dürfen  ihn  wohl  flir  den  nämlichen  halten  wie  den 
Grafen  Askuin,  der  zu  Radilach  (Radel^  Gegend  zwischen  Am- 
fels  und  Marenfeld  in  Steiermark)  Besitz  hatte  und  mit  dem 
Edelmann  Wezil  verwandt  war^'  und  vermuthlich  haben  wir 
in  ihm  auch  den  Vater  des  oberwähnten  Marchwart  zu  sehen;' 
vielleicht  auch,  wie  Zillner  annimmt,^  in  dem  zweiten  der 
beiden  Zeugen,  die  in  zwei  Traditionen  des  Stiftes  Michael- 
beuem  sich  folgen:  Wezil,  Ascuin  (Aschwin).^  Sehr  zweifel- 
haft bleibt  es  auch,  ob  er  etwa  ein  Sohn  oder  Neffe  des  Grafen 
Askuin,  dem  Kaiser  Heinrich  H.  (1007)  das  praedium  Eringa 
im  Rotachgaue  in  der  Grafschafts  Gerolds  schenkt.^  Jedenfalls 
aber  steht  er  im  nächsten  verwandtschaftlichen  Zusammenhange 
mit  dem  gleichnamigen  Vater  des  Grafen  Weriandus  (1125), 
dessen  Grafschaft  (provincia)  ad  Radelach  gelegen,^  also  in  der 
nämlichen  Gegend,  wo  er  begütert  ist.  Der  Name  ist  noch 
seltener  als  der  Name  Marchwart  und  ebenso  der  mit  ihm  zu- 
sammenstehende Weriant  (Werigand),  wenn  dieser  nicht  mit 
Wezil  identisch  sein  sollte.  Förstemann^  leitet  sie  von  ver- 
schiedenen Stämmen  ab,  mir  scheint  aber  die  Identität  der- 
selben im  HinbUcke  auf  ähnliche  Bildungen,  wie  Heinz,  Kunz, 
Gozilo,  nicht  so  unwahrscheinlich.  Habe  ich  Recht,  dann  tritt 
das  Verwandtschaftsverhältniss  des  Vogtes  Askuin  und  des 
Grafen  Weriant  noch  klarer  hervor;  aber  auch  sonst  wird  man 
beide  ftir  Glieder  derselben  Familie  nehmen  dürfen,  da  sie  in 
derselben  Gegend  Besitz  haben,  und  Weriant,  den  Sohn  des 
Askuin,  etwa  ftir  einen  Enkel  oder  Urenkel  des  Vogtes  Askuin 
halten  dürfen. 


'  Eichhorn,  Beyträge  1,  178.  188;  2,  105.    8.  die  Fussnote  am  Schlüsse 
der  Ahhandlung. 

*  JoTavia,  Anh.,  S.  253  Nr.  25. 

'  J.  Zahn,  Steierm.  Urkandenhach  1,  95. 

*  Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  216  f. 

*  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuern  2,  679  Nr.  1;  2,  684  Nr.  23. 

*  Mon.  Boic.  28b,  334.     St  1451. 

'  J.  Zahn,  Steierm.  Urknndenbnch  1,  128  f. 

*  E.  FOrstemann,  Altdeutsche  Namenb.  1,  1259.  1273. 


476 

Der  älteste  Edle,  Namens  Weriant,  der  uns  begegnet,  ist 
jener  nobilis  vir  Vueriant,  der  flir  den  Fall  seines  eigenen, 
seiner  Gemahlin  Adalsuind  und  seiner  Söhne  (Perhtold  und 
Pemhard)  und  Töchter  Ablebens  (928)  dem  Erzbischof  Oudal- 
bert  (923 — 935)  sein  Eigen  in  loco  Hus  (£[aus  im  Ennsthale 
östlich  von  Schladming)  abtritt  und  dafür  auf  Lebensdauer  für 
sich  und  seine  FamUie  von  demselben  den  Herrenhof  (curtis) 
in  Friesach  bekommt.  Unter  den  vielen  Zeugen  dieser  Hand- 
lung befindet  sich  in  der  zweiten  Reihe  unmittelbar  vor  dem 
Grafen  Sigipold  auch  ein  Starchant.  ^  Dieser  Weriant  kann  um 
so  eher  mit  dem  siebzehn  Jahre  später  in  derselben  Gegend 
auftretenden  Grafen  gleichen  Namens,  in  dessen  Verwaltungs- 
bezirke Kaiser  Otto  I.  eine  Herrenhube  mit  Zubehör  der  Kirche 
zu  Budistdorf  schenkt,  identificiert  werden,  als  damals  zu  Maria- 
Saal,  wenn  nicht  alle,  so  doch  fast  alle  Grafen  Kärntens  ver- 
sammelt sein  mochten  imd  kein  zweiter  Weriant  sich  fand.  ^  Die  zu 
Ehren  der  Gottesmutter  Maria  erbaute  Kirche  zu  Budistdorf, 
der  der  Chorbischof  Gotabert  vorsteht,  ist  sicherlich  die  Kirche 
Maria- Saal,  also  im  pagus  Chrouuat  gelegen,  und  somit  Weriant 
der  Vorgänger  des  bald  darauf  hier  auftretenden  Pfalzgrafen 
Hartwig  I.  Daran  erinnert  schon  der  Name  regimen,  mit  dem 
der  Verwaltungsbezirk  beider  bezeichnet  wird,  denn  dabei  ist 
wohl  nicht  an  die  gewöhnUche  gräfliche  Verwaltung  zu  denken, 
sondern  an  höhere  Rechte  imd  ein  gi'össeres  Gebiet,  da  dieser 
Name  sonst  nicht  vorkommt.  Für  diese  Auffassung  spricht 
noch  die  Verbindung  desselben  mit  dem  Ausdrucke  ministerium 
womit  Grafengewalt  und  Grafensprengel  nicht  selten  bezeichnet 
werden:  ,in  regno  Carentino  in  regimine  eiusdem  fratris  nostri 
et  in  ministerio  Hartwici^*  Kaum  zu  beantworten  sind  die 
Fragen,  in  welchem  Verhältnisse  der  mehrgenannte  Weriant  (I.) 
zu  dem  um  das  Jahr  1000  lebenden  Vogte  des  Stift;es  St.  Peter 
in  Salzburg,  Namens  Weriant  (H.),  steht,*  ob  Letzterer  mit  dem 
maritus  Trutae  muUerculae  clari  generis^  und  mit  dem  Ge- 
mahle  der  Gräfin  Wilbirg,  Schwester  des  Grafen  Eberhard  von 


^  J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbach  1,  21. 
«  Mon.  Germ,  histor.  Dipl.  1,  147.     St.  123. 

•  Ibid.  1,  253,  8.     St.  231.     Vergl.  G.  Waitz,  Verfiiasungsgeschicbte  7,  35. 

*  Juvavia,  Anh.,  S.  291  Nr.  8,  292  Nr.  10  u.  293  Nr.  12.  15. 
6  Ibid.  8.  290  Nr.  3. 


477 

Ebersberg,  ^  zu  identificieren  ist  und  nur  ein  Graf  Weriänt  in 
dieser  Zeit  angenommen  werden  darf.  Bei  der  grossen  Selten- 
heit des  Namens  überhaupt  erscheint  es  nicht  wahrscheinlich, 
dass  damals  zwei  oder  gar  drei  Weriante  sollten  gelebt  haben, 
und  ich  möchte  mich  darum  für  die  Identität  aller  drei  ent- 
scheiden. Jedenfalls  besteht  ein  verwandtschaftlicher  Zusammen- 
hang zwischen  dem  Vogte  von  St.  Peter  und  dem  früher  ge- 
nannten Weriant  (11.)  und  ebenso  wohl  mit  dem  oberwähnten 
Weriant  (UI.),  der  im  Jahre  1130  als  Vogt  des  Stiftes  Gurk 
enthoben  wird  und,  weil  gleichzeitig  und  in  derselben  Gegend 
auftretend,  auch  identisch  ist  mit  dem  Weriandus  comes  ad 
Radelach.  Seiner  wird  zum  ersten  Male  gedacht  im  Jahre  1097, 
wo  er  gemeinsam  mit  seinen  Brüdern  Ulrich  und  Starchand 
den  Erzbischof  Thiemo  von  Salzburg  gefangen  ninunt;'  denn 
bei  der  Lage  ihrer  Besitzungen  und  derer  des  Erzbischofs 
kann  doch  wohl  nur  an  diese  Grafen  gedacht  werden.  Auch 
ist  er  zugegen,  als  Patriarch  Udalrich  von  Aquileja  mit  den 
Gütern  des  Grafen  Cazelin  im  Jaunthale  das  EJoster  Ebem- 
dorf  gründet,'  denn  der  erste  Zeuge  dabei,  Weriandus,  gehört 
schwerlich  der  Familie  der  Grafen  von  Heunburg  an,  wo  dieser 
Name  sonst  sich  nicht  findet.  Aber  auch  der  comes  Wergant 
de  Blaine,  der  als  Zeuge  König  Heinrichs  V.  in  der  Urkunde 
vom  29.  September  1108  für  das  Bisthum  Bamberg  gegen  Ende 
einer  langen  Reihe  von  Fürsten  und  Grafen  und  vor  vielen 
Freiherren  zu  Pressburg  erscheint,*  kann  kaum  ein  anderer 
sein  als  unser  Weriant,  und  ebenso  ist  wohl  in  allen  anderen 
Fällen,  wo  von  nun  an  ein  Graf  Weriant  nördlich  von  den 
Alpen  auftritt,  an  ihn  zu  denken,^  besonders  auch  indem,  wo 
nach  dem  Grafen  Friedrich  von  Tengling  und  dessen  Sohn  Chunrat 
ein  Weregando  comes  als  Dritter  eine  Schenkung  des  Grafen  Udal^ 
Schalk  und  seiner  Gemahlin  Adelheid  von  Suben  bezeugt®  und 
als  ihr  Verwandter  sich  auffassen  lässt.  Wenn  er  nun  seit 
1108  öfter  im  Norden  als  im  Süden  zu  finden  ist,  so  liegt  der 
Gedanke  nahe,  dass  ihn  neuer  persönlicher  Erwerb  oder  Erwerb 


»  Mon.  Boic.  14,  182. 

•  Mon.  Germ,  histor.  Script  11,  56,  {»ff.;  67,  ^ff. 

'  A.  Eichhorn,  Bejträge  znr  Geschichte  n.  Topographie  Kärntens  1,  223. 

*  A.  Meiller,  Babenherger  Reg.,  S.  12  Nr.  6. 

*  Ibid.  8.  13  Nr.  9—11,  15  Nr.  22  u.  16  Nr.  28.  ^ 

•  Mon.  Boic.  4,  617. 


478 

seines  Geschlechtes  nach  dem  Norden  gefUhrt  habe.   Die  Borg, 
wonach   schon   er   selbst  und  dann  seine  Nachkommen,   deren 
vorherrschender  Name  Liutold  ist,  sich  benennen.   Piain,  liegt 
bekanntlich  im  Salzburggau,  und  dort  haben  sie  auch  eine  Graf- 
schaft,  die   zum  Theile   sicher  mit  der  Grafechaft  der  älteren 
Liutolde  zusammenfilUt ;   ein   anderer  Besitz   nördlich  von   den 
Alpen   aber,    Hardegg,   womach   sich  bald   ein   Zweig   nennt, 
liegt  in  Niederösterreich  in   der  Gegend]  von  Retz.^    Dagegen 
scheinen  sie  ihren  ganzen  Besitz  in  Kärnten  verloren  zu  haben. 
Von  dem  noch  nicht  behandelten  Vogte  des  Bisthums  Gurk, 
Htarchant,  ist  uns  nichts  bekannt  als  der  Besitz  dieser  Vogtei;^ 
namentlich  bleibt  auch   dunkel,   wie  dieselbe   auf  den  nächst- 
genannten Vogt  Weriant  gekommen.     Aber  als   sicher   ei^bt 
sich,   dass   er  nicht  mit   Weriants  gleichnamigem  Bruder    zu- 
sammenfallen kann,  denn  dies  ist  schon  der  Zeit  nach  unmöglich. 
Letzterer  überlebte  offenbar  seinen  um  das  Jahr  1130  gestorbenen 
Bruder  Weriant.     Er  wird  einmal  marchio   de  Sonne    genannt 
und   hat   eine    Tochter   Hemma,    die    mit   ihrem    Gatten  Graf 
Wolfrad  von  Treffen  dem  Erzbischof  Konrad  von  Salzburg  1141 
das  Gut  Cest  überlässt,  wogegen  dieser  sie  tam  morum  quam 
generis  nobilitate  inspecta   und  wenn  sie   einen  Sohn  bekäme, 
auch   diesen   auf  Lebenszeit  mit  100  Hüben  belehnte.'    Elinen 
andern  bedeutenden  Besitz,   predium  ad  Radela,  XXX  scilicet 
mansos,    hatte    Graf  Weriant   zur    Sühne    seines    Frevels    im 
Jahre  1097,   der  Gefangennahme   des  Erzbischofs  Thiemo,   an 
dies  Erzstift  übergeben  müssen,^   und  das  ist  wohl  nicht  das 
einzige  Opfer,   das   die   genannte  Gewaltthat   der  Familie   ver- 
ursacht hat,    da  ja   nicht   Graf  Weriant,    noch   der  Markgraf 
Starchand,    sondern    der   nachher  verschollene   Graf  Udalrich 
der  Hauptft'evler  war.     Ich   möchte  vielmehr   annehmen,   dass 
gerade  diese  That  dem  um  das  Ende  des  11.  Jahrhundert  neuauf- 
tretenden  Grafengeschlechte    der  Spanheimer   erwünschte   Ge- 
legenheit  bot,    die  genannten  Grafen  zu   demüthigen   und  sich 
auf  ihre  Kosten  zu  bereichem.    War  ja  doch  ihr  Ueberwinder 


*  J.  Wendrinskj,  Die  Grafen  von  Plain-Hardegg  295  ff. 

*  y.   Jaksch,    G.   (JeschlchtsqueUen    73.     v.   Ankershofen,    Reg.,    Nr.   152 
(Archiv  2,  340). 

■  Ibid.  Nr.  269  (Archiv  6, 224).  v.Hormayr,  Archiv  för  Süddeutschland,  8.247. 
^  J.  Zal^n,  Steierm.  Urkundenbach  1,  182.    Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  39 
Nr.  214. 


479 

Ghraf  Bernhard,  der  Sohn  Engelberts  I.  von  Spanheim  und 
Bruder  der  nachmaligen  Herzoge  Heinrich  und  Engelbert  H., 
and  meldet  ja  von  ihnen  die  Vita  Chunradi  archiepiscopi:  fun- 
ditu8  contriti  sunt  et  ad  nichilum  redacti,  omni  pristina  potentia 
perdita.^  Das  mag  der  Hauptgrund  gewesen  sein,  warum  sich 
Weriant  auf  die  indessen  wohl  freigewordenen  alten  Besitzungen 
des  Oeschlechtes  zurückgezogen.  Was  ihm  nach  dem  Verluste 
an  die  Spanheimer  und  an  die  Kirchen  in  Kärnten  an  Besitz 
etwa  noch  verblieben,  das  mag  an  die  Männer  und  Nachkommen 
der  weiblichen  Sprossen  gekommen  sein,  als  welche  wir  wohl 
aasser  den  Grafen  von  Treffen  noch  die  Grafen  von  Zeltschach* 
and  Heunburg  anzusehen  haben. 

Ean  Glied  der  ersteren  Familie,  Poppe  von  Zeltschach,  ist 
auch  beim  UeberfaUe  auf  den  Erzbischof  Thiemo  betheiligt,* 
und  ihre  Grafschaft  liegt  im  Gebiete  der  ehemaligen  Grafschaft 
Friesach.  Bei  den  Grafen  von  Heunbui^  sind  die  vorherr- 
schenden Familiennamen  Wilhelm  und  Udalrich,  die  mit  anderen 
im  Aribonenhause  vorkommenden,  wie  Friedrich,  Pilgrim,  Poppe 
and  Heinrich,  wechseln.  Allein  Hauptzweige  desselben  oder 
auch  nur  Nachkommen  männlicher  Glieder  dürfen  wir  in 
beiden  schwerlich  suchen.  Denn  beide  treten  zwar  sofort  als 
Grafen  auf,  aber  erst  um  1100  und  haben  nur  kleine  Theile 
älterer  Grafschaften  in  ihren  Händen.  Der  grösste  Theil  der 
ehemaligen  Grafschaft  Friesach,  worin  Zeltschach  liegt,  gedieh 
ja  an  das  Gurker  Stift,  und  die  Grafschaft  Zeltschach  ist  darum 
nur  ein  Rest  jener;  wären  die  Grafen  von  Zeltschach  Spröss- 
linge  von  den  nächsten  männlichen  Verwandten  der  Grafen 
Wilhelme,  dann  hätte  doch  die  Gräfin  Hemma  nicht  so  viel  ver- 
schenken können.  Die  Grafen  von  Heunburg  hatten  auch  nur 
einen  kleinen  Theil  einer  alten  Grafschaft,  des  Lavantalgaues, 
in  ihrem  Besitz,  denn  Schloss  und  Grafschaft  gleichen  Namens 
Hegen  im  Südwesten  derselben  bei  Völkermarkt,  sie  hatten  also 
nicht  einmal  das  den  Wilhelmen  gehörige  Gebiet  von  Trixen 
bekommen,  der  grösste  Theil  dieser  Grafschaft  war  aber  auf 
die  Gräfin  Riccarda  von  Lavant  und  durch  sie  auf  das  fremde 
Geschlecht  der  Spanheimer  übei^egangen.  Ein  altgräfliches 
Geschlecht  sind  die  Heunburger  sicher,  wenn  wir  den  ein  paar 


^  Mon.  Germ,  hutor.  Script  11,  67,  ^. 
«  Ibid.  11,  67,  „. 


480 

Male  im  11.  Jahrhundert  auftretenden  Zeugen  comes  Qer  ab 
einen  ihrer  Ahnen  betrachten  dürfen/  und  entschieden  auf  ver- 
wandtschaftlichen Zusammenhang  mit  den  Aribonen  scUiessen 
dürfen  wir,  wenn  er  der  nämliche  ist  wie  der  gleichnamige  Graf, 
dessen  Sohn  Wilhelm  der  Einweihung  der  Kirche  des  Stiftes  Mi- 
chaelbeuem  im  Jahre  1072  beiwohnt.*  Eher  als  die  Grafen  von 
Zeltschach  und  Heunburg  jedoch  könnten  die  Grafen  von  Treffen 
ein  männUcher  Zweig  des  Aribonenhauses  sein,  denn  ihre  Graf- 
schaft liegt  am  Ossiacher  See  und  also  innerhalb  des  Umfanges 
des  Chrouuatigaues,  und  sie  gehen  seit  ihrem  ersten  Auftreten 
(1128)  im  12.  Jahrhunderte  allen  anderen  Grafengeschlechtem 
Kärntens,  auch  den  (jüngeren)  Ortenburgem  und  Görzem  in 
der  Zeugenreihe  vor,'  sind  also  wohl  das  angesehenste  unter 
ihnen;  doch  auch  ihre  Grafschaft  ist  ein  kleines  Gebiet,  nur 
ein  Gerichtsbezirk  der  Grafschaft  des  Chrouuatengaues,  und  im 
Laufe  der  Zeit  werden  sie  weit  von  anderen  Grafengeschlechtem 
Kärntens,  nicht  allein  von  den  nun  herzoglichen  der  Spanheimer, 
sondern  auch  von  dem  der  Ortenburger  und  Görzer  überflügelt. 
In  dem  Herzen  Kärntens  und  Hauptsitze  der  Aribonen- 
macht  daselbst,  in  dem  Gaue  Chrouuat,  haben  noch  zwei  andere 
aus  dem  südöstUchen  Baiem  stammende  Familien  erhebUchen 
Besitz  erlangt  und  könnten  darum  mit  dem  Aribonenhause  in 
Zusammenhang  gebracht  werden:  die  Familie  der  Stifter  der 
Augustiner-Chorherrenabtei  Reichersberg  und  die  des  Chor- 
bischofs Gotabert,  des  Zeitgenossen  Erzbischofs  Oudalberts  von 
Salzburg.  Dass  jene  mit  der  Familie  der  Wilhelme  und  den 
späteren  Grafen  von  Piain  Beziehungen  hat,  ist  kaum  in  Ab- 
rede zu  steUen,  aber  näher  steht  sie  jedenfalls  anderen  Zweigen 
des  Aribonenhauses,  wie  den  Peilsteinem,  die  später  als  Vögte 
ihrer  Stiftung  erscheinen,*  und  der  Familie  des  Bischofs  Alt- 
mann, die  wie  sie  in  dem  oberen  Drauthale  begütert  ist,  denn 
der  Ort  Radilaha  am  Drauflusse,  wo  bei  der  Theilung  zwischen 


^  J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Anstro-Fris.  in  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  31,  86.  93. 

'  M.  FilsE,  Geschichte  yon  Michaelbeuem  2,  747. 

'  J.  Zahn,  Steienn.  Urkundenbuch  1,  134  f.  138.  185.  197.  214.  235.  327. 
350.  n.  477.  A.  Meiller,  Babenberger  Reg.,  S.  34  Nr.  20;  SaUburger 
Reg.  8.  13  Nr.  75,  15  Nr.  86,  24  Nr.  140,  32  Nr.  179,  33  Nr.  181,  38 
Nr.  213  o.  8.  w.  V.  Ankershofen,  Reg.,  Nr.  216.  220.  236.  283  f.  321. 
327.  330  n.  s.  f. 

*  Mon.  Boic.  3,  427. 


481 

den  Brüdern  Wernher  und  Aribo  der  Letztere  30  Mansen  bekommt, 
ist  wohl  bei  Greifenburg  in  Kärnten  und  nicht  bei  Amfels  in 
Steiermark  zu  suchen,  während  der  Antheil  Wemhers  im  Gaue 
Chrouuati  liegt.  ^  Und  wie  Altmanns  Familie,  so  hat  auch  der 
Stifter  der  Abtei  Reichersberg,  der  ebengenannte  Wemher,  viel 
Besitz  in  der  Gegend  der  Stiftung  in  Oberösterreich  im  Rotach- 
gaue. ^  Als  aber  des  genannten  Aribo  Sohn  Albwinus  der 
neuen  Stiftung  seines  Oheims  13  Mansen  in  Kärnten  vorenthielt 
and  sogar  dieselbe  zu  stören  und  die  Cleriker  zu  vertreiben 
wagte,  da  fand  er  an  Adalbero,  dem  Bruder  Bischof  Altmanns, 
wie  es  scheint,  Unterstützung,  bis  beide  dasselbe  Verderben, 
wie  die  Fundationsurkunde  meldet,  ereilte.  *  Die  Namen  Aribo 
and  Albwin  deuten  auf  das  Aribonenhaus  hin,  und  vielleicht 
ist  der  Graf  Udalricus,  der  nach  obigem  Berichte  gleichfalls 
mit  Albwin  halten  wollte,  kein  Anderer  als  der  bekannte  Graf 
Ulrich  von  Passau,  in  dessen  Lebenszeit  diese  Vorgänge 
sicherlich  fallen  und  dessen  Hauptbesitz  in  der  Nähe  lag. 

Es  erübrigt  am  Schlüsse  dieses  Capitels  noch  die  Frage  zu 
beantworten,  ob  auch  der  Chorbischof  Gotabert,  der  Zeitgenosse 
des  Erzbischofs  Oudalbert,  in  verwandtschaftlichen  Beziehungen 
zu  dem  Ahnherrn  der  Aribonen,  dem  Markgrafen  Aribo,  oder 
zu  dessen  nächstfolgender  Generation  stehe.  Gotabert*  ent- 
stammte jedenfalls  einem  edlen  Geschlechte  und  war  vieUeicht 
vor  seinem  Eintritte  in  den  geistlichen  Stand  Graf.  Er  hatte 
eine  Frau,  namens  Papa,  und  eine  Tochter,  namens  Helsuind, 
die  wieder  einen  Sohn,  Ruodbert,  besass.^  Der  Bischof  war  zu 
Holten  und  Terlan  in  Tirol,  ^  zu  Lobminz,  Graslab  und  Perchau 
in  Steiermark,  zu  Moritzen  und  Holzhausen  im  Salzburgischen,'' 
zu  Hörgolting  bei  Traunstein  und  zu  Zaisering  am  Inn  im 
Chiemgaue,®  zu  Niederheim  im  Pinzgaue,*  begütert:  lauter  von 
ihm  selbst  erworbene  Besitzungen,  darunter  die  tirolischen  von 

^  Mon.  Boic.  3,  399. 
«  Ibid.  3,  400. 
■  Ibid.  3,  401  f. 

•  Vergl.  J.  V.  Eoch-Sternfeld,  Der  Dynast  und  Chorbischof  Gotabert  (Ab- 
handlon^en  d.  histor.   Classe  d.  bair.  Akad.  d.  Wissensch.  5,  2,  1  —24). 

•  Juvavia,  Anh.,  S.  129  Nr.  6. 

•  Ibid.  8.  126  Nr.  1. 
'  Ibid.  8.  126  Nr.  2. 

•  Ibid.  8.  129  Nr.  6,  168  Nr.  66. 

•  Ibid.  8.  169  Nr.  67. 

AreMT.  LXIXIII.  Bd.  II.  H&lfte.  32 


482 

König  Konrad  I.,  zugleich  aber  auch  in  Gegenden,  wo  die 
Aribonen  vorzügUch  Besitz  haben;  die  bei  seinen  Verhandlungen 
auftretenden  Zeugen  sind  zum  Theil  sicher  MitgUeder  des 
Aribonenhauses.  Andere  Anhaltspunkte  fehlen  jedoch  ganz, 
um  ihn  diesem  zuzuweisen,  und  gewiss  sind  Gotaberts  Kach- 
kommen, wenn  sich  sein  Stamm  weiter  fori^epflanzt  haben 
sollte,  nicht  nördUch,  sondern  südlich  von  den  Tauem,  in 
Kärnten  zu  suchen.  Hier  residirt  er  auch  zu  Maria-Saal,  der 
Wiege  des  Christenthums  in  diesem  Lande,  und  fUr  diese  Kirche 
machte  er  noch  im  Jahre  945  von  König  Otto  I.  eine  wichtige 
Erwerbung,  die  schon  erwähnte  Herrenhube  mit  Zubehör  in 
Budistdorf.  ^ 


V. 

Die  Jüngeren  Zweige  des  Aribonenhauses  und  ihre 
nSehsten  Verwandten  im  12.  und  13.  Jahrhunderte. 

Wenn  man  die  Besitzungen,  Eigen,  Lehen  und  Vogteien 
der  pfalzgräflichen  Zweige  des  Aribonenhauses,  der  älteren 
Pfalzgrafen  und  der  Familie  des  Chuno  von  Rot-Vohburg 
und  des  Rapoto  von  Cham,  mit  dem  Besitzstand  einer  Reihe 
von  jüngeren  Grafenfamilien  im  südöstlichen  Deutschland,  der 
Grafen  von  Peilstein,  Burghausen-Schala,  Lebenau,  Piain,  der 
Hallgrafen  und  Grafen  von  Wasserburg,  von  Marcwartstein, 
von  Frantenhausen  und  MegUng,  der  Markgrafen  von  Vohburg, 
der  Grafen  von  Spanheim-Ortenburg,  Falkenstein  und  Lechs- 
gemünde  im  12.  Jahrhunderte  vergleicht,  so  ergibt  sich  die 
kaum  zu  bezweifelnde  Thatsache,  dass  diese  in  vielen  Fällen 
die  Nachfolger  jener  geworden,  dass  sie  also  eine  grosse  Anzahl 
von  Grafschaften  und  Grafenrechten,  von  Schlössern  und  Gütern 
verschiedener  Rechtstitel  und  anderen  Besitz  von  ihnen  über- 
kommen haben.  Das  kann  aber  nach  den  früheren  Er- 
örterungen nur  nach  dem  Erlöschen  der  älteren  Familien,  also 
um  die  Wende  des  11.  und  12.  Jahrhunderts  geschehen  sein, 
und  in  dieser  Zeit  war  die  Erblichkeit  der  Lehen  ,zu  einem 
allgemein    anerkannten  Gewohnheitsrecht'  geworden;    dieselbe 


^  Mon.  Oerm.  histor.  Dipl.  1,  147. 


483 

galt  nicht  blos  mehr  für  die  niehtfÜrstUchen  Lehen^  sondern 
auch  fUr  die  ftirstlichen  stand  sie  bereits  fest.  Auch  die 
Vogteien  von  Kirchen  und  Klöstern  hatten  vielfach  den 
Charakter  der  Erblichkeit  angenommen/  sei  es,  dass  die  Stifter 
solcher  geistlichen  Institute  die  Vogteirechte  sich  für  ihre  Person 
and  ihre  Nachkommen  vorbehielten,  sei  es,  dass  diese  sie  durch 
Zugeständnisse  der  Stiftsvorstände  erwarben  oder  gewaltsam  an 
sich  rissen.  Das  Becht  der  Nachfolge  war  anfangs  allerdings 
auf  die  Abkömmlinge  des  letzten  Besitzers  beschränkt,  allein 
auch  diese  Schranke  wurde  schon  früh  durchbrochen  und  die 
Rechte  der  nächsten  Ascendenten  und  der  Seitenverwandten 
anerkannt;  ja  manche  Lehensherren  Hessen  ihre  Lehen  selbst 
auf  die  Töchter  ihrer  Vasallen  tibergehen,  besonders  wenn  sie 
dabei  das  Becht  erlangten,  den  Töchtern  ihren  Gemahl  zu  be- 
stimmen. Doch  darf  man  Fälle  der  letzteren  Art,  die  Nach- 
folge von  Frauen,  in  Deutschland  wohl  weit  mehr  als  Aus- 
nahmen denn  als  Begel,  wie  in  Italien,  betrachten,  und  darum 
wird  im  Allgemeinen  der  Schluss  gestattet  sein,  dass  die  Nach- 
folger in  den  Lehenrechten  mit  den  Vorgängern  in  männlicher 
Linie  verwandt  und  Erben  derselben  geworden  seien,  wenn 
nichts  für  eine  andere  Art  des  Erwerbes  spricht  oder  der  Besitz 
der  nämlichen  Bechte  anders  sich  erklären  lässt;  sollte  jedoch 
die  Wahrscheinlichkeit  der  Abstammung  von  Männern  gering 
sein,  so  wird  jedenfalls  zunächst  an  Frauen  als  Vermittlerinnen 
des  Besitztiberganges  zu  denken  sein. 

Dass  die  Grafen  von  Peilstein  ein  Zweig  des  Aribonen- 
hauses,  wurde  bereits  frtiher  bemerkt  und  unterliegt  nach  Zillner's 
und  Bichter's  Forschungen  keinem  Zweifel  mehr,  denn  ihre 
Vogteien  wie  ihre  sonstigen  Besitzungen,  die  erst  klarer  sich 
aus  den  nach  ihrem  Erlöschen  zwischen  Salzburg  und  Baiem 
geschlossenen  Verträgen  ergeben,  weisen  ganz  entschieden  auf 
den  pfalzgräflichen  Zweig  des  Aribonenhauses,  auf  die  Pfalz- 
grafen, Namens  Hartwig  und  Aribo,  und  die  Grafen  Sigharde  hin. 
Sie  sind  nach  den  Urkunden  des  Stiftes  Beichersberg  ,advocati 
principales^  des  Erzstiftes  Salzburg  und  zugleich  Vögte  von 
Beichersberg  selbst,  ebenso  der  alten  FamiUenstiftung  der  Ari- 
bonen:  Michaelbeuern;  sie  haben  auch  mannigfache  Beziehungen 
zu  Reichenhall  und  beziehen  eine  Gebtihr  von  sämmtlichen  dem 


^  R.  Schröder,  Deutsche  Reuhtsgeschichte,  1.  Aufl.,  396  ff. 

32* 


484 

Erzbisthume  gehörigen  Pfannen,  die  wohl  auch  von  einem  Vogtei- 
Verhältnisse  herzuleiten  ist.  *  Dass  sie  als  Vögte  von  Reichers- 
berg ftlr  die  nächsten  Verwandten  der  Familie  des  Stifters  an- 
gesehen werden  mttssen,  wurde  schon  betont.  Von  den  Graf- 
schaftsbezirken besitzen  sie  nur  mehr  Unterpinzgau  und  ausser- 
dem die  Schlösser  Amrang  und  Kirchberg,*  die  Mauth  von 
Karlstein  und  das  Gut  Gastein.  Doch  den  Schwerpunkt  ihrer 
Macht  haben  die  Peilsteiner  nicht  wie  ihre  Ahnen  im  Salz- 
burgischen oder  Chiemgaue,  wo  peilsteinischer  Besitz  gar  nicht 
nachweisbar  ist,  sondern  im  fernen  Niederösterreich.  Hier,  im 
Viertel  ob  dem  Wienerwalde  nächst  dem  Zusammenflusse  der 
Mänk  und  Molk  unweit  Weichelbach  liegt  die  Feste  Peilstein  und 
um  sie  die  Grafschaft  gleichen  Namens,  wornach  Friedrich,  der 
Bruder  Sigharts  von  Burghausen  und  Sohn  Friedrichs  von  Teng- 
ling,  sich  zuerst  nennt;*  hier,  westlich  von  der  Ips  nächst  Streng- 
berg, ist  auch  Möring  zu  suchen,  das  einer  Seitenlinie  den 
Namen  gegeben  hat.*  In  diesen  Besitzungen  in  Niederöster- 
reich ist  zum  grösseren  Theile  wohl  neuer  Erwerb  zu  sehen, 
da  bis  in  das  Ende  des  11.  Jahrhunderts  davon  keine  Spur 
sich  findet.  Einzelne  mögen  allerdings  schon  früher  der  Familie 
angehört  haben.  So  wird  als  altes  Erbgut  bezeichnet,  was  Bi- 
schof Heinrich  von  Freising,  ein  Bruder  Friedrichs  I.  Grafen 
von  Peilstein,  und  die  Gemahlin  seines  anderen  Bruders  Sig- 
hard  von  Burghausen,  Gräfin  Ita,  zu  Ramuoldispach  (Ravels- 
bach unweit  Meissau,  noch  ostwärts  vom  Manhartsberge)  an 
das  Kloster  Göttw^ih  schenkten,^  und  vielleicht  ist  auch  als 
solches  zu  betrachten  das  ebenfalls  in  genannter  Gegend  liegende 
Erbe  desselben  Bischofs,  das  von  ihm  an  die  Grafen  Konrad 
von  Peilstein  und  Gebhard  von  Burghausen  und  Heinrich  von 
Schala  gefallen  ist:  die  curtis  Ladestorf  (Ladendorf  an  der 
Zaya  in   der   Bezirkshauptmannschaft  Mistelbach).  ^     Wie  die 


*  E.  Richter,  Untersuchungen  647. 

«  Ibid.  662  f.     Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  262  ff.     R.  v.  Koch-Sternfeld, 

Die  Tanem  200  ff. 
'  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbenern  1,  109.  115.    J.  Wendrinsky,  Die 

Grafen  von  Pellstein  22  ff. 
^  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuem  164  f. 
»  Font  rer.  Austr.  Dipl.,  8,  S.  38  Nr.  163,  47  Nr.  192  n.  66  Nr.  269,  167. 

168.  197. 

*  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuem  2,  701. 


485 

Besitzungen  im  Salzburgischen  auf  die  FamUie  der  Sigiharde 
and  die  der  älteren  Pfalzgrafen  hinweisen,  so  diese  auf  die 
des  Pfalzgrafen  Chuno. 

Aehnhch  wie  mit  den  Peilsteinern  verhält  es  sich  mit  den 
Grrafen  von  Burghausen  und  Schala;   nur   dass  bei  ihrem  Be- 
sitze noch  entschiedener  der  Zusammenhang  mit  den  eben  ge- 
nannten  älteren   Familien   hervortritt.     Die   Grafen   von  Burg- 
hausen  und   Schala  waren  Vögte   von   St.  Peter  in   Salzburg, 
dem   ersten   und   angesehensten   Stifte   des   Erzbisthums/   von 
Ranshofen^    und   Admont;'    sie    hatten    sicher    die   Grafschaft 
Burghausen  und  sehr  wahrscheinlich  auch  die  Gerichte  Wilds- 
hut und  Wald,   die  wohl  beide  dazu  gehörten,  im  Besitze,*  so- 
mit Bezirke   des  Salzburg-   und  Isengaues,   in   dessen  Gebiete 
ja   die  erstere,   im  CSdlargaue,   lagen.     Sie  übten  also    gerade 
da  Grafenrechte   aus,   wo   wir  im  letzten  Viertel  des  11.  Jahr- 
hunderts  einen    Grafen  Udalrich,    ein   Glied   der  Familie   des 
Pfalzgrafen  Chuno,  treffen.     Aber  auch    der  Schwerpunkt   der 
Macht  dieses  Grafengeschlechtes  ist  trotz  des   neuen  Erwerbes 
kaum  mehr  am  Inn,  sondern  gleichfalls  im  fernen  Osten  süd- 
lich der  Donau  zu  suchen;   da  war  die  Grafschaft  Schala,   an 
die  noch  heute  die  Dörfer  Gross-  und  Kleinschollach  (Bezirks- 
gericht Melk)   erinnern,^   denn   gerade   die  Enkel  Sighards  I., 
die  Söhne  Sighards  IL,    Sighard  (HI.)   und   Heinrich,   nannten 
sich  Grafen  von  Schala,  während  der  dritte  Sohn  Sighards  I., 
Gebhard,  den  Titel  Graf  von  Burghausen   flihrte.     Die  Grafen 
von  Falkenstein  hatten   von   den   Grafen   von  Burghausen    in 
orientis  partibus,  wobei  nur  an  Niederösterreich  gedacht  werden 
kann,  400  Mausen  zu  Lehen.  ^    Die  Brüder  Heinrich  und  Sig- 
hard von  Schala  genossen  auch  Patronats-  und  sonstiges  Recht 
über  die  Kirche   zu  Niedernsulz,   die   dann   erbsweise  an   den 
Herzog  Leopold  VI.  fielen.'     So   sehen   wir  also   auch  diesen 
Zweig   der  Aribonen  in  jener   Gegend   begütert,   wo   wir   die 


E.  Richter,  Untersuchungen  646. 

M.  Pilz,    Geschichte   von  Michaelbeuem    1,   126.     J.  Wendrinsky,    Die 

Grafen  von  Peilstein,  S.  8. 

Wichner,  Admont  1,  105.  106.  149.  188. 

£.  Richter,  Untersuchungen  649  ff. 

Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  260  ff. 

Drei  bayerische  Traditionsbücher,  S.  7,  F.  7  a.     Mon.  Boic  7,  440. 

M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuem  1,  140. 


486 

Peilsteiner  und  die  älteren  Zweige  getroflfen  haben^  im  Viertel 
unter  dem  Manhartsberge,  denn  hier  gibt  es  ein  Ober-  und 
Niedemsulz. 

Das  wiederholte  gleichzeitige  Auftreten  der  Grafen  von 
Lebenau  (Liebenau)  mit  den  Grafen  von  Peilstein,  Burghausen- 
Schala,  den  Grafen  von  Piain  und  anderen  Aribonen/  noch 
mehr  ihre  wiederholte  Anführung  in  dem  Necrologium  des 
Stift;es  Seon,  wo  allem  Anscheine  nach  alle  bekannten  Glieder 
der  Familie  verzeichnet  sind  und  wornach  vier  im  Stifte  be- 
graben liegen,*  lassen  sie  schon  als  GUeder  dieses  Hauses  er- 
scheinen. Dass  Hedwig,  die  Gemahlin  Engelberts  H.  von 
Spanheim,  einen  Sohn  Siegfried  gehabt,  ist  urkundlich  be- 
zeugt;' ob  dieser  eine  eigene  Linie  begründet,  die  sich 
nach  dem  bei  Graz  gelegenen  Liebenau  genannt,  will  ich 
nicht  entscheiden;  jedenfalls  wären  dann  diese  Liebenauer 
von  den  obigen  zu  scheiden.  Dazu  kommt,  dass  letztere  auch 
Vögte  über  die  Unterthanen  und  Besitzungen  des  Salzburger 
Domcapitels  und  des  Stiftes  Seon  sind.  ^  Ganz  besonders 
aber  weisen  sie  die  Besitzverhältnisse  den  Aribonen  zu, 
denn  es  gehören  ihnen  die  salzburgischen  Gerichte  Ober- 
und  Niederlebenau,  das  Gericht  Hunsberg,  die  Schranne  Fri- 
dolfing,  wo  ihr  Stammschloss  Lebenau  steht,  und  die  Graf- 
schaft Titmoning.  Das  sind  lauter  Gerichtsbezirke  im  Salz- 
burgischen zu  beiden  Seiten  der  Salzach,  eingekeilt  zwischen 
den  Besitzungen  der  Grafen  von  Burghausen  und  Piain,*  ge- 
rade da  gelegen,  wo  man  die  Grafen  von  Peilstein  am  ehesten 
suchen  möchte,  und  sehr  wahrscheinlich  stehen  sie  auch  diesen 
am  nächsten;  dass  aber  schon  der  bei  ihnen  herrschende  Name 
Siegfried,  wie  Meiller  meint,  darauf  hindeute,®  kann  man 
kaum  behaupten,  da  dieser  Name  im  Aribonenhause  überhaupt 
nur  selten  und  bei  den  Peilsteinern  nur  ein  paar  Male  sich 
findet.''  Die  bekannten  Ministerialen  der  Lebenauer,  die  Herren: 


»  A.  Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  37  Nr.209. 63  Nr.  40. 66  Nr.  62. 68  Nr.  6 1  u.  a.  a.  O. 
«  Necrolog.  Germ.  2,  221.  223.  233.  235.    Mon.  Boic.  2,  169.  161—163. 
'  Urkundenbuch  des  Stiftes  St.  Paul  in  Kärnten  12. 
*  A.  Meiller,   Salzburger  Reg.,  S.  107  Nr.  260.  244  Nr.  826  u.  327.  260 

Nr.  405.  291  Nr.  567. 
^  E.  Richter,  Untersuchungen  653  ff.  661.  Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  269  ff. 
«  A.  Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  474  Nr.  108. 
'  A.  Meiller,  Babenberger  Reg.,  S.  49  Nr.  78.  51  Nr.  83. 


487 

von  Lebenau^  von  Roting^  von  Hunsberg,  von  Nussdorf,  Rutins- 
perch  und  Utendorf  ^  lassen  sich  nur  zum  Theile  als  Bewohner 
ihres  Grafschaftsbezirkes  bestimmen^  ein  Utendorf  liegt  im  Isen- 
gane  im  Bezirksamte  Eggenfelden.  Die  Lebenauer  waren  bei 
ihrem  ersten  Auftreten  entschieden  ein  sehr  angesehenes  Grafen- 
geschlecht, denn  Siegfried  I.  und  Siegfried  II.  erscheinen  wieder- 
holt vor  den  anderen  Grafen  in  der  Zeugenreihe,*  der  letzte 
aber,  der  im  Jahre  1229  gestorbene  Graf  Bernhard,  steht  in 
der  Regel  zuletzt.'  Den  materiellen  VerfaU  bezeichnet  schon 
der  Umstand,  dass  er  die  Vogtei  über  die  Güter  des  Dom- 
capitels  von  Salzburg  an  den  Pfalzgi-afen  Rapoto  verpfändet.* 
Lässt  sich  Besitz  der  Lebenauer  nur  im  Salzburgischen 
nachweisen,  so  erscheinen  die  Grafen  von  Piain  dagegen,  wie 
die  Peilsteiner  und  Burghausener,  wieder  daselbst  und  in 
Niederösterreich  begütert,  doch  ist  ihre  Machtstellung  im  Salz- 
burgischen entschieden  vom  Anfange  an  bedeutender  als  die 
jener  und  wird  es  im  Laufe  der  Zeit  noch  mehr,  da  das  Er- 
löschen jener  Familien  Gelegenheit  zu  neuem  Erwerb  gibt. 
Sie  waren,  wenigstens  zeitweise,  Vögte  von  St.  Peter,  von 
Frauenchiemsee,  von  Michaelbeuem,  wahrscheinlich  auch  von 
Herrenchiemsee  und  endlich  von  den  Besitzungen  des  Dom- 
capitels  im  Chiemgaue  nach  dem  Vertrage  von  12ö4.^  Das 
Stift  Michaelbeuem  bezeichnet  die  Gräfin  Ita  von  Piain  aus- 
drücklich, als  sie  mit  ihren  Söhnen  Graf  Liutold  und  Gebhard, 
Domherr  von  Passau,  die  Pfarrkirche  zu  Sulz  an  dasselbe  um 
das  Jahr  1212  schenkt,  als  eine  Stiftiung  ihrer  Vorfahren,*  und 
als  solche  ist  meines  Erachtens  auch  das  Chorherrenstift  Högel- 
werd  zu  betrachten,  das  von  den  FamiUenmitgliedem  reichUch 
beschenkt  wird,  sie  als  Vögte  ehrt  und  schon  seiner  Lage  nach 
auf  einen  derartigen  Ursprung  hinweist.^  Plainische  Gerichte 
waren  Raschenberg,  Ober-   und  Unterplain  (Grossgemein   und 

^  M.  Filz,   Geschichte  von  Michaelbeuem  2,  713  Nr.  91.     Notisbl.   5,  564 
Nr.  225.     Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  277. 

*  A.  Meiller,  Babenberger  Reg.,  S.  27  Nr.  12    44  Nr.  64.   59   Nr.  18.  — 
Salzburger  Reg.,  S.  37  Nr.  209.  42  Nr.  227.  66  Nr.  52  u.  a.  a.  O. 

'  A.  MeUler,  Babenb.  Reg.  129  Nr.  173,  139  Nr.  216.  Salbb.  Reg.  228  Nr.  260. 

*  A.  Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  291  Nr.  567. 
^  E.  Richter,  Untersuchungen  677. 

*  M.  Filz,  Geschichte  yon  Michaelbeuem  2,  753. 

'  Ibid.  2,  757.  768.  777.  779.  R.  v.  Lang,  Reg.  Boica  3,  32.  Anders  Dr.  Zillner, 
Die  Grafschaften  225. 


488 

Stauffeneck)^  Euchel  (Golling)  und  Grafengaden  (Glaneck)  und 
Unterpinzgau,  lauter  Bezirke  des  ehemaligen  Salzburggaues, 
und  Tetelheim  und  Halmberg^  die  auch  zu  dem  Chiemgaue  ge- 
rechnet werden.^  So  war  ihr  Grafensprengel  entschieden  viel 
ausgedehnter  als  jener  der  Lebenauer,  ja  selbst  ak  jener  der 
Gh^fen  von  Burghausen  und  umfasste  einen  beträchtlichen  Theil 
des  Eronlandes  Salzburg.'  In  den  nach  ihrem  Stammschlosse 
Piain  benannten  Gerichten  Ober-  und  Unterplain,  in  deren 
ersterem  sich  dasselbe  erhob,  hatten  sie  auch  viele  Besitzungen. 
Dass  von  den  genannten  Gerichten  Unterpinzgau  ein  Lehen 
des  Herzogthums  Baiem  gewesen,  wissen  wir  sicher,^  und  auch 
von  der  Mehrzahl  der  übrigen  dürfte  dies  der  Fall  sein;  schwer- 
Uch  ist  im  12.  und  13.  Jahrhundert  eines  noch  reichsunmittel- 
bar gewesen,  und  darum  müssen  jene,  die  nicht  zu  Baiem  ge- 
hört haben,  wohl  als  salzburgische  Lehen  angesehen  werden; 
hatten  ja  die  Plainer  vom  Bh*z8tifte  noch  zahlreiche  andere 
Lehen.  Mit  einer  auch  nur  theilweisen  reichsunmittelbaren 
Stellung  der  Plainer  Ghrafen  lässt  schon  der  Umstand  sich 
schwer  vereinen,  dass  sie  trotz  ihrer  beträchtlichen  Besitzungen 
an  Ansehen  hinter  den  meisten  Grafenfamilien  und  gerade  auch 
hinter  ihren  nächsten  Gesippten,  den  Grafen  von  Bui^hausen, 
Peilstein  und  Lebenau,  zurückstehen,  wie  der  Platz  in  den 
Zeugenreihen  beweist.  Dass  ihre  Grafschaften  innerhalb  des 
Herzogthums  Oesterreich,  einer  ehemaligen  Mark,  nicht  reichs- 
unmittelbar waren,  ist  selbstverständUch,  um  so  mehr,  als  ja 
den  Markgrafen  durch  das  Privilegium  minus  die  ausschliess- 
liche Gerichtsbarkeit  in  ihrem  Gebiete  zugestanden  war.  Hier 
muss  aber  von  ihrem  ersten  Auftreten  an  der  Besitz  der 
Plainer  noch  bedeutender  oder  werthvoller  gewesen  sein  als 
im  Salzburgischen,  und  hat  er  jedenfalls  im  Laufe  der  Zeit 
eine  erhebUche  Erweiterung,  namentlich  durch  das  Erlöschen 
der  Grafen  von  Burghausen  (um  1200)  und  Peilstein  (um  1208), 
erfahren.  Schon  der  erste  bekannte  Graf  von  Piain,  der  früher 
genannte  Graf  Weriant,  bevorzugt  seinen  Besitz  in  Oesterreich, 
indem  er  meist  hier  sich  aufhält  und  die  Verwaltung  der 
salzburgischen    Gerichtsbezirke    seinem    Sohne    Liutold    über- 


^  E.  Richter,  Unterauchungen  666  ff. 

>  Ibid.  Karte. 

»  A.  Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  241  Nr.  319.  242  Nr.  322. 


489 

lässt.^  Es  macht  ganz  den  Eindruck^  als  gälte  es  einen  be- 
deutenden Neuerwerb  seines  Hauses  zu  sichern.  Auch  seine 
Nachkommen  weilen  hier  weit  öfter  als  im  Salzburggaue  und 
betbeiligen  sich  unter  a^en  hervorragenden  Geschlechtern  des 
Landes  am  regsten  an  den  Acten  der  Landesftirsten.  *  Sie  be- 
sitzen da  vom  Anfange  an,  wie  bemerkt^  die  Grafschaft  Har- 
deggy  nach  der  sie  sich  auch  seit  1188  öftiers  benennen/  später 
noch  das  Landgericht  Heybs  bei  ülmerfeld  und  die  Grafschaft 
Peilstein^  herzogliche  Lehen  ;^  ausserdem  haben  sie  vom  Stift;e 
Passau  mehrere  Lehen*  und  in  Oberösterreich  von  Regens- 
barg.  ^  Zahlreich  sind  ihre  sonstigen  Besitzungen  in  Oesterreich^ 
und  darum  erfahren  die  dortigen  Klöster,  wie  Göttweih,  Pemegg, 
Seitenstetten,  Zwetl,  Geras  und  andere,  nicht  selten  ihre  Gunst.'' 
Nach  dem  Verluste  ihrer  Gerichte  im  Salzburgischen  (1228) 
sind  sie  ganz  zu  einem  österreichischen  Grafengeschlechte  ge- 
worden. Nicht  gering  ist  die  Zahl  der  Vasallen  und  Ministe- 
rialen, die  von  ihnen  bekannt  sind,  und  auch  unter  diesen 
finden  wir  die  österreichischen  vorherrschend.  Aber  gerade 
die  älteren  Besitzungen  in  Niederösterreich,  wie  die  Grafschaft 
Hardegg,  und  die  passauischen  Lehen  weisen  entschieden  auf 
den  Besitz  der  Familie  des  Pfalzgrafen  Chuno  daselbst  hin, 
und  darum  möchte  ich  annehmen,  dass  eher  der  Erwerb  eines 
Theiles  dieses  Besitzes,  als  die  Vermählung  des  Grafen  We- 
riant  mit  einer  Erbtochter  aus  der  Familie  der  Herren  von 
Schwarzenburg-Nezta,  wie  Wendrinsky  meint,®  die  Plainer  in 
Niederösterreich  so  begütert  gemacht  habe. 

Als  die  nächsten  Verwandten  der  Grafen  von  Piain  müssen 
nach  den  bekannten  verwandtschaftlichen  Beziehungen  und  den 


^  M.  FilE,  Geschichte  von  Michaelhenern  ],  199.  Dr.  Zillner,  Die  Graf- 
schaften 223. 

'  8.  A.  Meiller,  Babenherger  Reg.,  S.  312. 

'  Urkandenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  2,  409.  410.  A.  Meiller,  Baben- 
berger  Reg.,  S.  82  Nr.  9  u.  a.  a.  O. 

*  J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Austr.  Pris.  in  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  31,  264.  863. 

*  Mon.  Boic.  29  b,  167.  203.  227.  Urkandenbuch  des  Landes  ob  der  Enns 
3,  161.  309. 

*  Quellen  u.  Erörterungen  z.  balr.  n.  deutsch.  G^esch.  5,  207. 

'  Font.  rer.  Austr.  D.  8,  78.  282.  310.  311.  Archiv  för  österr.  Ge- 
schichtsforschung 2,  19.  21  u.  a.  a.  O. 

*  J.  Wendrinsky,  Die  Grafen  von  Flaiu-Hardegg  (Blätter  d.  Vereines  für 
Landeskunde  Niederösterreichs  13,  297). 


490 

Besitzyerhältnissen  die  HaUgrafen  und  Grafen  von  Wasserburg 
gelten.  Der  nähere  Zusammenhang  beider  Familien  lässt  sich 
freilich  sehr  schwer  nachweisen,  namentlich  bleibt  das  Ver- 
hältniss  der  älteren  Grafen,  namens  Liu^lde,  zu  der  Familie  der 
Gräfin  Judita  und  ihres  Gemahles  Sizo,^  die  wir  wohl  als 
die  Stammeltem  der  Hallgrafen  ansehen  dürfen,  gänzUch  dunkel. 
Nicht  zu  bezweifeln  scheint  mir  aber,  dass  in  der  bekannten 
Urkunde  Kaiser  Heinrich  HI.  vom  9.  April  1048,  worin  dieser 
den  schon  von  Otto  I.  im  Jahre  959  an  das  Erzstift  Salzburg 
geschenkten  Traunwald  abermals  an  dasselbe  vergibt,'  Judita 
mit  ihren  Söhnen  ganz  die  Stelle  einnimmt,  die  in  Ottos  I.  Diplom 
der  Graf  Wilhelm  (I.)  innehat,  und  dass  sie  also  dessen  Grafschaft 
vertritt,  wie  der  jüngere  Ottokar  (IH.),  die  des  älteren  Ottokar  (H.) 
und  Pilhilde  mit  ihren  Söhnen,  die  Witwe  des  Gh*afen  Sizo  (IV.), 
die  des  älteren  Sighard  (IH.).  Damach  musste  sie  und  ihre  Söhne 
Sigehard,  Engilbert,  Marchward  und  Meginhard,  Sigeboto,  Ger- 
loho  und  Sigeboldo  die  Gra&chaft  Raschenberg-Teusendorf  und 
Reichenhall  besessen  haben.  Ob  damals  noch  mit  dem  Bezirke 
Reichenhall  die  Plainischen  zusammengehangen,  ist  unerfind- 
lich, aber  wohl  nicht  in  Zweifel  zu  ziehen  braucht  man,  dass 
die  Trennung  dieser  Gebiete  im  engsten  Zusammenhange  mit 
der  Entstehung  der  beiden  Familien,  der  Hallgrafen  und  der 
Grafen  von  Piain,  steht.  Als  den  Begründer  der  Ersteren 
möchte  ich  nun  den  zweiten  der  Söhne  der  Witwe  Judita  an- 
sehen, Engelbert,  und  ftlr  den  nämlichen  oder  dessen  gleich- 
namigen Sohn  wird  man  wohl  den  Grafen  Engelbert  halten 
müssen,  von  dem  die  Confirmationsurkuude  Kaiser  Friedrichs  I. 
ftlr  das  Stift  Berchtesgaden  sagt :  ,omni  jure  foresti  quod  comes 
Engelbertus  suique  parentes  longis  retro  temporibus  per  ter- 
minos  subtus  annotatos  possederant^  ^  Denn  dieser  muss  um 
dieselbe  Zeit  gelebt  haben  und  kann  als  Eigenthümer  des 
grossen  Waldes  von  Berchtesgaden  keinem  anderen  Geschlechte 
angehören.  Juditas  Sohn  Engelbert  dürfte  aber  auch  der 
Graf  gleichen  Namens  sein,  der  zugleich  mit  dem  Vogte  Chuno 
von  Megling  im  Jahre  1068  eine  Urkunde  für  das  Kloster  Au 
bezeugt,  und  identisch  mit  dem  Grafen  Engelbert  sein,  der 
im  Jahre  1075  bei  Homburg   auf  Seiten  Kaiser  Heinrichs  IV. 

*  Mon.  Boic.  3,  3. 

»  Ibid.  29  a,  89.     St  2347. 

'  Mon.  Boic.  29  a,  322. 


491 

gefaUen  ist.*  Noch  viel  sicherer  ist  er  aber  ftür  den  gleich- 
zeitigen Vogt  des  Erzstiftes  Salzburg,  der  gleichfalls  so  heisst, 
zu  halten.'  Für  ein  Mitglied  desselben  Hauses,  vielleicht  für 
dessen  Sohn,  muss  man  wohl  auch  den  Bkllen  Engilbert  halten, 
itLr  dessen  Seelenheil  die  Gräfin  Irmingard  um  1090  zwei 
Mausen  zu  Babinheim  (am  Inn  bei  Wasserburg)  der  Kirche 
Baumburg  schenkt,^  seine  Gemahlin  aber  dürfte  schwerlich 
eine  andere  Persönlichkeit  sein  als  die  Tochter  des  bekannten 
Pfalzgrafen  Chuno,  die  in  zweiter  Ehe  mit  dem  Grafen  Geb- 
hard  von  Sulzbach  sich  vermählt  hat.^  Denn  der  Uebergang 
des  obgenannten  Forstes  in  den  Besitz  des  Beringar  von  Sulz- 
bach, des  Sohnes  der  genannten  beiden  Eheleute,  lässt  sich 
kaum  anders  erklären.  Freilich  ist  dabei  die  weitere  Voraus- 
setzung nöthig,  dass  Irmingards  Kinder  aus  der  ersten  Ehe, 
deren  sie  schon  zu  Lebzeiten  ihres  Vaters  wenigstens  zwei  ge- 
habt hat,^  ohne  Nachkommen  verblieben  und  vor  ihr  selbst 
gestorben  seien.  Auch  lässt  sich  nicht  ermitteln,  in  welchem 
Verhältnisse  diese  beiden  Engelberte  zu  dem  ersten  bekannten 
Hallgrafen,  Namens  Dietricus,  gestanden  sind;^  ebenso  fehlt  es 
an  sicheren  Anhaltspunkten  ftir  die  Zuweisung  zweier  weiterer 
Engelberte  an  dieses  Haus,  nämlich  des  in  einer  Urkunde 
Kaiser  Heinrichs  ftir  Kremsmünster  vom  30.  April  1099  er- 
scheinenden Grafen  Engelbert,  der  mit  dem  Grafen  Pemgar 
dem  Kloster  Güter  im  Traungaue  entzogen  hat,^  und  des 
gleichnamigen  Pfalzgrafen,  der  im  Jahre  1107  als  Zeuge  des 
Bischöfe  Hartwig  von  Regensburg  auftritt»  und  auch  eine  Tra- 
dition an  Michaelbeuem  macht.  ^  Wird  man  jenen  wegen 
seines  Genossen,  der  kein  Anderer  als  Graf  Berengar  von  Sulz- 
bach sein  kann,  eher  dem  Geschlechte  der  Spanheimer  zu- 
weisen und  ftir  den  gleichnamigen  Sohn  des  früher  erwähnten 

*  S.  Riezler,  Geschichte  Baierns  1,  615.  863. 

*  R.  V.  Koch-Sternfeld,  Beyträ^e  2,  76.  J.  Zahn,  Cod.  dipl.  Austr.  Fris. 
1,81  (31,  81).  —  Steierm.  Urknndenbuch  1,77.94.  Jnvavia,  Anh.,  261. 
Wichner,  Admont  1,  31.  36.  37.  43. 

'  Mon.  Boic.  8,  4. 

*  R.  T.  Eoch-Sternfeld,  Zur  näheren  Verständigung  7. 
»  Mon    Boic.   1,  365. 

•  Ibid.  3,  479. 

^  Urknndenbuch  des  Landes  ob  der  Eniis  2,  122.     St.  2944. 

•  Ibid.  2,  127. 

•  M.  Filz,  Geschichte  von  Michaelbeuem  2,  695. 


492 

Freundes  Erzbischof  Gebhards  halten^  so  wird  der  Pfalzgraf, 
trotz  seiner  Zengschaft  Air  den  Spanheimer  Hartwig,  doch  mit 
mehr  Grund  als  Angehöriger  der  Familie  der  Hallgrafen  zu 
betrachten  sein.  Hieftir  spricht  namentlich  folgende  Stelle  aus 
der  Bulle  des  Papstes  Calixt  H.  vom  27.  März  1122:  ,Compe- 
rimus  nobilem  virum  Engilbertum  palatinum  comitem  sancti 
Salvatoris  monasterium  a  suis  parentibus  edificatum.'^  Wenn 
der  Pfalzgraf  Engelbert  der  Familie  der  Hallgrafen  angehört, 
dann  konnte  er  wohl  den  Pfalzgrafen  Aribo  U.  zu  seinen  Ahnen 
zählen,  und  dann  hat  auch  sein  Anspruch  auf  die  Pfalzgrafen- 
würde, nach  dem  Tode  des  Pfalzgrafen  Kapoto,  nichts  Be- 
fremdliches, besonders  wenn  diese  Familie  denen  der  beiden 
Pfalzgrafen  durch  nähere  Yerwandtschaftsbande  verbunden  war 
als  die  der  Sigharde. 

Die  Annahme  eines  nahen  verwandtschaftlichen  Zusammen- 
hanges zwischen  den  früher  erwähnten  Engelberten  und  dem 
ersten  bekannten  Hallgrafen  Dietrich  macht  der  Besitz  des 
Hallgrafenamtes,  und  die  nahen  verwandtschaftlichen  Bezie- 
hungen zwischen  den  Hallgrafen  und  den  Pfalzgrafen  Chuno 
und  Rapoto  die  weiteren  Besitzverhältnisse  in  hohem  Grade 
wahrscheinlich.  Die  Hallgrafschaft,  die  dem  Geschlechte  bis  zu 
seinem  Erlöschen  gehört,  war  im  12.  Jahrhundert  zweifelsohne 
ein  Lehen  der  Herzoge  von  Baiem  und  die  Stadt  Hall  (Reichen- 
hall) und  der  Bezirk  um  sie  wohl  altes  Herzogsgut.  Die  Hall- 
grafen hatten  vor  Allem  die  eigenthümlichen,  aus  dem  Gkwerks- 
verhältnisse  sich  ergebenden  Streitigkeiten  zu  schlichten.*  Doch 
erstreckte  sich  ihre  Amtsgewalt  nur  auf  die  herzoglichen  und 
freien  *  Leute,  nicht  aber  auf  solche,  die  unter  der  Vogtei 
anderer  Herren  standen,  wie  der  Erzbischöfe  von  Salzburg  und 
der  Bischöfe  von  Bamberg.*  Die  Frage,  wie  die  Hallgrafen- 
familie zu  diesem  Amte  gekommen,  ist  mit  voller  Bestimmtheit 
nicht  zu  beantworten;  doch  wenn  man  erwägt,  dass  einst  die 
Familie  der  Liutolde  diesen  Bezirk  mit  dem  Plainer  gemeinsam 
als  eine  Grafschaft  verwaltet  hat  und  in  den  Grafen  von  Piain 
die  Abkömmlinge  dieser  Familie  sieht,  so  liegt  es  gewiss  sehr 
nahe,   in  den  späteren  Inhabern  der  anderen  Hälfte  der  Graf- 


1  ▼.  Ankenhofen,  Geschichte  Kärntens  2,  Reg.,  S.  110. 

'  £.  Richter,  Untersnchangen  674.    Waitz,  Verfassungsgeschichte  7,  54. 

■  £.  Richter,  Untersuchungen  647.  676. 


493 

Schaft  der  Liutolde  einen  anderen  Zweig  derselben  zu  er- 
blicken. Es  spricht  hiefbr  aber  auch  noch  die  Thatsache,  dass 
die  Hallgrafen  mit  Vorliebe  so  sich  nennen^  dass  gerade  die 
äheren  Sprossen  der  Familie  diesen  Namen  vorzüglich  ftthren 
und  nur  jüngere  oder  Seitenzweige  anders  sich  nennen.  Diese 
Thatsache  findet  nur  durch  die  Annahme  genügende  Erklä- 
rung, es  sei  die  Hallgrafschaft  der  älteste,  ja  der  Stammbesitz 
der  Familie.  Damit  ist  die  Lehensabhängigkeit  von  den  bairi- 
schen  Herzogen  nicht  unvereinbar;  waren  ja  im  12.  Jahr- 
himdert  bereits  alle  bairischen  Grafschaften  in  solcher  Ab- 
hängigkeit. ^ 

Dass  der  weitere  Besitz,  den  die  Hallgrafen  bald  nach 
ihrem  ersten  Hervortreten  schon  haben,  viel  bedeutender  als 
die  Hallgrafschaft;,  unterUegt  keinem  Zweifel.  Der  um  die  Mitte 
des  12.  Jahrhunderts  lebende  Graf  Engelbert,  der  Sohn  des 
mehrerwähnten  Dietrich,  besitzt  nach  der  bekannten  Urkunde 
ftr  das  Kloster  Attel  (1146—1158),  deren  Bericht  allerdings 
nicht  authentisch  ist,  aber  doch  nach  anderen  Zeugnissen  sich 
als  im  Wesentlichen  richtig  erweist,  die  Burgen  Wasserburg, 
Viechtenstein,  Ereuzenstein  und  Werberg  mit  ihren  Bezirken.* 
Wasserburg  ist  der  Mittelpunkt  der  gleichnamigen  Grafschaft 
zu  beiden  Seiten  des  Inns,  die  mit  den  späteren  Landgerichten 
Kling  und  Wasserburg  und  mit  der  Grafschaft  Haag  zusammen- 
Mt.  Diese  Grafschaft  ist  offenbar  aus  den  zwei  Nachbargauen, 
dem  Sunder-  und  Chiemgaue,  herausgewachsen,  und  zwar 
gerade  an  einer  Stelle,  wo  schon  die  Gaugrenzen  schwankten, 
wie  der  umstand  zeigt,  dass  der  Ort  Reut  bald  dem  einen, 
bald  dem  anderen  Gaue  zugetheilt  wird;'  sie  liegt  in  einer 
Gegend,  wo  wir  im  10.  Jahrhunderte  Grafen  begegnen,  wie 
Sigihard,  Chadalhoch  und  Ottokar,  die  sehr  wahrscheinlich 
Aribonen  waren,  und  hier  muss  auch  der  Pfalzgraf  Chuno, 
der  Stifter  des  südlich  von  Wasserburg  gelegenen  Stiftes 
Rot,  bedeutenden  Besitz  gehabt  haben,  wenn  er  auch  nicht 
Grafenrechte  geübt  haben  wird.  Auf  dieselben  Familien  weisen 
auch  die  zerstreuten  Güter  und  Ministerialen  hin,  die  die  Hall- 


^  Heigel  u.  S.  Kiezler,  Das  Herzogtbum  Baiern  198  ff. 
'  Oefele,  Geschichte  der  Grafen  von  Andechs,  8.  280. 
»  Mon.   Germ,  histor.  Dipl.   1,  282,  jq»  2,  268,  u-    Mon.  Boic.  28  a,  186; 
286b,  493;  31b,  237.     St.  266.  776.  1760. 


494 

grafen&milie  bereits  im  12.  Jahrhunderte  zu  Rubelingen,  £hol- 
▼ingen  und  Graben  im  Sandergaue/  zu  Bnch^  Prei88enberg(?)y 
Kirchdorf,  Thal,  Doberg,  Edling,  Feldafing,  Viehhausen^  Lai- 
ming,  Lohen,  Staudhaim  und  an  anderen  Orten  in  Oberbaiem,* 
zu  Velden,  Chazpach  und  Milingen  im  Isengaue»  und  zu 
Maichingen,  Grafendorf  und  f^henbach  im  Rotachgaue ^  bat; 
letzterem  gehört  auch  die  neue  fjrwerbung  des  Grafen  Engel- 
bert, die  ihm  seine  Ehe  mit  einer  Tochter  des  Grafen  Dietrich 
von  Viechtenstein  einbringt,  Schloss  und  Bezirk  gleichen  Namens 
(Viechtenstein),  südöstlich  von  Passau  in  Oberösterreich,  an.^ 
Von  den  beiden  anderen  der  oben  genannten  vier  Burgen  des 
Hallgrafen  Engelbert:  Ereuzenstein  und  Werberg,  liegt  die 
erstere  bei  Eomeuburg  in  Niederösterreich  in  der  Nähe  von 
Leobendorf,  ^  wo  Besitz  des  Pfalzgrafen  Chuno  ja  gleichfalls 
bezeugt  ist;  aber  auch  die  Burg  Werberg  glaube  ich  in  einer 
G^end  zu  finden,  wo  der  nämliche  Pfalzgraf  Besitz,  ja  reichen 
Besitz  gehabt  hat;  denn  bei  Wasserburg,  wo  Oefele  sie  sucht,^ 
gibt  es  keinen  bedeutenden  Ort  dieses  Namens,  wohl  aber 
kommt  im  mittleren  Innthale,  zwischen  Hall  und  Schwaz,  eine 
Gemeinde  Werberg  vor,  wovon  bereits  im  12.  Jahrhunderte  ein 
Rittergeschlecht  den  Namen  führt  ^  Für  meine  Ansicht  spricht 
auch  die  Thatsache,  dass  nach  anderen  urkundlichen  Zeug- 
nissen die  HaUgrafen  oder  Grafen  von  Wasserburg  im  Innthale 
nicht  wenig  begütert  sind.  Das  bezeugen  die  Schenkungen  des 
Grafen  Konrad  von  Wasserburg,  der  auch  das  Schloss  Kropfs- 
berg  käuflich  erwirbt,  an  Klöster;  so  überträgt  dieser  an  das 
Kloster  Attel  die  Curie  Ried  im  Zillerthale '  und  an  das  Kloster 
Rot  Zehente  zu  Hopfgarten  und  zu  Westendorf,  dann  drei 
Schwaigen  auf  dem  Werberge.*®    Rots  Besitzungen  auf  dem 


»  Mon.  Boic.  3,  473.  474;  6,  92. 

*  J.  Zahn,  Steierm.  Urkandenbach  1,  248.  249. 

*  Mon.  Boic.  1,  267.  366;  6,  463. 

*  Ibid.  3,  446.  479. 

^  Oefele,  Die  Andechser,  S.  230,  Anm.  1. 

*  Fromme,  Die  Ruine  Kreuzenstein  in  Mittheilungen  des  Alterthumsver- 
eines  zu  Wien  10  (1869),  68  ff. 

*  Oefele,  Die  Andechser,  S.  231,  Anm.  21. 

*  O.  Redlich,  Die  Traditionsbttcher,  Nr.  573. 

*  Mon.  Boic.  1,  280. 
"  Ibid.  1,  379  f. 


495 

Ritten  dürften  wohl  auch,  soweit  sie  nicht  von  dem  Pfistlzgrafen 
Chano  herstammen^  Schenkungen  der  Wasserburger  sein.  Als 
Ministerialen  derselben  sind  zweifelsohne^  wie  die  Werberger, 
auch  die  Herren  von  Matzen  anzusehen;  da  ein  Rittergeschlecht 
dieses  Namens  in  Baiern  sich  nicht  nachweisen  lässt,  so  kann 
nur  das  tirolische  gemeint  sein. 

Wie  die  auseinandergesetzten  Besitzverhältnisse  nöthigen, 
auf  einen   verwandtschaftlichen  Zusammenhang   zwischen   den 
Hallgrafen  und  der  Familie  des  Pfalzgrafen  Chuno  zu  schliessen, 
so  fehlt  es  andererseits  nicht  an  einem  Bande,  das  die  nächsten 
Verwandten  jener,   die  Familie  der  Marcwarde  von  Marcwart- 
stein,   mit   den  Grafen   von  Frantenhausen   und  Herren   von 
Megling    verknüpft,    die    wieder,    wie    später   dargethan  wird, 
mit  dem  genannten  Pfalzgrafen  eines  Stammes  sind.    Als  den 
ersten  Marcwartsteiner  muss  man  wohl  den  früher  angeführten 
Sohn   der  Gräfin  Judita   und  Bruder   des  unmittelbar  vor  ihm 
erwähnten  Engelbert:  Marcward  ansehen,^  und  sein  Sohn  und 
zugleich  der  letzte  dieses  Stammes  dürfte  der  ebenfalls  in  den 
ersten  Traditionen  des  Klosters  Baumburg  genannte  Marcward 
sein,  ftir  dessen  Seelenheil  seine  Gemahlin  Gräfin  Adelheid  zu 
Herigoltingen  (Hörgering,  Bezirksamt  Traunstein?)  Hof,  Mühle 
and  Wald   und   auf  der   anderen  Seite   des  Traunflusses   eine 
Wiese,  Holzantheil  und  einen  Mansus  vergabt,^  seine  Gemahlin 
ist  aber  sehr  wahrscheinlich  die  gleichnamige  Tochter  des  be- 
kannten Grafen  Chuno  von  Frantenhausen,  den  die  Gründungs- 
geschichte des  Klosters  Baumburg  als  comes  illustris  prosapie 
Omnibus  eiusdem  provincie  nobilioribus  sicut  genere,   sie  etiam 
potestate  sua  divitiis  excellens  anführt.^  Die  Grafschaft  Marcwart- 
stein deckt  sich  mit  dem  späteren  Landgerichte  gleichen  Namens 
und    grenzt  im  Osten   an  Plainisches  (Landgericht  Traunstein) 
und    im  Westen   an  Frantenhausen'sches  Gebiet.     Schon  diese 
Lage  lässt  auf  nahe   verwandtschaftliche  Beziehungen  zu  den 
Grafen    von   Frantenhausen    und    von    Piain    schliessen.     Wie 
Marcwartstein  an  die  Familie  gekommen,   darüber   fehlt  jeder 
Aufschluss;   was  aber   die   genannte  Gründungsgeschichte  von 
dem   plötzlichen  Tode  Marcwards  und  seinem  Vermächtnisse  an 


^  JuvavU,  Anh.,  S.  233. 
*  Mon.  Boic.  3,  4. 
»  Ibid.  2,  173. 


496 

seine  Gemahlin  erzählt,  mag  auf  Wahrheit  beruhen,  denn  wir 
sehen  die  Gräfin  Adelheid  und  ihren  dritten  Gemahl  Bemgar 
von  Sulzbach,  sowie  ihre  Tochter  aus  zweiter  Ehe,  Namens 
Uta,  in  der  That  im  Besitze  Marcwartsteins  und  anderen 
Eigens  aus  dem  Nachlasse  Marcwards  (11.).  ^  Ebenso  müssen 
viele  Eigengüter  und  selbst  Grafenrechte  im  nördlichsten  Theile 
der  Grafschaft  des  unteren  Innthales  an  sie  gefallen  sein,  denn 
gerade  zu  Rohrdorf,  dem  Hauptorte  dieses  Landstriches,  beräth 
sich  nach  ihrem  Tode  ihr  dritter  Gemahl  auf  einem  Schrannen- 
gerichte  mit  den  zusammenberufenen  Vasallen  und  Dienstleuten 
über  das  Stiftungswerk,  das  sie  ihm  vor  dem  Tode  dringend 
ans  Herz  gelegt  hatte. '  Es  ist  aber  schwer  zu  entscheiden,  ob 
dieser  Besitz  von  ihrem  Vater  oder  ihrem  zweiten  Gemahle 
stammt.  Hat  auch  hierin  die  Gründungsgeschichte  mit  ihrer 
Angabe  Recht,  die  sie  von  ihrem  Vater  wegen  ihrer  ersten 
Ehe  gänzlich  enterbt  werden  lässt,  dann  kann  derselbe  nur 
von  dem  zweiten  Gemahle,  Ulrich  von  Passau,  stammen. 

Die  Grafen  von  Frantenhausen  und  Herren  von  Megling 
sind  Linien  derselben  Familie,  als  deren  Ahnherrn  man  ziem- 
lich sicher  den  schon  mehrmals  genannten  Chuno  von  Franten- 
hausen, den  Vater  der  Gräfin  Adelheid,  ansehen  darf.'  Die 
eine  derselben  führt  vom  Anfange  an  stets  den  Grafentitel,  und 
die  wenigen  regierenden  Mitglieder  heissen  Heinrich,  die  Herren 
von  Megling  nennen  sich  in  älterer  Zeit  nur  Vögte  von  Meg- 
ling, Grafen  aber  erst  seit  der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts,  und 
ihr  sehr  charakteristischer  Name  ist  Chuno,  der  in  diesem 
Familienzweige  so  regelmässig  wiederkehrt,  dass  sogar  einmal 
zwei  leibliche  Brüder  ihn  führen.*  Weist  schon  eine  so  regel- 
mässige Wiederkehr  dieses  Namens  entschieden  auf  den  Pfalz- 
grafen Chuno  imd  seinen  gleichnamigen  Sohn  hin,  so  noch 
mehr  die  Lage  des  Besitzes  der  Familie.  Ihr  Hauptbesitz  liegt 
nämlich  im  südwestlichen  Theile  des  Isengaues  westwärts  von 
den  Quellen  der  Rota  zwischen  Isar  und  Inn,  in  dessen  un- 
mittelbarer Nähe  die  Burg  Megling  und  das  Stammkloster  Au 
sich  erheben,  während  die  Burg  Frantenhausen  im  Nordosten 


^  Mon.  Boic.  3,  10.  12.    J.  Moritz,  Die  Grafen  von  Sulsbach  92. 

«  Ibid.  2,  176  f. 

•  Ibid.  1,  217;  2,  173. 

*  Ibid.  1,  171.  Drei  bayer.  TraditionsbQcher,  S.  113  Nr.  126. 


497 

seines  Bezirkes  nahe  der  Vils  liegt.  Derselbe  umfasst  die 
späteren  Landgerichte  Vilsbiburg^  Teisbach  und  vermuthlich 
«ich  Neumarkt,  wo  die  Hauptburgen  Frantenhausen  und  Meg- 
üngy  Königswarty  Wörth  und  Teisbach  vorkommen.  Dies  ergibt 
sich  ziemlich  deutlich  aus  der  Schenkung  des  letzten  Sprossen 
dieses  Geschlechtes,  des  Bischofs  Konrad  IV.  (1204 — 1226)  von 
Regensburg  an  sein  Stift  und  aus  einem  Verkaufe  desselben  an 
den  Herzog  Ludwig  I.  von  Baiem.  ^  Damach  besass  derselbe 
aber  auch  die  Orte  Alt-  und  Neubeuem,  und  weitere  Schenkungs- 
acte  lassen  seine  Familie  noch  tiefer  im  Gebirge  und  zugleich 
im  Chiem-  und  an  anderen  Stellen  des  Isengaues  begütert  er- 
scheinen;* somit  durchaus  in  Gegenden,  wo  die  älteren  Ari- 
bonen  ihre  Sitze  haben.  Den  verwandtschaftlichen  Zusammen- 
hang der  FamiUe  mit  dem  Pfalzgrafen  Chuno  setzt  ausser 
allen  Zweifel  die  Urkunde  des  obgenannten  Bischofs  Chuno 
vom  Jahre  1224,  worin  er  ausdrückUch  sagt,  das  Kloster  Rot 
sei  von  seinen  Ahnen  gegründet  (a  progenitoribus  autem  nostris 
fimdate).'  Beide  Familienzweige  zeigen  auch  Beziehungen  zu 
Tirol:  ein  Graf  von  Megling  heiratet  Gräfin  Adelheid  von  Eppan, 
die  Schwester  des  Grafen  Egeno,*  und  ein  Graf  von  Franten- 
hausen hat,  wie  erwähnt,  Besitz  in  Tirol.  ^ 

Muss  nach  den  bisherigen  Erörterungen  ein  beträchtlicher 
Theil  des  Besitzes  nicht  allein  der  älteren  Pfalzgrafen,  sondern 
auch  der  Familien  der  Pfalzgrafen  Chuno  und  Rapoto  an  die 
Orafenfamilien  von  Peilstein,  Burghausen,  Schala,  Lebenau,  Piain, 
Wasserburg,  Marcwartstein  und  Megling  gekommen  sein,  und 
drängt  dieser  Anfall  zur  Annahme  naher  Verwandtschaft,  die 
noch  in  manchen  anderen  Momenten  eine  weitere  Stütze  findet, 
so  ist  andererseits  nicht  zu  bezweifeln  und  theilweise  durch 
Urkunden  erweisbar,  dass  ein  grosser  Theil  des  Nachlasses 
der  beiden  späteren  Pfalzgrafenfamilien,  Chunos  und  Rapotos, 
an  die  Markgrafen  von  Vohburg  und  an  die  bairischen 
Spanheimer    oder    Grafen    von    Ortenburg    gefallen    ist,    und 


>  F.  Jumer,  Geschichte  von  Regensbarg  2,  324  f.  R.  v.  Lang,  Baierns  Graf- 
schaften 162. 
«  Mon.Boic.  8,  10.  63.  64;  1,  129.  130.  137.  189.  141.  14S.  159.  171.  177; 

2,  808.  861. 
«  Ibid.  1,  870. 
*  Ibid.  1,  223  f. 
^  Siehe  oben  8.  460. 
ArehiT.  LXXXm.  Bd.  U.  H&lfte.  83 


498 

Einiges  aus  dem  Nachlasse  der  älteren  Aribonenfamilien  scheint 
auch  in  den  Besitz  zweier  anderer  Familien,  der  Grafen  von 
Falkenstein  und  LechsgemündC;  gekommen  zu  sein.  Die  zwei 
Marken  Cham  und  Vohburg  erbten  die  Vohburger  sicherlich 
sofort  nach  dem  Ableben  Rapotos,  sie  nennen  sich  auch  fortan 
stets  nach  der  einen,  die  ihnen  werthvoller  erschien,  ohne 
Zweifel  waren  aber  diese  nicht  ihr  einziges  Erbe,  denn  die 
ausgedehnten  Güter,  die  sonst  noch  im  Nordgaue,  dann  im 
Egerlande,  in  Baiern,  Schwaben  und  Oesterreich  bereits  in  der 
ersten  Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  ihnen  gehören,  entstammen 
doch  wohl  derselben  Quelle.^  Als  Dietpold  von  Vohburg  mit 
seiner  Gemahlin  Adelheid  im  Jahre  1118  das  Benedictinerkloster 
Reichenbach  stiftete,  stattete  er  dasselbe  nicht  allein  mit  Gütern 
in  Bawaria,  in  Swevia,  in  regione  Egere,  iuxta  Chamb,  sondern 
auch  mit  solchen  in  regione  Rotgowe  (Chindelherin  und  Klu- 
klingen)  und  in  Austria  (Holerbrunen  =  Hollabrunn  und  Wil- 
lolvisdorf  =Fillersdorf),  mit  einem  predium  seines  Ministerialen 
Judenowe  de  Wetirenvelt*  und  ausser  zu  Willolvisdorf  noch 
mit  Gut  zu  Parowi  (östlich  von  Oberhollabrunn)'  aus.  Der 
Nämliche  schenkte  an  das  Kloster  Göttweih  einen  Mansus  zu 
Wielantisdorf  (bei  Oberhollabrunn)*  und  allen  Zehent  von  seinen 
Besitzungen  zwischen  der  Fischa  und  Leitha  und  namentlich 
bei  Heimburg.  ^  Ausser  diesen  und  anderen  Lehen  des  Bis- 
thums  Passau  an  den  Orten  Houilin  (Höflein  bei  Brück  an  der 
Leitha),  Scorrindorf  (Scharndorf),  Arawezital  (Arbesthai,  Filiale 
der  Pfarre  Göttlesbrunn)  und  Ascrichisbrucca  (Stadt  Brück  an 
der  Leitha)  ^  hatten  die  Vohburger  auch  viele  freieigene  Güter 
in  diesen  Gegenden:  bei  Heimburg,  Petronell  und  zwischen 
der  Leitha  und  Fischa,^  Ministerialen  zu  Sanikov  (Zaingrub  süd- 
westlich Hom)®  und  wohl  auch  noch  an  manchen  anderen  Orten. 
So  sehen  wir  also  die  ersten  Vohburger  gerade  da  in  Oester- 

^  V.  Giesebrecht,  Beiträge  zar  Genealogie  in  den  Sitzungsber.  der  k.  b&ir. 
Akademie  der  Wissenschaften  (1870)  1,  579  ff. 

*  Mon.  Boic.  14,  410.  416. 

»  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  8,  172  Nr.  203.     Mon.  Boic.  14,  419.     A.  Meiller, 
Babenberger  Reg.,  S.  228  Nr.  226. 

*  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  8,  36  Nr.  135.  164  f.     Mon.  Boic.  29b,  54. 

*  Ibid.  8,  43  Nr.  175.     Mon.  Boic.  29  b,  54. 

*  Ibid.  8,  2  Nr.  2,  110. 

'  Ibid.  8,  46  Nr.  188;  8,  163.  166.    Mon.  Boic.  29  b,  54. 

*  Ibid.  8,  40  Nr.  161,  159. 


499 

reich  begütert,  wo  es  auch  der  Pfalzgraf  Chuno  gewesen  und 
wo  die  GemaUin  seines  gleichnamigen  Sohnes  und  seines  Nach- 
folgers Rapoto  mehrere  Schenkungen  an  das  Kloster  Göttweih 
gemacht  hat.^  Dass  ihr  Besitz  in  Oesterreich  vom  Anfange 
an  bedeutend  gewesen  sein  muss,  lässt  auch  ihre  wieder- 
holte Anwesenheit  im  Lande  oder  bei  dies  betreffenden  Acten 
schliessen.  * 

Für  die  bairische  Linie  des  Hauses  Spanheim,  die  Mark- 
grafen von  BLraiburg  und  Grafen  von  Ortenburg,  die  daselbst 
sich  ansässig  machen,  ist  vor  Allem  der  Nachlass  des  mit  dem 
Pfalzgrafen  Rapoto  gleichzeitig  gestorbeifen  patruelis  Udalricus, 
des  Ulrich  von  Passau,  in  Anspruch  zu  nehmen,  der  mit  der 
Witwe  des  Grafen  Marcward,  Adelheid  von  Frantenhausen, 
sich  vermählte  und  eine  Tochter  Namens  Uta  hinterliess,  denn 
diese  wurde  die  Gemahlin  Engelberts  II.  von  Spanheim,  des 
Sohnes  des  mehrerwähnten  Engelbert  I.,  und  durch  sie  offen- 
bar gelangten  die  Spanheimer  in  Baiem  zu  dem  ausgedehnten 
Besitze,  den  sie  dort  seit  dem  ersten  Viertel  des  12.  Jahr- 
hunderts haben,  und  durch  sie  vererbten  sich  wohl  auch  die 
Ansprüche  auf  die  Pfalzgrafenwürde  auf  diese  Familie.  Nur 
wenn  eine  nahe  Verwandtschaft  zwischen  den  Familien  der 
P&lzgrafen  Chuno  und  Rapoto  und  den  Spanheimem  besteht 
und  ein  Glied  enge  dieselben  verbindet,  erklärt  sich  die  sonst 
kaum  zu  deutende  Thatsache,  dass  gerade  die  Spanheimer  die 
Nachfolger  jener  in  ihrem  Besitze  in  Baiern  werden,  die  doch 
bis  dahin  dort  nie  zu  finden  sind,  und  wird  es  begreiflich, 
dass  gerade  sie  hundert  Jahre  später  die  Pfalzgrafen  würde 
erstreben  und  erlangen,  obwohl  es  noch  ältere  im  Lande 
wurzelnde  Familien  gibt,  die  eher  zu  dieser  Würde  berufen 
schienen. 

Ueber  die  Abstammung  der  Spanheimer  in  Kärnten  herr- 
schen bis  in  die  neueste  Zeit  verschiedene  Ansichten  unter  den 
Geschichtschrefbem ;  während  Huschberg,  Giesebrecht  und 
Riezler  sie  noch  für  Ortenburger  ansehen  und  aus  Baiern 
stammen  lassen,  haben  schon  v.  Hormayr,  Eichhorn  und  Han- 


^  M.  Felicetti  v.  Liebenfels,  Steiermark  im  Zeiträume  vom  S.  bis  11.  Jahr- 
hundert 1,  33  f. 

*  Urkandenbnch  des  Landes  ob  der  Enns  2,  163.  373.  436.  501.  550.  561. 

575  f.  589  f.    A.  Meiller,  Babenberger  Reg.,  S.  311. 

38» 


500 

sitz^  dann  Neugart ^  und  TangP  und  jüngst  Witte'  ihren  firän- 
kischen  Ursprung  vertreten.  Die  letztgenannten  drei  sehen  alle 
in  dem  fränkischen  Grafen  Eberhard^  der  im  Jahre  1044  auf 
dem  Feldberg  zwei  Stunden  von  Spanheim  den  Gh*und  zu  einer 
Kirche  legt,  den  gemeinsamen  Stammherm  der  Grafen  von 
Spanheim  und  Ortenburg  in  Kärnten^  indem  sie  zwei  Söhne 
desselben;  Siegfried  und  Friedrich^  in  dies  Land  einwandern 
und  mit  einheimischen  Fürstentöchtem  sich  vermählen  lassen. 
Witte  hat  die  Ansichten  seiner  Vorgänger  noch  besser  zu  be- 
gründen und  als  Gemahlinnen  des  einen  der  beiden  Brttder, 
Siegfrieds^  Riccarda  von  Lavant^  als  Frau  des  anderen,  Fried- 
richs, eine  Edle  Namens  Christine  und  beide  als  MitgUeder  des 
Aribonenhauses  nachzuweisen  gesucht.  Gegen  die  fränkische 
Abstammung  des  Stifters  des  Klosters  von  St.  Paul  in  Kärnten, 
Engelberts  I.,  und  seines  Vaters  Siegfried  ist  seit  Neugart  wohl 
kein  emstUcher  Zweifel  verstattet,  und  auch  bezüglich  seiner 
Gemahlin  Riccarda  finde  ich  mich  mit  Witte  in  voller  Ueber- 
einstimmung,  aber  seine  Ansicht  über  die  Abstammung  der 
Kärntner  Ortenburger  von  Friedrich,  dem  angeblichen  Bruder 
Siegfrieds,  sowie  seine  Ansichten  über  den  Zeitpunkt  der  Ein- 
wanderung der  Spanheimer  und  über  die  Abstammung  der  Grafen 
von  Lebenau  (Liebenau)  kann  ich  nicht  theilen.*  Wenn  wirk- 
lich der  Stammvater  der  Grafen  von  Ortenburg  Friedrich  ge- 
heissen  hätte,  so  wäre  es  zum  Mindesten  höchst  auffällig,  dass 
weder  unter  den  Ortenburgern  des  11.,  noch  unter  denen  des 
12.  und  13.  Jahrhunderts  sich  kein  FamiliengUed  dieses  Namens 
findet,  und  dass  auch  in  der  Familie  des  Grafen  Siegfried  dieser 
Name   ganz   fehlt.  ^    Dass   derselbe    aber    dem   Aribonenhaase 


^  P.  Tnidpert  Neugart,  Historia  monasteri  ord.  S.  Benedict!  ad  S.  Paulom  5  f. 

'  K.  TaDgl,  Die  Grafen  von  Ortenburg  im  Archiv  für  k.  Oaterr.  Geschichts- 
forschung 30,  227  ff. 

'  Heinrich  Witte,  Ueber  die  älteren  Grafen  von  Spanheim  nnd  verwandte 
Geschlechter  in  Zeitsch.  f.  Geschichte  d.  Oberrheins,  N.  F.  11,  162.  203  ff. 

^  Ueber  die  Lebenaner  (Liebenaner)  siehe  S.  4S6. 

*  Wenn  Witte  den  Kölner  Erzbischof  Friedrich  (1099—1131)  m  einem 
Sohne  Engelberts  I.  macht,  so  kann  ich  ihm  auch  hierin  nicht  rnn- 
stimmen.  Einmal  scheint  mir  schon  die  Quelle,  Alberich  von  Trois- 
Fontaines,  wegen  der  Verwechslung  Friauls  mit  Istrien,  nicht  so  glaub- 
würdig wie  ihm,  und  dann  konnte  Friedrichs  Name  in  den  Traditionen 
von  St  Paul,  wo  alle  anderen  SOhne  Engelberts  vorkommen,  doch  kaum 
fehlen.    Jedenfalls  aber  hätte  Friedrich  als   Sohn  Engelberts  L    nicht 


601 

nicht  fremd  ist,  im  Ghgentheile  da  öfter  vorkommt^  wurde 
schon  früher  gezeigt.  Auch  liegt  es  gi^wiss  viel  näher,  in  dem 
Zeugen  Friedrich  der  Stifterin  des  Klosters  St.  Georg  am  Läng- 
see einen  Aribonen,  einen  nahen  Verwandten  der  Familie  der 
Gräfin  Wichburg,  zu  sehen,  wie  ich  oben  gethan,  als  einen 
Fremden,  der  erst  durch  seine  Frau  der  Familie  näher  ge- 
treten. Dasselbe  gilt  wohl  von  dem  Fridericus,  filius  comitis 
Epponis,  dem  Gemahle  Christinens,  den  Witte  gleichfalls  mit 
dem  angebUchen  Bruder  Siegfrieds  von  Spanheim  identificiert, 
obwohl  zwischen  beiden  Fällen  ein  Zeitraum  von  nahezu  vierzig 
Jahren  liegt.  Wie  kann  von  diesem  gesagt  werden,  dass  der 
Erzbischof  Hartwig  (991 — 1023)  ,ftiit  suus  quondam  secundum 
carnem  cognatus^,  wenn  der  Letztere  mit  ihm  blos  durch  seine 
Gemahlin  Christine  oder  gar  nur  durch  seines  Bruders  Frau 
Biccarda  zusammenhängt?  Dass  zur  Zeit  des  Spanheimers 
Eberhard  oder  Eppo  auch  ein  Mitglied  des  Aribonenhauses 
dieses  Namens,  nämlich  des  Pfalzgrafen  Aribo  I.  Bruder 
Eberhard  lebt,  daran  soll  nur  erinnert  sein.^  Nach  dem  Ge- 
sagten dürfte  es  kaum  zweifelhaft  sein,  dass  ftir  einen  Fried- 
rich von  Spanheim  nichts  spricht;  Witte  ist  ja  selbst  in  seiner 
Ansicht  nicht  ganz  sicher,  wie  ein  paar  Stellen  seiner  Erörte- 
rung darthun.  Selbstverständlich  findet  sich  kein  Beweis  ftir 
Tangl's  Behauptung,  Friedrich  sei  mit  einem  Theile  des  Lum- 
gaues belehnt  worden;  nach  den  früheren  Erörterungen  wäre 
kaum  ein  solcher  noch  frei  gewesen. 

Was  den  Zeitpunkt  der  Niederlassung  der  Spanheimer 
in  Kärnten  anbelangt,  so  ist  [derselbe  mit  dem  Ende  des  10. 
oder  Anfange  des  11.  Jahrhunderts  entschieden  viel  zu  ftnh 
angesetzt.  Dass  bereits  Eberhard  von  Spanheim  in  Kärnten  ge- 
wohnt, nehmen  auch  Neugart,  Tangl  und  Witte  nicht  an,  wenn 
ich  sie  richtig  verstehe,  und  hieflir  lässt  sich  auch  gar  nichts 
geltend  machen.  Dass  aber  dessen  Söhne  Siegfried  und  Fried- 
rich schon  zu  den  Zeiten  des  Erzbischofs  Hartwig  nach  Kärnten 
übersiedelt,  steht  ihnen  fest.  Diese  Anschauung  beruht,  ausser 
auf  der  früher  berührten  Zeugschaft  eines  Grafen  Friedrich  in 


nach  dem  bairischen  Schlosse  Schwarzenberg  genannt  werden  kOnnen, 
das  erat  sein  Bruder  Engelbert  II.  durch  seine  Frau  Uta  von  Kraiburg 
(oder  vielleicht  gar  erst  der  jüngere  Rapoto  I.)  für  das  Haus  er- 
worben hat  (S.  Zeitschrift  für  die  Geschichte  des  Oberrh.  N.  F.  11,  223). 
»  Necrolog.  Germ.  2,  222  (4.  April). 


502 

den  Urkunden  Wichburgs  flir  St  Georgen  noch  auf  der  Notiz 
des  Nekrologs   von  St.  Paul  über  Siegfrieds  Vermählung   mit 
der  Gräfin  Riccarda^  womach  Erzbischof  Hartwig   selbst   die 
Beiden  getraut  haben  soll.     Aber  diese  Notiz  verdient  jeden- 
faUs  nicht  unbedingten  Glauben,  denn  bekanntlich  hat  das  ge- 
nannte Necrologium  erst  d^er  Abt  Hieronymus  Marchstaller   im 
Jahre  1619  verfasst,  und  es  lässt  sich  nicht  beweisen,   dass  er 
dabei   ein  älteres   Necrologium  habe    benützen    können,    wohl 
aber  steht  fest,  dass  er  viele  Ansätze  ganz  willkürUch  gemacht, 
wie  gerade  die  über  die  Mitglieder  der  Familie  Engelberts  I., 
die  fast  alle  im  Januar  eingetragen  sind,  und  dass  einzelne  ent- 
schieden unrichtig  sind.^    Jedenfalls  müsste  Siegfried,  wenn  er 
sich  noch  zu  den  Zeiten  Hartwigs  vermählt  hat,  ziemlich  jung 
gewesen  sein  und  noch  jünger  sein  angeblicher  Bruder  Fried- 
rich,  der  ja  als  der  Jüngere  gilt,  da  jener  erst  im  Jahre  1065 
gestorben  ist.    Wie  hätte  aber  dann  dieser  Friedrich  schon  so 
stark    hervortreten   können,   und   warum   sollte  man  von  Sieg- 
fried nicht  mehr  hören?    Sicher  wissen  wir  nur,  dass  letzterer 
gegen  Ende  seines  Lebens  im  Lavantthale  sich  aufgehalten  hat, 
wo   er  die   Kirche   St.  Paul  angefangen,   und   dass   seine   Ge- 
mahlin,  als   er  auf  dem   Rückwege   von   der  im  Jahre    1064 
unternommenen   Pilgerfahrt  nach  Jerusalem   in   Bulgarien    ge- 
storben war,  seinen  Leichnam  ausgelöst  und  ihn  in  der  Kirche 
von  St.  Paul  beigesetzt  hat.*   Derselben  Quelle  entnehmen  wir, 
was  von  Riccarda  noch  weiter  überliefert  ist,  wie  sie  nach  dem 
Tode   ihres  Gemahles  nach  St.  Jago  di  Compostella  gepilgert, 
auf  dem  Heimwege  ihre  Verwandten  am  Rheine  besucht  und 
dort  gestorben  und  begraben  worden  sei,  wie  dann  aber  in  der 
Folge  ihr  Sohn  Hartwig,  Erzbischof  von  Magdeburg,  ihre  Ge- 
beine  im   Schlosse   Spanheim   habe   ausgraben,   nach  St.  Paul 
überbringen  und  an  der  Seite   ihres  Gemahles   habe   beisetzen 
lassen.     So  fehlt  es  an  jedem  sicheren  Anhaltspunkte  für    eine 
so   frühe  Niederlassung  Siegfrieds  in  Kärnten,   im  Gegentheile 
scheint  mir  viel   wahrscheinlicher,    dass    er  erst   gegen   £nde 
seines   Lebens    an    dem    Geburtsorte    seiner   GemahUn    seinen 
dauernden  Aufenthalt  genommen,  vielleicht  erst  nach  dem  Tode 

^  Necrologium  des  Benedictixierstiftes  St.  Paul,  bearb.  von  Beda  Schroll  im  Ar- 
chiv far  Vaterland.  Geschichte  u.  Topographie  Kärntens  (1866)  10,  33 — 240. 

*  Beda  Schroll,  Urkundenbuch  des  Benedictinerstiftes  St  Paul  in  Kärnten 
in  Font.  rer.  Austr.  Dipl.  39,  10  f. 


503 

seines  Schwiegervaters^   den  Abt  HieronTmos  Heinrich   nennt. 
HiefUr  spricht  vor  Allem^  ausser  den  schon   bemerkten  Um- 
ständen, die  ganz  auffällige  nachdrückUche  Betonung  der  frän- 
kischen Herkunft  der  Familie,  wie  sie  nicht  bei  einem  anderen 
Geschlechte,   das  in  der  Fremde  sich  niedergelassen   hat,  sich 
finden   dürfte.     Während   sonst  nach   ein  paar  Decennien  des 
fremdländischen  Ursprungs  einer  Famihe  kaum  mehr  gedacht, 
ja  dieselbe,  wie  z.  B.  die  naheliegende   der  Markgrafen  von 
Istrien  aus  dem  Hause  Weimar-Orlamünde,  schon  als  einheimisch 
betrachtet  wird,  sollte  bei  den  Spanheimem  nach  einem  hundert- 
jährigen Aufenthalte  in  Kärnten  noch  immer  ihre  Abstammung 
aus  Franken  so  hervorgehoben  worden  sein?    Denn  es  wird 
nicht  allein  ab  Siegfrieds  natale  solum  ausdrücklich  das  spanhei- 
mense    castrum^   bezeichnet,    sondern  auch  sein  Sohn  Engel- 
bertus  (I.)  heisst  ex  patre  Sigfrido  francorum  civis*  und  dessen 
Bruder  Hartwig,  Erzbischof  von  Magdeburg  vir  de  pnncipibus 
Francorum  nobilitate  clarissimus,^  ja  noch  eines  anderen  Bruders 
Hermann  Tochter  Richardis  de  Franconia.*     Wie  hätten  Sieg- 
frieds Söhne  und  EnkeUn  noch  Franken  genannt  werden  können, 
wenn   dieser  seit  seiner  Vei*mählung  mit  Riccarda  in  Kärnten 
gewohnt  und  Engelbert  I.,  Hartwig  und  Hermann  daselbst  auf- 
gewachsen wären?     Selbst  Graf  Engelbert  lässt  sich  vor  dem 
letzten  Jahrzehnte  des  11.  Jahrhunderts  nur  einmal,  als  Zeuge 
des   Erzbischofs   Gebhard  von   Salzburg  (1066— 1088)  ^  nach- 
weisen.    Doch   will   ich   damit   nicht  in   Abrede    stellen,    dass 
Engelbert  I.  bereits  ganz  ELämten   angehört;   er  hat  offenbar 
das   reiche  Erbe  seiner  Mutter  angetreten,    denn  schon    sein 
erstes  Auftreten  lässt  ihn  als  einen  mächtigen  Herrn  erscheinen: 
die  Zurückftihrung  des  verbannten  Erzbischofs  Gebhard  auf  seinen 
Bischofsstuhl.^  Durch  seine  Mutter  Riccarda  war  sein  Geschlecht 
unter  allen  Geschlechtern  Kärntens  das  bedeutendste  geworden, 
wie  folgende  Stelle  des  Urkundenbuches  von  St.  Paul  bezeugt: 
matre  Rihkarda  maiorum  Karinthie  primus',^  und  mit  grosser 


»  St  Paul,  ürkundenbuch,  8.  10  Nr.  7. 
«  Ibid.  S.  4  Nr.  2. 

*  Hon.  Germ,  histor.  Script  14,  404,  j. 

*  Ibid,  16,  326,  m. 

»  NotUbl.  6,  67  Nr.  134. 

*  S.  Riezler,  G^eschiohte  Baiems  1,  660  f. 
'*  St  Paal,  Urkundenbucb,  S.  4  Nr.  2. 


504 

Wahrscheinlichkeit  auch  durch  deren  Abstammung  berufen, 
die  Rolle,  die  einst  da  die  Aribonen  gespielt  hatten,  zu  über- 
nehmen. Denn  nicht  allein  die  in  seinem  G-eschlechte  öfter 
wiederkehrenden  Namen  Hartwig,  Engelbert,  Rapoto,  Sig- 
hart  und  Andere  weisen  bestimmt  genug  auf  das  Aribonenhaus 
hin,  sondern  auch  die  Besitzungen,  die  es  bei  seinem  ersten 
Auftreten  hat.  Allerdings  der  Hauptbesitz  im  Lavantthale  bietet 
kaum  einen  greifbaren  Anhaltspunkt,  allein  Engelbert  I.  and 
seine  Söhne  sind  auch  ausserhalb  dieses  Thaies  in  Kärnten  be- 
gütert, wie  im  Bezirke  St.  Veit  und  in  der  Gegend  von  Klagen- 
furt,^  wo  Graf  Bernhard  viele  Güter  an  seine  Stiftung,  das 
Kloster  Victring,  schenkt,*  dann  insbesondere  im  südlichen 
Steiermark  bei  Marburg'  und  in  Oberösterreich  am  Haus- 
ruckwalde.  Graf  Bernhard  wird  wiederholt  comes  de  E^arinthia 
genannt,*  was  auf  eine  hervorragende  Machtstellung  gerade 
im  Herzen  Kärntens  schliessen  lässt,  und  die  Vogtei  über 
St.  Georgen  am  Längsee,  die  Stiftung  der  Gemahlin  des  Lum- 
grafen Otwin,  geht  gleichfalls  auf  diese  Familie  über.^  Manche 
von  den  Besitzungen,  die  die  Spanheimer  bereits  in  der  ersten 
Hälfte  des  12.  Jahrhunderts  zu  den  ihrigen  zählen,  mögen  aller- 
dings spätere  Erwerbung  sein  und  nicht  von  ihrer  Ahnfrau 
herstammen,  denn  die  Gelegenheit  zu  neuem  Erwerb  war  da- 
mals in  Kärnten  ftlr  ein  aufstrebendes  Geschlecht  ausserordent- 
lich günstig,  da  ja  im  Anfange  des  12.  Jahrhunderts  zwei  ältere 
Grafenfamilien,  die  Familie  Bischof  Altmanns  und  die  älteren 
Ortenburger,  erloschen  und  drei  andere  den  Schwerpunkt  ihrer 
Macht  entweder  schon  in  ein  Nachbarland  verlegt  hatten,  wie 
die  Grafen  von  Tirol  und  Görz,  oder  eben  es  thun  mussten, 
wie  die  Grafen  von  Piain.  Allein  trotz  aller  Gunst  der  Ver- 
hältnisse und  aller  Erwerbstüchtigkeit  wäre  es  doch  den  Span- 
heimem  schwerlich  gelungen,  in  wenigen  Decennien  eine  solche 
Machtstellung  in-  und  ausserhalb  Kärntens  zu  erringen,  wenn 
sie  nicht  allerlei  verwandtschaftliche  Beziehungen  und  damit 
verknüpfte    mehr   oder   weniger    begründete    Rechtsansprüche 

^  St.  Paul.  Urkundenbuch  7  ff.    ▼.  Ankerahofen,  Reg. 

*  ▼.  Ankershofen,  Reg.,  Nr.  261.  262.  268.  270.  800  (ArchiT  fttr  Osterr.  Ge- 
schichtsforschung 5,  225.  227.  229.  281.  249). 

*  ▼.  Ankerahofen,  Reg.,  Nr.  184.  189.  194.  199.  204  a.  a.  a.  O. 

^  Ibid.  Nr.  258.  275  (Archiv  fQr  Osterr.  Geschichtsforschung  5,  219.  288). 
^  A.  Meiller,  Salzburger  Reg.,  S.  69  Nr.  66. 


505 

mächtig  gefördert  hätten.  Diese  waren  aber  gewiss  nicht  in 
geringem  Masse  vorhanden  im  Falle^  dass  Riccarda^  ihre 
Stammmutter,  dem  Aribonenhanse  entstammte  oder  wenigstens 
mit  Gliedern  desselben  verwandt  war.  Dann  befremdet  es 
nicht  mehr,  sie  die  Ahnfrau  dreier  hervorragender  FamiUen 
werden  zu  sehen,  denn  nach  meiner  Ansicht  sind  nicht  aliein 
die  Herzoge  Kärntens  aus  dem  Hause  Spanheim,  die  fast  ein 
und  ein  halbes  Jahrhundert  dies  Land  regieren  (1122 — 1268), 
und  die  Markgrafen  von  Kraiburg  und  Grafen  von  Ortenburg 
in  Baiern,  durch  fast  70  Jahre  zugleich  Markgrafen  von  Istrien, 
sondern  auch  die  Ortenburger  in  Kärnten  Sprossen  des  Ge- 
schlechtes Engelberts  I.  von  Spanheim.  Dass  von  einer  anderen 
Frau,  Engelberts  I.  Gemahlin  Hedwig,  kein  grösserer  Besitz 
an  die  Familie  gekommen,  scheint  mir  zweifellos,  auch  wenn 
sie  eine  Schwester  des  letzten  Eppensteiners  gewesen  sein 
soUte,  was  durchaus  nicht  feststeht.^ 

Der  im  Jahre  1096  gestorbene*  Engelbert  I.  hinterliess 
von  seiner  GemahUn  Hedwig  bei  seinem  Tode  flinf  schon  her- 
angewachsene Söhne:*  Engelbert,  Siegfried,  Bernhard,  Heinrich 
und  Hartwig,  von  denen  der  älteste,  Engelbert  H.,  sich,  wie 
erwähnt,  mit  Uta,  der  Tochter  des  Grafen  Ulrich  von  Passau, 
vermählte  und  der  Stammvater  der  Herzoge  von  Kärnten  und 
der  Grafen  von  Ortenburg  in  Baiern  wurde.  Spätestens  im 
Jahre  1105  Markgraf  von  Istrien  geworden,*  bestieg  er  im 
Jahre  1 124  an  Stelle  seines  nur  kurze  Zeit  regierenden  Bruders 
Heinrich  (1122 — 1124)  den  Herzogsstuhl  von  Kärnten,  entsagte 
aber  dieser  Würde  im  Jahre  1134  und  zog  sich  als  Mönch  in 
das  Kloster  Seon  zurück  und  starb  daselbst  am  13.  April  1141.^ 
Er  hatte  aus  seiner  Ehe  mit  Uta  ebenfalls  fünf  Söhne:  Ulrich, 
Engelbert  (IH.),  Hartwig,  Rapoto  und  Heinrich.  Ulrich  folgte 
ihm  auf  dem  Herzogsstuhle,  Engelbert  (HL)  wurde  sein  Nach- 
folger als  Markgraf  von  Istrien  und  übernahm  auch  das  Erbe 


^  Siehe  6.  Schroll,  Necrolog^um  im  Kärntner  Archiv  10,  95  f. 

'  St.  Paul,  Urkundenbnch,  S.  10  Nr.  6,  Anm.  2. 

3  Ibid.  3, 14  f.  T.  Neugart,  Historia  26.  v.  Ankershofen,  Reg.,  Nr.  184  (Archiv 

für  98terr.  Geschichtsforschung  5,  182  ff.). 
*  U.  Wahnschaffe,  Das  Herzogthum  Kumten  76,  Anm.  228.     St.  Paul,  Ur- 

kundenbuch,  S.  22,  Anm.  2. 
^  B.  Schroll,  Die  Herzoge  von  Kärnten  aus  dem  Hause  Spanheim  in  Ca- 

rinthia  (1873)  63,  49  ff.     Mon.  Boic.  2,  159;  14,  379. 


506 

ihrer  Matter  in  Baiem,  das  er  jedenfalls  in  der  Folge  mit 
seinem  jüngeren  Bruder  Rapoto  theilen  musste;  dieser  wurde, 
während  Hartwig  und  Heinrich  dem  geistlichen  Stande  sich 
widmeten,  der  Begründer  des  bairischen  Grafenhaases  von 
Ortenbarg.  Es  ist  jedoch  kaum  zu  bezweifeln,  dass  auch  die 
kämtnerische  Grafenfamilie  gleichen  Namens  dem  Geschlechte 
der  Spanheimer  entstammt,  wenn  es  auch  nicht  möglich  ist, 
ein  bestimmtes  Glied  desselben  als  deren  Ahnherrn  zu  be- 
zeichnen. 

Der  Name  ,Grafen  von  Ortenbarg'  rührt  sonder  Zweifel 
von  dem  am  Ende  des  11.  Jahrhunderts  sicher  schon  bestehen- 
den Schlosse  in  Kärnten  im  ehemaligen  Lumgaue,  südwestlich 
von  Spittal  im  Drauthale,  her,  denn  eine  andere  Burg  dieses 
Namens  ist  weder  in  Kärnten  noch  in  Baiem  in  den  ersten 
Decennien  des  12.  Jahrhunderts  zu  finden.  Da  nun  aber  seit 
der  Mitte  des  12.  Jahrhunderts  auch  in  Baiem  eine  Grafen- 
famüie  sich  so  nennt  und  diese  nachweisbar  aus  Kärnten 
stammt,  so  muss  man  wohl  schliessen,  dass  sie  den  Namen  von 
dort  übertragen  und  also  auch  einmal  das  dortige  Ortenburg 
besessen  habe.  Sonst  hätte  sie  wohl  schwerlich  diesen  Namen  von 
einem  Schlosse  in  Baiem  geschöpft.  Ein  solcher  Besitzwechsel 
stimmt  auch  gut  zu  der  Thatsache,  dass  durch  vier  Decennien 
Grafen  von  Ortenburg  weder  in  Kärnten  noch  in  Baiern  auf- 
treten, und  dass  dann  gleichzeitig  sowohl  hier  als  dort  Orten- 
burger  genannt  werden;  diese  Thatsache  erscheint  mir  viel 
unerklärlicher,  wenn  zu  Ortenburg  in  Kärnten  damals  immer 
ein  imd  dasselbe  Geschlecht  sass.  Auch  die  Art  des  Auftretens 
der  ersten  Ortenburger  in  Kärnten  im  12.  Jahrhunderte  und 
ihre  Namen  sprechen  gegen  den  Zusammenhang  mit  den 
(Grafen)  Adalbert  von  Ortenburg  am  Ende  des  11.  Jahr- 
hunderts, denn  jene  erscheinen  als  das  unbedeutendste  aller 
kämtnerischen  Grafengeschlechter  ihrer  Zeit,  sie  folgen  auch 
den  gewiss  nicht  bedeutenden,  aber  älteren  Grafen  von  Heun- 
burg  und  Treffen  bis  auf  einen  Fall  in  der  Zeugenreihe  stets 
nach,  *  selbst  der  Sohn  Ulrich  des  Grafen  Wolfram  von  Treffen 
geht  einmal  (1161)  ihnen  vor,*  und  Heinrich  von  Ortenburg 
steht  1151  nicht  allein  allen   anderen  Fürsten,   sondern  selbst 


^  K.  Tangl,  Die  Ortenburger  250  ff.  25S. 
•  Ibid.  264. 


507 

noch  drei  Freiherm  nach.^  Der  erste  Ortenbarger,  Otto  von 
Ortenberch,  der  nur  einmal  ak  Zeuge  des  Grafen  Bernhard 
Yon  Kärnten  auftritt,  nennt  sich  nicht  Graf  und  ist  es  wohl 
auch  kaum,  da  dem  seinen  lauter  unbedeutende  Namen  folgen;' 
selbst  ein  halbes  Jahrhundert  nachher,  um  1180,  heisst  ein 
gleichnamiges  GUed  noch  Otto  Über  de  Ortenberch.  *  Die  Namen 
der  von  Tangl  angenommenen  Stammväter  Friedrich,,  Adalbert^ 
Ernst  und  Anderer  kommen  bei  diesen  Ortenburgem  gar  nicht 
vor,  sondern  sie  heissen  Otto,  Heinrich,  Hermann  und  Ulrich 
und  fiihren  also  Namen,  die  im  herzogUchen  Zweige  des  Ge- 
schlechtes Spanheim  wiederholt  wiederkehren  und  auch  bei  den 
bairischen  Ortenburgem  keineswegs  selten  sind.  Ueberblickt 
man  alle  bekannten  Thatsachen  und  Verhältnisse,  so  bekommt 
man  ganz  den  Eindruck,  als  ob  die  Ortenburger  in  Kärnten  ein 
illegitimer  Seitenzweig  des  herzogUchen  Geschlechtes  wären, 
dem  Graf  Rapoto,  der  Bruder  des  Markgrafen  Engelbert  und 
des  Herzogs  Ulrich,  seinen  ehemaligen  Besitz  in  Kärnten  ab- 
getreten, als  er  bei  der  Kinderlosigkeit  des  Markgrafen  zur 
Erbschaft  aller  Güter  und  Rechte  in  Baiem  berufen  schien. 
Gerade  die  Aussicht  auf  so  reichen  Erwerb  mochte  ihm  den 
Verzicht  auf  einen  Hebgewonnenen  Ansitz  erleichtem.  Auch 
wäre  schwer  zu  begreifen,  wie  die  Grafen  von  Görz  in  dem 
östlichen  Luragaue  im  12.  Jahrhunderte  festen  Fuss  fassen  und 
selbst  die  Vogtei  von  Milstatt  erwerben  konnten,  wenn  da  ohne 
Unterbrechung  eine  verwandte  und  wenigstens  ebenso  mächtige 
FamiUe  waltete. 

Dass  die  bairischen  Grafen  von  Ortenburg  dem  Ge- 
schlechte der  Spanheimer  entstammen,  bezweifelt  nun  wohl 
Niemand  mehr,  wenn  gleich  noch  Huschberg,  der  eine  Ge- 
schichte des  Gesammthauses  Ortenburg  schrieb,*  ihre  Ahnen 
im  Rotachgaue  sucht  und  die  Stammmutter  Richardis  (Ric- 
carda)  vom  Rheine  kommen  lässt.  Der  erste  in  Baiem  an- 
sässige Ortenburger  ist  offenbar  Engelberts  I.  Sohn  und  Ric- 
cardas  Enkel,  Engelbert  11.,  der  Gemahl  der  Gräfin  Uta,   der 


^  J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  327. 

*  T.  Ankershofen,   Reg.,   Nr.  199    (Archiv  für  (toterr.  Geschichtsforschung 
5,  193). 

»  K.  Tangl,  Die  Ortenburger  266. 

*  J.  T.  Haschberg,    Geschichte  der  herzogl.  und  gräfl.  Gesammth.  Orten- 
burg, S.  2. 


608 

Tochter  des  Ulrich  von  Passau  und  der  Adelheid  von  Franten- 
hausen.  Er  ist  wahrscheinlich  jener  Graf  Engelbert^  der  ge- 
meinsam mit  dem  Grafen  Bemgar  von  Sulzbach,  dem  späteren 
Stiefvater  seiner  Frau,  dem  Stifte  Kremsmünster  Güter  vor- 
enthält,^ und  tritt  also  sofort  nach  dem  Tode  ihres  rechten 
Vaters  in  Baiem  auf.'  Daraus  ergibt  sich  aber  auch  schon 
klar,  dass.  die  Ortenburger  das  Erbe  Utens  nach  Baiem  ge- 
ftOirt  hat.  Engelbert  II.  ward  aber  nicht  blos  durch  seine 
Heirat  mit  Uten,  sondern  auch  durch  die  Erwerbung  der  Mark- 
grafschaft Istrien  und  die  Nachfolge  im  kämtnerischen  Herzogs- 
amte, das  nach  der  kurzen  Regierung  seines  Bruders  auf  ihn 
übergegangen,  der  Begründer  der  Grösse  seines  Hauses,  denn 
in  dieser  Würde  folgten  ihm  ja  sein  ältester  Sohn  Ulrich  und 
dessen  Nachkommen,^  im  Besitze  der  bairischen  Güter  und 
Rechte  seine  beiden  jüngeren  Söhne  weltlichen  Standes,  Engel- 
bert in.  und  Rapoto,  und  der  Erstere  verband  damit  bis  zu 
seinem  Lebensende  die  Markgrafschaft  Istrien.  Doch  weilt 
Engelbert  III.,  wie  «s  scheint,  nur  selten  in  seiner  Markgraf- 
schaft, wo  er  sich  kaum  einmal  sicher  nachweisen  lässt,  sondern 
fast  immer  auf  seinen  bairischen  Besitzungen  und  nannte  sich 
vorzüglich  nach  diesen.  So  heisst  er  einige  Male  Markgraf  von 
Marcwartstein,*  dann  meist  Markgraf  (Graf)  von  Kraiburg  oder 
einfach  Markgraf  ohne  weiteren  Beisatz,^  seltener  Markgraf  von 
Istrien*  und  nur  einmal  marchio  de  Buren. ^  Auch  Frauen  be- 


^  Urkundenbuch  des  Landes  ob  der  Enns  2,  122.  St.  2944. 
'  y.  Giesebrecht,  Kaisergesohichte,  1.  Aufl.,  3,  660. 

*  B.  SchroU,  Die  Herzoge  von  Kärnten  a.  d.  H.  Spanheim  51  ff. 

*  Mon.  Boic.  2,  292.  306;  3,  10.  12.  15.  A.  Meiller,  Salzbnrger  Reg.,  8.  64 
Nr.  43. 

»  Mon.  Boic.  1,  26.  163— 166.   166.   166.  219;  2,  298.  301.  323.  328.  330. 

338;  3,  63—66.  67.  68.  60.  63.  66—67.  76.  86.  290.  434.  436.  474.487. 

639;  4,  626;  5,  298;  7,  441.  459.  461.  467.   Th.  Ried,  Cod.  dipl.  1,  237. 

Drei  bayr.  Traditionsbücher,  S.  7f.   7a,   18f.   17a,   19f.   18a,  23f.  20a, 

27  f.  23  a.     A.  MeUler,  Salzburger  Reg.,  S.  34  Nr.  189.  190,  36  Nr.  200, 

64  Nr.  40,  76  Nr.  101,  77  Nr.  110,  81  Nr.  128,  97  Nr.  201,  104  Nr.  23S, 

106  Nr.  246. 
«  Mon.  Boic.  3,  69.  69.  79—81.  107.  110,  111.    Urkundenbach  des  Landes 

ob  der  Enns  2,  280.  282.   J.  Zahn,  Steierm.  Urkundenbuch  1,  294.  (526). 

A.  Meiller,  Babenberger  Reg.,  S.  36  Nr.  26,  38  Nr.  34.    —  Salzburger 

Reg.,  S.  26  Nr.  144,  63  Nr.  279,  62  Nr.  34,  68  Nr.  61,   71  Nr.  80,  76 

Nr.  106,  77  Nr.  114. 
'  Mon.  Boic.  3,  27. 


509 

seichnen  sich  ein  paar  Male  nach  dem  bairischen  Besitze^  wie 
Uta  als  ducissa  de  Chreibnrch,^  die  Qemahlin  Engelberts  in.  und 
Tochter  seiner  Grossmutter  Adelheid  aus  ihrer  dritten  Ehe  mit 
Grafen  Bemgar  von  Sulzbach  als  marchionissa  de  Marchort- 
steine ^  und  marchionissa  de  Chreiburch. '  Engelbert  m.  behält 
aach  nach  seiner  Erhebung  zum  Herzoge  von  Kärnten^  ja 
selbst  noch  nach  seinem  Eintritte  ins  Kloster  in  Baiem  Besitz 
nnd  Ministerialen.^  Das  Alles  berechtigt  zum  Schlüsse,  das 
Geschlecht  habe  den  Besitz  in  Baiem  höher  geschätzt  als  die 
neuen  Erwerbungen  in  Istrien  und  kaum  geringer  als  jene  in 
Kärnten;  es  muss  also  der  vom  Grafen  Ulrich  von  Passau  an 
dasselbe  gefallene  Besitz  ein  sehr  bedeutender  gewesen  sein, 
sei  es,  dass  er  ganz  sofort  von  Uta  unmittelbar  übergieng  oder 
zum  Theile  erst  durch  Engelberts  in.  GemaUin,  die  Gräfin 
Mathilde,  vermittelt  wurde,  und  er  war  es  in  der  That 

Den  Besitz  des  Schlosses  und  Bezirkes  von  Marcwartstein 
and  von  Kraiburg  bezeugen  die  eben  erwähnten  Titel  Mark- 
graf von  Marcwartstein  und  von  Kraiburg  hinlänglich.  War 
der  erstere,  die  Grafschaft  Marcwartstein,  die  ja  ganz  mit  dem 
späteren  zwischen  dem  Landgerichte  Traunstein  und  der  Herr- 
schaft Aschau  gelegenen  Landgerichte  Marcwartstein  zusammen- 
fidlt,  geringen  Umfanges,  so  gehörte  dagegen  die  Grafschaft 
Kraiburg  damals  zu  den  grösseren  Grafschaftsgebieten,  denn 
sie  breitete  sich  zu  beiden  Seiten  des  Inns  aus,  grenzte  im 
S&dosten  an  die  Möm  und  reichte  im  Nordwesten  ilber  die 
Rota  hinaus;  sie  war  im  Süden  und  Sildwesten  von  der  Graf- 
schaft Wasserburg,  im  Nordwesten  von  der  Grafschaft  Franten- 
hausen-Megling  und  im  Osten  von  der  Grafschaft  Burghausen 
begrenzt,  während  im  Norden  und  Nordosten  der  Innfiuss  sie 
von  den  kleinen  Bezirken  der  Grafen  von  Domberg  und  Leng- 
berg-Jul  trennte,  die  sie  wieder  von  der  Grafschaft  Ortenburg 
schieden.^  Sie  umfasste  also,  ähnlich  der  Grafschaft  Wasser- 
burg, Theile  zweier  Nachbargaue,  des  Chiem-  und  Isengaues, 
doch  lag  der  grössere  Theil  in  diesem,  und  die  tmiUegenden 
Gebiete  gehörten,  wenigstens  grösstentheils,  Familien  an,   die 

^  Mon.  Boic.  8,  38.  74. 
■  Ibid.  2,  318. 
»  Ibid.  3,  66. 

*  Ibid.  3,  17.  18.  27.  31.  72. 

*  Siehe  Spnmer-Menke,  Histor.  HandatUs,  Nr.  40. 


510 

wir  als  Zweige  des  Aribonenhaases  erkannt  haben.  Auf  einen 
dritten  Bezirk  führt  gleichfalls  der  Titel  Engelberts  III.  an  der 
Stelle,  wo  er  sich  marchio  de  Buren  nennt.  Es  kann  dabei 
wohl  nur  an  das  südlich  von  Rosenheim  gelegene  Beuem  ge- 
dacht werden,  wo  wir  den  Grafen  Bemgar  von  Sulzbach 
Grafenrechte  üben  gesehen;  der  erwähnte  Titel  verbietet,  wie 
dieser  Umstand,  ihn  für  unbedeutend  zu  halten.  Weitere  Be- 
sitzungen zeigen  die  vielen  Dienstleute  an,  die  Engelbert  II. 
und  seine  Gemahlin  Uta  und  Engelbert  III.  in  Baiern  haben.  ^ 
Es  sind  Ministerialen  oder  milites  zu  Narrinperc  (Dorf  Narn- 
berg,  Landgericht  Traunstein),*  Antwerte  oder  Antwrte  (Dorf 
Antwort,  Landgericht  Prion),*  zu  Rifare,*  zu  Stetehaim,^  zu 
Emmesteine  und  Oetingn,^  zu  Snaitse  (Gemeinde,  Landgericht 
Trostberg),'  zu  Egerdach  (Dorf,  Landgericht  Laufen),®  zu  Mer- 
mose  (Gemeinde,  Landgericht  Mühldorf),*  zu  Poutinberc  (Ein- 
öde Pietenberg  bei  Kraiburg  rechts  vom  Inn,  Landgericht  Mühl- 
dorf),^®  zu  Chreiburch,^^  zu  Marcwartsteine  (Dorf,  Landgericht 
Traunstein),  ^*  zu  Sundermaringen  (Gemeinde  Sondermoning? 
Landgericht  Traunstein),  ^*  zu  Westerberc  (Weiler,  Landge- 
richt Mühldorf),^*  zu  Estenowe  (bei  Neukirchen  im  Hausruck- 
viertel ?)^*  zu  Pettendorf  (Dorfgemeinde  Grassau,  Landgericht 
Traunstein),^*  zuHarde(Hart,  Landgericht  Mühldorf?  oderTraun- 
stein?  oder  Altötting?  oder?),"  zu  Tetilheim  (Dorf  Tettelham, 
Gemeinde  Otting,  Landgericht  Laufen),^®  zu  Lamprehteshaim 
(Dorf  Lampertsham,  Landgericht  Traunstein,  oder  Weiler,  Land- 
gericht Laufen),^*  zu  Westerberch  (Dorf,  Landgericht  Rothai- 
münster),*® zu  Hag  (Weiler,  Landgericht  Arnstorf),*^  zu  Tor- 
ringen (Dorf,  Landgericht  Laufen),**  zu  Tutemanningen  (Stadt 
Tittmoning,  Landgericht  Laufen),**  zu  Hornpach  (Hörnbach, 
Gemeinde  Klam,   Bezirkshauptmannschaft  Perg    in   Oberöster- 


^  J.  T.  Hagchberg,  Die  Ortenburger  33  f. 
'  Mon.  Boic.  3,  16. 
»  Ibid.  3,  25.  66.  *  Ibid.  2,  322. 

»  Ibid.  2,  291.  299.  301;  3,  38;  6,  298.  «  Ibid.  2,  322. 

'  Ibid.  2,  293.  294.  309.  313.  »  Ibid.  3,  77.  »  Ibid.  2,  293. 

*«  Mon.  Boic.  3,  Ö3.  65.  413.  487.  "  Ibid.  3,  30.  76. 

»  Ibid.  3,  44.  "  Ibid.  2,  328;  3,  86.  "  Ibid.  3,  45.  66. 

*»  Ibid.  2,  299.  "  Ibid.  2,  338;  3,  60.  "  Ibid.  1,  26;  3,  54. 

"  Ibid.  8,  63.  w  Ibid.  3,  63.  67.  *«  Ibid.  3,  66. 

"  Ibid.  3,  68.  "  Ibid.  3,  68.  87.  »  Ibid.  3,  69.  60. 


511 

reich?)/  zu  Oraauengarze  (Grafengars^  Dorf,  Landgericht 
Mühldorf)  und  za  Haigerloch  (Dorf,  Landgericht  Mtthldorf),' 
zu  Hohenstain  (Gemeinde  Metten,  Landgericht  Deggendorf), 
za  Albino we,  zu  Maekke  und  zu  Urah,'  zu  Tuningen,  ^  wohl 
auch  zu  Truhtleihingen  (Dorf,  Landgericht  Traunstein),  Gundel- 
prehtingen  (Weiler,  Landgericht  Mühldorf),  zu  Harpholteshain 
(Dorf  Harfetsham,  Landgericht  Laufen),  zu  Hallaerpruck  (bei 
Reichenhall),  zu  Lancingen  (Landgericht  Miihldorf?),  zu  Nuz- 
dorf  (Dorf,  Landgericht  Traunstein?),  zu  Frowendorf  (Einöde, 
Landgericht  Vilshofen),  zu  Nideke  und  Roredorf  (Dorf,  Land- 
gericht Rosenheim),  ^  zu  Cholbaren,^  zu  Massingen,  zu  Perge, 
zu  Geberichesroute,  zu  Chirchberg  und  zu  Talehaim  (Weiler, 
Landgericht  Pfarrkirchen),'  zu  Selehouben  (Dorf  Söllhuben, 
Landgericht  Rosenheim),  ^  zu  Wessen  (Einöde,  Landgericht 
Bosenheim  oder  Traunstein)  ^  und  zu  Eginingen.  ^®  Die  Familie 
selbst  oder  ihre  Ministerialen  hatten  Besitz  zur  Curzinheim,  ^^ 
zu  Garresheim,  ^*  zu  Wiheniohen,  ^*  zu  Hoven,  ^*  zu  Mahilshaim 
(Einöde  Machham,  Landgericht  Griesbach?),^*  zu  Vohendorf,^® 
zu  Wieare  (Einöde  Weyer,  Landgericht  Rosenheim),  *^  zu  Ga- 
nigalla,  ^^  zu  Pettinheim  (Dorf  Pettenham,  Landgericht  Miihl- 
dorf), ^*  zu  Pizingen  (Enöde,  Landgericht  Altötting  oder  Eggen- 
felden),*®  zu  Maelheim,*^  zu  Unterholzen  (Landgericht  Eggen- 
felden?),**  zu  Hadelhartingen,**  zu  Atal  (Dorf  Attel,  Landgericht 
Wasserburg), "  zu  Halle  (Reichenhall),**  zu  Chepffingen  (Weiler, 
Landgericht  Eggenfelden),  *^  zu  Brouingen,*'  zu  Rota  (Dorf, 
Landgericht  Mühldorf?),*®  Elmouwe  (Ellmau,  Bezirkshauptmann- 
schaft Kufstein),**  zu  Fradektorf  oder  Frazelstorf  (Frasdorf, 
Landgericht  Rosenheim?),*®  zu  Stetehaim,'^  zu  Folchestorf  (Dorf, 
Landgericht  Schrobenhausen),**  zu  Antwnrte  (Dorf,  Landgericht 


>  Ibid.  3,  80.     *  Ibid.  1,  166;  8,  88;  5,  298.     »  Ibid.  2,  298. 

•  Ibid.  3,  63.  60.  66.     »  Ibid.  3,  47.  63.  69.  65.  66.  69.  86.  87. 

•  Ibid.  3,  69.  72.  '  Ibid.  3,  24.  66.  •  Ibid.  3,  26. 

•  ftid.  3,  26.  *<>  Ibid.  "  Ibid.  3,  26. 

"  Mon.  Boic.  3,  17.  "  Ibid.  3,  18.  **  Ibid.  2,  294. 

"  Ibid.  2,  293.  *«  Ibid.  2,  292.  "  Ibid.  2,  291. 

"  Ibid.  3,  27.  28.  *•  Ibid.  1,  23.  «•  Ibid.  2,  318.  323. 

«  Ibid.  2,  313.  "  Ibid.  3,  29.  «»  Ibid.  2,  330. 

«*  Ibid.  2,  318.  »  Ibid.  2,  316.  »•  Ibid.  3,  44. 

"  Ibid.  3,  47.  «•  Ibid.  3,  38.  ••  Ibid.  2,  300. 

^  Ibid.  3,  53.  57.  »»  Ibid.  2,  299.  "  Ibid.  1,  166. 


512 

Prien)/  zu  Hasla^^  zu  Sewevlien/  zu  Wismoule/  zu  Widach,^ 
zu  Rotenpach  in  montanis  (Tirol?),®  zu  Liten  und  Grube,^  zu 
Winthage  (Weiler,  Landgericht  Rosenheim  oder  Simbach),* 
zu  Engiiperg,  *  zu  Petendorf,  ^®  zu  Egenigin,  ^^  zu  Pocen 
(Bozen),  ^*  zu  Polsingen  (Dorf,  Landgericht  Gunzenhausen),  ** 
zu  Windeperge  (Landgericht  Bogen  oder  Erding),  ^*  zu  Chugen- 
winchel,^'^  zu  Zachenheim.  ^®  Können  auch  lange  nicht  alle 
diese  Orte  sicher  und  genau  bestimmt  werden,  so  ergibt  sich 
doch  aus  der  gemachten  Zusammenstellung  unleugbar  die  That- 
sache,  dass  schon  die  ersten  in  Baiern  sesshaften  Spanheimer 
weit  über  die  Grenzen  der  oben  bezeichneten  Gebiete  hinaus 
begütert  waren,  imd  dass  ihre  Besitzungen  vielfach  in  Gegen- 
den liegen,  wo  wir  den  Pfalzgrafen  von  Rot  und  den  älteren 
Pfalzgrafen  begegnet  sind,  wo  wir  wohl  auch  einen  grossen 
Theil  des  Besitzes  der  Familie  des  Pfalzgrafen  Rapoto  zu 
suchen  haben.  Dasselbe  lässt  sich  von  den  ca.  300  Mausen  ver- 
muthen,  die  die  Grafen  von  Falkenstein  von  Engelbert  lU.  zu 
Lehen  erkannten.  ^^  Auf  eine  starke  Begüterung  im  Unterinn- 
thale,  der  Grafschaft  des  Pfalzgrafen  Rapoto,  lässt  insbesondere 
noch  der  Umstand  schliessen,  dass  ders^be  Markgraf  von  Si- 
boto  Grafen  von  Falkenstein  sich  die  Vogtei  im  Leukenthale 
und  Grassauerthale,  die  zu  Chiemsee  gehörte,  auf  Lebenszeit 
übertragen  liess,^^  und  zu  dem  nämlichen  Schlüsse  führt  uns 
der  Besitz,  in  dem  wir  seinen  jüngeren  Bruder  und  nach- 
maligen Erben  Rapoto  (I.)  und  dessen  Familie  sehen. 

Später  als  der  Markgraf  Engelbert  IQ.,  doch  noch  vor 
dem  Rücktritte  des  Vaters  vom  Herzogsamte  in  Kärnten  er- 
scheint Rapoto,  sein  jüngerer  Sohn,  in  Baiem.  ^*  Um  das  Jahr 
1135  werden  die  Herren  von  Chraidorf  und  Stethaim  seine 
Ministerialen  genannt,^®  und  als  solche  sind  wohl  auch  A.  de 
Trutlaichingen,  E.  de  Fuchten   (statt  Fulnenl),   Ch.  de  Hohol- 

^  MoQ.  Boic.  8,  66.  *  Ibid.  8,  487.  >  Ibid.  8,  56. 

«  Ibid.  8,  58.  58.  *  Ibid.  8,  58.  •  Ibid.  3,  54. 

»  Ibid.  8,  65.  •  Ibid.  3,  58.  •  Ibid.  3,  59.  60.  80. 

»«  Ibid.  8,  61.  "  Ibid.  3,  79.  "  Ibid.  3,  66. 

»  Ibid.  3,  67.  "  Ibid.  3,  69.  "  Ibid.  3,  87. 

>«  Ibid.  1,  166. 

"  Drei  bayr.  Traditioiubficher,  8.  7  f.  7  a. 
"  Ibid.  8.  28  f.  20  r. 

"  Hon.  Boic.  6,  117.     Hnnd-Oewold  Metropolis  Salisbarg  2,  156. 
•»  Ibid.  1,  180;  2,  882. 


513 

tingen  (bei  Massing  nahe   der  Rot),   R.  de  Tivntingen  (Land- 
gericht   Trostberg   an    der  Alz),   D.    de  Westerberch,  H.    de 
Hocheim,  R.  de  Perg  und  noch  Andere  anzusehen.^     Um  das 
Jahr    1150   wird    Rapoto  Vogt    des   Klosters   San   Nicolai   bei 
Passau   genannt.'    Er  heisst   von   seinem   ersten  Auftreten  an 
Graf  von  Ortenburg   und  darf  mit  Recht  als  der  Erbauer  der 
gleichnamigen  Stammburg  gelten.     Seine  Grafschaft  erstreckte 
sich  von  der  Rota  (im  Südwesten)  bis  an  die  Donau  (im  Nord- 
osten) in   der  Nähe  von   Passau   und  fiel  zum  Theile  in  den 
Isen-,  zum  Theile  in  den  Rotachgau.   Sie  umfasste,  wenn  nicht 
ganz,   so   doch   zum  Theile   ausser   der  kleinen  späteren  Graf- 
schaft Ortenburg  die  Landgerichte  Griesbach,  Pfarrkirchen  und 
Eggenfelden.     So   hatte   also   auch  diese  Grafschaft  einen  sehr 
erheblichen  Antheil  an  dem  Isengaue,  den  wir  als  den  Stamm- 
gan  der  älteren  Pfalzgrafen  und  ihres  Nachfolgers  Chuno  kennen 
gelernt   haben,   und   der   Ort  Rota  lag,   wenn   nicht  innerhalb 
ihrer  Grenzen,  so  doch  hart  an  denselben;  aber  auch  ihr  An- 
theil   am    Rotachgaue    war    kaum    ganz   neues   Gebiet,    da  ja 
auch  hier  Aribonenzweige  und  Verwandte  des  Pfalzgrafen  Ra- 
poto Besitz  und  Grafenrechte  hatten.   Rapoto  hat  seinen  ersten 
Besitz  sehr  gemehrt,  vermuthlich  schon  durch  seine  Vermählung 
mit  Elisabeth,   der  jüngsten   Tochter   des  Grafen  Gebhard  IL 
von   Salzbach,    sicher,   und    zwar   im  hohen  Grade   durch  die 
Beerbung    seines    Bruders    Engelberts  DI.;    in   beiden   Fällen 
stammt  aber  sein  neuer  Besitz  wohl  aus  derselben  Quelle  wie 
sein  früherer,  aus  dem  Nachlasse  des  Grafen  Ulrich  von  Passau. 
Wie  sehr  Rapotos  Machtstellung  durch  diese  Erwerbungen 
sich  gehoben  hat,  das  bezeugen  die  vielen  Schenkungen  seiner 
Witwe  und  die  zahlreichen  Ministerialen,  die  diese  und  andere 
ihrer  Handlungen  bezeugen,  sowie  die  Schenkungen  ihrer  Söhne 
and  einzelner  Ministerialen.     Elisabeth'  schenkte  an  das   Stift 
Reichersberg*  und  an  das  Kloster  Aspach*  zwei  predia  in  Pla- 
den,  einem  Dorfe  Oberösterreichs,  und  von  einem  dritten   da- 
selbst gelegenen  wies   sie   dem  Kloster  St.  Nicolai  einen  jähr- 
lichen Zins  von  einem  Talente  (1  Pfund  Pfennige)®  an;  letzterem 

»  Mon.  Boic.  1,  180;  2,  332;  3,  93. 
«  Ibid.  4,  243. 

'  J.  T.  Huachberg,  Die  Ortenburger  44  ff. 
^  Mon.  Boic.  3,  604. 
*  Ibid.  6,  148.  •  Ibid.  4,  269. 

ArehiT.    LXXXni.  Bd.  H.  HftlfU.  34 


514 

spendete  sie  auch  noch  einen  Mansus  in  Ekke.  *  Das  Kloster 
Aldersbach  bekam  ebenfalls  ein  Gut  in  Pladen  vom  jähriichen 
Ertr{^e  eines  Talentes.'  Ganz  besondere  bedachte  sie  aber 
das  Kloster  Baumburg,  dem  sie  ein  Gut  zu  Titmoning, '  vier 
Weinberge  zu  Crems,  die  sie  dort  gekauft  hatte,*  und  alle  Be- 
sitzungen im  Angechterberge  im  Unterinnthale  sammt  der  da- 
zu gehörigen  Schutzvogtei '  übergab.  Ihr  älterer  Sohn  Rapoto 
beschenkt  das  Kloster  St.  Nicolai  mit  dem  Gute  Aizzephs- 
heim'  und  gibt  die  Zustimmung  zu  einer  Schenkung  an  das- 
selbe Kloster  durch  Rikkerus  de  Wilpach  (Dorf,  Landgericht 
Barghausen).'  Sein  Ministeriale  Eckardus  de  Fuchten  (Peichten, 
Landgericht  Altßtting  oder  Muhldorf)^  und  ein  Ministeriale 
seines  Bruders  Heinrich,  Namens  Chounradus  de  Harbach  (Land- 
gericht Erding)^  schenken  Eigenleute,  Ersterer  an  Baumburg, 
Letzterer  an  St.  Nicolai,  ein  anderer  Ministeriale  Rapotos,  Di- 
tricuB  de  Cholbaren  (Kolbem  bei  Kraiburg)  ein  Gut  zu  Frals- 
torf  au  Baumbui^. '"  Unter  den  Ministerialen  Rapotos,  seiner 
Witwe  und  Söhne  begegnen  wir  vielen  schon  genannten  Fa- 
milien, wie  den  Herren  von  Hombach,  von  Hohensteine,  Tor- 
ringen, von  Truhtlaihingen,  Poutenperch  und  Albenouwe, "  von 
Hag,"  von  Kraidorf,  Westerperc,  Marcwartesteine  und  Harde,'* 
von  Thalheim,"  Gundelbrehting  und  Cholbaren"  und  Anderen; 
allein  noch  weit  grösser  ist  die  Zahl  der  neu  aoftretenden,  und 
mOgen  darunter  auch  manche  sein,  die  schon  früher  Rapotos 
Familie  angehörten,  nicht  wenige  wird  man  doch  als  Macht- 
zuwachs betrachten  dürfen.  Aus  der  Menge  sei  nur  ein  Tbeil 
hervorgehoben:  die  Herren  de  Trune  (Landgericht  Traunstein),*" 
de  Etenuelt  (ebenda?),"  in  Sigenheim,  de  Prece,  de  Sturzel- 
bach  und  de  Werde,»*  de  Tuifetat,"  in  Fuhten  (Feichteu,  Land- 
gericht Altötting  oder  Muhldorf),  Mittemkirchen  und  Schrank- 
poum,'*  de  Hazinesdorf,  de  Gegenbach,  de  Valchenberch  und 
de   Lohe,*»    de   Razlinsdorf  und    de   Rocholvingen   (Rocklfing, 


'  Mon.  Boic.  4,  27«.  *  Ibid.  5,  826.  '  Ibid.  3,  92. 

'  rbid.  S,  91.  »  Ibid.  2,  193  f-  •  Ibid.  i.  258, 

'  Ibid.  4,  867,  ■  Ibid.  3,  93.  '  Ibid.  4,  276. 

'  Ibid.  3,  94.  "  Ibid.  2,  194;  3,  92 f.;  5,  143. 

■  Ibid.  2,  19t;  3,  bOi;  i,  269. 

'  Ibid.  3,  91.  "  Ibid.  4,  267.  "  Ibid.  8.  94. 

'  Ibid.  2,  334,  860,  "  Ibid,  3,  61.  "  Ibid    5,  324 

•  Ibid.  3,  63.  "  Ibid,  3,  92.  »>  Ibid.  4,  269. 


515 

Landgericht  Dorfen),^  de  Peurbach  (Dorf  Bayerbach,  Land- 
gericht Rothahntinster),  de  Werde  (Wörth,  Landgericht  Mühl- 
dorf) und  de  Mosen,*  de  Wart  (Landgericht  Dingolfing  oder 
Rosenheim)  und  de  Posmunstere  (Gemeinde  Postmünster,  Land- 
gericht Pfarrkirchen), '  de  Ahtsdorf  (Dorf,  Landgericht  Laufen) 
und  de  Tobel  (Berg,  Landgericht  Griesbach  oder  Dorf,  Land- 
gericht Wasserburg),*  de  Liubolvingen,  de  Rotowe,  de  Misch- 
male und  de  Ahste,^  de  Merswanch,  de  Sazebach,  de  Ahtail, 
de  Mitiche  und  de  Gisenperge,*  de  Phafenberc,  de  Alhartingen 
(Allerding,  Landgericht  Passau?)  und  de  Walthalmingen, '  de 
Frenkingen  und  de  Cherburg,®  de  Pernstaine  (Bärnstein,  Land- 
gericht Grafenau)  und  de  Steinkirchen*  und  insbesondere  de 
Hezilperc  (Hetzenberg,  Landgericht  Kötzting),  ^®  de  Trebesroute 
(Landgericht  Cham?)  und  de  Runting  (Gemeinde  Run  ding, 
Landgericht  Cham).  ^*  Da  wir  so  viele  Ministerialen  des  Mark- 
grafen Engelbert  III.  im  Besitze  der  Familie  seines  Bruders 
Rapoto  finden,  so  ist  doch  gewiss  der  Schluss  gestattet,  dass 
er  sein  Erbe  und  Nachfolger  in  den  bairischen  Besitzungen  ge- 
worden; die  vielen  zum  ersten  Male  genannten  Ministerialen- 
familien  lassen  aber  noch  besser  die  Machtstellung  Engelberts  lU. 
erkennen,  denn  die  Mehrzahl  hievon  stammt  doch  sehr  wahr- 
scheinlich von  ihm,  wenn  auch  einige  Rapoto  von  anderer  Seite 
her  bekommen  haben  mag,  und  zu  jener  Gruppe  wird  man 
vor  allen  die  im  Nordgaue  sesshaften  zählen  müssen,  wo  die  Pfalz- 
grafen Chuno  und  Rapoto  schon  bedeutenderen  Besitz  haben. 
Dasselbe  kann  wohl  auch  mit  grosser  Wahrscheinlichkeit  von 
den  Gütern  der  Witwe  Rapotos  im  ünterinnthale  gelten,  einem 
Haaptsitze  der  Macht  der  genannten  beiden  Fürsten. 

Graf  Rapoto  hat  aber  nicht  blos  ansehnliche  Güter  im 
unteren  Innthale  besessen,  er  muss  auch  zu  dem  Besitze  der 
Grafenrechte  in  einem  grösseren  Theile  der  ehemaligen  Graf- 
schaft Unterinnthal  gelangt  sein,  ohne  welche  die  noch  viel  be- 
deutender erscheinende  Begüterung  seiner  Nachkommen  da- 
selbst kaum  begreiflich  ist.  Diese  Grafschaft  bekam,  wie 
erwähnt,  einst  der  Weife  Heinrich  der  Stolze,  Herzog  von 
Baiem,  vom  Bisthume  Regensburg  zu  Lehen,  und  es  ist  kein 

»  Mon.  Boic.  3,  504.  «  Ibid.  2,  194.  »  Ibid.  4,  273. 

*  Ibid.  5,  143.  »  Ibid.  4,  259.  «  Ibid.  4,  257. 

'  Ibid.  3,  93  f.  «  Ibid.  3,  94.  •  Ibid.  4,  276. 

"  Ibid.  2,  842.  "  Ibid.  4,  269;  5,  148. 

84» 


516 

Grund;  zu  bezweifeln,  dass  sie  im  Besitze  seines  Hauses  ge- 
blieben bis  zum  Sturze  seines  Sohnes,  Heinrichs  des  Löwen,  im 
Jahre  1180.  Dass  nun  das  Stift  dies  Lehen  eingezogen  und 
nicht  mehr  weiter  verliehen,  ist  schon  an  imd  für  sich  un- 
wahrscheinUch,  da  die  Verwaltung  eines  so  entlegenen  und  zu- 
gleich so  bedeutenden  Gebietes  für  die  Bischöfe  mit  grossen 
Schwierigkeiten  verbunden  sein  musste;  diese  Annahme  wider- 
spricht aber  auch  den  damaUgen  Rechtsgewohnheiten,  womach 
derartige  Verleihungen  sehr  häufig  vorkamen.  Nur  ist,  der 
herrschenden  Sitte  des  12.  und  13.  Jahrhunderts  entsprechend, 
anzunehmen,  dass  die  Bischöfe  bei  der  abermaUgen  Verleihung  ein 
so  grosses  Gebiet  nicht  mehr  ungetheilt  werden  vergeben  haben, 
und  zu  dieser  Anschauung  führen  auch  die  thatsächUchen  Ver- 
hältnisse des  13.  Jahrhunderts.  Fragen  wir  aber  nach  den  Fa- 
milien, denen  das  Stift  Regensburg  Theile  der  Grafschaft  Inn- 
thal  verliehen  haben  könnte,  so  muss  diejenige,  an  die  man 
zunächst  denken  möchte,  die  Nachfolgerin  der  Weifischen  im 
bairischen  Herzogsamte,  die  der  Witteisbacher,  entschieden  aus- 
geschlossen werden.  Obwohl  diese  schon  einigen  Besitz  im  Inn- 
thale  hatten,  so  bekamen  sie  doch  Grafschaftsrechte  bei  ihrer 
Einsetzung  ins  Herzogsamt  in  Tirol  noch  nicht;  denn  hieven 
findet  sich  bis  zum  Erlöschen  des  pfalzgräfiichen  Zweiges  der 
FamiUe  Rapotos  I.  mit  dessen  Enkel  Rapoto  HI.  im  Jahre  1249 
keine  Spur;  aber  sofort  nach  demselben  erscheinen  die  Witteis- 
bacher als  Grafen  des  Unterinnthaies,  und  gerade  dieser  Um- 
stand scheint  mir  sehr  daftlr  zu  sprechen,  dass  sie  hier  die 
Nachfolger  Rapotos  HI.  geworden  sind.  Wie  zurückhaltend  die 
Regensburger  Bischöfe  gegenüber  den  Wittelsbachem  waren, 
beweist  ein  anderer  Fall.  Als  nämlich  Bischof  Konrad  HI. 
nach  dem  Aussterben  der  älteren  Linie  der  Grafen  von  Steve- 
ningen deren  Lehen  im  Jahre  1185  wieder  verUeh,  da  enthielt 
er  dem  Herzoge  Ludwig  I.  ein  paar  der  beanspruchten  vor  und 
darunter  gerade  ein  ftir  uns  sehr  bezeichnendes:  das  Land- 
grafenlehen im  Innthale.  ^  Dieses  Lehen,  das  die  Feste  Kuf- 
stein und  einige  umhegende  Güter  umfasste  und  von  den 
früheren  Lihabem  den  Namen  Landgrafenlehen  erhalten  hatte, 
verlieh  erst  Konrad  FV.,  der  Nachfolger  des  Obgenannten,  auf 


^  F.  Janner,  Die  Regensburger  Bischöfe  2,  200.  238. 


517 

Grund  einer  Vereinbarung  im  Jahre  1205  an  Ludwig  I.^  Die 
bedeutendste  Besitzung,  die  die  Witteisbacher  schon  im  12.  Jahr- 
hunderte im  Innthale  hatten,  waren  ihre  Qüter  und  Rechte  im 
Leukenthale,  aber  diese  hatte  Pfalzgraf  Otto  im  Jahre  1168 
von  dem  Tempelorden  gekauft.*  Ob  die  Grafschaftsrechte  im 
Leukenthale,  welche  die  Weifen  an  die  Grafen  von  Falken- 
stein weiter  verliehen  hatten,  nach  dem  Sturze  jener  auf  die 
Witteisbacher  übergegangen  sind,  ist  mehr  als  fragUch;  ich 
möchte  vielmehr  dafür  halten,  dass  sie  nun  die  Falkensteiner 
unmittelbar  von  den  Bischöfen  von  Regensburg  zu  Lehen  er- 
hielten, umsomehr,  als  sie  wahrscheinlich  noch  einen  anderen 
Bezirk  des  Linthales,  jenes  am  Westufer  gelegene  Stück,  das 
unmittelbar  an  ihre  Grafschaft  Falkenstein  stiess,  als  ihr  Lehen 
innehatten. 

Ausser  den  Wittelsbachem  und  Ortenburgern  können  aber 
noch  zwei  Familien  fUr  unseren  Fall  in  Betracht  kommen,  die 
auch  beide  im  Innthale  begütert  sind,  die  eben  genannten 
Grafen  von  Steveningen  und  von  Falkenstein.  Doch  die  Ersteren, 
von  denen  die  ältere  Linie  die  Burggrafschaft  der  Stadt  Regens- 
burg, die  jüngere  die  Grafschaftsrechte  in  der  Umgebung  dieser 
Stadt  hatte,  können  nicht  Grafen  des  unteren  Innthales  ge- 
wesen sein.  Die  Art,  wie  ihres  Besitzes  die  Fundatio  mona- 
sterii  in  Walderbach  gedenkt,  scheint  mir  eine  solche  Annahme 
ganz  auszuschliessen,  denn  die  betreffende  Stelle  lautet:  ,Hen- 
rico  prefectura  et  dominatus  maximi  in  montanis,  Friderico 
vero  comicia  cum  suis  attinenciis  (in  sortem  cessit  hereditas).'* 
Die  ,prefectura'  bezeichnet  hier  offenbar  die  Burggrafschaft  von 
Regensburg,  die  ,comecia'  die  Landgrafschaft,  nämlich  die  Graf- 
schaft in  dem  Bezirke  um  Regensburg  und  die  ,dominatus 
maximi^  das  Landgrafenlehen  in  Tirol.  Mag  auch  die  Fundatio 
sonst  irren  in  ihren  Angaben,  fiir  die  Richtigkeit  dieser  Stelle 
spricht  Alles,  was  sonst  über  diese  Verhältnisse  bekannt  ist 
oder  auf  sie  schliessen  lässt,  imd  die  genaue  Scheidung  der 
drei  Hauptbesitzungen  der  Familie  durch  den  Wortlaut  weist 
nicht  nur   bestimmt  genug   auf  die  Verschiedenheit  derselben 

^  Quellen  und  Erörterungen  5,  4  ff.    F.  Janner,  Die  Regensburger  Bischöfe 

2,  238  ff. 
*  Innsbrucker  Ferdinandeums-Bibliothek :  Dipauliana  1184  fol.  3.  Mscr. 
^  M.  Mayer,  Regesten  zur  Geschichte  der  Barggrafen  von  Regensburg  in 

Verhandl.  d.  histor.  Vereines  von  Oberpfalz  u.  Regensburg  43,  15,  Anm.  1. 


518 

hin,  sondern  schliesst  auch  fUr  den  als  ^dominatus'  bezeichneten 
tirolischen  Besitz  meines  Erachtens  die  Grafschaflsgewalt  in 
einem  weiteren  Gebiete  aus.  Die  Grafen  von  Falkenstein  haben 
ohne  Zweifel  in  den  früher  bezeichneten  Theilen  des  unteren 
Innthales  wie  in  ihren  benachbarten  bairischen  Besitzungen  Grafen- 
rechte geübt,  aber  ilber  diese  hinaus  sind  ihnen  schwerlich  solche 
zugestanden  worden,  denn  es  gibt  hieftir  auch  nicht  einen  An- 
haltspunkt. Wohl  aber  drängen  die  in  der  ersten  Hälfte  des 
13.  Jahrhunderts  bestehenden  Verhältnisse  der  ehemaligen  Graf- 
schaft des  unteren  Innthales  zur  Annahme,  dass  in  einem  grossen 
Theile  derselben  die  Ortenburger  die  Grafenrechte  gehabt  haben, 
und  namentlich  lassen  sich  nach  meiner  Meinung  nur  in  dem 
Falle  der  Conflict  des  Pfalzgrafen  Rapoto  (in.)  mit  dem  Bi- 
schöfe Siegfried  von  Regensburg  und  die  in  Folge  dessen  im 
October  1240  zwischen  beiden  Theilen  geschlossenen  Verträge 
genügend  begreifen,  wenn  jener  zu  diesem  die  augedeutete 
Stellung  einnahm. 

Nach  der  Friedensurkunde  vom  October  1240  verzichtet 
Pfalzgraf  Rapoto  HI.  zu  Gunsten  des  Stiftes  Regensburg  auf 
Schloss  und  Dorf  Itter  mit  den  hiezu  gehörigen  Besitzungen 
und  Lehen  (castrum  ütter  et  villam  Utter  cum  possessionibus 
ipsis  attinentibus  tam  liberis,  quam  infeodatis),  womit  er  offen- 
bar vom  Bischöfe  belehnt  gewesen  war,  dann  auch  auf  die 
Vogtei  über  das  ^nze  Brixenthal,  wobei  er  hinzuftlgt:  ,cuni 
attinenciis  suis  scilicet  Septem  hubis  et  V  talentis  Ratisponen. 
monete,  et  de  curtis  vUlicalibus  dni.  epi.  Ratispon.  cum  omni 
iure  et  usu,  quo  ego  et  progenitores  mei  eam  hactenus  possedi 
titulo  feodi^;  auch  übergibt  er  seine  allodialen  Burgen  Schindel- 
perg  et  Sperten  mit  den  dazu  gehörigen  Besitzungen  und 
Rechten  dem  Stifte  zum  Eigenthum  und  nimmt  sie  von  ihm 
wieder  zu  Lehen.  Er  musste  dies  zur  Sühne  für  den  Schaden 
thun,  den  er  in  der  vorausgegangenen  Fehde  dem  Bisthume  zu- 
gefligt  hatte,  und  darum  auch,  zur  Verhütung  weiteren  Schadens^ 
demselben  noch  das  Versprechen  geben:  ,Item  non  edificabo  per 
me  vel  meos  aliquas  munitiones  infra  castrum  Kufstein  et  mon- 
tem,  qui  dicitur  Jochperc,  inter  que  loca  sita  est  vallis  Brichsie, 
vel  alibi,  nee  ab  alio  quoquam  constructum  in  proprium  vel 
feodum   obtinebo,  nee   in   Ulis  efficiar  castellanus.' ^     Die  Burg 


1  Tb.  Ried.  Cod.  dipl.  1,  389. 


519 

Schindelberg  stand  in  der  Gemeinde  Breitenbach  auf  dem 
Angerberg,  die  Burg  Sperten  in  der  Gemeinde  St.  Johann  an 
der  Strasse  nach  KJtzbühel.  Hält  man  sich  noch  die  früher 
erwähnten  Besitzungen  und  Rechte  der  Ortenburger  im  Inn- 
thale  gegenwärtig,  so  muss  man  doch  sagen,  dass  eine  Macht- 
stellung, wie  sie  der  Friedensvertrag  und  die  älteren  Documente 
anzeigen,  doch  nur  denkbar  ist,  wenn  die  Familie  in  diesen  Ge- 
genden zugleich  die  Grafenrechte  vom  Bischöfe  zu  Lehen  hatte. 
Die  Beziehungen  zwischen  dem  Stifte  Regensburg  und  den 
Ortenburgem  haben  allem  Anscheine  nach  denen  zwischen 
dem  Stifte  Trient  und  den  Grafen  von  Tirol  um  diese  Zeit 
sehr  ähnlich  gesehen,  und  ebenso  das  Schicksal,  das  beide 
Bischöfe  in  der  Folge  getroffen,  als  die  Ansprüche  auf  die 
Grafenrechte  an  mächtigere  Familien  übergegangen  waren. 
Wie  die  Grafen  von  Görz  und  Tirol  die  Bischöfe  von  Trient  aus 
der  Grafschaft  Bozen  fast  ganz  verdrängt  und  ihnen  selbst 
Stücke  der  Grafschaft  Trient  abgenommen  haben,  so  ist  den 
Bischöfen  von  Regensburg  von  der  Grafschaft  des  unteren 
Innthales  nur  mehr  die  Herrschaft  Itter  geblieben,  als  die 
Witteisbacher  sich  des  Nachlasses  der  Ortenburger  bemächtigt 
haben. 

Fragt  man  nach  der  Ursache,  warum  die  Bischöfe  von 
Regensburg  gerade  den  Ortenburgem  die  Grafenrechte  in  einem 
grossen  Theile  des  unteren  Innthales  verheben  haben  sollten, 
80  wird  man  zunächst  allerdings  an  ihren  grossen  Besitz  da- 
selbst denken  können,  der  sie  mehr  als  jede  andere  Familie 
zu  diesem  Amte  empfahl.  Doch  war  dieser  nach  meinem  Da- 
ftlrhalten  nicht  die  einzige,  kaum  die  Hauptursache  der  Be- 
lehnung derselben;  ich  möchte  vielmehr  hierin  vor  Allem  eine 
Berücksichtigung  von  Rechtsansprüchen  sehen,  welche  die 
Ortenburger  wegen  ihrer  Abstammung  von  der  Gräfin  Uta, 
der  Enkelin  des  Bruders  des  Pfalzgrafen  Rapoto,  erhoben 
haben  mögen,  und  werde  in  dieser  Auffassung  bestärkt  durch 
die  weitere  Thatsache,  dass  Rapoto  H.  auch  die  Pfalzgrafen- 
würde nach  der  Aechtung  und  Tödtung  des  Pfalzgrafen  Otto 
von  Witteisbach,  des  Mörders  König  Philipps  von  Schwaben, 
fiir  seine  Familie  erwirbt.  Auch  diese  Thatsache  lässt  sich  am 
besten  durch  die  Annahme  erklären,  es  haben  die  Ortenburger 
bei  Erledigung  des  Pfalzgrafenamtes  sich  im  Hinblicke  auf  die 
mit   ihnen   verwandten    älteren   Pfalzgrafeu   um    dasselbe    be- 


520 

worben  und  eben  wegen  ihrer  Beziehungen  zu  diesen  auch 
vor  anderen  erlangt.  Denn  sonst  sollte  man  doch  erwarten, 
dass  mit  dieser  Würde,  die  sicherlich  noch  immer  ein  gewisses 
Ansehen  und  einige  Macht  verlieh,  zuerst  einheimische  Familien 
bedacht  worden  wären.  Allerdings  genoss  Rapotos  II.  Familie, 
wie  es  scheint,  grosses  Ansehen,  er  und  sein  Bruder  Heinrich 
wurden  gleichzeitig  mit  den  kaiserlichen  Prinzen  auf  dem 
grossen  Reichstage  zu  Mainz  im  Jahre  1184  zu  Rittern  geschlagen, 
und  beide  gehen  in  den  Zeugenreihen  den  meisten  Grafen 
vor;  aber  es  gab  damals  in  Baiem  doch  noch  ein  paar 
alte  Grafenfamilien,  die  an  Ansehen  und  Macht  hinter  den 
Ortenburgem  kaum  viel  zurück  standen,  wie  die  Markgrafen 
von  Vohburg,  die  Grafen  von  Bogen  und  Andere,  und  die 
persönlichen  Eigenschaften  Rapotos  II.,  seine  Streitlust  und  sein 
gewaltthätiger  Sinn,  welche  Züge  seine  blutigen  Fehden  mit  den 
Grafen  von  Bogen  und  mit  dem  Stifte  Passau  und  seine  gegen 
Klöster  verübten  Bedrückungen  und  Verwüstungen  bezeugen,  * 
empfahlen  ihn  fUr  eine  solche  Würde  nicht  sonderlich.  Darum 
müssen  fUr  die  Verleihung  des  Pfalzgrafenamtes  an  seine  Person 
doch  andere  Momente  gesprochen  haben. 

Es  erübrigt  noch,  zweier  Grafenfamilien  zu  gedenken,  die 
ebenfalls  im  Besitze  von  Gebieten  erscheinen,  welche  einst  sicher- 
lich Mitgliedern  des  Aribonenhauses  gehörten,  und  die  auch  in 
verwandtschaftlichem  Zusammenhange  mit  Zweigen  desselben 
sich  nachweisen  lassen;  es  sind  zugleich  zwei  Familien,  deren 
Machtsphäre  sich  auch  nach  Tirol  erstreckt:  ich  meine  die 
schon  wiederholt  genannten  Grafen  von  Falkenstein  und  die 
Grafen  von  Lechsgemünde.  Die  Grafen  von  Neuburg  und 
Falkenstein  werden  in  einem  alten,  vor  Kurzem  veröffentlichten 
und  vervollständigten  Stammbaume*  von  einem  Grafen  Namens 
Patto  I.,  Vogte  von  Tegernsee  (f  vor  1017),  abgeleitet,  dessen 
Enkel,  ein  Sohn  des  Grafen  Gerold  von  Neuburg  und  Wiare 
und  Neffe  Pattos  II.,  Sigebotus  I.  comes  Weyarensis  (f  1136) 
gewesen  sein  soll.  Aber  damit  lässt  sich  die  Thatsache  nicht 
in  Einklang  bringen,  dass  schon  in  dem  Zeiträume  von  1011 
bis  1026  oder  1031 — 1040  ein  paarmal  ein  Sigboto  preses  et 
advocatus   und   einmal   ein  Sigboto   advocatus   vorkommt,   und 


*  Stehe  J.  T.  Hnschberg,  Die  Ortenburger. 
'  Drei  bajer.  Traditionsbttcher,  Beil. 


521 

dass  in  dem  Zeiträume  von  1068 — 1091  oft  ein  comes  (preses) 
Siboto,  offenbar  immer  derselbe,  in  den  Traditionen  des  Stiftes 
Tegemsee  auftritt.  ^  Der  bezeichnende  Name  der  Familie  ist  Sige- 
boto,  der,  wenn  auch  nicht  ausschliesslich,  so  doch  mit  der  näm- 
lichen Regelmässigkeit  wiederkehrt  wie  in  anderen  Familien 
Ottokar,  Sigihard,  Chuno  und  Andere.  Nach  dem  Codex  Falken- 
steinensis  besitzt  der  um  1170  noch  lebende  Graf  Sigeboto  II. 
von  Falkenstein,  ein  Urenkel  des  erwähnten  Patto  II.  nach 
obiger  Genealogie,  ausser  zahlreichen  Eigengütem  und  Lehen  die 
Grafschaften  Neuburg  mit  dem  Schlosse  gleichen  Namens  an 
der  Mangfall,  die  Grafschaft  Falkenstein  mit  der  Burg  Falken- 
stein bei  Oberflinsbach,  die  Grafschaft  Hademarsberg,  einen 
schmalen,  von  den  Grafschaften  Kling-Wasserburg  und  Marcwart- 
stein eingeschnürten  Streifen  zwischen  Rosenheim  und  dem  West- 
gestade des  Chiemsees,  die  Vogtei  Aibling,  welche  die  genannten 
drei  Grafschaften  miteinander  verbindet,  und  die  weit  entlegene 
Grafschaft  Herrantstein  in  Niederösterreich,  die  um  die  obere 
Piesting  und  ihre  Zuflüsse  bis  gegen  Wiener-Neustadt  sich  aus- 
dehnte.* Hievon  lagen  die  Ortschaften  Falkenstein  und  Neu- 
burg und  die  Vogtei  Aibling  in  dem  ehemaligen  Sundergaue, 
die  Grafschaft  Hademarsberg  zum  Theile  im  Chiemgaue  und 
zum  Theile  in  der  Grafschaft  des  unteren  Innthales  und  hier 
auch  die  Vogtei  im  Leukenthale,  die  Grafschaft  Herrantstein 
aber  in  der  Mark  Putten.  Die  ersten  drei  Grafschaften  und 
die  cometia  im  Liuchental  waren  offenbar  Lehen  des  Herzogs 
von  Baiern  und  wohl  auch  die  Vogtei  Aibling,  die  Grafschaft 
Herrantstein  Lehen  des  Markgrafen  von  der  Steiermark  und  dann 
des  Herzogs  von  Oesterreich.  Die  Falkensteiner  hatten  jedoch 
noch  eine  Menge  anderer  Lehen  von  geistlichen  und  weltlichen 
Fürsten.  Sie  waren  Vasallen  der  Bischöfe  von  Passau,  Trient, 
Regensburg  und  Freising  und  des  Abtes  von  Tegemsee  und 
von  dem  Grafen  Gebhard  von  Burghausen  mit  über  400  Mausen 
(in  Niederösterreich),  vom  Grafen  Gebhard  von  Sulzbach  mit 
fast  400  Mausen,  von  dem  Pfalzgrafen  Otto  dem  Jüngeren  mit 
100  Mausen,  vom  Markgrafen  Engelbert  HI.  mit  fast  300  Mausen, 
von  dem  Hallgrafen  Gebhard  mit  250  Mausen,  vom  Herzoge 
Weif  mit   200  Mausen,   vom   Grafen  (Sighard   oder  Heinrich) 


*  Mon.  Boic.  6,  39.  40.  42.  46.  60.  62  u.  a.  a.  O. 
'  Drei  bayer.  TraditionsbUcher,  Einleit.,  XI  f. 


622 

von  Schala  mit  Aurdorf  und  Willingen  (westlich  von  Aibling), 
vom  Grafen  Konrad  von  Peilstein  mit  mehreren  Einkünften 
und  einem  Hofe  bei  Halle  (Reichenhall),  vom  Herzoge  Leopold 
von  Oesterreich  mit  der  Marchmutte  mehrerer  Güter,  vom 
Markgrafen  Ottokar  von  Steiermark  mit  Gut  bei  Fischah  und 
Hartberg,  vom  Grafen  Rapoto  von  Ortenburg  mit  2  Wagen 
Wein  im  Brixenthale,  vom  Grafen  Berthold  von  Andechs  mit 
einem  Gute  zu  Ingoltesperch  und  vom  Pfalzgrafen  Friedrich  mit 
mehreren  Gütern,  darunter  2  Hansen  zu  Langkampfen,  belehnt^ 
Die  Lage  der  Grafschaften,  Vogteien  und  anderen  Besitzungen, 
die  Grafen-,  Eigen-  und  Lehenrechte  und  die  vielen  Beziehungen 
der  Falkensteiner  zu  anderen  Fürstengeschlechtern,  all'  dies 
weist  auf  das  Aribonenhaus  hin,  und  in  einem  Zweige  desselben 
finden  wir  auch  den  sonst  so  seltenen  Namen  Siboto  (Sigeboto): 
so  heisst  ja  einer  der  Söhne  der  mehrmals  erwähnten  Gräfin 
Judita,'  deren  Familie  in  nächster  Nachbarschaft  ansässig  war. 
Doch  flir  Abkömmlinge  dieses  Sigeboto  oder  überhaupt  fllr 
echte  Sprossen  des  Aribonenhauses  möchte  ich  aus  zwei  Gründen 
die  Falkensteiner  nicht  halten,  einmal  weil  ihr  Stammgut  nicht 
im  Chiem-  oder  Isengaue,  sondern  zu  Geislbach  im  Wester- 
gaue (Amtsgericht  Dorfen)  lag,'  und  dann  weil  ihre  Dienst- 
leute niemals  ministeriales,  sondern  stets  nur  milites  heissen. 
Der  letztere  Umstand  lässt  sie  entschieden  als  eine  nicht  voll- 
kommen den  anderen  Grafenfamilien  ebenbürtige  erscheinen, 
trotz  ihres  grossen  Besitzes,  und  macht  es  erklärUch,  dass  sie 
von  so  vielen  anderen  Grafenfamilien  Lehen  haben  konnten. 
Die  Grafen  von  Falkenstein  sind  darum  eher  als  ein  unechter 
Seitenzweig  des  Aribonenhauses  anzusehen.  Dass  es  demselben 
bis  zu  einem  gewissen  Grade  angehört,  daftir  scheint  mir  ge- 
rade die  Verhandlung  über  ihr  Handgemal  vor  dem  Pfalz- 
grafen Otto  von  Witteisbach,  in  dessen  Amtsgebiet  der  Ort 
Geislbach  und  die  Dingstätte  Moringen  lagen,  zu  sprechen. 
Dabei  waren  neben  anderen  Edlen  Dingleute:  Chuno  von  Me- 
geUng,  Sigiboto  de  Antwrte  und  der  Hallgraf  Gebhard,*  die 
alle  nicht  in  dieser  Grafschaft  wohnten  und  nur  wegen  ihrer 
Verwandtschaft   herangezogen    sein    konnten.     Zwischen    den 


*  Drei  bayer.  Traditionsbücher  S.  7f.,  7  a. 

•  Juvavia,  Anh.,  S.  233. 

»  Drei  bayer.  Traditionsbücher,  S.  8  f.  2  a. 

♦  Ibid. 


623 

Herren  von  Megling  und  den  Grafen  von  Falkenstein  bestand 
freilich  noch  eine  andere  verwandtschaftliche  Beziehung  in 
Folge  einer  Heirat  Herrandus  II,  mit  Sophie  von  Megling. 

£inen  verwandtschaftUchen  Zusammenhang  zwischen  der 
Familie  des  Pfalzgrafen  Chuno  von  Rot-Vohburg  und  den 
Grafen  von  Lechsgemünde  hat  zuerst  Moritz^  angenommen^ 
indem  er  des  Pfalzgrafen  Tochter,  die  Gräfin  Irmingard  in 
zweiter  Ehe  mit  einem  nicht  näher  bekannten  Mitgliede  der 
Grafenfamilie  von  Lechsgemünde  sich  vermählen  liess  und  so 
den  zweiten,  offenbar  jüngeren  Sohn  derselben,  Chuno  von 
Horburg,  zu  einem  Sprossen  dieser  Ehe  machte.*  Dieser  An- 
sicht widersprach  aber  v.  Koch-Stemfeld  entschieden  und  ver- 
trat wieder  die  schon  von  mehreren  älteren  Genealogen  vor- 
gebrachte Meinung,  der  zweite  Gemahl  Irmingards  sei  Chuno 
von  Megling  gewesen.  Ist  meine  frühere  Annahme  richtig, 
dass  Irmingard  sich  in  erster  Ehe  mit  einem  Hallgrafen  (Engel- 
bert) und  in  zweiter  mit  dem  Grafen  Gebhard  von  Sulzbach 
verheiratet  habe,  so  müsste  man  sie  in  dritter  Ehe  mit  einem 
Grafen  von  Lechsgemünde  sich  verbinden  lassen,  wollte  man 
Moritz  beipflichten  und  auf  seine  Weise  den  verwandtschaft- 
lichen Zusammenhang  beider  Familien  erklären.  Dass  ein 
solcher  bestanden  haben  muss,  scheint  auch  mir  aus  den  Be- 
sitzverhältnissen sich  zu  ergeben.  Eine  Linie  der  Grafen  von 
Lechsgemünde  besitzt  nämlich  im  12.  Jahrhunderte  Grafschafts- 
bezirke, die  mitten  zwischen  solchen  von  Zweigen  des  Ari- 
bonenhauses  liegen:  im  Salzburggaue  und  im  angrenzenden 
Lomgaue.  Zillner  ^  hat  zuerst  nachgewiesen,  dass  ihr  und 
nicht  den  Grafen  von  Piain,  wie  man  bisher  immer  ange- 
nommen, die  Grafschaft  Oberpinzgau  gehört  habe,  und  Richter* 
hat  ihm  zugestimmt.  Als  Inhaber  der  Bezirke  und  Schlösser 
von  Windisch-Matrei  und  Lengberg  und  anderer  Besitzungen 
des  Iselthales  ist  diese  Linie  schon  aus  den  Werken  v.  Hor- 
mayr's^  und  des  Grafen  Reisach-Steinberg  bekannt;  sie  hatte 
aber  auch   noch  Güter  und  Einkünfte   von   20  Mark   zu  Itils- 


*  J.  Moritz,  Die  Grafen  von  Sulzbach  65  ff. 

*  R.  V.  Koch-Sternfeld,  Zur  Geschichte  der  Grafen  von  Salzbach  7  ff. 
»  Dr.  Zillner,  Die  Grafschaften  im  Salzbnrgg^aue  233  ff. 

*  E.  Bichter,  Untersuchnngen  679. 

*  V.  Hormajr,  Beiträge  Ib,  69  ff.     SämmtUche  Werke  1,  227  ff. 


524 

dorf  (Nikolsdorf),  Vrsen  (Irschen)  und  Linte^  im  ehemaligen 
Lumgaue  und  damit  also  wieder  einen  Besitz^  den  wir  einst 
in  den  Händen  des  Pfalzgrafen  Chuno  gesehen  haben.  Der 
Erwerb  dieser  Besitzungen  ist  kaum  anders  denkbar  als  durch 
nahe  Verwandtschaft  mit  den  Familien,  die  sie  nachweisbar 
früher  besessen  haben;  die  Art  und  den  Grad  derselben  aber 
zu  bestimmen,  dürfte  mit  den  bisher  veröffentlichten  Quellen 
wohl  kaum  möglich  sein. 

Den  Schluss  dieser  Abhandlung  sollte  nach  dem  ersten 
Entwürfe  ein  Stammbaum  des  Aribonenhauses  bilden,  allein 
nach  längerer  Erwägung  muss  ich  davon  Umgang  nehmen. 
Denn  es  ist  unmögUch,  selbst  einzelne  Familien  darin  an  be- 
stimmter Stelle  aufzunehmen,  geschweige  denn  jedem  Mit- 
gliede  derselben  seinen  Platz  anzuweisen.  So  müssten  manche 
Fälle  sehr  unsicher  bleiben,  und  dann  hätte  doch  die  ganze 
Zusammenstellung  nur  insoferne  einen  Werth,  als  sie  eine  be- 
queme Uebersicht  über  alle  aufgestellten  und  angenommenen 
Beziehungen  gewährte.  Allein  wenn  manche  Einzelheiten  mehr 
oder  weniger  unsicher  bleiben,  so  gewinnen  doch  die  meisten 
durch  den  Zusammenhalt  mit  anderen  mehr  Festigkeit  und 
nicht  wenige  einen  hinreichenden  Grad  von  Zuverlässigkeit. 
Denn  nicht  selten  werfen  spätere  Verhältnisse  auch  auf  frühere 
Licht  und  lassen  Vieles  bestimmter  erscheinen,  als  es  durch 
die  gleichzeitigen  Quellen  sich  darstellen  lässt.  Auf  diesen  Zu- 
sammenhalt muss  ich  besonderes  Gewicht  legen,  im  Zusammen- 
hange mit  anderen  sicheren  Ansätzen  werden  auch,  wie  ich 
hoffe,  manche  zweifelhaften  einen  hinreichenden  Grad  von 
Wahrscheinlichkeit  bekommen,  während  sie,  aus  diesem  Zu- 
sammenhange gerissen  und  für  sich  betrachtet,  immerhin  schwan- 
kend genug  erscheinen  mögen.  Doch  bin  ich  weit  entfernt, 
alle  meine  Annahmen  als  hinreichend  verbürgt  halten  zu 
wollen;  meine  Arbeit  hat  ihr  Ziel  erreicht,  wenn  es  mir 
durch  meine  Erörterungen  gelungen,  folgende  Sätze  erwiesen 
oder  wenigstens  im  hohen  Grade  wahrscheinlich  gemacht  zu 
haben : 

1.  Unter  allen  bekannten  Edlen  des  Namens  Aripo 
(Aribo)    kann    der    gleichnamige    Markgraf    der    Ost- 


^  V.  Rei0aoli,  Grafen    zu   Steinberg^,   Geschichte  der  Grafen  von   Leduge- 
münde,  in  histor.  Abhandi.  d.  k.  bair.  Akad.  d.  W.  (IS13)  2,  37a.  377. 


525 


mark  um  die  Wende  des  9.  und  10.  Jahrhunderts  am 
ehesten  als  Stammvater  des  Aribonenhauses  angesehen 
werden. 

2.  Der  Stammsitz  der  Aribonen  ist  nicht  im  Chiem- 
gaue^  sondern  im  Isengaue  zu  suchen. 

3.  Das  Aribonenhaus  war  weiter  verzweigt,  als 
man  bisher  angenommen,  und  umfasste  eine  Reihe  von 
Grafenfamilien  des  südöstlichen  Deutschlands. 

4.  Zu  ihm  gehörten  nicht  blos  die  ältere  Pfalz- 
grafenfamilie, sondern  auch  die  Familien  der  Pfalz- 
grafen Chuno  und  Rapoto. 

5.  Dasselbe  gilt  von  den  Grafen  des  Lurngaues 
und  ihrem  jüngeren  Zweige,  den  Grafen  von  Görz, 
aber  auch  die  Grafen  von  Tirol  können  keinem  anderen 
Geschlechte  mit  mehr  Recht  zugewiesen  werden. 

6.  Die  Grafen  von  Spanheim,  insbesondere  die 
bairischen  Ortenburger,  sind  die  Erben  vieler  Be- 
sitzungen der  genannten  drei  Pfalzgrafenfamilien  ge- 
worden. 

7.  Das  Aribonenhaus  hat  auch  die  Grafschaft  des 
unteren  Innthales  besessen,  und  die  Grafen  von  Orten- 
burg  sind  in  ihrem  Besitze  daselbst  auch  die  Nach- 
folger der  älteren  Pfalzgrafenfamilien  geworden.* 

^  Da  der  erste  im  Jahre  1896  erschienene  Band  der  Monumenta  historic« 
ducatus  Karinthiae,  die  Gurker  Geschichtsquellen,  herausgegeben  von 
August  von  Jaksch,  erst  nach  Vollendung  dieser  Abhandlung  in  meine 
Hftnde  kam,  so  konnte  derselbe  nicht  mehr  in  vollem  Umfange  heran- 
gezogen werden  und  beruhen  daher  die  Erörterungen  über  die  Familie 
der  Wilhelme  (8.  468  ff.),  namentlich  jene  über  die  VOgte,  zum  Theile 
noch  auf  den  früheren  Quellenausgaben,  worin  die  Fälschungen  nicht 
als  solche  erkannt  und  gekennzeichnet  waren. 


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STANFORD  UNIVERSITY  UBRARY 
Stanford,  California 


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