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C'^HA^^t
•
Archiv
mr
österreichische Geschichte.
HerEusgegeben
▼OD der
zur J^ege vaterländischer Geschichte aufgestellten Commission
der
kiiiserlieheii Akademie der Wissenschaften.
Aohtundsiebzigater Band.
Mit 19 PlAnen, 1 Karte und 1 Dislocations -Tabelle.
Wien, 1892.
In Commission bei F. Tempsky
BM^kiiidl«r dw kftia. Ak»d«mi« dm- WiMtatehtfUn.
Druck TOD Adolf Holshansen,
k. und k. Hof- and UniTeniUU*Bachdnioker in Wien.
^
Inhalt des aehtundsiebzlgsteii Bandes.
Seite
Die VerhandluDgen Ferdinands I. mit Isabella von Siebenbürgen.
1651— 16ÖÖ. Von Alfons Huber . 1
Da« Granmn Catalogi praesnlum Moraviae. Nach der Handschrift des
Olmfitzer Domcapitelarchivs herausgegeben von J. Loserth 41
Bnkowinas Entstehen und Aufblühen. Maria Theresias Zeit. I. Theil. 1772
bis Juni 1775. Von Dr. Daniel Werenka. Mit 19 Plänen, 1 Karte
und 1 Dislocations -Tabelle 99
Zwei Denkschriften Erzherzog Bainers aus den Jahren 1S08 und 1809.
Herausgegeben von Eduard Wertheimer 297
Aufenthalt der Erzherzoge Johann und Ludwig in England (1815 und
1816). Nach ungedruckten Quellen von Eduard Wertheimer 377
Der Anabaptismus in Tirol von seinen Anfängen bis zum Tode Jakob
Huter's (1526 — 1536). Aus den hinterlassenen Papieren des Hof-
rathes Dr. Josef R. von Beck von J. Loserth 427
DIE
VERHANDLUNGEN FERDINANDS I.
% •
MIT
I8ABELLA VON SIEBENBÜRGEN
1551—1555.
VON
ALFONS HÜBER,
WIRKL. MITOUID DER KAIS. AKADEMIE DER WIBSBNSOHAFTEIf.
ArcbiT. Bd. LIITIII. I. Hälfte.
Unter dem Titel Jzabella ^s Jdnos Zsigmond Lengyel-
orszägban 1552—1556' (Isabella und Johann Sigmund in
Polen 1552 — 1556) veröffentlichte der ungarische Historiker
L. Szädecky im Jahre 1888 ,auf Grund urkundlicher
Quellen^ eine Abhandlung, welche die Beziehungen Ferdinands I.
zur Königin Isabella^ der Witwe Johann Zäpolya's, von ihrer
Verzichtleistung auf Siebenbürgen bis zu ihrer Rückkehr in
dieses Land schildert und die Versuche des Königs auseinander-
setzt^ seine Rivalin wegen der ihr fiir Siebenbürgen und ihre
Besitzungen in Ungarn zugesicherten Entschädigungen zu be-
friedigen. Doch hat der Verfasser nicht den ganzen auf dem
Titel angegebenen Zeitraum, sondern nur die zweite Hälfte von
Weihnachten 1553 an eingehend behandelt, gerade die Periode,
welche von geringerer Wichtigkeit ist, weil Isabella in dieser
Zeit bereits entschlossen war, dem Rufe ihrer Anhänger in
Ungarn und Siebenbürgen zu folgen und wieder in dieses
Fürstenthum zurückzukehren, und die Unterhandlungen mit
Ferdinand nur noch zum Scheine führte. Was in der Einleitung
über die vorausgehende Zeit seit dem Abschlüsse des Abtretungs-
vertrages, wie über diesen selbst mitgetheilt wird, ist ausser-
ordentlich lückenhaft und auch nicht frei von Irrthümem. Und
doch liegt der Schwerpunkt der Verhandlungen in den Jahren
1551 bis 1553, weil man nur aus diesen erkennen kann, ob
der König ernstlich bemüht war, seinen vertragsmässigen Ver-
pflichtungen nachzukommen, und ob Isabella genügende Gründe
hatte, sich mit den Feinden desselben in Verbindungen einzu-
lassen. Diese Lücke auszufüllen, soll die Aufgabe der folgenden
Abhandlung sein, welcher die Abtheilung ,Hungarica' des
k. k. geheimen Haus-, Hof- und Staatsarchives zu Grunde liegt.
1*
Nach langen Verhandlungen, welche zwischen den Bevoll-
mächtigten Ferdinands I., Johann Baptista Castaldo, Mark-
grafen von Cassano, Generalcapitän des Königs, Thomas
Ndda&dy, Judex curiae von Ungarn, und Andreas Bäthory,
Magister tavemicorum regalium, und zwischen der Königin-
Witwe Isabella unter Vermittlung des Bruders Georg in Mtihl-
bach geführt worden waren,* wurde am 19. Juli 1551 der
Vertrag von Weissenburg unterzeichnet.*
Isabella und ihr Sohn Johann Sigmund traten alle ihre
Besitzungen in Ungarn und Siebenbürgen mit der Königskrone
dem Kaiser und dem Könige Ferdinand ab. Dagegen überliess
dieser dem Prinzen Johann das schlesische Ilerzogthum Oppeln
und verpflichtete sich, wenn die Einkünfte von demselben
25.000 ungarische Gulden^ nicht erreichten, sie durch die Hin-
zufügung anderer Güter bis auf diese Summe zu ergänzen.
Andererseits wurde bestimmt, dass der Herzog Johann und
seine Nachfolger dem jeweiligen Könige von Böhmen Alles das
zu thun und zu leisten verpflichtet seien, was die anderen
Bchlesischen Fürsten demselben geleistet haben und leisten.
Falls Johann keine männlichen Nachkommen hinterliesse, sollte
Oppeln an den König zurückfallen, wie umgekehrt Ungarn wieder
an jenen kommen sollte, wenn die Nachkommen des Kaisers
und des Königs im Mannsstamme ausstürben. Da Oppeln (wie
Ratibor) damals dem jungen Markgrafen Georg Friedrich von
Brandenburg verpfkndet war und erst ausgelöst werden musste,
so sollten Isabella und ihr Sohn bis Weihnachten, wo die Ueber-
gabe dieses Herzogthums stattfinden sollte, in Kaschau bleiben
^ Näheres in meiner Abhandlung: Die Erwerbung Siebenbürgens durch
König Ferdinand I. im Jahre 1551 und Bruder Georgs Ende. Wien 1889.
(Aus dem LXXV. Bandes des , Archiv f. {Jsterr. Qeschichte').
' Die Urkunden bei Og. UtieSenovid, Lebensgeschichte des Cardinais
Georg UtieSenovic genannt Martinusius (Wien 1881), Urkundenbuch
S. 32 ff.
' Nach einer Notiz auf einem undatirten Actenstücke vom Jahre 1562 im
k. k. g. A. waren 4000 ungarische Gulden gleich 5000 rheinischen
Gulden. Ein ungarischer Gulden zu 100 Denaren hatte nach Acsädy,
Magyarorszng penzügyei I. Ferdinand uralkod^a alatt (Ungarns Finanz-
wesen unter Ferdinand I.) p. 32 in den Jahren 1547—1564 einen Münz-
werth von zwei Gulden 53*47 Kreuzern der heutigen Osterreichischen
Währung, während der innere Werth (nach den üetreidepreisen) un-
gefähr zehn Gulden gleichkam.
und dieses mit allen Rechten und Einkünften besitzen. Für die
Zehnten dieses Jahres^ die sie in Siebenbürgen besassen, sollten
sie zu ihrem Unterhalte in Kaschau 3000 Gulden aus den Er-
trägnissen des Erzbisthums Gran oder des Bisthums Erlau er-
halten. Auch für die Geschütze, die sie in den ungarischen
und siebenbürgischen Festungen zurückliessen, sollte der König
andere gleichwerthige in Oppeln geben oder den entsprechenden
Werth zahlen. Endlich wurde dem Prinzen die Hand der Erz-
herzogin Johanna^ der jüngsten Tochter Ferdinands I., zuge-
sichert.
Die Königin Isabella^ welcher von ihrem Gemahle ungarische
und siebenbürgische Burgen als Widerlage (pro contradote) für
140.000 ungarische Gulden verschrieben waren, sollte für die
Verzichtleistung auf dieselben entsprechend entschädigt werden.
Für 40.000 Gulden sollten ihr die Herzogthümer Münsterberg
und Frankenstein (welche der König kurz vorher vom Herzog
Friedrich HI. von Liegnitz eingelöst hatte) verschrieben werden.
Von den übrigen 100.000 Gulden sollte der König die eine
Hälfte bis Weihnachten, die andere binnen drei Jahren zahlen
und innerhalb dieser Zeit mit 5% verzinsen. Auch sollte es ihr
freistehen, für eines oder beide Herzogthümer die entsprechende
Geldsumme von je 20.000 Gulden zu verlangen, die dann binnen
drei Jahren gezahlt werden sollten. Nur musste sie dies ein
Jahr früher dem Könige bekanntgeben.
Am 23. Juli erläuterten die Bevollmächtigten König
Ferdinands einige Artikel dieses Vertrages und erklärten
namentlich, dass, wenn Johann Sigmund keine Söhne, wohl
aber Töchter oder eine Witwe hinterliesse, jene geziemend
verheiratet und diese mit einem Witthum versehen werden
sollte.^
Isabella begab sich dann mit ihrem Sohne nach Kaschau.
Aber kaum war sie dort angelangt, so begannen auch schon
die Klagen und wurden neue Forderungen erhoben. Sie fand
dort nicht die Bequemlichkeit, die sie erwartet hatte und bei
ihrem leidenden Zustande (sie hatte das Fieber) brauchte.* Ihr
* Dieses wie andere Actenstücke, wenn nichts Anderes angegeben ist, in
der Abtheilnng ,Hungarica* des k. k. g. A. zu den botreffenden Tagen.
Theils sind es Concepte (wie alle vom K{$nige Ferdinand herrührenden
Stücke), theils Copien, theils (namentlich viele Briefe Isabella's) Originale.
* Isabella an Castaldo o. T., von diesem empfangen am 20. Sept
Hofmeister Mathias Loboczky, den sie am 14. Oetober^ an den
König schickte, um ihn ihres Gehorsams zu versichern und den
Vertrag von Weissenburg au bestätigen, wurde beauftragt,
mehrere Wünsche vorzubringen, welche über die getroflfenen
Vereinbarungen hinausgingen. Zwar ihre Bitte, Ochsen, Lämmer,
Pferde und Wein nach ihren schlesischen Fürstenthümem zoU-
fi'ei einführen zu dürfen, war von geringer Wichtigkeit und
wurde auch vom Könige genehmigt, soweit es sich auf die Be-
dürfhisse des Hofes bezog. Aber von grösserer Bedeutung war
das Ansuchen Isabellas, dass ihr Sohn von der Kriegspflicht
und die Unterthanen von allen Steuerleistungen gegenüber der
Krone Böhmen frei sein sollten. Ferdinand antwortete, dass
Johann und seine Erben dieselben Rechte und Pflichten haben
sollten wie die anderen schlesischen Fürsten, wie dies ja auch
im Vertrage von Weissenburg ausdrücklich festgesetzt worden
war. Auch auf die Bitte, dies wenigstens für eine Anzahl von
Jahren zu bewilligen, ging er mit Rücksicht auf 5as Reich
Böhmen und die böhmischen und schlesischen Stände nicht ein.*
Bald erhoben sich neue Differenzen. Loboczky, der vom
König mit zwei Commissären nach Münsterberg und Franken-
stein geschickt wurde, dann Oppeln besuchte und am 11. No-
vember nach Kaschau zurückkam, machte der Königin über
den Zustand dieser Fürstenthümer die ungünstigsten Schil-
derungen. Münsterberg und Frankenstein seien zwei kleine
,Gütchen' und noch dazu fast verlassen.* In Oppeln sei die
Oekonoraie durch die Beamten vernachlässigt, die Fischteiche
und Güter leer, das Schloss baußillig. Die Herzogthümer wtirden
nicht die Hälfte der vereinbarten Einkünfte abwerfen. Zudem
hatte Isabella, wie sie wenigstens behauptete, vorausgesetzt, dass
ihr Sohn mit dem Herzogthum Oppeln auch Ratibor erhalten
würde, weil beide Fürstenthümer in letzter Zeit immer vereinigt
gewesen waren. Endlieh beklagte sich die Königin, dass ihr
von der Summe, welche ihr Sohn als Ersatz für die Einkünfte
des Herzogthums Oppeln für die Zeit vom 19. Juli bis Weih-
* Diesen Tag gibt sie im Schreiben an Castaldo vom 20. November an.
* Die durch Loboczky erhobenen Forderungen und die Antworten des
K^tnipfs sind in mehreren Actenstücken unter ,Hung. 1552 8. d.* enthalten.
Die Verhandlungen müssen in der zweiten Hälfte des October stattge-
funden haben.
^ dfw dunUixat exigua aUodiola et ea pene deaerta.
nachten am 1. November hätte erhalten sollen, nur die Hälfte,
nämlich 8000 Gulden rheinisch, und die 3000 Gulden von den
Zehnten, die sie schon nach ihrer Ankunft in Kaschau hätte
bekommen sollen, noch gar nicht gezahlt seien.
Der König fühlte sich durch die Redereien Loboczky's
nicht mit Unrecht gekränkt. Gegenüber der Behauptung, dass
Münsterberg und Frankenstein nichts eintragen, wies er darauf
hin, dass diese Fürstenthümer auch dem Herzoge von Liegnitz
um die gleiche Summe wie ihr, um 40.000 Gulden, verpfändet
gewesen seien. Wenn übrigens dieselben der Königin nicht ge-
nehm seien, so werde er ihr dafür in anderen Ländern die
entsprechenden Geldsummen anweisen. Bezüglich Ratibors be-
tonte er, dass dieses Herzogthum nie unter der Bezeichnung
Oppeln verstanden worden sei und dass auch im Vertrage nichts
von diesem stehe; er habe nur die 25.000 Gulden, wenn sie
von den Einkünften Oppelns nicht eingingen, aus anderen
Gütern zu ergänzen. Den Rest der Summe für die Einkünfte
dieses Jahres und die 3000 Gulden für die Zehnten werde er
am Weihnachten entrichten und damit einen seiner Hofleute
direct nach Kaschau schicken. Zugleich bat er die Königin,
Bevollmächtigte zu senden, um am 30. December in Breslau
von seinen Commissären den Besitz Oppelns zu übernehmen,
wogegen sie Alles für die Uebergabe Kaschaus vorbereiten sollte,
die gleichzeitig stattzufinden hatte. Nur bat er sie, ihm die
50.000 Gulden für ihre Widerlage, welche ebenfalls um Weih-
nachten zu zahlen waren, gegen entsprechende Verzinsung
noch einige Zeit zu lassen, da die Türken nach der Besitz-
nahme Siebenbürgens und des östlichen Ungarns durch seine
Truppen den Krieg gegen ihn erneuert hatten. ^
Auf die Bitte, ihm die 50.000 oder wenigstens 25.000 Gul-
den, wenn nicht auf länger, doch auf ein Jahr zu lassen, wollte
Isabella durchaus nicht eingehen, weil sie selbst grosse Aus-
lagen gehabt habe. * Aber für die anderen Eröflfnungen und die
' Isabella an Castaldo 20. Nov., an König Ferdinand 22. Nov.; Loboczky
an König Ferdinand 20. Nov., König Ferdinand an Isabella 10. Nov.,
4. und 10. Dec., an Loboczky 4. Dec.
* laabella an König Ferdinand 11. Dec. 1551, an Castaldo 4. Jan. 1552,
KOnig Ferdinand an Isabella 27. Dec. 1551. Am 16. Jan. 1552 schrieb
diese aber doch an Castaldo, wenn sie das Geld durchaus nicht haben
könne, möchte sie ein benachbartes Land.
dadurch an den Tag gel^:ten guten Q^sinnangen dankte me
am 11. December in geradezu überschwänglicher Weise. Sie
sehnte sich jetzt nur wegen der kriegerischen Bewegungen und
Unruhen bald aus Kasehau wegzukommen und in ihre schle-
sischen Fttrstenthümer gefUhrt zu werden. Nicht blos dem
Könige, sondern auch dem General Castaldo, dem sie die freund-
schaftJichsten Briefe schrieb und den sie als Vermittler dem
Könige gegenüber benützte, äusserte sie wiederholt den Wunsch,
,von diesem gesegneten Lande und verfluchten Volke' befreit
zu werden. *
Die übrigen Gelder trafen auch rechtzeitig in Kaschau ein.
Abor über die (^ommissäre, welche dieselben gebracht hatten,
i^rhob die Königin Castaldo gegenüber am 4. Jänner 1552 die
bittcmtou Klagen, weil sie von der Summe fiir die BXnkünfte
aus ( )|>poln, wir wissen nicht aus welchen Gründen, fast 500 Du-
caton abgOBogon und das Ende des Jahres mit Weihnachten
toHtgtmetiEt hätten. Sie bat den General, dahin zu wirken, dass
der König il^r nicht mehr Gesandte schicke, ,welche ohne Respect
gegen die Fürston einen Kreuzer in vier Theile zu theilen
auolion*.
Dom Könige seibat gegenüber sprach sie übrigens ihren
Dank aus, dnss er ihr den Rest der Summe fiir Oppeln ,voll-
ständig* goHohiekt habe, und versprach mit ihrem Sohne die
Gnade des Königs duivh kindliehe Hingebung zu verdienen.*
Nachdem Ferdinand sie auch von der Einantwortung Oppelns
benachrichtigt hatte, übei^gab sie am 27. Jänner* 1552 Kaschau
an dessen (\)nimi88Än* Georg Werner, Commandanten der Burg
SÄros, und (leorg Kakowsky und reiste, begleitet vom Neffen
Castaldo's, über Polen nach Oppeln ab. Am 7. oder 8. Februar*
kam sie nach Krakau, begab sich von da auf die Burg
Krzepice^^ nordwestlieh von C-zenstochau, wo sie zwei Tage mit
* lucir in tuUo di queato befieilrtto paese e maladeUa generatiane. An Ca-
»uMo am 15. Dec. Aehnlich am 8. Uoc.
* All» Kaffchau 6. Jan. 1652.
» W«»fiiKi.u»n« iH-hreibt sie am 26. Jan. an König Ferdinand, dass dies am
fol^fridori Tage geschehen werdo.
* »fpUnto ofMru: die nach Bericht Sigmunds von Herberstein und des
J>r, Johann Lang an König Ferdinand ddo. Petrocow 14. Febr. 1552 im
k, k. g, A. (l'olonira).
» Von hior auM m^hreibt sie am 3. März an Castaldo, am 4. an König
nrdiriiind. Ihr lirudor war am 27. Februar von Piotrkow, wo er einen
ihrem Bruder, dem Könige Sigismund August von Polen, bei-
sammen war, und reiste dann von hier mit ihrem Sohne über
Rosenberg nach Oppeln, wo sie am 12. März eintraf. ^
Aber Isabellas Aufenthalt in Oppeln sollte nur von kurzer
Dauer sein.
Die Königin wurde durch den Zustand, in dem sie Oppeln
fend, auf das Unangenehmste berührt. Sie habe hier, schreibt
sie am 24. März an Castaldo, Ruhe und Erholung von ihren
Strapazen und Ausgaben gehofft. Aber noch sei kein Tag ohne
Thränen vergangen, wenn sie an ihr unglückliches Loos denke.
Durch den früheren Verwalter des Herzogthums, Pazadowsky,
sei Alles vernachlässigt worden. Oppeln sei eine Wüste inner- ,
halb und ausserhalb, das Schloss fast leer. Ihre Habseligkeiten
habe sie noch auf den Wagen, weil sie keinen Platz habe, wo
sie dieselben abladen könnte. Sie sei gezwungen, zu ihrer
Mutter zu gehen, welche ebenso wie ihr Bruder sie bei sich
aofhebmen wolle. * In der That reiste sie schon wenige Wochen
darauf nach Polen ab. *
Aber nicht blos die langweilige Lage Oppelns und die
Bauftklligkeit des dortigen Schlosses verleidete der Königin den
Aufenthalt, auch die Einkünfte erwiesen sich als viel geringer,
als man vorausgesetzt hatte. Da Oppeln bisher nicht im Besitze
der Krone, sondern des Markgrafen von Brandenburg gewesen
war, hatte man die Erträgnisse dieses Fürstenthums auch nicht
annähernd gekannt. Während man sie auf 25.000 ungarische
Gulden veranschlagt hatte, beliefen sich dieselben nach den
Registern, die Isabella am 24. März an Castaldo schickte, auf
höchstens 7300 Gulden.*
Dass die Einkünfte von Oppeln weit hinter den Erwartungen
zurückblieben, hatte sich übrigens schon bei der Uebergabe
Reichstage gehalten hatte, nach Krzepice abgereist. Selbstbiographie Sig-
munds Freih. von Herberstein in F. R. Austr. SS. 1, 392.
' Nach Angabe Herberstein's a. a. O. S. 393.
' Schreiben Isabellas an König Ferdinand aus Oppeln vom 20. März, an
Castaldo vom 24. März (2 Briefe), Johann Sigmunds an Castaldo Yom 20. März.
' Am 15. April schreibt sie noch in arce nostra Oppolia, am 6. Mai in
oppido Tharehyn (Tarczyn südwestlich von Warschau).
* Summa tUUnlium proventuum fl. 4059 gr, 2
„ ingtabüium vel incerUtrum „ 3234 „ 8
Summa summarum . . . ß, 7294 gr. 6 quemlibel ßor, pro 36 gr,
comptUando,
10
herausgestellt, und Ferdinand hatte auch bereits Soi^e getragen,
sie auf die vereinbarte Summe zu ergänzen. Schon am 9. Februar,
also lange vor Isabellas Ankunft in Oppeln, schrieb er ihr, dass
seine Commissäre über diese Angelegenheit nicht hätten ver-
handeln können, weil sie die Verzeichnisse oder Regesten der
Einkünfte von den Beamten des Markgrafen von Brandenburg
noch nicht erhalten, dass aber diese die baldige Uebersendung
versprochen hätten. Da er wisse, dass Isabella den Wunsch
habe, dass die fehlende Summe auf solche Besitzungen ange-
wiesen werde, welche dem Herzogthum Oppeln benachbart seien,
so habe er an die Vormünder des Markgrafen Georg Friedrich
das Ansuchen gestellt, ihm unter billigen Bedingungen auch
das Herzogthum Ratibor zu überlassen, und es sei zur Fort--
Setzung und Vollendung der Verhandlungen der 1. April fest-
gesetzt worden. Hätten diese Erfolg, so werde er ihrem Sohne
auch Ratibor übergeben, und wenn auch dies nicht genügte,
um die 25.000 Ducaten voll zu machen, diese noch anderweitig
ergänzen und auch den Entgang für die abgelaufene Zeit zahlen
lassen. ^
Aber die Verhandlungen über die Einlösung Ratibors
zogen sich in unerwarteter Weise hinaus, da sich unter den
Vormündern des jungen Markgrafen von Brandenburg auch der
Kurfürst Moriz von Sachsen befand,* der gerade im Frühjahr
1552 den Krieg gegen den Kaiser begann.
Isabella wartete übrigens die Erledigung dieser Angelegen-
heit gar nicht ab, sondern schickte schon bald nach ihrer An-
kunft in Oppeln, um die Mitte des April ^ 1552, ihren Hofmeister
Loboczky an den König Ferdinand nach Wien, um über die
vollständige Ausführung des Weissenburger Vertrages zu ver-
handeln und einige weitere Wünsche durchzusetzen.*
* Unter Auszügen aus Schreiben K^nig Ferdinands an Isabella und Lo-
boczky zum 22. Oct. 1552.
' Ausser ihm bildeten die Vormundschaft der Kurfürst von Brandenburg,
der Markgraf Hans von Cüstrin, die Mutter, des Markgrafen Georg
Witwe, Herzog Albrecht von Preussen und die Räthe von Ausbach.
Lanz, Correspondenz des Kaisers Karl V. 3, 524.
' Vom 15. April ist Isabellas Beglaubigungsschreiben für denselben an
den böhmischen König Maximilian. Am 25. schreibt Loboczky bereits
von Wien aus an Ferdinand I.
* Die J'ropositio legationis Mathiae Loboczky ad Ro. Regiam M^®™ no-
mine Reginae Isabel lae facta* im k. k. g. A. 1552 s. d. ist offenbar
11
Vor Allem sollte Loboczky den traurigen Zustand schildern,
m dem Isabella Oppeln getroffen habe. Das Schloss sei bau-
ßÜKg und mit Holz gestützt, die Güter verwahrlost und ohne
Gross- und Kleinvieh, die Fischteiche zerrissen gewesen. Das
Saatkorn fUr den Sommer, Lebensmittel, Hausrath, Tische,
Stühle und Betten habe sie kaufen müssen, so dass sie nichts
gehabt habe, wo sie mit ihrem Sohne ihr Haupt hätte hinlegen
können, und sie nicht einmal ihre Habe abladen konnte. Der
Mangel an Lebensmitteln nöthige auch Isabella, Oppeln zu ver-
lassen und sich zu ihrer Mutter, der Königin- Witwe Bona zu
begeben. Die Einkünfte des Herzogthums beliefen sich nur auf
ungefähr 7000 Gulden, während für die Instandhaltung kaum
10.000 Gulden ausreichen würden. Loboczky sollte weiter das
Ansuchen erneuern, dass ihr Oppeln frei von allen Steuern und
Abgaben und von der Kriegspflicht überlassen werde, und für
ihren Sohn den Aufschub der Huldigung bis zur Erreichung
der VoUjährigkeit erwirken. Ebenso sollte derselbe darauf drin-
gen, dass sie für die in Siebenbürgen und Kaschau zurück-
gelassenen Geschütze endlich entschädigt werde.
Bezüglich der 50.000 Ducaten, die sie dem Könige als
Darlehen lassen sollte, bemerkte sie, dass es ihrer unwürdig
sei, Zinsen zu nehmen, da sie und ihre Vorfahren nie von Zinsen
gelebt hätten. Der König möge ihr für die ganze Summe von
100.000 Ducaten ein entsprechendes Land zu Erbe oder Pfand
geben.
Unter anderen weniger bedeutenden Dingen bat Isabella,
der König möge ihr wenigstens einen Theil der Schätze des
am 17. December auf Befehl Castaldo's ermordeten ,Mönches'
(des Bruders Georg Utissenieh) geben, da dieser seit dem Tode
des Königs Johann die Verwaltung geführt, ohne Rechnung zu
legen, dessen Schatz an sich gerissen und die in Grosswardein
gelassenen Silbersachen ihres Gemahls nicht herausgegeben
habe, und er möge die Schuld von 750 Gulden auf sich nehmen,
welche sie von Johann Weresch, Richter in Hermannstadt, ge-
liehen und deren Zahlung ,jener Mönch' versprochen habe.
Als aber Loboczky nach Wien kam, war Ferdinand zu
einer Zusammenkunft mit Moriz von Sachsen nach Linz ab-
während Isabellas Aufenthalt in Oppeln abgefasst worden, wenn sie
auch erst den im August geführten Verhandlungen zu Gninde gelegt
wurde.
12
gereist. Auf den Rath Sigmund Herberstein's, der auf der Rück-
reise aus Polen, wo er in besonderer Mission gewesen war, mit
Isabella in Oppeln zusammengetroffen war, ^ beschloss Loboczky
dem Könige, weil dieser mit Geschäften überhäuft war, nicht
gleich nachzureisen, sondern erst eine Weisung desselben ein-
zuholen, ob er ihm folgen oder ihn in Wien erwarten solle.*
Später verfligte er sich auch wirklich zum Könige. Aber da
dieser in Passau, wohin er sich Ende Mai begab, um mit Moriz
von Sachsen und seinen Genossen einen Reichsfrieden zu ver-
einbaren, die fiir die Verhandlungen mit Loboczky nothwendigen
Actenstücke nicht zur Hand hatte und die erforderlichen Auf-
schlüsse nicht leicht erhalten konnte, so schickte er ihn nach
Wien zurück, um mit seinem Sohne Maximilian die Unter-
handlungen zu beginnen.»
Maximihan wollte aber über diese Angelegenheiten in Ab-
wesenheit seines Vaters keine Entscheidung treffen, und auch
als er von diesem neue Weisungen erhielt,* schob er bezüglich
aller wichtigeren Punkte eine bestimmte Antwort bis zur Ankunft
desselben hinaus.^
Erst als König Ferdinand am 13. August selbst wieder
in Wien eintraf,^ wurden die Unterhandlungen ernstlich auf-
genommen.^
Der König zeigte sich auch jetzt bereit, die Bestimmungen
des Weissenburger Vertrages im vollen Umfange auszuftihren
und auch über dieselben hinaus geringfiigigeren Wünschen
Isabellas entgegenzukommen. Aber alle ihre Forderungen wollte
und konnte er auch nicht erftOlen.
1 Dessen Selbstbiogpraphie a. a. O. S. 393.
' Loboczky an König Ferdinand vom 25. April 1552.
* Ferdinand an Isabella ddo. Patavie 2. Juni 1552.
* Loboczky an König Ferdinand ddo. Vienne 20. Juni. Ferdinand an
Loboczky Patayie 5. Juli und Weisungen an seinen Sohn vom gleichen
Tage.
* Antwort des Königs (Maximilian) von Böhmen auf einige Artikel Lo-
boczky*8 vom 7. August.
« (Gevay), Itinerar König Ferdinands I. (Wien, 1843).
' Propositio legationis Mathiae Loboczky (s. S. 10 Nr. 4.) — Responsum Ro.
Regiae Mtis ad propositionem Mathiae Loboczky s. d. — Replica Ma-
thiae Loboczky ad proximura Rom. et regiae Mtis responsum. — Re-
sponsum Ro. Regiae M^'s ad replicam Mathiae Loboczky. (Alle s. d.)
— Responsum S. R. M. ad articulos per dominum Loboczky Ma*» sue in
scriptis datos, 29. Aug.
13
Wenn Loboczky im Auftrage seiner Herrin in lebhaften
Farben die Verwahrlosung Oppelns geschildert hatte^ so sprach
Ferdinand sein Bedauern darüber aus, bemerkte aber, dass
dies nicht ihm, sondern dem Herzoge von Oppeln und dessen
Nachfolger, dem Markgrafen von Brandenburg, zur Last falle,
dass er übrigens Alles thun werde, um die Königin und ihren
Sohn zu befriedigen, und dass er ihr die Ausgaben für Haus-
rath, Hafer und Gerste ersetzen werde. Er machte zugleich
darauf aufmerksam, dass er derselben ja auch Frankenstein
und Münsterberg überlassen habe, wo sie bequem residiren
könnte, wogegen aber Loboczky einwendete, dass in Franken-
stein und Münsterberg zwar die Wohngebäude gut, aber der
Aufenthalt wegen der Unfruchtbarkeit und Armuth der Gegend
unbequem, auch diese Gebiete der Königin nur verpfändet seien.
Die Behauptung, dass die £inkünft;e des Herzogthums
Oppeln sich nur auf ungefähr 7000 Gulden beUefen, bestritt
Ferdinand, da er von verlässlichen Leuten entgegengesetzte
Nachrichten habe. Damit übrigens keinem Theile Unrecht ge-
schehe, wolle er die Erträgnisse aus den Regesten der letzten
zehn Jahre feststellen lassen und sei auch bereit, zur Revision
derselben zwei oder mehrere Commissäre nach Oppeln zu senden,
was auch Isabella thun möge. Auch erklärte er neuerdings
seine Absicht, einen etwaigen Abgang von den 25.000 Ducaten
aus den Einkünften Ratibors zu ersetzen, zu dessen Rücklösung
er bereits die Zustimmung erhalten habe, wenn er sich auch
mit den Besitzern über die Entschädigung noch nicht habe
einigen können.
Mit der Absendung von Commissären, die in Oppeln zu-
sammentreten sollten, erklärte sich auch Loboczky einverstanden,
und man einigte sich auch über den Zeitpunkt der Verhand-
lungen. Nur wünschte Loboczky, dass jene auch Vollmacht
zur Uebergabe Ratibors erhalten sollten, was Ferdinand zusagte,
sobald mit den Vormündern des Markgrafen von Brandenburg,
mit denen die Commissäre am 17. September zusammenkommen
sollten, eine Einigung erzielt wäre. Auch forderte Loboczky
die Wiederherstellung der Litegrität des Herzogthums Oppeln,
von dem der edle Adam von Ketzendorf aus dem Herzogthume
Brieg (vielleicht mit Zustimmung seines Herrn) und ein ge-
wisser Schweinichen, Hauptmann von Klein-Glogau, Theile
occupirt hätten. Auch dazu erklärte sich Ferdinand bereit.
14
Diese Commissäre sollten auch von Isabella über die vom
Könige Jobann in Qrosswardein zurückgelassenen G^enstände
nähere Aufschlüsse einholen^ worüber dem Könige Ferdinand
nichts bekannt war. Dagegen liess Loboczky die Forderung
der Schätze des Bruders Georg fallen^ nachdem Ferdinand be-
merkt hatte^ dass ihm von einem Schatze desselben gar nichts
bekannt und dass das Wenige, was er hinterlassen habe, in-
ventarisirt* und zur Vertheidigung Siebenbürgens verwendet
worden sei. Die Zahlung der Schuld an den Richter von
Hermannstadt hatte bereits der König Maximilian angeordnet.
Die Entschädigung fUr die in Kaschau und Siebenbürgen
zurückgelassenen Geschütze, Kugeln und Pulver wurde neuer-
dings zugesichert, und es war bereits an Castaldo geschrieben
worden, um darüber die nothwendigen Aufschlüsse zu erhalten^
worauf gleichwerthige aus Bauzen gegeben werden sollten.
Auch der Aufschub der Huldigung ftir Johann Sigmund
bis zum vierzehnten Lebensjahre desselben wurde bewilligt.
Unbedingt abgelehnt wurde nur auch jetzt die Bitte wegen
der Befreiung Oppelns von allen Abgaben und Leistungen, nicht
blos weil dies für Böhmen und Schlesien nachtheiUge Folgen,
sondern auch weil eine solche Bewilligung des Königs ohne
Zustimmung der Stände keine Giltigkeit hätte. Auch das An
suchen Loboczky's, der König möge sich wenigstens beim
nächsten böhmischen Landtage dafUr verwenden, dass dem
Herzoge Johann Sigmund den anderen schlesischen Fürsten
gegenüber irgend ein Vorrecht eingeräumt werde, wies Ferdinand
zurück, weil dazu doch keine Aussicht wäre.
Ebensowenig ging Ferdinand auf den Wimsch Isabellas
ein, ihr für die 100.000 Ducaten, die er ihr schuldig war, ein
Land einzuräumen. Er habe jetzt kein Land, das er ihr ver-
schreiben könnte, entgegnete er. Wohl aber erklärte er sich
bereit, der Königin für einen Theil dieser Schuld liegende
Güter, fUr den anderen Zölle und andere Einkünfte anzuweisen,
so dass sie jährlich 5000 Gulden erhalte. Auf die Anweisung
von Einkünften wollte sich nun aber wieder Loboczky nicht
* Nach einem Berichte Castaldo's fand man nur 4500 Mark Silber in Stangen,
1000 alte (Goldmünzen mit dem Bilde des Lysimachus, 1000 Gulden
baares Geld, einige Steinerze mit Goldadern und eine goldene Schlange,
in der obige (}oldm(inzen gefunden worden waren. UtieSenovic^ a. a. O.
S. 148.
15
einlassen, da diese unsicher seien. Die Königin, bemerkte er,
sei aufinerksam gemacht worden, dass Gross-Glogau und Jauer
in Schlesien, weiter Löwenberg, Görlitz, Bauzen, Zittau, Bunzlau,
Sprottau, Muskau, Tribol, Friedland u. s. w. frei seien, Uebrigens
sei ihr noch Ueber die Zahlung der 100.000 Ducaten, da sie
dafUr näher gelegene Güter als Eigenthum kaufen könnte. Die
Abtretung eines oder mehrerer der genannten Gebiete erklärte
nun wieder Ferdinand flir unmögHch, weil sie theils von der
böhmischen Krone ohne Wissen und Zustimmung der Stände
nicht getrennt werden dürften, theils zur Entschädigung für
Batibor in Aussicht genommen seien. Er stellte daher neuerdings
das Ansuchen, die Königin möge ihm wegen der Kriegskosten
diese Summe noch ein Jahr lang lassen, wogegen er ihr bis
Weihnachten durch den Zahlmeister in Schlesien ^ 6000 Ducaten
entrichten und binnen Jahresfrist entweder Güter, wovon sie
die Einkünfte beziehen könnte, übertragen oder das Geld baar
zurückzahlen woUte. Da Loboczky den Räthen der Uofkammer
mitgetheilt hatte, dass der Bischof von Breslau die Burg und
Herrschaft Pless verkaufen wolle, so wollte er mit demselben
wegen der Erwerbung unterhandeln.
Die Königin Isabella war mit den Ergebnissen dieser Ver-
handlungen nichts weniger als zufrieden. Nach ihrem ergebenen
und wohlwollenden Verhalten gegen den König, schrieb sie dem-
selben am 1. October aus Warschau, habe sie eine günstigere
Abfertigimg ihres Gesandten erwartet. Er habe sie aus ihrem
Reiche weggeführt und das Wenige, was er ihr versprochen
habe, nicht erftillt, so dass sie mit ihrem Sohne nicht leben
könne und auf den Burgen ihrer Mutter weilen und von ihr
unterhalten werden müsse.* Der König, schrieb sie am 27. Sep-
tember bitter an Castaldo, habe sich nur entschlossen, auf den
Michaelistag (29. September) Commissäre nach Oppeln zu schicken,
,um die Vögel in der Luft und die Fische im Walser zu schätzen,
^ magUtrum gol^Uumis in Silesia.
^ Vorübergehend scheint sie indessen doch an die Rückkehr nach Schlesien
gedacht zu haben. Denn am 23. October schrieb sie an Castaldo's Neffen
Johann Alfons Castaldo , sie habe aus Furcht vor der Pest Warschau
verlassen und nach Oppeln zurückkehren wollen. Als sie aber auf dem
Wege gehört, dass sie daselbst Hungers sterben würde, weil dort keine
Lebensmittel und Alles furchtbar theuer sei, habe sie in Dobrecice (wohl
Dobryszyce zwiiwhen Piotrkow und Czenstochau) Halt machen müssen.
16
damit die Einnahmen über die von ihr angegebene Summe
(7000 Gulden) erhöht würden^
Die Unzufriedenheit Isabellas konnte um so üblere Folgen
haben, als auch die Haltung der Feinde des Hauses Habsburg
eine drohende und die Stinmiung der Siebenbürger eine immer
bedenklichere wurde.
Im Sommer 1552 setzte sich ein grosses türkisches Heer
gegen die ehemaligen Besitzungen des Sohnes Zäpolya's in Be-
wegung, eroberte am 30. Juli Temesvär und bedrohte Sieben-
bürgen, da dessen westliche Vormauer, die Festung Lippa, von
ihrem Commandanten, dem Spanier Aldana, feige verlassen worden
war. Ferdinands Befehlshaber Castaldo musste den Fortschritten
der Feinde unthätig zusehen, weil die in Siebenbürgen stehen-
den Truppen, welche seit mehreren Monaten keinen Sold er-
halten hatten, ihre Dienste versagten und sich gegen die Ein-
wohner wendeten, die Adeligen aber anfangs sich weigerten,
ein allgemeines Aufgebot zu beschliessen, und später wenigstens
nicht über die Grenze ziehen wollten.*
Unter solchen Verhältnissen erhielten die Gegner König
Ferdinands in Siebenbürgen und dem östlichen Ungarn, welche
Johann Sigmund und seine Mutter auf den dortigen Fürsten-
stuhl zurückführen wollten, wieder Oberwasser. Schon am
12. April 1552 schrieb Castaldo an den König Ferdinand, er
möge Isabella so weit als möglich befriedigen, denn sie werde
ununterbrochen von verschiedenen Seiten zu Neuerungen auf-
gereizt, und wenn sie auch bisher grösseren Widerstand ge-
leistet, als irgend ein anderes Weib leisten könnte, so könnte
es doch geschehen, dass sie von Verzweiflung erfasst ihren
Sinn änderte.
Die Türken suchten ebenfalls mit Isabellens Hilfe die Herr-
schaft Ferdinands in Siebenbürgen zu stürzen. Am '19. August
berichtet Castaldo dem Könige, es sei ein Castellan des Peter
Petrovich, des Verwandten und ehemaligen Mitvormundes Johann
Sigmunds, in seine Hände gefallen, durch den die Türken die
Verhältnisse in Siebenbürgen auszuspioniren suchten. Dieser
^ lieber die VerhUltniase Siebenbürgens und die Lage Castuldo's in dieser
Zeit handelt (ungarisch) A. Sziligji in der Einleitung zum betreffenden
Abschnitte der ,Mon. comitialia Transylvaniae* 1, 362 sqq. Eine ein-
gehendere Darstellung auf Grund der reichhaltigen Materialien des
k. k. g. A. wäre eine dankenswerthe Aufgabe.
17
habe bekannt; dass die Türken durch ihn an Isabella und
Petrovich Briefe geschickt hätten mit dem Versprechen, ihnen
Temesvär und Lippa zurückzugeben, wenn sie den Sohn des
Königs Johann wieder nach Siebenbürgen brächten. Wie er
von Franz Kendy, einem der angesehensten siebenbürgischen
Grossen, gehört habe, sei jetzt die Königin sehr verändert^ und
es sei zu fürchten, dass sie noch mehr sich verändere, da das
Glück so sehr gegen den König sei.
Auch der König Heinrich II. von Frankreich, der in diesem
Sommer mit Zustimmung des Kurfürsten Moriz von Sachsen
und seiner Freunde dem deutschen Reiche die Städte Metz,
Toul und Verdun entrissen hatte und deswegen einen Angriff
des Kaisers Karl V. befUrchten musste, suchte Isabella durch
eine eigene Botschaft zur Rückkehr nach Siebenbürgen zu
bewegen. Eingedenk der Freundschaft seines Vaters Franz I.
zum Könige Johann (Hess er ihr melden) bedauere er sehr die
grossen Rüstungen des türkischen Kaisers gegen Ungarn, das
ihrem Sohne und den Christen entrissen werden solle. Diese
Gefahr könnte nur dadurch abgewendet werden, wenn Ungarn
durch den Sultan ihrem Sohne zurückgestellt würde, und dies
hoffe er durch seine Vermittlung zu erreichen, wenn er nur
wisse, dass sie und ihr Sohn Ungarn zu besitzen wünschen.^
Isabella theilte den Inhalt dieser Botschaft am 1. October
dem Könige Ferdinand mit, indem sie bemerkte, dass sie trotzdem
von ihrem Vorsatze, ihm geftlUig zu sein, nicht einen Finger breit
abgewichen sei; nur möge auch er sich seiner Versprechungen
erinnern und der Erftillung derselben keine Schwierigkeiten
bereiten.
Ferdinand antwortete ihr am 22. October, er werde allen
seinen Verpflichtungen nachkommen und, wenn die nach Oppeln
gesendeten Commissäre sich nicht einigen könnten, zur Verein-
barung eines Vertrages an sie selbst einen Bevollmächtigten
^ In der That erfuhr König Ferdinands Gesandter in Polen Ende 1554 yon
dem am Hofe Isabellan weilenden türkischen Tschauss Mahmud, dass die
Verbindung der Königen mit den Gegnern Ferdinands bald nach deni
Verluste TemesTÄrs begonnen habe und y$ich hernach durch den Türken
und Fransoten, ao »ich der Sachen bald angenommen, geweiiert*. Szk-
deczky a. a. O. S. 79, N. 1.
' Beilage zum Schreiben Isabellas an KOnig Ferdinand aus Warschau
vom 1. October 1652.
Archiv. Bd. LXXVIII. I. Hilfte. 2
18
schicken. Am 8. December meldete er ihr neuerdings diese Ab-
sicht, und zwar bestimmte er dazu seinen Kämmerer Sigmund
Freiherrn von Herberstein und den Dr. Johann Lang, ,fisci nostri
Austrise praefectum'. Schon war am 21. December die Instruc-
tion fiir dieselben ausgefertigt und Ferdinand kam den Wünschen
der Königin Isabella in einem neuen Punkte entgegen, indem
er, wenn sie glaubte, dass seine jüngste Tochter Johanna für
ihren Sohn zu jung sei und sie lieber einen Anderen wollte,
sich bereit erklärte, demselben die Erzherzogin Helena' zur
öemahhn zu geben.*
Da kam von den nach Oppeln gesendeten Commissären
Friedrich von Redem und Dr. Kindler die Nachricht, dass sie
sich mit Isabella Über alle Punkte geeinigt hätten. Diese Mit-
theilung wurde dann auch durch ein Schreiben der Königin
vom 17- December bestätigt, worin sie aber bat, ihr die ganzen
Herzogthümer Oppeln und Ratibor nur mit dem Ansätze eines
jährlichen Einkommens von 16.000 ungarischen Gulden zu flber-
lassen, so dass Ferdinand an Johann Sigmund noch jährlich
9000 Gulden baar zu zahlen gehabt hätte.
Am 20. December war auch mit den Vormündern Georg
Friedrichs von Brandenburg der Vertrag wegen der KUcklüsung
Ratibors abgeschlossen worden, nachdem Ferdinand, wie er am
December an Castaldo schrieb, alle von denselben gestellten
lingungen angenommen hatte, obwohl er sie hart fand und
ibte, dass sie durch eine längere Verhandlung hätten ge-
ilert werden kOnneu. Dem jungen Markgrafen wurden fUr
peln und Katibor das Herzogthum Sagan mit Priebus und
imburg und die vier Biberstein'scben Herrschaften Sorau,
skau, Tribel und Friedland verpfändet, wenn nicht hinnen
r Jahren die Hauptsumme von 1B3.338 Goldgulden bezahlt
rde.* Die Kurfürsten und Fürsten, welche die obersten Vor-
Helena war 1613, Johann« 1547, Johann Sigitiuml Belbst IMO geboren.
21. Dac. ,ArticiiliiB eitractiiB ex instnictione dominorum SigiBmandi liberi
baroniB in Herberstein etc. et j. u. doctorU JoanniB LM,ngi' mit dem
BeiBstze: ,Haoc inetructio non fuit Bortit« effwtom, quia, cum iam eeeet
diBceaBurus dominuB ab Harberstein, nonciatum est M^ snse a commis-
sariis fluia (!) domino Friderico a Redern, de onmibua cum r^na eaae
transactnm.' — Dieser Bericht mnsB nach dem 28. Dac. eingetroffen
Bein, na KOnig Ferdinand noch von Graz aus den Dr, Lang vod der
beabsLchtiglen Sendung versündigte (k. k. g. A. Polonica).
Biicholtz, Cieochichte der Regierung KBaig Ferdinand I. 4, 493.
19
mtinder des Markgrafen waren, bestätigten den Vertrag und
bestimmten den letzten Februar 1553 zur Uebergabe,^ worauf
anch Ratibor dem Sohne Isabellas eingeräumt wurde. Nur auf
das Ansuchen derselben, die Hinkünfte der beiden Herzogthümer
auf nicht mehr als 16.000 Gulden zu berechnen, gi|ig Ferdinand
nicht ein. Sie wurden auf 20.000 Gulden veranschlagt und vom
Könige die fehlenden 5000 Gulden für die nächsten vier Jahre
auf das schlesische Zahlmeisteramt angewiesen mit dem Auf-
trage, sie jährUch am 24. April ohne Kosten nach Oppeln zu
liefern.*
Isabella zeigte sich jetzt wirkUch befriedigt. In einem
Briefe aus Krzepice vom 30. Jänner 1553 sprach sie dem
Könige Ferdinand flir seine väterliche Gesinnung und für die Er-
fbllung ihrer Bitten ihren Dank aus.' Mehrere Monate hören wir
fortem nichts mehr von Klagen oder Forderungen der Königin.
Unterdessen wurde aber die Herrschaft König Ferdinands
in Siebenbürgen immer mehr gefährdet. Die Türken erklärten
den Ständen wiederholt, dass sie ihnen nur dann Frieden be-
willigen würden, wenn die Deutschen vertrieben und ein Ein-
heimischer zum Woywoden gewählt würde. Schon begannen
die Unzufriedenen, die besonders unter den Sz^klem zahlreich
waren und an einigen angesehenen Adeligen gewandte Führer
* Nach Schreiben König Ferdinands an Isabella ddo. Grätz 18. Febr. 1653.
In Schreiben an dieselbe vom 2. April spricht er die Erwartung ans,
dass Ratibor in ihren Händen sein werde, in Schreiben an Castaldo vom
15. April meldet er dies als sichere Thatsache. Am 3. Mai nahm
Friedrich von Redern mit den anderen königlichen Commissären in der
Ratibor* sehen Handlung ,nach richtiger Vergleichung* von der Königin
Urlanb. Redem's Bericht vom 7. Mai 1653. ^- Auch wegen der schul-
digen 100.000 Ducaten dürfte wohl um diese Zeit ein Abkommen zu
Stande gekommen sein, womach Ferdinand dieselben bis zum 6. Jänner
1564 zurückzuzahlen, für das laufende Jahr aber mit 6 Procent zu ver-
zinsen versprach. Dass der König sich dazu verpflichtet hat, steht jeden-
falls fest durch dessen Instruction vom 22. Nov. 1553 (s. unten S. 33).
' Unaosgefertigtes Original oder Abschrift der Urkunde König Ferdi-
nands ddo. Oedenburg, 24. April 1563.
* Nach Antwort Ferdinands an Isabella ddo. Grätz, 18. Febr. 1653. Isa-
bellas Brief selbst fehlt. — Auch in Schreiben an Castaldo vom 17. Febr.
bemerkt der König, er könne nicht glauben, dass Isabella nicht ehrlich
gegen ihn handle, da jetzt alle Zwistigkeiten zwischen ihnen ausge-
glichen seien und sie, wie sich aus ihren und Loboczky's Briefen ergebe,
vollkommen zufriedengestellt sei.
2*
20
I^A^ten. ädi za of^^minsren- ünurekefcrt ▼ierfi«ss Cmstaldo im
Frühjahre 1553 mit ZoatnaiTZüe ii«s K*?iasES das Land, und
auch die fremden Truppen, wicfche sich durch ihre Ansecbwei-
Amgen fbrchtbar rerhaäst semaeht hatten, wurden znrückbemfen.
Der Wovwode Andreas Bäthi>rT war ein bejahrter, in Folge
seiner heftigen Oiehtl^^iden zn jeder Thltigkeit nnfiü&iger Mann,
was endHcfa anch den K<>n^ bewoe. an dessen Scefle am 26. Mai
zwei Andere zu WoTwoden zn ernennen, nftmfieh den Sieben-
bürger Franz Kendj. einen der einftesreichslen, aber bisher
mit Mtsstraaen b*?trachteten Masnatec ocd den Ungarn Stephan
Dobo, der sich im letzten FeMznge durch seine heldenmüthige
Vertheidignng Erlaos gegen die Türken gmasen Rnhm erwor-
ben hatte.
Von ihren siebenborgtschen and nagarischcn Anhängern
wie Ton der Pforte wurde Isabefia zur Röckkehr aa%efordert
und sie nahm diesen Lockungen gegeniri»«* wenigstens keine
ablehnende Hahnng ein.
Am 22, December 15ö^ meldete Castaldo dem Könige Fer-
dinand. Isabella unterhandle schon oAm wegen der Rückkehr
nach Siebenbürgen. Es existiren. schreibt er, Briefe Ton Secre-
Uüren derselben an die Einwohner, dass sk guten Muthes sein
sollten^ da sie die Konigin Isabefla und ihren Sohn bald hier
haben wurden. Eines dieser Schreiben sei an Martin H. ge-
kommen, der beinahe zum Burgermetst»- ron Hermanmstadt
gewählt worden, aber jetzt gestorben sei, «n anderer an den
dortigen Richter, der gefiüuüch krank seL Er werde för die
Wahl von Nachfolgern sorgen, die dem Könige anhängen.
Friedrich Ton Redem, der am 3. März 1553 ab Ferdinands
Gesandter zn IsabeDa nach Krzepice kam und dem ae Tim den
Anträgen der Siebenbörger und dem Versprechen des Sultans,
ihrem Sohne, wenn sie ihn sendete, eine Krone zu schicken und
ihn znm Konige von Ungarn krönen zu lassen, Mittheilung machte^
scheint zwar von ihren guten Gesinnungen gegen den König
nnd von ihrer Vertragstreue überzeugt gewesen zu sein,^ aber
es war doch sehr bedenklich, wenn sie diesem oder dem Könige
F'erdinand selbst gestand, sie habe den Siebenbürgem und
Ungarn, die sie gebeten, mit ihrem Sohne zurückzukehren,
in einer Weise geantwortet, dass ihnen die Hoffiiung nicht
■ HtAtt Beriebt rem 6, Min im Concept im k. k. g. A.
21
genommen würde/ und habe ihnen nichts Bestimmtes sagen
wollen, bis sie des Königs Meinung darüber erfahren hätte.^ Es
war dies gewiss ein höchst sonderbares Benehmen, und Ferdinand
hatte Recht, wenn er ihr bemerkte, dass er ihr die Antwort
nicht vorschreiben wolle, da sie selbst am besten wissen werde,
was sie nach der zwischen ihnen bestehenden Freundschaft
antworten solle. Er versprach ihr übrigens neuerdings, ihrem
Sohne seine Tochter Helena statt der jüngsten Johanna zur
Gemahlin zu geben, und sendete ihr durch Redern ein Porträt
derselben, worüber sie sich hocherfreut zeigte. Sie fand zwar
das Bild Johannas schöner, aber sie erklärte sich doch damit
einverstanden, dass ihr Sohn deren Schwester heirate, damit
die Ehe um so eher vollzogen werden könne.^
Ob sie damit dem Plane, nach Siebenbürgen zurück-
zukehren, entsagt hätte, ist freilich zweifelhaft, da die Anträge
' der Pforte immer verlockender klangen. Ein Bote, der dem
Ladislaus Popel von Lobkowitz Briefe aus Krakau brachte, er-
zählte diesem, er habe daselbst einen Tschauss des Sultans
mit Briefen gesehen, der am 9. Mai vom Könige von Polen
empfangen worden sei und auch zu IsabeUa nach Krzepice
habe gehen wollen. Der Inhalt der Briefe sei, wie es allgemein
heisse, der König von Polen möge dem Sohne König Johanns
zum Besitze des Reiches Ungarn verhelfen; der Sultan würde
ihm dann Alles zurückgeben, was sein Vater gehabt habe.*
&nst war es dem Sultan freilich mit diesen Versprechungen
gewiss nicht, denn er dachte sicher nicht daran, die Hauptstadt
Ofen, die er dem Sohne Zäpolya's im Jahre 1541 treuloser
Weise entrissen hatte, und die später eroberten Theile Ungarns
wieder aus den Händen zu geben.
Bei der Schwäche seiner finanziellen und militärischen
Hilfsmittel erkannte König Ferdinand immer klarer, dass der
' tU ipsot in 9pe stupenaos tenerel,
* So nach Schreiben König Ferdinands an Isabella ddo. Grätz, 2. Apr. 1553.
Ob Isabella dies ihm selbst geschrieben oder es etwa dem Friedrich von
Redem mitgetheilt hat, der nach einem Berichte vom 6. März zu ihr
am 3. nach Krzepice gekommen, geht ans dem Schreiben des Königs
nicht hervor.
* Nach Eedem's Bericht vom 7. Mai 1553 (Orig.).
* Ladislans PopePs Bericht an König Ferdinand ddo. Prag, 20. Mai 1553
im k. k. g. A. Polonica.
Htmtz i^henhüTpetu und des Rates tob Ungarn bot darcli
etnen Frieden mit d«n T&rkeo ra retten m. Um onca aoldieii
berbeimftliren, erbat and erwirkte er sich siclieres Gelek ftr
setne Oesandtea» welche mh dem Pascha tob Ofen die Unter-
handfamgen fbhren soUteiL Er giaabte, dass diese wesentlich
erleichtert werden würden« wenn dem Sohan die Oekgcnh^
benommen wflrde, ab Beschfitzer Isabellas nnd ihres Sohnes
aa£Eiitreten. Er liess daher ftr Friedricfa Ton Redem. seinen
Bathf den er mit den Porträten seiner beiden jüngsten TSchter
an die Kdnigin geschickt hatte, am 29. April eine Instmction ent-
werfen, womach derselbe Isabella bestinunen soUte, die schrift-
liche Erkllmng abzugeben, dass sie and ihr Sohn Ton ihm
vollständig befriedigt and zwischen diesem and seiner Tochter
eine Heirat beschlossen sei. Das betreffende Schreiben sollte
Redem durch einen eigenen Boten nach Wien senden.'
Die Königin wollte aber offenbar darch eine solche &^ *
klflrang sieh und ihren Sohn nicht der Aussicht auf den Wieder-
besitz Siebenbürgens oder gar der Krone von Ungarn berauben
nnd gab auf die Bitte des Königs Ferdinand eine ausweichende
Antwort. Sie schrieb ihm am 22. Mai, sie sei zwar bereit, was
er sowohl durch einen Gesandten als auch brieflich über ein
an den Sultan zu richtendes Schreiben verlangt habe, zu thon,
aber sie habe den Zweck eines solchen nicht einsehen können.
Sie wisse nicht, ob er dadurch ihre Treue prüfen woUe oder
seine Sache beim türkischen Kaiser zu fördern strebe.* Später
scheint sie dann Kränklichkeit als Hindemiss Air die Ausfer-
tigung dieser Erklärung vorgeschützt zu haben.
Der König begnügte sich nicht mit der Betheuerung, dass
er nur im Interesse Siebenbürgens und Ungarns auf den Sultan
einwirken wolle, weil er glaube, diesen leichter zum Frieden
bewegen zu können, wenn er aus ihren Briefen sehe, dass sie
und ihr Sohn befriedigt seien und selbst die Rückkehr nach
Siebenbürgen nicht mehr wünschen. & beschloss Mitte des Juni
eine eigene Gesandtschaft, nämlich den erwähnten Friedrich
von Redem und den Mathes von Logau, seinen Hauptmann
* Drb Concept der Beglaubigung für Kedern vom 2»., das der Instruction
vom 29. April 1653.
' Den Inhalt dienes Schreibens, das nicht erbalten ist, kennen wir nur
aus Ferdinands I. Antwort vom 31. Mai.
23
in Schweidnitz und Janer^ an sie zu schicken, um einen Druck
auf sie auszuüben.^ Diese sollten sich bei ihr eine Audienz er-
bitten und die Hoffnung aussprechen^ dass die Schwachheit,
welche die Absendung des von ihm gewünschten Schreibens
verhindert habe, gewichen sei und dass sie dasselbe bereits
abgesendet habe, sonst aber die Ausfertigung betreiben und es
durch* einen Tag und Nacht reitenden Boten schicken. Sie
sollten weiter melden, dass er zwar nicht zweifle, Isabella werde
gegen ihn und sein Königreich und Land nichts unternehmen,
dass er aber doch nicht unterlassen könne, ihr zu melden, dass
bei etlichen unruhigen Leuten beschwerHche Praktiken vor-
handen und der Anschlag sein solle, den Herzog Johann Sig-
mund wieder nach Ungarn und Siebenbürgen zu bringen. Es
sei das gewiss nicht ihr Wille. Da aber die Läufe und Prak-
tiken seltsam und die unruhigen Leute in ihren Anschlägen
geschwind seien, so möge sie gegen eine etwa versuchte Ent-
führung ihres Sohnes Vorsorge treffen. Wenn sie aber merkten,
dass Isabella Ausflüchte suchte, so sollten sie sich nicht ab-
weisen lassen und ihr vorstellen, dass die Schidd einer Ent-
fiihrang sie treffen würde. Auch sollte die Königin den sieben-
bürgischen Ständen ebenso wie dem türkischen Kaiser schreiben,
dass sie zufriedengesteUt sei. Durch Ausreden sollten sie sich
nicht hinhalten lassen und im Nothfalle den König von Polen
um seine Vermittlung angehen.
Um Isabella seinen Wünschen günstiger zu stimmen, er-
klärte sich Ferdinand bereit, die Einkünfte vom Herzogthum
Ratibor, obwohl sie auf 11.000 ungarische Gidden geschätzt
worden seien, nur zu 10.000 Gidden anzuschlagen und ihr
1000 Gulden anderweitig zu zahlen, weiter die zu diesem Her-
zogthum gehörige, aber vom Herzoge Hans von Oppeln einem
Adeligen auf Lebenszeit verschriebene Herrschaft Tost ihrem
Wunsche entsprechend zurückzuerwerben. Auch die noch immer
nicht gesendeten Geschütze durften ihr die Gesandten in Aus-
sicht stellen.
Von Isabella sollten diese sich zum Könige von Polen be-
geben und auch von ihm verlangen, dass er eine Entftlhrung
Johann Sigmunds verhindere und auf die Entfernung aller ver-
* Die Instruction für dieselben im Concept vom 14. und in Copie vom
15. Juni.
3i
ruir^a. h^ss a»f "cut Iir '^^ »lo^ x.i-ir ii»**ir üiaui ^^titti Wenn
i'»*r F-iTT Tarnt *j -vTnscait. Tr«r:»* «i* ta* >:är«2b«L feiigt^n.
er-
t .»-r 2«?c«^':-fa u :t*. T-irsi-ic;! rx ^\zi^ laouc ^hAt d^orcfa
Zk^ «rT-äaii.rrra ai»fi:r::'!L 3a»!'i £*!i -—Vrifa m^wl Worten
jangen
l «-<^a *.^cr^r-?. ä< i^n^ü ä- T^-rmi^. i -rtajirifa oimI werde
4. ?. '£^^-1: i z^r^if^L iias =ii=- zc:ikr:jr*, iz. Miaificli nach
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^,z' -ir^i *;:-•: T:r dea K^r-^rz^ n T^frli^iiire Reden haben
S'r:n aai 3, Juli nris:«::: il-: »^rÄULi^en Dach Krakau zum
K .:.4'*: r^.^-i^TziU'i Aar:i5i. l^i irz: <w am d. Andiena hatten.^
tf^ ^,:,*z:t. Xamen enteilte ihn-:- d-r Vicekanaler der Krone
l'v^;,. l'' r Erzbischof toü Gnt- sen. auf liie von ihnen vorgebrach-
Uu Vi';,w:he Antwort, welche dahin lamete, dass der Köniff
je^\*,'^r h'fjwester auf das Höchste die Zuladung der EntAlhrung
^J;r< * r^^Muf^ widerrathen, die Ausferdgung des Schreibens an
t\'U r'Jt^n wie an die Stände von Siebenbürgen aber befiir-
w/rUrt habt',
\)\t', Ofmandten drangen dann auch noch auf die Erftülung
t\t^*i. WMn**''hc», da«8 die verdächtigen Personen vom Hofe der
' n»r« \U^\n.iimi rom 3. Juli 1553 (Orig.) im k. k. g. A.
* iU^UiUtu vom 13. Juli (Orig.).
25
Königin Isabella entfernt werden möchten, und scheinen auch
Massregehi verlangt zu haben, um eine Entführung Johann Sig-
munds zu verhindern. Aber der Vicekanzler, der zu ihnen in
ihre Herberge kam, bemerkte ihnen privatim, dass der König
nicht befugt sei, sich seines Vetters zu versichern, weil dieser
nicht sein Sohn sei und er keine Gewalt über ihn habe, auch
trotz seiner freundlichen Gesinnung gegen den römischen König
dieses der Räthe und der Landschaft wegen nicht thun dürfe.
Später gab ihnen der Vicekanzler den officiellen Bescheid, dass
der König an den Praktiken kein Gefallen habe und auch bei
der Königin fUr die Abwendung derselben gewirkt habe, aber
mehr nicht thun könne.
Die meisten Polen standen aber mit ihren Sympathien auf
der Seite Johann Sigmunds, der ja der Enkel eines polnischen
Königs war, und ftihrten zu dessen Gunsten auch politische
Gründe ins Feld. Die Polaken, berichten die Gesandten, sagen
öffentlich, dass das Königreich Ungarn, obwohl es dem römischen
Könige gehöre, von diesem nicht behauptet werden könne, und
dass es daher besser sei, wenn es ein christlicher Herr als der
Türke innehabe, wogegen sie betonten, dass ein Kind Ungarn
gegen die Türken nicht zu beschützen vermöge, und dass der
Sultan Siebenbürgen und ganz Ungarn um so leichter beherr-
schen könne, wenn ein Kind den Thron innehabe.
Nachdem Logau und Redem am 14. Juli beim Könige
neuerdings Audienz gehabt hatten, der sie seiner besten Ge-
sinnungen versicherte,^ machten sie sich wieder auf den Weg
zur Königin Isabella nach Krzepice.
Diese war aber bereits von dort abgereist, wahrscheinlich
um der ungarischen Grenze näher zu sein, da die Bewegung
der unzufriedenen Siebenbürger zu Gunsten ihres Sohnes sich
bereits offen hervorwagte.
Die Sz^kler hielten eine Versammlung in Marcs -Vdsdrhely
und richteten am 30. Juni an den Woy woden Mircse der Wa-
lachei ein für den Sultan bestimmtes Schreiben, um diesen von
dem Abschlüsse eines Friedens mit dem römischen Könige ab-
zuhalten. ,Denn wenn er vom Könige Ferdinand Tribut nimmt,
werden wir Alle von demselben getödtet werden.^ Auch Anton
Kendy, der Bruder des neu ernannten siebenbürgischen Woy-
» Bericht vom 14. Juli 1553.
28
fürchtete man^ würde leicht merken^ dass das Schreiben nicht
von dieser herrühre, und es würde daher mehr schaden als
nützen.^
Man wird wohl nicht fehlgehen, wenn man annimmt, dass
Isabella eben deswegen sich geweigert habe, die Briefe selbst
zu concipiren, und dass sie die Gesandten trotz ihres Sträubens
zur Vorlegung fertiger Concepte gedrängt habe. Bestätigt wird
diese Annahme durch das weitere Verhalten der Königin.
Wie Erzherzog Ferdinand am 16. August dem Könige
von Polen berichtete, erhielt zu derselben Zeit, wo Isabella
dieses Schreiben vertraulich an den König Ferdinand schickte,
auch dessen hervorragendster Gegner Petrovich eine Abschrift
desselben. In der That war dieser schon am 31. Juli in der
Lage, eine solche dem Sultan zu senden. Aus Ungarn wurde
gemeldet,* dass ein Pole Namens Ossoczky, der vertrauteste
Kämmerer der Königin, mit Petrovich nach Ungarn gereist sei,
wie denn dieser überhaupt Alles im Einvernehmen Isabellas
thue.^ Petrovich richtete am 31. Juli aus Debreczin, wo er am
Tage vorher aus Polen mit 500 Reitern eingetroflfen war, um
den unzufriedenen Siebenbürgen! die Hand zu reichen, ein
Schreiben an den Sultan, worin er erklärte, dass die Königin
und ihr Sohn ihn mit aufgehobenen Händen und gebogenen
Knieen bitten, sie unter seinen Schutz zu nehmen und ihnen
ihr Reich zurückzugeben. Den Brief, den König Ferdinand
von Ihrer Majestät erhalten zu haben behaupte und dessen Ab-
schrift er geschickt habe, habe sie demselben nicht freiwillig,
^ Diese Ansicht ist in einem Schreiben des Erzherzog Ferdinand an den
König von Polen vom 16. August ausgedrückt. Der Erzherzog war ge-
rade vorher im Auftrage seines Vaters selbst bei Isabella gewesen, ,um
mit ihr Einiges zu verhandelnd Schreiben König Ferdinands an Isabella
vom 28., an seinen Sohn vom 29. Juli 1553. Nähere Nachrichten fohlen.
— Vgl. auch den vom Könige Ferdinand unterschriebenen, aber nicht
gesiegelten Revers für Isabella vom 28. Juli.
* Nach demselben Schreiben des Erzherzogs.
' Damit stimmt ein Bericht des Bischöfe von Siebenbürgen, Paul Bome-
misza, an König Ferdinand vom 9. Aug^t: hodie kic untu precipuu»
Sicultu Emericus Ldzdr, qui nomine puhUco cum eoUega nundu» venerat,
secrele mihi narravü, quendam »ervüorem Thome Mihah/fi Melchiorem
Bcdog nomine octdi» «m« vidisse lüleras regine habelle, qutu acripterat ad
Peirum Petrowith, ut in negodo incepto conatanter pergerety non ob*tante
id, quod antea ad cum »cripaerat. Mon. comit. Transylv. 1, 453, N. 3.
29
sondern gezwungen geschickt, da sie in der äussersten Gefahr
gewesen sei, ihr Leben zu verlieren, und die Ermordung ihres
Sohnes durch seine Feinde habe beftirchten müssen. Der Sultan
möge gleich seine Heere marschiren lassen.^
Isabella selbst erhob wieder die alten Klagen, dass König
Ferdinand den mit ihr geschlossenen Vertrag nicht vollständig
erMlt habe. Sie wollte wohl gerechtfertigt erscheinen, wenn
sie selbst mit Verletzung desselben im Falle des Gelingens der
siebenbtirgischen Bewegung im Namen ihres Sohnes vom früheren
Fttrstenthume desselben wieder Besitz ergriflF. Wenige Tage,
nachdem sie die Erklärung abgegeben hatte, dass sie mit ihrem
Sohne vom Könige Ferdinand befriedigt sei, liess sie einem
Gesandten des Kaisers Karl V. eine Denkschrift* überreichen,
worin sie gerade das Gegentheil behauptete. Trotz aUes dessen,
was König Ferdinand für sie und ihren Sohn gethan und wofür
sie ihm ihren wärmsten Dank ausgesprochen hatte, behauptete
sie neuerdings, in finanzieller Beziehung benachtheiligt worden
zu sein. Sie habe geglaubt, dass die 25.000 ungarischen Gulden,
welche sie nach dem in Siebenbürgen geschlossenen Vertrage
jährlich erhalten sollte, nach den Gewohnheiten Ungarns, nicht
Schlesiens, in Einkünften an baarem Gelde bestehen sollten.
Jetzt aber sehe sie, dass diese nicht einmal eine Summe von
9000 Gulden ausmachten und das Uebrige vom Ackerbau und
der Oekonomie herrühre. Von so geringen Einkünften könnten
sie und ihr Sohn nicht in geziemender Weise leben. Zugleich
richtete Isabella auch an den Kaiser die Bitte, er möge be-
wirken, dass die Herzogthümer Oppeln und Ratibor und die
Herrschaften Frankenstein und Münsterberg fllr ihre und ihres
Sohnes Lebensdauer von allen Abgaben befreit werden mögen.
^ Mon. Hang. Dipl. 3, 10. Ibid. ähnliche Schreiben an türkische Würden-
träger.
* ,Memoriale R^o domino oratori excellentissimi Rom. imperatoris Caroli
etc. per Mt<^™ reginalem Hungariae etc. Isabellam datam a. 1553 mense
Aogusto.* (Mon. Hung. Dipl. 3, 26, auch in Abschrift im k. k. g. A.)
Da die Entgegnung: ,Infonnatio seu declaratio Sacrae Rom. etc. Regiae
Ma*>» pro Revdo. domino oratore s. imperatoriae Ma*»» super iis, quae
imper. suae Ma^i nomine Sern^^e Reginae Isabellae proponenda habet*
(ibid. 3, 28 sqq.), oder wie sie im k. k. g. A. auch betitelt ist: ,Memo-
riale pro oratore Caesareo', hier die Bemerkung hat: ,exhibitum 16. Au-
giuti 1563% so muss Isabella ihre Beschwerdeschrift wohl schon An-
fangs August übergeben haben.
30
Es wurde Ferdinand nicht schwer, in seiner Gegenschrift
die Klagen Isabellas zn widerlegen. Einmal, bemerkte er, seien
die Einkünfte immer nach der Gewohnheit des betreflFenden
Landes zu berechnen. Zweitens halte man in Schlesien wie
anderswo die Abgaben, welche die Unterthanen in Getreide
u. dgl. entrichten, für viel werthvoUer als die Geldzinsen, da
jene immer unter dem Marktpreise berechnet würden. Zugleich
betonte er mit Recht, dass die Königin nach dem letzten Ueber-
einkommen vollkommen zufrieden gewesen sei und nur gebeten
habe, ihr die 1000 ungarischen Gulden nachzulassen und zu
schenken, um welche die Einkünft;e von Ratibor höher gewesen
seien als jene von Oppeln, was er ihr auch bewilhgt habe. Sie
habe daher keine Ursache zu Beschwerden, besonders da sie
in Schlesien ruhig leben könne, während Siebenbürgen von
Feinden bedroht sei und er wegen der Türkengefahr und des
in ihrem und ihres Sohnes Namen angezettelten Aufstandes von
diesem Lande nichts einnehme.
Was die Bitte um Befreiung der genannten schlesischen
Herzogthümer und Herrschaften betreflfe, so sei im Vertrage mit
Johann Sigmund ausdrückUch der Vorbehalt gemacht worden,
dass derselbe den Königen von Böhmen Alles zu thun und zu
leisten verpflichtet sei, was die anderen Fürsten geleistet Laben
und leisten.^ Der König könnte es daher weder bei den StÄnden
Böhmens noch bei den übrigen Fürsten und Ständen Schlesiens
rechtfertigen, wenn er zwei so reiche Herzogthümer von den
gemeinsamen Lasten ganz oder theilweise befreite, und ohne
deren Zustimmung könnte er es, auch wenn er wollte, nicht
bewilligen. Auch würde er dadurch Anderen ein böses Beispiel
geben, ihrerseits die Hilfe zu verweigern.
Isabella machte aus ihrer Absicht immer weniger ein Hehl.
Als im September Castaldo's Neffe Johann Alfons sie in Polen
besuchte, gestand sie ihm offen, sie habe einem neuen Gesandten
des Sultans, der zu ihr gekommen war, geantwortet, sie würde
^ foicta reaervalione, quod ipse Ulustrisaimut Joannes dux . . . maietUUi
regiae auiaque haeredihiu et auccessoribua, regibua Bohemuie, omnia illa
facere et praettare deheat et teneatur, quae hactenut aUi principe$ et duce»
antecestoribtu maieaicUU regiere et ipn quoque regiae maieataU de jure vei
consuetitdine praestiterunt vel hodie etiam fasere et prciestare tenentur,
heisst es im Weissenburger Vertrage vom 19. Juli 1551 bei Utie-
enoviö, Urkundenbucb S. 34.
A<
31
nach Ungarn zurückkehren, wenn ihr derselbe nicht blos Lippa
nnd Temesvär mit dem Reste von Niederungam, sondern auch
Szolnok und Ofen zurückgäbe, wie er ihr frühere Male für den
Fall der Volljährigkeit ihres Sohnes versprochen hatte. Sie begab
ach auch jetzt aus Wielum an der schlesischen Grenze, wo sie sich
einige Zeit aufgehalten, nicht nach dem noch nördlicher gelegenen
Sieradz, das ihr Bruder ihr angewiesen hatte, sondern nach
dem östlicher liegenden Piotrkow, ,einem Ort, geeignet, um
sich von da sowohl nach Ungarn als auch nach der Moldau
zu begebend ^
Aber die Hoffnungen, die sie auf die Türken und die
Unternehmungen ihrer ungarischen und siebenbürgischen An-
hänger gesetzt hatte, erwiesen sich vorläufig als illusorisch. Die
Türken, deren Kräfte durch einen Krieg mit Persien in Anspruch
genommen waren, beschränkten sich auf leere Versprechungen.
Einige moldauische und walachische Schaaren, welche in der
zweiten Hälfte des September die Grenze Siebenbürgens über-
schritten, kehrten nach ein paar Tagen wieder um. Von Aussen
ohne Unterstützung gelassen, musste Petrovich sich in seine
Feste Munkdcs zurückziehen. Seine ungarischen Anhänger
wurden zerstreut, die Sz^kler zur Unterwerfung, die aufständi-
schen siebenbürgischen Adeligen, welche sich in der Burg
Bethlen zu behaupten gesucht hatten, zur Capitulation gezwungen.*
Bei dieser günstigen Wendulig der Dinge mochte König
Ferdinand glauben, dass Isabella sich seinen Wünschen ent-
gegenkommender zeigen würde. Er schickte daher Ende No-
vember 1553 neue Gesandte, den Raaber Bischof Paul von
Öregoriancz und den Matthäus von Logau, an den König von
Polen, an die Königin Isabella und an deren Mutter, die Königin
Bona, welche ab eine entschiedene Gegnerin des Hauses Habs-
burg galt.' Sie sollten sich in möghchster Eile zum Könige be-
geben und ihm vorstellen, wie Ferdinand Siebenbürgen er-
worben und was er Alles zur Befriedigung Isabellas gethan, wie
aber Petrovich mit neuerungssüchtigen Leuten in Siebenbürgen
and den Gebieten östUch von der Theiss zum Zwecke der Zu-
' Giov. Alf. Castaldo's Relation ohne Datum, aber wohl in diese Zeit ge-
hörend. In den Acten liegt sie einem Schreiben Castaldo^s an Isabella
vom 2. October 1553 bei.
*8zilÄgyi in Mon. comit. Transylv. 1, 452 sqq.
• Die Instruction, 11 Blätter umfassend, ist vom 28. November.
32
rückflihrung des Sohnes König Johanns Verbindungen ange-
knüpfty Briefe an den Sultan und an Paschas geschrieben und
mit Unterstützung der Türken die WaflFen ergriffen und dabei
behauptet habe, er thue dies Alles im Auftrage Isabellas und
ihres Sohnes, die ihm folgen würden. Dies sei auch bestätigt
worden durch Briefe Isabellas, welche man bei einem von den
Soldaten der Festung Erlau abgefangenen Schreiber Petrovich's
gefunden habe. Es habe sich also gezeigt, dass das, was König
Ferdinand von verschiedenen Orten, auch von der Pforte, über
Isabellas Absicht, mit ihrem Sohne nach Siebenbürgen zurück-
zukehren, und über ihre Praktiken mit dem Sultan, dem Könige
von Frankreich und den Rebellen erfahren habe, nicht unbe-
gründet sei. Ferdinand habe deswegen den König von Polen
und IsabeUa öfters, besonders durch den Erzherzog Ferdinand
zur Zeit der Vermählung des Ersteren mit der Erzherzogin
Katharina (im Juli 1Ö53) gemahnt und der König habe auch
versprochen, seiner Schwester davon abzurathen und ihn durch
einen eigenen Boten von dem Ergebniss zu verständigen. Aber
bis jetzt habe er nicht erfahren, was derselbe ausgerichtet, und
auch Isabellas Gesandter Martin Cromer, Domherr von Krakau
und Ermeland, habe keine Antwort gebracht. Die Königin
selbst habe ihm immer gute Worte gegeben und ihn gebeten,
keinen Verdacht gegen sie zu hegen. Als er sie aber um den
Brief an den Sultan gebeteii, habe sie ihn nach dem seinen
Gesandten, die ihres Styles und der Formen der Kanzlei un-
kundig waren, abgenöthigten Entwürfe schreiben lassen, so dass
er ihr denselben zurückgeschickt habe, weil er mehr geschadet
als genützt haben würde. Auch habe sie eine Abschrift an
Petrovich gesendet, mit dem Vorgeben, sie sei von Ferdinand
zur Fertigung des Briefes gezwungen worden, und mit der
Bitte, dies den Türken bekanntzugeben, was Petrovich denn
auch gethan habe, der sogar behauptete, sie hätte im Falle der
Weigerung filr ihr Leben flirchten müssen. Auch habe sie,
wie er von seinem Gesandten beim Sultan erfahren habe, sich
bei diesem beklagt, dass sie zum Vertrage wegen Siebenbürgen
nur gezwungen worden sei und dass sie denselben für ungiltig
halte.
Trotzdem wolle Ferdinand alle seine Verpflichtungen er-
ftillen, wenn Isabella von ihren Umtrieben ablasse, und als
Beweis hiefUr beim Sultan durch einen eigenen, mit seinem
33
Gesandten an die Pforte zu schickenden, Boten wie bei den
Siebenbtirgem und den Bewohnern des Landes jenseits der
Theiss erkläre, dass sie die geschlossenen Verträge halten
werde und den Plan, mit ihrem Sohne nach Ungarn oder Sieben-
bürgen zurückzukehren, aufgegeben habe, wenn sie vielmehr
den Sultan bitte, ihn im ruhigen Besitze Siebenbürgens zu lassen,
wenn sie endlich Peti'ovich zurückrufe oder ihm alle Unter-
nehmungen gegen ihn verbiete, und wenn sie alle Ungarn ihrer
Verpflichtungen gegen sie enthebe und von ihrem Hofe entlasse.
Obwohl es nur billig wäre, wenn er wegen der Praktiken
der Königin die 100.000 Ducaten, die er ihr bis zum 6. Jänner
zu zahlen versprochen, ganz zurückhielte, so werde er sie doch
bis zum 6. Jänner 1555 abzahlen und dazu 6000 Ducaten
Zinsen, wenn sie bis dahin sich gedulde und nicht deswegen
Güter der Breslauer Bürger oder Anderer arrestiren lasse,
was übrigens wohl der König von Polen hindern würde. Dieser
soll auch ersucht werden, auf die Königinnen Isabella und
Bona einzuwirken und ebenfalls einen Gesandten an die Pforte
zu schicken.
Gregorianczy und Logau, welche den polnischen König
im Flecken Knyszyn in Podlachien trafen^ und am 2. Jänner
1554 bei ihm Audienz hatten, richteten nicht das Geringste aus.
Auch Sigismund August trat jetzt als Vertheidiger seiner
Schwester auf, erklärte alle Beschuldigungen derselben fUr
unbegründet und beklagte sich über die Nichtausführung der
Verträge. Noch heftiger äusserte sich Isabellas Mutter Bona,
mit welcher die Gesandten auf dem Rückwege in Warschau
verhandelten. Isabella selbst, die sie dann in Piotrkow besuchten,
zeigte sich als voUendete Schauspielerin. Sie vergoss bei jeder
Audienz Thränen wegen der Beschuldigung, dass sie mit Petrovich,
den Aufständischen und den Türken im Einverständnisse sei.
Aber sie lehnte die Ausstellung der vom Könige Ferdinand
von ihr gewünschten Erklärungen unbedingt ab, bis alle ihre
Forderungen erfüllt, die 100.000 Gulden mit den rückständigen
Zinsen von 6000 und die ihrem Sohne als Ergänzung für das
letzte Jahr schuldigen 5000 Gulden gezahlt, die Geschütze ihr
ersetzt, die Burg Tost an das Herzogthum Ratibor zurückgestellt
* Für das Folgende halte ich mich, was das ThatsÄchliche betriflPt, an
Szideczkj'd anfangs erwähnte Abhandlung und glaube mich daher
kurz fassen zu dürfen.
ArehiT. LXXVm. Bd. I. H&lfte. 8
34
wäre. Auch die melirtiUrigen Verfaandlangen« welche die Ge-
s;andton Ferdinands Anfangs März lo«>4 mit dem polnischen
Ki*Tii::v und den Kuni^rinn^n Bona und Isabella in Kock führten,
lianen kein besseres Enrobniss. Nur eine Frist bis Pfingsten
w . Ihe Isa Wlla dem Köniire für die Zahlung- der Hauptsumnie
i-ewilll^-n.
Xvvh in Kock wurde von Seite des polnischen Königs
umi der Widtn Koni^nnen die Abst^nduHiT < iner Gesandtschaft
rjkcij W'ii-n bo>olJo55>on, um den König Ferdinand mr Erfiilliiiig
d- r \Vur.5-ohe InäKiIüs zu K^stimm^ k. Abrr diese waren der
Atl dÄ55s woLl dit- Annahme Wreohtijt ist, die Königin habe
Lur .l.«e Vrrlu^r.-V.ur.gx'a hiuzit-iion Wv^ilt-n. bis sie über ihre Aus-
>\ :.:^r. au:" vi:e Wit-dt^ nrewir.uuiü: >icl»- nl'üTuvns. besonders über
l.r Kxlr^n^ ctr Pt>r:e kUrt^r sciV.o. Nioh: K-«> Wstand ae auf
irr ^r.Arrxu^I:. :.-.:: Ert\u:ur.j- ihrer gxTt-oLtrVrd^en Forderongren,
s». :. :rm iCr t-ra/r.rv wit^ier Waii>o:;e Vv^r, vci: denen sie wnsste,
ii.-<> r^T Frr.i_:Är.i wtivr in^will: j\^n 'm -C:e rx-b konnte, Sie ver-
la^^t r"-r :'..rtr. S*.:.:: r.:\l.ts iierlr.irvrts als die v.lle Souveränität
■ir i .1 1 F«--. fr: .irc >t:r.vr sohlt >:>vhtr. Ht rt :-irii:üiner von der
Lr •■:i.>l.it::: dtr Kr:ne IK-Kuita und die Best&dgimg des
i-Lr:.':-r ik"^?i->tT:lltiLir:r- Priv-Jt^cs durvh die K rmiischen StiLnde.
A-»tr£-.r- f ritrre sce iiiT^v'.er cinin Thtil der Sckitse des
S-^l^r* •.":-. rr :i::i +. ■-••.• DuvAtin. welche dieser einst dem
Si-^tt i^_-it- Line. .TiAch dtiu WMU* des Bmders Georg*.
S*— j: FcrljULiii jr*b Ki ctn VerV.an ilTir.j>?n dh den
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J *itr T \^ ^, ^i./. ,r v:>c c-:z: d
36
W6g berichtete^ dass er in Constantinopel zwei Gesandte der
Königin Isabella und des Petrovich, den Polen Ossecki und
den Ungarn Baky, getroffen habe^ die gegen ihn agitirt und
ihn als Spion bezeichnet hätten, und brachte zugleich schrift-
liche Befehle des Sultans an die Siebenbtirger und deren
Woywoden mit, Johann Sigmund als Fürsten und bis zu dessen
Ankunft Petrovich als Regenten anzuerkennen. Den Woywoden
der Moldau und Walachei und den Paschas der Grenzprovinzen
wurde Auftrag gegeben, den jungen Fürsten im Nothfalle mit
WaflFengewalt nach Siebenbürgen zurückzuftlhren. Petrovich
erhielt als Geschenk Lugos und Karansebes, wo er die beste
Gelegenheit hatte, mit seinen siebenbürgischen Parteigenossen
Verbindungen zu unterhalten.
Nach diesen Mittheilungen dachte Ferdinand nicht mehr
daran, der Königin Isabella die fllr den 8. Juni versprochenen
11.000 Ducaten zu zahlen und ihr damit selbst die Mittel zu
weiteren Umtrieben zu liefern. Unverzüglich schickte er mit
dem Original des Schreibens des Sultans und einem Auszuge
des Gesandtschaftsberichtes W^g's den Erasmus Haidenreich
an den polnischen König, um diesen von den Umtrieben seiner
Schwester zu überzeugen und zu erklären, dass unter solchen
Verhältnissen von der Zahlung der erwähnten Summe und der
Uebergabe Tost's keine Rede sein könne.
Auch diesmal spielte IsabeDa die Gekränkte und unschuldig
Verleumdete und erklärte, dass Ossecki nicht von ihr, sondern
von Petrovich ohne ihr Wissen an die Pforte geschickt worden
sei. Sie bat ihren Bruder, beim römischen Könige dahin zu
wirken, dass er sie nicht mit Verdächtigungen und Hinaus-
schiebung der Erfüllung seiner Verpflichtungen quäle und sie
zwinge, Dinge zu unternehmen, an die sie nie gedacht habe.
Ihre Mutter, welche bei Haidenreich für sie *das Wort führte,
erbot sich, mit Ferdinand in Olmütz zusammenzukommen, um
eine Vereinbarung zu bewirken.
Der König hatte aber offenbar jedes Vertrauen zu Isabella
und ihren Versicherungen verloren und wollte jetzt dieselbe
Waffe gebrauchen, deren sie sich früher bedient hatte, die
Hinausschiebung einer Entscheidung. Er schrieb am 1. August
der Königin Isabella, dass er jetzt mit ihr nicht zusammen-
kommen könne, weil er nach Prag reisen müsse, wo am
28. August der Landtag eröffnet werden solle, dass er aber
3*
36
nach dem Schlüsse desselben einen Gesandten schicken wolle,
um die Zusammenkunft zu vereinbaren. Am Hofe Isabella's
beschuldigte man den König sogar, dass er durch gedungene
Meuchelmörder ihren Sohn habe aus dem Leben schaffen wollen.
Aber die Berichte waren von der Art, dass man diese An-
schuldigung unmögUch ftir wahr halten kann.*
Auf den Gang der Unterhandlungen zwischen Ferdinand
und Isabella hatte dieses Gerücht keinen Einfluss, aber zu
einem Ergebnisse führten dieselben nicht. Man bewegte sich
dabei eben immer in einem Kreise. Ferdinand woUte der Königin
kein Geld schicken, so lange sie ihm nicht die verlangten Er-
klärungen an die Pforte und an die Siebenbürger ausgesteUt
und dadurch Beweise für das Aufgeben aller feindlichen Be-
strebungen gegeben hätte. IsabeUa sah in der Nichterfüllung
der Verpflichtungen von Seite des Königs einen genügenden
Grund, ihre bisherige Haltung fortzusetzen und sich die Mög-
lichkeit offen zu halten, von Siebenbürgen wieder Besitz zu
* Wir erfahren davon aus einem Schreiben König Ferdinands an Haiden-
reich vom 4. Sept. 1554 bei Szddeczky, S. 58 N. 1. Damach sei ein
Mann, der sich für einen Boten Petrovich's ausgab, nach Warschau ge-
kommen und habe von der Königin Isabella Audienz erbeten, aber nicht
erhalten. Er habe dann einigen Hof leuten gesagt, es scheine, dass man
ihn für einen Spion oder für einen zu einem Verbrechen Gedungenen
halte, und sei abgereist. Die Königin und ihr Hofmeister haben ihm
nachsetzen und ihn fangen lassen und auf der Folter habe er bekannt,
dass er vom Könige Ferdinand zur Ermordung des Sohnes des Königs
Johann gedungen worden sei und in Warschau noch drei Genossen habe,
bei denen man verschiedene Gifte und , wunderbare Werkzeuge* finden
würde. Am 18. Juli zwischen 1 und 2 Uhr in der Nacht sei dann unter
dem Fenster des Schlafzimmers des Sohnes Isabellas ein Schuss gefallen,
der einen der Pagen (puerij des Fürsten, der zufällig am Fenster sass,
so erschreckte, dass er von diesem in das Zimmer fiel. Nachdem er sich
gesammelt und die vor dem Gemache Wache haltenden Hof leute ver-
ständigt habe, haben diese, zum Fenster eilend, auf der Strasse drei
Männer gesehen, von denen einer eine lange Büchse gegen das Fenster
gerichtet habe, in der Absicht, ,wie man vermuthen konnte*, um den
Priilzen, wenn er zufallig auf den Schuss beim Fenster hinausgesehen
hätte, zu tödten. Als aber die Hof leute sie angerufen und zum Thore
des Schlosses gelaufen seien, hätten dieselben auf das Geräusch des
Thores die Flucht ergriffen und sich gerettet. — Der König von Polen
und wie dieser versichert, auch Isabella, legten der Sache keine Be-
deutung bei und in der That müsste man doch bessere Beweise haben,
um Ferdinand des Meuchelmordes zu beschuldigen.
37
ergreifen, wozu sie ein Abgesandter des Sultans wie ihre Anhänger
ununterbrochen drängten. Im November 1554 sprach sie auch
die Absicht aus, aus Piotrkow nach dem ihr vom Könige ge-
schenkten Sanok zu übersiedeln, wo sie der ungai*ischen und
siebenbiirgischen Grenze näher gewesen wäre.
Auf die Nachricht hievon schickte Ferdinand Castaldo's
Neffen Johann Alfons^ nach Polen, um Isabella, die demselben
persönUch gewogen war, von diesem Schritte abzuhalten und
sie zur Ausstellung der gewünschten Schreiben zu bewegen, wo-
gegen er ihr bis zum 6. Jänner die Zahlung der ihr schuldigen
Gelder in Aussicht stellte.
Isabella, die auch jetzt wieder Petrovich und Ossecki in
den kräftigsten Ausdrücken desavouirte, verschob in der That
besonders in Folge der Vorstellungen und Drohimgen ihres
Bruders die Uebersiedlung nach Sanok, Aber sie lehnte zu-
gleich jede Verantwortung fiir alle künftigen Ereignisse ab,
wenn ihr der neue Termin wieder nicht eingehalten würde, und
erneuerte ihre Fordenmgen wegen der Befreiimg ihres Sohnes
und seiner Fürstenthümer von allen vasallitischen Pflichten
gegen die Krone Böhmen.
Die Drohung Isabellas und die Berichte seiner Gesandten,
dass die Sympathien der meisten Polen auf Seite Johann Sigmunds
seien, bewogen den König Ferdinand, Haidenreich gleich nach
seiner Rückkehr aus Polen im Jänner 1555 in Eile wieder
zurückzusenden und ihn mit Instructionen zu versehen, welche
wohl geeignet schienen, als Grundlage einer Vereinbarung mit
der Witwe Zäpolya^s zu dienen, wenn sie ihren Plänen auf
Siebenbürgen endgiltig entsagen wollte.
Er versprach, der Königin ftlr die ihr und ihrem Sohne
schuldigen Summen* die böhmischen Herrschaften Chlumetz,
Rohesetz und Skal zu verpfänden^ oder wenn sie das baare
* SzAdeczky S. 69 verwechselt ihn mit seinem Oheime, dem ehemaligen
Militär-Gouverneur von Siebenbürgen, der Johann Baptista hiess.
» Diese beliefen sich jetzt auf 122.000 Goldgulden, nKmlich 100.000 als
ursprüngliche Schuld an Isabella, 12.000 Gulden als Zins für zwei Jahre,
lO.OOO als zweijähriger Betrag zur Ergänzung der Einkünfte von Oppeln
und Ratibor auf 26.000 Gulden.
* Ferdinand schätzte die Einkünfte von Clumetz auf 8000 Thaler, von
Rohesetz und Skal auf 4000 Gulden jährlich. Ersteres hatte er selbst
um 111.000 Thaler erworben. Die Verzinsung der Schuld an Isabella
wäre also eine sehr hohe gewesen.
-^ — -^ -r-- K xaUen und ihr unter-
. i_-ra: BeshzimgeD zu üb«-
von Tost in Aiß"
.-bens auf die ^uern
Sigmunds zu Tcr-
ak seinem künftigen
«tchlesischen Fürsten
nni: König von Polen,
nach dem fernen
Tuni: eingetreten.
• 'frei: Schritt gethan,
h. Jänner 1555
r- . nicht eintraf,
*^T«nze auf die
-ZI «ntschlossen,
T Ferdinands
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. ...'- ^1 ' at'U PaÄ.*has der nörd-
\ -. ^^' il^u it.r Moi<latt und Walachei
i.ü' ii^j^s^ Land bereit zu halten.
' 1
39
Die von allen Seiten sich aufthtirmenden Gefahren und
das geringe Vertrauen auf die Macht König Ferdinands er-
regten in den siebenbtirgischen Anhängern des Hauses Zäpolya
neue Hoffnungen und entmuthigten die Freunde Oesterreichs.^
Am 23. December 1555 beschloss ein Landtag in Maros-Väsdr-
bely die Aufstellung eines Heeres von 3000 Mann unter Melchior
Balassa. Es geschah dies angeblich zur Vertheidigung des
Landes. Aber die wahren Absichten enthüllt der Umstand,
dass zum Verwalter der zur Unterhaltung der Truppen votirten
Steuern Anton Kendy, das Haupt der Anhänger Johann Sigmunds,
bestellt wurde, während die Woywoden ganz bei Seite ge-
schoben wurden. Ein Landtag in Thorda beschloss am 2. Februar
1556 die Zurtickberufung Petrovich's. Am 12. März wurde
Johann Sigmimd als Herr und Petrovich als dessen Statthalter
anerkannt. Am L Juni wurde die Gesandtschaft gewählt, welche
den Fürsten zurückführen sollte, und an deren Spitze der Woy-
wode Franz Kendy gestellt, der zu den Aufständischen über-
getreten war. Am 22. October zogen IsabeUa und ihr Sohn in
Klausenburg ein. Die Herrschaft Oesterreichs über Sieben-
bürgen war für lange Zeit vernichtet.
* Für die Vorgänge in Siebenbürgen vgl. Szildgyi in Mon. comit.
Transylv. 1, 471 sqq.
DAS
GRANUM CATALOGI PRAE8ULUM
MORAVIAE
NACH DER
HANDSCHEIFT DES OLMÜTZEE DOMOAPITELARCHIVS
HEBAUSGEGEBEN
VON
J. L O S E R T H.
AreUT. Bd. LXXYUI. I. Hüfte.
Einleitung.
I. Aeltere und neuere Ansichten Aber das Granum
Catalogi.
Das Granum Catalogi war den Forschem auf dem Ge-
biete der mährischen Landesgeschichte schon seit lange bekannt.
Der Erste, der es einer näheren Beachtung würdigte, war der
Olmützer Domherr und Geschichtsforscher Augustin Käsebrot,
gewöhnlich nur mit seinem Vornamen Augustin genannt,^ Ge-
heimschreiber des Königs Wladislaw und Freund des Olmützer
Bischofs Stanislaus Thurzo. Augustin unternahm eine völlige
Neubearbeitung des Granum. Da es mit der am 3. October
1434 erfolgten Wahl imd der am 22. August des nächsten Jahres
stattgefundenen Installation des Bischofs Paul von Miliczin ab-
schloss, fiigte er noch die Geschichte der folgenden Bischöfe
Johannes XI. (1450-1454), Bohussius de Zwola (1454—1457),
Prothasius de Czernahora (1457 — 1482), Johannes XII. (Vara-
diensis 1482 — 1497) und Stanislaus' I. Thurzo hinzu. Dieser
Katalog wurde zuerst in Wien 1511 in 4^ gedruckt.* Freher
hat ihn in seine Sammlung der Scriptores rerum Bohemicarum
aufgenommen, und ebenso findet er sich in der Gruter'schen
Sammlung. Im Jahre 1831 wurde er von dem Olmützer Bi-
bUoÜiekar Franz Xaver Richter neuerdings herausgegeben, bis
auf die neueste Zeit fortgeführt und mit einem ausführlichen
britischen Commentar versehen.' Richter theilt aus dem Granum
' Ueber ihn vgl. d*Elvert, Historische Literatargeschichte von Mähren und
Oesterr.- Schlesien, S. 89.
' d'Elvert, Nachträge zur Geschichte der historischen Literatur von Mähren
and Oesterr.- Schlesien im VI. Bande der Schriften der hist-stat. Section
der k. k. mähr.-schles. Gesellschaft zur Beförderung des Ackerbaues, der
Natur- und Landeskunde, S. 239.
* Fortsetzungen des Augustin'schen Kataloges wurden schon früher gemacht;
B. ebenda 8. 241 ; sie sind aber nicht gedruckt worden.
4*
48
in Betracht kommt, ein Pergamentband in Folio, 305 Blätter
fassend, liegt im Archive des Domcapitels zu Olmütz und fUfart
die Nummer 205. An der Spitze steht etwas ungenau: ,Roma-
norum decretalia pontificum synodalia tempore prestant conven-
tibus non incongrue in nostre defloracionis opusculo primae sibi
vendicant partes/ Die Beschreibimg findet sich bei Wattenbach,
Reise nach Oesterreich in den Jahren 1847, 1848, 1849 im 10.
Bande des Archivs für ältere deutsche Geschichtskunde, S. 682.
Dieser Theil der Handschrift gehört dem 12. Jahrhundert an.
Daran scUiesst sich dann der Katalog der OlmUtzer Bischöfe,
der von einer und derselben Hand des 15. Jahrhunderts — '
wahrscheinlich in der Zeit der Hussitenkriege geschrieben wurde.
Der Text ist, wie schon Wattenbach bemerkt hat, von einer
zweiten Hand sorgfWtig durchcorrigiert. Es ist kein Zweifel,
dass ein Theil des Textes verloren ist imd dieser früher weiter
reichte, denn er bricht nunmehr mitten im Satze ab. Vielleicht
ist <erst in verhältnissmässig später Zeit ein Blatt des Codex
abhanden gekommen und sah Ziegelbauer die Handschriflb noch
unverletzt; dann würde sich auch seine oben citirte Angabe
leicht erklären lassen.
Eine zweite Handschrift, aus der Mitte des vorigen Jahr-
hunderts stammend, enthält nur vereinzelte Fragmente des
Granum Catalogi, das ist die Handschrift 12232 des landstän-
dischen Archives in Brunn. Sie besteht aus 28 Papierblättem
in Folio und enthält ein Stück von dem ersten Theile des
Olomucium Sacrum des bekannten mährischen Geschieht -
Schreibers Magnoald Ziegelbauer, wie man schon aus der Ueber-
schrift entnimmt: Olomucium Sacrum, quo historia ecclesiastica
Moraviae et eins episcopatus exponitur. Authore R. P. Domino
Magn. . . . Ziegelbauer, monasterii Zwifaltensis coenobita. Eine
Randnote hiezu sagt: ,Concordat cum codice Cerroniano,' Olo-
mucium Sacrum tom., la, p. 59 usque ad p. 92.
Magnoald Ziegelbauer schreibt nun zunächst den Anfang
des Granum — doch mit Hinweglassung der Verse — bis zu
dem Satze: ,Anno Domini 1415 (Granum: 915) regnum Moraviae
per Amolphum imperatorem unacum uxore Swatopluk regi
restitutum fuit^ ab und gibt zu dem ganzen Abschnitte ausführ-
liche ,Notae et additiones' nebst einigen 6 Blätter fassenden
,Tabulae chronologicae'. In den ,Notae' wird auf die fast un-
glaublichen Verstösse hingewiesen, welche dieser Theil des
49
Orannm enthldt,^ und in den ^Tabulae chronologicae^ eine rich-
tigere Ansicht "von der ältesten Qeschichte Mährens bis zur
Aoflösung des grossmährischen Reiches dargeboten.
Hierauf folgt von anderer Hand wieder ein Theil des
Granom (fol. 9—20), und zwar der Schluss dessen, was das
Orannm zum Jahre 1131 meldet (animae quam aliorum fidelium
animarum salute exhiberent obsequia, quatuor praeter eos in
priori ecclesia sancti Petri pro iugi Dei servicio relictis) bis
nngefkhr an den Schluss des Granum, wie es in der Olmützer
Handschrift vorliegt. Es schliesst mit dem ersten Worte des
vorletzten Satzes daselbst: ecclesie Olomucensis est postulatus.
Qae . . .
fol. 19 beginnt abermab von anderer Hand das Granum
vom Neuen und diesmal auch mit den Versen. Den Schluss
bildet der Satz: A. d. 928 beatus Wenceslaus dux Boemie ab
impio fratre suo Bolesslao martirio est coronatus.
fol. 20 ist leer. fol. 21 und 22 stehen: Extraeta ex Pro-
tocollo circariae (!) Bohemiae in vitam B. Henrici Zdik, epi-
scopi Olomucensis et canonici Premonstratensis.
fol. 23 und 24 enthalten wieder Theile des Granum, und
zwar den Schluss des zu 1157 erzählten sublimatur ac catha*
iogo presulum ipsius ecclesie nonus in ordine annotatur bis
1194: sed et omnem clerum ecclesie ad, und: Anno domini 863
cepta est christianitas et senior dux Moraviae Swat. a b. Cyrillo
baptizatur bis: Anno domini 816 ... in archiepiscopatum suc-
cessit.
fol. 25 und 26 finden sich einige Analecta ad seriem
episcoporum Olomucensium; fol. 27 abermals ein Stück des
Granum zu den Jahren 1194 (prandium invitare — plumbo
' Et hanc — sagt Ziegelbauer — chronotaxin Actonim SS. Cyrilli et
Methudii notis illustrem? huic ego additiones, id est, errores erroribus
accumulem? tot enim tantaque contra veram temporis rationem, ut de
bistoria ipsa nihil dicam, sunt errata et menda, ut, unde anaschronismis
(sie) confiitandis exordiar, plane nesciam. Annon iure igitur et merito
me poeniteat e tenebris situ squal (sie) anonymum prodncere seriptorem,
cuiuB nisi ad singulos fere passus prolabi velim, vel in ipso limine
deseram vestigia? Operae tamen pretium facturus mihi videor, si erronea,
confiisa et perturbata auctoris chronologia ad examen vocata meliorem-
qne redacta in ordinem, apostolica SS. Cyrilli et Methudii acta in
Moravia firmiore locata basi ob oculos constituam.
50
veativit) und 1199 XVT. Kai. Jan. dominus Engelbertus — eins
det Dens etemam). Auf '
fol. 28 sind drei Glockeninschriften aus dem Jahre 1518
aufgezeichnet.
Die Fragmente des Qranum^ welche in dieser Brünner
Handschrift enthalten sind, sind eine Copie des Olmtttzer Exem-
plars, dessen Leetüre dem Copisten manche Schwierigkeiten
bereitet hat. Man sieht das aus den Worten (auf fol. 24*):
aliquot linee legi minime possunt. Zum Jahre 895 (sie) ver-
mochte der Copist das auf cum uxore folgende Wort nicht zu
lesen und mühte sich mit der Abzeichnung des Wortes ab.
Einige Worte sind von ihm hinzugeftigt worden, so zum Jahre
886: cepta est christianitas.
m. Die Quellen des O^rannm Catalogi.
1. Die Nekrologe der Olmützer Domkirche.
In Betracht kommen: 1. Das sogenannte Kalendarium vom
Jahre 1137, in welches die Sterbetage der Olmützer Bischöfe
von Johann (f 1085) bis zum Bischöfe Bawor (f 1201) ein-
getragen wurden. Dieses Kalendarium befindet sich in der
königl. Bibliothek zu Stockholm und wurde von Dudik im 59.
Bande des , Archivs für österreichische Geschichte^, S. 639—657
veröffentlicht. Der Herausgeber bemerkt, dass die Einzeichnung
der Sterbetage der Olmützer Bischöfe, dann vieler regierenden
Pfemysliden nebst einigen Domherren von Ohnütz von der-
selben Hand vorgenommen wurde, die auch den übrigen Theil
des Codex geschrieben hat. Die Sterbetage der genannten
Bischöfe könnte der Compilator des Granum in diesem Nekro-
loge vorgefunden haben; aber es will uns scheinen, als habe
er sich mehr an das jüngere Nekrolog der Olmützer Eorche
gehalten, das aus dem Jahre 1263 stammt, im Archive des
Olmützer Domcapitels liegt (zu dessen wichtigsten Bestandtheilen
es gehört) und von Dudik im 65. Bande des ,Archivs flir öster-
reichische Geschichte' S. 516 — 589 mitgetheilt wurde. Dass
der Compilator dieses jüngere Nekrolog stark ausnützte, ergibt
sich aus Folgendem: dem Nekrolog ist eine ausführlichere Er-
zählung, welche von der Veranlassimg zur Anfertigung des
Nekrologiums berichtet, vorausgesendet. Da hier namentlich
51
Yon der Wahl Brunos zum Olmützer Bischöfe etwas aosftlhr-
licher gesprochen wird, so bezeichnete Boczek dieses Stück
als sogenannte vita Brononis.^ Ich habe diese sogenannte vita
Bnmonis im Jahre 1878 übrigens auch in der Handschrift 2.
n. 21 der Ohnützer Stadienbibliothek gefunden.* Die histo-
rischen Notizen über Bruno, welche dem Nekrolog von 1263
Yoransgesandt werden, wurden von dem Compilator des Granum
lasgeschrieben, wie man aus der folgenden Gegenüberstellung
sieht:
Sogenannte vita Bnmonis.
Archiv für Österreichische Geschichte
65, 494.
. . per quorum industriam
yenerabihs pater, dominus Bnmo
de Schowenburch , Saxonum
progenitus alto sanguine, ruti-
lans prestancia bone fame et
Spirans bono virtutis odore eciam
Qsqae ad exteras naciones ad
Olomucensem ecclesiam in epi-
scopum canonice et concorditer
est electus, domino Wilhelmo,
predicto Olomucensi electo, in
manus summi pontificis eleccio-
nem snam primitus resignante,
Chunrado prefato intruso per
apostoUcam sentenciam ab ea-
dem ecclesia remoto. . . .
Granum Catalogi.
1247 per ipsorum industri-
am venerabilis dominus Bruno
de Schowenburg de genere
Saxonum vir bone fame ad ec-
clesiam
Olomucensem* in episcopum ca-
nonice est electus, domino Wil-
helmo predicto in manus summi
pontificis Adriani quarti eleccio-
nem suam primitus resignante,
prefato Chunrado intruso per
apostoUcam sentenciam ab ea-
dem ecclesiam remoto.
Dass er sich an das jüngere Nekrolog gehalten, möchte
man auch aus den Angaben über die Sterbetage der Bischöfe
Andreas und Heinrich Zdik entnehmen. Vom Bischöfe Andreas
sagt das Granum in Uebereinstimmung mit dem jüngeren
» Chlamecky, Die Regesten der Archive Mährens und Anton Boczek*s Be-
richte über die Forschungen in diesem Lande, S. XXIV, und d*Elvert,
Historische Literaturgeschichte von Mähren, S. 10.
* Vgl. meinen Aufsatz über die sogenannte Vita Brunonis im XXIIL Bande
der 3fittheilungen des Vereines für Qeschichte der Deutschen in Böhmen*,
8.264.
52
Nekrolog: obiit XI Eal. Jnnii, während das ältere Nekrolog den
20. Mai = XIII Kai. Junii angibt. Vom Bischöfe Heinrich Zdik
sagt das Granum gleichfalls in Uebereinstimmung mit dem
jüngeren Nekrolog: septimo Kai. Jnlii . . . presul Heinricus (exoit
artoS; monte Syna magnifice tectus), während das ältere Nekro-
log XI Kai. Jolii hat.
Die Möglichkeit; dass der Compilator auch das ältere Ne-
krolog zu Rathe gezogen; ist gleichwohl nicht abzuweisen; man
wird in dieser Ansicht durch den Umstand bestärkt; dass Hein-
rich, der Nachfolger des Bischofs Andreas, der im ersten Ne-
krologium nicht genannt wird, auch im Granum fehlt. Im
jüngeren Nekrolog wird er zwar genannt, aber hier fehlt die
Ordnungszahl bei dem Namen, und so wusste der Compilator
mit ihm vielleicht nichts anzufangen und Hess ihn weg.
Das Nekrolog vom Jahre 1263 bildet eine der wichtigsten
Quellen für den Compilator; aus ihm hat er die Ordnungs-
zahlen der einzelnen Bischöfe entnommen, und wo sich im Ne-
krolog Fehler finden, da sind sie auch im Granum anzutreflFen.
Der Bischof Johann, der 1085 starb, wird in beiden Nekrologen
Johannes HL episcopus Olomucensis genannt. Nun sind hier
offenbar als Vorgänger Cyrillus und Methodius gedacht. Da
der Compilator diese beiden ab Erzbischöfe von den Bischöfen
schied, im Uebrigen aber die Ordnungszahlen der Nekrologe
beibehielt, war er genöthigt, zwei Namen einzuschieben, den
Bischof Johannes, den er zum Jahre 916, und den Bischof Sil-
vester, den er zum Jahre 942 nennt. Von beiden weiss die
Geschichte bekanntUch nichts. Da er in seiner Vorlage den
Bischof Wracen ebensowenig fand wie den Bischof Wecel, so
fehlen diese auch in dem Granum. Die Benützimg der Olmützer
Todtenbücher durch das Granum ist noch zum Jahre 1380,
bei welchem die Geschichte des Bischofs Peter Gelito erzählt
wird, nachzuweisen; auch die Notiz über den Bischof Nicolaus
de Prussia, genannt Pröpstl, scheint aus ihnen zu stammen.
Granum.
. . . dominus Nicolaus
de Prussia, dictus Prebstl, de
ecclesia Constanciensi per dic-
Necrologium vom Jahro 1263.
Archiv für österreichische Geschichte
65, 544.
(Vm Id.) Obiit hoc die
anno domini MCCCXCVH ve-
nerabilis pater dominus Nico-
53
tarn dominum papam (Urbanum
VI.) est translatus . . .
MCCCXCVI(I) octavo
Idus Junii in municione Drzeb-
czicz prope Pragam predictus
dominus Nicolaus, Olomucensis
ecciesie pontifexyicesimus septi-
mas . . . migravit a seculo ; cuius
corpus in ecclesia Olomucensi
in choro, ubi evangelium per
ministros altaris legitur, est
sepultum.
Die Todestage der Bischöfe Johannes Mraz, Laczko von
Krawar, sowie auch jener des Bischofs Johann von Neumarkt
sind in dem Ohnützer Todtenbuche nicht eingetragen. Der
Compilator folgte sie, mit Ausnahme des von Johannes Mraz,
liinzu, da er sie als Zeitgenossen offenbar genau kannte.
laus, natus de Prussia, de ec-
clesia Constanciensi ad eccle-
siam Olomucensem translatus
per sanctissimum in Christo
patrem dominum Urbanum pa-
pam VT. Obiit idem dominus
Nicolaus in Drzebicz prope
Pragam, sepultus in ecclesia
Olomucensi, XXVII. episcopus
Olomucensis.
2. Die sogenannte xnährisohe Legende von Oyrill
und Method.
Diese Legende^ stammt nach dem Urtheile Dobrowsky's
aas dem 14. Jahrhundert. Der Bischof Johann von Neumarkt
erliess im Jahre 1380 das Statut, dass die Feier des Gedächt-
nisses der beiden Heiligen (sie werden genannt: beatissimi et
gloriosissimi confessores Christi et episcopi Cyrillus et Methodius,
patres, apostoli et patroni nostri precipui) am 9. März vom
gesammten Clerus und Volk der Olmützer Diöcese festlich
(per divinornm officiorum celebracionem solempnem) begangen
werde.* Dobrowsky meint, dass die mährische Legende aus
Anlass der Einführung dieses Festes entweder im Jahre 1380
oder kurz vorher von Johann von Neumarkt oder einem Geist-
' Zuerst Yon den Bollandistcn in den Acta SS., Martii tom. 11 veröffentlicht
Correcter ist der Druck bei Dobrowsky, Mährische Legende von Cyrill
und Method. Prag 1826. Damach in Ginzel, Geschichte der Slaren-
tpoftel Oyrill und Method, Anhang S. 12—18 und in den SS. rer. Bohe-
mic. I, 8. 100—107. Vgl. auch Dobrowsky, Cyrill und Method, der Slaven
Apostel. Prag 1823.
* Angostini Olomucensis Episcoporum Olomucenslum Series, 8. 117.
54
liehen seines Sprengeis verfasst worden sei.^ Der Compilator
des Granum hat sie ftb- die Geschichte der beiden Heiligen in
umfassender Weise ausgenützt. Man vergleiche:
Leg. Moravioa.
Qinzel, Geschichte der Slayenapostel
Cyrill und Method. Anhang p. 16.
Cap. vn.
Sciens omnium esse virtu-
tum veram in humilitate custo-
diam, episcopatum renun-
cians . . . dereliquit post se
sanctum Methodium fratrem
suum . . .
Granum Gatalogi.
892 beatus Cirillus resigna-
vit archiepiscopatum (sie) Wele-
gradensem et ad eundem sub-
stitutis beatum Metudium . . .
Noch deutlicher wird die Benützung dieser Quelle aus
dem, was zum Jahre 900 berichtet wird:
Cap. X.
Postquam vero devotus
rex fuisset naturali morte de-
functus et Swatopluk regnum
Moravie gubemaret . . . re-
belles contumaces asperna-
bantur legem Domini pluri-
mis iniuriis afficientes sacerdotes
Domini . . .
Cap. IX.
. . . ut seditiosus Swato-
pluk princeps doli . . .
Quapropter in ipsum Swa-
topluk^ frontosum principem et
suos satellites et in omnes eins
gades excommunieacionis ful-
minavit sentenciam.
Swatopluk princeps doli
et cupidus vane glorie . . .
Hie contumaciter asper-
nabatur legem Domini ip-
sumque beatum Metudium et
sacerdotes Dei plurimis iniuriis
aflfecit.
Quapropter in ipsum re-
gem et sathalites eins et in
omnes gades ipsius excommuni-
eacionis sentenciam fulminavit.
Auch der Beiname des
Swatopluk frontosus findet sich
im folgenden Abschnitte:
* Kritische Versuche, 8. 29.
55
Cap. xn.
Qao facto Romam abiit^
Tolens beatum Cyrillum secum
reducere
Eodem anno beatus Me-
tudius Romam abiit beatum
CiriUum secum reducere volens
ad sedandum seviciam Swato-
pluk principis frontosi.
Dass dem Compilator die meisten Legenden der böhmischen
Heiligen bekannt waren, wird man unbedingt zugestehen dürfen.
Von jener Lebensbeschreibung der heil. Ludmilla, welche auch
Christian, der Compilator der Legende von St. Ludmilla und
St. Wenzel ausschrieb, ist dies nachweisbar. Der Satz: Idem
rex (Swatopluc) procuravit beatum Cirillum in archiepiscopum
Welegradensem sublimari stimmt mit einem Satze der genannten
Legende überein, nur dass statt Methodius im Granum Cyrillus
gesetzt wird.
8. Gosmas von Prag.
Aus Cosmas I, 14 ist der Satz genommen: 894 beatus
Metudius Borziwoy ducem (maritum sancte Ludmille) baptizavit;
denn nur in Cosmas oder in einem aus diesem stammenden
chronologischen Abriss fand er die bestimmte Jahresangabe
894. Aus Cosmas dürfte auch der Satz stanmien: 915 regnum
Horayie per Amolphum imperatorem una cum uxore Swatopluc
regi restitutum fiiit. Doch hat der Compilator die Stelle bei
Cosmas falsch au%efasst, wie es auch in den sogenannten
Annales Bohemie zum Jahre 887 lautet: Amolfus filius Karolo-
manni, rex Romanorum, concessit Zwatopluc, regi Moravie,
compatri suo, ducatum Boemie. Welche Umdeutungen der
Satz des Cosmas in den sonstigen Quellen erfuhr, sieht man
am deutlichsten aus den Hradischer Annalen: Amolfus Zwato-
pluk, filio suo Moraviensium et Boemiensium a. d. 890 concessit
dacatom.
Qanz sicher stammt das, was das Granum Catalogi zum
Jahre 971 berichtet, aus Cosmas. Man vergleiche:
Cosmas II, 87.
Die Urkunde Heinrichs IV.
de dato m Kai. Maii 1086.
Granum.
971 tempore sancti Adal-
berti Pragensis episcopi secundi
56
. . . quod Pragensis epi-
scopatus qui ab initio per totum
Boemie ac Moravie ducatum
unus et integer constitutus et
tarn a papa Benedicto quam
a primo Ottone imperatore sie
confirmatus est
Auch im Texte der Cos-
mas selbst finden sich diese
Worte wieder.
anno episcopatus sui tercio Mo-
raviensis episcopatus Pragensi
episcopio Benedicti pape sep-
timi Othonisque imperatoris
secundi confirmacione et pii
Boleslai ducis Boemie consensu
accedente usque ad tempora
Severi episcopi Pragensis sexti
et Vratislai ducis Boemie iuit
unitus.
Die Notiz vom Tode des heil. Adalbert stammt gleichfalls
aus Cosmas. Auch die Nachrichten zu den Jahren 1004 und
1038 sind freilich mit nicht imwesentlichen Aenderungen Cosmas
entlehnt. Was das Granum zum Jahre 1063 meldet, stammt
aus Cosmas I, cap. 21, 27, 28, 29 und 30, die Berichte zum
Jahre 1086 aus Cosmas 11, 37, jene zimi Jahre 1091 aus Cos-
mas n, 49. Die Uebereinstimmung ist mehr oder minder
wortgetreu. Man vergleiche:
Cosmas III, 2.
Anno dominice incama-
cionis 1094 . . . dux Braciz-
laus transmittit electos Cosmam
et Andream episcopos (ad sy-
nodum) in urbe Maguntia,
committens eos comiti Rapote
rogans, ut eos offerat Magun-
tino archiepiscopo ordinandos . . .
Granum.
Anno 1094 Bretisslaus . . .
mittit ad imperatorem Henricum
tercium in Magunciam Cosmam
et Andream electos supplicans,
ut ipsos Maguntinensi archi-
episcopo committeret consecrari.
In Cosmas fand der Compilator das Jahr der Wahl des
Bischofs Johannes Ventrosus; aus Cosmas fUgte er beim Jahre
1126 zu dem Namen des Bischofs Heinrich die Worte qui
et Zdyk bei.
4. Die Hradisoher Annalen und Vinoentiiis.
Die Beimohronik Dalimils.
Annal. Orad. a. annum 1096.
Anno 1096 Dedicacio ec-
clesie sancti Viti . .
Granum.
1096 . .
57
Eodem anno Andreas, Mo-
raviensis episcopus, obiit.
Eodem anno (1126) IX
Kai. Mar. obiit Johannes, VII
episcopus. Item eodem anno
electos est XI Kai. Aprilis
Presul Heinricus vere pie-
tatis amicus,
Dextera pauperibus in-
finnis atque baciüus.
Anno 1131 gloriosissima
et famosissima . . . dedicacio
. . . a reverendissimo provi-
sore suo Heinrico episcopo II
Kai. Julii facta est presente
serenissimo principe Sobezlao
et conioge sua nee non pluribus
proceribosacinequiparabili miü-
titudine cleri et populi.
Der Compilator hat für
diesen Theil ausser dem Be-
richte der Hradischer Annalen
auch die Urkunden des Olmützer
Domcapitels fleissig benützt,
wie man das Nähere weiter
unten entnehmen wird.
. . . Andreas, Olomucen-
sis, alias Moraviensis epi-
scopus, obiit.
1126, IX Kai. Marcii . . .
Johannes Ventrosus . . . obiit
. . . et eodem anno XI Kai.
Aprilis pro eo eligitur
Presul Heinricus vere pie-
tatis amicus,
Dextra pauperibus infirmis
atque baculus.
1131 famosissima trans-
lacio ... et gloriosissima dedi-
cacio . . . a reverendissimo pro-
visore suo domino Heinrico,
alias Zdykone, episcopo Mora-
viensi . . . H Kai. Julii facta
est presente serenissimo prin-
cipe Sobesslao et coniuge sua
et aliis quam pluribus proceribus
et inequiparabili multitudine
cleri et populi.
Vincentius ad annum 1151.
Anno dominice incamacio-
nisUöl (sie) dominus Heinricus,
Moraviensis episcopus, in senec-
tute bona, plenus operibus bonis
et elemosinis, circumstantibus
fratribus plurimis et pro ipso
Demn orantibus VH Kai. Julii
reddit Deo spiritum feliciter.
Qui prout optaverat, in mona-
sterio montis Syon . . . sepelitur.
ArchiT. LXXVUI. Bd. I. Hilft«.
Granum.
1150 VII Kai. Julii
Humilis atque pius virtutumnec-
tare plenus
Presul Heinricus mortales exuit
artus,
Monte Syna vectus . . .
58
Vielleicht geht auch das, was das Granum über die An-
wesenheit des Bischofs Daniel von Prag in Olmütz zum Jahre
1157 meldet, auf eine Notiz des Vincentius zurück.
Nicht völlig sicher ist es, ob dem Compilator die Reim-
chronik Dalimils vorlag; doch kann man mindestens die Ver-
muthung aussprechen, dass der Satz: 915 regnum Moravie per
Amolphum imperatorem unacum uxore Swatopluk regi restitu-
tum fuit nur mittelbar, durch die Reimchronik Dalimils, aus
Cosmas stammt. Einiges in dem Capitel Dalimils, ,welches sagt,
wie Merherland komen ist zu Behmerland', scheint darauf
hinzudeuten.
6. Die Urkiinden des Obnützer Domarohivs. (Der angebliche
Bischof Friedrich.)
Ueber den Streit zwischen dem Prager und Olmützer
Bisthum um den Besitz von Sekyf-Kostel lagen dem Compilator
zweifellos die bekannten Urkunden des Olmützer Domarchivs
vor. Woher er übrigens die Nachricht hat, dass Sekyf'-Kostel
im Jahre 1068 Streitobject zwischen Prag und Olmütz war,
dürfte sich aus dem, was oben über die Benützung des Cosmas
von Prag (11, Cap. 20) gesagt wurde, ergeben. Die Notiz
Boczek's aus dem von ihm erdichteten Hildegardus Gradicensis
(Cod. dipl. Morav. I, Nr. CLXU) dürfte vielleicht auch auf das
Granum Catalogi ad annum 1063 zurückzuflihren sein.
Die Schenkungsurkunde Sobßslaws ftlr den ,Circuitus'
Lubac in Kremsier, deren das Granum zum Jahre 1104 ge-
denkt, fand der Compilator im Archive des Domes (vgl. Cod.
dipl. Morav. I, Nr. CCXXIII, CCXXIV). Was er bei dem Jahre
1130 von der Uebertragung des Bischofssitzes zur St. Wenzels-
kirche erzählt, hat er zum Theile wörtlich aus der Urkunde
des Bischofs Heinrich vom Jahre 1131 (das Tages- und Monats-
datum fehlt) genommen ^ (s. Cod. dipl. Morav. I, Nr. CCXXXI).
Im Archive fand er die betreflFende Concession des Erzbischofs
Adalbert von Mainz (Cod. dipl. Morav. I, Nr. CCXXX) und
den ,Assensus^ des Herzogs Soböslaw, welche er dann fast mit
denselben Worten im Granum erwähnt. Ueber die grossartigen
Schenkungen Wladislaws und Pfemysl Ottokars an das Kloster
^ Die näheren Nachweise siehe unten ad annnm 1131.
59
Welehrad in Mähren, deren der Compilator zum Jahre 1204
erwähnt, fand er im Domarchive zahbeiche Urkunden, in
welche er Einsicht nahm. Die Wahl Brunos von Schauenburg
hat er, wie schon bemerkt, nach der sogenannten Vita Brunonis
erzählt. Von den reichen Schenkungen, welche dieser Bischof
und Staatsmann der Olmützer Kirche hinterhess, erzählt das
Granum auf Grundlage der Actenbestände des Domarchivs;
er bedient sich in einer erheblichen Anzahl von Fällen sogar
der Ausdrucks weise, die er in den Urkunden vorfand. Von
den vielen Belegstellen, die hieflir beigebracht werden können,
will ich an dieser Stelle nur einige wenige anführen. Man
vergleiche:
Granum.
Idem pater Olomucensis
ecclesie episcopus XVII ab
inclito principe Wenceslao Bo-
hemorum rege quarto decimas
secundum formam sacrorum
canonum per totam suam dio-
ceaim per plebanos recipi im-
petravit.
. . . opidumque Hulyn
cum villis Prawezicz, Ny emczicz
et Antiqua viUa a rege Prze-
niissl, aUas Ottakaro, pro eccle-
sia sua impetravit, comitatum
Hakenwald cum Castro et opido
Ostravia cum omnibus villis et
pertinencüs eorum . . .
Boczek,
Cod. dipl. Morav. m, p. 96!
Nos igitur . . . vobis et suc-
cessoribus vestris in perpetuum
ius Olomucensis ecclesie ac om-
nium aliarum declarando per
presentes literas indulgemus, ut
per totam diocesim Olomucen-
sem decimas secundum formam
canonum recipiatis et exigatis
ex integre.
Das Testament Brunos von Olmütz.
Ebendaselbst S. 402—408.
Item dominus noster rex
pro laboribus et serviciis, que
frequenter impendimus ipsi, de-
dit et contulit in perpetuum
nobis et ecclesie nostre . . .
oppidum forense de Hulyn,
villas de Praweziz, de Alden-
dorph et ex Nemziz . . .
Emimus eciam a Francone
comite de Hukeswagh circuitum
qui incipit ... In quarta parte
Oztrava . . .
6*
60
Hie eciam scolastriam et
quatuor prebendas in Vytonicz
et Friczowicz de novo creavit,
villam Vyklek decanatui Olo-
mucensi adiunxit . . .
Gran um ad annum 1281.
Hie ad instanciam fer-
videque devocionis peticionem
magistri Wemheri eoneanonici
Olomucensis statuit, ut de ce-
tero missa matura ad honorem
beate virginis Marie per eb-
domadarium viearium sub nota
solempnitatis cantaretur . . .
Item ad quatuor preben-
das per nos creatas in Olomu-
eensi ecelesia damus sexagintA
laneos in-villa de Fritzendorph,
que sita est in distrietu bono-
rum^ que apud comitem emimus,
adiuneta villula episcopali que
vocatur Witanicz . . .
ibid p. 251.
quatuor prebendas cano-
nieorum de redditibus episco-
palibus in ecelesia Olomucensi
ereavimus et yillam Witanicz
. . . assignavimus . . . per adiec-
eionem ville Wiklech, que ad
mensam pertinebat episcopalem,
duximus augmentandos . . .
Cod. dipl. Moray. V, p. 125.
. '. . quod ad instanciam
et peticionem dilecti fratris
Bemheri . . . canonici nostri
statuimus, quod ab hac die de
cetero illa missa beate Marie
virginis . . . cum nota per eb-
domadarium seu viearium de-
beat celebrari.
Manche Urkunde wurde von dem Compilator kaum in
rechter Weise verstanden. So ist ein Fall vorhanden, in wel-
chem er durch die falsche Auflösung einer sonst ziemlich häu-
figen Abkürzung die Serie der Olmfitzer Bischöfe um einen
vermehrt hat, den es erwiesenermassen niemals gegeben hat.
Am 13. April 1237 sandte der Papst Gregor IX. an den Bischof
von Olmütz ein Schreiben — damals regierte Bischof Robert
— in welchem dieser wegen seiner ,Stigmatisation8^-Divergenzen
scharf getadelt wurde. Die Adresse lautete: Gregorius epi-
scopus servus servorum Dei. Ad perpetuam rei memoriam.
Venerabili Fr(i?) episcopo Olomucensi salutem et apostolicam
benediccionem. Hier las der Compilator Venerabili Friderico
61
episcopo Olomucensi und stattete ihn mit dem Prädicate ,8ecu-
kris' aus^ mit dem er sodann in den jüngeren Katalogen er-
scheint, so z. B. in der Series episcoporum der Handschrift 2,
VI. 25 der Olmützer Studienbibliothek^ woselbst Friedrich als
16. Bischof (Fridericus episcopus Olomucensis secularis) auf-
gezählt wird. Augustin nahm ihn offenbar auf Grundlage
dieser Quellen in seine Series episcoporum Olomucensium auf:
Fridericus sextus decimus, Roberto vita functo, ecclesie Olo-
mucensi praeficitur. Nihil de hoc memorabile legitur. Moritur
anno Christi 1241 . . . Und Richter macht in seiner Ausgabe
der Augustin'schen Series diesem zum Vorwurf: Aut nescivit
aut reticuit Augustinus contentionem; quam Fridericus aUas
pacis studiosissimus cum fratribus Minoribus de stigmatibus
5. Francisci ipso suo eleccionis anno habuit, donec summus
poQtifex hac in re definiendo pronuntiasset anno 1237 nostroque
presuli saluberrime rescribens sub obediencia sedi Apostolicae
debita silentium imposuisset. Caeterum (fügt Richter bei) sub
icone huius episcopi legitur: ,qua prudentia et doctrina rerum-
qae divinarum intelligencia fuerit.^ Potthast lässt Friedrich am
6. Oetober 1245 abgesetzt werden. Erst Dudik ist zur rich-
tigen Erkenntniss des Sachverhalts gelangt.
Von dem, was von Brunos Nachfolger, dem Bischof Theo-
derich von Neuhaus, gesagt wird, lässt sich fast ein jeder Satz
durch Urkunden belegen. Leider ist von den letzteren ein und
das andere Stück verloren gegangen. So ist die Urkunde, betref-
fend die Schenkung des Dorfes Slatyna durch den Bischof Theo-
derich an die Olmützer Kirche, im Original nicht mehr vorhanden.
Ich übergehe weitere Belegstellen, aus denen die Be-
ntltzang des archivalischen Materiales durch den Compilator
ersichüich wird, da das Nöthige in den erklärenden Noten
der Ausgabe des Granum angedeutet ist. Nur auf die That-
sache möchte ich noch hinweisen, dass bei passender Gelegen-
heit von dem Compilator auch die Legenden der Grabsteine
eines Bischofs mitgetheilt werden, wie dies z. B. bei dem Bischöfe
Johann, dem Vorgänger Dietlebs, der Fall ist.
4. Die Zelt der Abfassung des Grannm Catalogl.
Ist aus dem Vorhergehenden ersichtlich, in welcher Art
das Granum Catalogi entstanden ist, so handelt es sich nunmehr
62
um die Frage^ wann diese Compilation entstanden ist. Man
wird kaum fehlgehen, wenn man ihre Abfassung in die ersten
Jahre der husitischen Wirren, etwa in die Zeit um 1421 —
welches Jahr bei der Erwähnung des Abfalls Konrads, des
Erzbischofs von Prag, zu den Wiclifiten genannt wird — ver-
legt. Schon der Name Granum Catalogi ist recht bezeichnend:
er erinnert nämlich ganz und gar an die in jener Zeit üblichen
Büchertitel wie MeduUa Tritici, Fasciculi zizanniorum u. a.
In jenen Tagen, als in Böhmen die heftigen Angriffe auf
den Besitz der todten Hand erfolgten, stellte man in Olmütz
in sorgsamer Weise alle die Besitztitel fest, welche die Olmützer
Kirche hatte, und legte mehr oder minder umfangreiche Register
an, die zum Theile noch erhalten sind. Solchen praktischen
Zwecken sollte wohl zunächst auch das Granum Catalogi die-
nen: es sollte in knappster Weise eine kurze Geschichte der
Olmützer Bischöfe bieten und die unter ihnen erfolgte Ver-
mehrung, beziehungsweise Verminderung des Besitzes sollte
ebenso knapp angegeben werden. Nicht ohne Grund ist dann
auch die Ausarbeitung auf actenmässiger Gnmdlage erfolgt.
Dass diese Zusammenstellung nicht viel früher erfolgt
sein kann, sieht man schon aus dem, was oben über die so-
genannte mährische Legende des heil. Cyrillus und Methodius
gesagt wurde, die aller Wahrscheinlichkeit nach selbst erst
um 1380 entstanden ist und im Wesentlichen die Grundlage
für die ersten Abschnitte des Granum bildet. Noch aus dem
Jahre 1387 werden einzelne wichtige Dinge nicht erzählt, so
z. B. dass der Bischof Gelito im Banne starb. Erst mit den
neunziger Jahren des 14. Jahrhimderts sind die Nachrichten
so genau, wie sie nur von einem Zeitgenossen aufgezeichnet
werden konnten. So erzählt er mit aller Umständlichkeit die
Geschichte, wie der Bischof Johannes Mraz sich am 26. Juli
1398, als ob er die Reliquien der HeiUgen verehren wollte,
zur Kirche begibt, die Kirchenschätze wegnimmt und ver-
schleudert. Er kennt die Stichelreden von diesem Bischöfe:
Episcopus Olomucensis est molendinator Cremesirensis. Ebenso
genau sind seine Nachrichten über die Consecration des Laczko
von Krawaf, sowie die Erzählungen über Konrad von Vechta,
Wenzel Kralik, Johann den Eisernen und AleS.
Prephaelo ad Infraserlpta.
Kathalogi* grannm terre Moravie patrum, fol. 203».
Hü quid gessere per tempora queqne faere,
Describit breyiter, vitans dispendia semper,
Plurimifl ex diotis oongestum, nt pia nostris
Temporibns nosoat mens, Christo preces quoqne fondat,
Patribos nt dictis donet bona cum benedictis.
Granum cathalogi presnlum Moravie.
Anno domini ^ 886 Swatopluk senior rex Moravie a beato Cirillo
est baptizatus.^
H87^ idem rex procuravit beatum Cirillum in archiepiscopum
Welegradensem sublimari.*
891 beatus Cirillus corpus sancti Clementis pape et martyris
de ecciesia sua Welegradensi (in)^ curiam Romanam de-
portavit.'
892® beatus Cirillus resignavit archiepiscopatum Welegraden-
sem et ad eundem substituit beatum Metudium.^
* In der Handschrift steht W (yersos), durch Striche zu jedem einzelnen
Verse bezogen. ^ Die Worte anno domini finden sich auch vor den weiter
folgenden Zahlen, werden aber oben des Raumerspamisses wegen hinweg-
gelassen. ^ In marg.: archiepiscopus primus in rother Tinte. '^ Fehlt
* In marg.: U gleichfalls in rother Tinte. So sind auch weiterhin die
Reihenziffem der einzelnen Bischöfe am Rande angegeben, was hier ein-
f&r allemal angemerkt sein mag.
' Cjrillns (Constantinus) starb am 14. Februar 869, s. Dümmler, Geschichte
des ostfränkischen Reiches H, 261. Die Reise der beiden Glaubensapostel
nach Mähren fand in der ersten Hälfte des Jahres 863 statt Das obige
Datum ist darnach durchaus falsch.
' Cyrillus erhielt bereits im Jahre 867 die bischöfliche Würde.
' Die Stelle stammt aus dem VI. Capitel der mährischen Legende von
St pTrillus und Methodius; cf. Dobner ad Ann. Hajec. HI, 79.
* Ist dem VUl. Capitel der mährischen Legende entnommen. Vgl. hiezu
die Note 7 in Ginzel, Geschichte der Slavenapostel Cjrillus und Metho-
dius, S. 47. Die Zahlenangabe ist hier ebenso falsch wie in den beiden
vorhergehenden Absätzen.
64
894 beatus Metudius Borziwoy ducem Boemie maritum sancte
Ludmille baptizavit.^
900 beatus Cirillus Rome in basilica beati Clementis migravit
ad Christum et sepultus iuxta corpus beati Clementis.^
Eodem amio Deo devotus rex Swatopluk senior vita
est functus. Cui successit in regnum iuvenis Swatopluk,
prineeps doli et cupidus vane glorie. Hie contumaciter
aspemabatur legem Domini ipsumque beatum Metudium
et sacerdotes Dei plurimis iniuriis affecit. Quapropter in
ipsum regem et sathalites (sie) eins et in omnes gades*
ipsius excommunicacionis sentenciam fiilminavit.*
Eodem anno beatus Metudius Romam abiit, beatum
Cirillum secum reducere volens ad sedandum seviciam
Swatopluk principis frontosi.*
901 beatus Metudius a Johanne papa VIII ad vocacionem ipsius
regis Swatopluk ad ecclesiam suam Welegradensem remit-
titur, papali benediccione fiileitus.^
907 Amolphus imperator ob rebellionem regis Swatopluk reg-
num Moravie ferro et igne devastavit.^
Anno Domini eodem beatus Metudius flens et eiulans
desolacionem sui gregis et destruccionem regni Moravie a
sede sua Romam ad basilicam beati Clementis profectus est.
912 beatus Metudius ibidem defunetus est et iuxta corpus fi^-
temum beati Cirilli honorifice est sepultus. Post cuius
» Gades (v. Du Gange, Glossar, med. et infimae latinitatis, tom. IV, 6
ed. 1885) ^ limites seu terras.
^ Diese Notiz (mit der unrichtigeii Jahresangabe) stammt ans Cosmas ad
annum 894 (v. lib. I., cap. 10). Hinzugefügt ist oben nur der Name der
heil. Ludmilla.
■ Cyrillus starb am 14. Februar 869. Dass er nicht längere Zeit in Rom
als Mönch gelebt habe, s. bei Ginzel a. a. O. p. 50.
' Stammt aus der mährischen Legende von Cyrillus und Methodius (cap. IX).
Auch Swatopluk's Todesjahr ist oben falsch angegeben: Swatopluk starb 894.
^ Stammt aus der mährischen Legende.
^ Desgleichen. 901 sind sowohl Johann VIII. (f 882), als auch Methodius
(t 885) nicht mehr am Leben.
^ Diese Notiz scheint aus Cosmas I, 14 genommen zu sein; doch ist auch
hier das Jahr ganz unrichtig.
66
decessom sedes episcopalis Moravie fere per quinquennium
vacavit. ^
915 regnum Moravie per Amolphum imperatorem una com
uxore Swatopluk regi restitutum* fuit.*
916 Terra Moravie aliqualiter reformata Johannes episeopus
Moraviensis primus ^ beato Metudio in episcopatum successit
et apad Welegrad quondam sedem metropolitanam in eccle-
sia sancti Petri annis viginti quinqiie resedit ibidemque
obdormivit in pace.*
* Cod.: restitnm. ^ Hier beginnt am Rande eine neue Zählang, da die
folgenden Kirchenvorsteher nnr Bisch^Jfe sind.
^ Hethodios starb am 6. April 885, s. Dümmler, Qeschichte des ostfr&nki-
schen Reiches III, 253. Nach der Conversio Carantanomm ist Metho-
dios in M&hren gestorben und wnrde daselbst begaben. 8. die Erl&u-
teningen Ginzel's 1. c, p. 90, 91. Der Olmützer und Brünner Propst
Atigostin hat einzelne Sätze aus dem Qranum abgedruckt, s. Augustini
Olomncensis episcoporum Olomncensium series ed. F. X. Richter, p. 3, 4.
* Kaiser Arnulf starb am 8. December 899. Das mähiische Reich erlag
906 völlig den Angriffen der Magyaren; s. Dümmler, lieber die südöst-
lichen Marken des fränkischen Reiches unter den Karolingern, S. 66.
Woher der Compilator die obige Notiz genommen, ist nicht genau er-
sichtlich. Auch in Dalimirs Reimchronik, an die zunächst zu denken
wäre, ist die Sache doch wesentlich anders dargestellt. Einige ähnliche
Bemerkungen könnte man ans dem Capitel, ,welches saget, wie Merher-
lant kommen ist zu Behemerlant*, herauslesen. Leider ist über die
,merherische Cronica*, von der daselbst gesprochen wird (Fontes rer. Bohe-
mic p. 265), nichts Näheres bekannt.
' Wie willkürlich die obigen Angaben zusammengestellt sind, springt in die
Augen. Von einem ,aliqualiter reformata terra Moravie* kann weder 916
noch in den unmittelbar darauffolgenden Jahrzehnten die Rede sein. Den
obenstehenden Satz citiert auch Richter in Augustinus Series episcoporum
Olomocensium, p. 6. Richter sieht in diesem ,ersten* Bischof von Olmütz
jenen «Johannes archiepiscopus*, der im Auftrage des Papstes Johann IX.
im Jahre 899 in Begleitung der Bischöfe Benedict und Daniel nach
Mähren kam, um sich hier über die kirchlichen Zustände des Landes
zu unterrichten (s. Boczek, Cod. dipl. Morav. I, 60 : Sed venerunt, ut ipsi
promulgarunt, de latere vestro [Johannis IX] tres episcopi, videlicet
Joannes archiepiscopus, Benedictus et Daniel episcopi in terram Schla-
Tonun, qui Maraci dicuntur . . .). Sie theilten Mähren in vier Sprengel,
einen eizbischöflichen und drei bischöfliche. Dass sie aber nicht selbst
die für Mähren bestellten Bischöfe gewesen, s. bei Ginzel a. a. 0. 8. 100.
Im 14. Jahrhundert war es an der Olmützer Kirche feststehende Tradition,
dass Methods Nachfolger Johannes geheissen. Zu dieser Tradition dürfte
der Compilator die oben stehenden Zahlen hinzugedichtet haben.
66
942 Silvester Moraviensis episcopus secundus ordinatus est et
sedit annis decem et novem.
961 obiit dominus Silvester Moraviensis episcopus secundos;
post cuius mortem vacavit episcopatus annis decem; nam
per illos fuit unitus ecclesie Ratisponensi usque ad tem-
pora sancti Adalberti^ ut sequitur.^
971 tempore sancti Adalberti Pragensis episcopi secundi anno
episcopatus sui tercio Moraviensis episcopatus Pragensi
episcopio Benedicti pape VII"* Othonisque imperatoris se-
cundi confirmacione et pii Boleslai ducis Boemie consensu
accedente usque ad tempora Severi episcopi Pragensis
sexti et Vratislai ducis Boemie fuit unitus.'
928 beatus Wenceslaus dux Boemie ab impio fratre suo Bo-
leslao marlyrio est coronatus.»
920 regnum Moravie per resignacionem Swatopluk regis in
personam ducis Boemie cessavit.*
996 beatus Adalbertus Pragensis ecclesie (episcopus)* secundus
in Prussia martyrio est coronatus.^
1004 beati quinque fratres Benedictus^ Matheus^ Johannes^ Isaac
et Cristinus in heremo Polonie circa Kneznam ab impiis
latronibus martyrio sunt coronati.^
1038 Corpora sanctorum Adalberti Pragensis episcopi secundi^
Gaudencii archiepiscopi Kneznensis fratris ipsius Adal-
berti, et quinque fratrum predictorum per Brzetisslaimi
ducem Boemie et Severum Pragensem episcopum ecclesie
sextum de predicta ecclesia Knesnensi ad Boemiam sunt
* Cod.: deest.
^ Auch die auf Silvester bezüglichen Daten sind nicht besser beglaubigt
als die vorhergehenden.
' Vgl. hierüber die Einleitung S. 56. Ueber die Einzelheiten siehe Köpke-
Dümmler, Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto I., S. 50, und
meinen Aufsatz ,Der Umfang des böhmischen Reiches unter Boleslaus I.*
in den Mittheilungen des Institutes für österreichische G^eschichtsforschung
n, 27; s. Richter, Series episc. Olom., p. 9. Von dem mährischen Bischöfe
Wracen, dessen Cosmas gedenkt (U, 21), weiss das Qranum Catalogi
nichts. Siehe hierüber Dudik, Mährens allgemeine Geschichte II, S.45— 46.
' Wenzel wurde am 28. September 929 ermordet Das falsche Datum findet
sich auch in Neplach (SS. rer. Boh. III, 463).
* Stammt aus Dalimil (SS. rer. Boh. m, 266, 49, 50).
^ Stammt aus Cosmas I, 31.
* Cosmas I, 38. Dalimil, cap. XXVm.
67
translata et in urbe antiqua Boleslavia honorifice coUocata.
Demum post aliquot tempora corpus beati Cristini ad ec-
clesiam Olomucensem est translatum et per reverendissi-
mum in Christo patrem dominum Robertum» ipsius ecciesie
Olomucensis episcopum deeimum quintum in sarcophago
opere puleherrimo pollito supra maius altare ipsius ecciesie
honorifice est coUocatum.^
1063 dux Wratislaus Boemie de consensu Severi Pragensis
episcopi sexti Moraviensem episcopatum a Pragensi epi-
scopio divisit tempore Alexandri pape secundi et Henrici
imperatoris tercii Jofaannemque canonicum Pragensem Mo-
raviensem episcopum tercium instituit. Hie a Sigelfrede
Maguntino episcopo ordinatur; hie eciam viriliter pro iuri-
bns et bonis Podywyn ecciesie sue contra Jaromir alias
G^ebhardum Pragensem episcopum septimum, qui eadem
bona minus iuste occupavit, anno ordinacionis ipsius Geb-
hardi secundo (qui fuit annus Domini 1068) instetit.*
1086 septimo Kalendas Decembris reverendus pater dominus
Johannes episcopus Moraviensis tercius ab hoc seculo
migravit ad Dominum.' Post cuius mortem Moraviensis
ecciesia quasi per quinquennium suo legittimo fuit viduata
pastore; nam prefatus Gebhardus Pragensis episcopus
oecasione prioris quondam unionis per eadem tempora
ipsam occupavit.*
*■ Scheint arsprünglich Toblam gelautet zu haben.
' Des Cosmas Bericht ist hier wesentlich geändert. Vgl. Cosmas II, 4 — 6.
Der letzte Tbeil der obigen Notiz stammt aus dem Olmützer Nekrolog
voD 1267: Item eodem anno obiit . . . Rupertos . . . qui fecit tumbam s.
Cristini. S. Dudfk, Ueber Nekrologe der Olmützer Domkirche, Archiv
fÖr Österreichische Geschichte LV, S. 571.
' Ans Cosmas II, cap. 21, 27—30. Der Satz findet sich auch in Augustini
Olomncensis Episcoporum Olomucensium Series, p. 11. Vgl. die Bemer-
kungen über den Besitz von Podiwin und dessen Bedeutung für die
Olmützer Kirche ebenda, 8. 12, Note 16. Boczek, Cod. dipl. Morav. I,
Nr. 159, 281, und Richter, 1. c. p. 279. Der erste Bischof von Olmtita
war nicht Prager Domherr, sondern Benedictiner von Bi'ewnow, s. Dudfk,
QMchichte Mährens II, 503.
* Nicht 1086, sondern am 25. November 1085, s. Dudfk, AUgemeine Ge-
schichte von Mähren II, 434. Richter, 1. c. p. 12, Note 17. S. die Ne-
krologe der Olmützer Kirche (ed. Dndik), p. 580, und Archiv für öster-
reichische Geschichte 59, 658.
* 8. Coimas n, 87.
68
1090 Q^bhardos Pragensis episcopos septimus in Strigonio reg-
ni Hangarie decimo Kai. Jnlii mortuus est.| ^
fol. 203^. 1091 industriosissimus princeps Wratisslaus rex Boemie primus
ob rebellionem quondam fratris sui Gebhardi episcopi
ecciesias Pragensem et Moraviensem pro se disiimxit et
unionem earum effectualiter interrupit; nam Cosmam de-
canum Pragensi et Andream canonicum Pragensem Mo-
raviensi prefecit ecclesiis,* constituens in Moravia Olomu-
censem civitatem apud sanctum Petrum episcopalem de
cetero sedem^ que olym in Welegrad temporibus Swato-
pluk regum* Moravie archiepiscopalis fuerat, demum tem-
poribus ducum apud sanctum Petrum prope Welegrad in
PoUessowicz* extiterat (secundum alios vero in Cunowycz).^
1094 Bretisslaus princeps regni Boemie filius prefati Wratislai
regis mittit ad imperatorem Henricum tercium in Magun-
ciam Cosmam et Andream electoS; supplicans^ ut ipsos
Maguntinensi archiepiscopo committeret consecrari. Quod
per Richardum Maguntinensem archiepiscopum mox im-
pletum est.*
1096 XI Kai. Junii venerabilis pater domiuus Andreas Olomu-
censis, alias Moraviensis episcopus quartus, obiit et apud
sanctum Petrum ecclesiam kathedralem est sepultus.^
* Nämlich des älteren und jüngeren Svatopluk. ^ Die Einschaltung von
anderer Hand.
^ Cosmas verzeichnet VIII Kai. Jnlii. Nach den Ausführungen Palacky's
(Geschichte Böhmens I, 321) fällt Jaromir Gebhards Tod schon in das
Jahr 1089.
' S. Cosmas II, 49. Zwischen Johann und Andreas erscheint noch ein
BischofWezelo (Cosmas n, 41), der wohl ernannt, aber nicht consecrirt
wurde.
' S. hierüber Richter in Augfustins Series epp. Olom. Dort ist auch der
obenstehende Satz des Granum Catalogi abgedruckt.
^ Ist wörtlich aus Cosmas m, 2 entlehnt.
^ In den Hradischer Annalen heisst es: Eodem anno (1096) obiit Andreas
Moraviensis episcopus. Das ältere Nekrolog der Olmützer Kirche (Archiv
für österreichische Geschichte 59, 647) sagt: Xm Kai. Junii obiit
Andreas, lY episcopus Olomucensis. Das jüngere Nekrolog (ebendaselbst
65, 542), sowie das böhmische Nekrolog (Dobner, Mon. bist. Bob. III, 12)
nennen den 22. Mai (= XI Kai. Junii). Von dem Nachfolger des An-
dreas, Heinrieh, weiss das Granum nichts, und doch ist im Nekrolog von
1263 sein Sterbetag eingetragen (Archiv für österreichische Geachichte
65, 545).
69
Cui successit Petrus canonicus regularis ordinis Premon-
stratensis montis Sina, alias Strahow/ episcopus quintus^
cuios eleccionem prefatus princeps Bretislaus ex ordina-
cione sui patris Wratislai regis fieri procuravit, et ut
deinceps nuUus extraneus nisi canonicus regularis predicti
monasterii montis Syna in presulem Olomucensis ecclesie
eligeretur, ipsi monasterio ac abbati cum conventu litteris
suis in odium episcopi et capituli Pragensis, qui sibi elec-
cionem episcopi Olomucensis de ecclesia sua captose (sie)
usurpare nitebantur, statuit et firmavit. Que quidem elec-
cio fratrum de Strahow per capitulum Olomucense a
presenti domino Petro episcopo Olomucensi quinto usque
ad dominum Bawarum Olomucensem episcopum decimum
quartum duravit.«
1104 (V Nonas Julii*) dominus Petrus episcopus Olomucensis
quintus feliciter moritur (et in Strahow sepelitur^). Cui
Johannes Ventrosus canonicus regularis de Strahow sub-
stituitur.^ Hie villam Kremsir cum foro et omni iure suo
a principe Moravie Otthone nigro pro trecentis marcis
emit et ecclesie Olomucensi incorporavit. Insuper circui-
tum Lubak in Boemia a Sobesslao duce Boemie impetravit
et ecclesie sue perpetuo possidendam tradidit.*
* Die Einschaltung von anderer Hand. ^ Ebenso.
' Dass Peter nicht aus Strahow stammte, s. bei Richter, Augustini Series
epp. Olom., p. 17, Note 24.
' Dobner hat (Annalium Hagecianorum etc., Pars VI, p. 61) die Bemerkung
gemacht, dass dieser Peter aus der Bischofsreihe von Olmütz zu streichen
sd; wiewohl ich das Gewicht der Argumente Dobner*s nicht verkenne,
kann ich mich nicht entschliessen, ihm hierin beizupflichten, denn Petrus
wird nicht blos in dem jüngeren, sondern auch in dem älteren Nekrolog
von Obntttz genannt, s. Archiv fttr österreichische Geschichte 59, 648;
65, 549. Was dagegen oben davon gesagt wird, dass die Olmützer
Bischöfe aus den Mitgliedern des Strahover Stiftes gewählt werden sollen,
ist nicht richtig. Es heisst, wie auch schon Dobner angemerkt hat, bei
Gerlach von Mühlhausen zum Jahre 1182: Mortuus est Dietlebus Olo-
mucensis episcopus, cui successit Pilgrimus, Pragensis prepositus, assump-
tes tarn de choro quam electus in capitulo Pragensi, quo in loco solent
i^Momi omnes ecclesie illius episcopi. Nur der erste Satz dieses ganzen
Absatzes ist in Aug^ustin's Series abgedruckt.
I>u Jahr der Wahl Johanns fand der Compilator in Cosmas. Davon,
dsM Johann dem Kloster Strahow angehörte, kann keine Rede sein.
* Vide Cod. dipl. Morav. I, 223, 224.
70
1126 nono Kalendas^ Marcii humiUimus pater dominus Johannes
Ventrosus Olomucensis episcopus sextus obiit et in Stra-
how sepelitur et eodem anno undeeimo Kalendas Aprilis
pro eo eligitur
Presnl Henricus* vere pietatis amicus,
Bextra pauperibus iofirmis atque baculus,^
qui et Zdyk vocabatur, Olomucensis ecelesie septimus,
canonieus regularis de Strahow.*
1130 inclitus et vere katholicus ecelesie filius dux Vacesslaus
Ottonis marchionis Moravie filius pia devocione inflam-
matus ecciesiam beati Petri in suburbio Olomucensi sitam,
que eiusdem provincie ecclesiarum mater erat, pro sui
parvitate ad capiendum populum confluentem non suffi-
cere conspiciens utpote verus Dei cultor perpendens beati
Vacesslai martyris ecciesiam quam pater eins in castro
Olomucensi fundaverat sed imperfectam morte preventus
relinquerat (sie), cum iam egritudine detineretur, eam ad
perficiendum in curam dicti domiui Henrici episcopi com-
mendavit, et ut perfectam episcopalis sedis dignitate
decoratam omnium ecclesiarum dicte provincie matrem
constituere studeret, humiliter postulavit; quod, ut nunc
cemitur, obtinuit. Prefato namque duce religiosissimo
anno quo supra Kalendis Marcii' vocante Domino viam
* In marg.: Vergas. ^ Cod.: bacillis.
^ Diese Angabe findet sich auch im Necrol. Boh. Dobn. M. M. EU, 18 and
den Olmützer Nekrologfien, s. Archiv für Osterreichische Qeschichte 59,
643 und 65, 627. Der Mönch von Sazawa hat ein anderes Datum:
Eodem anno XI Kai. Martii . . .
' Dieser Satz ist g^Osstentheils aus den Hradisch-Opato witzer Annalen zum
Jahre 1126 genommen, wo sich auch die obigen Verse zuerst finden.
Die Worte qui et Zdyk nominabatur stammen ans Cosmas HI, 51 und
die letzten hat der Compilator in weiterer Ausführung dessen, was er
oben über das Verh<mss des Strahower zum Olmützer Bisthum gesa^
hat, aus Eigenem angefügt.
' Der Canonieus von Wjssehrad (ad annum 1129) sagt: pridie Kalendas
Martii exspiravit; in der Richter- Augusün'schen Series ist das Citat aus
dem Granum nicht genau, denn es heisst da VIII Kai. Martii. Die oben
erwähnten Thatsachen fand der Compilator in der Urkunde des Bischofs
Heinrich, betreffend die Uebertragung des bischöflichen Sitzes nach der
Kirche zu St. Wenzel. Er nahm die obenstehenden Worte ,et vere ec-
71
universe camis ingresso, prenominatus H(enricus) epi-
scoppis eandem Dei ecclesiam quantum divina annuere
dignata est clemencia fideliter elaboravit.
1131 famosissima translacio episcopatus Moraviensis a sancto
Petro preurbii • Olomucensis ad castrum Olomucense divina
annuente clemencia de speciali consensu permissioneque
reverendissimi domini Adalberti archiepiscopi Magunti-
nensis^ et metropolitani^ assensu eciam ducis Sobesslai^
nee non sanctissimi patris domini Innocencii secundi con-
firmacione accedente* et gloriosissima dedicacio eiusdem
ecclesie Olomucensis sancti Wenceslai martyris a reveren-
dissimo provisore suo domino Heinrico alias Zdykone
episcopo Moraviensi septimo anno ordinacionis sae quinto
clesie catholicas dax Wacezlaos decenter inflammatus* n. s. w. in derselben
Folge in seine Darstellung anf; s. Boczek, Cod. dipl. Morav. I, Nr. 231.
Zorn Bau der Kirche wurde übrigens nicht blos vom Herzoge und dem
Bischöfe, sondern auch von anderen Gläubigen reichlich beigesteuert:
Prefato namqne duce . . . viam universe camis ingresso tarn ex eins im-
pensis quam ex ceteromm fidelium oblacionibus additis eciam proprüs
pro nosse nostro facultatibus nos eandem Dei ecclesiam et perficere et
perfectam rebus necessariis ac utilibus quantum divina annuere dignata
est clemencia elaboravimus.
* Richter, Series, p. 23: preurbio.
' Für diesen ganzen Abschnitt hat der Compilator zweifellos die Urkunden
des Olmützer Capitelarchivs, welche hieher gehören, ausgenützt; den
Grundstock hat aber auch hier die Nachricht der Hradisch-Opatowitzer
Annalen zum Jahre 1131 abgegeben: Anno 1131 gloriosissima et
famosissima dedicacio scilicet sancti Wenceslai martyris a re-
verendissimo provisore suo Heinrico episcopo H Kai. Julii
facta est presente serenissimo principe Sobeslao et coniuge
sua nee non et pluribus proceribus ac inequiparabili mul-
titudine cleri et populi. Die Concession des Mainzer Erzbischofes
Adalbert findet sich im Capitelarchive zu Olmütz; s. Boczek, Cod. dipl.
Morav. I, Nr. 230.
' Des ^assensus ducis Sobezlai* wird ausdrücklich in der obenerwähnten
Urkunde, Boczek I, Nr. 231, p. 205, gedacht.
* Auch hievon spricht die genannte Urkunde: ut autem hec laudabilis ac
Tenerabilis egregii ducis largicio et nostre humilitatis ordinacio rata et
inviolabilis in postemm permaneat, auctoritate Dei omnipotentis et beati
Petri apostolorum principis confirmavimus, et ut eandem tam domini
Qniversalis pape Innocentii, quam domini Maguntini archiepiscopi auc-
toritas potestate a Deo sibi tradita roboraret . .
72
indiccione nona^ secundo Kai. Julii facta et solempnisata
est preseDte serenissimo principe Sobesslao et coniage sua
et aliis quam pluribus proceribus ac inequiparabili multi-
tudine cleri et populi de tanta solempnitate Deum lau-
dantis in excelsis; quam quidem ecclesiam pontificalis
sedis dignitate decoratam ceterarum in marchionatu Mo-
ravie ecclesiarum matrem constituit et in ea numerum
duodenarium canonicorum et decanum iuxta numerum
apostolorum cum Christo instituit.^ Qui sedula Deo tam
pro ipsius anime quam aliorum fidelium animarum salute
exhiberent obsequia^ quatuor preter eos in priori ecciesia
sancti Petri pro iugi Dei servicio relictis.
1150 septimo Kai. Julii
Humilis ^ atque pios yirtutam nectare planus
Presol Heinricos mortales exuit artus,
Monte Syna yectos ibidem magnifice tectus,
Vivat ut in celis, ubi vivit quisque fidelia.'
cui Johannes Obedenovit,** canonicus regularis de Litto-
missl ordinis Premonstratensis pridem prefati domini Hein-
rici capellanus^ in episcopatum successit et in ordine epis-
copatus Olomucensis octavus notatus.
* In marg.: Versus. ^ Wohl ein Beiname. Dudik nennt ihn den Sohn
Obiden^s.
^ In der Indictionsbestimmung liegt ein Fehler des Compilators oder spä-
teren Abschreibers vor . . .
' Hier lag dem Compilator ohne Zweifel die Stiftnngsnrkunde Heinrichs
vom Jahre 1132 (Boczek I, 233) vor. Dort heisst es: et nt eadem Dei
ecciesia, qne eiusdem provincie ecclesiarum mater appellari meruit duo-
denario canonicorum polieret numero, quatuor scilicet preter bos
relictis qui in priori ecciesia sedula Deo exhiberent obse-
quia, soUicite elaboravi.
' Das ältere Olmützer Nekrolog hat das Datum XI Kai. Julii, das jüngere
das obige Datum. Letzteres sagt: YH Kai. Julii obiit Sdiko Vu epi-
scopus fundator inclitus huius sedis, qui kathedram episcopalem de eccie-
sia sancti Petri ad castrum transtulit. 8epultus in Strahow. Vgl. auch
das Necrol. Boh. bei Dobner IH, 13. Der Mönch von Sazawa meldet:
Anno domini: 1150 vir clarus vita Sdiko septimus episcopus Olomucensis
ecclesie subtrahitur ab hoc mundo, victurus perpete vita. Cui successit
Johannes, canonicus de monte Ztragow. Dass der Ck>mpilator an dieser
Stelle vielleicht auch den Vincentius vor sich hatte, wurde oben in der
Einleitung angemerkt.
* Siehe dazu die Note 30 in Biohter-Augustin's Series epp. Olom., p. 36.
73
1157 undecimo Kai. Marcii Johannes episcopus Olomucensis
octavus ab hac valle lacrimarum migravit ad Christum.^
Coius dum ex more in ecclesia Olomucensi celebrarentur
exequie, antistes Pragensis ecclesie Daniel eum tumulaturus
supervenit * et in medio choro violenter eum humare deli-
beravit. Ast canonici non modicum pro hac re conster-
nati viriliter ei contradixerunt, et ne presumptuosa eius
protervitas id ad effectum nsque perduceret, onmimodis
(sie) inhibuerunt. Tandem post diutumam concertacionem
honorifice ante introitum chori ad stalla sub albo lapide^
ubi responsoria et versiculi per chorales et alios clericos
ipsius ecclesie decantantnr^ est sepultus.'
Pro quo equivocus eius Johannes dictus Calvus eius-
dem professionis, vir magne discrecionis summeque beni-
volencie et largitatis ac mire sanctitatis, eligitur ad ponti-
ficiique dignitatem ecclesie Olomucensis sublimatur ac
cathalogo presulum ipsius ecclesie nonus in ordine anno-
tatur.*
1172 ipso Kai. Aprilis prefatus dominus Johannes Olomucensis
ecclesie episcopus nonus feliciter obdormivit in Christo et
a canonicis suis honorifice in monasterio Gradicensi sepe-
litur. Circa cuius sepulturam tale epitaphium continetur:*
Gracia diyina Johannes, quem pia Christi
Graoia, quam grata pietas a climate Christi
Mundane molis ad yere gaudia solis
Transtulit, eterna meritis pietate patema
Fresul honorandos, presul pius ao memorandus,
* In marg.: Versus.
^ Siehe auch den Mönch von Sazawa und die beiden Olmützer Nekrologe.
Die betreffende Notiz aus dem jüngeren Nekrolog gehört aber erst dem
16. Jahrhundert an.
' Daniel war, wie Vincentius von Prag meldet, auf einer Gesandtschafts-
reise nach Ungarn begriffen. S. Richter a. a. O. p. 39.
' Der Satz ist auch in Richter- Augustinus Series abgedruckt.
^ Genauere Angaben über die Vorgänge in Olmütz nach dem Tode des
Bischöfe Johann m. finden sich bei Vincentius zum Jahre 1157. Johann IV.
wurde in festo sancti Michaelis ,in choro Pragensi* gewählt, nachdem
Dragon, des Herzogs Wladislaw Caplan, die auf ihn gefallene Wahl ab-
gelehnt hatte. Es ist wohl ein Irrthum, wenn die Herausgeber des Vin-
centius in den Fontes rerum Bohemic. H, 426 diese Wahl auf den
29. September 1158 yerlegen.
ArehtT. LXXVni. Bd. I. H&lft«. G
i
76
Olomucensem intrusisse nitebantur de ecdesia Pragensi^
quemcunqne voluissent.*
1194 pridie Idus Januarii* reverendus pater dominus Kajn
episcopus Olomucensis duodecimus^ benignissimus amator^ *
vitam presentis secuK feliciter terminavit. Hie quocies-
comque venit in Olomucium sive de partibns remotis vel
proximis^ solitus erat non solum canonicos sed et omnem
clerum ecclesie ad prandium invitare et benigne vitare.
Iste presul vis sibi soli sofficiendo omnibus suffecit, quam-
diu Yvsiit, ylaris dator^ pater orphanorum et egregins cantor :
Vox eins quasi tuba Dei et quasi vox angelorum. Delec-
tabilius fuit misse ipsius interesse quam convivio regio vel
mense festivaliter ornate.'
Huie successit Engelbertus^ canonicus regularis de
Strahow ordinis Premonstratensis nacione Brawancias,
pridem ecclesie Olomucensis archidiaconus et canonicus^
vir discretus in consiliis, constans in adversis^ felix in
prosperis^ sapiens in factiS; babens favorem principum et
nobiUum terre utriusque. Hie per Baldwinum decanum
et fratres ecclesie Olomucensis kathedram episcopalem
numero deeimus tereius possedit dilexitque canonicos suos. ^
Hie eciam totam ecclesiam Olomucensem plumbo vestivit.
1199 decimo sexto Kai. Januarii^ dominus Engelbertus^ pater
metuendus^ ecclesie Olomucensis episcopus deeimus tereius
* Hier fehlt wohl ein Wort. ^ Auch in diesem Satze scheinen, und zwar
nach Olomucensis, einige Worte zu fehlen.
^ Auch Eaim war gleich seinem Vorgänger kein Premyslide; s. hierflber
Dndfk, Geschichte Mährens IV, 68, Note 2.
' Im Necrologium der Olmützer Kirche vom Jahre 1268 heisst es: Idus
Januarii obiit Chayu XII episcopus Olomucensis; s. Dudik, Ueber Ne-
krologe der Olmützer Domkirche 1. c, p. 618. Das Datum des Necro-
log^ums ist jedenfalls das richtigere. Im älteren Katalog fehlt übrigens
der Sterbetag des Cajn.
' Den Satz theilt Augustin mit in seiner Series epp. Olom., p. 49.
* Dudik setzt die Denomination Engelberts durch den Bischof (Herzog)
Heinrich auf den Jänner 1194. Die Investitur erhielt er von Kaiser
Heinrich VL und die Consecration durch den Metropoliten Konrad wahr-
scheinlich in Worms im December 1195; s. Dudfk, 1. c. IV, 128.
* Das jüngere Nekrolog der Olmützer Kirche gibt zwar als Sterbetag den
IS. December (XV Kai. Jan.) an, aber der Herausgeber des Nekrologs
hält das für einen Irrthum und entscheidet sich für die obige, mit dem
77
senio confectus ex hac luce migravit ad Dominum; cuius
anime Deus omnipotens propicietur in secula. In cuius
locum Bawarus canonicus regularis de Strahow ordinis
Premonstratensis, vir nobilis, nacione Boemus/ sed clericus
pauper in pontificem ecclesie Olomucensis decimum quartum
eligitur. Hie dum consecratur, sibi evangelia inter seapulas
ponuntur; sed dum resumuntur in apercione eorum pre-
nosticum reperitur: Wach qui destruis templum Dei (Matth.
XXVn, 40). Hie non edifieavit pacem in ecclesia sed
infregit, ventri magis et gule deserviens quam paci, sed
pacem anime eins det Deus etemam.
1201 prenominatus dominus Bavorus Olomucensis ecclesie epi-
scopus decimus quartus ipso Kai. Octobris in Boemia in
monasterio Milewsk consecravit altare in honore sancti
Egidii et celebrans missarum solempnia infra canonem,
dum primam benediccionem super calicem extenderet,
occulto Dei iudicio gravi morbo repente percussus ab
altari corruit, oris et omnium membrorum officio sibi
adempto^ eademque nocte post crepusculum* occupatus
est vite termino et in monasterio Strahoviensi ante altare
sancti Augustini est sepultus.
Eodem anno Ropertus venerabilis sacerdos, prior
Nepomucensis monasterii ordinis* Cisterciensis Pragensis
diocesis, nacione Anglicus, vir consilii magni, clericus lite-
ratus, multe sciencie et honeste vite pollens electus est
in episcopum Olomucensem decimum quintum. Hie per
ilteren Nekrolog übereinstimmende Angabe (17. December). lieber die
Nekrologe der Olmützer Kirche 1. c, p. 586, und Archiv für österrei-
chische Geschichte 59, 653.
* Von anderer Hand.
^ Ans der Familie der Bawor von Strakonitz. Wer ihn consecrirte und
wo er consecrirt wurde, ist nicht bekannt. Augustin hat in seiner Series
die ohnehin schon dunkle Schilderung des Granum Catalogi noch um
einige TOne dunkler gehalten, wie schon Ziegelbauer mit Recht getadelt
hat Vgl. auch Dudik, Geschichte Mährens V, 13 ff.
' In dem Olmützer Necrologium von 1263 ist der Gedenktag Bawors von
Stnkonitz zum 6. October eingetragen: II Non. obiit Bawarus XIV epi-
acopug Olomucensis. S. Dudik, Ueber Nekrologe der Olmützer Domkirche,
1- c, p. 569. Ebenso im älteren Nekrolog; s. Archiv für österreichische
6«Khichte 59, 654 und Dudik's Geschichte Mährens V, 13.
78
Baldevinum^ decanum et canonicos ecclesie Olomucensifi
Dominica Dens omnium^ est inkathedratas. In cuias
introitu primum pax ecclesie reformata est et concordia
inter fratres solidata.
1204 VI Idus Maii Olomucensis ecclesia mit per incendiom et
multis privilegüs et rebus d^mpnificata est quam multis
reliquiis sanctorum et preciosis omamentis. Idem vene-
rabilis pater honorifice decoravit crucem eciam pulcherri-
mam de lapide Onichino cum pede cristallino habens
crucifixum aureum quatuorque bonos zaphiros et a tergo
spinam de Corona Domini ac aliis pluribus gemmis cum
auro muremilatam ipsi ecclesie contulit. Sed cum se
totum Deo operam dedisset et gloriam domus Dei subli-
masset utpote vir discretus, tandem fecit fieri sarcophagum
quasi* scrinium quoddam elegantissimum cum ymaginibus
argenteis deauratis ex utroque latere obductum cum co-
lumpnulis deauratis opere pulcherrimo insculptis super-
ficiemque scrinii in acumine ordinati quasi celi fastigium
erigens miro tabulatu ymaginum contextum lapidibus pre-
ciosis quasi choruscantibus stellis irradiavit et ad decorem
domus Dei depositis intus reliquiis sancti Cristini in altari
maiori sublimatum honorifice collocavit. Quod semper
clausum manet^ firmiter seratum et nonnisi in sollempni-
tatibus magnis ad gloriam Dei et laudem onmium sanc-
torum aperitur.*
• In marg.: sepulcrum s. Christini.
^ Augastini Olomucensium episcoporum Series, p. 53: Fuit ea tempestate
memorabilis ille Balduinus, decanos Olomucensis, nacione Bomanus, per-
petuo preconio ob ipsius in ecclesiam bene merita celebrandus. Qui
ordinem cantus et psalmodie, qui hodie in ecclesia Olomucensi obser-
vatur, primus distinxit, libris antiphonarüs ad id proprüs sumptibus
coemptis. Omnibus insuper se humanum et facilem prestitit et Italici
licet sanguinis, hospitalem se ac liberalissimum et extemis et domesticis
preter modum exhibnit. Moritur anno Christi 1203 VI Kai. Decembris;
8. Dudik, Geschichte Mährens V, 32, Note 1.
* Der dritte Sonntag nach Pfingsten (23. Juni 1202). Robert war bis zu
seiner Wahl am Hofe Pfemysl Ottokars I. als Caplan thätig. Die Weihe
erhielt er durch den Cardinallegaten Guido von Präneste zu Köln am
21. April 1202. Richter citirt in Augustinus Series der Olmützer Bisciiöfe
den ganzen Bericht des Granum Catalogi; s. p. 58, 59.
' Eine sehr gute Uebersicht über die gesammte Thätigkeit dieses Bischof^
findet sich in Dudik, Geschichte Mährens, Gren.-Reg. S. 519 — 522.
79
Tempore huiuB pii patnB Wladiaslaus marchio Mo-
ravie, frater Praemisl tercii regia Boemie, venia zelator
eccieaiarum, pater clericomm, coiisolator lugencium, refu-
g;iaia viduarum pupillorumque et orbatorum fidelissimus
protector extitit. Hie coutulit* eccleste Olomuceasi crucem
aoream duodecim marcarum auri in se eontinenteTii, Upi-
dibus precioBiBsimiB et gemmiB diversia intextam cum
pede argenteo [ deaurato in opus pulcKeirimum deducto.' fol. 20ii<.
Hie quamdiu vixit, pacem terre et iueticiam eccleeie illi-
batam semper conservavit. Hie eciam villam Miedwieczy
eccleaie Olomaceusi perpetuo poseidendam eontulit eamque
adinstar alionim bonorum eccleaie libertarit. Denique
idem marchio una cum proridencia Roberti episeopi mo-
nasterium in Welegrad de loco primo fmiditus aubmoventee
in alio loco opere miriHco decorantes eonetnixerunt, ipsom-
qne redditibuB honeBtiBBimia perpetuaque Übertäte exalta-
venmt.
!22 n IduB Aagusti *>
ArtubuB exutuB mortalibus est Wladislaus
nee non ingressus viain caniis universe et in dicto mona-
sterio Welegrad munifice est sepultus.*
iSS XVI Kai. NovembnB derotlBSimuB in Christo pater dominus
Robertus Olomucensis eccleeie episcopuB deeimus quintos
plenuB dierum cursum Tite consiimando migravit' ad suum
factorem et in monasterio Welegrad bonorifice est sepultus.
In cuius locum dominus FridericuB Becularis in episcopum
• Die letzten drei Worte von anderer H&nd. ^ Veraua,
' B. Dndlk. Öerchichte Mährens V, 149.
> Im Olmntxer Nekrolog stehen die Worte: (Id. Aof.) obiit Wlsdialans
manhio, qni crucem auresm eontulit et plurs bona fecit eccleaie, fun-
dator Welegradeiuis. Im Nekrolog findet sich ein Fehler in dem Datum,
H. hierQber Dudik, Ueber Nekrologe der OlmUtser Domkirche, 1. c,
p. 6S5.
* Im Nekrolt^; (XYI Kai. Nov.) obiit Roberto», XV epiacopna, qni deci
TtTit eccleaiun voiiia omatibns et epiicopatnm redditibua angmentavi
Duo am Rande: Item eodem die obiit Bopertua XVII (aic) epiacopi
(Xom., qni fecit tiunbam S. Criatini, et habet 3 mr., qui aoIvuDtnr d
Crenowies. Divimo pauperibus 4, ad hoapitale ( gr., leproaiB 2, bon
botiboB 2 gr. Robert starb nicht 1332, sondern 120; s. HH. G. bis
SS. XVII, 714 and Dobner, MM. UI, 217.
80
decimum sextam Olomucensis ecclesie est electus et con-
finnatus.^
1241 reverenduß dominus Fridericus Olomucensis ecclesie epi-
scopus decimus sextus feliciter solutis nexibus camis
transiit ab hoc seculo ad Dominum.^ Post cuius mortem
Johannes decanus cum confratribus honorabilem dominum
Wilhelmum confratrem ipsorum in episcopum et pastorem
legittime et concorditer elegerunt. Quam eleccionem Wen-
ceslaus rex Bohemorum quartus impedivit et quendam
Conradum de Wrideberg ad ipsam ecclesiam Olomucensem
violenter intrusit. Qui quidem Johannes decanus cmn
confratribus suis pro ecclesie Ubertate ferme per septen-
nium in exilio constitutis eleccionem ipsam de domino
^ S. die Note 52 zu Augustinus Series, p. 63. In dem Yon Richter ange-
führten Briefe des Bischofs Gregor IX. wird aber der Name des Bischofs
▼on Olmütz nicht genannt. Der Brief ist vielmehr an den Bischof Robert
gerichtet. Indem nun aber der Compilator des Granum die Worte der
Aufschrift der Bulle Venerabili Fr. episcopo Olomucensi fllr Friderico
episcopo statt fratri episcopo las, war er genOthigt, an dieser Stelle einen
Bischof einzuschieben, der in Olmütz niemals regiert hat.
' Die falsche Darstellung des Granum Catalogi ist in die späteren Bischofs-
kataloge übergegangen. Von der Resignation des Bischofs Robert weiss
übrigens das Granum auch nichts, Termuthlich, weil hierüber die Quellen
auch nichts sagten. Im Uebrigen erscheint Robert noch in einer Urkunde
vom 4. Juli 1240 (Cod. dipl. Mor. II, 370) als Bischof. Nach seinem am
17. October erfolgten Tode traten die Domherren zur Neuwahl zusammen
und diese traf ein Mitglied des Domcapitels, den Archidiakon Wilhelm
▼on Prerau. Die Domherren, im November 1239 von dem Metropoliten
Siegfried von Mainz excommunicirt, hatten aber nicht das Recht der
Wahl. Daher protestirte Siegfried gegen diese und ernannte mit Wen-
zels Einverständniss den Hildesheimer Domherrn Konrad von Fried-
berg zum Bischof. Dieser setzte sich in Besitz des Bisthums, kerkerte
die widerspenstigen Capitularen ein und verjagte die anderen. Am 13. April
trug der Papst Gregor IX. dem Archidiakon, Cantor und Decan von
Breslau die Untersuchung hierüber auf, wer als rechtmässig gewählt zu
gelten habe (Cod. dipl. Mor. HI, 1). Konrad, vom Könige unterstützt,
regierte unangefochten seine Diöcese und der Streit über den Besitz des
Bisthums dauerte fort. Im Jahre 1245 designirte der Papst Innocenz IV.
den Dompropst von Hamburg, Bruno von Schauenburg, zum Bischof von
Olmütz; Wilhelm wurde zur Resignation bewogen und zwischen Konrad
und Bruno (1246) ein Ausgleich zu Stande gebracht; hienach wurde dem
ersteren eine jährliche Pension von 300 Mark Silbers nebst anderen
Beneficien bewilligt. Die Anerkennung Brunos durch den König erfolgte
zu Ende 1246.
81
Wilhelmo factam in curia Romana personaliter contra
dictum Conradum intrusum prosequentibus . . .* Tandem
de anno Domini
1247 per ipsorum industriam venerabilis dominus Bruno de
Schowenburg de genere Saxonum^ vir bone fame ad
ecclesiam Olomucensem in episcopum canonice est electus,
domino Wilhelmo predicto in manus summi pontificis
Adriani quarti eleccionem suam primrtus resignante pre-
£Eito Conrado intruso per apostolicam sentenciam ab eadem
ecclesia remoto.
Idem pater Olomucensis ecclesie episcopus decimus
septimus ab inclito principe Wenceslao Bohemorum rege
quarto decimas secundum formam sacrorum canonum per
totam suam diocesim per plebanos recipi impetravit^ opi-
dumque Hulyn cum villis Prawczicz, Nyemczicz et Antiqua
villa a rege Przemissl alias Ottakaro pro ecclesia sua
impetravit,* comitatum Hukenwald cum Castro et oppido
Ostravia cum omnibus villis et pertinenciis eorum' nee
non comitatum Ssamburg^ cum Castro et oppido Gelcz et
villis eorundem et alia multa predia pro ecclesia sua
comparavit et super eisdem a prefato magnifico principe
libertatem graciosam acquisivit et obtinuit. Hie eciam
scolastriam et quatuor prebendas in Vylonicz et Friczo-
wicz de novo creavit,* villam Vyklek decanatui Olomu-
* Hier ist offenbar ein Zeitwort ausgelassen. In der hier angenföllig be-
nützten sogenannten Vita Bninonis (Archiv für Osterreichische Geschichte
65, 494) lautet die Stelle: Et quia placet aliquid superaddere, qualiter
idem fuerit ad ecclesiam Olomucensem electus, et quidem prosequentibus
canonicis Olomucensibus eleccionem suam de concanonico ipsorum Wil-
helmo in curia Bomana contra predictum Chnnradum de Vrideberch
▼iolenter intrusum: Johannes decanus, Bartholomeus . . . eandem eccle-
siam sunt in Bomana curia personaliter persecuti, ipsis et aliis canonicis
pro ecclesie libertate fere per septennium in eidlio constitutis . . .
' Die hierauf bezügliche Urkunde de dato in Idus Decembris^l248 bei
Bocsek, Cod. dipl. Mor. ni, Nr. 128.
' Hierüber lagen dem Compilator Urkunden des erzbischöflichen Archives
vor, und zwar Boczek 1. c, p. 251, 311 und 404. Dudik, Geschichte
Mährens V, 471. '
' Ibid. p. 403 aus dem Testamente des EIrzbischofs Bruno.
* Beete: Schönberg.
* Bocxek, Cod. dipl. Mor. 1. c, p. 261, 405. Dudik, Geschichte Mährens
V, 444.
censi «diunxit,' civitatem CremeBu- de lacu miserie ad
monteiu super flomen Morave traduxit et maro cinxit
ibidomque ecclesiam collegiatam sancti Mauricü extnixit'
prepositumque et canonicos in ea instaurarit et certis
redditibus dotavit,' camiaie superiorem partem gloriose
Virginia Marie et alias mnltae reliquias in ea collocavit
et ne perquenpiam inde aaferaatur anathematizaTit; ibidem
oi-iam in Oemair ecclesiam parrochialem in tonore beate
Virginia Marie de novo erexit et pro defensione ecclesie
■uo militea et famosos vasalloa in bonis ecclesie creavit
et infoodavit.* Sicqae eccleBiam soam Olomucenaem multi-
pltetter aublimavit et quasi alter Aiodator ipsam instgniter
exaltavit.
IDH) duododmo Kai. Marcii' preatantiBsimus dominus Bruno
«eclcaie (^lomucenaia epiacopus decimus aeptimus, vir magni
■ ll<K'i»k, CmI. dipl. MoT. I. c, p. 251,
* hör IIa» dnr Colli^alkiTch« St. Mauritiiu in Krenuiet wnrde ISSO be-
j(iiiiii<»i iiiiil ilii> Kir<:'he rekh dotirt; b. Dudik. Geschichte Hühreiu VU,
ni>, Itlrhior, Keries 1. c, p. 75. Der ante Propst daselbst war Hejdolf;
nr wird erwHIint in dem Testamente des Bischof Bnino, Bociek I. c,
p, iOV. Uaa Colle^ateapitel kam 1362 nach Kremsier.
* llli<rllb(tr wird in dem Teatamente f^esafft: Item In eodem diatrictn et
»llva adhuc extirpanda cunferimns et damus centnm laneos ad cooven-
liialfiiii i'anunicanim ecclesiam S. Uauricii in Crenieser, ad quam eciam
i'HpitiiU nnstri intervenient« consenau villulas eptscopales de Mertenic,
■In Itdleu, de Cassiz, quo habent onmoa triginta octo laneos, nt ad pre-
tidiiilait Ipiiiiui ecclesie jierpettiu debennt pertinere ... Ad prepositnram
du ('ruinöser damus villulam episcoj>alem de Gernon'iti que habet sei
UiiiKii . ■ . Item quindecim sunt et esse debaant altaria in ipsa eccl«sia
Ah ('riinteser, quorum qnataor nint dotata. Ad nodecioi Ulla coDferimm
in AiiUim triginta tree marcas . . .
* M. lilerUlier Dudfk, Geschichto MUhrens VI. 68, 69, 174, 176.
* tim iibige Angabe, dasa Bischof Bruno Xn Kai. MartÜ (= 18. Februar)
guttiirimn, ist zwar in die meisten neueren Schriften (aus Augastini
h^rlna epp. Olom.) flbergegangen, aber doch unrichtig. Bruno starb am
IT. Kebruar, wie es in dem an den Mainzer GrEbischuf gerichteten
lirviben de» Olmfltzer Domcapitels Aber die Wahl von Bmnos Nach-
ffiiT Theodericb richtig heisat: Brunone ecclesie nostre Olomncensis et
■tr't epUcfipo proxima secunda feria post Dominicam qua cantatur Ex-
tgi IJomine, Hicut placuit Domino, ab bsc luce subtracto . . . Der Fehler
<jr«iium stammt ans dem Nekrolog der OlmUtEsr Kirche, noaelbst
r 11. Februar (III Idns Febmarii) durch ein Venehen des Schreiben
IM /«fall, wKhrend die goldene Zahl und der Sonutagibnchetabe richtig
m II. Fnbruar angesetzt sind und in ihrer richtigen Reihenfolge fort-
83
consiliiy mire largitatis, mansaetudinis et humilitatiSy ye-
nnstate morum conspicuus^ tutor cleri, refiiginm panperum,
adiutor pupillorum et viduarum pius consolator, obdormivit
in Domino sepultusque Cremesir in ecclesia coUegiata,
quam ipse ftindaverat^ in choro ante maius altare. Post
cuius decessum venerabilis dominus Theodricus Olomu-
censis canonicus in episcopum et pastorem eiusdem ec-
desie Olomucensis deeimum oetavum concorditer est electus
et confirmatus.^ Hie ad ipsius magnam instanciam cano-
nicatus et prebenda* in Powla per illustrem prineipem
dominum Przemisl fundata per Wenceslaum regem filium
dicti Przemisl est ratificata et in persona magistri Henrici
primi possessoris confirmata.^ Hie eciam cum Budisslao
decano et capitulo ecclesie Olomucensi de anno domini
1301 tercio Nonas Aprilis ad instanciam fervideque de-
vocionis peticionem magistri Wemheri concanonici Olo-
mucensis statuit, ut de cetero missa matura ad honorem
beate virginis Marie per ebdomadarium vicarium sub nota
solempnitatis cantaretur.^ Prefatus eciam reverendissimus
pater quatuor prebendas cum redditibus in Slatyna de
novo in ecclesia sua creavit et dotavit.*
1302 sexto Idus Octobris venerabilis pater dominus Theodricus,
Olomucensis ecclesie episcopus decimus octavus post diu-
turnos huius seculi labores diem clausit extremum spiritum
Domino reddens, qui creavit illum; sepultusque est in
ecclesia Olomucensi in ingressu stacionis chori canonicorum
Uafen, so dass der Jrrtham nur im römischen Kalender fortgeht. Beim
22. Februar bemerkte der Schreiber den Fehler und schrieb dann die
Ziffern des römischen Kalenders bis zum Schluss des Monats nicht weiter.
S. Dudik, Ueber die Nekrologe der Olmützer Kirche 1. c, p. 525.
* Cod.: preben.
' Theoderich (Dietrich) von Neuhaus (ans der Familie der Witigonen)
wurde am 26. März 1281 in der alten St. Peterskirche zu Olmütz (nicht
in der sonst benützten Kathedrale) gewählt; s. Boczek, Cod. dipl. Mor.
IV, p. 246.
* Die Urkunde Wenzels II. de dato XII Kai. Aprilis 1286 bei Boczek,
Cod. dipl. Mor. IV, 314, 316.
' Die Urkunde ist gedruckt in Boczek's Cod. dipl. Mor. V, p. 126.
* Die betreffende Urkunde lieg^ nicht mehr vor. Einige Satztheile aus
dem Qranum finden sich in den Series epp. Olora. Augnstins ed. Richter,
p. 87.
84
exBHieflL^ Qtt» deegatci et rcrerenter humato
B dr^miüiB Johiimfff dictni Naly kathedram
episcopalem sueecct.* ffie ecdesam {MUTOchialem in Sla-
panyex scoj*^ne O^jcraettiä. uDrit et incorporavit ' et
deinceps sWtt'I -ji Mrct^Sacauatmi^ scolmstria, custodia
noonisi caao:ucs$ prebendatis ecclegic CHomacensis con-
ferantnr.
1311 tercio Xocus Octobiis rerermdiasimiis presol dominus
Johannes dietos XjJt. «^omaeeitsis decinuis nonus soluto
camis ergastulo spirittm exalaTit et in ecdesia Olomu-
censi ante ahare sanece Ladmille iMnarifice est sepultus/
In cuius locam dominus Petms dictas Bradawicze^ nobilis
de Konvex, in episeopum rieesmiim iptius ecclesie est
institutus.^
1300 . . / deoimo quinto Kai. Marcü Tenerabifis antistes dominus
Petrus dictus Bradawicze Ok>muceiias ecclesie vicesimus
ab hac eaUginosa luce migravit ad Christom et in ecclesia
* In codice: MCOC; flr das ««xtcre Dstum fieUt der Baum. Dies wieder-
holt sich auch welter witea la ■tfkieiott Stellea.
^ Im Nekrologr der Olmütxer Domkireke. da» der obigea Ziuammenistellang
lu Grunde lag, beisst es: VI Id. obüt Ilieodefficvsv XVUl episcopus buios
ecoleaie, qui crearit quinqn« pr^b^odas et miilta bona fecit ecclesie.
Archiv fttr österreichische Geechich» 65, 569; s. Dndik, Gescbicbte
Mährena VII, 263.
* Der Name wurde ron Aogxistiji und deBentsprecbend Ton vielen neue-
reu Forschem Haly gelesen; Nähr lautet er aber auch im Nekrolog der
Olmütxer Kirche. Ob er au5 der Familie Waldstein stammte, wie Augu-
stin-Richter u. A. woUea. ist nicht sicher. Ebensowenig weiss man,
wann und wo er die Weihe erhielt
■ Die Urkunde ist gedruckt bei Bocxek, Cod. dipL Mor. V, p. 199, 201.
* So auch der Nekrolog der Olmütxer Kirche: UI Non. Oct obiit Johannes
episcopus XIX huius dictus Nali anno domini 1311 in ecclesia Olomu-
censi sepultus.
* Peter wird hier ,nobilis de Konitx* genannt. Er hiess Peter Angeli.
Sein Vater Angelus war Domherr in Prag. Clemens V. bestätigte dem
neugewählten Olmütxer Bischof einen Legitimationsbrief des Bischöfe von
Prag, Tobias von Bechyn, vom 26. September 1287, in welchem gesagt
wurde, dass Peter geboren wurde, ehe noch sein Vater Domherr und
Subdiakon war; s. Cod. dipl. Mor. VI, Nr. 59. Peter Angeli war in der
kOnigl. Kanzlei bedienstet und brachte es daselbst bis sum Kanzler. Er
besass bei seiner Wahl die Propsteien bei St Veit und am Wyschehrad
und Canonicate in Breslau, Prag und Sadska (s. Cod. dipl. Mor. VI,
Nr. 60).
85
Pragensi est sepultus. Cuius anime Dominus det vitam
etemam.^ Et post eias obitum dominus Conradus in epi-
scopum vicesimum primum et pastorem dicte ecclesie per
Jenczonem decanum et capitulum honorifice est receptus.
Hie villam prope Cogetin, Chrzenowicze a nobili Zawissio
de Potenstadt pro capitulo et ecclesia Olomucensi perpetuo
possidendam comparavit, postremo laudabilia statuta in
ecclesia Olomucensi predecessorum suorum confirmatoria
sub rigidis penis promulgavit* et statuit a clero sue dio-
cesis firmiter observanda.^
1326 sexto Idus Augusti* reverendissimus pater dominus Con-
radus ecclesie Olomucensis pontifex vicesimus primus con-
summatis huius vie diebus obdormivit in pace magnificeque
est sepultus in ecclesia Olomucensi circa ingressum chori
ante altare sancte Cordule virginis iuxta oves proprias.
Cuius mors (sie) ^ cecidit super dominum Hinconem dictum
Berka nobilem de Duba/ alias domini in Lypa, pro
eoque in episcopalem kathedram ecclesie Olomucensis
rite est promotus. Quam salubriter Domino duce rexit
et gubernavit. Nam cum post mortem prefati domini
* Cod.: provulgavit. *» ^ecte: Sors.
' Peter starb am 7. Juni 1316; s. Königsaaler Gteschichtsquellen, p. 380 und
Nekrologe der Olmützer Kirche a. a. O., p. 544.
* Von dem obigen Texte ist ein Theil von Augustin in seine Series wört-
lich an^nommen worden; s. p. 92. Conrad I. wurde am 16. Jnli 1316
gewählt; s. die K($nigsaaler G^eschichtsqnellen, p. 380. Ueber seine nie-
dere Herkunft s. ebenda S. 439. Die Verkaufsurkunde von Kfenowitz
bei Kojetein ist gedruckt im Cod. dipl. Mor. VI, 8. 150. Die Schenkung
an die Olmfitzer Kirche s. im Testamente Konrads, Cod. dipl. Mor. VI,
242. Von den Statuten dieses Bischofs und seiner Bestätigung älterer
Statuten ist aus gleichzeitigen Quellen nichts bekannt. Dagegen besitzt
man von diesem Bischof das älteste Verzeichniss der Lehen und Lehen-
visailen der Olmützer Kirche; s. Dudik, Gteschichte Mährens XI, 353;
Cod. dipl. Mor. VH, 837.
* Das Nekrolog der Olmützer Kirche gibt fälschlich den 7. statt den
6. August als Todestag an. Archiv für österreichische Geschichte 65,
553. Vgl. dagegen die Königsaaler Geschichtsquellen, p. 439. Der ganze
folgende Abschnitt aus dem Granum Catalogi bei Augustin-Richter, Se-
ries, p. 99.
* s. Cod. dipl. Mor. VI, 245. Bulle Johanns XXII., durch die Hinko und
Doba zum Bischof von Olmütz ernannt wird; vgl. Königsaaler Geschichts-
quellen, p. 462.
CoiurmÜ pä et derod ponti&ns aermsaimiis princeps Jo-
hairnea Boemie et Poknie rex et Laczenboi^nsis comes
de Tilla Clun^iowiex oeeaaone derofaicioiuSy quam memo
ratos domimss Conradus snmpdbiis suis pro ecclesia^ et
ea^Htok) CHomuceiis comparaTerat^ ae intromiaisset et occu-
paaaet^ mosx eidem domino regi se Tirifiter pro eadem
M. ^oftr vüla I oppoeuit et in laatiim effecit quod idem dominus
rex dictam YiHam cum ommbos suis appendicüs sibi et
Hinconi amiHter dicto Berka domino in Lvpa Uberaliter
reddidit et ad perpetne poaadendnm et ntifiraendom con-
firmavit* Quo facto piiis pater demom ipsi capitolo suo
Olomucensi dictam TiUam effectnaüter in manus honora-
büis yiri Ortwim ecdesie Cremsirensis decani et eiosdem
ecdesie Olomacensis coneanonici omni occasione post-
poeita gratoite resignarit et condescendit' Hie eciam
ecclesiam parrochialem in Wissknow decanatoi ecclesie
Olomucensis propter parritatem ipsios dignitatis^ qae prima
in eadem ecciesia post pontificalem existit^ gratoiter et
£&yorabiIiter incorporaTit.^
1333 qaarto Kalendas Janoarü memoratas dominus Hinco et
pater metuendissimos Olomucensis ecclesie presul vice-
simos secondas terminato hoins vite corsu requievit in
Domino et in ecciesia Pragensi bonorifice traditos est
sepnlture/
* Cod.: pro ecciesia somptibiis suis pro ecciesia.
* Cod dipl. Mor. VI, 266, 310.
• IHd. 313.
• Ibid. p. 278.
^ So ist der Todestag auch im Olmütaer Nekrolog, allerdings Yon einer
jüngeren, erst dem 15. Jahrhundert angehangen Hand eingetragen. Der
Herausgeber Dndik hält denn dies Datum auch fOr correct. Aber rich-
tiger dürfte doch die Angabe Peter^s von Zittau sein, der wohl bei dem
Leichenbegftngniss dieses Bischöfe zugegen gewesen sein wird und diese
Partien seines Werkes ziemlich gleichzeitig mit den Ereignissen ge-
schrieben hat. Er sagt (p. 600) : Anno Domini 1332 sexto Kai. Januarii
in die beati Johannis Evangeliste dominus Hinco Dei et apostolice sedis
gracia Olomucensis episcopus vir nobilis genere dictus de Duba Präge
moritnr et in Pragensi maiori ecclesie sepelitur. Hie quia frequentes
infirniitates habuit, in Moravia propter inconsuetum aerem manere timuit,
ideo in Boemia frequencius habitavit Dudfk hat in seiner (beschichte
Mährens XII, 16 (hier richtig) und seiner Ausgabe der Olmützer Nekro-
loge (8. 688) widersprechende Angaben.
87
Quo humato dominus Wolko^ filius domini Wenceslai
regis Boemie in pontificem et pastorem ecclesie Olomu-
censis est assumptus et inter presules diete ecclesie vice-
simus tercius ordine numeratns.^ Hie monasterium sancti-
monialium prope Pustmyr suis propriis sumptibus et
expensis erexit et fundavit copiosis redditibus et proven-
tibus dotavit ac ornamentis nobilibuS; calicibus et sancto-
rum reliquüs ad laudem et honorem Dei genitricisque sue
Marie virginis gloriose et tocius celestis* sanctorum curie
magnifice et multipliciter decoravit.* Prefatus eciam re-
yerendissimus pater a domino Karolo marchione Moravie
consanguineo suo ratificacionem et confirmaeionem pri-
vilegiorum et libertatum ecclesie sue graciosam impetravit.*
1300 . . . decimo Kai. Octobris prenominatus reverendissimus
pater dominus Johannes ecclesie Olomucensis antistes vi-
cesimus tercius post huius illecebrosum camis exilium
feUciter migravit ad Christum* et in prefato monasterio
prope Pustmyr corpus eins reverenter est reconditum,
ipsoque sie sepulto ad promocionem invictissimi principis
Romanorum et Boemie regis domini Earoli reverendus
dominus Johannes dictus Oczko prepositus Omnium sanc-
* Cod.; celesti.
^ Die Emennang dnrch den Papst erfolgte im April 1334 (Cod. dipl. Mor.
Vn, 4 und 5 — 7). Die Eönigsaaler Chronik meldet hierüber: Post hone
dominus Johannes Wissegradensis prepositus reg^ Boemie cancellarius
incliti domini Wenceslai regis Boemie et Polonie fundatoris Aule regie
naturalis filius canonice in ecciesia Olomucensi eligitur et a domino
Matthia Moguntino archiepiscopo confirmatur. Pro eleccione . . . Karolus
marchio Moravie laboravit cum Nicoiao duce Oppavie bona fide. Hie
electus et confirmatus eodem anno in Quatuor temporibus, quibus Caritas
Bei canitur, in Wissegradensi ecciesia in diaconum ordinatur; s.^Onig-
saaler Geschichtsquellen, p. 500/1. Von einer Wahl kann keine Rede
sein, denn der Papst hatte sich für diesen Fall die Besetzung des Bis-
thums vorbehalten; s. Cod. dipl. Mor. VII, 5.
» Die Stiftungsurkunde im Cod. dipl. Mor. VII, 209; s. Dudik, Geschichte
Mihrens Xn, 221.
* Die betreffende Urkunde findet sich gedruckt im Cod. dipl. Mor. VU,
290. Sie ist datirt vom 1. April 1342.
* 8o auch der Nekrolog der Olmützer Kirche: X Kai. Oct. obiit Johannes
XXni episcopus huius ecclesie. Archiv für {österreichische Geschichte
65, 666. Johann von Olmütz starb am 22. September 1351. Vgl. K(}nig-
saaler Geachichtsquellen, S. 606.
s^
torsa m eastro Prmgensi in pastorem et episcopum vi<
^=13=1 QUArmm ipsias eccleae Olomnceiias legithne r
«leenss et cocfinnatus.^ Hie de mnno Domim 13Ö2 d*
«ieer^» terrto mensts Septembns ad inatamtem p^cione?
J.baiizds pr^positi et eapitnB C4omiiceiisi8 circa statn«
per ipski» edita de opciombiis prebendamm et obedienci?
ni^, de ecllae>viibas, Tiearüs ei eccJeäe sancd Petr»
<i2e i^xta deniontatem reeepe>*>Qis üeri solent et de can<
nkis exüanozneranis sea electb^ de eapisqne prdatorui
et earrnScorora in piiriia reeepe-c-ne eomparuidis. de pn-
c;aaö::db:ss haben-üs ae de fN^axs non sol^eucium capa
et aEft oii'era inv^iinbencEa de a25« eoinphnibas grmcios*
arrr.'^baTTt et conÄnnavit.*
e^fvriftae «>l."n:ioes.5i5 P5>ft?dl vseesci^« Chianas de eadeu
evvdesäa ad Piniperiseri s^tr: p:£sar^rr. eee-iesiam ex pro
cv'X'zie vliv"^ o.n~ Kar::: es% a:ic>j*r;si* et demmn a<i
carvür^iiari^s k*5£l^v->e d:s.>i^-£=: a5^:i«::.j:cTs= est promoUis.'*
Kx* ex3?5^er< Praf^üÄS arviitrc?*:-:!«^« r>e^?rue ecdesie
* «'».-litjunx. v,>tt tK"uEfv^.«k IV.'QvC rx AVtM^ifOir«« ac Aar ftapv Bvi;^^ und
Xucf V:i i','C »xr JUS ijss tw^"** 0.»«DfiB* VI
\\k'r . X v\nä Ar.: >i,v >::i. «
4I.U Ä%v "^''> ftfy %».« "vi,"w> ,»• »>.» «V> X /»H^B-ft^rr Wh. C
■ die K- -
88
tomm in Castro Pragensi in pastorem et episcopum vice-
simmn qnartom ipeios ecdesie Olomucensis legitime est
electos et confirmatas.^ Hie de anno Domini 1352 die
deeimo tercio mensis Septembris ad instantem peticionem
Johannis prepositi et capituH Olomncensis circa statuta
per ipsos edita de opcionibus prebendanun et obediencia-
rum, de collacionibns, vicarüs et ecclesie sancti Petri,
que ioxta senioritatem recepcionis fieri solent et de cano-
nicis extranumerarüs seu electis, de capisque prelatorum
et canonicorum in prima recepcione comparandis^ de pro-
curacionibus habendis ac de penis non solvencium capas
et alia onera incumbencia de aliis comploribos graciose
approbavit et confirmavit.*
1300 . . . prefatus dominus venerabilis pater Johannes Oczko,
ecclesie Olomucensis presul vicesimus quartus de eadem
ecclesia ad Pragensem metropolitanam ecclesiam ex pro-
mocione dicti domini KaroH est translatus' et demum ad
cardinalatum basilice duodecim apostolorum est promotus.*
Hie existens Pragensis archiepiscopus memorate ecclesie
» Johann von Wlaschim, Propst ro Allerfaeili^n auf der Präger Burg und
Domherr zu Breslau, ein vielseitig gebildeter und diplomatisch gewandter
Mann, führte den Beinamen Ocako = ocellus daher, weil sein linkes
Auge kleiner war als das rechte. Clemens VI. ernannte ihn am 17. No-
vember 1351 «um Bischof von Olmütsi und verkündete diese Ernennung
dem Clerus, der Bevölkerung der Olmützer Diöcese, den Olmützer Va-
sallen, dem Prager Erzbischofe und dem Kaiser Karl IV. unter demselben
Datum; s. Cod. dipl. Mor. Vm, 92. Privilegien des Papstes für ihn
s. ebendaselbst Nr. 143, 144. Karl IV. bestätigte ihm die Privilegien der
Olmützer Kirche am 7. Mai 1353; s. ebendaselbst Nr. 205.
* Die Statuten des Bischofis Johann Oczko für die Olmützer Kirche sind
gedruckt im Cod. dipl. Mor. Vm, 147—149. S. 149, Z. 20 v. o. In
der oben angemerkten Datirung findet sich vielleicht ein Fehler. Die
Statuten sind datirt vom 13. December 1352. Freilich ist zu bemerken,
dass die Handschrift (Olmützer Studienbibliothek II, II, 21), aus welcher
das Document abgedruckt ist, auch erst dem 16. Jahrhunderte angehört,
derselben Zeit also wie das Granum Catalogi, und von sonstigen Irr-
thümem nicht frei ist. Es ist daher vorläufig zweifelhaft, welches Datum
als das richtige anzusehen ist. Der Verfasser des Granum hatte auch
hier, wie man aus der Fassung einzelner Stellen sieht, die Urkunde
vor sich.
• Johann Oczko von Wlaschim wurde am 12. Juli 1364 zum Erzbischof
von Prag gewählt.
* Cf. Dobner, MM. Bob. bist. HI, 40. Chron. Bob. SS. rer. Bob. n, 463.
89
Olomacensi soUempnem ornatum albi coloris unacum dyal-
maticis et capa aoro contextis gratum sui memoriale con-
talit et assignavit.
Quo sie promoto et translato venerabilis pater domi-
nus Johannes de Novoforo episcopus Luthomysslensis et
cancellarius dicti , domini Karoli Romanorum imperatoris
in pastorem ecclesie Olomucensis canonice est postulatus
(yicesimum quintum).'' Hie monasterium fratrum Here-
mitarum ordinis sancti Augustini in civitate Lithomisslensi
fimdavit pulcrisque ornamentis et reUquiis fulcivit et de-
coravit* Hie eciam ad instanciam Herborti prepositi,
Nicolai ärehidiaconi et capituli Olomucensis circa statuta
de residenciis canonicorum^ de anno gracie prebendarum,
de domibus residencium canonicorum et de officiis vica-
riorum priora statuta per hec plus dilucidata anno Domini
1367 die decimo mensis Junü graciose approbavit et
confirmavit.5 Hie insuper Hbrum pontificalem memoriale
sui apud ecclesiam Olomucensem reliquit.
1380 decimo Kai. Januarii idem dominus Johannes cancellarius^
Olomucensis ecclesie episcopus vicesimus quintus^ debitum
camis solvit* et in pace quievit ac in predicto monasterio
* Cod.: fehlt; nur der Raum hieftir ist vorhanden.
* Noch vor der Wahl Oczko^s zum Prager Elrzbischof bat Johann von
Neomarkt, damals noch Bischof von Leitomischl, Karl IV., seiner bei der
Besetzung des Olmtttzer Bistimms eingedenk zu sein, falls Oczko zum
Erzbischof von Prag ernannt würde. Cod. dipl. Mor. IX, Nr. 373. Karl IV.
verwendete sich hierauf für ihn bei dem Papst ibid. Nr. 374. Desgleichen
Wenzel, Karls IV. Sohn, und Johann, Markgraf von Mähren; s. ibid.
Nr. 375, 376. Ueber die früheren Lebensverhältnisse Johanns von Neu-
markt vgl. die Einleitung zu A. Benediktes Ausgabe des ,Leben8 des
heil. Hieronymus^ in der Uebersetzung des Bischofs Johann VHI. von
Olmütz, p. I— Vni. Th. Lindner, Das Urkundenwesen Karls IV., p. 16,
17, 21, Tadra, Das Formelbuch Johanns von Neumarkt (Archiv für
österreichische Geschichte LXVIU, 1—2).
' Die Stiftungsurkunde im 10. Bande des Cod. dipl. Mor., Nr. 129. Sie ist
dttirt vom 8. August 1371.
' Die SUtuten des Bischofs Johann von Olmütz de dato 10. Juni 1367
sind gedruckt im Cod. dipl. Mor. X, Nr. 10.
* Johann von Neumarkt starb in vigilia Natalis Domini ; s. meine Ausgabe
des Cod. epist. Johannis de Jenzenstein, Archiv für österreichische Ge-
schichte LV, p. 314. Augustins Series gibt fälschlich den 20. December
^ Sterbetag an. Das Nekrolog der Olmützer Kirche verzeichnet ihn
^eder zu dem einen, noch zu dem anderen Tage.
ArckiT. UIVm. Bd. I. Hilft«. 7
90
in Lytomysl per ipsnm fundato decenter est hamatus.
Post cuius obitum venerabilis pater dominus Petrus dictus
Gelito/ qui primum erat episcopus Chorensis^ demum ad
ecclesiam Lythomyslensem^ postea ad ecclesiam Magde-
burgensem translatus^ ultimo ad promocionem serenisshni
principis domini Wenceslai Romanorum et Boemie regis
ad ecclesiam Olomucensem est postulatus. Hie anno Do-
mini 1382 municionem Drzewczicz prope Pragam et villam
Popowicz cum omnibus eorum pertinenciis pro se suisque
successoribus Olomucensis ecclesie pontificibus de speciali
consensu et voluntate prefati domini Wenceslai Romanorum
et Boemie regis emit et comparavit hereditarie perpetuo
possidendum.' Ceterum monasterium fratrum canonicorum
regularium sancti Augustini ante opidum Lanczkron de
novo exstruxit et fundavit sufScientibusque redditibus in
Boemia et Moravia dotavit, calicibus et alüs omamentis
decenter decoravit altareque in ecclesia Olomucensi in
honore sancti Briccii et sancti Erazimi similiter erexit et
dotavit coUacionemque ipsius altaris preposito dicti mona-
sterii in Lantzkron contulit et dotavit^ insuper sollempnem
monstranciam cum tribus turribus et pede argenteo deau-
rato opere mirifico factam et omatam largitus est gratuite
predicte sue sponse.'
1387 devotissimus in Christo pater dominus Petrus dictus Grelito
Olomucensis episcopus vicesimus sextus verus ecclesie
zelator clerique amator post lugubrcm huius seculi vitam
nature solvit debitum; cuius animam redemptor noster
perducat ad salutis portum^ corpusque eins in predicto
monasterio ante Lanczkron decenter et humiliter est hu-
* Peter führte den Beinamen Gelito (= Jelito) d. i. die Wurst nach eiuem
der yWnrstgrand* g«nailnten Bauernhofe bei Landskron in Böhmen. Seit
1366 war er Bischof von Chur, seit 1364 Bischof von Leitomischl, seit
1371 Bischof von Magdeburg. S. Lindner, Geschichte des deutschen
Reiches unter Wenzel I. I, p. 21.
* Die Urkunde hierüber ist gedruckt im Cod. dipl. Mor. XI, Nr. 272.
* S. Augfustini Series episcoporum Olomucen.sium, p. 123. Aehulich wie
oben lautet der Bericht im Nekrolog der Olmützer Kirche, der von dem
Compilator zweifellos benützt wurde; s. Archiv für Österreichische Ge-
schichte 1. c, p. 525.
91
matum.^ Post cuins mortem Jodocos et Procopius mar-
chiones Moravie dominum Johannem, germanum ipsorum
tanc episcopum Luthomislensem, manu violenta ad eccle-
siam Olomuceneem intruserunt^ et bona ecclesie occupa-
verunt, demum tarnen per Urbanum papam VI. ad patri-
archalem ecclesiam Aquilegiensem est translatus/ dominus
vero Nicolaus de Prussia, dictus PrebstI, de ecclesia Con-
stanciensi per dictum dominimi papam ad ecclesiam Olo-
mucensem est translatus/ In huius introitu primum bona
ecclesie Olomucensis ceperunt dissipari. Nam idem dominus
Nicolaus castra Modrzicz et Melicz et oppidum Wiskow
cum eorum appendiciis dicto marchioni Jodoco obligavit.*
Hie matri et sponse sue ecclesie Olomucensi solemnem
omatnm album cum dyalmaticis et capa chorali ad hono-
rem annunciacionis beate virginis Marie ymaginemque
sancte Katherine virginis cum ipsius reliquiis memorialia
sui reliquit et assignavit.
1396 octavo Idus Junii in municione Drzebczicz prope Pragam
predictus dominus Nicolaus, Olomucensis ecclesie pontifex
vicesimus septimus, post huius labilis vite curricula spiritu
^ Gelito starb am 13. Febroar 1387. S. das Nekrolog der Olmtitzer Kirche
L c, p. 526, und Cod. dipl. Mor. XI, Nr. 416. Vgl. über seinen Tod den
Cod. ep. Job. de Jenzenstein 1. c, p. 363.
' S. den Cod. epist. Johannis de Jenzenstein 1. c, p. 340. In einer Urkunde
Tom 11. Mai 1388 nennt sich Jobann Sobeslaw ,postulatus ecclesie Olo-
mucensis*. Cod. dipl. Mor. XI, Nr. 476. Noch 1388 schreibt Wenzel an
den Papst wegen Besetzung des Olmützer Bisthnms; s. ebendaselbst
Nr. 532. Nach dem Tode Peters verwaltete Heinrich yon Lipa im Namen
des Königs.
* Ende 1387. Die Ernennung war bis Mai 1388 in Mähren nicht bekannt;
8. Cod. dipl. Mor. XI, Nr. 476. Am 10. August 1388 nannte sich Johann
Sob^law noch Aquileg^ensis patriarcha et Olomucensis postulatus; Cod.
dipl. Mor. XI, Nr. 496.
* Die verschiedenen Ansichten über seine Abstammung s. bei Lindner,
Geschichte des deutschen Reiches unter Wenzel I., p. 407. Lindner hält
Nikolaus für einen Abkömmling der böhmischen Riesenburge und ihm
schlieast sich V. Brandl an. Cod. dipl. Mor. XI, p. Xm. Am 22. April
1387 nannte ihn Urban VI. bereits ,episcopus Olomucensis*. Seine In-
thronisation in Mähren erfolgte erst am 15. December 1388; Cod. dipl.
Mor. 1. c, Nr. 526.
» Ibid. Nr. 627.
7»
I
92
exalato migravit a seculo;^ cuius corpus in ecclesia Olo-
mucensi in choro^ ubi evangelium per ministros altaris
legitur, est sepultum. Post cuius mortem dominus Pro-
copius, marchio Moravie, civitates ecciesie occupavit. Anno
vero domini
1398 die vicesimo quinto mensis Januarii dominus Johannes
dictus MraZ; decretorum doctor^ olim prepositus monasterii
in Zderaz Cruciferorum rubee duplate crucis, de ecclesia
Lubucensi translatus est ad ecclesiam Olomucensem per
Bonifacium papam nonum et vicesimus octavus episcopus
numeratus. | *
fol. 206*». Hie anno domini 1399 die vicesimo sexto mensis
Julii Sabbato in crastino sancti Jacobi apostoli sub specie
devocionis adiit ecclesiam Olomucensem quasi volens reli-
quias sanctorum venerari, non ut tutor ecciesie et defensor
sed ut dilapidator et dissipator ex suggestione cuiusdam
Smilonis de Wiczow canonici dicte ecciesie Olomacensis
suique vicarii in spiritualibus et officialis res, peconias et
iocalia ipsius ecciesie et apud ipsam ecclesiam pro tuta
conservacione bona fide deposita tam per spirituales quam
seculares personas in auro et argento violenter et improbe
more lupino abstulit et alienavit in Dei manifestum con-
temptum ecclesieque sue scandalum dampnum pariter et
iacturam.'
Hie eciam malum malo cumidans quasi omnia bona
ecciesie dissipavit; nam castra, mimiciones civitatum cum
eorum appendiciis contra expressam voluntatem sui capi-
tuli et reclamacionem et precipue castrum Hukenwald cum
ipsius districtu eciam contra inhibicionem apostolicam in
manus serenissimi principis domini S(igismundi) Ungarie
regis tradidit et assignavit/ castrum (sie) Mirow et mo-
■ S. das Nekrolog der Olmttteer Kirche 1. c, p. 644. Nicolans starb nicht
1396, sondern 1397.
* Ueber die Abstammung dieses Bischofs s. den Cod. dipl. Mor. XII, p. VI.
Die Emenuungsarkunde im Cod. dipl. Mor. XII, Nr. 409.
* Siehe hierüber Brandt im XII. Bande des Cod. dipl. Mor., p. VIII. Die
Entlehnung geschah in Folge der grossen Noth, in welcher sich der
Bischof befand. In einer Urkunde vom 12. Mai 1399 bekennt der Bischof,
dem Domherrn Smil von Vi^ow 200 Mark schuldig xu sein. Cod. dipl.
Mor. Xn, Nr. 536.
* Vgl. ibid. Nr. 537.
-
93
lendinum in Cremesir curiaque in Chechowicz pro utilitate
et mensa sua duntaxat reservatis; unde et proverbium
inoleverat: Episcopus Olomucensis est molendinator Cre-
mesirensis. In tantum ergo idem presul ecclesiam Olo-
mucensem involvit, quod non de facili nisi ex speciali
divina providencia ad pristinum statum potest reduci.
1402 ^ memoratus dominus Johannes Mraz Olomucensis ecclesie
episcopus vicesimus octavus debitum camis solvens ob-
dormivit in pace et in ecclesia Olomucensi in introitu
chori ante sacristiam^ ubi iocalia et alias res ecclesie ac
per personas spirituales et seculares ad sacra sedes ad
fideles manus deposita improbe abstulit^ sepultus est et
loco eins venerabilis dominus Laczko, nobilis de Crawar,
alias de Giczin in episcopimi et pastorem ipsius ecclesie
concorditer est electus.* Cui dominus Jodocus marchio
Moravie adversarium dominum Smilonem prefatum de
Wiczow subordinavit et ad prosequendam causam eidem
octo millia florenorum auri puri amministravit et donavit.
Qui tamen minime profecit; nam in brevi tempore idem
Smilo miserabiliter et improyise in curia Romana debitum
nature solvit contumelioseque ibidem est sepultus et sie
mercedem^ quam propter ecclesiam Olomucensem pro-
meruit, accepit.
Hic anno Domini 1403 dominica Rogacionum, qua
cantatur Vocem iocunditatis (20. Mai), in ecclesia Olomu-
censi per reverendum dominum Nicolaum episcopum
Abelonensem solempniter est consecratus et coronatus, et
eodem anno castra Mirow, Melicz et Modrzicz ac oppida
Osoblaha et Kethrze et alia nonnulla bona, que per pre-
decessorem suum dominum Johannem Mraz erant alie-
nata et obligata, redemit nee non et opidum Switaviam
a sepedicto domino Sigismundo rege Ungarorum reim-
petravit. Postea tamen idem dominus Laczko aliqua
bona, que prius redemerat, in notabili summa obligavit.
Hic eciam solempnem librum missarum bene fulcitum
cum pulcrä casula et dyalmaticis albi coloris auro
^ NicM 1402, sondern 1403 nach dem 11. August; s. Augustini Series
L c, p. 134.
* VgL Richter^s Bemerkungen in Angustini Series Episc. .Olom.. p. 136.
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«kfnmj Brmonis exafdesi ecc2«sie et ciritatis fimdataris.'
p«r efcccioticin Concorden decatm sc capiddi (Mo-
ad promocionem je.if niHwm pnncipis domini
Weaee»lai Rr>nuuwnim ec Boemie regis honormbifis vir
AoamwB fymrmdmB de Wedda' wmpSriit genctis Best-
pfaaliUy i^<^gni Boemie sabcameranos, at dioebatiir homo
D^Tomanticiia^ et aortflegns, ad epiacopalem cadiednm
^>lomiieenaeai fiicceaeit. Hie more mercatoiis bona eccksie
fpffian inrolTit et obligaTit; nam bona, qne per predecessores
wofj* erant obligata, quasi redemerat omnia Bterasqae ea-
modern obUgaciomun predicto domino Wenceslao Roma-
Doram et Boemie regi ac baronibus terre Moravie denome-
rarerat Tolem per hoc commendari et applaadere eisdem.
8ed latebat fratu doloea in corde eins. Nam sient serpens
afrtatas eadem bona^ que redemerat, dam et occnhe sine
•rnta et rohintate capitoli aliqna in dnpHci et aüqoa in
triplici fumma vesanice obligavit. Ecce mercator dolosns
et fraadolentuB sponsam soam astute et sabrepticie involvit
1412 prefatos dominus Conradus Olomucensis ecclesie episcopus
tricesimus de predicta ecclesia per modum commutacionis
ad eccletiam Pragensem est translatus.^ Cuius ecclesie
fere omnia bona distraxit, dilapidavit et obligavit^ postremo
' D«r g»nze AbtAtx Ut mitgetheilt von Richter in der Series episc. Olom.,
p. 186.
' L>«r Todattag Lacsko^s von Kraraf ist in dem Nekrolog der Olmütier
Kirche nicht mehr eingetragen.
' H. Über Conrad von Vechta meine Beiträge zur Geschichte der husitischen
r Bewegung III. Archiv flir nsterreichische Qeschichte, Bd. LX, p. 401.
\ * Oeiichichtschr. der husitischen Bewegung II, 270.
f. ^ Hoine Bestätiguug verzog sich bis um die Mitte des folgenden Jahres;
1 s. Frind, Kirohengeschlchte von Böhmen HI, 62.
95
vero videlicet anno 1421 * in reprobum sensum datus in
heresim Wiklephistarum et Hussitarom est lapsus et sie
ex archipresule Christi faetus est heresiarcha Antiehristi.
Cui reverendissimus pater dominus Wenceslaus dietus
Elralik patriarcha Anthiocenus de commenda prepositore
Wissegradensis * in sedem ecclesie Olomucensis predicto
anno successit ipsamque in commendam snccessit. Hie
fuit' homo inutilis et vaniglorius; nam stalla chori ecclesie
contra voluntatem capituli nulla necessitate urgente depo-
suit et destruxit, nisi forte foret illa, ut, dum divina
celebraret in eminenciori loco positus a communiori populo
plus solito videretur et in gestis suis admiraretur, qui in
ipsa ecclesia dissueti erant, ita ut de ipso dicere posset
illud proverbium: Factvs sum spectcumlvm omni populo.
Hie eciam fdit pecuniarum vanus dilapidator. Nam de
anno Domini 1414 gloriosum et famosissimum in orbe
terrarum celebrabatur Constanciense concilium. Ad quod
prefatus dominus patriarcha dicebat se volle profecturum.
Unde de consensu et voluntate capituli quingentas marcas
g., quas ab ipso capitulo pro bonis in Hulyn et quibus
castrum Modrzicz liberari debebat, secreto capituli diligenter
recepit tali sub condicionC; quod si ad dictum sacrosanctum
concilium extra regnum Boemie proficisceretur et progre-
deretur et tunc fracto secreto capituli ad progrediendum
oheriuB dictam pecuniam in suum et suoiaim concomitan-
cium usum convertere deberet Quod et facturum se
sponte et libere dicto capitulo promisit. Sed minime im-
plevit. Nam quam primum ad civitatem Pragensem per-
venit; mox dictam pecuniam fracto secreto distraxit, iocalia
vana et alias res ad apparenciam vanitatis pro se suisque
comparando inutiliter consumpsit et ultra dictam summam
ibidem per integrum^ manens diversis se debitis involvit
* mte^mm. Hier fehlt ein Wort (annom?).
' Am 21. April.
* 8. Prind a. a. O. DI, 282/8. 192—195.
' Diesen Sats theilt Richter in Augustinus Series, p. 142 mit. Mit Recht
bemeiict Richter, dass das Worte sind: ma^ ab invidia quam a charitate
christiana prolata und gibt den wahren Grund an, weshalb dieser Bischof
Wensel Knüik (veteri prosapia Wrabiorum equitum de Bumits in Bohe-
nüa natus) sich den erhöhten Sitz anfertigen liess.
\
96
sed morte preoccupatus minime persolvit.* Hie eciam
per totam diocesim statuit^ ut in memoriam dominice
passionis singnlis feriis sextis hora ineridie(i) maior cam-
pana cuiuslibet eeelesie pulsaretur^ infra quem pulsum
Omnibus^ qui tria Pater noster et Ave Maria et totidem
Credo dixerint quadraginta dies indulgeneiarum de in-
iunctis eis peniteneiis dummodo in mortalibus non existerent,
relaxavit. Domum insuper episeopalem retro ecdesiam
Olomueensem quasi pro media parte pulcro opere refor-
mavit.*
1416 prefatus reverendissimus pater dominus Wenceslaus pa-
triarcha Antiocenus et eeelesie Olomucensis commendatarios
in ordine episcoporum tricesimus primus pridie Idus Sep-
tembris est vite fiinctus et in ecclesia Olomueensi sepultos.'
Post euius obitum reverendissimus pater dominus Johannes
de Praga episcopus Luthomisslensis XI. Kai. Octobris per
deeanum et canonieos residentes in episeopum et pastorem
eeelesie Olomueensis est postulatus.^ Que postulacio per
triduum propter metum domini Weneeslai Romanorum et
Boemie regis fuit oceultata. Propter quod alii canonici
' Anch diesen Satz hat Richter in der Ausgabe der Series Augustinus,
S. 144 mitgetheilt Ast vero, Aragt Richter, coiasnam aes Wenceslaus
consumsit, proprium an alienum? Qningentae marcae, quas a capitnlo
acceperat, ex vendicione episcopalis oppidi Holin proyeniebant, ideoque
pleno iure ad episeopum spectabant . . . Ex eo quod iocalia coemit —
fortasse ut more illius aevi convenientem episcopo Olomueensi splendorem
in medium tot principnm ecclesiasticomm et secularium Constantiae con-
gregatomm adferret — minime sequitur, quod thesaurum ecclesiae dila-
pidaverit, etenim iocalia ab eo coemta partem thesauri episcopalis effi-
ciebant Auch in Betreff des oben getadelten Aufenthaltes des Bischöfe
in Prag sucht Richter nachzuweisen, dass die Vorwürfe, welche dem
Bischof von dem Compilator des Granum gemacht werden, in keiner
Weise gerechtfertigt seien.
* Ueber seine reformatorische Wirksamkeit, die sich allerdings nur auf
den Erlass einzelner Statuten beschränkt; s. Frind a. a. O., p. 233.
* Augustin gibt als den Sterbeort Wenzel Kralik's die mährische Stadt
Zwittau an; mit welchem Rechte ist nicht ersichtlich. Vgl. Richter,
Series a. a. O.
* Ueber die Vorgeschichte Johanns s. Frind, Kirchengeschichte von Böhmen
m, 168—173. Ueber seinen Streit mit Ale& (Albert), dem Domherrn
von Wyschehrad, finden sich im Cod. Cerr. 358 des Brünner Landesarchivs
eine Anzahl wichtiger Actenstücke, auf die ich bei Gelegenheit näher
einzugehen beabsichtige.
97
de Praga ad importunam instigaclonem dicti regis in Olo-
mucz descendentes pridie Kai. Octobris non obstante postu-
lacione reverendissimi patris domini JohgnDis per decanum
et capitulum eis insinuata in destruccionem ipsius ecclesie
perverse elegerunt quendam Alssonem canonicum Wissy-
gradensem in prostitucionem ecclesie Olomucensis . . .*
* Das Weitere fehlt in der Handschrift des Olmützer Domcapitels.
i
BUKOWINAS
entlStehen und aufblühen.
MARIA THERESIAS ZEIT.
NACH ACTEN AUS FOLGENDEN ARCHIVEN:
ttlKD K. KKIEGSMINISTERIOM; DESSEN KARTENARCHIV; K. UND K. HAUS-,
HOF- UND STAATSARCHIV; K. K. MINISTERIOM DES INNERN; DESSEN ADELS-
ABCHIV; K. K. MINISTERIUM FÜR CÜLTÜS UND UNTERRICHT.
I. THEIL. 1772 — JUNI 1775.
TON
D"^ DANIEL WERENKA.
lOT 19 PLÄNEN UND 1 KARTE.
i
Einleitung.
In der vorliegenden Schrift soll zum ersten Male der
Versnch gemacht werden, eine actenmässige Specialgeschichte
der Bakowina zu liefern, was bisher unseres Wissens von Nie-
mandem unternommen wurde. Selbst Ameth in seinem monu-
mentalen Werke ,Maria Theresia' hat nur in grossen Zügen
angedeutet, was wir hier ausführlich in allen Details nach ver-
läßlichen Quellen darstellen wollen.
Die Benützung eines reichen Acten- und Quellenmaterials ^
hat es ermöglicht, nicht nur die einzelnen Thatsachen und ihren
Zusammenhang festzustellen, sondern auch vielen allgemein ver-
breiteten Irrthümem entgegenzutreten und manche Ungenauig-
keiten, zum Beispiel in der Nomenclatur, zu beseitigen.
Der erste Theil behandelt die Geschichte der Occupation
der Bukowina bis zur Convention vom 7. Mai 1775, durch
welche die Cession der Bukowina an Oesterreich vollzogen
wurde. Daran wird sich die Darstellung der inneren Organi-
sation unter Maria Theresia, der Reformen Kaiser Josefs U.
bis zu der flir das Land so unheilvollen Vereinigung mit Gali-
zien reihen.
Durch die bereitwilligst ertheilte Erlaubniss, die Schätze
der hiesigen Archive zu benützen, beziehungsweise durch die
überaus freundliche Förderung vorliegender Arbeit haben mich
zu grossem Danke verpflichtet: Se. Excellenz der Herr k. und
t Reichskriegsminister Arthur Graf v. Bylandt-Rheidt, Se. Ex-
cellenz der HeiT Ministerpräsident und Leiter des Ministeriums
des Innern Eduard Graf v. Taaffe, Se. Excellenz der Herr
^ Ans den Archiven: k. u. k. Kriegsministerium; dessen Kartenarchiv ;
k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv; k. k. Ministerium des Innern;
denen Adelsarchiv; k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht
102
Minister ftkr Cnhos und Unterricht Paul Freiherr v. Gautsch,
Se. Excellenz der Herr geh. Rjitfa und Director des geh. Haus-,
Hof- und Staatsarchivs, Alfred Ritter v. Ameth, sowie der Herr
Sectionschef im IGnisterium des Innern Rudolf Freiherr v.
Breisky, der frühere Director des k- k. Kriegsarchivs, Herr
Feldmarschall- Lieutenant Adolf Freiherr v. Sacken, der jetzige
Director desselben, Herr Oberst im Generalstab Leander v.
Wetzer, der Vorstand des Schriftenarchivs, Herr Oberst Rech-
berger v. Rechkron, der frühere Vorstand des Kartenarchivs,
Herr Oberstlieutenant Cari Herradauer Edler v. Heldenauer,
dessen Nachfolger in dieser Stellung, Herr Major Ludwig Ritter
V. Weiss, femer der Herr Sectionsrath Josef Ritter v. Fiedler
im k. und k. geh. Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Endlich spreche
ich meinen besonderen Dank fttr die meinen Arbeiten sehr
reichlich zugewendete Unterstützung dem Herrn Hilfsämter-
director, kais. Rath Carl HackenfeUner, dem Herrn Adjuneten
Albert v. Nagy und Herrn Official Anton Herzig im k. k. Mini-
sterium flir Cultus und Unterricht; dem Herrn Dr. Fellner,
Vorstand des Archivs im k. k. Ministeriimi des Innern, dem
Herrn Director Eduard Borecky und dem Herrn Official Joh.
Langer in der Registratur des k. und k. Reichs-Kriegsministe-
riums, sowie allen übrigen Beamten der erwähnten Archive aus.
öchon zu Beginn des russisch -türkischen Krieges (1768
bis 1774) wurde Oesterreichs Aufmerksamkeit wiederholt auf
die Moldau und Walachei gelenkt. Russland versprach Oester-
reich beide Fürstenthümer, wenn es wenigstens durch eine
drohende Sprache oder feindliche Demonstration die Türkei
zwinge, die russischen Friedensvorschläge anzunehmen.^ Dies
fand jedoch in Oesterreich wegen des bedrohlichen Anwachsens
der russischen Macht keinen Anklang. Dagegen schloss Oester-
reich mit der Türkei am 6. Juli 1771 eihen geheimen Vertrag,*
auf Grund dessen die kleine Walachei bis zum Altflusse an
Oesterreich fallen sollte, wenn es die Türkei gegen Russland
unterstütze. Aber dieser Vertrag kam nicht zur Ausführung,
weil England schon 1772 davon Kenntniss erlangte und dies
RussJand verrieth.
Auch zur Zeit der Verhandlungen wegen der ersten
Theilung Polens wurde die Frage der Erwerbung der beiden
Fürstenthümer erwogen, was aus einem Briefe der Kaiserin
Maria Theresia an Lacy vom 6. Februar 1772 hervorgeht: ,Es/
kostet mich ein Opfer/ schreibt sie, ,mit den Uebrigen zu
theilen; muß es aber einmal sein, dann paßt dieß für uns nur
in Polen. Die Moldau und Walachei, ungesund und zu Grunde
gerichtet, wie sie sind, conveniren uns nicht.' ^ Daraus ergibt
sich, dass bis zu diesem Zeitpunkte Oesterreich es nicht für
opportun erachtete, diese Länder zu erwerben. Die Nothwen-
digkeit der Erwerbung eines Theiles der Moldau zeigte sich
erst nach der ersten Theilung Polens.
* KAunitz^ ^nweisun^ und Punktation* ddo. Wienn 30. July 1776.
' V. Hammer Josef, Geschichte des osmanischen Reiches. VIII. Bd., S. 567 . . .
(Art n, m). Dohm's Denkwürdigkeiten, I. Thl., S. 470, 471, 472, 476,
BeiLLVn.
' Arneth, Maria Theresia, IX. Bd., S. 504.
104
1. Capitel.
Die Torgeschiehte der Erwerbang der Bakowina bis zum
Frieden za Entsehnk Kainardsche (1772 bis 17. Jall 1774).
Nachdem Oesterreich Galizien in Besitz genommen hatte,
musste es in erster Linie darauf bedacht sein, die zum grössten
Theile offenen Grenzen dieses Landes entsprechend zu sichern.
Diese Sicherung fand statt zuerst nicht von Galizien, sondern
von Siebenbürgen aus, wo seit Beginn des russisch -türkischen
Krieges rumänische Freiwillige die österreichischen Grenzen
oft überschritten und die nächstgelegenen Orte grausam heim-
suchten.^ Dabei wurden auch die Grenzen der beiden Fürsten-
thümer gegen Siebenbürgen erweitert, so dass sich Oesterreich
schliesslich genöthigt sah, das usurpirte Gebiet wieder zu be-
setzen und die Grenzen desselben durch Aufsteckung kaiser-
licher Adler kenntlich zu machen. Eine diesbezügliche Stelle
finden wir auch in einem Schreiben Kaunitz'* an den Feld-
marschalllieutenant Barco: ,Bey diesen allerseitigen Versiche-
rungsanstalten hat sich sogleich der Hauptumstand hervorgethan,
welcher der besonderen allerhöchsten Aufmerksamkeit vorzüglich
würdig war, daß nämlich ein beträchtlicher Theil der zwischen
Siebenbürgen, der Moldau und Walachey befindlichen Gränzen
strittig, imd an sich dergestalten beschaffen gewesen, daß wir
Uns allerdings im Stande sahen, die von den Wallachen und
Moldauern seit vielen Jahren immer erweiterte Usurpation dieser
Siebenbürgischen Gränz-Districte, folgUch Unser hierauf haben-
des Recht mit Documenten, auch anderen hinlängUchen Be-
weisen darzuthun und behaupten zu können.^
,Wenn nun die Gränz-Districte mit den kaiserUchen Adlern
nicht bezeichnet und in den Militär-Cordon miteinbezogen wor-
den wären, so hätten Ihre Majestäten durch diese Unterlassung
und weitere Zurücksetzung gedachter Gränz-zeichen Allerhöchst
dero eigenen Ansprüchen und Gerechtsamen ipso facto unmittel-
bar praejudiciren müssen. — Zu Vermeidung dessen sahen sich
> Hurmuzaki VII, 8. 47 ff. (Brognard an Kaunitz, 1. Febr. 1768); ibid. S. 50
(Brognard an Kaunitz, Febr. 1768); ibid. 8. 51, 52 (Brognard an Kaunits,
16. März); ibid. 8. 55 (Kaunitz an Brognard, 16. März); (Kaanitz an
Brognard, 19; Aug. 1768).
' Kaunitz' ,Anweisnng und Punktation*, Wienn 30. July 1775.
105
also Ihre Majestäteu in die unvermeidliche Nothwendigkeit ver-
setzt, erwähnte Siebenbllrgische Gränz-Distriete in den MiHtär-
Cordon mit einziehen zu lassen/
Aber nicht allein auf die Grenzen Siebenbürgens richtete
Eaanitz seine Aufmerksamkeit^ sondern auch auf diejenigen
Pokutiens. Diesbezüglich schreibt er: ,Nach der . . . erfolgten
Revindication der Königreiche Galizien und Lodomerien haben
wir nicht nur historische Nachrichten, sondern auch Original-
Documente entdeckt, daß der sogenannte Bukowiner district
zu Pokutien, folglich zu einem^ Unserem Allerhöchsten Hofe
von dem König in Polen und der Republik, cedirten Lande
gehöret hat, daß solcher durch allmählige Usurpation zur Moldau
gezogen worden, und daß Ihre Majestäten folglich berechtiget
seyen, denselben Jure cesso zu revindiciren/ ^
Nach der Erwerbung Galiziens und Lodomeriens handelte
es sich darum, dieses Land gegen Russland und die Türkei,
«
namentlich gegen die Moldau zu sichern. Denn gegen die
letztere hatte es fast keine natürlichen Grenzen, und es war
nicht einmal eine Möglichkeit vorhanden, mit Erfolg einen feind-
lichen Einfall zurückzuweisen, da die Bukowina gebirgiger war
als Pokutien. Abgesehen . von dieser offenen Grenze im öst-
lichen Theile Galiziens lag ein Theil der Moldau zwischen
Galizien und Siebenbürgen wie ein Keil, so dass die Behaup-
tung des Königreiches dadurch fUr die Zukunft sehr fraglich
erschien. Was konnte also näher liegen als der Gedanke, die
Erwerbung eben des zwischen Siebenbürgen und Galizien lie-
genden Theiles der Moldau anzustreben? Dies war vom poli-
tischen und militärischen Standpunkte eine dringende Noth-
wendigkeit.
Allein es war eine sehr schwierige Sache, auf friedlichem
Wege das Land von der Türkei zu erlangen, und Kaunitz
wosste diese Schwierigkeit ganz gut zu würdigen. ,Diesen
District so zu sagen in petitorio von der Pforte zu erhalten,'
schrieb er, ,würde eine ganz vergebliche Sache gewesen seyn,
da eine vieljährige Erfahrung uns nur allzu überzeugend be-
lehret hat, daß die Pforte zu einiger Abtrettung ihrer
in wirklichem Besitz gehabten Usurpationen, oder auch nur
zu einer gütlichen Gränzbehandlung und Einver-
» Ibid.
ArckiT. LXXym. Bd. I. Hilft«. 8
106
ständnis nie bewogen werden konnte/^ Man musste die
Pforte vor ein fait accompli stellen, und zwar 'mit Hilfe Russ-
lands, dessen Trappen die Moldau besetzt hielten.
Zum Glücke waren die Russen jure belli noch Herren
der beiden Fürstenthümer, so dass es vorderhand nicht noth-
wendig war, wegen der Bukowina mit der Türkei zu ver-
handeln. Daher unternahm man den Versuch, von dem rus-
sischen Feldherm Grafen von Romanzow die Erlaubniss zu
erhalten, dass österreichische Truppen nach Abzug der Russen
den zwischen Galizien und Siebenbürgen gelegenen Theil der
Moldau besetzen. Das Verdienst, diese Erlaubniss erhalten zu
haben, gebührt Barco, welcher seit 1772 im rassischen Haupt-
quartiere als Volontär sich aufhielt und sich die Achtung und
Freundschaft Romanzow's in hohem Masse erworben hatte.
Kaunitz wollte also theils durch eine vorhergehende Be-
setzung der Bukowina^ theils durch Vorlage von Documenten
die Türkei bewegen, diesen Theil der Moldau freiwillig abzu-
treten. Dass dieser Plan der richtige war, lehrt uns der Erfolg.
Mit dem russischen Hofe wollte man auch nicht verhandeln,
weil es zu unliebsamen Erörterungen mit der Türkei, mit
Preussen, welches die Gelegenheit nicht versäumt hätte, ,Aeqai-
valenzansprüche^ zu erheben, schliessUch vielleicht zu Unan-
nehmhchkeiten selbst mit Russland geflihrt hätte. Man wollte
die Bukowina nur ,als eine von den Türken usurpirte Zu-
behörung Pokutiens und als eine durch die von der
Repubh'k Polen erhaltene Cession dem durchlauchtigsten EIrz>
haus anheim gefallenes Recht in wirklichen Besitz nehmen'.'
Warum Kaunitz sich an Romanzow und nicht an den russischen
Hof wendete, erklärt uns noch folgende Stelle: ,Damit aber
der Russische Hof in kein impegno mit der Pforte verfalle,
und ihm aller Schein einer befugten Beschwerde benommen
werde, so ist unserer Seits nicht verabsäumet worden, sowohl
von unserm Vorhaben, als von unserer rechtlichen Be-
fugnis den ernannten Herrn Feldmarschallen vertraulich zu
benachrichtigen, . . /^
Romanzow zeigte sich Barco gegenüber wUlfkhrig —
trotzdem mancher der russischen Generale dem Plane feindlich
» Ibid. * Ibid.
» Hurmuzaki VU, 8. 106 (Kaunitz an Thugut, 20. Sept. 1774).
107
gesinnt war — und gestattete, dass noch vor dem Abmärsche
der Russen aus der Moldau — Mai 1774 — zwei österreichische
Commanden in die Bukowina einmarschiren, um, sobald die
Russen die Moldau verlassen, die Adlet auszustecken. ^
Der Plan betreffs der Erwerbung der Bukowina scheint
Kaunitz schon zur Zeit der Verhandlungen der Mächte wegen
der ersten Theilung Polens beschäftigt zu haben, wie aus einem
Berichte Thugut's an Kaunitz vom Anfang des Jahres 1773
hervorgeht, in welchem ersterer sich über die Mängel der von
Kaunitz erhaltenen Karte beklagt.* Darin heisst es unter An-
derem, dass die ,nämUchen Gegenden öfters mit verschiedenen
Namen beleget zu werden pflegen^, dass die etwaigen Grenzen
näher bezeichnet werden sollen, und bittet, ,die ganze Sache
zum voraus auf die klarste unzweifelhaftieste Art auseinander-
zusetzen, je mehr man ohnehin jederzeit Mühe hat den Mini-
stem der Pforte, die nicht die geringste geographische Kännt-
üiü besitzen, bey dergleichen Verhandlungen, nur einmal den
Stand der Frage begreiflich zu machen, wobey sie dann nach
der mistrauischen Denkensart der Nation jederzeit in die Bey-
sorge zu stehen pflegen, daß man ihre Unwißenheit zu miß-
brauchen, ... sie zu übervortheilen suchet , . / Trotzdem warnt
Thugut vor einem ,allzu engen Einverständnisse mit Rußsland',
d. i. vor einem ernsten Bruche mit der Pforte, weil ,dadurch
dem Muhzun Oglu Anlaß geschafet würde, seine geftlhrUchen
Abachten bey dem neuen Großherm durchzusetzen, und durch
einen anüberlegten Frieden vor der Zeit alles in die Rußischen
Binde zu liefernd
Auf diese Weise wurden die diplomatischen Unterhand-
lungen bezügUch der Erwerbung der Bukowina in Fluss gebracht.
ADein damit hätte Oesterreich schwerUch etwas erreichen kön-
nen, wenn nicht gleichzeitig auch vom miUtärischen Standpunkte
die Lösung dieser Frage in Angriff genommen worden wäre.
* Vortrag, Wien, den 6. August 1774. R. d. R.-Kr.-M. 68/68: »seyend . . .
bereits vor einigen Monaten zwey Uussaren-Commandi unter dem Vor-
w&nde einer Rimontirung in. die Moldau abgeschicket worden, damit,
sobald die Moldau von den Russen vollständig geräumet wird, die Aufl-
steckung der Adler auf dorn von der Moldau neu einzuschliessenden
Terrain ohne weiters sogleich erfolgen, und wenn es die Umstände noth-
wendig machen, gegen das Land-Volk souteniret werden könne!' . . .
» Hannuzaki VII, S. 99, 100, 101.
8»
108
Da österreichischerseits immer mehr Truppen an den
neuen Grenzen concentrirt wurden, sah man sich veranlasst^
wie gewöhnlich, Officiere in das angrenzende Land zu schicken,
um das Terrain kartographisch aufzunehmen. So geschah es
an der Grenze Pokutiens. Aus Galizien wurden Officiere mit
demselben Auftrage in die Moldau, oder sagen wir in die heu-
tige Bukowina geschickt. Unter diesen befand sich Oberst
Seeger, welcher vor der ersten Theilung Polens an der Spitze
der österreichischen Truppen als Erster in Galizien einmarschirt
war (1769), die Adleraussteckung und die Mappirung vor-
genommen hatte. Er wurde später mit einer Mission nach
Warschau geschickt, verblieb daselbst längere Zeit und forschte
nach Belegen, um die von dem unter seiner Leitung stehenden
Generalstabshauptmann von Mieg vorgeschlagene Grenze gegen
die Moldau auch durch historische Thatsachen zu unterstützen.
Seiner Direction wurden die in der Bukowina mit der
Mappirung dieses Landes beschäftigten Officiere unterstellt.
Der rangnächste und hervorragendste unter diesen war jeden-
falls der oben genannte Hauptmann Friedrich von Mieg, der
in der Bukowina eine ähnliche Rolle spielte wie Seeger seiner-
zeit in Galizien.
Zu Anfang des Jahres 1773 erhielten einige Officiere
unter Leitung des Majors v. Steinbacher — Director war Seeger
— die Ordre, den nächst Pokutien gelegenen Theil der Moldau
zu mappiren. Die beiden Fürstenthümer befanden sich damals
jure belli in den Händen der Russen. Die ganze Strecke zwi-
schen Dniester und Czeremos wurde derart getheilt, dass der
wichtigste Theil derselben, d. i. das Gebiet zwischen Dniester
und Pruth, Hauptmann Mieg, von Sniatin bis Kuty Haupt-
mann Kuzersdorff, von Kuty bis an das triplum confinium*
Hauptmann Harbach erhielt, welcher seine Arbeit mit der
Operation des Hauptmanns vom Ingenieurcorps, Ho ff mann,
zu vereinigen hatte. Sniatin ward zur Operationsbasis erwählt.
Da Kuzersdorff im Gebirge hinter Dolina erkrankte imd nach
Tismenitz gebracht werden musste, so übernahm Mieg bis zur
Ankunft eines andern Offlciers auch dessen Strecke, damit die
Arbeiten keine Verzögerung erleiden. Dennoch nahmen sie
viel Zeit in Anspruch, so dass Mieg erst am 17. September 1773
^ Moldau, Siebenbürgen und Galizien.
109
in die Lage kam, eine Generalkarte der Bukowina sammt
einem Berichte an das k. k. General-Militärobercommando ein-
zuschicken.^ Die hier erwähnte Karte war selbstverständlich
norBrouillon oder eine'^Entwurfszeichnong^. Elrst im nächsten
Jahre arbeitete Mieg eine ausführlichere Generalkarte der Bu-
kowina aus, die sich ebenfalls in der Anlage befindet.^ Das
ist die älteste Specialkarte der Bukowina.
Diesem Berichte entnehmen wir, dass Mieg von Sniatin
nach Czemowitz, von da ^auswärts des Bukowinawaldes' nach
Chotim, dann weiter nach ^aminiek, von hier wieder zurück
über Chotim nach Horodenka reiste, aus welchem Orte er
seinen Bericht abschickte. Er macht auf die Vortheile der
Bukowina in miUtärischer und poUtischer Hinsicht aufmerksam
und schlägt vor, die offene Grenze Galiziens aufzuheben und
bis zur heutigen Grenze der Moldau auszudehnen.
Im selben Jahre (1773) konnte die Mappirung des ganzen
Terrains noch nicht erzielt werden, weil die ungünstige Witte-
rung und die Erkrankung eines Officiers dies verhinderten.
Aber Mieg verstand es vortrefflich, diese Ruhepause im Inter-
esse seines Staates auszunützen. Er erkundigte sich nämlich
bei den angesehensten Persönlichkeiten des Landes, ob nicht
etwa die von ihm gefundene natürliche Grenzlinie jemals die
Grenze zwischen Polen und Moldau gewesen sei. Dies wurde
nicht nur von denselben mündUch bestätigt, sondern ein Edel-
mann, namens Striska, hatte sich sogar bereit erklärt, ihm
eine Donationsurkunde aus dem 17. Jahrhunderte gegen Be-
lohnung und Geheimhaltung seines Namens gegenüber den
Russen und Türken für kurze Zeit zu überlassen.
Erfreut über diese unverhoffte Entdeckung, schickte Mieg
einen zweiten Bericht an seine vorgesetzte Behörde, worin er
davon eine Mittheilung macht und die Urkunde beischliesst.'
Mit dieser Urkunde erhielt Stephan Holubowski für seine Ver-
^ Bea L
• ,Oenend-Carte von der neuen geometrisch Aufnahme; theibj von denen
k la vue aufgenohmenen Gegenden zusammengesetzt, zu Ersehung der-
jenigen Gräntzlinie, welche bey formirung eines Arrondissements der
Bokovina vor das Allerhöchste Interesse fürzuwählen .erforderlich wäre«
Znaammengesetzt von Major v. Mieg 1774; 1 : 130. 900.'
• Beil. rV, VII, Vni, IX. Das Original war in polnischer Sprache ver-
iiatdj die Abschrift in lateinischer.
%-*
110
dienste vom Könige Johann Sobioski am 20^ December 1691
das Gebiet von Piedekautz * zum Geschenke. Diese Schenkungs-
urkunde war flir Kaunitz unzweifelhaft von hohem Werthe,
weil sie die Realisirung seines Planes am meisten zu fördern
vermochte.
Auf einer Reise nach Chotim, welche Mieg durch den
Bukowinawald zurücklegte, fand er einen Bergrücken, der sich
mitten durch diesen Wald von Czernowitz bis Chotim hinzog.
Der Bergrücken schien eine sehr günstige natürliche Grenze
zwischen Bukowina und Moldau. Mieg wurde in dieser An-
nahme noch dadurch bestärkt, dass ihn ein Jude auf der er-
wähnten Strecke auf einen alten Grenzstein bei FontAna Sauchi
aufmerksam machte, der die ehemalige Grenze zwischen Polen
und Moldau gebildet haben mochte. Ja, er erfuhr sogar die
Namen der letzten zwei polnischen Starosten im Czemowitzer
Districte, nämlich Potocki und Turkul. Auf welche Weise die
Biikowina aus polnischen in türkische Hände kam, darüber
konnte Mieg nichts Authentisches erfahren. Er schloss diesen
Bericht mit der Aufzählung der bei der Erwerbung der Buko-
wina sich ergebenden Vortheile.*
Welche Wichtigkeit diesen Berichten^ höchsten Orts bei
gemessen wurde, erhellt vor Allem daraus, dass Seeger und
Mieg die kaiserliche Anerkennung, dem letzteren ausserdem
der Majorsrang zutheil wurde.*
Während sich also Mieg mit den Verhältnissen in der
Bukowina vertraut machte, beschäftigte sich Seeger in Warschau
mit der früheren Geschichte dieses Theiles der Moldau, um
nachweisen zu können, dass die Berichte Mieg's einer histori-
schen Grundlage nicht entbehrten. In seinem ersten Berichte^
aus Warschau versucht er auf Grund älterer Werke den Nach-
weis zu erbringen, dass die von Mieg gefundene natib'liche
Grenze die alte Grenze Pokutiens gewesen sei. Innerhalb
eines Zeitraumes von zwei Monaten schickte er nach Wien
einen anderen längeren Bericht,^ worin die Begründung der
Ansprüche der polnischen Könige auf den zu erwerbenden
Theil der Moldau enthalten ist.
* Dorf in der Bukowina.
» 3eil. in. » Beil. H, IH, IV. * Beil. V, VI, VU. » Beil. U. • Beil. XIIL
111
Auf Grund der im obigen Berichte angeführten historischen
Thatsachen steht es ausser Zweifel^ dass die heutige Bukowina
durch Jahrhunderte ein Zankäpfel zwischen Polen und Mol-
dauern war. Die Bukowina gehörte zur Moldau, aber ihre
exponirte Lage brachte sie oft in fremde Hände, so dass die
Grenze Pokutiens manchesmal bis an den Bukowinawald oder
eigentlich bis zum Bergrücken, welcher sich durch diesen hin-
zog, sich erstreckte. Dazu trugen auch die traurigen Verhält-
nisse in den beiden Fürstenthümern viel bei, wo die Fürsten
sich gegenseitig bekämpften und bei den Polen, mit denen sie
oft in verwandtschaftlichen Beziehungen standen, Hilfe suchten.
Kurze Zeit darauf unternahm Seeger, den Nachweis zu
fthren, ,daß beyde Wallacheyen von undenklichen Zeiten zur
Krön Hungam gehörten . . .' Dieser geschichtliche Auszug
fthrt die Aufschrift: ,Kurze Beschreibung von Aerf Moldau und
Wallaehey aus bewährten Autoribus ausgezogen.*^ Dies be-
ginnt mit dem Jahre 1330 und endigt mit dem Jahre 1718.
Am Schlüsse dieser Arbeit finden wir Seeger's Urtheil, welches
interessant genug ist, angefahrt zu werden. ,Wer wird,' schreibt
er, ,wohl im Stande seyn aus allen demjenigen, was hier von
denen Begebenheiten deren Pohlen in der Moldau gesagt worden,
etwas anderes herauszuschliessen als daß die Republic
zwar die Herrschaft über die Moldau ge-
wünscht, dass aber alle ihre Versuche sich auf
keine Rechte gründeten, daß solche ebenso un-
glücklich, als unrechtmäßig war, und daß man
auch sogar die Unternehmung des Johann Zamoiski
1595, welche unter allen vorigen die glänzendste
war, nichts anders als eine Diversion nennen
konnte;
,Damit aber der Unterschied zwischen der Gültigkeit der
Hungarischen Prätensionen und der Unrechtmäßigkeit der pol-
nischen um so viel mehr in die Augen falle, so wird es nötig
8eyn, der Allianz gegen die Türken zu gedenken, welche
zwischen ELaiser Leopold und Johann Sobiesky von Pohlen
1683 geschlossen wurde, wobey es im 8^° Articul heißt, atque
ita Hostem duobus in locis invadendo, Caesar Hungariam, Rex
" ,W»r8cban im J. 1774.* (Orig. R. d. R.-Kr,-M. 53/56.)
112
Podoliam et Ukrainam recuperabit. * Hätte Johann Sobiesky ge-
glaubt^ eine Prätension auf die beyden Wallacheien zu haben,
80 wären solche hier eingesezt worden, aber es stehet bloß
PodoUam et Ukrainam. Wollte man vielleicht den Einwurf
machen, daß solche von Seiten des Kaisers auch nicht seyen
genannt worden, so ist dieser dadurch sehr leicht beantwortet,
daß unter dem Namen Hungariam alles, was dazu gehört be-
griffen worden, und also auch beyde Walacheien.
,Es wäre vielleicht noch ein einziger Punkt übrig, welchen
die Republik Pohlen zu ihrem Vortheil anführen könnte. Es
ist bereits unter dem J. 1689 oben gesagt worden, daß die
Republik bey dem Karlowitzer Frieden Kamuniec und die
beeden Wallacheien von denen Türken verlangte. Man könnte
dennoch einwerfen, daß die bey der Schließung des Friedens
gegenwärtigen kaiserlichen und hungarischen Gesanten es denen
Pohlnischen niemals würden zugegeben haben, eine solche Prä-
tension an die Türken zu machen, wenn sie solche nicht selbst
gebilliget, und folghch der Republik das Recht auf die beyden
Wallacheien überlassen hätten: Aber dieser Einwurf hebt sich
selbst. Der Kaiser und die Republik waren alliirt. Die kaiser-
lichen Gesandten konnten es wohl sehr leicht einsehen, daß
die Türken denen Pohlen die beyden Wallacheien niemals
übergeben würden, zumalen da diese kein Recht hatten solche
zu verlangen, sie hielten es also für unnötig ihre Alliirten durch
die Protestation gegen ein Begehren unwillig zu machen, wovon
sie voraussahen, daß es von denen Türken niemals würde er-
füllet werden.
,Daß aber hieraus gar leicht eine für Pohlen favorable
Folge zu ziehen ist, dieses erhellt zu zweytens auch daraus,
weil in dem ersten Congress vor dem Karlovitzer Frieden,
wobey aber noch kein Schluß zu Stand kam, der Kaiser die
oben unter dem J. 1689 erwehnte Prätension in Ansehung
^r| deren beyden Wallachey für sich selbst machte.'
' ' ,Zuletzt verdient hier noch ein Umstand vom J. 1692 aus-
geführt zu werden, welcher von Ketteier S. 634 erzehlet wird:
" ' Die Republik Pohlen war in diesem J. gegen die Tartaren so
s^- glücklich, daß ihnen der Chan die Vestung Kaminiec, und die
Ukraine auf ewig verspräche, wofeme sie mit ihm ohne Zu-
"^--f
> ,
* <
«
Ä. Li.
\
,'» » Ketteier, S. 577.
113
«iehuDg ihrer Abirten einen Particular Frieden schließen wolten:
die pohlischen Senatoren hielten diese Bedingungen ftir so voiv
theilhafl, daß sie den Frieden sogleich eingehen wollten. Allein
d^ König; wolte das Völker Recht nicht beleidigen^ and ohne
Vorwissen derer Aliirten keinen Frieden machen. Hätte die
Republic eine gegründete Prätension auf beyde Wallacheien
gehabt, so würden die polnischen Senatoren einen Frieden,
wobey sie nicht alles, was zu der Republic gehörte, zurück-
erhielten, gar nicht für vortheilhaft angesehen, und bey so
günstigen Umständen, wo dem Tartar Chan so sehr am Frieden
gelegen wäre, ganz sicher nicht ermanglet haben, die beeden
Provinzen von Ihme zu begehren ; Allein Sie waren mit Kami-
nieck und der Ukraine zufrieden, imd der König allein war
Ursache, daß es nicht zum Frieden kam.
,Ohngeachtet aus allen hier angezeigten Begebenheiten
deutlich erhellt, daß die Republic Pohlen auf die ganze
Moldau gar keine Prätension machen könne: so sind doch
die Traitate sub Lit. A und B,' welche die Republick mit der
Pforte in den neusten Zeiten geschloßen, hier beygelegt worden,
um zu beweisen, daß die Türken bey ihrer angemasten herr-
schaft über die Moldau sich sogar auch noch von der Republic
Pohlen verschiedene Einschränkungen haben müssen gefallen
lassen, welche sie bey einer von Rechtswegen ihnen gehörigen
Provinz schwerlich jemals würden eingegangen seyn.'
Wenn wir die beiden letzten Berichte Seeger's miteinander
vergleichen, so sehen wir, dass in dem ersteren historische
Thatsachen reproducirt sind, welche die von Mieg gefundene
oatürliche Grenze zwischen Moldau und der Bukowina als eine
einmal zwischen jener und Pokutien gewesene Grenze bestä-
tigten, während im zweiten die Rechte Ungarns auf die beiden
Fürstenthtimer hergeleitet werden. Also von Polens Rechten
auf die Moldau kann hier entschieden nicht die Rede sein.
^ Lit A. Limites Re^i Poloniae et M. D. Litvaniae ex originalibus et
exemplis auUienticis descripti et in lucem editi 1758 per Math. Dogiel,
Scholanim Piarum Vilnensium Rectorem. Vilnae in Typographia Reg.
et Reip. Coli: Viln. Scholarum Piarum. p. 6227: Dislimitatio sive Trao
Utu«, inter Achmetum Imperatorem Turcarum, et Augustum II. Regem,
et Regpaum Poloniae, quo fines et . . . defininntur. Datum 14. Novembrls
Anno a703.* Lit. B. Ibidem ... Ex Archivo Regni Acta Annorum
«tc Tom. 1, foU. 248.
114
1
1.*
r"'
.!i^...
ebensowenig auf die Bukownia, die durch ihre Lage öfters von
den Feinden zwar besetzt^ aber durch längere Zeit nicht be-
kaaptet werden konnte.
Man konnte auf Grund des von Mieg und Seeger ge-
sammelten historischen Materials die Erwerbung dieses Landes
gegenüber der Pforte unterstützen, ohne eine Complication der
damaligen kriegerischen Verhältnisse hervorzurufen, was bei
einer eventuellen Berufung auf die früheren Rechte Ungarns
auf die beiden Ftirstenthüraer sehr leicht hätte eintreten können.
Deswegen vermied Kaunitz, von Ungarn und dessen Rechten
auf die Moldau irgend welche Erwähnung zu machen, und er
beschränkte sich blos darauf, Polens Anspruch auf die Buko-
wina geltend zu machen, was unter den damals obwaltenden
Verhältnissen richtiger war.
Während Seeger und Mieg im Interesse Oesterreichs eine
intensive Thätigkeit entwickelten, war General Barco im rus-
sischen Hauptquartiere nicht weniger thätig. Nachdem er ein
ziemlich umfangreiches Journal über die russische Campagne
gegen die Türken pro 1773 mit verschiedenen Anmerkungen
über die socialen und materiellen Verhältnisse in der Moldau
und Walachei eingeschickt hatte, sendete er bald darauf andere
wichtige Meldungen an den Hofkriegsrath, die imsere volle
Anfrnerksamkeit in Anspruch nehmen. Vor Allem spricht er
von der Fruchtbarkeit und dem Reichthume der beiden Fürsten-
thttmer.* Früher wollte zwar Maria Theresia von der Erwer-
bung dieser Länder nichts wissen,* und es ist auch Grund
vorhanden, anzunehmen, dass der österreichische Hof vor der
Mission Barco's über den Zustand der Fürstenthümer nicht
genügend unterrichtet war. Erst nach Einlangen des Journals *
von Seite des im russischen Hauptquartiere sich aufhaltenden
Generals änderte sich auch die Meinung des österreichischen
Hofes.
Doch hing Alles von der Beendigung des russisch -türki-
8<:hen Krieges ab. Zu Beginn des Jahres 1774 zeigte sich
eine grössere Rührigkeit im russischen Lager. Fürst Serbatow
erschien in Jassy, um fiir den Unterhalt der Armee zu sorgen.
Auch der russische Minister Obreskow, welcher sich in der
Moldau, und zwar in Roman aufhielt, um bei den Friedens-
« B«L X. * Siehe S. 103, Anm. 3. » BeU. X.
115
onterhandlangen Romanzow rasch unterstützen zu können,
wurde daselbst erwartet, da Russland daran liegen musste, den
Krieg sobald als möglich zu beendigen, denn es hatte in
diesem Kriege sehr grosse Verluste erlitten, und auf einen vollen
Ersatz konnte umsoweniger gerechnet werden, weil Pugatschew
die Fahne des Aufstandes aufgepflanzt hatte, worauf mehrere
Regimenter sich ihm anschlössen.* Damit war aber das Mass
der Unglücksfälle noch nicht voll, denn nach Jassi kam die
Nachricht, dass der russische General Bibikow von Pugatschew
in der Gegend von Kasan geschlagen wurde,* weshalb noch
mehr Truppen aus Russland gegen Pugatschew geschickt werden
raussten. Das Heer der Russen in der Moldau und Walachei
dürfte Jänner 1774 ungefähr 108.000 Mann stark gewesen sein.^
Um bei dem bevorstehenden Abmärsche des russischen
Heeres vollständig freie Hand zu haben, befahl Kaiser Josef IL,
die längs der Grenze Pokutiens ausgesteckten Adler auszu-
, graben, daher diese unmarkirt zu lassen, und erst nach dem
Rückzüge der Russen die Adleraussteckung längs der neuen
Grenze (der Bukowina) vorzunehmen.* Maria Theresia hin-
gegen schrieb kurz darauf an Siskovics, dass an der sieben -
bürgisch-moldauischen Grenze der innere Bau der Karpathen
untersucht werden möge.^
Aus der Moldau kam die Nachricht,^ dass Preussen da-
selbst eintrafen, um Pferde, Hornvieh, Wachs und Honig ein-
zukaufen, und dass im russischen Heere sich eine Bewegung
zeige, woraus man auf eine nahe bevorstehende Action schliessen
müsse.'
Unterdessen wurden in der Bukowina Vorkehrungen ge-
troffen, um im Laufe des Jahres die Mappirungsarbeiten zu
vollenden,® denn die Pest, durch welche der Fortgang der
Arbeiten verzögert war, hatte Ende Jänner 1774 aufgehört.®
^BeU.Xn. 2 Beil. XIV. »Ibid. * Beil. XV. » Beil. XVI. « Beil. XVIH
' Ibid. • Beil. XVII.
* Die siebenbürgische Sanitätscommission an Maria Theresia. (Orig., R.
d. B.-Kr.-M. 62/26.) »Herraanstadt, den 30ten März 774. Es scheinet,
daß die Überbleibsel der Pest in der Wallachey mit Ende Jenner gänz-
lich erloschen seynd; Wenigstens kommen alle seitherige Nachrichten
Übereins, daß nirgends die mindeste Spur dieses Übels anzutreffen sey;
die Moldau ist ohnehin des ganzen leztverwichenen Jahrs davon frey
geblieben. Hermanstadt, den 30ten März 774.*
fti
3*»
., - J- .
. i.*;
116
Befehle und Verhaltungsvorschriften ergingen an Mieg
seitens seiner Vorgesetzten, als jener angezeigt hatte^ dass die
Russen in der Bukowina Anstalten treffen, dieselbe zu ver-
lassen. Schon jetzt wurde der Gedanke angeregt, kleine
Truppenabtheilungen in die Bukowina vorzuschieben, welche
die künftige Besitzergreifting dieses Landes vorbereiten sollten.*
Dies geschah auch bald darauf, weil auch der Kaiser damit
einverstanden war. Nur mahnte letzterer zur Vorsicht, die
Russen ja nicht in ihrem Rechte zu beeinträchtigen, weil da-
durch die Absicht leicht vereitelt werden könnte. Vor Allem
wünschte man vorläufig keine Adleraussteckung; wenn dies
aber nach Abzug der Russen geschehen sollte, so musste die
r'})-^ Extension der Grenzen derart ausfallen, dass man auf einen
occupirten Theil eventuell Verzicht leisten könne.*
Um Alles festzustellen, unternahm der Commandirende
von G;alizien, Feldzeugmeister Elllrichshausen, selbst eine Reise
in die Moldau, um sich persönlich von dem Stande der Ver-
hältnisse zu überzeugen,' worüber er in einem längeren Schreiben
Bericht erstattete.*
Doch hing die Lösung der Bukowinafrage lediglich von
einer glücklichen Beendigung des Krieges seitens Russlands
ab. Siegte Russland, dann konnte Oesterreich auf eine bal-
dige Erwerbung der Bukowina hoffen. Wenn nicht, dann
hätten Kaunitz auch die Vorbereitungen, die er bereits getroffen
hatte, nicht viel nützen können. Daher mussten auch die
Nachrichten vom Kriegsschauplatze eine erhöhte Bedeutung
erhalten.
Nachdem die Russen ihre Klriegsrüstungen halbwegs wieder
vollendet hatten, arbeitete Romanzow auf eine Entscheidung
hin. Er brach nach einer abgehaltenen Musterung von Jassy
i:t/;^j auf und ertheilte den Befehl, die Türken anzugreifen.^ Die
Russen überschritten infolge dessen bei Gura balta die Donau
imd errangen blutige Siege über die Türken zwischen Schmnla
und Vama,® so dass Romanzow dadurch die Pforte bald zum
i Friedensschlüsse zu zwingen hoffite.''
■W' Je näher man demselben kam, desto lebhafter gestaltete
'■l^<*i ( sich die Thätigkeit derjenigen Personen, welche berufen waren.
» Beil. XIX. ' Beil. XX. » Beil. XXIII. * Beil. XXIV. » Beil. XXI.
/ f^ « Beil. XXI. XXn. ' Beil. XXI.
OL
117
die ihnen von den einzelnen Höfen anvertraute Aufgabe zu
lösen. EUrichshausen schreibt in einem langen Berichte über
wichtige Anordnungen^ die in der Bukowina ausgeführt zu
werden verdienten und im Laufe der Jahre auch ausgeführt
wurden. Die von Mieg geftindene, von Seeger historisch unter-
stützte neue Grenzlinie zwischen der Moldau und der Buko-
wina wurde von EUrichshausen in Augenschein genommen^ fUr
vortheilhaft geAinden und deren Annahme befürwortet.* Da die
damaligen Bewohner dieses Landes sich hauptsächlich mit der
Viehzucht beschäftigten, so wurden gleich anfangs einige be-
sonders grasreiche Gegenden zur Anlegung eines Gestütes
empfohlen. Vorzüglich war die Radautzer Gegend dazu ge-
eignet, weswegen später die Errichtung eines solchen daselbst
auch durchgeführt wurde. Heute ist dieses Gestüte eines der
blühendsten, und die Geschichte desselben muss bis auf das
Jahr 1774 zurückgeleitet werden. Auch die Anlegung von
Glasfabriken wurde angeregt und später durchgeführt.
Da die galizische Grenze gegen die Moldau offen und
von Waldungen entblösst war, so war man ai|f die Erwerbung
solcher bedacht, weil der Holzmangel mancher Gegenden die
Bevölkerung sehr empfindlich traf. Daher fasste man die Cho-
timer Gegend ins Auge.
Die Vortheile des Besitzes der Bukowina, welche auch
höheren Orts anerkannt worden sind, waren auch vom mili*
tftrischen Standpunkte so bedeutend, dass weder Mieg noch
EUrichshausen es unterlassen durften, auf einige wichtige Punkte
die Aufmerksamkeit höherer Kreise zu lenken.^
Major Mieg beschäftigte sich um die Zeit des Friedens
za Kutschuk Kainardsche mit Mappirungsarbeiten, nachdem er
die Begehung der neuen Grenzlinie zwischen Bukowina und
Moldau beendet hatte. Kaum wurde dieser Friedensschluss
EUrichshausen bekannt, als auch Mieg von letzterem aufge-
fordert wurde, die Beendigung der wichtigsten Terrainaufnahmen
zu beschleunigen und dann nach Czemowitz zu eilen, um die
Bewegungen der Russen besser beobachten zu können.*
Die schwierigste Rolle bei der Erwerbung der Bukowina
hatte unstreitig Freiherr von Thugut, welcher damals Oesterreich
bei der hohen Pforte vertrat. Die Verhandlungen darüber mit
* BeU. XXIV. « Beil. XXV.
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118
der Pforte einzuleiten^ fiel ihm zu. Dieser verlangte schon
Februar 1773 in einem Schreiben^ an Eaunitz von diesem
eine gute Karte der Moldau^ damit er sich diesbezüglich orien-
tiren könne. In diesem Schreiben erwähnt er einer Relation,
die er von Enzenberg — derselbe stand damals an der Spitze
des 2. walachischen Grenzregiments in Siebenbürgen — erhalten
hatte, worin eine ,durch die Moldau zu führende Verbindung
zwischen Pokutien und Siebenbürgen^ projectirt wurde. Anfangs
beschränkte sich Thugut darauf, die freundschaftlichen Bezie-
hungen zwischen beiden Reichen zu pflegen, zu erhalten, fremden
Einfluss, der dieselben hätte stören können, fernzuhalten, und
die Wege, welche zu den Verhandlungen mit der Pforte be-
züglich der Erwerbung eines Theiles der Moldau führen mussten,
für. die Zukunft zu ebnen. Nachdem er sich überzeugt hatte,
dass diesbezüglich von der Pforte auf friedlichem Wege nichts
erreicht werden könne, glaubte er auf den Umstand hinweisen
zu müssen, dass es leichter sei, gegenüber der Pforte besetztes
Gebiet zu behaupten, als solches, wenn man auch ein Recht
dazu hätte, auf friedliche Weise zurückzuerlangen. Seine Be-
mühungen unterstützte Barco.
Der russische Feldherr gestattete schon Mai 1774, also
ungefähr drei Monate vor dem Friedensschlüsse, dass einzelne
österreichische Truppentheile im Czemowitzer Bezirke bis an
den erwähnten Bergrücken vorgeschoben wurden,* natürlich
unter der Bedingung, den Russen in keiner Weise hinderlich
zu sein.
In welch' hoher Gunst Barco beim russischen Feldherm
'^■^ >| stand, kann man daraus schliessen, dass er wohl der Erste
war, der am selben Tage, an welchem der Friede zu Kutschuk
Kainardsche geschlossen wurde,^ davon Kenntniss erlangte,
* Hurmuzaki VU, 8. 98—101 (Pera bei Constantinopel den 3. Febr. 1773).
« Vide S. 107, Anm. 1.
• Beil. XXV ... Barco schrieb am 17. Juli 1774, dass der Friede am
selben Tage geschlossen worden sei. Zinkeiseu sagt im V. Bd., S. 959 : , Am
16. Juli trafen die osmaniscben Bevollmächtigten mit einem einzigen,
dem Fürsten Nicolaus von Bepnin zusammen; in 4 Stunden war Alles
zugestanden, Alles abgethan. Am nächsten Tage sollte die Unterzeichnung
des Friedensvertrages stattfinden. Die Russen bestanden darauf, dass
sie bis zum 21., dem Jahrestage dös Friedens am Pruth, verschoben
werde.* Dohm hingegen schreibt im I. Theile seiner ,Denkwürdigkeiten*,
S. 505, der Friede sei am 21. Juli geschlossen worden. Von Oncken
119
wenn er auch über die einzelnen Punkte de^elben wahrschein-
lich nicht unterrichtet war. Es herrschte durch längere Zeit
(krüber ein Geheimniss^ unter welchen Bedingungen dieser
erhalten wir als Datum dieses Ereignisses den 6. Juli (Allgemeine Ge-
schichte in Einzeldarstellungen. Das Zeitalter Friedrichs des Grossen,
2. Bd., S. 500); Tassara gibt sogar den 10. Juli an (Tassara an Eaunitz,
Pera bei Constantinopel, den 23. Jänner 1778. Orig. im k. n. k. Hans-,
Hof- und Staatsarchiv). Welches Datum ist das richtige? — Schon der
Umstand, dass Barco mit brennender Ungeduld auf den Abschluss dieses
Friedens, der Oesterreich zu einer Erweiterung seiner Grenzen führen
sollte, wartete, dass von einem verspäteten Eintreffen dieser Nachricht
unabsehbare Verwicklungen, ja, bei der damaligen Weltlage, Kriege und
die Verzichtleistung auf die Erwerbimg der Bukowina abhingen, dass
also dabei die wichtigsten Interessen Oesterreichs, die Barco im russischen
Hauptquartiere zu fördern hatte, auf dem Spiele standen, dass er gerade
berufen war, die erste Nachricht über den geschlossenen Frieden nach
Wien zu schicken, dass er sich die Freundschaft Romanzow*s in hohem
Masse zu erwerben verstanden hatte, dass er als Diplomat und Officier
mne der wichtigsten Pflichten erfüllen musste, dass er also mit Leib und
Seele daran betheiligt war, spricht dafür, dass sein Bericht mehr Glanben
verdient als jeder andere. Er schrieb an Ellrichshauseu deutlich genug,
dass der Friedensvertrag am erwähnten Tage von Romanzow und den
beiden türkischen Gesandten unterfertigt wurde, und dass die Ratificirung
von Seite des Grossveziers nach drei Tagen erfolgen sollte, d. i. am
20. Juli. Wir kOnnen wohl hier anfügen, dass diese Ratificirung nicht
Am 20., auch nicht am 21. stattfand, wie die Russen erwarteten, sondern
erst am 6. Juli 1779, nachdem vorher am 21. M&rz 1779 zwischen Russ-
Und und der Türkei diesbezüglich ein Vergleich zustande gekommen war
(Tassara an Kaunitz, Pera, März 1779, und Tassara an Kaunitz, Pera, Juli
1779. Orig. im k. u. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv). Zink eisen, der
seine osmanische Creschichte auf Grundlage der ihm in Berlin ziir Yerfü-
gong gesteUten Archivalien verfasste, erwähnt den 17. Juli gar nicht, was
ans nicht befremden darf, da die damaligen preussischen Gesandten bei
der Pforte Öfters ihrer hohen Mission nicht gewachsen waren und infolge
dessen ihre Berichte manchesmal beträchtliche Lücken aufwiesen. Leichter
liesse sich das Datum Oncken*s erklären, wenn wir voraussetzen kannten,
d^ss er in seinem Werke dieses nach dem julianischen Kalender ge-
rechnet habe. In diesem Falle würde sich der 6. Juli a. St. mit dem
17. Juli (n. St.) decken, weil der Unterschied zwischen dem julianischen
nnd gregorianischen Kalender im 18. Jahrhunderte 11 Tage betrug
Oncken gibt aber nicht genau an, welchen Stil er gemeint habe, weshalb
^ Missverständniss leicht entstehen kann. Der 6. Juli n. St. würde
^ dieser Stelle gar keine Begründung finden. Das Datum Dohm's
basirt nur auf der russischen Annahme, daher es von unserem Standpunkte
als unhaltbar angesehen werden muss. Was das Datum Tassara's be-
trifft, so habe ich alle Berichte — soweit sie mir zur Verfügung standen
120
Friede geschlossen wurde; erst der Monat September brachte
in dieser Sache mehr Licht. Barco schickte aus Jassi in der
ersten Hälfte dieses Monats die wichtigsten Friedenspunkte ^
nach Wien, während Lobkowitz aus Petersburg Mitte Sep-
tember nach Wien berichtete, dass er ,das geschlossene Frie-
densinstrument nur zum Durchlesen von dem Grafen Panin
erhalten hattet* Vom russischen Ministerium konnte er jedoch
keine Abschrift erlangen.
2. Capitel.
Vom Frieden zu EutschnkKalnardsehe 17* Juli 1774 bis
zu der 7* Mal 1775 zwischen Oesterrefeh und der Tfirkei
geschlossenen Conrention«
In diesen Friedensvertrag haben die Russen einige Punkte
aufgenommen, welche die Moldau und die Walachei ^ betrafen.
Die Türkei gewährte den Bewohnern der beiden Fürstenthümer
vollständige Amnestie und unbeschränkte Religionsfreiheit. Die
von ihr den Klöstern und Privatpersonen entfremdeten Güter
wurden denselben zurückgestellt. Sie erweist der Geistlichkeit
die schuldige Achtung, gestattet freie Auswanderung, verlangt
keine nachträgliche Entrichtung von Steuern und behandelt
die Einwohner während der folgenden zwei Jahre in Bezug
auf die zu erhebenden Abgaben mit möglichster Schonung und
Milde u. s. w.; Barco ftlgt diesen Punktationen die Bemerkung
hinzu, dass der österreichische Hof auf Grund des Karlowitzer
Friedens eigentUch auf das ganze Gebiet von Chotim Ansprüche
zu erheben berechtigt sei.*
— dieses Gesandten durchgesehen, den Frieden zwar mehrmals erwlüint
gefunden, aber vom 17. August 1776 bis 1780 das Datum ,10. Juli* nur
einmal. Da dieses, wenn es auch aus der Feder eines Diplomaten kommt,
gar keine Begründung findet, so müssen wir es als ein Versehen be-
trachten. Bei Hammer finden wir ebenfalls den 17./21. Juli, 8. Dschem-
ewwel 1774 als Datum angegeben. Der 21. scheint wohl mit Rücksicht
auf den Wunsch der Russen gesetzt worden zu sein (Josef v. Hammer,
Geschichte des osmanischen Reiches, 8. Bd., S. 441 — 444).
» Beil. XXVI.
* Hurmuzaki VII, 8. 106; Kaunitz an Thugut, Wien, 20. Sept. 1774.
• Beil. XXVI. ♦ Beil. XXVH.
121
Aus einem späteren Berichte^ Barco's an den Hofkriegs-
prfisidenten entnehmen wir auch den Termin, bis zu welchem
Tage sich die Russen verpflichteten, die beiden Fürstenthümer
zu verlassen. Die Walachei sollte vom Tage der Unterferti-
gung des Friedensvertrages nach zwei, die Moldau nach fünf
Mcmaten geräumt werden. Die Räumung des letzteren Landes
fand jedoch infolge ungünstiger Witterungsverhältnisse beinahe
einen Monat später, d. i. im Monate Jänner 1775 statt, zu
welcher Zeit die Bukowina thatsächlich im Besitze Oester-
reichs war.
Infolge des erhaltenen Auftrages, gleich nach dem ge-
schlossenen Frieden sich an die projectirte Grenze zu begeben,
reiste Mieg nach Suczawa ab, um die Stimmung des Landes
kennen zu lernen und die Meinung hervorragender Persön-
lichkeiten bezüglich des Friedens zu hören. Die darüber ge-
machten Erfahrungen schrieb er nieder und schickte sie in
^em längeren Berichte^ an ElLrichshausen. Um ja genaue
Erkundigungen über Land und Leute einzuziehen, scheute er
sogar nicht, nach Jassi zu reisen, wo er mit Barco und russi-
schen Officieren zusammentraf.
Die Bojaren und das Volk befanden sich in einer sehr
gedrückten Stimmung. Von dem unvermuthet rasch geschlos-
senen Frieden erwarteten sie nichts Gutes, und durch längere
Zeit blieben sie über die Friedensbedingungen in voller Un-
kenntniss. Das Land war ganz verarmt. Bemerkenswerth ist
die Aeusserung des Bojaren Millio, wornach sich Romanzow
deshalb den Frieden zu schliessen so sehr beeilte, damit den
anderen Mächten die Möglichkeit, denselben zu beeinflussen,
benonunen werde, und weil die Anwesenheit des Ministers
Obreschkow,* der damals mit Romanzow im Zerwürfnisse war,
verhindert werden sollte. Die Abwesenheit dieses Ministers
bedauerten jedoch die Bewohner beider Länder sehr. Ausser-
dem theilte Mieg noch mit, dass er in der Moldau zwei grosse
Landstrassen kennen lernte, die von Suczawa nach Jassi und
von hier nach Sniatin — wohl über Mamomitza — führen,
und bemerkte, dass von der Dislocation russischer Truppen in
die Gegend von Suczawa abgesehen wurde. Nachdem also in
der Bukowina von den Russen nur sehr schwache Besatzungs-
* B^. XXXI. J Beil. XXVII. » Ibid.
ArchiT. Bd. LXXVIII. I. HÄlfte. 9
n
122
truppen zurückgelassen wurden und auch nach dem Frieden
in der Suczawagegend keine grösseren Truppenmassen der
U Russen nach der Meldung erwartet wurden, so lag der Ge-
danke nahe, mit Einwilligung Romanzow's grössere Truppen-
körper seitens Oesterreichs in dieses Land vorschieben zu
lassen. Die Absicht fand auch bei Kaiser Josef II. eine ent-
sprechende Berücksichtigung, demzufolge er die Durchftlhrung
einiger diesbezügUchen Massregeln ^ anbefohlen hat. Mieg erhielt
unter Anderem den Auftrag, ein Geschenk für Komanzow nach
Jassi zu bringen und es durch Barco übergeben zu lassen.
Zwei Brigaden, Spleny imd Kiss, standen bereit, in die Buko-
wina einzumarschiren.* Man zögerte aber mit dem Vormarsche
bis zum Eintreffen der Zustimmung Romanzow's, was zum
Glücke bald geschah.
Dem Vorschlage •"* Kaunitz' an die Kaiserin entnehmen
wir noch einen anderen Grund, warum man sich bezüglich der
Besetzung der Bukowina nicht an den russischen Hof wandte.
Es waren damals an der galizischen Grenze Streitigkeiten ent-
standen, die noch nicht behoben waren* und die man durch
Verquickung mit der Bukowinairage nicht verschärfen wollte.
Weshalb man sich veranlasst sah, an Romanzow ein Ge-
schenk zu schicken, darüber äussert sich der österreichische
Reichskanzler in der mehr erwähnten Meldung dahin, dass
Romanzow die Aufmerksamkeit gebühre ,wegen vieler Freund-
schaft, Rücksicht und Gastfreyheit^, wie es ja der König von
Preussen auch gethan hat.*
^>| Bald darauf mieldete Barco aus Fokscheni, dass Romanzoipv
die sofortige Besetzung der neuen Grenzlinie zugestanden
habe und nach seinem Aufbruche auch die Aussteckung der
k. k. Adler. ** Zugleich war in der Meldung auch die Nachricht
enthalten, dass Romanzow plötzlich erkrankt sei. Die Wirkung
derselben war deprimirend genug, als nebstbei bekannt wurde,
dass Qtsl{ Soltikow, ein Gegner Romanzow's, den Oberbefehl
über die russische Armee übernommen habe.'
Wie wenig dieser zeitweilige Wechsel in der Leitung der
friedlichen Stimmung schadete, beweist der Umstand, dass in
. .'
-;>■
N
\
\
» Beil. XXVm, XXIX. 2 Ibid. « Beil. XXX.
♦ Dohm*8 »Denkwürdigkeiten', I. Th., 8. 610.
ß Beil. XXVin, XXX. « Beil. XXXI. ' Beil. XXXVUI.
123
einer aus dem Jahre 1777 stammenden Beamtenliste General
Spleny seine Thätigkeit als Administrationsdirector über die
Bukowina mit dem Amtssitze in Czemowitz schon seit dem
I.September 1774 datirt, da seine Brigade unmittelbar nach
der erfolgten Einwilligung von Seite Romanzow's bereits am
31. August 1774 in die Bukowina, respective Czemowitz ein-
marschirt sei.^ Dies müssen wir gegenüber anderen Zeitangaben
festhalten. In Czemowitz* aber stand eine Husarenabtheilung
in fester Stellung, die wahrscheinlich seit Mai d. J. dorthin
beordert worden war.
Oeneral Kiss scheint nach dem Berichte ' EUrichshausen's
vor Spleny in die Bukowina einmarschirt zu sein, wenn wir
nicht irren, in die Gegend von Prevorodek — in der Hand-
schrift Prudek — wo das Stain'sche Regiment auch nach der
Dislocationstabeüe ^ seit dem Einmärsche seine Quartiere bezog.
Damit begann eine allgemeine Vorrückung der zur Be-
setzung und Behauptung der Bukowina bestimmten Regimenter:^
Thürheim, Siskowitz, Nugent, Brinken, Stain, Hadik- und
Barco-Husaren. Das Török'sche Husaren- und das Württem-
bergische Dragonerregiment bezogen ihre Quartiere dicht hinter
den ersteren. Die ersteren drei Infanterieregimenter mit den
Barco-Husaren standen am rechten Flügel, die beiden anderen
mit den Hadik-Husaren am linken, mit der Front gegen die
Moldau. Die Hauptpunkte des Landes wurden selbstverständ-
lich stärker besetzt, weniger wichtige schwächer; in welcher
Weise dies geschah, ersieht man aus der Dislocationstabelle *
and dem Berichte EUrichshausen's. Man könnte höchstens
noch hinzufügen, dass den Truppen eingeschärft wurde, gegen
die Bewohner der neuen Provinz freundlich und gefällig zu
sm, die Russen aber mit grosser Höflichkeit zu behandeln.
Um die Verbindung zwischen den Truppen dies- und
jenseits des Pruth leichter herzustellen, erging der Befehl, über
diesen Fluss eine Schiffbrücke herzustellen.'' FreiUch konnte
der Befehl nicht so leicht ausgeführt werden. Erst im Jahre
1775 wurde eine ärarische Schiffbrücke über den Pruthfluss
g^chlagen. Bis 1775 besorgte die Ueberfuhr über den Pruth
das Kloster Horecza, dem dieses Privilegium von den früheren
' Beil. XXXV. « Beil. XXXH. » Ibid. * Beil. LXXIH. » Beil. XXXIH.
LXXITT. • Ibid. » Beil. XXXV.
9*
j
124
MoIdaufÜrsten verliehen worden war, weil es wegen seiner
ungünstigen Lage arm war und von den Ueberfahrgebühren
sein Dasein fristete. Noch zwei Jahre, d. i. bis 1777, scheint
die Administration in Czernowitz dem Kloster die flinnahmen
belassen zu haben, weil die Schiffbrtlcke über den Pmtk wahr-
scheinlich nicht dauerhaft war und dem lebhafteren Verkehre
allein nicht entsprechen konnte. Im Jahre 1777 aber hatte
die Brücke jenen Grad von Festigkeit und Sicherheit erreicht,
um jede Concurrenz auszuschliessen. Daher verlor das Kloster
das alte Privilegium, welches es zwar durch ein Majestätsgesuch
wieder erlangen wollte, aber nie mehr zurückerhielt,^ weil die
Brücke von nun an auf ärarische Kosten erhalten wurde.
Mit dem Einmärsche der österreichischen Truppen in
Czernowitz und mit der Errichtung einer Landesadministration
daselbst wurde der Grund zu der heutigen Grösse, Schönheit
und Bedeutung dieser Stadt gelegt. Wenn sie in Bezug auf
ihre Vergangenheit den anderen älteren Städten, wie Suczawa,
Radautz und Siret, nicht gleichgestellt werden kann, so war sie
doch durch ihre günstige Lage auf einem Bergrücken am
Pruthflusse, an einer Hauptstrasse, die von Jassi nach Lembei^
führte, durch ihre Nähe an der polnischen Grenze frühzeitig
berufen, in der Geschichte eine Rolle zu spielen. Ln 15. Jahr-
hundert residirte in Czernowitz bereits ein Starosta.'
Die bisher in die Bukowina eingerückten Truppen reichten
aber noch nicht aus, um das Land vor allen drohenden Ge-
fahren zu schützen. Deswegen wurden diese Truppen nach
und nach verstärkt.^ Erst am 24. October schrieb EUrichs-
hausen an Hadik,^ dass die militärischen Massregeln im Lande
bis 25. desselben Monats vollendet sein werden. Nachdem dies
geschehen war, trachtete man, die Aussteckung der Adler
noch vor dem Abzüge der Russen vorzunehmen, weil die
Türken von dem Einmärsche der Oesterreicher bereits Kunde
erhalten hatten, wodurch sich die Verhältnisse ernster gestalten
konnten. Die Aussteckung der Adler war bereits am 19. No-
' Kloster Horecza an Kaiser Josef II., ddo. 6. October a. St. 7272.
' Bei Czernowitz soll ein Kampf zwischen Moldauern und Polen statt-
gefunden haben, in welchem sich der Gros^vater des Geschichtschreibers
iSamicius ausgezeichnet hat Beil. XIU.
« Beil. XXXIX. * Beil. Uli.
125
rember* eine ToUendete Tbateache, trotzdem die RuBsen bis
JSimer' 1775 in der Moldau verblieben.
Die Einqnartirung der Truppen in der Bukowina hatte
manche Unzukömmlichkeit im Gefolge. Infolge dessen sah
sicli Kaiser Josef II. veranlasst, folgende Resolution zu erlassen:
J)asselbe Brinkische Bataillon (ganz) soll nicht bemttssigt
seyn in der späten Jahreszeit viel weniger im Winter ganz
in Hatten die Postirung zu halten, sondern in den
uAchst rückwärts liegenden Dörfern zu unterbringen getrachtet
werden.'
,Die anstalten sind dergestalten zur Besetzung zu massigen,
iiZ die Manschaft nicht leide noch viel weniger die iuwohner
gedruckt werden, wanneii hero von der winterpostirung in
Hütten es gänzlich abzukommen habe, da ohnedies nichts feind-
liches, aosgenommen von einigen gesUndel, zu befürchten ist'^
Wie man mehl, hat Kaiser Josef damals auf die Bewohner
der Bukowina besondere Rücksichten genommen. Dies vemr-
uchte bei der Bevölkerung eine grössere Neigung für Oester-
reich als fUr Russland, weil letzteres während des Krieges durch
rfickmchtsiose Behandlung derselben sich die Sympat^iien ver-
scherzt hatte. Aus der Moldau allein wurden 13.484 bespannte
Wagen * von den Russen zu verschiedenen Transporten requirirt.
Der Czemowitzer District musste 1500 Wagen,' der Suczawaer
sogar 2000 derselben ihnen zur Verfügung stellen.
Nach dem Friedensschlüsse begannen die geflüchteten
Familien allmälig wieder in die DoDaufiirstenthämer zurtlck-
nikehren. Diejenigen, welche während des Krieges ihren
Aufenthalt in Siebenbürgen genommen hatten, richteten an den
commandirenden General von Siebenbürgen, Feldzeugmeister
Preias, ein Dankschreiben" in italienischer Sprache, welches
nach Wien geschickt wurde. Bekannte Namen, wie Cretuleseul,
ßaccovita, Vacarescul, Stirbei u. a. finden wir unterzeichnet.
Der Einmarsch der Oesterreicher in die Bukowina und
die Besetzung der wichtigsten Punkte dieses Landes konnte,
wenn auch die Russen noch im Besitze desselben waren, bei
dem nun lebhafteren Verkehre nicht lange verborgen bleiben.
' BöL LXt LXVH. • Beil. LXXIX.
' Tortn^. Wien, den 6. Sept. 1771. BAndbemerkonft- (Eigeohlndig 23/640.)
' B«il. XLVni, » Beil. XLIX. • Beil. XL.
126
Der Divan in Jassi erfuhr zuerst davon und benachrichtigte
sogleich den Pascha von Silistria^ von dem dann die Kunde
nach Constantinopel gelangte. So geschah es^ dass der Divan
allsogleich zwei Bojaren^ nach Czemowitz entsendete; welche
an den Cordoncommandanten drei kategorische Fragen^ zu
richten hatten. Major Mieg war aber schon früher von der
Ankunft dieser Deputirten durch Barco' in Kenntniss gesetzt
worden, infolge dessen jener denselben solche Antworten er-
theilen konnte^ die letztere zufriedenstellten. Er theilte nämlich
dem Senator Georgi Beltimanü mit, dass der Einmarsch auf
Befehl Sr. Majestät erfolgt sei, um die Grenzen vor Raub und
Plünderung zu schützen; hingegen die Aussteckung der Adler
zur Bezeichnung einiger geometrischer Punkte geschehen sei.
Damit schienen die Bojaren, Beltimanü und Sturza, zufrieden
zu sein.
Es zeigte sich aber bald, dass der Divan die Sache ernster
auffasste. Er verständigte von der Besetzung der Bukovrina
den Pascha von Silistria, welcher seinerzeit dem Stellvertreter
Romanzow's, Repnin, davon Mittheilung machte und denselben
frug, ob diese Mittheilungen auf Wahrheit beruhen. Repnin
wusste, allem Anscheine nach, von den Absichten des öster-
reichischen Hofes nichts* und handelte in diesem Falle nur im
Auftrage Romanzow's,^ der damals zwar noch krank war, aber
die Verhandlungen mit der Pforte zu führen sich vorbehielt
Nachdem nun die Pforte von dem Einmärsche der Oester-
reicher in die Bukowina Kunde erhalten hatte, war es Barco
schwer, aus den Absichten Oesterreichs noch lange ein Ge-
heimniss zu machen, weshalb er sich entschloss, dem Divan
von Jassi den wahren Sachverhalt auseinanderzusetzen. Dieser
Schritt des Generals war in mehr als einer Hinsicht geeignet,
die Aufmerksamkeit der Nachbarmächte in hohem Masse in
Anspruch zu nehmen. Er schien anfangs auch Mieg nicht un-
bedenklich zu sein,^ weil infolge dessen nicht nur mit der
Türkei, welche das von den Russen geräumte Land allsogleich
besetzen wollte, ein Zusammenstoss stattfinden konnte, sondern
auch mit den Russen, welche einzelne Punkte in der Bukowina
noch besetzt hielten,' daselbst die vielen Tausende von Wagen
> BeU. XLm. « Ibid. » Beil. XU. XLIV. * Beil. XLVI. XLVIL
» Beil. XLV. • Beil. XLIX. » Beil. LI.
127
reqniiirtea und 26.000 Löwenthal er vom Lande zu fordern
hatten.' Barco muse daher diesen Schritt im höheren Auftrage
gethftu hstben.
Die nächste Folge war die sofortige Besetzung auch der-
jeoigcn Punkte in der Bukowina, welche von den KusseQ noch
besetzt gehalten wurden. Nach den erhaltenen Meldungen^ war
sogar die Verbindung mit Siebenbürgen bereits hergestellt, so
dass nur die Auasteckung der Adler bis zur RUckkehr Ro-
maiiBOw'e nach Jassi verschoben wurde. Die am 24. October
1774' auch tbatsächlich erfolgte Besetzung der ganzen Grenz-
linie gegen die Moldau war ein erfreuliches Zeichen fUr die
baldige Erwerbung der Bukowina.
Von Romanzow wurde erwähnt, dasa er gleich nach dem
ZugestAndnisse der Adleraussteekung, d. i. am 20. August 1774/
erkrankte und am vierten Tage darnach sein Zustand sich
derart verschlimmerte, dass der General en chef Graf Soltikow,
welcher sich bereits auf der Rückreise nach Petersburg befand,
dorch einen Eilboten zur KUckkehr in das russische Haupt-
cjuartier veranlasst wurde. Dass diese Krankheit ein bösartiges
Fieber und nicht eine Geraiithskrankheit war, wie Barco an-
fangs annahm, ergibt sich aus dem Verlaufe der Krankheit
selbst, die drei volle Monate dauerte. Jedenfalls bat der Tod
des Veziers, mit dem er den Frieden zu Kutscliuk Kainardschc
abgeschlossen hatte, deprimirend auf sein GemUth gewirkt, weil
er furchten musste, um die Frucht seiner Mühen zu kommen.
Anfangs war zu besorgen, dass er infolge seiner Krankheit
nach RuBsland zurückkehren werde. £s scheint jedoch das
Schreiben des neuen Grossveziers Soliman Pascha den Fcld-
marachall zum Verbleiben umgestimmt zu haben, nachdem der
bihalt desselben ihm ' die freudige Botschaft brachte, dass auch
er (Grossvezier) den geschlossenen Frieden voIUnhaltlich be-
slätige. Damach war die Räumung der Walachei ebenfalls
nach zwei, die der Moldau nach fünf Monaten festgesetzt.*
War schon die Ungewissheit, in welche Oesterreich durch
die Krankheit " des ihm befreundeten Romanzow versetzt wurde,
Dod dessen Stellvertretung durch Soltikow peinlich, so schien
die Uebei^abe des Commandos an den Fürsten Bepnin, der
128
*6j^'
als entschiedener Feind RomanzoVs und Oesterreichs bekannt
war^ aDe Erfolge Barco's in Frage zu stellen. Aber bald
darauf erkrankte auch , Repnin, und RomanzoVs Krankheit
verschUmmerte sich noch mehr,^ so dass Oberst Tutohnin der
Höchstcommandirende in den beiden Fürstenthümem war.*
Gerade um diese Zeit sind dem Divan und somit auch Tutel-
min die Absichten der österreichischen Regierung bekannt
geworden.'
Von Fokscheni* wurde Romanzow nach Berlad,^ von da
endlich nach Jassi gebracht. Diesen Zeitpunkt benutzte nun
Barco, um mit Romanzow wieder in Unterhandlung zu treten,
die so lange unterbrochen werden musste. Anfangs November
machte die Wiedergenesung Romanzow's rasche Fortschritte,
so dass er ein Schreiben an die Kaiserin Maria Theresia richten
konnte, welches von Barco seinem eigenen Briefe an Ellrichs-
hausen zur Weiterbeförderung beigeschlossen wurde.^ Im selben
Schreiben wird noch hervorgehoben, dass Romanzow zwar
wegen schlechter Witterung in Berlad bleiben musste, hingegen
die Aussteckung der Adler an den Grenzen der Bukowina
gestattet habe.' Barco beauftragte unter dem 12. November
1774 den General Spleny, die Aussteckung der k. k. Adler zu
veranlassen, was bis zum 19. desselben Monats auch ausgeftlhrt
wurde.® Wir müssen denmach das Datum des 12. November
1774, womit die Vorbereitungen seitens Oesterreich, Bukowina
zu erwerben, ihren Abschluss gefunden haben, in der Geschichte
dieses Landes als ein sehr wichtiges ansehen.
Anfangs December war Romanzow von seiner Krankheit
so weit hergestellt, dass Barco aus Jassi seinen Bericht niit
dem Beifügen ergänzen konnte, der Feldmarschall werde am
11. oder 12. December diese Stadt bereits verlassen.^ Die Abreise
erfolgte um einen ganzen Monat später, und erst am 14. Jänner
1775 sehen wir Romanzow in seinem neuen Bestimmungsorte
Mohilew.^^ Es hatte sich nämUch der Ausmarsch der russischen
Armee infolge des hohen Ki*ankenstandes sehr verzögert Das
Spital in Jassi hatte allein 2363 Kranke zu verpflegen; ^^ in
den anderen Spitälern soll die Zahl derselben noch grösser
» Beil. XLVm. « Beil. XLIX. » Ibid. * Beil. LIL » Beil. LVL • Beil.
LX. LXI. ' Ibid. und Beil. LXII. « Beil. LXVH. • Beil. LXVm.
" Beil. LXXVm. " Beil. XLU.
129
gewesen sein. Die Transportiruiig dieser Kranken, die bis snim
11. September' hatte geschehen müssen, war unter den da-
maligen Verhältnissen mit beträchtlichen Schwierigkeiten und
fbr die Moldau mit Aufbietung einer besonders grossen Zahl
Ton Wagen verbunden. Dieses Land musste deren allein 13.484*
rar Verfügung stellen, die, wenn sie die russische Grenze über-
schritten hatten, nie zurückgekehrt wären.^ Es lag daher im
Interesse der in die Bukowina eingerückten KsteiTeichischen
Trappen, zu verhüten, dass die für den Transport aufgebotenen
W«gen fUr dieses Land verloren gingen.* Beachtenswerth war
daher der Vorschlag* Mieg's, der von Romanzow die Einstellung
(lieser beträchtlichen Wagenansfuhr zu erwirken bezweckte.
Allein dies war nicht so leicht zu erreichen, weil Bare» Ro-
manzow ja versprochen hatte, den Russen in keinerlei Weise
hinderlich zu sein.
Auch hier nahm aber die Sache eine glückliche Wendung,
Die Russen requirirten nämlich die Wagen mittelst ,Executions-
commanden', die entweder aus Infanterie oder Cavallerie be-
standen.^ Sobald mm ein solches Commando die von den
Oesterreichem besetzte Grenzlinie zu überschreiten im BegriflFe
war, wurde es unter der Zusage, dass die Oesterreicher dies
(Ar die Russen besolden würden, zurückgehalten.^ Später haben
rerschiedene Umstände die ganze Angelegenheit in Vergessenheit
gebracht, infolge dessen die Russen auf die Wagenrequirirung
aus der Bukowina verzichteten.
In diese Zeit ßlllt auch die Ernennung Ghika's zum
Fürsten der Moldau, die fUr Oesterreichs Ahsichten auf die
KrwerbuDg der Bukowina von nicht geringer Bedeutung war,
ßrigori Ghika war vor dem Jahre 1768 Dolmetsch hei der
Pforte. Als solcher erwarb er sich die Gunst des preussischen
Emissärs Rexin * dadurch, dass ihn Ghika zum Nachtheil Oester-
reichs unterstützte. Im Jahre 1768 wurde Grigori Ghika zum
Fürsten der Walachei ernannt und erhielt wahrscheinlich auch
die Verwaltung der Moldau. Das Letztere ergibt sich nämlich
aas einem Berichte Thugut's an Kaunitz vom 17. Augast 1774/
' BeU. Xm. ' Boil. XLVIU. » Beil. LV
' BeU. LIX. » Ibid.
' Hnnnniaki VII, 8. 103.
' Ibia., 3. 103. Vgl. Ärneth, 8. Bd., H. 4T&.
130
welche Thatsacbe jedoch von den Historikern bisher Übersehen
wurde.
Im Jahre 17G9 verlor er seine Länder, weil die Russen
nach dem Siege bei Chotim über die Türken (am 18. September)
zuerst die Moldau und dann auch die Walachei in Besitz
nahmen. Im Juli 1770 begibt er sich an der Spitze einer
Deputation nach Petersburg, um seine Unterwerfung zu be-
weisen' und seine Freundschaft filr Russland an den Tag zu
legen. Mit der Aufnahme am russischen Hofe konnte er zu-
frieden sein, denn die Kaberin beschenkte ihn und nahm
ausserdem seinen Sohn in das Petersburger Cadettencorps auf.*
Nach dem Frieden zu Eutschuk Kainardsche bewarb sich
Gbika neuerdings um die Fürstenwiirde in den Donaufürsten-
thUmem, indem er seine HotFuungen auf die Freundschaft
Russlands' und Preussens setzte, welch letzteres seinen früher
geleisteten Diensten die Anerkennung nicht versagen konnte.
RuBsland war damals in Constantinopel noch durch keinen Ge-
sandten vertreten, aber der prcussische Gesandte Zegelin über-
nahm die Verpflichtungj im Sinne Russlands zu handeln.*
Nichtsdestoweniger erfahren wir aus der Depesche Tha-
gut's,* dass auch letzterer von Zegelin wiederholt um die Un-
terstützung der Wahl Ghika's gedrängt wurde, was Thugut
erst nach einer vorangegangenen Aufrage bei Kaunitz nur
bedingungswcise zu thun steh e ntsc bloss, '^
Gliika selbst Hess keine Gelegenheit vorübei^ehen, um
auch Oestorreich, im Falle er gewählt würde, seiner Freund-
schaft zu versichern. Dies erfahren wir aus dem Schreiben
» Zinkeisen V, S. 922, 923.
' Kaunitz an Thu^t, 21. Au^st 1770.
» Beil. XLII.
* Ametb, 8. Bd., S. 475. Daraus ist auch die Darstellung Zinkeisen'e VI,
S. 88 ff. zu folgern, weither Zegelin da« grössta Veritienst luschreibt,
Ghika's Wahl zum Woyivoden der Moldau durchgesetzt zu haben, der
anderen MKchte aber, die dar.u beigetragen haben, keine Erwähnung thut.
Dieser Historiker fllhrt uns, um Zegelin'a Verdienst begoadan herrorsa-
leben, auch die diesbezügliclie Stelle aus einer Depeache des letzteren
an, weiche besagt, dass die Pforte, .einem so wahren Freunde, wie jh^
der KOnig von Prenaeen sei, nichts refMren kOnne'! (Zinkeisen, VI. Bd
8. 88, 89.)
» Thugut an Kaunitz, 17. August 1774.
* Kaunitz an Thugnt, 6. September 1771. Honnuzaki VII, 8. 106.
131
Buco'b an Hadik,' der die AeuBserung Ghika's erwähnt, ,dafl
wann Er wie es alle AascheinuQg hat, wieder als Fürst in der
Moldau eingesetzt werden solte, Er alles vortheilhaftes fUr
unsere Allerhöchsten Hoff verschaffen wolle'. Wenn Oesterreich
dieaen Worten nicht das rechte Vertrauen entgegenbrachte, so
war dies hauptsächlich durch das frühere Benehmen des Fürsten
gerechtfertigt. Dennoch befürwortete Thugut den erhaltenen
Instructionen gemäss Ghika's Ernennung zum Fürsten in der
Moldau in der Erwartung, dass wenigstens dessen Schwieger-
vater, Jakohaki Biso, eine freundschaftliche Haltung gegen
Oesterreich beobachten werde, welche Hadhung später auch in
Erfüllung ging. Diesem zuerst setzte Thugut die Vortheile
auseinander, deren Crhika eventuell theilhafdg würde, wenn
Oesterreichs Interesse durch ihn eine Förderung erfahren sollte.*
Bald darauf erschien in Constantinopel eine moldauische
Deputation mit den Insigoien und Geschenken für den künf-
tigen Fürsten,^ woraus man schliessen konnte, dass die Er-
nennung deBselbeii bald erfolgen werde. Am 12. oder 13. Oc-
lober n. St, 1774 — der Tag Iftsst sich aus den Handschriften
ganz genau nicht bestimmen — wurde Ghika zum Fürsten
enianDt Dies entnehmeD wir einer Relation Mieg's an EIl-
richshauseo,* woraus folgende Stelle hervorzuheben ist: ,Der
Ehemalige Fürst Kika (= Ghika) ist nuumehro von der Pforte
als Fürst in der Moldau fbnnlich bestätiget worden.' Die Er-
nennung war eine lebensIängUche, und es war wohl überlegt,
wenn die Bemerkung hinzugefügt wurde, ,da(i dieß nur unter
der BedingniU geschehe, daQ er sich nicht eines wichtigeren
wohlerprobten Verbrechens schuldig machen würde'.* Russland
selbst soll auf der Aufnahme dieser Bedingung bestanden haben,
infolge derselben war die Freude Ghika's keine ungetrübte,
denn das Damoklesschwert schwebte stets über seinem Haupte.
Als volle vier Jahre später die Nachricht von seiner Ermordung
sich verbreitete, da dachte Niemand an die Bedingung, welche
Rusaland an die Ernennung Ghika's zum Fürsten geknüpft
liatte. Auch die Historiker haben bisher derselben keine Be-
achtung geschenkt, sonst hätten sie die Ermordung Ghika's
■ BeU. XXXI.
■ Ameth, 8. Bd., S. 476, 4T7.
' Beil. XUn, XLVI. ' Beil. XLDt.
^HnnDuzaki VII, S. 116.
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1 sei obneluD n*^ -
a^ daher die B*''"'
itj^it. infolge ii^ ■
.li3L UITf.U^
137
- .^trigouvemement in Lemberg 30 — 40 Meilen entfernt
Mw^'^m. ..Ansicht pflichtete auch der Kaiser bei.
■^8S- - 1775 sprachen alle Anzeichen dafür, dasa die
— ' "— 1^ einer baldigen Lüstin g entgegengehe. Schon
■^ * iber 1774,* also wenige Tage nach seiner Abreise
^ .^^=:3nte Barco an Hadik berichten, ,daU die TUrken
^H ^c: n uns) beschehene occupirung eines Theiles von
— - - _ ;=.. en Kopf neigen und diesen Fürgang dem Publice
* ■— inen Farben abmahlen',* Man unterschätzte dabei
^ -M» — keiten nicht, die dieser Lösung sich noch ent-
^g^^^ i ■ Denn es erhoben sich, wie vorauszusehen war,
_^^^ -— tretung der Bukowina Stimmen, welche bei aller
,^, ^ ^ der Pforte fllr Oeaterreich noch immer ihre Wir-
^ ^ ^ Sultan nicht verfehlen konnten, Zegelin, Repnin,
j^, I der IranzCIsische und englische Botschafter waren
^^,1,- mehr oder weniger in Rechnung gezogen werden
" " '^ ^_ T der Intelligenz und grossen Geschicklichkeit
, tTTlÖBC^
j8 ZU verdanken, dass Oesterreichs Bestrebungen
m Erfolg begleitet wurden.
. 1^ £t^ war im Jahre 1769 an Brognard's Stelle zum
j^ VJik*^^^ '° Constantinopel ernannt.* Als er in Pera ein-
, ^^jj_gB» fi^ Oesterreichs Einduss daselbst auf ein Minimum
Tral^ tt nach und nach gelang es ihm, denselben bei
'^^ ^i;eder soweit zur Geltung zu bringen, dasa er die
"" 'j^; zur Abtretung der Bukowina zu bringen hoffte.
Jjf» ^jj^Ljfjn Ahschluss der hierauf bezüglichen Convention
,j;e uu^ ^^li ßjng derartig bedenkliche Erkrankung, dass er
11- ^^ 1 jfgabe vollenden wollte, um dann aus dem Staats-
;,i i«!»»' jheiden. Aber bis dies geschah, entwickelte er
^antinopel eine äusserst rege und 1775 vom grössten
■ ■-"Wtf"*''^^ ^^tete Th&tigkeit. Anfangs Jänner' erhielt er von
.iT Sß"' j vertrauliche Mittheilung über Ghika, daas letz-
^ ;^ir»* " . .rte gegen Oesterreich aufzustacheln suche. ,Dio
j^m^^ ^an freundschaftlichen Veraicherungen dieses Staates
_»«■ -S^* tt trauen', schrieb Ghika, ,da Oesterreich durch
T ■ Beil. LXXVn. » Ibid.
I, 8. 200, 201.
"niuiiU, Pera, 4. JSnner 1776. Hnrrnnziiki Tu, S. HS.
138
J.'
'' >.*
die Besetzung der Bukowina das Qegentheil beweise. Das
besetzte Land sei viel fruchtbarer und habe auch eine grössere
Bedeutung als der übrige Theil der Moldau. Sogar die Be-
wohner verlangen, dass die Pforte die Bukowina an Oesterreich
nicht abtrete. Falls dies aber dennoch geschehen sollte, würden
sie entweder zur Selbsthilfe ihre Zuflucht nehmen oder sich
am Beistand an eine fremde Macht wenden. Derzeit wäre
das österreichische Besatzungsheer so schwach, dass es geringer
Mühe bedürfe, dieses zurückzuwerfen.' Riso suchte die mol-
dauische Deputation zu verhindern, diesen Bericht der Pforte
zu überreichen, was ihm jedoch nicht gelang. Der Reis Eflfendi
entliess die Deputation mit dem Bemerken, dass er die Sache
prüfen werde. Das Benehmen Ghika's gegenüber der Pforte
reizte jedoch den Reis Eflfendi derart, dass er seine Aufmerk-
samkeit mehr diesem als dem abzutretenden Theile der Moldau
zuwendete. Zwar fragte er Thugut, was an der Nachricht von
der Besetzung der Bukowina Wahres sei, begnügte sich aber
mit der ausweichenden Antwort Thugut's, dass Näheres darüber
ihm bald mitgctheilt werden wird. Bei dieser Gelegenheit erfiihr
er auch von der Geneigtheit Oesterreichs, auf friedliche Weise
und im Einverständnisse mit der Pforte eine Grenzregulirung
vornehmen zu wollen. Andererseits versicherte er Thugut, dass
d(;r Sultan trotz vieler Intriguen ein besonderes Vertrauen auf
Oesterreichs Freundschaft setze.
Darauf hin glaubte Thugut, Ghika's Feindschaft wenig
fürchten zu müssen, da die Pforte letzterem sehr misstraute;
ab(;r Kaunitz gegenüber sprach er doch seine Ueberzeugung
dahin aus, dass die Freundschaft Ghika's jedenfaUs die Nego-
tiationcn mit der Pforte wesentlich erleichtern könnte. Des-
wegen gab er Kaunitz den Rath, die österreichischen Truppen
nach und nach weiter vorrücken zu lassen, damit die Pforte
den ernsten Willen Oesterreichs, die Bukowina zu behalten,
erkenne, auf jede feindliche Agitation gegen Oesterreich ver-
7AchUi und sich auf eine freundschaftliche Weise mit geringem
VerluHU} begnüge. Denn Thugut fürchtete mit Recht, dass
die Pforte, weil man sie dazu mit Gewalt zu zwingen keine
Veranlassung habe, die Verhandlungen wegen der Cession
der Bukowina so lange als möglich hinausschieben werde,
bis irgend ein Zufall darüber später eine Entscheidung herbei-
führe. Ein anderer Grund zu dieser Befürchtung lag darin,
ki^:
( 'r
139
zu Beginn des rassisch - türkischen Krieges nur von
der Cession eines Stück Landes in der Walachei die Rede
Noch an demselben Tage schrieb Thugut an Kaunitz einen
zweiten Bericht über die Zudringlichkeit Zegelin's^ sich in
fremde Angelegenheiten zu mischen, wobei letzterer sich den
Anschein gäbe, als ob er sich bei der Pforte eines besonderen
Einflnsses erfreue, jedoch von Russland in einer nicht misszu-
verstehenden Weise abgewiesen wurde.*
Kaunitz war von den Bemtihungen Thugut's, die Pforte
zu einer friedlichen Cession des Bukowina-Districtes zu bewegen,
ToUkommen überzeugt und hoffte dabei auch die Unterstützung
des Pascha von Chotim erlangen zu können, um die besetzte
Grenze bis Rohatin zu erweitem. Wenn dies aber durchaus
nicht gelingen soUte, so müsse Thugut trachten, das Gewonnene
SU behaupten.^ Da durch mancherlei Intriguen Fremder das
Vertrauen der Pforte zu Oesterreich in letzter Zeit einigermassen
erschüttert wurde, so ermahnte Kaunitz Thugut sich zu be-
mfthen, die Wege, welche zur Wiederherstellung der früheren
fireondschaftUchen Beziehimgen zwischen Oesterreich und der
Pforte führen könnten, durch ,überzeugende Mittel^ zu ebnen.
Dadurch hoffte Eoiunitz auch die verderblichen Folgen des
Friedens zu Kutschuk Kainardsche abschwächen zu können.
Er fürchtete, dass die Türken in ihrer jetzigen traurigen Situation
aus Europa leicht vertrieben werden könnten, in welchem Falle
man dies den Russen nicht allein überlassen dürfte, sondern
auch Oesterreich sich daran betheiligen müsste. Es ist aber
besser — schrieb er an Thugut — wenn das türkische Reich
in Europa so lange als möglich erhalten bhebe. Infolge dessen
war Thugut angewiesen, die Pforte auf die ihr von Osten
drohende Gefahr aufrierksam zu machen, ohne dass sie die
eigentliche Absicht Oesterreichs errathe. Denn Kaunitz flirchtete
die Indiscretion der Pforte, welche leicht die damalige poUtische
Lage Europas compUciren konnte.
Die Pforte, welche damals wie heutzutage recht lange
Zeit zu einer Entschlussfassung nöthig hatte, musste von dem
' Thu^t an Kaunitz, Pera, 4. Jänner 1776. Hnrmuzaki VU, 8. 115.
* Ebendaselbst S. 111.
* KamiiU an Thugut, Wien, 6. Jänner 1776. Hurmuzaki VH, 8. (116), 117.
10»
'
.t
140
festen Willen Oesterreichs, den Bokowinadistrict zu erlangen,
überzeugt werden. Da sie aber daran nicht recht glauben
wollte so war Kanxdtz anfangs der Meinung, sie zuerst durch
Truppenconcentrimngen an der Süd- und Ostgrenze zu beun-
ruhigen obwohl andererseits zu besorgen war, dass gerade
dieses andere unliebsame Complicationen zur Folge haben würde.
Daher war es den damaligen Umständen angemessen, als Thugut
seinen erhaltenen Instructionen gemäss der Pforte offen erklärte,
dass insolange sie mit Oesterreich bezügUch der Bukowina
kein freundschaftliches Uebereinkommen treffe, die österreichi-
schen Truppen diesen Theil der Moldau besetzt halten würden,
weil er früher zu Oesterreich gehörte. Daraufhin verlangte
die Pforte schriftliche Beweise für Oesterreichs Ansprüche auf
die Bukowina welchem Verlangen auch entsprochen wurde.
Um iedoch den Streit nicht noch mehr zu verschärfen, erhielt
Thuffut von Kaimitz den Auftrag, der Türkei eine Convention
vorzuschlaee^j in welcher vor Allem auf einen dauernden
Frieden hingearbeitet werden soUte. Im Uebrigen stand es
Thugut frei, diesbezügUch der Türkei sogar Anträge zu stellen;
nur durfte dem Frieden nicht die Form eines neuen Tractates
eeceben werden, weil man einen Widerspruch seitens der
übricen Mächte befilrchtete- Der zweitwichtigere Punkt in
der Convention sollte den Bukowinadistrict betreffen, dessen
Grenzfrage durch beiderseits gewählte Commissäre an Ort und
Stelle gelöst werden sollte. Auch Altorsowa soll gegen Ab-
trotunir einer [Donauinsel zu erlangen versucht werden, da
dioscH Objeot filr Oesterreich von Wichtigkeit wäre. Das durfte
aber die Lösung der zweiten Frage durchaus nicht hindern.
Freie Schiffahrt auf der ganzen Donau soUte flir die k. k.
Unterthanen erwirkt werden; dies wäre nicht als besondere
neue Begünstigung zu betrachten, sondern als ein Recht auf
Grund des zweiton Artikels des Passarowitzer Friedens.^
Darauf schrieb Thugut an Kaunitz, dass er im Sinne der
orhaltenon Instruction handeln und ihn von der Unterredung
mit Jakobaki Kiso in Kountniss setzen werde. Letzterer erhielt
nämlich von Uhika den Auftrag, Thugut die Mittheilung zu
machen, dass er (ührka) jetzt gezwungen sei, der Pforte die
von den moldauischen Bojaren über die Bukowina eingeschickten
1 KauniU an Thugut, Per«, 6. JKnnw 1776. Hurmuxaki VII, S. 121.
.^«.^j
141
Rapporte zu überreichen^ damit er in der Lage sei^ dagegen
entsprechende Massregehi zu ergreifen.
Ausserdem schickte der Fürst ein Manifest des Generals
T. Spleny aus Czemowitz, ebenso ein Schreiben desselben an
den Klostervorsteher von Suczawa ein, worin dfen Bewohnern
der Bukowina die Nichtbeachtung der türkischen Erlässe an-
befohlen wurde.
Thugut erwiderte Riso, dass es im Interesse des Fürsten
und der Pforte gelegen wäre, solche Nachrichten nicht zu über-
treiben. Riso möge daher mit der Ueberreichung der Berichte
Ghika's noch zögern. In der That wurde die Pforte von den-
selben erst später in Kenntniss gesetzt, womit Thugut sich
zufriedenstellte und derzeit die Aufrichtigkeit Ghika's ihm
gegenüber für wahr hielt. Dies dauerte jedoch nicht lange, denn
immer wieder wurde Thugut's Argwohn gegen Ghika von
Neuem angeregt. In diesem bestärkte ihn auch die Thatsache,
dass Ohika seine Briefschaften an Riso einem russischen Courier
anvertraute, woraus man schliessen musste, dass dies im Ein-
verständnisse mit Romanzow geschehe. Ausserdem hatte Jeder
von der Gepflogenheit der Russen, fremde Briefe zu eröffnen,
Kenntniss.
In der letzten Zeit machte der Reis Efendi im Namen
der Pforte Thugut ernstere Vorstellungen wegen der Bukowina
und wies darauf hin, dass die freundschaftUchen Versicherungen
Oesterreichs mit dessen Vorgehen in dem besetzten Lande
nicht im Einklänge stünden und eher auf eine offene Feindschaft
hindeuteten. Thugut suchte dieses zu entkräften und vertröstete
ihn mit den Worten, dass er nächstens diesbezüglich neue In-
structionen aus Wien erwarte.^
Während der schriftliche Verkehr zwischen Wien und
Constantinopel sich inmier reger gestaltete und die Thätigkeit
Barco's im russischen Hauptquartier mit seinem Abschiedsbesuch
in Mohilew zum Abschluss gebracht wurde, setzte der Com-
mandirende von Gtilizien, General EUrichshausen, die Bereisung
ier Bukowina fort, um höheren Orts eingehendere Berichte
darüber erstatten zu können. Seine Vorschläge beziehen sich
hauptsächhch auf die Conmiunicationen : bequemere Strassen
mit weniger Brücken im Gebirge, Befestigung der strategischen
* Thugut an Kaunitz, Pera, 18. Jänner 1776. Hurmuzaki VII, S. 124, 126.
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-C [
■?
M^^'
142
Punkte, so des Munticelu gora dromalai zwischen dem Kloster
Humor und Bordestie, dann eines anderen Punktes, eine halbe
Stunde vom Kloster Humor entfernt, bei einem Wirthshanse
gelegen, wo die Strasse von Vama nach Capucodndui und
Roman fiihrte, und die Vortheile der Communication zwischen
Siebenbürgen und Bukowina im Falle eines Krieges waren die
wesentlichsten Punkte, die Ellrichsfaausen in diesem Berichte
behandelte. Aus Siebenbürgen könnten die Truppen leicht in
die Thäler von Roman, Suczawa und Sireth verlegt und da-
selbst verpflegt werden; ebenso könnten zwischen Siebenbürgen
und dem Passe bei Humor ohne Gefahr Magazine angelegt
werden. Im Falle eines Krieges mit der Türkei müsste die
letztere ihre Streitkräfte theilen, daher würde sie weniger wider-
standsfähig sein, und bei einem weiteren Vordringen der öster-
reichischen Truppen sähe sie sich gezwungen, sich auf Widdin
und Silistria zurückzuziehen, infolge dessen die Oesterreicher
leicht Bosnien und Serbien besetzen könnten. Am Unken
Donauufer würden sich die Türken nur schwer behaupten.
Auch im Falle eines Vordringens der Türken in die Bukowina
müssten sie immer ein Debouchiren aus Siebenbürgen gegen
ihre Flanke fürchten, daher ein solches Vorgehen seitens der
Türkei sehr unwahrscheinlich sei. Dagegen könnte man sich
in der Moldau imd Walachei wegen ihrer Fruchtbarkeit län-
gere Zeit behaupten. Ebenso gross wären die Vortheile der
Communication zwischen Siebenbürgen und der Bukowina auch
','t^ 1f im Falle eines Krieges mit Russland imd Preussen.^
Zu den oben erwähnten wichtigen Verschanzungen von
Prevorodek ^ und Sniatin wären noch die von Pojana Samlina,'
Pojana blc^i,* deal mare beresova,^ pojana Harlu^a,^ f<5nt4na
sauchi,' Czernauka,® pojana Kosu^na,^ Stanahora,^^ Zuczka,^^
Comau^i,^^ Mamornita/^ Lukawetz,^* Derehlui,^* Siret,^^ Bor-
dujeni,^' Parhau^i,^^ Humor ^® und Bistri^afluss *^ zu erwähnen.
Diese dienten theils zur Bestreichung des tiefer liegenden Ter-
rains, theils zur Absperrung der Thäler, theüs zur Behauptung
* Beil. LXXIX. « Beil. LXXX, PI. 1. » ibid. PI. 2. * Ibid. PI. 3. » Ibid.
PI. 4. « Ibid. PI. 5. ' Ibid. PI. 6. • Ibid. PI. 7. • Ibid. PL 8. " Ibid.
PI. 9. " Ibid. PI. 10. " Ibid. PI. 11. " Ibid. PI. 12. " Ibid. PI. 13.
" Ibid. PI. 14. 1« Ibid. PI. 15. " Ibid. PI. 16. »« Ibid. PI. 17. » Ibid.
PI. 18. ^ Ibid. PI. 19.
143
der Strassenkreuzungspunkte und haben auch unter den heu-
tigen veränderten Verhältnissen ihre Wichtigkeit nicht ein-
gebüsst
Um das Land für alle Fälle zu sichern, theilweise auch
zur Diu-chfuhrung der nothwendigsten Culturarbeiten verstärkte
Kaiser Josef die dortige Besatzung durch eine Abtheilung des
Temesvarer Regimentes.^ Aber so lange die Unterhandlungen
mit der Pforte nicht abgeschlossen waren, sollten solche An-
ordnmigen, die für unumgänglich nothwendig erachtet wurden,
im Interesse des Landes selbst getroffen werden, sonst habe
es beim Status quo zu verbleiben.* Dabei verlangte er von
Ellrichshausen ein Gutachten, welcher Theil des besetzten
Landes ohne Nachtheil, d. h. ohne die Communication zwischen
Siebenbürgen und Galizien zu unterbrechen, an die Türkei
abgetreten werden könnte.^ Daraufhin schickte Ellrichshausen
an Hadik einen Bericht, in welchem er, dem Vorschlage Mieg's
rieh anschliessend,* der Abtretung eines Theiles des besetzten
Chotimer Gebietes bis Rohatinbach, deal mare beresova, Huko-
bach, Pruthfluss, Molnitzabach, Turiatkabach, Molnitzagraben
bis Sirethfluss seine Zustimmung gab.^ Der Kaiser hatte auf
Grund dessen den Befehl erlassen, bei der künftigen Grenz-
regulirung, zu der Barco und Mieg zu delegiren seien, haupt-
sächlich darauf zu achten, dass im Allgemeinen so wenig als
möglich von dem besetzten Gebiete cedirt werde, und dass die
Communication zwischen Siebenbürgen und Galizien beizube-
halten sei und eine genaue und vertheidigungsfahige Gb*enzlinie
bestimmt werde. Er zeigte sogar seine BereitwiUigkeit, von
Hukobach eine gerade Linie bis Brajestie ziehen zu wollen
mid auf das ganze Gebiet von Sireth und Suczawa zu ver-
achten, wenn Prevorodek behauptet werden könnte.^ Sollte
diesbezüglich von Seiten der Fürsten in der Moldau und
Walachei eine Anfrage erfolgen, so möge das Grenzcommando
erwidern, dass seitens Oesterreichs an die Pforte bereits Anträge
ergangen seien,'' worüber beiderseits eine Entscheidung getroffen
werden wird.
Es ist oben bereits angedeutet worden, dass die Russen
in Cbotim noch längere Zeit sich aufhalten mussten. Als end-
* Beil. LXXXn. • Beil. LXXXIH. » Beil. LXXXV. * Beil. LXXXVI.
' Beil. LXXXVn. • Beil. LXXXVIII. ' Beil. LXXXI.
144
lieh die Schwierigkeiten^ die der Räumung dieser Festung ent-
gegenstanden^ zwischen Russland und der Türkei behoben
wurden, traf die letztere Anstalten, Chotim in Besitz zu nehmen.
Dem wurde jedoch seitens Oesterreichs besondere Aufmerksam-
keit geschenkt. Deswegen unternahm OberstUeutenant v. Wein-
bergen des Regiments Stein eine Reise nach Chotim, um sich
darüber Gewissheit zu verschaffen. Dortselbst wurde er, in
Vertretung des russischen Brigadiers v. Beutling, vom Oberst
Baron v. Rothkirch empfangen, der ihm eröfihete, dass die
künftige türkische Besatzung von Chotim bereits auf dem
Marsche sei und bei Stefanestie, 8 Meilen von Chotim entfernt,
Halt gemacht habe. Auf die Frage über die Stärke derselben
erwiderte ihm Rothkirch anfangs, dass sie circa 1600 Mann
stark wäre, welche Angabe er jedoch später richtigstellte und
sie um mehr als die Hälfte reducirte.^
Nachher erfuhr v. Weinbergen noch von einem preussischen
Officier, der sich wegen Pferdeankauf in der Moldau aufhielt,
dass die Türken bei Stefanestie in der Stärke von ungefähr
480 Mann mit 10 Kanonen stünden. Daraus schloss er, dass
die Chotimer Garnison voraussichtlich 650 Mann betragen werde,
fllr deren Erhaltung aber noch gar keine Vorsorge getroffen
war. An der Spitze dieser türkischen Schaar stand der Jani-
1 Während dieses Gespräches trat auch ein Pascha von zwei Rossschweifen
mit aclit Türken ein. Der Pascha erkundigte sich bei Weinbergen um
das Wohlbefinden der grossen Kaiserin und fUgte hinzu, dass, so lange
sie lebe, die Türkei keinen Krieg -zu fürchten habe, ,allein ihrem Sohn
ist nicht viel zu trauen*. Weinbergen benihigte ihn diesbezüglich, wodurch
der Pascha recht erfreut war. — Dass Maria Theresia auch in der Türkei
allgemeiner Verehrung sich erfreute, geht nicht nur aus diesem Gespräche,
sondern auch aus einem Berichte Tassara*s an Kaunitz vom 17. Jänner
1778 hervor. Um diese Zeit verbreitete sich nämlich in Constantinopel
die Nachricht von der Erkrankung Maria Theresias, wodurch die Pforte
sehr beunruhigt war. Natürlich beeilte sich der türkische Reichskanzler,
bei Tassara Erkundigungen einzuziehen, worüber letzterer unter Anderem
Folgendes schreibt: , Wobei der besagte Reichskanzler von den seltenen
Eigenschaften, den auszeichnenden Naturgaben und Tugen-
den dieser wahrhaft großen und unvergleichlichen Monarchin
in jener Ehrfurchtsvollen Begeisterung spräche, die aller
Menschen Herzen und Zunge belebet, sobald von einem so
erhabenen Gegenstande der allgemeinen Liebe und Vereh-
rung die Rede vorfallet.' (Tassara an Kaunitz, Pera, 17. Jänner
1778. Hofarchiv 1778, Nr. 2 L. E.)
145
tBcIiaren Aga Ifmar Liatij; der Pascha von Chotim wurde erst
im Mai erwartet.^
Allein man blieb dabei nicht stehen, sondern Thugut sollte
die Pforte zu einer freiwilligen Cession der Bukowina bewegen.
Dieser Diplomat hatte die Pforte durch die Vermittlung des
Dragomans Testa darauf bereits vorbereitet. Er lud den Reis
Efendi zu einer Unterredung zu sich ein, welche am 1. Februar
stattfand. Bei dieser war auch der türkische Dragoman Kostaki
Momzi zugegen. Thugut sagte dem türkischen Minister, dass
er aus aufrichtiger Freundschaft fllr den Padischah die berech-
tigten Forderungen des österreichischen Hofes nicht nur früher
bekannt gemacht, sondern diese auch auf ein Minimum restrin-
girt habe. Oesterreich wolle nur den occupirten Theil flir sich
beanspruchen, weil er für die Communication zwischen Gali-
zien und Siebenbürgen unumgänglich noth wendig sei; diesen
Theil aber wird es künftig mit aUem Ernste behaupten. Er
beantragte zu diesem Behufe eine gemischte Commission ein-
zusetzen, welche die Aufgabe hätte, auch die Grenze zwischen
Siebenbürgen und der Walachei zu rectificiren. Die Frage
bezüglich Altorsowa wurde ebenfalls berührt imd die Bemer-
kung hinzugefügt, dass es für die Pforte vortheilhaft wäre,
wenn dieses Stück Land an Oesterreich auf Grund des Bel-
grader Friedens wieder zurückfallen würde. Am Schlüsse
dieser längeren Unterredimg kamen beide überein, dass der
Reis Efendi darüber dem Sultan und seinem Ministerium Bericht
erstatten, Thugut hingegen der hohen Pforte ein Memorandum,
betreffend die Forderungen Oesterreichs in Bezug auf die Bu-
kowina, überreichen sollte. Aus Allem, was er hörte und sah,
glaubte er Kaunitz gegenüber die Hoffnung aussprechen zu
soüen, dass der Reis Efendi nicht abgeneigt zu sein scheine,
auf die Forderungen Oesterreichs einzugehen.
Ghika hatte unterdessen eine neue Karte der Bukowina,
welche er einem Rapport beigeschlossen hatte, der Pforte über-
reichen lassen mit dem Bemerken, dass, wenn sie auch einen
Theil der Moldau an Oesterreich cedire, so dürfe doch nicht
das ganze von Oesterreich besetzte Gebiet abgetreten werden.
Riso versuchte Thugut gegenüber die Bedeutung der letzten
> BeU. LXXXIV.
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JJ*^ i*imi::;r''aiit'a Tirs« i-rj-nnrin i»2j SJLwiegcrraters
. . ca ^ i-i.*::i A-üinicz. i^ünr-r 3i<iii»frr:uatiTi ^Gmmiing folgend,
i.'. 7 ' ijT'.r *n " iraTL2_-a x^*:ir ^-ilj^il Et äkrte an, dass
/;.x-t • ra ü^-rrniL w riÄH^i-'-irkiÄüa^ia Kritf^es an die Emi-
jr/*'. . n ui.^ i»*r 2.ik T-jia zt c-tTr::-. i^a R.tr'iel daselbst er-
v*;-r*r-*» vier x i^i^cii "■:i..'Tn.'*rct:?. *.t': ?^.i, sei BoäsJand ganz
*-':^- .**n- tiwi^-r itm»? ^t» ljjd. ziciit ^Iticiziltig sein^ wenn
. ^*':,'r^'At',\ -h^in*^ »rr^rjieii ■irsr-itrnr^ -cA -üe dominirenden
*'';<*.* >. i-r if 1'ij.x üi B-f^*!! :i*ti:r.e- U=i dem k- k. Hofe
•-.'/ /' *:.r^;.i/\*iivn, ini »'L^ki iz^:»rs*:" iere toci Forsten Repnin
.--. , .t^v,-*^ -v.rt^r^ H>. r^-r^r. i^i .üe HjLltrLHi: Romanzow's in
'...•j'-r H ."i^i'ht t^ine d-frn Zr^amiij*?is en^csprechende gewesen.
,V.M i'i <*^ " .> AAL-iz An-:«.'::: ceLe «Lihii. Jass der Veriust der
,"; ,^.,'v na ir.-.,r%m rlr 'ien H--:?!« «Lur c:ch empfindlicher werde,
+K •\ *^ rvVtr-r* irr- :r^nrj.:::ea weu"eii dvs Verlustes ihrer Be-
-( r/'. ;-; r» !.■. 'i -r Iiik:irir^ in einer unAn^renehmen Weise laut
v'r'.t-n \.-^^f-r», O^ik^i'* Bemühaiiz^c. »iieses Land wieder zu
/' v.r,..* n, w ir^I'rn *> lanze wietlerholt werden, bis er sich
', ^1 II fi '* »^'.r/^rx^aX haben winl. dass Oestorreich es auf jede
V/ ../', \,^\,A ,^.U',n wolle. Wenn man auch -reneigt wäre, Ghika's
V//#f,I z-irri Or'^nzcomrniasär bei der Pforte durchzusetzen, so
!<' irf\", *;^ fVif, Türkei nicht zugeben, weil sie seine Unverläss-
h'fik'if, b'5r^it,H erkannt habe. Uebrigens wolle er es Thugut
u\,t'r\fk'iH"Uf entsprechende »Schritte zu thun, um einerseits Ghika
fiir\tt 'AU einer offenen Feindschaft zu treiben, und andererseits
in V»*'zu^ auf die dringenden Vorstellungen der Pforte freund-
Hchuftliehe Anträge zu stellen.^
» in." ^
' ThuyM an Kniiiiitz, Pera, 3. Februar 1775. Hiurmnzaki VH, S. 130, 131.
• KrtfinlU An Thnpfiit, Wien, 7. Februar 1775. Ebendaselbst S. 133, 134.
i
147
Auf die Geneigtheit der Pforte, Bukowina an Oesterreich
zu cediren, gestützt, erliess Kaunitz an Thugut weitgehendere
Instructionen bezüglich der Erweiterung der Grenzen gegen
die Moldau. Daraufhin machte Thugut Kaunitz aufmerksam,
dass es sehr gefährlich wäre, in so kurzen Zeitintervallen mit
neuen Vorschlägen auf Extension der Grenzen an die Türkei
heranzutreten. Er meinte, damit warten zu müssen, bis auf
seinen letzten Vorschlag die Antwort der Pforte erfolge. Nach
allen eingetroffenen Nachrichten wäre zwar Hoffnung vorhanden,
die Cession der Bukowina zu erlangen, aber nicht in dem vor-
geschlagenen Umfange. Riso habe ihm wieder vertraulich mit-
getheilt, dass Ghika neuerdings einen Bericht sammt einer
Karte der Pforte einschickte, in welcher das Gebiet zwischen
Prutii und Sireth und Theile zwischen Sii*eth und Moldau ein-
gezeichnet waren, die in letzter Zeit von Oesterreichem besetzt
wurden. Davon hat die Pforte Thugut nicht in Kenntniss
gesetzt. Aber der Umstand, dass Ghika eine Karte einschickte,
welche die Erweiterung der Grenzen enthielt, bewies, dass sich
General Barco in seinem Rapporte an den Kjriegspräsidenten
im Irrthum befand, als er darin bemerkte, dass die Moldauer
nicht wüssten, wo die k. k. Adler früher gestanden seien.
Wenn diese Verhandlungen nur zwischen den betheiligten
Mächten geführt worden wären, wäre der Abschluss derselben
leichter vorauszusehen gewesen. Allein auch der französische
Botschafter mischte sich in sie, so dass die Sache immer com-
plicirter und schwieriger wurde. Bei der Unterredung des
letzteren mit Thugut bemerkte jener (de Priest), dass die Pforte
durch das Verhalten Oesterreichs sehr beunruhigt sei. Thugut
möge einen Tausch in Vorschlag bringen, worauf Thugut er-
widerte, dass hier von einem Tausche nicht die Rede sein
könne. Nebstbei suchte er den Botschafter zu überzeugen,
dass die Pforte am besten thäte, wenn sie freiwillig auf die
Bukowina verzichten würde. ^
Thugut Hess kein Mittel unversucht, auch den türkischen
Dragoman durch Versprechungen für sein Interesse zu gewinnen,
womit Kaunitz sich einverstanden erklärte, da dies den gegen-
wärtigen Unterhandlungen nur zum Vortheil gereichen könnte.
' Thugnt an Kaunitz, Pera, 17. Februar 1775. Hunnuzaki VU, S. 186
bis 1S7.
148
Femer theilte Kaunitz Thugut mit, dass der Divan zu Jassi
einen förmlichen Recurs nach Russland sendete, in welchem er
sich die russische Protection gegen Oesterreichs Ansprüche auf
die Bukowina erbat. Auf seine Intervention aber habe sich
Russland beeilt, zu antworten, dass die Moldau jetzt unter der
türkischen Oberhoheit stehe und Russland in fremde Angele-
genheiten sich nicht einmischen könne. Nichtsdestoweniger
glaubte Kaunitz Thugut auch auf den Umstand aufinerksam
machen zu sollen, dass von russischer imd preussischer Seite
gegen Oesterreich im Geheimen fortwährend intriguirt werde,
obgleich ein solches Verfahren derzeit keine üblen Folgen nach
sich ziehen könne.
Das Benehmen Ghika's schien Kaunitz noch immer räth-
selhaft; er tröstete sich aber mit dem Gedanken, dass, wenn
die Sache immer so günstig stünde wie derzeit, er die Freund-
schaft Ghika's leicht entbehren könne. ^
Die Pforte bUeb Thugut die Antwort auf das Memorandum
noch schuldig. Es wurde zwar ein Ministerrath abgehalten,
an dem der Grossmufti und türkische Rechtsgelehrte theilnah-
men, aber ohne dass irgend ein Beschluss gefasst worden wäre.
Dass dabei die Cession der Bukowina besprochen wimie, davon
erftihr Thugut erst später. Die meisten dieser Mitglieder waren
ftir ein gütUches Uebereinkommen mit Oesterreich. Dies stellte
Thugut günstige Resultate bezüghch seiner Unterhandlungen
mit der Pforte in Aussicht. Freilich war diese Aussicht einiger-
massen dadurch getrübt, dass Riso Thugut von einem neuer-
Uchen Berichte Ghika's an die Pforte mittheilte, deren Inhalt
das weitere Vordringen der österreichischen Truppen in die
Moldau betraf, infolge dessen das Territorium von Slatina bis
Siebenbürgen, sowie das zwischen Sireth und Suczawa und
zwischen Suczawa und Samos besetzt wurde. Auch diesmal
hatte Ghika seinem Berichte eine Karte beigeschlossen.
Dadurch beunruhigt, veranlassten die Bojaren den Fürsten,
eine grosse Deputation an den Sultan zu schicken, imi über
diesen feindlichen Schritt Oesterreichs Klage zu ftlhren. Die
Entsendung der Deputation verzögerte Ghika angebUch aus
besonderer Sympathie für den österreichischen Hof. Dagegen
mahnte er gleichzeitig Riso, seine eigenen besonderen Wünsche
1 Kaunitz an Thugut, Wien, 21. Februar 1776. Hurmuzaki VII, S. 140.
149
nicht aus dem Auge zu verlieren. Thugut trat ihm aber offen
entgegen und erklärte^ er möge solche Wünsche und Hand-
lungen, die nicht zum Ziele führen können^ durchaus üJlen
lassen. Kiso bemühte sich nur^ seine Person zu vertheidigen,
wenn er hinzufügte, dass er ja dem k. k. Interesse ergeben
sei, aber nicht glaube, dass das neubesetzte Territorium der
Moldau mit Erfolg behauptet werden könnte, da die Pforte auf
eine solche Cession nie eingehen und sogar die durch Oester-
reicher zuerst besetzte Grenzhnie schwer anerkennen werde.
Befremden musste auch die Nachricht Thugut's erregen,
dass Zegelin sich in diese Sache einmische und die Moldauer
sogar einen Recurs an seinen König zu ergreifen, veranlassen
wolle. *
Eaunitz wollte die Regelung der Bukowina- Angelegenheit
ab einen gegenseitigen Austausch und als eine Grenzrectification
ansehen, ohne die Pforte zum Glauben zu berechtigen, dass
Oesterreich günstigen Falls sich zu einem geheimen Bündnisse
f^ die Zukunft herbeilassen werde. Wenn die Cession im
j^zigen Umfange nicht en*eicht werden könnte, so müsste
wenigstens getrachtet werden,^ das zuerst besetzte Gebiet zu
erlangen.
Aus Thugut's Berichten wurde aber bald klar, dass die
Pforte endlich eine Art Botschaft nach Wien zu schicken be-
absichtigte mit der Weisung, den Allerhöchsten Hof zu ver-
anlassen, entweder die Truppen aus der Moldau ganz zurück-
zuziehen und auf die Cession der Bukowina zu verzichten,
eventuell wenigstens die Forderungen desselben möglichst herab-
zusetzen, oder überhaupt dafür einen anderen Modus acquirendi
aasfindig zu machen. Weil aber Thugut damit nicht einver-
standen war, so entschloss sich die Pforte, nachzugeben, und
ertheilte die Bewilligung zur Wahl einer Gh*enzconunission.
Beide türkischen Conmiissäre hätten sich hauptsächlich mit der
Cession desjenigen Theiles der Moldau zu befassen^ welcher
filr Oesterreich zur Herstellung der Communication zwischen
GaUzien und Siebenbürgen nothwendig erscheine. Die Pforte
bezeichnete zuerst eine GrenzUnie nach dem Plane Ghika's,
welche sich von Siebenbürgen nach Pokutien zog. Später war
' Thngot an Kannitz, Pera, 4. M&n 1775. Honnusaki VII, 8. 141—143.
* Kannits an Thugut, Wien, 7. Mars 1775. Ebendaselbst & 145.
i
■fh''
'•f.
150
sie mit der Linie^ welche von Siebenbürgen nach Podolien ge-
zogen und von Oesterreich besetzt gehalten wurde, einver-
standen. Auch gab sie zu, dass, nachdem die Grenzlinie fixirt
sein wird, beide Commissäre noch solche Gebietstheile zu be-
rücksichtigen hätten, welche durch ihre Lage geeigneter und
passender ftlr eine markante Grenze zwischen beiden Staaten
wäre. Das von den k. k. Truppen besetzte Chotimer Terri-
torium müsste aber dann an die Pforte abgetreten werden.
Thugut war aber damit noch nicht zufirieden und ver-
langte von der Pforte eine solche Erweiterung der Grenzlinie,
welche den Allerhöchsten Intentionen entsprechender wht.^
Auch hierin schien die Pforte nachzugeben. Nur gegen
die Cession des Chotimer Districtes und die von Altorsowa
erhoben sich noch grosse Schwierigkeiten. Der Reis Efendi
und Muftizade Ahmet (der Delegirte der Legisten), wdche mit
Thugut in der Nacht vom 2. auf den 3. April eine Conferenz
abhielten, widersetzten sich entschieden dieser Cession und er-
klärten, dass der Padischah eher auf die Freundschaft Oester-
reichs verzichten würde als auf das Gebiet der Festung Chotim.
Darüber verlor Thugut nicht die Geduld, sondern bemühte sich,
einen anderen Ausweg ausfindig zu machen.^
Kaunitz war mit dem Vorgehen Thugut's ganz einver-
standen. Auch er wünschte, dass die Pforte detaillirte Be-
stimmungen erlasse, auf Grund deren nachträglich bei der
Begehung der Grenze keine Missverständmsse zwischen den
Grenzcommissären entstehen könnten. Das Ansehen der Pforte
müsse bei jeder Gelegenheit respectirt werden, schrieb er.
Aber wenn die Ernennung der Grenzcommissäre noch verzögert
werden könnte, wäre es fiir die in Rede stehende Sache er-
spriessHcher. Dadurch würde der jetzige Eifer der Türken
einer nüchternen Ueberlegung weichen, während Oesterreich
Zeit gewinnen würde, seine Herrschaft zu befestigen.*
Nachdem die Unterhandlungen mit der Pforte so weit
gediehen waren, dass eine baldige freiwillige Cession der Bu-
kowina in Aussicht stand, ging man daran, das besetzte Land
in ein engeres Verhältniss zu Oesterreich zu bringen. Desw^en
* Thugut an Kaunitz, Pera, 18. März 1775. HurmuzakiVII, 8.(146), 147, 148.
» Thugut an Kaunitz, Pera, 3. April 1776. Ebendaselbst S. (149), 160.
» Kaunitz an Thugut, Wien, 7. April 1776. Ebendaselbst 8. (161), 162.
^
151
schlug Elirichshaosen vor^ unter dem Namen ^Sommerbeihilfe'
Ton jedem Hanse in der Bukowina zunächst eine Steuer von
2 fl. 30 kr. rfa. zu beheben^ da das Land grössere Steuern zu
zahlen noch nicht un Stande wäre. Sonst möge man Alles im
Statu quo belassen. £llrichshausen glaubte dadurch nicht nur
die Einwohner Oesterreich geneigter zu machen, da Ghika
statt nach zwei schon nach einem Jahre 5 ^/^ fl. rh. von jedem
Hause in der Moldau als ^freiwillige Ghtbe^ beheben Hess, son-
dern auch die Emigration aus dem Lande zu verhindern.^
Dieser Vorschlag fand auch höheren Orts volle Würdigung.
Endhch gelang es Thugut, von der Pforte die Abtretung
der Bukowina an Oesterreich auch schriftlich zu erlangen. Mit
dem GeftQiIe freudiger Genugthuung theilte Thugut den am
7. Mai 1775 erfolgten Abschluss einer Convention^ mit der
Türkei am 12. Mai in einer kurzen Depesche nach Wien mit.
Die Ursache, warum er die frohe Nachricht nicht früher ge-
schickt, war die, dass noch am 10. Mai einige Schwierigkeiten
behoben werden mussten.*
Dieser Vertrag enthielt zwar nicht Alles, was Thugut
gewünscht hatte, aber im Grossen imd Ganzen musste er Oester-
reich befiiedigen, umsomehr, als dieses ohne Blutvergiessen
erworben war. Und wenn auch Maria Theresia von dem Ab-
schlüsse des Vertrages nicht so sehr angenehm berührt zu sein
schien, als man erwartet hätte, und mit der Verleihung des
Commandeurkreuzes des St. Stephansordens an Thugut anfangs
nicht einverstanden war, so wird wohl dieses mehr darauf
zurückzuführen sein, dass die strategische Wichtigkeit des neu
erworbenen Landes in Bezug auf Galizien noch nicht in vollem
Uasse gewürdigt wurde. Dieser wichtige Punkt ist indessen
dem Nachfolger der grossen Kaiserin nicht entgangen. Das
dürfte auch der Grund sein, warum die erste Idee * zur Erwer-
bung der Bukowina dem Kaiser Josef H. zugeschrieben wird.
Mit der Vereinigung der Bukowina mit Oesterreich war
auch der Grund zu ihrem Aufblühen gelegt. Die Bevölkerung
war von einem schweren Joche befreit und konnte ungehindert
der Cultur, die von Westen bis hierher gednmgen war, folgen.
* Beil. LXXXIX. « Beil. XC. XCI.
* Thugut an Kaunitz, Pera, 12. Mai 1775. Hurmazaki VII, S. 160, 161.
* Vgl. Ameth Vni, S. 488—491.
152
Es ist einleuchtend; dass die Uebelstände^ an denen die Ein-
wohner bisher gelitten, nicht auf einmal behoben werden konnten,
denn dies war ja unmöglich. Aber dass der grösste Uebelstand
gleich anfangs beseitigt wurde, beweist nicht nur der Vorschlag
Ellrich'shausen's, den Bewohnern nur eine kleine Steuer auf-
zuerlegen, sondern auch das Schreiben Eaunitz' an Hadik mit
der AuflFordenmg, dass ,diese Interimalsteuer — 2 fl. 30 kr. —
noch billiger und flir die Armen gelinder gemacht werde'.^
Die Religion, die Nationalität, die Sitten und Gebräuche des
Volkes wurden von den Oesterreichem respectirt. Kurz, es
wurde seitens der Militärverwaltung Alles aufgeboten, was die
Bewohner zu einer neuen erfolgreichen Thätigkeit anregen, sie
mit den neuen Verhältnissen zufrieden, sie glücklich machen
konnte.
> Beil. XCn.
BEILAGEN.
I.
Mieg an das Q^neral-Militar-Oberooininando.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 67/7. 1774.)* Horodenka, den 17. September 1778.
In gehorsamster Befolgung, deren von Einem hohen General
Miütair Ober Commando, überkommenen Instructionen, in Betreff der
Verlängerung der diesseitigen Gräntz Carte, vermög Allerhöchsten Ge-
sinnungen, unterlasse nicht meinen gehorsamsten Bapport, über die
Einleitung dieses Auftrags unterthänigst zu unterlegen. Mit gehor-
samster Meldung, wie daß ich denjenigen Landesstrich, welcher zwischen
Niester und Pruth, eingeschlossen, in die tiefe längs ersteren Fluss bis
nach Khoczjm und längs letzteren bis Czemowitz, wegen der Wichtigkeit
<üese6 terrains zu meiner Eigenen Operation fürgewählet, die linie aber
Ton Snjatin bis Eutty, dem Eapitaine lieutenant Euzersdorff und jene
von Eutty bis an das triplum confinium dem Eapitaine lieutenant Hai'-
bach zu besorgen aufgetragen, welch' letztere so dann seine arbeith, mit
der Operation des Capitaine lieutenant Hofmanns vom Ingenieur Corps
(an welchen vermög Vorschrift zu geschrieben) zu verbinden hat. Da mir
aber der Capitaine lieutenant Euzersdorff, welcher erst vor einigen tagen,
von denen gebürgen hinter Dolina, wohin er zu rectificirung deren puncten
von der kleinen carte beordert gewesen, krank zurück gekommen, und
sick nach Tismenitz zu seiner cur, transportiren zu laßen genöthigt wurde,
M werde trachten mäßen, die erwähnten capitaine lieutenants destinirte
''trecke, selbsten aufzunehmen, falls ich von unserm Obristwachtmeister
von Steinbacher, welchem so eben die Meldung hieiDber erstatte nicht
^en Ersatz gegen diesen Abgang erhalten kann.
* R. = Regifltratar. R.-Er.-M. = Reichs-Erieg^Ministerium.
iKkir. LXXVm. Bd. I. Hilfte. 11
154
Ich habe indeßen, ain mir eine General Idee von diesen Gegenden
zu formiren, sogleich nach meiner Anknnft an die Gränzen einen conrs
von Snyatin nach Czemowitz, Ton da auswärts des Bukowina Waldes,
nach Ehoczym so weithers nach Kaminieck, und so dann wieder zurück
fiber Ehoczym mit der großen Landstraße nach Horodenka vorgenommen,
Ton denen Gegenden Eine General Carte, Ton Ehoczym aber und Ka-
minieck special plans, so viel mir die Efirtze der 2^it und das besondere
Mißtrauen des Comandantens der letzteren Festung (welcher seine Wach-
samkeit bis zu äußersten unhöflichkeit, gegen ufficiers von fremden Troup-
pen treibet) erlaubet hat, entworfen, welche dann ebenmässig nebst
meinen darüber verfaßten anmerkungen, unterthänigst einzusenden ohn-
ermangeln werde.
Gegenwäi-tig unterliege unterthänigst die copie von der General
Carte, woraus zu ersehen, daß diese Gegend von denen beträchlichsten
Voiiheilen, sowohl zu militair als Provincial absiebten seyn würde, wenn
die dermalige unkennbare und unnatürliche Gränzlinie von Niester bis
Snyatin, bis an die angedeutete linie vorgerficket werden könnte, wo
würklich die natur selbsten eine landes Gräntze bezeichnet zu haben
scheint. Das Land würde dadurch auf diese seithen gantz leicht gegen
einen feindlichen Einfall gedecket, gegen die Pest gesperet, und die
emigration verhindert werden können, der bey Horodenka von Holz ent-
blößte Landesstrich, könnte, mit Holti versehen, und die Viehzucht sehr
vermehret werden, in deme dieses der wahre Heuwinkel is, von welchem
bey jetzigen jenseitigen Operationen, im winther etliche russische Oaval-
leiie Regimenter, welche sich gemeiniglich nach dem Schluß der Cam-
pagne bis in die Gegend von Ehoczym zurück zu ziehen pflegen, leben.
Außer deme würde der nach seiner vortheilhaften läge vortreffliche punct
okopi eine Respectable gräntzfestung gegen zwey Länder abgeben, und
denen zwey benachbarten nur dem Nahmen nach fürchterlichen festungen
tete biethen können.
Von dem Pruthfluß, könnte sodann diese neue Gi-äntzlinie längs
dem linken Ufer dieses Flußes in die dermahlige an den Czeremos ein-
fallen, oder nach Maaß der obwaltenden gefälligen Glesinnungen, deren
Nachbarn längs denen Gräntzen des Czemo witzer Distiicts gegen • die
Siebenbürgische Gräntze zulaufen, und würde vermuthlich gegen Doma
aboutiren. Erwähnter District enthält 100 Dörfer und diese 6000 Haus-
väter oder Familien. Von Czernowitz bis Euttj gehen schon keine förm-
liche Fuhi'stiaßen mehr, sondern nur Fußsteige, und Holzwege, welche
schon das fast impracticable terrain an zeigen, von Euttj fangen als dann
schon die abfallende hohe Füße des Gräntzgebürges an, von welchem
'S
155
allen bey der dermahligen detaillirang des teiTains, noch die genanere
Untersuchung vornehmen werde.
Horodenka, 17. Sept. 1773.
Fried, v. Mieg
Hauptmann vom General Staab.
II.
Seeger an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 67/9. 1774.) Warschau, den 10. December 1773.
Da ich meine übrige müssige Standen nur dazu anwende in denen
allen bewährten Polnischen Authoribus nachzusuchen, was daiinn zur
Vertheidigung unserer angenommenen Gränze und zum Allerhöchsten
Dienst nüzlich angenommen werden könnte; So ist mir unter andern des
Simonis Starovolski seine Beschreibung von Pohlen, zu Breslau an. 1733
imaosgegeben, und bey Joh. Jacob Korn daselbst im Verlag, zu banden
gekommen, welche in der Beschreibung und Abtheilung von Roth Reussen
pag: 25 sehi* deutlich saget: „Quartae Russicae Satiapiae Districtus est
Haliciensis, montibus Transylvaniae aboccasu hyberno, ämeridieautem
Moldaviae fdginis sylyis cinctus; Tyra Fluvio rapidissimo h montibus
Carpathycis orto, versusque Eui'um in Mare Euxinum decurrenti, quasi
per medium sectus, cujus Pars Australior quae trans Tyram est
posita, Yulgo Pocutia appelatur^.
Jene Buchwälder, welche von Chozim gegen Pogutien zu liegen,
ond unter dem Nahmen Bukowina bekannt seynd, auch nach der Pol-
nischen Sprache das wort „Bukowina^ Buchwald sagen will, mögen die
Gränsen von Pogutien nach des Authoris Beschreibung der Moldau vor-
mahls entschieden haben. Was dieser Author weiteres von der Pogutischen
Gräntze in Zutheilung des gegen Morgen über dem Niester gelegenen
Stuck Landes sagen will, und was die von dem Polnischen Artillerie
Haablmann Fotin in seine Caiiie von Pohlen angezeigten Gi*äntz Linie
von Choczim von Czemoucz und Sireth bedeute, überlasse ich höheren
Orthen zu entscheiden. Genug, ich finde eben diesen Bukowina Wald,
QBd den gegen Czernowiz und Sireth dann Burgos in Siebenbürgen zu
laofenden Berg Rucken nach des Herrn Haubtmann Mieg eingeschickten
Bapport so nutzlich als natürlich, und richtig, daß man aus meinen
weiteren Beweisen schwerlich einen Zweifel wird ziehen können, ob dieses
nidt die vormahlige fixirte Gränze gewesen seye. Eines theils scheint
diesen um so glaublicher zu seyn, da fast alle zwischen der jetzigen im
11»
156
flachen Lande gezogenen Linie und diesem Bnkowiuawatd befindlichen
DSrfer meist Bussiscbe oder Polnische Nahmen fähren.
Zweitens, unsere Gränze von Pocutien zwifichea dem Niestor und
PrutbAoG in eine ohnglaublichen und bey Landes Gränzen niemahls
üblichen Plaine lauffet, in welcher unsere Unterthanen an dem notli-
wendigsten zu ihrer Lebens Unterhaltung, nehmlich an Holz, den grdfiten
Mangel leide.
Drittens, da ich von dem Daenischen Herrn Oesandscbafts Pre-
diger Scbeidemantel alhier, welcher vorhin in der Moldan bei der Evan-
geliscben Gemeinde zu Philippi, und Zalesczy in Both KeuBen Frediger
wäre, und den icb obnTermiitliet im Discurs dahin fahrte, als von einem
gelehrten und in der Historie wohl versirten auch eben in dieser Gegend
gut bewanderten Mann in dieser meiner Vermutbung gest&rket werde.
Viertens, auf diesem von Herrn Haubtmann Mieg gefandenen Berg
Bücken vermag die Polnische historie nuterschiedene trefi'en zwischen
den Poblen, TOrken und Moldauern vorgefallen, welche Streittigkeiten
gemeiniglich an denen Gränzen Btcb ergeben. Fünftens, der be; den
Pohlen sehr berühmte und in groOem Ansehen stehende Geschieht
Schreiber Andreas Chrysoatomos in Zaiuskie Zaluski Primo KiwiensiB,
poBtea Plocensis et num Varmensis Kpiecopns St. B. et Princ. Terramm
Prnssiae, Praesidis et supremi Begni Poloniae Cancellarins in seinen
EpistoÜB Historico familiarinm Tom: I Bmnsbei^se an. 1709. Typis
mandatua pag: 493. De relatione Chocinenais Victoria« an: 1673 genau
das Land bey Choczim anf beeden Ufern des Niestere beschreibet, weme
es dazumahlen zugehöret habe, wann er dentlicb saget:
„Pulcher erat Ordo seriesque signorum Castrensium. FloB inerat
Procei-um, et Primamm, in Begno propaginum nomina. Adeo non <rili
sanguine itum est in Barbaros; tantum vel gtoriae publicaeque rei anor,
vel nuperae lapis abolendae Studium animos impleverat, Tjrae trans-
mittendus eo loco, ubi utra que rtpa Leehiei Juris, hie imbrinm
vi auctus vadum negaverat, et ausos per ipsa tranare pehcnla, vortici
implicitoa gnrges hausit". Die ganze Beschreibung von diesem Treffen
bey Choczym zeiget klar an, daß sich die Türken bey Chociym an dem
Niester als in dem Winkel an der Grenze von Podolien und Pogntien
verschanzt hatten, und tbeils durch diese Verschanzongen als durch die
feste Laage an der Grenze sich ihrer starken position versichert zu seyn
glaubten, wodnrch sie gleichsam den vierfachen Winkel ihrer damahligen
Gränze an dem Niester zwischen Podolien, Gallicien oder Both BeuBen,
Pogutien und Moldau behaubten wolten; dann wann der geographische
Scribent Simon Starowolski zuvor die Buchenwälder über dem Niester
157
(wie oben erwähnet) zu der Bogutischen Gränze bestimmet, und dieser Za-
loskie femer in der weitläufigen Beschreibung der Laage bey Choczim
expresse saget pag. 496: „Altera Tyrae ripa, Podoliae limes ac
inimitinm est. Superiorem Arcem et zwanecnm oppidum Choczimo intra
pila tonnentariae jactum objectat; opposito lateri dissidum duabus leucis
incubat Camenecum".
So glaube mich nicht zu irren, wann ich eben dorten bey dem
Eiülanf des Podhoi*ze Flußes in den Niester, und da wo eben dieser
berühmte gelehrte Pohle den Anfang der Gränze von Podolien bestimmet,
das Ende von Roth Beußen suche. Wir hätten also, wann man die Sache
genau nehmen wollte, noch nicht einmahl jenes kleine Stuck von Podo-
lien, welches uns vermög Tractaten abzuschneiden erlaubet ist, durch
Annebmnng des Podhorzeflußes erhalten, außer es mußte nach der geo-
graphischen Abtheilung des Simonis Starowolski das sehr kleine Stuck
von Panjouce oder Palczyniec seyn mögen, welches dazumahlen nach
Podolien gehöret haben mag. Wann dieser Zaluski ferner in einigen
Linien weiter unter pag. 496 et 497 saget:
„Castra vallum et fossa munierat, nee non quadraginta fuhnina-
trices machinae firmaverant. Amnis sie pi*aemunitus, Polono h Podolia
uccorsnro aditum vetuit, sed Tyras finibus Podoliae illabens alibi Polonum
transtnlit hosti praeter spem aliunde illapsum, qui front^m munierat.^
Und wenn ich dieses mit der obigen annectode Tyras transmittendus
eo loco ubi utraque ripa Leohioi Juris confrontire, schließen muß;
Weilen wegen der ersten Laage und der Türken gemachten guten Anstalt
solche in ihrem bevestigten Laager von der Seite der Podolischen Gränze
nidit zu attaquiren, und der Niester nicht zu passir wäre, die Pohlen
aber ohnversehends sie auf einer andern Seite überfallen haben, daß der
Anthor diesen hier vermeinten Einbruch durch Hallicien und Pogu-
tien unter dem Wort alibi verstehe; Wann aber dazumahlen die Roth
Reußische und Pogutische Gränzen 8 Meilen ober Choczim, wie anjezo
solche Gränzen in der Carte angezeiget seynd, angefanget hatte, so
würden die Türken wenigstens bis dahin längst den Niester ihre Posten
aosg^tellet, und den Bukowina Wald über den Niester besetzt gehalten
haben. Folglich denen Pohlen ohnmöglich geworden seye einen March
S Meilen aufwärts diesseits und 8 Meilen abwärts jenseits zu machen,
dabey den Niester zu passiren und zugleich ohnversehend den Feind
m attaquiren, wozu vor die leichtesten trouppen in denen forcirtesten
Minchen wenigstens 3 Tage Zeit gehören, und der Feind hätte in diese
Zeh ohnfehlbar Nachricht von ihrem Marsch erhalten, und nicht so leicht
svprfmiret werden können. Weilen aber die Türken dazumahlen über
i
1Ö8
ihre Grenzen nnd auOer Cborzim kein^ P««ten st^bon hatten, so haben
die Fohlen Yon der Griaxe von P<M)**lieD durch Roth Reaßen, welche
Grftnzen von PodoHen nahe bey Ch*icxim Mistoßen und durch Pogntien
mittelst einen ktirzeren und «chneleren nurth die Tfliten ohnversehends
fl herfallen kennen, dahero auch der Aothor hier ausdröckentlich einen
Unterschied von der Seite aus Podolien machet Nachdeme ich nun
diese Reflexion gemachet und nicht weiß was von Allerhöchsten Orihen
weitershin wegen den Pocutischen Grimen Allergn&digst beschlossen
wird ; so habe dem Herrn Obnstwachteeister Sieinbacher unter 8^ No-
vember c. a. aufgetragen, dafi er bey Annäherung des Winthers mit
Aussteckung der Adlers bey dem Xie«1er aufhören solle und hiednrch
die Zeit gewinne die weitere Allerhöchsten Gesinnungen wegen der Pocu-
tischen Gränze erhalten zu können, welche Arbeit auf das künftige
Frflbjahr viel natfirlicher und ohne Ahndung vor sich gehen kann als
wann wie vor heuer von der Gallicischen Gränze in flachem Lande die
Adlers ausstecken mit solchen im Frühjahr vorrucken würde. Aus obigen
Gründen halte ich dafür, daß der Po«ihorze ebenso leicht gegen die Pohlen
bey gegenwärtiger Discussion. als die andere Linie von Choczim längst
dem Bergrucken nach des Hauptmann Mieg rec(^oscirung mit der Zeit
bey einem Friedens Schluß gegen die Türken behaubtet werden könnte.
Ich habe von ohngefahr eine Carte von Pohlen in sehr verjungten
Maaßstaab gezeichnet zu Gesicht bekommen, welche von der hiesigen
königlichen Kriegs (Kommission herausgegeben worden seyn solle, wo-
rinnen die Gränzen von denen abgetretenen Provinzien angemerket
seynd, und worinnen sie uns den Theil über den Bug welcber die Roth
Reußischen Gränzen v<»r Lubomil an der zugleich Chelmischen Gränze an
dem Brescianischen und Volhynische Palatinat bestimmt von Selbsten
zugemessen hat, woraus zu schließen, daß die Pohlen die Auslegung der
Tractaten dem Wort Verstand nach ebenso machen wie ich in meinem
unterm 24**" Februar h: a: unterthänigst erstatteten Rapport vorgestellt
habe, damit wir die so beträchtliche und remarquable Commerden Straße
aus Podolien, Ukraine, Volhynien und Bruslavischen, auf unsere Seite
ziehen möchten, indeme sie von- und in dem Bug bis an die Roth
Reußische Gränze vor Luboml gehen, und dadurch den ganzen District
vom terra Chelmensis uns zueignen. Es scheint mir nun mehro um so
weniger bedenklich zu seyn, diesen wichtigen Vortheil an uns zu ziehen
und den vom Potorze Fluß daneben zu behaubten nach dem der König
von Preußen die Herrschaften Draheim, Lauterburg und Butow durch
die Tractaten zugestanden worden, und in dieser nehmlich von der Kriegs
Commission heransgegeben seyn sollenden Carte annoch der Distnct vom
U
1S9
Posner Palatinat, welcher auf dem rechten Ufer der Notez verbleibet,
nicbt aber directe durch die Tractatea anf^wiesen ist, zngetheilet worden.
Es ist dieeee nur die unterthänig gehorsamste Anzeige, welches ich nach
mfinem ÄllerhÖchBten Auftrag zu erOiiern vor schuldig gefunden, über-
laese aber Euer Bxcellenz und höhern Orten, nach Befund der Sache
einen Gebrauch davon machen.
Mich — — — — — — ^ - _____
Warschau, den 10. December 1773.
untertbänigst geboraarnster
Freyherr Seeger von Durrenberg
Hiegg an das General -HUltär-Ober-Commando.
Orig. (R. d. B.-Kr.-H. 57/9. 1774.) Lemberg, den 28. December 1773.
Da die eine auszeichnang, desjenigen Holdaniacben Gr&ntzen Ter-
rains, so diesen Herbst unter der mir gnäd^t anvertrauten Direction
aofgenohmen worden (welcher sodann die mehr Detaillirte Militair Be-
schreibung dieser Gegenden denen hohen Verordnungen Qeroäß bejiu-
fägen, nicht unterlassen werden) noch einige Zeit erfordert; ich aber
indessen vor nothwendig halte, vorläufig zu Höherer Einsicht, mein^
Aber diesen terrain gemachte, und Bekräftigte politische Anmerkungen,
Einem Hohen Militair General Ober Comroando untei-th&nigst, zu onter-
l^n, wann etwa nach deren Befundener Prtlfung, es vor den Aller-
höchsten Dienst ersprieBlich wiU-e, sie biB zn allerhOcbsten Orthen zu
beßrdem, um einigen Gebrauch davon zu machen. So bemerke durch
Etgeawärtiges unterthänigst; wie daS ich schon bey der, mir vaijährigen
u^bvgenen Gräntz Säulen, Aussetzung an die Pokutzischen Gr&ntie,
diem Gräntzlinie welche sich vom Niester bis Pmth Fluß, über flache
Felder in einer ohnkennbaren Linie ziehet, sehr nnnatfirüch und blichst
nichtheilig gefunden, wo ich G^entheilB in Meiner diesjährigen Operation,
Ulf dem Bergrlicken von Chotym biß Czemowitz, durch den s(^enannten
Bukowina wald, eine linie ai^troffen, wo die natnr selbsten, eine wahre
landu Gräntze bezeichnet hat;
Von meinen pflichten also, zu Beförderung, des Aller Höchsten
IHenstes, Belebet, hab mir alle Mühe gegeben, biei-über einige Kenntnuß
m erlangen, und nachrichten einzuziehen, worauf ich dann von denen
bauern gleich anfan^ ^neralement belehret wordeD, wie dafi sie gehöret
hätten, daß die Pohlnische Grftntze einmabl anf erwähnteD ROcken ge-
gangen; die Juden haben mir einen noch wirklich eiietirendeo Gräntx-
stein, bey fontinit Sankj') gezeiget; und da ich mir das Vertranen Tun
einigen Bojaren erworben, so haben sie mir eingestanden, daß der gantze
Czemowitzer und Snzaver Dietrict ehemahls zn Fehlen gehöret, zu dessen
l^aler dednction, mir auch einer aus seinen Familien Schriften, ein
original donations Instrument, anf einige Grund Gilther, vom KSnig
Johann Sobieskj unterfertigt, übergeben; gegen Versprechung einer Be-
lohnung und besonderer Geheimhaltung seines Nahmens, da er ansonsten
von seithen der Tarken, bey deren Zurückknnft, um seinen Kopf, und
bey denen anjetzo dominirenden ßuQen, wegen Si^birien &ueer6t besorgt
seyn mDßte. Ich fflge demnach dieses original Urknnd nnterthänigst
bey, um deßen gnädige ZorScksendung aber, die dermalige besitzer
deren daiinnen Benannten Grund Güther, Juan Stiritzka, Kapitän di
Tirku Siretulj, und sein söhn, der Bojar von Selenuo, zu legttimation in
ihren posseseionen, das untorthänigste Anersuchen machen. Der vor-
letzte Staroste des Czemowitzer Districte als er noch in Pohlnischen
Händen gewesen, wäre ein Fototzkj and letzterer ein Turkul, ans Fohlen ;
diese Steroeteyen wai'en nicht auf hierländischen Fuß, lebenslänglich
Bigenthflmlich, oder mit der gäntzlichen Nutz Genießnng, sondern be-
stunden nur in der Gerichtsbarkeit, Ober die districte, wo mit gewiße
revenOen verknüpfet wai-en. Welches auch dermahlen noch üblich ist,
da jeder Zeit 2 bnjaren als Starosten, von dem Bivan zu Jassy benennet,
anch wlillkflriich wieder abgesetzet werden, wie ein solches erst diesen
Sommer, dem geweßten Starosten Imbault, einem national Frantzosen,
unter einer nng^rOndeten Beschuldigung, daß er mit dem k. k. Herrn
Generalen v. Barco in geheimer r.orrespondontz stünde wiederfahren.
Eb ist also klar und ohne wieder Spruch, dafi diese districte ehe-
mals zu Fokutien gehörig, ohne welches ein Kdnig von Fohlen, weder
donationee darinnen couferiren, noch Pohlniscbe Starosten einsetzen
können. Auf was vor eine Arth aber, dieses territerium entwendet worden
habe derroahien bey der Ignoranten nation, noch nicht klar genug Emiren
können. Da mir einige sagen, daß es als eine Ärth von Schadloßhaltung,
denen Türken bey Zunlckgebung der Festnng Kaminieck nnd also in
dem Carlowitzer Friedensschluß, Überleben worden, andere aber, daß es
spätei', dui'ch König Aogustum den 3'°" und ohne förmliche Einwilligung
der Republiqne wäre abgetretten worden. In dessen ist es grflndJich
161
genug, daß, anf was vor eine Arth auch diese Yei-äußerung vorgegaDgen,
diese Districte, als zu Gallizien gehörig, niemahls zum Nachtheil, deren
hierauf gegründeten rechte des Aller Durchlauchtigsten Eayserlichen
Ertzhauses veralieniret werden konnten.
Der Chotymer district hat, wie dessen Grantzen in meinem special
Plan anzeigen, 2 Dörfer diesseits des Bukowina waldes, nemlich Bala-
matka, und Dersavenetz, welches aber nur als usurpirtes territorium an-
zusehen ist.
Die allgemeine Vortheile, die bey der rechtmäßigen besitznehmung
dieses winkeis, vor den Allerhöchsten Dienst erwachsen, welche mir bey
memer einzuschickenden Militair beschreibung, genauer zu detailliren
Tomehme, Bestehen in dem alignement der Pokutzischen Gräntzlinie, mit
dem besonders Yortheilhaften punct okopi.
In einer natürlichen Versicherung dieser Gräntze, in beträchtlicher
▼ennehrung der Viehzucht, Verhinderung der emigration, ersetzung des
Holzmangels, in denen von Holz entblößten Gegenden, von Horodenka
und Snyatin, deren Einwohner aus der bloßen Gnade deren benachbarten
Moldauern leben, und in dem arrondissement mit Siebenbürgen, wohin,
wie ich nach dem particulairen Eenntnüß dieses Landes, sicher glaube,
ein Fuhrweg über den Borgoser Paß zubereithen werden könnte, welcher
sodann in militair als provincial absiebten fast unschätzbar seyn würde.
Bey Yorschlagung also dieser linie müßte selbe indessen nach denen local
Tortheilen, generalement von Okopj auf Czernowitz und von da über Si-
reth, vorwärts dem Burgoser Paß nach Siebenbürgen deteiminiret werden.
Lemberg, den 23. December 1773.
Friedr. von Mieg
Haubtmann vom General Staab.
IV.
I>onatioxi8urkunde des Königs Johann Sobieski an Holubofski.
Cop. (R. d. R..Kr..M. 57/9. 1774.)
Jayorovise
die 20. Mensis Decembris 1691.
Johannes Tertius, Dei gratia, Bex Poloniae, Magnus Dux Lithuaniae,
Bwsiae, Prussiae, Massoviae, Samogitiae, Kioviae, Volhiniae, Podoliae,
Podlachiae, Livoniae, Smolensci, Severiae, Czernichoviae etc . . .
Significamus bis litteris nostris, omnibus in concreto, et cuivis in
particulari, cui scire competit; habendo considerationem meritorium, et
Bulitariom servitiorum, generosi Stephani Holubofskj, Locum tenentis ex
4
erhörte Inrtcata Genenvi Zahiir»Tskj OipiUiiei nnstri, in lecKiDpcnsim
<1ictorum tneritorum re»>lrin(ie. derolnta ad dispoGitionem nostram lU-
gi&m, c«rtiB ei lUtionihoe Buna s«h Campns deeertos in limitibus Hol-
daviae, eupra fluvjuin Pnitb jac«Dtia Predijksuti' nnminata, aotefito
Generoso Holubofgkj. jnrf adriulitio itn ei canferr«, prouti dunns et
c^nfertmus, hocce Pririlc^ noetro qoti nominab« Campos, uns cnm
fundia, Apibns, siItib, lacobus. snbdil «t illonim debitie laboribus, DiHni-
natus QeneroBDG Bolobofskj, tenebit ei iis ntetnr, usque ad alÜmmii
suae Vitae tenninam. Promittend« qood tarn nt«, quam etiam sereoiEsiiiii
Saccessoree nnebri, Generoenm Holnbofskj a possessione predictomm
Campomm, non alienabimns, Deqne ad alienationem ulli facultatem Iri-
baemus, sed penes nsn dictomm bonorum pacifim omnino coEBeirsbiniDS.
Ex ratione vero hujnece Posswsiiinis. ad restanrationes pontium, ibidem
eiistenti dlctns generosas Holabofskj spectabit, et tenebitur. Pro quo
in M^orem Odern sab sabecription« maniiB nietrae, Si^llam Begni im-
presfium est. Datom Javaroviae die 20. Henis Decembris 1691 R(^
noBtri XVn»'.
Campi Vacni, in Limitibas HoMaTiae in
Joannes itei. Tpiritorio OiornivTifn^i existentes, Piedji-
(L. S.) kautze num-upaÜ, GeneruBO Holnbofskj
lri>ciimt«neuti, ei Cohorte Geuerosj Zaho-
rowG^.
Frant'isscDB Michael Denhoff
SUroatn Stawganlakj S. R. M. Secretarius m. f.
Hadik an CanmelU.
Orii;. (K. d. K.-Kr.-H. 5T/'J.} Lember^, den 3a. Dezember 177;!.
Hochgebohrner Grafl
Welcher Gestalten der Heri' Oberete Ban>n von Seeger sowohl, als
der Hauptmann von Mieg vom großen General Staab zu ei^proben ti-achtc,
daß auf den Bei'grücken von Chotpn bis Czernowitx durch den Buge-
nannten Bukowina -Wald die wahi« Gr&ntz-Linie von Pokutien sey, mit-
hin dieses Stflck Landes zu Pokutien gehöre, solches belieben £uet
Eicellenz aus ihren beyverwahrten beeden Original Berichten und dem
s i'iedijksutz lioiMeu.
163
gerade dem le/.teren be^fandigen zugleich auch in das Latein flbergezten
polnischen DuDations-InstruTDent dee Bojaren von Seleniin des mehreren
HDSchwer zu ersehen.
Ich entstehe dafaero nicht welche Euer Excellenz zur gefälligen
Einsicht und dieOBam ermessenden Gebrauch hiemit einzusenden und
hiebe; den UeiTn Oberst Seeger sowohl als den Herin Hauptmann Mieg
ihres für den Dienst und das Allerhöchste Interesse zeigenden besonderes
Eifers halben gehorsamst anzuempfehlen, mir aber seiner Zeit das dem
Bericht des lezteren beyverwahrte polnische Original Instrument wieder
larQek zu erbitten; womit — — — — — — — — —
VI.
AUenmtertliänlgBter Vortrag.
Eigenh. (B, d. R.-Kr-H. 57/9.) Wien, den 4. Jilniier 1774
Anmerkung: „Dem Obristen Seeger und Hauptmann Hieg vom
grüßen Generalstaab ist Meine Zufriedenheit Aber ihren, bey ansfladig-
macbung des eingeschickten douationsbriefes, beze^ten treuesten Dienst-
eifer zu erkennen zu geben, und ernenne Ich den Herrn Hauptmann
Mi^ zum Major mit dem gewöhnlichen Gehalt bey sothaneu General-
staab, worüber das gewöhnliche zn veranlassen ist.
Mit der Ansstecknng der adtern nach der nefl- angemerkten Gränze
Ton Pokutien ist dermalen noch inne zu halten, weil in der Angi'änzenden
Uoldaa annoch Kassische Truppen vorhanden seynd; So bald aber diese
lue Holdan räumen sollten, ist mit gedachter Anssteckung der Adler
nicht weiter zu säumen, sondern ist selbe also gleich vorzunehmen, und
wird man nach hero sehen, wie selbe Anssteckung unter dem Namen
einer Gräntibericbtigung bey der Pforte durchzusetzen seyn wird.
Joseph Corregens.
An den Herrn QanerBl der Cavallerte Grafen v. Hadik, den
Hof- and Staatskansler Herrn Fürsten v. Kaunitz Bittberg.
Or%. (R. d. K.-Kr.-H. 57/4.) Wien, den 8. JKiiner 1774.
P. P- jjer particulare«.
Dasjen^e, was Enei' .... schätzbarstes Schreiben vom 35. des
htit au^tretteaeo Honaths und Jahrs wegen der Ton dem Herrn
16i
Obristen Seeger und dem HauptmaiiD Hieg^ angetragenen Extension der
Gr&ntzen tod Pokatien zu entnehmen gegeben bat, ist si^lflich vom Hof
Kriege Rath Sr. Majest&t überreicbet worden. Nach der hierüber ab-
geschöpften AllerhSchster Resolation haben Se. Hajest&t Ällergnädigst
anbefohlen, daß dem Herrn Obristen Seeger und dem Hanptmanne Miegg
dero Allerhöchste Zufriedenheit Qber ihren bey Ausfindigmachang des
eingeschickten Donations- Brief bezeigten trenesten Diensteifer za er-
kennen gegeben werden solle, allermassen dann auch, wie es Ener ....
auB dem an das General Commando ergehenden Befehl entnehmen werden,
Se. Hi^estät den Hauptmann Mi^^ znm Major mit dem gewöhnlichen
Gehalt bey dem großen General Staab zu ernennen geruhet haben.
Vennög der ferneren Allerhöchsten Gesinnung soll mit der Ans-
steckung der Adler nach der nen angemerkten Gräntze von Pokutien
dermalen noch inn^^halten werden, weil in der angi'enzenden Moldau
annoch Russische Trouppen vorhanden seynd, wohei^egen, sobald diese
die Moldau räumen sollten, mit gediichter Aussteckung der Adler nicht
weiter zu s&nmen, sondern selbe alsogleich vorzukehren und den Erfolg
hievon seiner Zeit anzuzeigen ist.
Be; der gelegenheit wo ich ein und anderes von der Allerhöchsten
Willensmeinung entstehe ich zugleich nicht, das einbefOrderte
anf die dem benannten Stephan Holubofsk; an denen Holdauischen
Gräntzen zu Theil worden Orund>Oflther sich beziehende Pohlnische Ori-
ginal Danations-Inetmment de anno 1691 hierüber in der Absicht wieder
zurückzustellen, damit, wenn die Eigenthümer von sothanen Instrument
auf die dieeföllige Zurückgab behaarten, selbe mit einer vidimirten Ab-
schrift zu befriedigen getrachtet, und das Originale bey der unter-
stehenden Feldkriegs Eanzlej wohl aufbewahrt, auf den Fall hingegen,
wenn etwa der Eigenthflmer das Instrument gleichwolen zu ihrem Ge-
brauch ohnumgftnglich nötbig hätte, oder mithin ihnen dasselbe auszu-
händigen käme, eine legalisirte copie mit der Uebersetzung in actis bey-
behalten werde"; — — — — — — — — — — —
vni.
Kaonlts an Siskovios.
Ori^. (R. d, R.-Kr.-M. 57/9.) Wien, den 12. JSnner 1774.
Der Hof nnd Staatskanzler giebt sich die Ehre des Herrn General
Feld Zeug Meister Freyfaerm von SiskovJcä Excellenz den anhero mit-
getheilteu Vortrag die Erweiterung der Pokutischen Qränzen betrefend
165
wieder danknehmigst mit der Erinnerung zarflckinstellen, daß es er-
f Anschlich wäre hierorts zu allf&lligen Gebrauch eine authen-
tische, UDd legalisirte Copie des qu&stionirten Donations
Instraments in der Ursprache und in einer ächten Ueber-
s«l2D&g bey handen lu haben, wegen deren Einschickung die gefall^
Verfngnng an das GaliKiscbe General Commando sich erbetten wei-den.
An das Oenentloommaiido in Oalliieii, den Herrn Hof- und
StaatakuiBler Fürsten v. Eaunits Rittberg.
Ori«:. (K. d. E.-Kr.-M. &T/16.) Wien, den IS. Febniar 1774.
Anfrage, ob das einige Grondstflcke betrafende Original donations
Instrament in legalisirte Copie dem Eigenthümer fibergeben wurde, oder
dag Original.
Dem Fürsten wird der Bericht eingeschickt mit einer vidimirten
Abschrift in der Ursprache und in lat«in.
Baroo an den Hofkiiegarath.
Orig. [R d. H..Kr.-M. 62/5^) Jawy, den 12. Jitaner 1774.
Anmerkung.
Ueber die Einkfinfte, welche Rnßlandt von denen 2 FQrsten-
thämem Wallache; ond Moldau dermalen jShrlicfa beziehet.
Ton der Moldau.
Aj) Arenda für den Zehend des
Weinw 108.300 fl.
Ad derley ffir das Sah 58.500 „
1^ den Zehend des Honigs und der
Schweine 68.000 „
Flr die Yerbachtnag des 30«~°
Hanth Ton Hornvieh, Pferd und
Kaufmannswaaren .... 100.000 „
fit die Terbachtung des Zehend von
Schaffen 60.000 , (Summa 394.700 fl.)
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166
Die Wailachey hat vor deme an derley Arenda und Yerbaditnng
immer um die Hälfte mehr getragen. Ich will aber bej dermaligen
Eriegs-zeiten nur so viel als anjetzo die Moldau gibt rechnen 394.700 fl.
Betragen also die beyden Fürstenthfimer zusammen an haaren 789.400 fl.
Alle diese Verbachtungen haben die hiesige Landtes Boern und Eanf-
leuthe, welche über dieses Quantum noch halb so viel gewünst darans-
ziehen.
Nebst deme wird in diesen zweyen Fürstenthümem durch den
Landtmann so vieles Hey ohnentgeltlich für die Armee zusammen-
geschlagen, wo mit die ganze Ai*mee, und dessen ohnendlich großes Fuhr-
wesen, den ganzen Winter über vom 8^^^ angefangen bis Ende April
versehen, und auch noch davon die 80.000 Kayserlichen Ochsen welche
von Jassy aus bis an die Donau zu Proviantzufuhr eingetheilt sind, nebst
denen noch besonders aus Fohlen, ükrain und in hiesigen zwey Fürsten-
thümem zum Theil bedungene, und zum Theil ausgeschriebene fuhren, eben-
fals den ganzen Winter über vom 8^^^ bis Ende Martj unterhalten werden^
welches nach gemachten Ueberschlag die Portion, welche so wie dermalen
da^ Hey hier theuer ist auch auf 6 kr. zu stehen kommt, nur gering ä 2 kr.
gerechnet eine summa Geldt von andei-thalb Million ausmacht.
Dann was diese 2 Fürstenthümer jährlich an vei-schiedenen Gre-
dreit, als Korn, Gersten, Kukurutz und hirsch Brein dann Schlacht Vieh
für die Armee ohnentgeldlich liefern müssen, betragt auch nur gering
gerechnet, eine Geld Summa von zwey Millionen; Außerdem werden zu
dem Schifban und deren Transportirung auf den Seret Fluß und der
Donau vom Ausfluß bis Hii'sova Täglich bis 1000 Bauern auch ohn-
entgeldlich zur Arbeit gebraucht.
In Fi'iedenszeiten hat der Fürst oder sogenannte Hospodar in der
Moldau alle Monath gehabt 120 Beitel Geldt der Beutel ä 500 fl. so
jährlich betragen 72.000 fl. außer deme hat er jährlich bekommen unter
dem Titl Sommer Beyhielf 300.000 fl. und unter den Titl Winter Bej-
hielf 600.000 fl. Zudeme sind alle Jahr die Landtes Chargen abgelegt,
und an die jenige wieder vergeben worden welche dem Fürsten unter der
Hand das meiste gezahlt haben, so auch gegen 200.000 fl. ausgemacht.
Obiges jährliches Geld Quantum für den Landesfürsten ist damals
von der Contribution , welche anjetzo durch Fourage und Pi-oviant Lie-
ferung, dann durch die Fuhren und Arbeits Bauern abgethan wird,
bestritten worden.
Der Landesfürst in der Moldau hat mit allen Jährlich in fixo 3 Mil-
lionen und an Sportein V^ Million mithin zusammen dV2 Million nebst
seinen Unterhalt bekommen. In der Wailachey soll das flzum 4V2 ^il"
lionen und die Sportein '/^ Million zuBammen also 5 Millioaen Jäb
lu^macbt haben.
Die Moldan ohne Bessarabien hat allein nur l Million SeeleE
Dibret, nnd die Wallache; l'/i Million. Die Moldau könnte anch i
SD viel TenuOg dessen Grösse und die Glitte des Erdreichs erbalten,
u a proportione auch die Wallachej.
Wenn man denen Bussen die Bilance ziehet, was Ihnen der Di
halt Ihrer Trouppen in ihren Landt, und hier kostet, so kommet so
liisrlands um die helfte geringer zu stehen und das änrch die in 1
and hier in diesen 3 Füi'stenthümeru überkommende wohlfeilere Le
Mittela, ohne in Betrachtung zu uohmeu. der Cours ihrer Bchlec
Müntie, worunter besoudei-s die liier Lands geschlagene Kupfer M
ron welcher 3 kr. nicht einmal den WerÜi eines unsrigen hat, in
sehung der Qualität der Haterrie und des leichten Gewichts. E:
nicht zu zweiflen, daß anstatt der zu schlagen erlaubten 2 Milli
BDb«l Kupfer MQntz auch 3 Millionen gepreget worden seynd, wie
also dem Baron Gai'tenbei^, welcher diese Mflnzung auf sich gehabt d
gewonnen hat, ist leicht zn ermessen. Nach deme er nebst Abliefe
der 3 erlaubten Millionen Kübel (welche gewissen Couditioneu ui
«orfen waren, als die alte eroberte Tflrkische Stück fOr ein gewi
Preis den Centner abzunehmen und der Eron Ober Abzug der Unk(
TOtxDmflnzen, von Anfang her seine aufgestelte Leutbe zu Gold
Silber einwechslen, im Landt gehalten, und von der Zeit als d
»bleckte Geldt mehr kenntbar worden, immer mehr und mehr für
SacateD gegeben, so daß Er nun den Ducat bey der HQntz fOr T
köderen Orten für 6 fl. einwechslet. Diejenigen, so es wissen s
ben}nderE der Herr Feld Marschall, von welchen alles abhänget,
Nachtheilig diese HQutze vor das allgemeine Weesen ist, da der S
wlbsten täglich mit diesem Geldt, die Officters hingegen, - mit dem Si
and Goldt, was auch eipre. in Bußland zur hiesigen Verwendung
KhUgen, und abgeschickt wird, bezahlt worden, sehen nicht nach,
Sie auch Antheil daran iudirecte durch die dritte Hand nehmen. I
Khlechte Münz, die in öffentlichen Blättern gelesene wieder Zui
stelluDg dieser zwojen Provinzen und die flble Mannszncbt der Treu;
'ntferuet die Anfangs gehabte Neugung der hiesigen Boein gegen
Rntseu gänzlich und wünschen alle vorzüglichst unter den Schutz
Hajestät des Kajsers zu kommen.
Es mag das Schicksal dieser zwei Piovinzen bey Herstellung
hiedeuH ausfallen, wie es wolle, nu haben alle angr-änzeude Ländter i
Emigration vorzubeugen, das Augenmerk hauptsächlich zu nehmen
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1i||^^ V I weilen alle angränzende Ländter gegen die 2 Provinzien in allen Stücken
ff)^ in gar keinen Vergleich zu setzen, nachdem diese 2 Fflrstenthümer alles
in der Quantität und Qualität leicht hervorbringen, was die umliegende
nur theil weise mit grosser Mühe und Arbeit erzwingen, besonders wann
hier noch ein Comercium eingeführet würde.
Ueberdies ist der Landt Mann überhaupt kein Unterthan und nach
der hiesigen Landtes Constitution ist er seinem Grund Herrn das Jahr
hindurch nur 12 Tage zu arbeiten schuldig (welches wohl zuweilen einige
Boers hoher treiben) oder zahlt für diese 12 Tägige Arbeit 2 fl. jährlich
von allen Producten giebt er seinem Hen-n den Zehend, an Steuern und
^ Gaaben, entrichtet Jährlich der geringste Bauer zu 12 und 15 fl. Ein
. 4? "^z jeglicher Bauer kann von einem Grund Herrn zum andern ziehen, und
' .; • darf Ihn weder der GrundheiT, von welchen er weg gehet, aufhalten,
^: -1 noch derjenige bey welchen er sich wieder setzen will, abschaffen, welche
von lezteren auch wohl niemahlen geschiehet. Von allem deme haben
die Eaysl. Königl. Unterthanen an denen Gränzen schon eine kleine
EenntnüO, die Polnische und Russische haben durch die zufuhi*en auch
schon den Geschmack davon. Da ohneiticht des Krieges sich immer zu-
gleich einige mit ihren habschafften hereinziehen. Dagegen die hiesige,
wann Sie schon bey gegenwartige Eriegszeiten stark gepreßt sind, sich
gleichwohlen nicht von hier wegbegeben, um wie viel mehr würden also
nicht die auswärtigen suchen herein zu wandern, wann Ihnen nach her-
gestelten Frieden von denen hiesigen Boern, durch Emisarios noch viele
Vortheile versprochen werden, so wie es bis hero von Ihnen geschehen ist.
Der Verlust der Russischen Trouppen in diesen Krieg wird einiger-
'■i'-
/,^r, j? massen ersezet, durch die aus Bulgarien theils herüber getriebene theils
freywillig gekommene christliche Famillien welche nach und nach in die
Russ. Länder überführet werden, man schätzet Sie in die 40.000 Famil-
lien, welche alle mit zug Vieh, Schaf und Kieh versehen waren, ohne den
vielen allerley Vieh, was die Russen von jenseits der Donau und aus diesen
^ ^3^ 2 Fürstenthümern abgenohmen, und in Ihre Länder getrieben haben.
^ ^V Sigl. Jassy den 12. Jan. 1774.
:: t XI.
Baroo an den Hofkriegsrath.
Orig. (R. d. R.-Er.-M. 62/23.) Jassy, den 13. Jänner 1774.
Es haben sich von denen hiesigen Moldauer Boern die größten
gegen mich dahin geäußert, wie daß Sie sich vor allen andern voi'züglichst
169
MerhOchst Ihro M^estät dem Kayser ergeb«!! wollen, sich auch nichts
Hhnlicheree wQiiBchea als unter deBsen Allerhöchsten Schutz zu kom-
men, welcher we^u Sie ein unterthänigstes Bittschreiben an Ihro Maje-
stlt dno Eaysei' mir übergaben wollen, wann Ich Sie versichere, daß
solches TOD mir ans nur allein Sr. Majestät zu Händen kommt.
Ich habe nun diese Sache indessen noch ohuentechieden belassen
DDil mich zuvor bey £ner Eicellenz unt«rth&nigst ^boi-samst anfragen
sollen, ob ichsothanes Bitt Schreiben, wann mich erwehnte Boers hier-
wegen nochmalen angehen, annehmen und sonach directe an Ihro Haje-
stit dem Eayser einreichen solle oder nicht worüber mir den gn&digen
Verbaltungs Befehl nntei-th&nigst erbitte.
Womit mich zu hohen Gnaden — — — — — — —
JasBj den 13. J&nner 1774.
ganz Unterthenigst Gehorsamster
Vincent; Br. Barco
F. U.L.
xn.
Baroo an den Hofkriegaratb,
Ong. (R. d. B.-Kr.-H. li!/89.) Juay, den la. Jlnoer 1774.
Au denen Weihnachtsferien nach alten Styl ist der Herr Feld-
■ufBchall Graf von BomanzofT nach Jassy gekommen alwo sich dieselben
bis Heil, dreykönig aufhielten, und sonach wieder in sein dorf nach Cor-
BMt luröck hieben werde; untern 5. dieses ist auch der FOrst Serbatow,
■elcher das Proviant Amt dirigiret hier eingetrofen um nach Anordnung
i» Herrn Feldmarscfaalln die Itfagaziner auf die künftige Campagne ein-
urichten; immer unter B"" d. wurde von dem Groß Vesier ein Schreiben
u den Herrn Feldmarschall durch einen Courier hieher Oberbracht, wor-
iDf den 9"" der Minister Oppreskow welcher noch dato in Homan seineu
anfeathalt hat auch hier zu Jassy eingetroffen, einestheils die feüre Tage
lüer lu halten, mehi'eren theils aber, um die Antwort auf das Schreiben
lee Vesier mit dem Herrn Feldmarschall zu combiuiren.
Unter 11"" d. hat der General Schesztakow hieher zur Armee 8000
Vun frische Trouppen aus Bußland, welche von denen dort liegenden
Bcpmentern ausgezogen wurde, gebracht und gehet nun wieder zurQck.
Ansonsten hOret man hier, daß dem sich in Sybirien neu aufge-
iirienen Kayser schon einige ganze Begimenter ergeben haben und
tolcbw auch schon bei 100 Kanons übeikommen haben solle. Man
iRUi, LIXTIU, Bd. I. HUlta. 1ä
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170
schickt also anjetzo noch mehr Trouppen und unter andern auch daß
in Moskau stehende Leib Cuiraßier Begiment nach Sjbirien ab, und an
die Regimenter ist der Befehl erlassen worden bis weiterhin keine Delin-
quenten mehr dahin abzuschicken. In Boman und um Jassy herum ist
die Pest wieder ausgebrochen.
Jassy den 13. Jänner 1774.
Vincenty Baron v. Barco
F. M. L.
xni.
Seeger an Hadik.
?i^ H Orig. (R. d.E.- Kr.- M. 57/38.) Warschau, den 8. Februar 1774.
Was könnte mir vergnüglicher und tröstlicher fallen als wenn ich
der Allerhöchsten Zufriedenheit und Gnade Sr. Eayserlichen Majestät
tt,^'. unseres Allergnädigsten Monarchen durch Euer Excellenz gnädiges vom
l^ten December wegen meinen geringen Dienste Allergnädigst versichert
werde? Wie wünsche ich so sehnlichst, daß ich jeder zeit in meinen
Aufträgen die richtige Maas und Wahl treffen möchte, um weder zu weit
zu gehen, noch was zu verabsäumen. In Absicht dessen wünsche ich, daß
.>v gegenwäiiiige meine Allerunterthänigste Remarquen wegen der Pogu-
tischen Gränze ebenso Allergnädigst wie jene aufgenommen werden
e ♦• mögen, über meine Alleinntei-thänigste Pflicht durch meine treue Ge-
>j,, '-, sinnungen bis an mein Ende darlegen dörfte.
In Continuatione meines unterm 6*®° Dec: pt: a: unterthänig er-
lassenen habe zu Erläuterung der alten Gränze von Pokutien in einigen
bewährten Authoribus noch folgendes gefunden, deren wichtigste Stellen
ich von Wort zu Wort eztrahiret, welches Euer Excellenz zu höherer
^^' Beurtheilung untei-thänig überreiche.
Es ist unter denen Historien Schreiben eine ausgemachte Sache
*j daß Sarmatien oder Pohlen in vorigen ältesten Zeiten viel weiter als
jetzo sich erstrecket habe, und ihre Gränzen in Oceano bis an Pontum
Euxinum und an die Donau gegangen seyn.
. , 1 Obschon aber hier nicht mein Absehen ist, bey diesem mich auf-
\,Ä ;.* zuhalten, sondern mir haubtsächlich die alte Gi*anze von Pogutien aufeu-
suchen; so finde doch vor nöthig mich etwas weitläuffiger in vorige Zeiten
einzulassen, sofern, als die Voifallenheiten solche Provinz angegangen,
um desto richtiger seh Hessen zu können, daß unsere dermahlige mit
171
Pfählen bezeichnete Pocutlsche Crränzen von Niester an vor Snyatin und
Kotti bis an Ungarn nur von denen Türken oder Moldauffirsten durch
jener Hfilfe tiieils von langen Zeiten her theils banbtsächlich seit dem
Gariowitzer Frieden hereingedrükt, und wider die Tractaten denen Fohlen
gewalthätiger weise aufgedrungen worden seyen.
Als anno 1416 Alexander der Fürst von der Moldau und Wallachey
mit allen seinen Bojaren dem Könige Uladislav Jagelloni zu Snyatin
den Huldigungs Ayd solenniter ahgeleget, verpfändete ihme dieser König,
Snyatin, Colomin und ganz Pocutien vor eine gewisse Summe Geldes
ond trat ihme sogar einige districte ab, die würklich vor diesem zu
Pocntien gehöret hat, welches, wie wir hernach klärer ersehen werden,
der Chotimer, Czernowitzer, Suczawaer, Sorikaner und Niem-
cier District gewesen seyn müssen (Dlugoss Lib. XI p. 367; Cromer
übr. 17 p. 278 Edit: Col:).
Alexander ließ zwei Söhne, Eliam und Stephanum hinter sich; diese
Terfielen wegen der Theilung mit einander in Sti*eit und Uladislaus ein
Sohn des Königs Jagellonis theilte in zwey Theile nehmlich in die
Moldan und Wallachey, doch scheinet es, daß er obige Districte nicht
eigentlich zur Moldau getheilet, sondern zu Fohlen gerechnet haben möge,
weilen die Historie lehret, daß solche jeder Zeit, als zu Fohlen gehörige
Provinzien, angesehen und bestritten worden seynd. Elias erhielte den
Theil von der Moldau an. 1436 und Stephan den von der Wallachey
((^mer Hbr. 17 p. 278 Edit. Col.).
Elias leistet sogleich zu Lemberg in der haubt Kirche den Ayd
der Treue öffentlich und mit großer feyer, verspräche den anverlangten
Tribut zu geben und die Herrschafft Sabiuska, welche sein Vatter Ale-
xandre von Uladislav Jagellone verschrieben bekommen hatte, zurück-
logeben. Zu gleicher Zeit erschienen die Gesandt von Stephano, welche so
Tohl den König als die Polnisch. Stände bathen, auch von ihren Fürsten
den HuMignngs Ayd abzunehmen, indeme er zugleich versprechen ließe,
das königreich Fohlen, Both Beußen und Fodolien wider alle Anfälle
tapfer zu vertheidigen (der Author saget aber nicht, warum es ihnen ab-
geeehlagen worden seye) (Dlugoss lib. XII p. 691. 692).
Sobald König Casimir an: 1484 den Tod des Fürsten Elias erfuhr,
begab er sich Selbsten mit seinen Trouppen an die Gränze von Both
Benfien und Fodolien um allen Unruhen vorzukommen, und er vor seine
Persohn gieng nach Caminick, seine trouppen aber ließ erindieQegend
Ton Choczim und Caminick campiren, schickte von da Abgesandte zu
^ Petro, welcher dem Elia succedirte, damit er ihme Homagium leisten
^te, durch welche er zwar alle treue versprach, sich aber anfanglich nicht
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>larino ftbereingekoinmdn, ds6'er 3 Districte zurück gegeben, and die
Schwester des KCnJgB Elisabeth znr Gemahlin versprodten bekommen
bitte, man er kathotisdi würde (Ding. 1. Xm p. 81).
Wie kommet Cromer, SamiciiiB und Dlugoss nicht mit einander
über eins, denn letzterer saget, daO Bogdnn an. 1451 gefangen ond der
Kopf abgeschlagen worden wäre als za welcher Zeit CasimiruB noch
raperet hatte. Weilen aber hier nicht mein Entiweck ist, eigentlich
tine nwammenh&ogende Historie oder Chronologie zu entwerffen, son-
dem nur zu behaubt«n snchen will, daB vorbesagte Districte, warom di«
Pohlen gestritten haben, ganz sich von ohndenkliidien Jahren her zu
Pogntien gehöret haben sollen, so führe ich ferner an, dafi Ulasdislaus
König von Ungarn daznmahlen 3 Gesandte nahmens Stephan Teleyde,
F^ciscns Bolossa und Emeric Czobor in Pocutien schickte. Dann da
Pohlen anf die znrückgebnng derer abgerissenen Districten berahete, so
Miten diese Hinistres sothane Sache arrangiren (Timon in Imagine Hun-
gviu novae, p. 75).
Hier gernhen E. Eic. gnädig in die Pariser Carte zn sehen, wie
Jiase 3 pancten Sorocii? (welches vielleicht verschrieben, nnd den
Kähnen Czobor gleich kommen solte) Stephanesty und Boloczani oder Bo-
innani ' mit einander alieniret, und vielleicht eben diese 3 gegeuden sey n
nigen, welche beeagte Minietres untersnchet, sich darinn eingeüieilet,
die iwistigkeiten regnüret, nnd alsdann ihr genommenes Orte oder daraus
«rbaute Städte nach ihrem Nahmen benennet woMen sejn dörften.
Man wird ans der vom Könige üladislav diesen Ambassadeurs zu
Offen am St. Gallitag mitgegebene Instruction mehreres ersehen können,
wdehe tnlibro tabulariiquaesturaeBegisScepusiensis zu finden
Mjn wird.
Obiger berühmte Anthor St. Sarnicius (Dli^. Sarn. Ind. Tab.
Sun. Urbinm p: 1896, 1930, 1932) führet auch in seiner Descriptione
Polaniae oder Indice Tabulae Sarmatiamm Urbium das Schloß Choczim
t- 1895. Czernowiz oder Zarnow p. 1980, das Städtgen Sereth
f. 19S2 Niemienczize nnd Niemojevice (in der Carte Niemez nnd Niem-
iinl) als KU Fohlen oder Pogutien gehörige Ortschaft und Stätte an,
%sgen man die großen Jassj, Boman, Bender und andere wflrklich in
in Moldau gel^eoe Sl&tte nicht darinnen findet.
Wie kOnte die Gränie von Pogatien deutlicher angezeiget seyn?
ik wann dieser Sarnicius in Descript: Pol. Sann. Urb. p. 1886 (Dlug.
SttD. in Descr. Pol. de Limitibus veteris Sarmatiae p. 1886) von langem
174
her solche determiniret: ,Es stehet an. 1300: Circa tempora Henrid Sep*
timi divulsae Poloniae vires ob dissidia Ducum Boieslaidamm ansam
praebuerunt vicinis Regibus et Principibns attrectandi fines eorum. ünde
consequutum est, ut undiqne accisis finibus limites Poloniae intra Octo
Gruces haeserint, quas scriptores nostri ita consignant:
Prima ad Pagosz, qnae nos ä Pomerania dividit: etc: Quinta ad
Chotim (oder Choczim) ä Yalachia etc: Hae cruces ä nobis in Tjpo Sar-
matiarum apertius rubre expressa sunt:' Man muß also an denen Gren-
zen von Ghocimer District diesen Oi-th, wo das Kreuz gestanden
haben solle, aufsuchen oder nach der ausfühi'lichen Beschreibung Pauli
Piasecii (Cronica p. 223) folgen, wo er saget:
Nee minori celeritate movens Zamoyscius ad Confinia Moldaviae,
cum audisset ad famam adventus sui hostem soluta obsidione Chocimi,
ad tutiora Moldaviae recessisse, ipse quoque Ghocimoomisso per Com-
pendia Viarum apud Golodropkam (in der Pariser Garte stehet Eono-
lowska) vado transiens Tyram fluvium, recta per Alpes MoldaTioas
Bukowina yocitatai et transitu difBciliorei in Moldayiam penetra-
Tit, ac magis itineribus praetergrediens Soczayianam hostis
munitam, ejus oppugnatione dilata ne ea mora ä persequendo
distineretur, superato etiam fluvio Seretho, eum usque in fini-
bus Valaohiae asseqnitur ad Telesinum Amnem (in der Carte
vid: Tazienfluß) dessen Ursprung eben da unter dem Gier Berg
anfanget, wo der Niemczer District aufhöret und die Gränze
zwischen Pogutien, Yallachey und Siebenbürgen unterschie-
den gewesen seyn muß) alveo limosum et ripis alte praernptis
in acossum Michael castra posuerat et vadosa ejus omnia firmis praesi-
diis insederat.' Ich führe dieses haubtsachlich um dessen willen an,
weilen diese Beschreibung uns die alte Bukowina Wälder und die
Gränze zwischen der Moldau und Pogutien zu determiniren scheinen
mögen, auch diese Beschreibung nach Aussage der in dortiger Gegend
bekannten Männern vollkommen übereinkommet, wonach richtiger Ton
den Gränzen Pocutiens zu urtheilen seyn werden, wann diese Gränz
Beschreibung gegen denen von Pohlen in dem Garlowizer Frieden hinaus-
gegebenen und weiter unten angeführten gleichen Instructionen an die
Gränz Gommissarios gegen einander gehalten wird, folget man dem March
dieser Beschreibung und denen Instructionen, so mag man vermög all
zugleich überkommenden Gitationen die richtige Gränze von Pogntien
und denen dazu gehörigen Districten haben.
Nun gehe ich wieder zurück und sehe, daß dem König Stephan
Bathory alles ganz ruhig gienge, da er mit dem Türk. Kayser Amurath
175
den Frieden erneuerte. Gleich als unter Sigismundo m der Kayser Budol-
phus in dem Türken Krieg an. 1595 eine Diversion in die Moldau machen
ließ (Paul Piasec: Cronic. p. 151, 152), und durch Siebenbürgen in ge-
dachte Provinz gegen Suczawa einfiele, sah der König in Pohlen diese
Provinz als eine von den seinigen an, und der Pabst legte sich sogar
darinne, daß er Pohlen yorstelte, wie sie verhindern weiten, dem Feinde
aller Christenheit eine Diversion zu machen. Die Pohlen also besetzten
den Choczimer und Suczawaer District und ernannten Hieremiam
Mohilam zum Woewoden von der Moldau. Als die Siebenbürger sich
wieder zurückgezogen, widersetzten sich die Türken denen Pohlen, und
schickten den Tartar Can, welcher aber von Zamoisky geschlagen und
zugleich Frieden Pohlen und den Türken gemacht wurde, worinnen beede
Provinzien denen Pohlen abgetretten, und von den Türken versprochen
worden wäre, sich von dem Theile, welcher Pohlen einverleibet wäre,
zorAck zu ziehen. Nach dem Woywod Michael von der Wallachey an:
1600 ebenfalls diesen Theil von der Moldau haben wolte (Ibid. p. 221),
und den Jeremiam Mohilam daraus vertriebe, auch Suczawa als die
vornehmste Yestung mit accord an ihn übergienge, wäre Hieremias ge-
zwungen, sich andasSchloßChoczim zu reteriren. Weilen nun diese
Provinz und Hieremias als ein fürstl. Vasall den Ayd an Pohlen ab-
geleget hatte, so h&tte selbige wohl billig von der Republik vertheidiget
werden sollen, aber es wäre ohnmöglich, weilen sie mit Schweden in
einen Krieg verwickelt, und die dahmalige Reichstage nicht zu seiner
Beschatznng verwilligen weiten.
An: 1612 fiengen die Ohnruhen an den Moldauischen und Pogu-
tischen Qränzen wieder aufs neue an (Paul Piasec. Chron. p. 334), da
der ältere Sohn Gonstantinus nach des Hieremiae Mogilae Tod succedirte,
welche Familie das Erbrecht erhalten, wie der Author meldet auch solches
der Türk. Kayser confirmiret und die Pohlen solches Recht durch das
Schwerdt an: 1662, 1572, 1695, 1600 jederzeit behaubtet hatten, daß
also diese dem Königreich Pohlen einverleibte Provinz (Provincia socia
Begni Poloniae, nempe cui ä multis retro saeculis socialem fidelitatem
Dti clientes Duces illi jurare solebant) von vielen ohndenkl. saeculis her
die verbündliche Treue als fürstl. Vasallen dem Könige geschworen haben.
Die Republiqne wäre damahls auch mit Moscau in Krieg verwickelt,
konnte also keine trouppen zu Gegenwehi* an die Mold. Gränzen schicken.
Stephanns Potocki aber samlete vor sich einige trouppen, zöge die Be-
satzung aus Gaminiek und gienge gegen den Feind, wurde aber geschla-
gen und selbst mit Gonstantino Mogila gefangen. Der nur von den
Törken eingesezte Woywod Tomas Tomza behaubtete also die Moldau.
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An. 1616 wolten die Türken Frieden mit den Pohlen machen,
jedoch mit den Beding, daß sich Pohlen nicht mehr in die Moldaniscbe
Affairen mischen selten. Es wurde dahero Czausius an den König nach
Warschau, und Georgiuö Kochanski zu den Türken als Legate gesandt,
die Friedens Unterhandlungen zu unternehmen, und Polnischer Seits za
verlangen, daO die Moldau in alten Stand gesezt, oder wenigstens Tomza
zurückberufen, der in die Türk. Gefangenschaft gefallen, Korecki aos-
geliefert, und diesem die Regierung besagter Provinz zurückgegeben
werden solle (Paul. Pias. Cron. p. 334, 356).
An. 1617 schloßn Zolkiewski zu Bnssau oder Buszau mit den
Türken tractaten, vermög welchen das Schloß Choczim, welches noch
die Mohilauischen Erben innen hatte, und Nico: Inonius Präfect wäre,
verlassen werden solte, worüber auch dieser, weilen er den Befehl anin-
nehmen, sich geweigert hatte, den Kopf verlohre (Ibid. p. 361). — Obn-
erachtet dessen dauerten die Ohnruhen an. 1618 an der Mold. Gr&nze
noch immer foii; und 1620 nahete sich der Feldherr Zolkiewski mit denen
Poln. trouppen der Mold. Gränze; und nach dem sie deliberiret hatte,
wo sie ihr Laager nehmen selten fiele der Schluß an den Gr&nzen der
Moldau, wie der Author (Paul. Pias. Cron. p. 397) solches p. 397 deutiich
beschreibet:
,Difficilior autem inciderat deliberatio suodentibus aliis, ut ipse
Zolkievius positis munitisque castris, subsisteret in limite Poloniae
et Moldaviae ad fluvium Tyram circa Arcem Chocimum, et
uon objiceret ita potenti hosti manum tam exignam, sed Campi Praefecto
militari Stan. Koniecpolski, qui promtam suam operam ad hoc offerebat
dimisso cum parte exercitus expeditione versus Teinam, ibi Skinder Bas-
sam ä Pi'oposito distineri curaret.' Solchennacb rückte Zolkiewski bis
Cicora (in der Pariser Carte stehet Szokoram) ohnweit den Gho-
timer Gränzen) mit seinem Corps vor. An. 1621 fienge der Krieg
erst recht an mit den Türken, Carolus Chodkiewicz versammelte mit An-
fangs August die Armee und schlug sein Laager bei Choczim, wohin auch
der Poln. Königl. Prinz Uladislaus mit 16000 M. auserlesener Mann-
schaft gekommen ist. Im Monath Oct: d. a. schiene es zum Frieden za
. kommen, wurde auch würklich Stan. Zorawenski Castel: Beizens: und
Jac: Sobieski in das türk. Laager, die Tractaten zu schließen abgeschickt,
von wo sie die Türken bis zu dem völligen Friedens Schluß nicht zurück-
ließen. Diese, als sie nichts von des Königs Ankunft vernahmen und
sich vor dem kostbaren Kriege, welcher das ganze Yei*derben des Landes
drohete, fürchteten, schlössen den 9**" Oct. 1621 bey Choczim den vor
Pohlen so nachtheiligen Frieden, welcher sich auf die zwischen dem
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11
Zolkitwski und dem Skinder Bassa zu Biwza (Bnzeu) geschlossene Tnu
taten ^Dilete, der <1ie weitere Besiezung der Moldau denen Pohlen ve
ttgt«. Die TOrken zogen eich znrOck, nnd 4 Tag hernach auch die Pohli
littorl Holdavica arce Choczim die Pohlen haben also doc
nicht gani die Gegend von Choczim verlassen nnd wo sie nicl
?or, doch gleich hinter Chocsim nicht aber bey Sniatyn in d<
groBen Fläch« die Oränzen besezet, sonst wQrde es nicht helßei
littori Koldavica Arce Choczim, sondern Snyatio benennet habei
KAnig Sigismundns 111 wäre Ober diesen Frieden, der wider sein nnd d<
Repnbliqne Wissen und Willen so nacbtheilig geschlossen sehr ohi
gehalten und h&tte ihm ohnfehlbar gleich damahls nrngestoBen, wenn <
nidit in selbiger Zeit im Nordischen Krieg verwickelt gewesen w&r
(Ibid. p. 406, 412.)
An. 1624 geschahen beständige EinßUle der Tartarn in Pogutiei
welche bis m dem Tode Sigismundi in fortdauerten.
An. 1631 fielen die Tflrken noch zn unterschiedenen mahlen i
Pohlen ein. An. 1632 et 1633. Zn Anfang der Regierung Uladisla
brache der Kri^ mit den TDrken durch Veranlassung der Moskowiter i
rechte Flammen aas, sie rQckten bis Caminiek vor, giengen aber doch i
dieser Campagse bis an die Donau wieder znrQck. Die Pohlen, welcl
noch immer mit den Schweden und Moskowitern zu tbnn hatten, ve
folgten die Türken bey ihrem Abzug keinesw^es, nnd wolt«n lieber jen(
«riitenen Schaden geduldig ertragen, als sich von den Türken vorwerft
lauen, offensive agirt zn haben, sondern schickten Alexandre Trebins
nach Constantinopel, welcher die Sache dahin einleitete, daß nach gi
Khlossenen Frieden mit Moscan auch der Frieden mit den Tflrhen a:
1634 erneuert wurde.
Ton 1648 bis 1678 gehen mir die Jahrgänge der Foln. Geschieh
ab, inner weldier Zeit sich die Türken Caminiek bemeistert haben mflsee;
An. 168S hat Potocki Castellan von Cracau, Podolien, Wallache
Tnram Jassy (dnrch diese Benennung kann man schliessen, daB Jasi
<^D ein besonderer District war) wieder besezet, aber damahlen wa
die Testni^ Caminiek schon in tflrk. H&nden. (Zalnski: Tom I, Pars
f. ibO.) Das Jahr darauf an. 1684 schlug der KOnig Johannes Sobiesl
ntn Laager bei Choczim nnd seine trouppen hielten den ganzen Winb
üb« die Holdan besezt; und dafi dieser KQnig solche noch inne batt
Kkd zwar an. 1691, das Jus Dominii daselbst ausgeübet hat, erweis
nae in diesem Jahr d«n Holubowski gegebene, und E. Excel, von de
Hubtaoann Mieg in Originali eingereichte Donation, wo in der Citatic
^W n lesen, daß diese ihm geschenkte Felder an der Uoldauschf
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Gränzen in dem Czernowizer District. welohes noch heutige» Tages eine
Starostey ist, ligen. (Ibid. p. 851.)
Wir müßten also die Gränzen von Pocutien am Ende dieses
Czernowizer und Chocimer Districts aufsuchen, und glaube ich
nicht zu fehlen, wann wir obig angezogener in der Gronica Pauli Piasecii
pag. 223 Torgefundene Gränze, nehmlich Ton Colodrobka (in der
Cfiuie Konolofska) denen Moldauischen Alpen nach durch die
Bukowinische Wälder und felder aufier den Czernowizer und
Suczawaer District bis an den Berg Gier (in der Carte Bakiri dag)
an die Siebenbürger Gränzen aufsuchen, welchen Berg Gier
von der Poln. Republique besonders und ganz deutlich denen Commissa-
rien, welche den G^^ May 1703 bey dem Carlowizer frieden, mit den
Türken die Gränzen zu reguliren, abgeschicket, in ihrer Instruction an-
recommendiret worden, nehmlich (Zal: Tom. III p. 483 et 484): ,Provin-
ciam Vallachiam vel Collateralem Moldaviam, quandoquidem ä
Dominus Suae Mtis et Reipubl. ipsamet dislimitavit natura etc.
Weit unten werde ich die Gränze noch entschiedener anzeigen;
und daß der Bukowina Wald bis gegen Cecora sich erstrecket hat,
erweiset die auf dem Reichstage an. 1685 gemachte Relation wo der
Author saget: (Zal. Tom. I Pai*s 11 p. 940); post transgressis Buko-
winam exValachia relatum, hostem divisum esse movisseque ex Ce-
cora, ad cujus certitudinem inferendam expeditus Iskra Colonellus sab
Periciam (in der Carte Peretita) exercitus interea locutus sub Bujany
etc. ... Es ist doch sehr bedenklich, daß man aus dem ganzen Zusam-
menhang der von Poln. Seiten gegen den Türken geführten Kriegen er-
siehet, und öfters angezogener findet, daß die Pohlen hauptsächlich eben
diesen Cordon, nehmlich von Cicora oder Czokorany über Pereti-ta,
Stephanesty, Boloczany und Suczawa zu defendiren gesucht hat,
und daraus zu schließen daß sie diese Disti'icte als eben jenes Land,
welches zu Pogutien immediate gehöret haben und abgerissen worden,
angesehen und behaubten weiten, wegen der Moldau und Wallachey aber
sich eher zufrieden gegeben haben würden. Ehe ich das weitere bey
dem Carlowizer Frieden vorgefallene remarquabele erwehne, muß ich in
der Ordnung meiner Jahrgänge verbleiben.
An. 1686 gienge der König Johannes Sobieski Selbst in eigener
Persohn nach Jassy, wo er von dem Metropolitan in Begleitung seiner
Geistlichkeit und Wallachischen Bojaren mit großer Submission empfan-
gen wurde und nach der Huldigung in dortiger kath. Kirche ein Dankfest
gehalten worden, womach er in das Schloß zurückgienge aber im nächsten
Laager übqi'nachtete. (Zal : Tom. I Pai's 11 p. 962 ; Tom. 11 p. 629 u. 630.)
179
in. 1669 nahmen wieder die Friedenshandlangen ihren Anfuig
wo die Poblen unter anderem die Moldau und Wallache; nebst dem
Schlofl Caminiek und Podolien znrflckrerlangten (Zal. T. I Pars II
p. 1109.); Weilen aber die aliirte Potenzien zu ^roQe Forderongen an
<leB Türken machten, käme der Frieden nicht zu stände, sondern der
Kri^ continnirte bis in das fmh Jahr 1698 wo wieder aufs neue an das
Priedenswerk geechritten wnrde, und endliäi im fmh Jahr 1699 auch
ilersellw allgemein sn Carlowiz geschlossen worden. Zur Baais und fan-
dament wurde fee^sezet nach der e^nen Interpretation des Tflrk. Oe-
Mndten aelbsteu, uti possidetis atque nnoa quisque possideat ea, quae
pflssidet, eadem tenore quo declaratur', (Zal. Tom. II p. 578. In Inter-
imtatione iraditi k Pluptiarüe Eicelsi Ottomanici Imperii pro fandamento
paciB instmmesti.) Die Türken hatten dazumahl Caroiniek und die
Pohlen die Uoldan in Besitz; Jenes zn Terlassen, worauf die Fehlen
standhaft verblieben, und diesee zu verliehren, fiele denen Tflrken sehr
■chwer es solte also die Moldau eine Auswechslung gegen Caminiek
werden, welches endlich die Poblen gezwungener weise eingehen mußten;
ilocfa aber die alte Gränzen von Pocntien sich reservirten, wie aus ihrer
dienen Qrlinz Commissarien hinausgegebenen Instruction zu ersehen.
IniwiEchea continnirt«n die Feindseligkeiten zwischen diesen beeden;
unil die Türken machten neue Einfalle in Both Benßen und käme auch
vOrfclich anfangs Sept. 1698 he; Podhayce zwischen ihnen zu einem
Treffen, worinn die Fohlen victorisiret hatten, doch aber von Caminiek
nicht Meister werden konnten. (Zal. T. n p. 632.) Zu gleicher Zeit
«nMunde ein neuer aufmhr in Lithauen, und in dem vom Kön^ ge-
haltenen Consilio wolten die Pohlen haben, daS die Sächsische trouppen
aus dem Lande, welches der KSnig vor dem Tötligen Friedens Schluß nicht
ta geben volte, marchiren solt«n. Er beschloß, daß seine trouppen den
Winther über ohne Schaden des Landes, ein Theil in dem Schloß St.
trinitatis oder sogenannten Okopy an der Gränze von Fodolien g^on
Jen Feind, der andere Theil in die kto^l. GQther nach Lithauen, und
ihr dritte Theil bey Warschau verlegt werden solten.
Der kays. Herr General Rabutin besezte noch kurz vor der Fi'ie-
ileos Unterhandlung die äußere und untere Moldau uud Wallache;
»iKhen dem Niester und der Donau, und die friedensnnterhandlnngen
■uhmeu gleich darauf ihren Anfang. Stan. Malachowsky wurde zu diesem
'^wchäfte von der Bepublique als Gesandter ernennet, und ihme die In-
■Wnction mitgegeben, daß nach dem 4**° punct er verlangen solte, daß
'^JDiek absolute denen Pohlen abgetretten werde solte; nach dem
'''" panct, daß, da Jassy als die Haubtstadt von der Moldau dem Könige
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schon an. 1686 in Persohn den Ayd der Trene abgeleget, der Repübliqne
verbleiben solle, wann nicht die ganze Friedens Unterhandlung zerrissen,
und der Krieg Fohlen allein auf den hals verbliebe. (Zal. Tom. II
p. 628,. 629, 630). Im 7^" punct wird ihme aufgetragen, daß er stand-
haft daranf beharren solle, die Districte Gzernikow, Soczawa,
Chocim und Soroca nach ihren alten Gränzen und mit ihren
Zugehörigen teritoriis Zu erhalten, welche auch wfirklich damabls
mit Poln. trouppen und Besatzung versehen gewesen sejnd. Bej der
Ankunft dieses Gesandten entstünde ein Pracedenz Streit zwischen ihme
und dem Moskowitischen Gesandten, welcher einiger massen bejgeleget
worden (Ibid. p. 676, 677). — In seiner ersten Friedens Unterhandlung
den 2^** Dezember 1698 mit dem Türk. Gesandten drückte er sich wegen
Caminiek also aus: Podoliam vero tenemus, possidemus et praesidiis
firmatum habemns ita, ut Cameneco nee egressus sit über. Non perti-
net Podolia ad Camenecum; sed Camenecum est extremnm
Podoliae, tanquam accessorium sequitur suum principale^. Ich glaube
dieser Ausspruch kann uns das Argument von Podhorze, daß nach
meinem vorigen unterm 6^" Dezember pt. a. mitgemachten Bappoii
dieser Fluß vor diesem die alte Gränze von Roth Beußen ge-
macht habe, bekräftigen, dann der Gesandte erkläret sich ganz deutlich,
daß Caminiek an der Gränze von Podolien gegen Both Beußen
liege, und ich habe in dem ganzen Lauff dieses Krieges wahr-
genommen, daß so lang als die Türken Podolien occupiret
halten, die Pohlen durch ihren gezogenen Cordon längst des
Podhorze Flusses von Swanicz über Sadanow bis Orchechowce,
und mit dem vielmahls bey Trembowla genommenen haubt
Laager die Gränzen von Both Beußen vertheidigen wollen.
Da nun bey dem Carlowizer Frieden die aliirte vornehmlich dai*auf
sahen« daß das alignement ihrer Gränzen und besonders des Allerhöchsten
Haus Oesterreich mit Pohlen und Venedig yoL-theilhaft gegen den Türken
genommen und angeschlossen werden möchten, und dahero auch causam
communem unter einander machten. So überließ ich denen Herrn Staats
Verständigen über, warum von k. k. Seits an die Ottomanische Pforte
in dem Zweiten Art: der Fi'iedens propositionen zugleich von der Poln.
Gränze eine Erwehnung geschehen? wo es heißet: „Gonfinia Casarea
Mtes trans Danubium incipiendo ab extrema Moldaviae oraqua
Podoliae fines respicit continuis Alpibus, quis Transilvania
(optimo pleno et perpetuo Jure Oaesai'eae Majestatis vindicata nuUisqae
in posterum portae Ottomannicae praetensionibus aut pi'aetensionum reli-
quiis obnoxia) cingitur, et primum ä Moldovia deinde ä Vallachia usqne
181
id jMtrtae ferreae vicinam naturae ipsius opeie et beneficio dividitur dJE-
ereta et separata intelli^tiu' etc. (ZaI. T. 11 p. 692).
In den Friedens Schluß mit Fohlen stehet (ZaI. T. II p. 765):
Ut inter eicelsam Imperium et Seren: Regem incHtamque Bem-
pnbltcam Poloniamm miilto abhinc tempore intercedens disBidinm omnino
lollatnr, atque vetns illa sincera, et bene vicinitati congrua amicitia
il«nim altisgimi Dei favore coalescat, et subditi ntriusque pai-tis pristina
qniete, tranqutlitate fmantitr amotis omntbus vicis§im hostUitatibuB ante
dao bella nltima, constituti vetores limites in pristinnm sta-
tom restituantur h Confiniis IniperialibuB tnm Moldaviae tum
tliornm Distiictunm subjectoiam eicelso Imperio, ita, ut
eadem ratione qua ntraque Cuufioia distinguebantur ante
pennUimum bellum, rnrsus separeutur, neque utrinque ant prso-
tensio, aut eitensio aliqna fieri possit, sed tales limiteG tanquam sacri
religiöse et inviolabiter, observentur atqne colantur".
In des Herrn Job: Jac: Zinhens füi-stl. Sächsischen Hofraths
Friedens Unterhandlungen 3*° und 4'°" Abtheilung p. 1139 zu Coburg
bcf Paul Günther Pfottenhauer und Sohn an. 17ST verlegt, findet man
ebenfalls p. 1129 in dem kays. Friedens Puncten Art. I in das deutsche
übersetzt:
,Ärt. I. Das Land Siebenbürgen, gleichwie anjetzo in Ihrer kays.
Hajest. PossessioD und Gewalt ist, solle unter deroselben Domlnio ver-
bleiben, und von den Podolischen Gränzen bis an die äußerste
Confinen der Wallachey mit Bergen, welche vor gegenwärtigem
£ri^ die alte Limites Zwischen Siebenbürgen auf einer Seite und
iwisdien der Moldau und Wallachey auf der andern Seiten, dann von
der Wallachischen Gräuze bis an den Marosch ebenfalls mit denen Bergen,
«eiche die alte Gränz Entscheidui^ gewesen, umschreiben, auch die
Limites beyderseits also observiret werden, daß sie von keinem Reich
weder hinter sich noch vor sich extendiret werden kennen".
Wenn man hier kays. königi. Seiten der Podolischen Gr&nzen
gedenket, bo haben wir entweder den untern Theil der Moldau und Wal-
lachey, welchen Prinz Engenius durch den General Babutin besezen
lieSa, übernehmen müssen, oder man hat durch diese Benennung der
Po^tisdien Gränze, welche zwischen denen Türken und Pohlen von
Podolien an der Moldau anfanget, über jene oben bemerkte Moldauische
ilpen Gebürgs, und zwar von dem Niester von Kolodrobka dui-ch den
Bukowina Wald bis an den Gier Bei^ gehen aolte, nach der Publen
nchtffläßig formii-ten Präteusion als unsere Aliirten gedenken wollen.
182
Sonst hätte es heißen müssen statt von den Podolischen (Pogu-
tischen Grämen, woran Siebenbürgen nach den aken GHtnien an^
stoßen haben).
Vielleicht bat man dieses Kays. Seits mit gutem Vorbedacht und
reserrirung des Rechts an Halicien oder in Betracht dunaliger Allianc«
gethan, um desto deutlicher Pt^utien von der Moldau zn entscheiden.
Wann wir also auf die Polnische oder Pogutische Gränzen vor denen 2
lezteren kriegen znrflckgehen, ohne die Iffteren tartariechen EinMle in
Pohlen zu rechnen, so kommen wir auf denjenigen zurQck, welcher durch
den Chocimer Frieden an. 1621 geendtget, aber nicht i-atißciret worden,
und welchen der König Sigismund der dritte niemahlen gebilliget hatte.
Vor Anfang dieses Krieges hatten die Pohlen Choczim und besagte
Districte innen, nnd nach welchem Choczimer Frieden sie doch
nur biß Choczim, nicht aber biß Snyatin zurückgezogen haben.
Obiger Zink (Friedenshandlg. p. 1174 et 1175) giebt es noch
deutlicher in seiner Übersetzung des Carlowizer Friedens p. 1174 et 1176
mit den Pohlen Art. I: Sollen die alte Gränzen zwischen beeden
Reichen wie sie vor den 2 letzteren Kriegen gewesen wieder
restituiret und stabiliret, die Pola. Provinzien von dem Türken so
wohl an der Moldau als andere Oi-then nach solchen separiret und unter-
schieden, auch hinkünftig von keinen Theil einige Prätonsion nach ex-
tension gemachet, sondern die alte Gr&nzeu ohnTerrflckt nnd
obnTer&ndert gehatten werden.
Job. Jac. Zink p. 1176 stehet: „Weilen auch die alten so wohl
Poln. als Mold. Gränzen noch bekannt seynd, so solle, wenn
das Wetter es znlassen wird, künftigen Hünath Marth: zur
evacuation der Anfang gemacht werden, auch sobald es geschehen
kan, die Poln. Miliz aus der Holdan abgeführet, die Vestnng und Stätte
evacuiret werden, und diese Provinz frey verbleiben, auch soll zu eben
der Zeit die Vestung Caminieh zu räumen angefangen, und mit solcher
ohne Verzug und Säumniß also continniret werden, daß sie zu längst
den 15*" May vOIlig evacuiret seye". — Da man hier von der alten
Kenntnfls der Gränze zwischen Pohlen und der Moldau ihre trouppen
bis dahin zui'ück zu ziehen geendet hat, so ist denen Pohlen überlassen
worden wie sie es mit den Türken bey der GrAuz Commissiou reguliren
Qrde. Nun ist nicht zu glauben, daß sie sich zu ihrem Nachtheil bis
lyatin zurOckgezt^en haben, wo sie die prätension auf die vorliegende,
id oben beuente districte machten. Weilen aber der CburfQrst von
randenbui^ eben zu dieser Zeit nehmlich anfangs 1699 Eibingen be-
izet und diese Strittigkeiteu erst an: 1700 sich geieget, die Tartaren,
183
noch ehe die Friedenspunkten in Carlowiz unterschrieben waren aufs
neue in Beußen eingefallen. Die Ohnruhen in Lithauen fingen zu
nehmlicher Zeit wider an. (Zal. T. n p. 737 und 740). Einige Zwistig-
keiten zwischen dem Moskowitischen und Poln. Gesandten ereigneten
sieb bei der Friedensunterhandlung in Carlowiz wegen einiger Schlösser
am Nieper (Zal. T. n p. 756; T. HI p. 43). Die Beschwerden von den
Pohlen über die Sachsen hatte kein Ende, und mußten von denen Mold.
Granzen gegen die Schweden marchiren. Die dortige Gegend wurde von
den trouppen entblößt. Der Krieg mit Schweden nahm 1701 einen An-
fang; die Granz Commission wurde erst an. 1703 unternommen, also
hatten die TQrken die beste Zeit und Gelegenheit die Gränzen an Pogu-
tien nach ihrem Belieben zu ziehen und zu usurpiren. Wie nun an. 1703
der 6^ May denen von der Bepublique ernannten Commissariis ihre In-
structiones hinaus gegeben wurde; so müssen die Commissarii solche
schon usurpiret gefunden haben. In der Instruction findet man folgendes
(Ibid. p.483, 484): „Provinciam Vallachiam vel CoUateralem Molda-
Tiam qnandoquidem ä Dominus suae Majestatis et Bepubl:
ipsamet dislimitavit natura etc Dislimitatio ab illa eo faci-
hter videtur ad pacificandam; quia tarnen in locis quibusdam ultra
Sniatinum et praecipue inter Dniestrum et Pruthum occurunt circa
limites differentiae; proinde removendo occasiones ulteriores ad laesiones
ex assueto inter finitimos certamine exacte inquirent per omnes in-
stantiaSy et antiquos ex hac parte examinabunt ductus; si aliqui ir-
repserunt, corrigent defectus, distinguent, renovabunt dislimitationibus
documentis et monumentis eorundem Commissariorum Providentia et dex-
teritas. Facta imprimis expostulatione et omni conatu exhibito, ut circa
Tractatnm limitum ultra Sniatinom sit limes Bukowina per me-
dium ineipiendo dnctnm k Oier usque ad Niestrum in quo spe-
cialiter activitas illorum obstringitur. Hieraus ist zu schließen,
wie ich auch von einigen guten Freunden, die in dortiger Gegend be-
bnnt, zuverläßig versichert werde, daß der Bukowina Wald von Niester
h)B anf den Berg Gier (in der Pariser Carte stehet Pakiri dag) ge-
gangen seye.
Euer Excellenz erlauben mir noch aus der zwischen dem Türk.
ond Poln. Commissarien unternommenen Dislimitatione eine Stelle an-
rafthren (Zal. T. m p. 597):
Item ut Conftnia inter Poloniam et Vallachiam sint munda propo-
oebatur, repositum internes et Yalachos ipse Dens fulmine et ira
dislimitavit (oben heißet es natura dislimitavit sc: durch die Alpen
Gebürge, welche sich durch den Bukowina Wald gezogen) ut nunc tem-
i
^
184
poris quoad fimdum nemo quaeritur ex Yallachia multas ii\jiirias eontn
yeterem consuetudinem in aliquibus locis circa Sorikan et Chocimum
trajectus vulgo promi solom nostri erant, et aliquot annis
Palatini Yalachiae illos quoqne sibi usurparunt, qood est
veteri et moderne tractatu (quoniam nobis solum competunt) cau-
tum. Itaqae ut praefati trajectus Polonis tantum serviant deferri id
Praefulgidae Portae yolunt, optimnmque forma ad Palatinnm Valladiiae
2^>promittitar, ut haec injuria esset, quae Parti infertnr. Der vom
Gränz Commissario Huniecki an die Bepubliqne Pohlen auf
dem Reichstag im Späth Jahr an: 1703 erstattete Rapport von
diesen Geschäft, welcher an. 1727 zu Lemberg, dem Vernehmen
nach, gedruckt worden seyn solle, wird ein näheres Licht
geben, wie die Gränzen dazu entschieden worden, nnd was für
Zwistigkeiten dabey vorgefallen seynd. Ich habe mir alle Mfthe
gegeben ihn zu erhalten, es ist mir aber ohnmöglich gewesen, ihn in
erhalten.
Es ist zu glauben, daß die Gränzen auch bey der (Kommission
Tiolirt geblieben seyn müssen der dt. 21^° Juli an. 1718 bey Passarowiz
zwischen Sr. Majst. dem Eayser Carl VI. und den Türken geschloßenen
Frieden beweiset solches deutlich in dem XVI Ai'ticul, wo zu lesen ist
(Zink. Friedhlg. b. Passai*. frd.). Nachdeme Ihro Kays. Majst. Gevoll-
mächtigte Commissahen vorgetragen, daß der König von Pohlen und
dessen Republique solten zugleich in diesen tractat mit verfaßt seyn ist
zur Antwort gegeben worden, daß zwischen dem König in Pohlen samt
dessen erstbenannten Republique und dem Ottomanischen Reiche keine
Streitigkeit, vielmehr ein immer wählender und beständiger Frieden sey.
Wann aber die Pohlen wegen Choczim oder wegen anderer
Sachen etwas voi*zubringen hätten, könnten solche bey der Ottom.
Pforte durch Abgesandte oder durch Schreiben notificiren und anbringen,
welche aldann billig und recht entschieden werden solten. Was könnte
klarer seyn, als daß der Disput wegen Choczim und die Gränze von
Pogutien müsse vorgewaltet haben, weilen sich die Türken, selbst da-
rinnen anklagen? und muß Pohlen nur an der Gewalt gefehlet, nnd ihre
Übeln Verfassung sie gehindei-t haben, sich mit Nachdruck denen türk.
Usurpationen an ihrer Gränze zu widersetzen.
Ich überlasse also £. Exe. hohen Einsicht und dem Allerhöchsten
Au8spruc)ie, ob ich mit meinen Offiziei-s in Ausstecknng der Adler an
den Pogutischen Gränzen im Frühjahr bey denen schon ansgesteckten
Pfählen verbleiben, oder dem Haubtman von Mieg mit noch einigen Ofß-
ciers, wann die Witterung es zulassen wird, in diese Gegend zu schicken
185
solle wo als dabn die Localitat mit diesen hier gemachten Remorquen von
der alten Gränze genauer gegen einander gehalten, untersuchet und die
alte wahre Gräntze von Pocutien vorgefunden werden könne, und oh
alsdann die Adlers nach dieser entdeckten alten Gränz Linie ausgestecket
werden sollen?
Es könnte dieses um so eher ohnvermerkt geschehen, da der Herr
Obristwachtmaister v. Steinhacher mit Aussteckung der Adler nur bis an
den Niester gekommen, und ich ihn, um Zeit zu dieser Untersuchung zu
gewinnen, hey der ohnehin damahls eingefallenen übelen Witterung
alldort habe endigen lassen. Wann diese alte wahre Gränze alsdann hey
dem Frieden zwischen den Russen und den Türken mit inseriret wurde,
was hätte Unser Allerhöchstes Haus nicht nur in eine vortheilhaften
Granzlinie und Communication aus Pogutien nach Siebenbürgen, sondern
auch wegen dem so sehi* fruchtbai'en Boden und starken Viehzucht, tils
auch wegen denen noch in der Erde verborgen ligen sollenden Cinober,
Tielleicht auch Gold, Schwefel und Kupfer Bergwerken vor einen beträch-
lichen Nuzen!
Joh. Tob. Seeger Freyherr von. Durrenberg
Obrist.
XIV.
Barco an den Hofkriegsrath.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/88.)
Jaasy, den 20. Febniar 1774.
Euer Exellenzien an mich durch das Siebenbürger General -Co-
mando erlassenen gnädigen Befehl vom 25^° Jener habe die Gnad anmit
20 bestättigen, und zugleich folgendes unterthänigst einzuberichten.
Von den Herrn Generali en Cheif Graf Soltikow aus Bukaiest ist
Düter 14**° Februar die Nachiicht eingelanget, daß der Türkische Kayser
gestorben und an statt dessen seyn Bruder auf den Thron gekommen
seyn solle: welcher wegen wie bemelter HeiT General selbsten gehöret, in
RBsciuk mit Canons gefeüei-t worden. Diese nehmliche Nachricht hat
uieh ein von Rusciuk aus der Gefangenschaft sich selbst rantionirter
Kosak mitgebracht.
Von den nach Sybirien mit einigen Regimentern abgeschickten
^^«neral Pibikow, um die daselbst entstandenen Unruhen aufzuhöben
ninret sich hiei*, als hätte derselbe in der gegend von Kasan von dem
wo aufgeworfenen Peter den 3^®" eine Schlappe bekommen, worauf Ihme
ArchiT. LXXVIII. Bd. I. H&lfte. 13
(
186
sogleich noch mehrere Trouppen aus Rußland nach Sjbirien zugeschickt
worden seyen.
Ansonsten hat sich hier bey der Armee der Zeit nichts merkwür-
diges zugetragen. In April Monath werden der Erb Prinz von Darmstadt,
und ein Prins von Holstein hier erwartet, welche der künftigen Campagne
beiwohnen wollen.
Dieser Tagen ist mir ein Entwurf zu Gesicht gekommen, vermög
welchen die Armee im Monath Dezember und Jan. Jeden Monath 27000
Csetvei-t Mehl consumiret habe. Ein Csetvert so ohngefahr zwey öster-
reichische Motzen ausmacht, wird auf ein ganzes Monath für 4 Mann
gerechnet.
Wie ich Euer Exellenzien die Gesinnungen der hiesigen Moldauer
Boern, welcher wegen Sie abermahl Erwehnung gemacht als schon unter
13^° Jan. unterthänigst einberichtet hab, so solle hier noch ganz
gehorsamst beyrücken, daß sich gleichergestalten auch die Boers von
der Wallachey dießfalls bey mir insinuiret haben, Ich unterfange mich
dahero bey Euer Exellenz wiederholt wie in dieser Sache füi*zugehen
hab, den gnädigen Verhaltungs Befehl unterthänigst gehorsamst zu
erbitten.
Schlüßlichen bemerke hier nur noch bloß um Euer Exellenz auch
von diesen unterthänigst zu benachrichtigen wie daß sich in Russisch
Eayserlichen Diensten ein gewisser Baron Lilbat von Lillienberg bej den
Jaroslavischen Bataillon zu Jaroslav als Lieutenant befindet, welcher
seinen Vorgeben nach und producirten Patenten dann Attestaten von
seiner Dienstleistung vor deme in kaysl. konigl. Diensten bey dem Bot-
taischen Infanterie Regiment als Major gestanden, von wannen er zu die
Croaten ti-ansferiret worden, alwo er einen Griechischen Bischoff habe
echapiren lassen, sonach dieser wegen auch selbsten zu die Türken über-
gegangen, und zwar zum Bassa von Dalmatien, welcher Ihme, wenn er
renegiret seine Tochter zu geben versprochen, welches er auch that, der
Bassa darauf aber sein Woii; nicht gehalten, da mittlerweilen mehr be-
nannter Baron Lilbat von Lillienberg in kurzer Zeit die Türkische und
Arabische Sprache lesen und Schreiben erlernet und nebst seiner Bömi-
schen Mutter Sprache, auch der Teutschen, französischen, Wallachisch
und Ruzischen Sprache kündig, so ist er im vergangenem Jahr bey dem
letzten Congress in Bukorest des Reuß Effenti seinen Ober-Dolmetscher
als unter Sekretaire, und Translateur beygegeben worden^ und als er
daselbst entdeckt wurde, daß er ein Renegat und veimög seines Amts
Ihm alle die dem Reyß Effentj von der Pforten zugekommene Yerhal-
tungen bekannt seyen, ist er gegen große Verheißungen von den Russen
187
deboachirt, so nach aber zu den obbesagten Jai'oslayische Baon nur als
Lieutenant abgegeben wurde.
Jassy den 20**° Februar 1774.
Vincenty Baron Barco
F M L.
XV.
Vortrag.
Ei^nh. (R. d. R.-Kr.-M.) Wien, den 6. Merz 1774.
Anmerkung: ,Des Seegers Eifer ist zu beloben und verbleibt es
sonst bey der lezthin ertheilten verbescheidung; doch ist noch dem Galli-
cischen General Commando dieses nachzutragen , daß längs Pokutien,
keine adleraufsteckung vorgenommen werde^ die würklich vorhandenen
Pfeile ausgegi'aben und also eine ganz ohnentschiedene gräntze allda
belassen werde, der Mieg aber diesen Frühjahr so gut als es nur möglich
seyn wird, zur richtigen aufnehmung des neu von der Moldau einzu-
schließenden Terrain gebrauchet werde, dergestalten, daß bey ruckzug
der Bußen die adlers alsogleich auf selben ausgesteckt und mittelst Ver-
legung auch einiger Trouppen allda souteniret gegen das Landvolkh
werden könnten.*
Joseph Corregens.
XVI.
Maria Theresia an Siskovios.^
Ori|;, (R.d.R.-Kr.-M. 41/20.) * Wien, den 19teii Mftrz 1774.
«
Mit eintrettendem Frühe Jahr wird in den neu eingezohenen Ge-
genden Siebenbürgens an den Moldauischen Gr&nzen durch den abord-
nenden Markscheider Will die weitere Schürfung auf Bergwerke unter-
nommen werden. Der Hofkriegsrath hat dem Militär Commando aufzu-
geben, damit seihten mit Commandirung der nöthigen Begleitung und
sonsten all-billige Assistenz geleistet werde.
* SUkovicfl wRr darnalü Stellvertreter des Hofkrieg.sratb9-PrKsidenten Lacy,
der krankheitshalber beurlAubt worden war.
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188
xvn,
Hadik an den Hofkriegsroth.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/40.)
Lemberg, den 20t«n Martii 1774.
Eben als das Befehl-Sclireiben des in Abwesenheit des Herrn Hof-
kriegsiaths-Präsidents das Präsidium führenden Herrn Generain Feld-
Zeug-Meisters Baion V. Siskowics ddto 12^" delabentis erhalten hatte
und die hier immittelst wegen der Adler Aussteckung in Pokutien zu
vernehmen gegebene weitere Allerhöchste Entschließung dem Herrn Obri-
sten Bai'on t. Seeger und Obristwachtmeister Mieg des großen General
Staab zur nachrichtlichen Direction zu bedeuten im Begriif stunde, ist
mir von dem letztern die hierbey verwahrte General Charte der Sieben-
bürgisch-Marmaroßer und Gallicisch-Moldauschen Gräniz Mappirungs-
Operationen, wie ihme solche von denen in Hungarn und Siebenbürgen
dirigirenden Officier mitgetheilet worden, zugelanget, woi-aus Eine Hohe
Instanz sowohl die Verbindung ersagter 3 Länder und den Zusammen-
hang der Arbeit selbsten, als auch wie weith diese Operation bereits
vorwäi'ts poussiret worden und was noch auszufühlen nöthig, sohin wie
weit diese Arbeith nach Maaßgab der Hohen Befehlen annoch zu conti-
nuiren, und was für ein Zeit Raum oder Individuen hierzu erforderlich
seyn därften, unschwer abzunehmen geruhen wird. Gedachter Herr
Obristwachtmeister hat sich zugleich dahin geäußeret, daß, wann es bey
dem gelb angelegten Zwischenraum sein Bewenden haben sollte er nebst
der Beywürkung des Gapitain Lieutenant Hofifmann vom Ingenieur Corps
und den bey diesem stehenden Oberlieutenant Fleischer vom General
Staab, welche ohnehin an ihren alten Punkten attachiret bleiben müssen
füglich mit 2 Officiers diese Operation in dem bevorstehenden Sommer
vollenden, und auch die nach Siebenbürgen von dieser Seite abgehende
Haupt-Piayen, oder Wege würden untersuchen können, wobey dersdbe
ferners das Ansuchen gemacht hat, womit ihme sein derzeit in Sieben-
bürgen befindlicher unlängst als Lieutenant in dem großen General-Staab
placirter Bruder als ein geschickter Zeichner von dorten beygegeben
werden möchte, um ihm bey dieser Gelegenheit noch mehr vor des Aller-
höchsten unterrichten zu können. Da ich nun, so viel die dem Obristw.
Mieg zu der an heüer annoch übrigen Moldauischen Gi-änitz Mappirung
erforderliche Officiers vom großen General-Staab anbelanget, allerdings
besorgt seyn werde, demselben die benöthigte Anzahl tüchtiger Indivi-
duen von dem Henn Obrist Baion v. Seeger zutheilen zu lassen, so wird
es in Gegentheil lediglich von Einem Hochlöbl. Hofkriegsrath abhangen,
■ ■
1
189
ob demselben seinen Bruder den Lieutenant Mieg zu zeichnen beyzugeben,
and zu dem Ende nacher Stanislaw in Pokutien, als des wiederhohlten
Obristwachtmeister dermaligen aufenthalt-Ort aus Siebenbürgen beor-
deren zu machen gefallig sejn wolle, anerwogen nicht zu zweiflen stehet,
daß er Herr Obristwachtmeister diesen seinen Bruder in dem Dienst wie
mehrere Fähigkeit beyzubringen sich bestens angelegen seyn lassen werde.
Lemberg den 20**'" Martii 1774.
Hadik.
xvm.
Baroo an den Hofkriegsrath.
Orig. (R. d. R-Kr.-M. 62/63.) Jassy, den 26*«»» Marty 1774.
Als gestern sind von verschiedenen Preußischen Houssarn Regi-
mentern Commandien zum Bimonten Aufkauf anhero gekommen von
welchen die meisten wegen hiesigen Mangel an Pferden von dem Hen'n
Feld Marschall Graff v. RomanzoflF Paßporte nach der Ukrain zu gehen
erhalten haben. — Der lezthin bemelte Damnitz von der Preyßischen
Gamer kauft nicht allein Wax und Honig, sondern auch vieles Hörn Vieh
ond Pferde hier Lands zusammen.
Wie ich aus gewiessen Vorkehrungen annehme, so wird der Herr
Feld Marschall Graff Romanzoff in balden, wann es die Witterung nur
ein wenig zulaßt, mit der Armee ausrucken.
XIX.
Hadik an den Hofkriegsrath.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/63.) Lemberg den 26ten April 1774.
Diejenige Belehi'ung, welche Eine hohe Instanz in Ansehung der
Arbeiten, so der Herr Major Mieg von großen General Staab in diesen
Frühjahr zu besorgen hat, unter 2*^^ dieses anhero zu ertheilen geruhete,
hab ich sogleich ihme Mieg zu seiner genauen Nachachtung neuerlich
gegenwartig gehalten, und es ist mir von demselben eben jezo hierauf
die Anzeige eingelanget, wienacher bereits mit Anfang künftigen Monats
bei der sich zeigenden guten Witterung die Moldau Gräniz Operation
SQzutreten glaube, und daß von Seiten der Marmaroß der zu diesem
190
Geschäft beordei'te Ingen. Capitainelt. Hoffman nebst Obeii. Fleischer v.
großen 6rl. St. auch allschon zu Stanislay eingetrofen seyn, am mit ihnen
aldoH die fernem Yerhaltungs-Befehle, und besonders die Bestimmung,
wie weit die Operation annoch zu poussiren wäre, abzuwarten.
Herr Oberstwachtmeister Mieg berichtet weiters, wie nacher von
dem Herrn Oberst B: Seeger in Ansehung des alten triplicis Confiny von
Siebenbürgen, Fohlen und der Moldau eine aus alten Schriftstellern ge-
zohene Belehrung auf einen benannten Gier-Berg überkommen hatte,
den er Mieg in der Sieb. Operation als cher-berg benennet finde, welches
sowohl nach allen Land Karten, die jederzeit Fohlen mit Siebenbürgen
angränzen machen, bekräftiget würde, als auch nach Siebenbürger Luxen-
stenischen Karten, worinnen die alte Landes Gränzen an der goldenen
Bistrieze angemerket sind, übereinstimme, auch eine viel natürlichere
Gränze foimire, als die dermalig Winkelmäßige wobei man bey der neu-
eren Siebenb. Adler Aussteckung nur zum Grundsatze angenomen, den-
jenigen usurpirten Moldan Terrain wieder einzuziehen, der nicht extra
memoriam Hominum wäre, und also jene Landes Gränze bey dermaligcn
Umständen mit Recht wiederum bis an diejenige Linie ausgebreitet
werden könnte, so an dem Kisfekete Bach bey dem ersten Adler des
ersten Szekler Regiments wieder in die jezige Gränze einfallet.
Außer deme seye der benante Cher Berg in dem wahren Allignc-
ment mit dem Bukowina Wald und Okopi so, daß er Mieg in dessen im
fixii-ung des interimal arrondissement sein Haupt Augenmerk darauf
richten könne, wen nicht die eigene Aussage der jenseitigen Innwohnern
ihn in ein größeres Licht von den alten Gränzen versezen oder besondere
Absichten zu Beförderung des Allerhöchsten Interesse eine weitere Aus-
dehnung erheischen selten, nach weiterer Miegisch. Äußerung sollen dem
wiederholten Vernehmen nach, die Beamten der Buss. Kaysl. Münze, die
bishero zu Sadagura gestanden ihre Effecten zu verkaufen anfangen,
sohin sich zu Transportirung erwehnter Münze zu bereitten wie auch die
in dem einzuschließenden Ten'ain vorfindig geweste Russisch Trouppen
und Marode Fferde und Troß theils schon abgegangen, theils in Abmai'sch
begriefen seynd, weswegen also HeiT Major Mieg, wenn sich diese Nach-
richt bekräftigte, die Anfrage zugleich machet, ob nicht sogleich eine
Trouppe von einem officier mit 30 Mann von Sniatin bis Gzernowitz und
ein anderer officier von Horodenka bis Frevorodek poussiret werden
wolten, welche sich anfänglich unter dem Verwand eine Rimontirung
daselbst zu postiren hätte, nachgehende aber nach besezten Nebenwegen
die wesentlichen Dienste leisten könnten, die diesseitige Gräniz Operation
desto respectabler zu machen, die Einwohner dieses Winkels die in dem
191
bloßen Czernowiizer District in 6000 Familien bestunden gegen die ent-
kräftende Liefernngen bis zur Donau, Absendung der Wägen zu der
Armee, und den Leüthen zu Artill. und Fuhr Knechten zu decken folgsam
dieVermischung mit der Armee, falls etwas von Krankheiten zu besorgen
wäre, zu verhindern, wodurch die Beobachtung der Ck)ntumaz Praecau-
tionen zugleich erleichteret und der Grund zu künftigen Besiznehmung
geleget werden könnte.
Was nun die angesonnene Yerhaltungs-Befehle, und die Bestim-
mung, wie weit die Moldau. Graniz Operation annoch zu poussiren wäre,
betrifft, da gebe ich wiederholten Herrn Major unter einem mit, daß Er
sich nach Maasgab der in Sachen erfloßenen Hohen Anordnung, und der
Ton dem Herrn Obersten B*^ Seeger erhaltenen Belehrung, wie auch fer-
nab nach den eigentl. Local Befund, und denen authentice in Erfahrung
bringenden Aussagen der Inwohnern auf das genaueste achten, sofort
seine Arbeit nach diesen Ziel fortsezen solle.
So viel hingegen dessen weiteres Ansinnen wegen sogleicher Yor-
stoßung einiger Trouppe bis Czernowitz und Brevorodeck nach Abzug
der Russisch Kays. Münze von Sadagura und Abruckung der Russen
nach der Donau anbelanget, da scheint mir solches von dämme dermalen
nicht wohl thunlich zu sejn weilen erstlich die Hohe Anordnungen in
dem ziel und Maaß sezen, daß man erst alsdann, wenn die Russen aus
der Moldau abgerucket sind, mithin solche ganzlich verlassen haben
dörften, die Adler in dem neu einzuschließenden Terrain auszustecken,
and mittels auszustellender Mannschaft zu souteniren seye zweitens aber
ich nicht ungegründet bevorsehe, daß wenn dieser Terrain jezo mit
Mannschaft besezet, und bevor ab denen Russen die vivres Wägen und
Leathe aus diesen Theil heraus zu ziehen benommen oder auch nur er-
schweret werden solte, von Seiten des Herr Feld Marschalen Grafen von
fiomanzow gar bald dargegen verschiedene Klagen angebracht werden
dörften, welches auch allenfalls zu unangenehmen Weitläufigkeiten Anlaß
geben könnten, und finden mich dahero bemüssiget was diesen Punkt
betrift, die Sache dem Höheren Ermessen zu unterziehen und mir sofort
Ton einer Hohen Instanz die Hohe Entschließung gehorsamst zu erbitten,
ob nach dem obigen unangesehen, dennoch alsbald, als die Russen aus
der Moldau nach der Donau abgezohen diesfällige Besezung des neu ein-
zoschließenden Terrains, bis nach gänzlich erfolgter Räumung der Moldau
Ton den Bussen verschoben bleiben solle.
Lemberg den 25. April 1774.
Hadik.
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192
XX.
Vortrag.
Eigenh.
Wien, den 3t6D März 1774.
(Randbemerkung): In dieser Maaß ist das Gallizische General
Commando zu verbescheiden, nemlich:
Es komt bey der angetragenen Mappiining in der Moldau auf 2
Fi-agen an:
jmo ^ag ^lem Obristwachtmeister Miegg füi* eine Belehrung zu
geben? und 2^^ was wegen der an den Granzen Siebenbürgens ausge-
steckten adlers zu veifügen seye?
ad l"** bin Ich mit dem Hofkriegsrath und dem Gallizischen Ge-
neral Commando überhaupt verstanden, daß Miegg auf die bereits er-
lassenen Verordnung noch mal zu weisen; folglich mit aussteckung der
Adler nicht eher, als bis die Moldau von den Russen geräumet ist, oder
ihm fast ein positive ordre zukommen wird, vorzugehen seye. Was die
Verschiebung zweier Commandi unter dem Vorwand einer Rimontirung
betrifft, so sehe Ich solche zu Erreichung der gefaßten Absicht ebenfalls
für dienlich an, nur wäre dem Obrist Wachtmeister Miegg der Satz wohl
begreiflich zu machen, daß die Moldau als eine von Rußland jui*e belli
eroberte Provintz in so lange zu betrachten seye, bis sie nicht von die
Russen entweder selbst völlig geräumet und verlassen, oder dui'ch den
Frieden etwas anderes stipuliret wird, daß folglich den Russen nicht nui*
keineswegs die geringste Hinderniß verursacht, sondern vielmehr auf alle
nur thunliche Art getrachtet werden müsse, sie bey gutem Willen zu
erhalten, und besonders den in der Nähe commandirenden Officier zu
gewinnen, damit er und seine unterhabende Truppen die Mappirung
ruhig geschehen lassen.
ad 2^"" komt die Haupt Betrachtung zum Giiind zu legen und
sind hier nach alle weitere Maaßnehmungen abzumessen, daß wenn mau
mit der Pforte, wegen der Pokutischen Granzen dereinst naher zur Spradie
kommen solle; zum voraus der Gelegenheit zu menagiren und vorzu-
bereiten seye die Erweiterung von Seite Pokotiens durch eine Nachgie-
bigkeit auf anderen seiten zu ersetzen und die Sache durch eine Art von
Austausch zu berichtigen.
Joseph Corr.
Buoo BD dan Hofkrlegsratli.
Orig. (B. d. R.-KT.-H. 62/48.)
Hauptquuijer Oura balla
den 23'«> Juny 177*.
Euer Ezcelleoz hab mehnnalen die Gnad von deaea sich der zeit
hier ge&nSerten B^benheiten fol^ndes nnterthänigst ^borsamst ein-
zoberichten; der lezthio vom Yesir Dacher Brailla eingelangte TOrkische
Carter ist als bald nieder mit gegentheiligen Demonstrativis ganz kui-tz
abgefertüget worden, auf welcher der Minister Obreskow (von welchen
?in seiniger Translateitr hier geblieben) wieder auf seinem vorigen Posten
nach Roman abgangen, ond der Herr Feld Harschall Graf von Bomanzoff
sich hieher nach Gnra balla begeben hat, allwoWir den 22. frnh morgens
eingetroffen sind; anf der Anhero ReyÖ den 21'"' in der Nacht ist durch
ein Carier die Nachriebt an besagten Herrn Feld Marschall Oberbracht
KOrden, daQ der General Soltikow Jennseits der Donau zu Turtoka; den
Hascban Pascha, von welchen Kr zu Wasser, und zn Lande angegriefen
wurde, nach einem starken QefOcht geschlagen, ein Canon 4 Fahnen,
und das ganze feindliche Laager erobert, dann be; 150 Mann nebst
einem hin Pascha zu Kriegsgefangene gemacht habe, an Todten sollen
rürkischer Seits 1500 Mann geblieben seyn, die Russen hingegen geben
ihrer Seite dabe; verlohren zu haben nur 10 Mann an. Den 22**° darauf
Abends langte anch von dem General Kamensky die Nachricht ein, daß
vilcber nach dem Er sich mit dem General SzubaiofF be; Bujuktschau-
meelik conjagiret hat, auch so glücklich gewesen und dem Beyß Effenti,
velcher nach Aussage der gefangenen, 70.000 Haan stark gewesen seyn
eulle, bey Easlatschi zwischen Warna und Schumlau geschl^en, 30
oene Canons, dos ganze Laager nebst der KeyB Effenti sein Zelt erobert
Dsd eine noch ohnbekannte starke Anzahl Türken nebst einem Pascha
Tun zey Ro6 Schweifen zu Kriegsgefangenen gemacht, Todt sollen Tflr-
tjscber Seits mehr denn 2000 M. geblieben seyn, Russischer Seite aber
«erden in allen nur 100 Todte gerechnet, und diese, weillen Sie die
T&rken erstlich ans dem Walde haben müssen heraus Jagen, um mit
Ihnen auf der Sleine zu schlagen ; von diesem geschlagenen Chor haben
!ich sonach ein Theil nach Warna und dei' andere Theil nach Schumlau
^flüchtet, und die beyden General Kamensky und Schubaroff werden nun
mitsamen vereinigter weiters gegen Schumlau vorrflckeu. — An heunt
gehet auch der Herr Feld Marschall hier bey Guia balla über die Donau
211 seinem Chor, welches mit einem Theil von dem Fttreten Repniu seinen
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194
bereits übergesezt haben, allen Ansehen haben wieder einen Versuch auf
Silisti'ia zu machen, nach dem diesseits auf der gegenüberliegenden Insul
(allwo hin der General Loyk ein Engelländter mit 4 Begimenter beordert
ist) abermahlen Zurichtungen gemacht werden solches zu beschflssen,
mitlerweyl der General Soltikow das feindliche Chor bei Busciuk in Zaum
haltet, und so soll auch schon morgen Turno zu pombartiren angefangen
dp>5;; werden. Auf obige nach einander so glücklich erfolgte zwey Unterneh-
mungen schmeichelt sich nun der Herr Feld Marschall den Vesir andurch
zum Frieden zu zwingen.
xxn.
Baroo an den Hofkriegsrath.
Orig. Feldlaager an der Donau 4 Stunden unterhalb
(R. d. R.-Kr.-M. 62/42.) Süistria den 28teii Juny 1774.
Gegenwärttigen Anschluß an den Kussisch Kayserl. Minister Herrn
Fürsten von Galitzin hat Mir heunte der Herr Feldt Marschall Graf von
Romanzoff zur weiteren Beförderung übergeben, welchen anmit Gnad
habe Euer Excellenzien zur gnädigsten Bestellung an gedachten Herrn
Fürsten, untei-thänigst gehorsamst zu unterlegen und anbey folgendes
ganz gehorsamst einzuberichten : den 25. dieses ist des Feld Marschall
sein Chor von Gura balla eine Stund weit vorwärts gegen Silistria bis
ohnweit eines defile, wo die Türken die Brücken nicht abgeworfen haben,
in drey Quarre marchii-t, und den 26*®° wurde das defile mit zwey Regi-
menter Cavalerie und zwey Infanterie Regimenter besezet; Wier stehen
nun 4 Stundt weit unterhalb Silistria, und anheunt wird wieder weiters
vorgerückt, allen Anscheinen nach sucht der Herr Feldt Marschall das
feindliche Chor bey Silistria nächster Tagen anzugreifen. Bey der lezthin
mit dem General Kamensky und den Reiß Eflfenti zu Kaslatschi voi*ge-
^*. fallenen Affaire sind nach eingelangten zweyten Rapport in allem 34
V Canons und 3 Mörser, dann 107 groß und klein Fahnen erobert worden,
;{: \ bey dieser Gelegenheit selten sich auch aus dasiger Gegend bey 3000
Wägen mit Christlichen Familien auf die Russische Seiten herüber ge-
^^, ,^ flüchtet haben; Noch Niemahlen sollen die Türken so standhaft gewesen
t^,r -* seyn als bey dieser AflFaire, wo Sie den Angiif zu Viermahlen wiederholt
' vV "^ haben und beynahe in ein Infanterie Regiment eingehauen hätten, wann
' ''ä^^^ nicht zu rechter Zeit zwey Eskadrons Houssarn dem Feind in Rücken
,^;; *^ gefallen wäre; die ganze AflFaire hat bey 4 Stunden lang gedauert, und
t in Lauter Waldungen, nur der lezte Angrief ist auf der Bleine geschehen;
195
lie Tor Trouppen vud Eamenskischen Chor »treifen nun bis hioter
Scbumlau and Warna dann Silistiia sind schon von SchuHilau ab^-
schDitten.
Der tieneml SzubaiufT hat sich mit dem General Kamensk; at^e-
wurfeo, sonach biank gemeldet und vom Chor at^egangen.
ElMohshauflen an Hadik.
Ori^. (R. d. K.-Kr.-M. 63/63.) Lenberg den S*» J11I7 1774.
Euer Exuellenz beede hohe Befehl Bchreiben vom äl*™ nnd 24"°
JuDj aus Reschow (die ich mir zur gemessenen Richtschnur nehme) hatte
ich die Ehre allererst be; meiner Backkonft zu Lombei^ zu erhalten
luch dem ich zur Besichtigung deren Gränzeu von Kutti bis Brody 12
Tage abwesend wäre; bey welcher Gelegenheit mich in der Moldau, ohne
im mindesten erkannt zu werden begäbe, und während einoB daselbstigen
aofenthalt von 5 Tagen mit dem Uajor Hi^ jenen District, so denen
<lieseitigen absiebten gemäß wäre, durchritten und ziemlich genaue Eännt-
ddB innegenommen. Da aber die SiebenbQrgische Commnnication ein
Hauptg^nstand dabey ausmachet, so fände nöthig, dem Major Kieg auf-
zutragen, jenen nächsten Eingang in die Uoldauscbe Oebürge, so über
Monaster Suczevize aacher Siebenbürgen führet, noch vorhero zu be-
augenscheinigen, ob uehmllcben der gahe FuD-Steig, so von Monaster
Suczewize nach Houaster Holdovize ziehet, zu einem Fnbi-Weg zuzu-
richten se;e; annebst von ihme einen vorläufigen Plan von ers^ten
Koldauischen Bezirk verfertigen zn lassen, um andurch in dieser Sache
&. Eic. ein ganzes Submissest Vorlegen zn können, und welches, sobald
« mir vom Major Mieg eingehet zu befolgen ohneimangle da ein hochlöbl.
t. k. Uofkriega-Bath meinen hiesigen Gehalt bereite bestimmet hat. Euer
Eicellenz unterthänigst bitte, das dieseiivegen hochdenenselbe einge-
teichte gehorsamste pro Memoria zu keinem weiteren Gebrauch zu nehmen.
Lemberg den S"" Julj 1774.
Ellrichshansen
G. F. z.
196
XXIV.
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XSUriohshaiuen an Hadik.
Orig. (R. d.R.. Kr.- M. 63/63.)
Lemberg den 22ten July 1774.
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Nachdem von dem Major Mieg der Plan über den Moldanscben
Winkel und sein diesfölliger Beriebt mir zugekommen, so unterfange
mich bey deßelbigen Einbeförderung, in gefolge meines gehorsambsten
Erlasses vom 8*®° dieses Euer Excellenz jene Beobachtungen, so ich wäh-
rend meines doiiigen fünftägigen aufenthalts angemerket hab submissenst
beyzulegen; diese hatte gleich damahls, und zwar in der Erwartung
niedergeschrieben, daß zur Communication nacher Siebenbürgen die kür-
zere Straße im Mol dauschen Gebürge, nehmlich über Monaster Suczawitze
und monaster Moldawitze zugerichtet gerade und angenommen werden
könnte; alleine so wird diese, nach dem Major Miegischen bericht aller-
dings vor unthunlich zu erwürken angesehen und folglich auch der Cordon
gegen meinen ersteren Antrag, etwas weiters hervorgestoßen ; ich kann
Euer Excellenz unterthänig versichern, daß bey der local-Einsicht die
Vortheile noch viel mehreres bedeutender erscheinen, und dahero die
beybringung dieses Terrains in den dieseitigen Cordon, gewiß alle Mühe
und Kosten verdiente; So bald die Plans von Snyatin und Okopi eingehen,
so will nur alsdann die gleichmäßige freyheit nehmen, selbige an. E. Exe.
mit meinen geringen Bemerkungen zu begleiten; beede diese orte, sind
ihrer laage halben, von besonderer Erheblichkeit; der aufwand bey er-
steren würde mäßig und bey dem anderen gering seyn; hingegen ver-
dienete alsdann Stanislau, keine andere Verbesserung, als nur die von
einem bedekten Weeg; bey dieser Vestung findet des Ingenieur-Majors
Hausser Antrag keinen statt, daß sich nehmlichen ein Corps Trouppe in
ein verschanztes Laager auf der angezeigten Anhöhe vor der Vestung
setzen könne, angesehen der Raum oder Terrain zwischen diesem und
der Glacie, besonders vor Cavallerie allzu enge, und neben der Vestung
der Morastige Terrain Verhindernüsse zu Bewegungen verursachet. End-
lichen kann nicht umhin, von der Polnischen Vestung Kaminiek berühren,
daß ich solche hart am Graben gantz umritten habe, Diese liegt wie
bekannt völlig in der Tiefe hart am Graben mit Anhöhen umgeben;
zwischen dem Polnischen- und Russischen Thor in der Tiefe des Grabens
von 2 — 3 glaftern und dieselbe Seite ohne alle Defension, dahero auch
vor keinen haltbaren ort zu consideriren, zu keinem Depot die Sicherheit,
darinnen, viel weniger daß ein corps d'armee eine vortheilhafte Position
daselbst findete; es sterret diese Vestung weder ein Zugang, noch dienet
197
das Land zu decken, so daB selbe als ein unnfltzer oii. zu militärischen
absiebten betrachtet werden kann.
Orig.
Gehorsamste Noten.
Nach einer Torgenommenen Untersuchung desjenigen allignements
Yon Okopi Bis an die Siehenbürgische Gräntzen zeiget die Natur eine
Linie, welche nach der Laage des Terrains und denen dahin einschla-
genden Umstanden interimaliter erwählet worden und in dem anliegenden
Plan ersichtlich dann durch nachstehende Funkten, Besonders durch
denjenigen, welchen die communication mit Siebenbürgen Betrift, erläu-
tert wird ; diese Linie Biethet verschiedene Vortheile sowohl zu militaires
als provinciales absiebten an, wobey dann jene militärische Gegenständte
in die Vortheile in friedens Zeiten, und in Kriegs Operationen können
abgetheilet werden.
1"^ Als die militärische Vortheile in friedenszeiten bestehen; daß
der Cordon bey Bedrohen: der Gefahr deren Epidemischen krankheiten,
bey der fast völliger Umschlüßung dieses Terrains durch Waldungen mit
mehrere Sicherheit und wenigeren Mannschaft, als der dermaligen in
Pokutien und Podolien kann besorget werden.
2^^ würden 3 Cavallerie Bgt. in diesem Bezirke um so schicksamer
und wirthschaftlicher bequartiert, und verlegt werden können, als selbige
sowohl an der grünen fütterung als auch an Heu, die hinlängliche Er-
fordernüß findeten, wobey über dieses,
3^'^ noch so viel Graß und Heu sich vorräthig befinden würde, um
okng^ehr vor 6 Regimenter so beträchliche Stuttereyen anlegen zu
können, daß Sie hinlänglich seyn wüi'de sich davon zu remontiren und
zwar dargestalten, daß nach deme solche ein mahl eingerichtet und dabey
die gehörige Wirthschaft zu deren ferneren Unterhaltung beobachtet
werden, diese so dann wenig oder gar keine Auslage dem aerario zuziehen
döiften; Zu letzterem Gegenstandt könnten Hauptsächlich die schönen
Thäler des Sirets- und Suczawa flnßes, denn Jener beträchliche zwischen-
ramn von beyden erst benannten Aussen, nicht weniger die große Eotto-
weti und Horodize wiesen, wo sich in allen diesen orten, die ausgiebigste
Graßereyen vorfinden, bestimmet werden, wobey nur generaliter noch
sa berühren kommt, daß falls der hierzu bestimmte Terrain (welcher doch
ohngefähr 8 — 9 quadrat Meilen betragen wird) nicht hinlänglich seyn
solte, man sich der in diesen Gegendten eingeführten Gewohnheit be-
dienen könnte, in dem Sommer die grüne Fütterung auf denen Alpen
oder hohen Gebürgen zu suchen, um die Thäler zu dem Heu zu machen,
Uid wmterlichen Unterhalt zu conserviren; und endlich würde die Ab-
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199
nication zu Nutzen machen will und da gleich Vorworts der Cordons-
Linie, das Land sich öfnet, so können im Gegentheil die Zubereitungen
des feindes so ehender wahrgenohmen werden,
6^^°^ kann man sich des Hier vorfindigen Häufigen Hörn Zug-Viehs
zur Transpoi-tirnng, welche art von Bespannung in der Moldau sehr gut
brauchbar bedienen, Imgleichen deren Menschen zu Heu machen, Holtz-
fallen, Flößen, und dergleichen, wovon uns die Russen die Beyspiel der-
mahlen geben; wobej man dann wahrscheinlich auch den Pruth, wenn
er etwas von denen darinn Befindlichen Bäumen gereiniget würde, zu
Transportirung deren Eriegs-Geräthschaften aufflößen benutzen könnte;
ytcns ^irde diese zuwachsende Vortheile dem Feindt benehmen;
gt«ns ^[q flanque von Siebenbürgen- deckt die fronte von Pokutien,
wie die fronte von Pokutien die oberen Theile von Siebenbürgen, wan
nur noch einige Trouppen am Suczawa-fluß und am fuß des Moldauschen
Gebürgs, wo die Comunication in Siebenbürgen führet, und dadurch
gleichsam im Mittelpunkt zwischen Siebenbürgen und Gallicien zu ver-
legen wäre, um ein oder anderen Theile, mittelst dieser kurtzen Linie die
erforderliche Aushülfe zu leisten; ferner durch diese Communication die
Trouppen in Siebenbürgen, So vorhero bloß zur Defension ihres Landes
Bestimmt waren und angedient hatten, nun mehro in der Moldau gezogen
und zum offensiven Krieg mit bey würken können; dieser Haupt Vortheil
der Comunication erfordert die im Plan angemerkte Gräntz Linie und
erlaubet nach der Natur der Situation nicht weiters damit ruckwerts zu
gehen;
Qtens faiig man genöthigt wäi'e, die hierländische regulii-te Trouppen
anderwerts zu verwenden, kan derselben Stelle zur Besetzung der dies-
seitigen frontieres durch die Siebenbürgische Gräntz-Trouppen, vermittelst
dieser Communication ersetzet werden.
10**"" Imgleichen wird ein Theil von Podolien, von dieser hervor-
gestoßenen Linie bedecket, so mehr da man als dann 2 Brücken über
den Niester als eine bej Okopy, und die andere 3 Meilen aufwärts davon
bey Zomosina etabliren kann ; welche Position am Niester auf der Podo-
lischen Seite, eine flanque gegen die Moldau zugleich mit formiret, so
daß durch diese, und jene mittelst der Siebenbürgischen Communication,
der Feindt vom Eindringen in Pukutien füglich abgehalten werden kann.
Utena Wenn in einem offensiven Krieg nur ein Marche von dem
Bukowina Wald vorgerucket wii'd, ist Choczim abgeschnitten, dessen
daselbstige Brücke über den Niester leicht zu ruinireu ist;
I2tens ijj einem offensiven Krieg kann eine von hier aus vur-
nickende Armee die Subsistenz aus Siebenbürgen durch den Gyemesen
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und besonders Ojtoser-Pass, welcher an jenen fruchtbaren Gegenden von
Horomzak und Purzel-Land aboutirt, ziehen, welche Depots von Lebens-
mitteln gantz sicher in jenen Thälern könen errichtet werden.
13**" kan man aus der Linie des Bukowina Waldes auch in einen
defensiven Krieg, einen großen Theil deren gegenseitigen gegendten in
Contribution setzen;
14*®°" findet nach geendigter Campagne ein großes Corps Cavallerie
in diesem Winkel rauhe futterung (Bezeuget dieses würklich die Bußische
#
Cavallerie) und eine beträchliche Trouppe sichere Cantonnirungs-Quartier,
wobey die äußere Kette von Dörfern längst dem Bukowinawalde die
Postirungen anbiethet, welche ohne avunturirt zu seyn, alle feindliche
Bewegungen beobachten könne; die innere Linie von Dörfern aber die
Bequartirung zur Besetzung deren Durchgänge durch den Wald formiret.
Die Gräntz-Trouppen Formirung würde in Betracht der voran-
gemerkten Bequartirung deren 3 Cavallerie Rgtr., deren dabey zu errich-
tenden beträchtlichen Stuttereyen, wozu sowohl ein großer Theil dieses
Bezirks an Ortschaften als Ländereyen erforderlich, einige Erschwerung
finden, da wegen zu leistender Aushülfe dieses Winkel, bey erfolgenden
Vorrucken zu kriegs Zeiten in die untern Theile der Moldau, sowohl an
Fuhren, fourage Liefferungen, Arbeitern zu Heumachen, Straßen etc:
Formirung des Schlacht Viehs (Holtz-Schlagens, und Flößen) wovon uns
die gegenwärtige Operationen der Ruß. Armee zur merklichen Wirtschaft
des aerarii die Bey spiele giebt, das Land- Volk verwendet wird, welches
aber bey errichteten Gräntz-Trouppen nicht stattfindete; annebst bis
man von der Zuneigung und Treu deßelben versichert seyn könnte; So
wäre man des dafürhaltens, die Errichtung deren Gräntz-Trouppen in
diesem Moldauschen Theil anfänglich in anstandt zu belassen, und in-
dessen diese gegendt nur mit einer Anzahl deren gewöhnlichen Halb
Invaliden, Cordonisten und ein Gai*nisons Bataillon zu versehen;
Provincial - Gegenständte.
jmo Werden durch die in diesem Moldauschen Bezirkh nefiere
Gräntz-Linie die anstoßende Pohlnische Provinzien gegen die Epide-
mischen Krankheiten mehrere Sicherheit, dabey mit noch geringeren
Kosten-aufwandt gesetzt.
2do yqj^ jqqj iQ Pokutien existirenden Holz-mangel ans jenen
Mold. Bezirkh reichliche Aushülfe beschehen, und noch über dieses aus
dem Bukowiner walde ein Beti-ächlicher Holtz Verschleiß mittelst des
Xiestei-flußes nacher Bender, und in denen Sii'eter Wäldern Glaß fabri-
201
qoen, ohne denen militaerischen Absichten zu Nahe zu Tretten mit
Katzen errichtet werden.
S*»» Die grüne und rauhe Fütterung vor anbemerkten 3 Cavallerie
Begimenter würde in Pokutien wo es in deßen oberen Theil ohnehin
Mangel daran hat, ersparet, und der dortige Landmann von dem quartier
Last enthoben.
4^ Die Emigration aus diesseitigen Fohlen sowohl, als jene aus
deme oberen Theil Siebenbürgens wird zurückgehalten.
5^ Durch eiTichtende Communication zwischen Siebenbürgen und
Pokutien wird Hungarn von allen Hin und Her Märchen von Trouppen,
So viel nemlich solche in hiesige Lande betrift, enthoben.
6^ Snjatin ist zu einer Handlung in die Moldau, und andere Türk.
Provintzien sehr gelegen, wo sodann die im ersteren Orte sich nieder-
laßende Handels-Leute und Professionisten durch den Mold. Gordon sich
desto gesicherter finden, und kan der Saltze Verschleiß in den oberen
Mold. Theil desto füglicher statt haben."
, (
Lemberg den 22*«° Julij 1774.
Ellrichshausen.
.i
!
XXV.
EUriohsliauaen an den Hofkriegsrath.
.t"
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 63/53.) Lemberg den 29ten Julü 1774. ^
I
Da lauth eines von dem Herrn Feld Marschall Lieutenant Baron i
▼on Barco eben jetzo an mich eingelangten Schreibens ddto 17*®° dela- f
bentis der Fried zwischen Rußland und der ottomanischen Pforte sub |;
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eodem geschloßen, und die diesfällige Instrumenten in der fürgewesten
Conferenz zwischen dem Herrn Feld Marschall Graf v. Romanzoff und \
denen an ihme von groß Yezier zu dem Ende abgeschickten zweyen tür- i
kisehen Gesandten beedseitig ausgefertlget worden die Ratificirung der-
selben auch von Groß Yezier binnen 3 Tagen ä dato die Ausfertigung
folgen solle; so erbitte ich mir von Einem Hochlöblichen Hofkiiegs
fi^ biemit in Unterthänigkeit die Weisung was bej so gestaltig ver-
änderten Laage die Sachen in Ansehung der von dem Herrn Major Mieg
des großen General-Staabs besorgt werdenden Mappiimng in der Moldau,
womit derselbe bis Ende künftigen Monaths Augusti fertig zu werden,
sich jüngst anhero geäußeret hat, zu beobachten seyn därfte; Womit nur
annoch gehorsamst zu bemerken finde, daß ersagten Major unter einem
AreU?. LXXTm. Bd. I. Halft«. 14
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202
aufgetragen werde, sothanes geschäft auf alle nur immer mögliche Art
zu beschleinigen, und sich für seine Persohn nacher Czernowitz zu be-
geben, um in der Nähe daselbst sowohl auf die Bewegungen der Rußen
in der Moldau, als auch der dortigen Innwohnern desto fuglicher ein
obachtsames Aug tragen, und solche in verläßliche Erfahrung bringe,
sofort darüber hin von Zeit zu Zeit den anverlangten Bericht zu weiters
gehorsamsten Anzeige anhero erstatten zu können;
Womit etc.
Lemberg den 29*«° Julii 1774.
Ellrichshausen.
XXVI.
(Copia
der herausgegebenen Friedens Functen aus dem griechischen in das
Französische übersetzet die Fürstenthümer Wallachey und Moldau be-
treffend.)
(R. d. E.-Kr.-M. 29/10.)
Copie des articuls sur la Yalachie et Moldavie.
1 . Tous les habitans de ces deux Principautes seront Compris dans
Tamnistie generale, eux et leurs effets; on fera une remission ä touts
ceux, qui ont paru pendant le Cours de cette guerre contraires aux
interets de deux Cours, ä ceux, qui en sont soup9onnes, et le souvenir
en sera eternellement efface; on n'en tirera, aucune vengence, et on ne
laissera pas d'autres ä les inquieter la dessus, on ä leurs causer le
moindre domage, sous quelque pretexte, que se soit.
au Contraire on les laissera vivre selon leurs anciens ränge, et ils
jouiront de toutes les prerogatives, et Privileges, dont ils se sont con-
tentes avant le commencement de cette guerre eux, et leurs terres.
2. on leur laissera libre la profession de leur Relligion, et ils au-
ront la libert^ de batii* des eglises neufs, et de raccomoder les an9iennes,
comme auparavant.
3. Le clerig^ sera honorablement distingu^, et il jouira de tous le
honneurs attach^ ä ses rangs ecclesiastiques.
4. on restituera toutes les terres, et fernes injustement enlev^s des
environ de Braile, chotzin, Bender, et autres forteresses:
5. on ne leur demandera aucune somme d'argent que selon les
an9iens reglements, sous quelque denomination, que ce soit.
203
6. On ne leur demanderä aucnne sorte de tribut poui* tout le tems
de la gnerre, et encor pour deox ans ä compter depus le change des
prisonniers.
7. L*echeance pass^e, on gardera la grandenr d'ame, et Thumanite,
on prendra le tribut par des deputes, envoyes pour cette affaire, quand
on prendra cet ai'gent les bachas et les autres officiers ne les contrain-
dront point ä payer d'autres sommes sous -quelque denomination^ que ce
^it; mals ils jouiront de touts les prerogatives, et la tranqUillit^, dont
ils ont joni pendant le regne de Mahomet IV.
8. les Princes de ces deux Principautes auront des cbarg^s d*affaire,
de la Beligion greque, qui auront sein des affaires de ces Principautes ci
dessus mentionnees, et ils seront en Correspondence avec la Porte et ils
joniront de toutes les prerogatives du Droit des gens.
9. la Port^ consent, ques les ministres de la Russie residents ä
Constantinople selon les o^urances pourront faire des representations ä
Ja Porte pour Tutilite de ces Principautes et la porte promet de les
ecooter conformement k Tbonneur, et ä Tamiti^ des autres souverenet^s.
(Eigenhändig.)
NB. Hier kommt zu reflectiren, daß mit der Earlovitzer Pacifi-
cation Chotzim hätte sollen der Moldau restituii*et werden, was aber die
Pforte nicht gehalten, Stefan Gika hätte es schon einmahl an sich gezogen
dnrch intrigen des Mnffti aber wieder geräumet, ich vermuthe, daß der
Hof hierwegen reflectiren wird, ich habe dieses nicht notiret.
Diese erheblichen Puncten hab S^ Excellenz dem Eriegspräsidenten
eingeschicket und wie oben bemerket wegen der Earlovitzer Pacification
nichts notiret, da ich mir ohnehin vorstelle, daß man alles hervorsuchen
wird, was nur geltend sejn kann.
Vincenty Br. v. Barco.
xxvn.
Copia
Ein^ an S® Excellenz Commandirenden Generain in den Kötiigreichen
Gallicien und Lodomerien, Preyherrn v. Ellrichshausen vom Herrn Obrist-
wachtmeister von Mieg vom grossen Generalstabe ddto Czemowitz 4*®°
August 1774 erlassenen Schreiben.
Cop. (R. d. R..Kr.-M. 62/139.)
Unter unterthänigster Bestattigung des Ersteren von E. Exe, de
dato 21*««» Juli erhaltenen gnädigsten Befehls-Schreiben, hab die Ehre
14»
i
204
in anterth&nigem Gehorsam zu melden, wie dass ich' zu dessen genaue-
sten Befolgung den 29^^^ passati eine Tour nach Suczawa zu dem be-
rühmten Bojar Innigati Millio vorgenohmen, um nach dem erfolgten
Frieden, eine politische, und instructive Conferenz mit ihm zu haben,
von da hat mich mein Eifer vielleicht fehlerhaft weit getrieben, da ich
meinen Bitt bis nach Jassy selbst fortgesezet; wovon ich aber nun mehro
nach erhaltenen 2**° gnädigsten Schreiben von 28**" Juli um desto mehr
beruhiget, in der Hofnung einer gnädigen Vergebung E. Exe. das unter-
thänigste Geständnis mache als mich diese Beise über die dermaliche
critische Lage, dieser Nachbarschaft in ein gioßes Licht gesezet hat, um
davon einen desto deutlicheren unterthänigsten Bapport abstatten zn
können, dahero dann auch E. Ex. meine ganz gesammelten Nachrichten
(obwohlen von Herrn General Feld Marschal Lieutenant Baron von Barco
gründlicher einlaufen) unterthänigst beyfüge, wie ich sie von verschie-
denen Nationen und Ständen hab combiniren und einsammeln können,
wozu mir dann besonders der obige vernünftige Bojar einen sehr guten
Grund geleget, diesen habe, so wie fast samtlich andere Bojaren sind,
wegen erfolgten Frieden sehr consterniret angetrofen, worüber er mir
folgende Erklärung gegeben: Mich und meine Compatrioten macht dieser
praecipitirte Frieden sehr bestürzt, da er uns wegen dem Geheimnis, so
man uns nicht allein von den Articuln, sondern sogar von dessen Würk-
lichkeit macht, alles Übles fürchten läßt, da es sehr wahrscheinlich, daß
man bey diesem übereilten Frieden, blos auf die General Vortheile des
rußischen Beichs, und nicht auf die Sicher^tellung unseres dem Baub
ausgesezten verlassenen Landes gedacht hat, dieser Friede, sagte er mir,
ist von Feld Marschal Grafen von Bomanzoff, praecipitiret worden, theils
um denen anderen Höfen alle Influenz darbei zu benehmen, theils ans
dem obwaltenden Misverständniß zwischen Feld Marschall Grafen von
Bomanzoff und Ministre Grafen Obreskow, welchen letzteren erwähnter
Feld Marschal mit einem so kurzen Zeit Termin zu kommen ersnchet,
daß es sowohl wegen der Zeit, als angelofenen Wässern zu bewürken
nicht möglich wäre, wovon von denen beyderseitigen Anhängern ver-
schieden gesprochen, und der Ministre, der sehr mißvergnügt nach Peters-
burg abgereiset, der Forchsamkeit wegen Wasser und der Langsamkeit
auf der Beise beschuldiget wird, da ich doch Selbsten vielle Post-Pferde
von seiner Beise todt gefahren gefunden; Indessen bedauern die Vor-
nehmsten von Landt alle, daß der Ministre nicht gegenwärtig wäre, wie
mich dann erwähnter Millio versichert, daß er die beste Gesinnungen
von die Provinz gehabt, und bey jenem fruchtlosen focgsaner Friedens
Gongress in Ansehung der Moldau folgendes Systeme fomiret, nach deren
'
205
Abtrettnng erstens eine längere Dauerzeit der Regierung des Fürsten
fest zu setzen, zwejtens die Summa des an der Pforte zu leistenden
Tributs zu bestimmen, 3*®°' die enorme praesenten an die Türkischen
Kron-Beamte zu abolii'en, oder wenigstens zu moderiren, yiertens ein
Contributionale des Landes vor dem Fürsten zu fixiren, 6**" eine Re-
gienmgsform unter Garantie der russischen Monarchie in dem Land ein-
raführen, endlichen Ghotym zu schleifen, und diesen District der Mol-
daaischen Jurisdiction, und Eigenthums-Recht zu übergeben.
Alle diese vortheilhafte Aussichten verschwinden, bej der großen
Sorgfalt, die man braucht, die Friedens-Articul so geheim zu halten, imd
macht bey dem sicheren Bewustsejn daß das Land (vielleicht ohne die
mindeste Praecaution von Amnestie, oder Sicherheit) wiederum denen
Türken übergeben wird, groß und Klein außerordentlich bestürzt, und
furchtsam, wie ich dann auch ein von denen Senateui*s, den Yistiar, .oder
Grand Thresorier Cantercuzenj, ein sehr guter Freund, vom Herrn Ge-
neral Feld Marschall Lieutenant Baron von Barco, und feinen Mann an
den mir der Innigati Millio ein Adresse-Schreiben mitgegeben mit gleich-
mäßigen Gesinnungen, und sehr constemiret gefunden, so daß auch
würklich schon viele Leuthe, theils aus Forcht vor denen Türken, theils
Tor den Russen einpacken und auf die Flucht denken, wobey es also
sicher zu vermuthen, daß sich ein großer Theil dieser Nachbar in die
diesseitige k. k. Länder, wann sie einer guten Aufnahme versichert, be-
geben werden. Wie mich dann schon würklich der oft erwehnte Bojar
Innigati Millio, Isbrawnik von dem Suczawer District instfindig gebethen.
Dun ein Passport von Euer Gnade auszuwürken. daß er seine Gestütterey
(die eine der schönsten im Land seyn soll) als auch seine eigene Persohn,
und Familie in der Gegend von Szalleszyk in Sicherheit bringen därfte,
welches ich ihm denn auch bey Euer — „ zu erbitten versprechen außer deme
hat mich in Jassy, und Potosann viele Kaufleuthe gefraget, ob es erlaubt
seyn würde sich hierüber zu flüchten, welchen ich dann auch die beste
Aufnahme zugesaget; Wobey sich dann auch besonders die Stanislauer,
Tismenitzer und Snyatiner Armenier, mit ihren zahlreichen Viehheerden
sehr in Ängsten befinden, da sie in Pohlen keine hinlängliche Weide zu
finden glauben, denen ich indessen den Winkel hinder dem Buccowina
Wald zu ihrem Zufluchts-Ort vorgeschlagen. In Potusam kämme ein
Broder Jude Nahmen Jakob Abraham zu mir; dieser hat ein Pferdcon-
tract proponiret, vermög welchem er sich bey denen jetzigen fürchter-
lichen Aussichten engagiret, in 2 Monathn 200 oder mehrere Stück halb
Dragoner, halb Hussam diensttaugliche Pferde, die Wallachen das Stück
a 10 #, die Stuten ä 7 und 8 # zu liefern, verlanget nichts als vor jedes
• I
206
Pferd einen Teut8chen Gulden Anbringgeld, er begehret kein Geld in
seine Hände, sondern nnr daß ein Officier nebst 4 Commandirten mit 4
oder 500 # k Conto komme, welcher die Pferde besichtigen, und Selbsten
auszahlen solle, vor den mehreren Vorschuß will er schon Credit finden,
da dieser benannte Jud sich wegen anderem handel ohnehin noch einige
Zeit in Potusan aufhält, so will er einen Monath auf die gnadige Rnck-
antworth in Betref dieses Vorschlags daselbst abwarthen, und ich glaube
fest, daß bey der allgemeinen Furcht, die in dem Lande ist, er diesem
Versprechen ein genfigen leisten könnte, und dieses ein sehr guter Zeit-
punkt zu Remontirung seyn kann. Mein Ritt nach Jassy hat mir die
Vortheile verschaft die 2 Straßen, als jene von Suczawa dahin, und die
grosse Landstrasse nach Snyatin kennen zu lernen, ich bin während
meinen dortigen Aufenthalt, wobey ich mir das Geschäft gemacht den
Herrn General Feld Marschall Lieutenant Baron y. Barco mit Depeschen
aufzusuchen, und 24 Stund zu erwarten, von denen Bussen sehr gfitig
aufgenohmen worden, Herrn General und Gouverneur Karzakow hat mir
sogleich ein Praesent mit einem k. k. Deserteur des Löbl. Nugenti Re-
giment, welchen mit anhero gebracht, gemacht, und versichert seine
nachbarliche Freundschaft in diesem Punkt auf das Beste, wie er dann
erst vor etlichen Tagen eine Truppe von 12 Köpfen, wovon er aber nicht
die Regiments-Nahmen gewust, an die Siebenbürgen Gi*änze hat abführen
lassen. Major Wölfing, den ich mit noch anderen sehr geschickte Staabs-
Officiers habe kennen lernen, hat mich ersuchet, seine unterthänigste
Respects Versicherungen Euer — „ abzulegen und er würde, wenn es
anders möglich, noch vor ihrem Ausmarche auf Lemberg selbst konmien,
Euer — „ untei-thänigst aufzuwarthen. Meine militärische Gegenstande
bestunden darinnen, wann es möglich wäre, zu eifahren, ob oder wann
die Armee über die Donau defilire, bis wie weith gegen unsere Nachbar-
schaft sich ihre Dislocation erstrecken würde, und wie lang ihr Aufenthalt
noch in dieser Provinz dauern sollte, ich habe aber der Kurze Zeit nichts
recht gründlich, sondern nur folgendes in Erfahrung bringen können,
daß der Feld Marschall Graf Romanzofif vor 6 Tagen noch selbst über die
Donau waren, und erst 2 Regimenter defiliret, man erwarte den Grafen
Romanzoff etwa in 10 Tagen in Jassy wornach die Regimenter folgen
würden, in Ansehung der Dislocation kann man aus der Disposition von
Heu machen schliessen, daß sich selbe nicht bis Suczawa und dem Czer-
uowitzer District erstrecken, weilen rückwärts Suczawa und in hiesigen
Gegenden kein Heu gemacht wird, wogegen es in denen übrigen Theilen,
besonders bey Torhaj, Chotim, Sorok und Jassy sehr eifrig continuiret
wird, mit dem einzigen Unterschied, daß der grosse Heu Vorrath, der
207
oad) der ersten Disposition ganz bey Jassy hat formiret werden sollen ;
nanmehro in selber Gregend, in dem ümkreys auf etwa eine Meile zer-
theilet wird, zu welcher Arbeith eine außerordentliche Menge Menschen,
ond fahren verwendet werden. Da nach der neueren Landes-Beschreibung
der Di?ident getrofen worden daß 8 Häuser ö zweyspännige Wagen, und
4 Mann einen Arbeither liefern müssen. Der Herr General Eorzakow
bat lezthin den Suczawaer District recognosciret, um ein Cavallerie Re-
giment dahin «u verlegen, wogegen ihme aber jener Isbrawnik vorgestellet,
daß es fast nicht mehr thunlich, da daselbst keine Anstalten zu Heu
machen gemacht werden, und fast alle seine Leuthe außer dem District
waren.
Es ist also wahrscheinlich, daß sich die Aimee mehrentheils in die
Gegend von Jassy zusammenziehen und von da Colonnenweiß aufbrechen
wird, hieher zu, wird sich ihre Dislocation wie ich glaube nur bis Torhay
5 Meilen von hier erstrecken, weilen sie sich sonsten gar zu sehr von
ihrer Route entfernen, in Ansehung des Ausmarsches hat mir der Christ
fiothkirch selbsten gesagt, daß die lezteren wegen dem schröckbaren Troß
kaum vor 3 Monathen werden abgehen können. In Betref deren Friedens-
Articuln, die man allhier selbsten noch nicht weiß, oder sehr behutsam
geheim halt, habe von denen Leuthen, die ich geglaubet, daß sie am meh-
resten wissen können, folgendes eingesamlet, wie weit es aber gegründet
ist wird Euer — „ vermuthlich schon sicherer bekannt seyn. Nach
memen Entdeckungen zahlet die Pforte an die Russen 30 Millionen
Babeln an Eriegs-Unkösten, consentiret in der freyen Schiffahrth auf
dem schwarzen Meer, die Crimm bleibt indipendent, jedoch mit russischem
Besatzongs Recht in 2 Festungen Jenikale und Cafa. Russland bekommt
die Festung Kiebum, Otschakow und Chotym werden rasiret, dagegen
tritt Bussland denen Türken die Moldau und Wallachey wiederum ab.
In Ansehung der Formalitat bey diesem Friedensschluß, oder vielmehr
die Gesezgebung deren Russen bekräftigen sich alle lezt von mir unter-
thäoigst gemeldete Umstände der betrübten Situation der türkischen
Armee so unglaublich, und ohnbegreiflich mii* auch selbe vorgekommen,
worinnen mich besonders ein so eben von der Armee nach Jassy gekom-
mener sehr geschickter Officier des russischen General Staabs deutlich
belehret hat, der einzige angemerkte Umstand wäre änderst, daß nehmlich
der Groß Vizir nicht selbsten gekommen den Frieden zu tractiren, son-
iem den neuen Effendi Bassa, und Achmet Bassa geschicket ihn gleich-
sam zu erbitten und zu schliessen. Ansonsten sprechen die Russen auch
von einem neuen Arrondissement, an ihrer pohlnischen Accquisition,
vermuthen die Muß vergnügen anderer Höfe über diesen Frieden, und
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sagen, daß das Feuer der Rebellion in Rußland noch nicht y^llig ge-
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Selten nun obige Friedens Punkten wQrklich existiren, so glaube
fast sicher, daß wir auf Vorstellung des Herrn Feld Marschall Lieu-
tenant Baron v. Barco mit Bewilligung des Feld Marschall Graf von Bo-
manzoff die Districte von Czernowitz und Suczawa unter den Vorwand
der Sicherstellung unserer Gr&nzen gegen die nach erfolgenden Frieden
gemeiniglich sich ausbreitende liederliche Gesindel und besonders die
Wallachischen Volontairs besetzen dörften, um so mehr, wann sie nicht
mit ihren eigenen Truppen beleget werden, und man ihnen verspricht
keine hindernis in Ansehung deren daraus zu ziehenden Nothwendigkeit
zu machen. Dadurch würde der Allerhöchste hof fast alles Ceremoniels
eine Negotiation mit der Pforte enthoben, wann man sich berufete die
Abtrettung dieses Theils von denen Russen noch vor dem Friedens-Schluß
vermög darauf haftenden k. k. Rechten erhalten zu haben, die Russen
von ihrer Gloire geblendet, werden es als eine Kleinigkeit ansehen und
die gedemüthigte Türken werden es vor Schmerz nicht fühlen in der That
aber auch selbsten wird es ohne diese politische Absichten zu Sicherheit
denen Granzen einige Militair praecaution erfordern die nach Maaß, als
sich der Schwann deren ohngezäumten Kosaken, oder i*äuberische Wal-
lachischen Volontairs, deren noch einige 1000 M. bey der Armee seyn
sollen, die jetzt alle nach hauß zurückkommen, und wegen denen Türken
nicht werde bleiben därfen, denen Granzen nähern, mehr oder weniger
Solid seyn. Um desto sicherer von denen entfernten Gegenden die
Nachrichten deren Bewegungen zu erhalten, werde unmaßgeblich nicht
unnützbar seyn, wan ich einen vernünftigen Ünter-Officier der die
Landes-Sprache kann, mit 4 Husarn unter dem wahren Nahmen einen
Communications Posten mit Herrn General Feld Marschall Lieutenant
*' Baron von Barco so lang selber noch in Jassy oder nach dessen Abreise
einer würklichen Rimontirung nach Potusan aussezen dörfte, wozu dann
auch der obbemeldtermassen bemeldte Rimontirungs Officier dienen
könnte. Außer deme würde auch noch um weithere Nachrichten einzu-
ziehen der von dem Halliczer Kreiß- Amt entlassene Ober Director Nieder-
mayer, welcher einige Dörfer voi-wäiis Potusan in Pacht genommen, und
Einsicht genug besizet, vielleicht voiiheilhaft gebi-aucht werden können
die eigentliche Anzahl oder Stärke der jenseitigen zu vermuthenden Emi-
gration last sich dermalen noch nicht bestimmen, sondern wird sich erst
fernerhin nach Proportion deren alldort verschlimmernden Umständen
verofenbaren ; Indessen vermuthe ich nach der Wahrscheinlichkeit, daß
diese Emigration bloß in Bojaren, Kaufleuthen und denen obangeführten
209
Moldauischen VolontAirs, die hierlands angesessen sind, und nicht aus
Bauern bestehen wird, wann nicht die Religion die mehresten nach Buss-
land oder neu Senden ziehet.
XXVIII.
Ponoten.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 63/53.) Wien, den 8ten August 1774.
So bey abschiclning in den Grantzangelegenheiten zwischen dem
Niester und Siebenbürgen zu beobachten sejnd.
imo ^,.(1 You i^[qy der Courier Tamozzi, so der Pohlnischen Sprache
kündig, sobald als nnr die Expeditionen fertig seyn werden, an den
General Ellrichshausen abzuschicken sejm.
2^* zur Verfertigung dieser Expeditionen ist die Instruction und
pnnctation von Fürst von Eaunitz in allem zum grund zu legen, so wie
als beylaagen nebst dem Plan A) (so remittiret wird) samt relationen von
Mieg, auch eine anschaffung B) an die Landes Cassa Ton der hiesigen
gallizischen Hofdeputation, dem general Ellrichshansen alsogleich 6000
species Ducaten auszuzahlen, beygeleget werden muß, welche Ich schon
fiberschicken werde. C) eine mit brillanten besezte Tabattiere, so ich
wohl eingepakter auch überschicken werde.
3^ hat an den general Ellrichshausen der Befehl zu ergehen, daß
er den Major Miegg allsogleich nacher Lemberg berufe, ihm die Instruction
nnd (resinnting des Hofs wohl begreiflich mache, und nachhero ihn ehe-
stens, mit denen 6000 #, der Tabattiere und dem Plan, an den General
Barco abschicke, um alda die ihm^ durch die vom Fürst von Kaunitz ver-
fertigte Instruction bekannte Behandlung zu veranlassen.
4® wird der Courier in Lembei'g in so lang beyzubehalten seyn,
bis dnrdi anknnft einiger Nachricht von des general Barco seiner Unter-
bandlnng dessen glücklichen oder unglücklichen Erfolg, eingeloffen seyn
wird, nach welcher selber zurück zu expediren kommete.
5^ es verstehet sich, daß in dem Fall des glücklichen Erfolgs, die
anstoßenden zwey brigaden von Spleny und Kiss durch das general
Oommando zu besetzung deren neuen Gränzen^ so wie die vorhandenen
Mappirer vom general staab zu Aussteckung der Adler alsogleich be-
felliget würde.
6^ von hieraus wäre an general Barco die Instruction zu erlassen,
die Fürst Kaunitz wirklich verfaßet, und wäre solche durch den Conrier
abiQschicken um mittels des Migg an ihn sicher zu gelangen; von dem
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ganzen detail dieser instruction wäre der general Ellrichshansen nicht
zu informiren, und ihme zu benachrichtigen, daß dieses ganze Geschäft
nicht durch den gewöhnlichen Weeg und Kanzleymanipulation, sondern
nur durch ihn und einer vertrauten Person in geheim zu veranlaßen
wäre, wie es dann auch allhier nicht durch den gewöhnlichen Weeg der
Exhibitations Protocollen und Rathssessionen laufen solle.
7** wären die empfangenen 6000 4 und Tabatiere dergestalt zu
verwenden, daß Barco aus Dankbai-keit für die gut geleistete Nachbar-
schaft und die ihme Barco so wie denen volontaires bey der Armee vom
Feld Marschall Bomanzow bezeigte gefalligkeiten von Ihro Majestät der
Kayserin aus, diese brillantene Tabatiere samt 5000 n ihme als ein Ge-
schenkniß zum Zeichen Ihrer Zufriedenheit übergeben könne, hierauf
nachhero nach der vom Fürst Kaunitz gemachten Funetation, die Be-
handlung anstelte die noch übrigen 1000 n aber zur Verwendung theils
bey ein- oder anderen zum Geschäft nützlich seyn könnenden oder Bojern
oder andern a^jutanten oder Kanzley-Beamten nach seinem gutdünken
überlaßen würden.
8^ Diese Expeditionen hätten heute noch verläßlich durch den
Courier abzugehen dem die Postspesen zu bezahlen kommen.
Wien den 8*«" Aug. 1774.
Joseph Corregens.
XXIX.
Kaunitz an Kaiser Josef II.
Cop. (R. d. R.-Kr.-M. 53/53.)
Sire.
a Vienne ce 8* Aout 1774.
J^ai rhonneur de renvoyer tres-humblement ä Votre Majeste Im-
periale le papier qu'Elle a daign^ me communiquer, et je n*ai aucune
ObseiTation ä faire sur Son content, si ce n*est que le Major Miegg ne
devant etre envoye au General Barco que pour lui donner les Connois-
sances locales dont il pourroit avoir besoni et pour lui appoiier avec ses
Instructions la Tabatiere et les 6000 ducats, il me poroit, qu'il est non
seulement supei'ßu de le faire venir ä Lemberg, mais que Ton perdroit
meme, sans necessite, tout le tems qu'il lui faudroit pour aller et venir
et que par Consequent il pourroit etre peutotre plus Conforme aux Inten-
tions de Votre Majeste de Charger Le General Ellrichshansen, d'envoyer
tout de Suite Le Courier que Votre Majeste va lui depecher, ä Miegg avec
211
la Tabatiere les 6000 Ducats, et rinstruction de M^^ de Barco et avec
ordre d'aller remettre incessamment tont cela ä ce Oeneral, et de ce cou-
forme d'allleui'S ä tont ce, qu'il Ini demandera, et ordonnera.
Je soumets cependant cette ti*es hnmble Observation an bon plaisir
de Votre Majestö, k laquelle j*ai Thonneur d'envoyer la Lettre treshnm-
blement ci-jointe, que je viens de recevoir tonte k Thenre.
a Vienne ce 8*«° Aont 1774.
Eaunitz Rittberg.
XXX.
Kaunits an Maria Theresia.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 63/—.) (Ohne Datum.)
Allergnädigste Kayserin Apostolische Königin und Frau!
Da nunmehro die Friedens Präliminaiien zwischen Bussland, und
der Pforte geschloOen seynd, so scheinet keine Zeit mehr zu verabsäumen
zn seyn, wegen Besetzung und Einziehung des bewusten Bukowina Di-
stnctes in der Moldau die nöthige Einleitungen zu treffen. Bishero war
es gantz und gar unthunlich hierwegen etwas unmittelbar an den Russi-
schen Hof zu bringen, weil von demselben das dieOheitige Besitz Recht
des Districts bis an den Sbrutz noch immer fort widersprochen worden,
und da diese Schwürigkeit noch bis diese Stunde noch nicht gehoben ist,
so wfirde es auch noch dermalen sehr Bedenklich seyn, wegen des Buko-
winer Bezirks gegen das Russische Ministerium directe zur Sprache zu
kommen.
Hey dieser Laage der Umstände scheinet also kein anderer Ausweg
als der Versuch vorhanden zu seyn ob, und in wie weit desfalls bey dem
Feld Marschall Romanzow auszulangen seyn därfte.
Es stellt sich hierzu eine ganz natürliche Gelegenheit dar. Da
B'*" Barco durch so lange Zeit bey dem Feld Marschall Romanzow als
Volontaire gestanden, und von ihm mit so vieler Freundschaft, Rücksicht
and Gastfreyheit behandelt worden, so sehe ich es wegen des Allerhöch-
sten Decori ohnehin für unveimeidlich an, ihm wie es von dem König in
Preußen vorlängst geschehen eine Allermildeste Verehrung zukommen
w lassen.
Mit dieser Verehrung wäre ein bescheidener, geschickter, und von
^»n local Umständen des mehr gedachten Bukowinor Districts wohl unter-
richteten Officier bald möglichst abzuschicken, welcher solche dem Grafen
L
12
imanzo« zn über^h^n und sodaan mit dem Feld HsreduU Li«ateDknt
w Ton fiarco in ersb' Cberlfgnng in lieheo hätte, wie and auf t«lche
bickliche Art Iw; dem Feld Hanchall der Anwnrf za machen eejD
ift« dafl er die Auesteckniig der Eajserlichen Adler aaf den Gnntieii
s oft erwehnten District, ond die Besetsiing deßelben mit diesseibgen
'onppen, o4er weniptens die Einrflckiing nnd Ansstellong eini^r
iliUr Commandi nntr was immer für einem Yonrand, conniTendo
statten mügt*.
Die Bewegangs-Creachen hierau mästen nnter mehreren aixleni
nptüächlich darinn bestehen.
DasB man durch die Einxiebnng dieses kleinen and an sich gaoti
{beträchtlichen District nichts anderes als eine Vortheilhaflc Hilitü
isition gegen die Türken in Absicht aaf SiebenbDrgen, Gallizien etc. in
winnen snche, welches dem eigenen Interesse seines Hofes nicht an-
ret als vollkommen gemäfi sejn kOnnte. Daß wir die Hanpt Sache
idann mit der Pforte für ans gantz allein ausmachen würde.
Daß folglich weder Er Feld Uarechall noch sein Hof jemalen auf
jend eine Art hierwegen im geringsten compromittirt werden würde.
ittlerweile als dieses geschiehet; wird sich anf dem lezten nach Peters-
iig abgeschickten Courier die Gesinnung des Baßischen Hofes Aber die
)b)nische Gräntz-Berichtigungs-Werk deutlich aufklären, nnd sodann
kher bestimmen laflen, ob und in wie weit es thunlich, nnd rithlich
yn därfte, bey demselben ein unmittelbaren Anwnrf we^en dta Boko*
ina Districts zn machen.
Sollten Euer Hayestaet diesen meinen Allernnterth&nigsten Bin-
itungs Vorschlag der AllerhJicbsten Beangnehmigang würdigen, so
Ute 1*^ der Uofkricge Praesident Graf von Hadib Aber die Answahl
ts an den Feld Marschall Bomaniow abmschickenden OfBcier sich gut-
thtlich zn änßern.
2^" die zn seinem and des General Bare« Instrairnng nOthige aaf
16 locale sich beziehende Materialien an Hand zn geben;
3i*° die bereits im Werk befindliche Happirnng des qaaestionirten
istrict nach aller Möglichkeit beschleinigen zu machen, and
4*0 die weitcrB erforderlichen Bei ehrnngen und Anweisangen an
IS Gallizische General Commando za erlassen.
Kaunitz Bittberg.
213
XXXI.
Baroo an Hadilr.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 29/6.) Foksan, den 24*««» August 1774.
Euer Excellenz verweylle nicht den Umstandt welcher sich allhier
äußeret über Siebenbürgen untei*thänigst gehorsamst einzuberichten ;
Aus meinen vorgehenden über Lemberg nnterthänigBt erstatteten
Bericht werden Euer Excell. gnädigst zu ersehen geruhet haben, wie daß
der Herr Feld Marschall Graf von Bomantzoff die Besetzung der neuen
Giintzlinie von Pokutien gegen die Moldau gleich Jetzo, und nach seinen
Aufbrach von hier alsdann auch sogleich die aussetzung der k. k. Adlers
zugestanden haben, wie nicht minder daß gedachter Herr Feld Marschall
tags darauf erki-anket seye : Nun ist heunte schon der vierte Tag wo sich
deßen Krankheit immer mehr vei*schlimmeret, es mag solches (da Er sehr
aprehensifisch ist) vielleicht von daher kommen, daß der unvermutete
Todesfall des Yezirs, welchen man nicht gleich erfahren konnte, daß
solchen eine plötzliche Krankheit verursachet hat, in denen Friedens
Verhandlungen bey der Pforten einige Schwierigkeiten veranlaßen könnte;
Es ist dahero der General en Chef Graf Soltikow welcher den 22**° um
Mittagszeit von hier nach seinen Landt abgelaßen wurde^ durch einen
den 23**'* Abend Ihme nachgeschickten Curier wieder anhero zurück
berufen worden, um Ihme das Commando von der Armee zu übergeben,
and wie ich vernehme so will alsdann der Herrn Feld Marschall sogleich
von hier abgehen, da nun solcher in seiner dermahligen krankheit invi-
sibel ist, und bey seinem Abgehen dem General en Chef Graf Soltikow
in Sachen nichts hinterlaßen sollte, welches zu vermutten da Sie Beyde
gar nicht gut zusammen sehen; So unterfange mich bey E. E. unter-
thänigst gehorsamst anzufragen wie Ich mich alsdann weiters in Sachen
gegen gedachten Herrn General Graf Soltikow allenfalls zu benehmen
liätte; Sollte sich der Fall ergeben daß, noch bevor Ich die weitere gnä-
dige Yerhaltungs Befehle von Euer Exe. erhalte, der Herr Feld Marschall
von hier abgienge, und nachhero der General Graf Soltikow allenfalls
wegen der Bezohenen Gränz Linie gegen mich eine Erwehnung machete;
So werde Ihme darauf antworten daß dieses die wahre Granzen von Po-
Initien vermög Urkund sind, und daß mann solche gleich anfänglich be-
sezet hat, seye bloß um die mehrere Bequemlichkeit willen für die Bußische
Kayserliche Armee so lang der Krieg dauert geschehen.
Ansonsten, hat sich der Fürst Giga gegen mich dahin geäußert
daß wann Er wie es alle Anscheinung hat, wieder als Fürst in der Moldau
setzt werden solte Er alles vortheilhaft^s für nnsern AIIerhOchsteD
rerschaffcn wolle.
Gestern ist von dem nenen Vezir Soliman Pascha, an den Herm
Harschalln ein Schreiben mit dem Inhalt eingelanget, daS es bej
denjenigen, was bey denen Friedens Abhandlungen, durch sein
hrer bescbloflen worden seye gänzliches Verbleiben habe. Ton dem
ier Unterschrift soll die Wallachey nach Verlauf zwey, und die
n nach fünf Honathen von denen KuBen geräomet werden.
Allhier ergeben sich nun vielierley Anstoße wegen der schlechten
, die Lieferanten sind auch Bbel daran, mann will Ihnen das in
und hier zu Foksan abgelieferte Proviant nicht mehr annehmen;
)n Jenseits der Donau Thoils frefwillig, Theils mit öewalt herüber
chte Famillien werden um nach Servien zu gehen gezwungen.
r Krieg soll Bussland viermahl Handert Tausend Mann gekostet
, welche im Krieg, durch die Pest und andere Krankheiten umge-
en sind. . .
Durch den Verstorbenen Vezir seine Frau, eine Schwester des
«n Kajsere soll mann alles bey Pforten auswirken können.
Foksan den 24'*" August 1774.
Vincenty Baron t. Barco
F. M. L.
XXXII.
Ellriohshauaen &n den Uofkriegarath.
>. (R.d.B.-Er.-M. Sü/SS.) Lemberg den 2&. Ang. 1774.
In gehorsamster Befolgung derselben hoben Anordnung vom 15**
tntis solle hiemit Einer Hohen Instanz anforderist die gehorsamste
ge zu machen nicht entstehen, daB die jüngsthin durch den Courier
iczy hieher abbeforderte Belehrung den Herrn ObrI st- Wachtmeister
unverzüglich nach seinen dennal^en Aufenthalts Ort durch den
:hen Courier zugefertiget, wie anch dieser letztem inmittelst bereits
umen zurück ai^elanget, und die ferneren Befehle allhier abzu-.
u. . .
Wegen Obersiedlui^ Holdauiscber Innwohner an Genera Spleny
:iss Anfti-äge erlaßen, daß sie unter sich als anch mit dem Halliczer
Amte einvernehmen.
215
Dem Herrn Obrist- Wachtmeister von Mieg ist in dieser Angelegen-
heit besonders mitgegeben worden, daß derselbe zwar denen der Emigi'a-
tion halber sich meldende Bojaren, Eaufleuthen und anderen Moldauischen
Innwohnern die Yersicheining, daß sie hierlands nicht allein bestens
aufgenommen sondern eventuell auch mit Assistenz an Händen gegangen,
aber so vorgegangen, daß bei den Bußischen Trouppen und insbesond^-e
dem Herrn Feld Marschall von Bomanzoff kein Mißvergnügen erzeugt.
Er solle sich mit dem entlassenen HaUiczer Kreisamt Ober Director
Niedermayer nicht einlaßen, weil er keine vertrauenswürdige Person ist.
Bey der russischen Armee wären sogenannte walachische Yolontairs
Dnd anderen dergleichen Baubgesindels von Barco darüber Wolmeinung,
weU man Einfälle befürchtet.
Zu dem Behufe unter dem Verwände Sanitäts-Praecantionen, das
Siskoviczische Garnisons-Bataillon von Buczacz nacher Snjatin, dahin-
gegen jenes von Thiersheim aus Brodij nach den Numern des ersteren
in Marche gesetzt und dem Herrn General Splenij mitgegeben, sobald
dieses Siskovicsische 3^ Bataillon zu Snjatin befindliche 2. Compagnie
des Nugentischen Garnisons Bataillons herauszuziehen und zwischen
Kntti und Snyatin an die Gränzen zu verlegen, nur aber den Nugen-
tischen Obrist Lieutenant Cordon Commando in den letzteren Ort zu
belafien und das Siskovicsische Bataillon an denselben anzuweisen.
Das Barco'sche Husaren Begiment zwischen Horodenka und Sny-
atin jenseits und das Törröcksche Begiment dießseits des Dniester, das
Bataillon von Brinken zu Salleszick und Gegend bequartiert auch noch
40 Pferde von Bai*co zu Czernowitz und Prevorodek in der Moldau noch
commandirt stehen daher die Moldauische Gränze der Länge nacher be-
setzet ist; auch hat General Kiss Auftrag, das Steinische Bataillon
sogleich ohne Anfrage nacher Prudeck und Gegend am Dniester vorzu-
stoßen.
Lemberg den 25*«° Aug. 1774.
EUrichshausen.
xxxin.
EUrichshausen an Hadik.
Orig. (R. d. B.-Kr.-M. 23/640.) Lemberg den 29ten August 1774.
Vorläufige Disposition zur Vorrückung dereijenigen Truppen,
welche bej Aussetzung deren Gränz-Pföhlen in der Moldau zu verwenden
mu4 ttu4 *<fo dMn Hetm Geoerml Major Baron t. SplMii n hMtaktcs
oiid u befolgen komnut;
I** Dif) 2 OaruiaoiiB-BatailloiiH Ton Nngpnt und Zükoviti mtt-
Mhinm nach Czernuwitz, enteres verbleibet daMlbet, letirtn« aber aicb
Koczawa.
2*« Von BarcoUchen Hnoaren B^ment werden 2 dirisioB« wo
Ur«»emiilck ara Dniester Flua an bis an den PrnUiflnB, in d» Dwf-
Hi;)iafti-n ilicHHi'itB (If^B Bukowin«r Waldes verlegt and deßen Staab uch
Hailatfiira unt^nt ragen. Die 3** Division von Barco kommt jenseits des
I'nithtluMns nach Ozornowitz, Sirei und 3nczawa im letzteren Ort «in
MtaabK Offlciin-s.
»"" Das ifurniaon Bataillon von Brinken wird bestimmt tu Deckung
di'i' llauiit-SliaHHo iiucb Jossy, zwischen dem Bukowina Wald und dem
I'riithfliiD; hat wegen Ermangelung oinos Dorfs, seinen Laager FUti bej
ili'i- <laNi>lbHti|{i'n alten Schanze zu nehmen, sogleich mit standhaften
Hntten HieU zu verbauen einen Offtcier Posten vorwärts zu setzen, and
wi'lnhur mit einigen Vorschanzungen nach Einleitung des Herrn Major
v. Mii>K tu ittmkeii ist; dieses Bataillon mnQ sich den Platz im Bukowina
Wnld, w<i es sein Holi sowohl zum Verbauen als zum Verbrennen ta
ni'lmien hat von dem Major Miog anweisen lassen.
4'° Diu fltainisfho Qarnisons Bataillon kommt nach Palamntks
lind Di>i-)i»wi<ni>ti zur Besetzung der Hauptpassage die zwischen dem
DnlcKtiTllull und dem Bukowina Wald nach Chozim ziehet.
Der ObiisUieutenant Weiubei^'r dieses Bataillons hat sich nach
der I.iingi' des ilortigt'n Terrains mit einigen Verschantznngen zu decken;
itnni>tiHl ln\v xeiuou) pi>sto aus dem DniesterflnB so viele Schiffe als ku
lliidon (iiNiuiunon bringvn zu lassen.
^*" Von denen i Bataillons Brinken and Stain, Werden nicb
AnweixuitK des Mitjor Mieg 3 OfSciers Posten anf den Kitcken des Bnka-
Whin Witids «ii< die tirinie ziehet, anf den«n Fahrweege aasgesetzt um)
dli> kU'h aldivtfu ütaudhafte Hatten in «rbaaen haben die Mannschaft
mt A 'Uf\< Uft>t.
ti** Yiti'lwmutnt^ 4 Bataillons nekinen Du* ngriiftrige AitiUerie
JeiliB'h ivhne Kiiserve tuuititi^'u aül sich.
t-" Y.'tt Nl^^^•«^ »»rvhirvn ji* F»1J Bataükn Obnst nach Sniatin
«Hj d»!.iv"i' u*vhste Ortsvhaftrn reit der noch »brig»n AitiÜMie von der
S lV*,x WöMvtaNTireÄi* lV»y>a*r fi«rärat k«oefcM JieTorherip'
217
9. Das Töröckische Husaren Begiment rückt in die Ortschaften
am DniesterfluO vor. Nota und eins und das andere dieser zweyen Ca-
Tallerie Regimenter nebst dem Nngentischen Obiist Bataillon nach Er-
fordemiß in die neue Cordonslinie sogleich vorstoßen zu können.
10"^ Der Herr General Major Baron v. Spleni nimmt sein Quai tier
zu Czemowitz und sind sämmtliche yorbenannte Begimenter und Ba-
taillons an Ihn angewiesen.
limo Eg iß^ alsdann zu trachten eine Schiffbrücke auf Pruthfluß
bey Czemowitz sobald möglich zu etabliren.
12. im Moldauischen Winkel ist vorzüglich wegen Heu kaufen
roizfiglich das Barco Begiment dahin anzuweisen.
13. Gegen Landinnwohner beliebt und gefällig zu seyn.
14. Gegen russische Truppen sehr höflich und bescheiden.
Lemberg den 29*«° August 1774.
Ellrichshausen
G. F. Z.
XXXIV.
Baroo an EllriohshaTisen.
Orig. (B. d. B.-Kr.-M. 29/9.) Jassy den Iten September 1774.
f Die letzthin Euer Excellenz unter andern gehorsamst im Berichte
Krankheit des Herrn Feld Marschall Grafen v. Bomanzoif hat nun in ein
doppelter tertian Fieber mit einer Geschwulst an Händen und Füßen aus-
i geschlagen, wornach sich gedachter Herr Feld Marschall ein paai* Tage
I &ber in etwas zu Besseren angefangen haben, dessen Equibage wurde
jedoch allschon den 27^° August von Foksan nacher Jassy abgeschickt,
wohin auch der Herr Feld Marschall wenn seine Besserung anhält in
j wenig Tage sich zu begeben entschloßen haben, Ich bin dahero auch
I wieder von Foksan nacher Jassy zurückgegangen, allwo Ich vor zwey
I eingetroffen bin, und den Herrn Feld Marschalln erwartet mann nun hier
I Stündlich, wie lang ich sonach hier zu Jassy dieselben aufhalten werden ist
derzeit noch ohn bekannt, wie bald aber gedachter Herr Feld Marschall
Ton hier abreysen^ werde nicht ermanglen Euer Excellenz davon in Zeiten
<üe fSrdersamste Anzeige zu machen und auch zur Gewinnung der Zeit
tlen Herrn General Major Baron v. Spleny zu avisii*en, weswegen den
Nogentischen Infanterie Begiment ünterlieutenant noch hier behalte und
dinut als dann die Aussetzung der k. k. Adlers sogleich veranlaßet werden
kfinne. Ansonsten haben ihre Migestät die Bussische Eayserin eröfterten
ArUt. LXXVm. Bd. I. HUfto. 15
i
k.
i\
218
Henn Feld Mai*schaU von denen eroberten neuen nach französischer Art
von M. Tod verfertigen Türkischen Canons 6. SechspfQnder zu ange-
denken der Fammille geschenket. Unterm 26. August ist ein Courier
von Petersburg hier eingelangt, welcher unter andern die Dislocation
mitgebracht hat, wie die Regimenter und Divisions im Lande die Quartiers
zu beziehen haben, vermög welcher der Herr Feld Marschall mit einer
Division von 50000 M. in seinem Gouvernement in die Ukraine zu
stehen konunt.
Jassy den 1. September 1774.
V. Baron v. Baro
F. M. L.
t»^.--»j
K %.«/
P. S. In dem Augenblick als Ich gegenwärtiges von hier ablaßen
wolte, erhalte Euer Excellenz hohen Befehl von 26. August nach welchem
Mich in allen genauestens achten werde; Der Herr Feld Mai*schall Graf
V. Romanzoff hat, so wie der Antrag war, den Tag nach meiner von
Foksan hieher nacher Jassj aufbrechen wollen, zu dato aber sind die-
selben aiihier noch nicht eingetroffen. Man erwartet Ihn anjetzo taglich
und stündlich; wie bald also gedachter Herr Feld Marschall hieher an-
kommen und deßen gesundheits Umstände es anders zu laßen, werde
sowohl wegen den Commandanten von Chotim, als auch was zur Sache
noch sonst vortheilhaft sein kann, das nöthige einleiten, nicht minder
wie bald als der Herr Feld Marschall von hier abreyset, Euer Excellenz
sogleich davon die fördersamste Anzeige, gehorsamst erstatten, und auch
zu Gewinnung der Zeit zugleich dem Herrn Major Mieg davon avisiren.
idem qui in litteris.
XXXV.
meg an seine vorgesetste Behörde.
Czernowitz den l^^n gept 1774.
Unterthänigste Meldung.
Das Czemowitzer Haubt Commando ist gestern als den 31**^ pass:
eingerücket, worauf sich das 1***''*' alte Commando sogleich gegen Suczawa
in Marche gesetzet, denn so dan heuthe das nach Sii-^th bestimmte
nachgefolget, beyde Stationen werden morgen bezogen. Den Offlciers
Posten der Infanterie habe an die Warna oder das große Wirthshaus, an
\f-
— i*
219
die Landstraße von Chotyn und Jassy,^ einen detachirten ünterofficiers-
posten aber mit 6 Mann vorwäiiis an die Brücken des Stanahorabachs ^
postirety die detachirte kleinere Infanterie Commando im Wald sind eben-
falls beuthe aasgesetzet worden, daß also morgen der gantze Gordon dieser
Linie denen Hohen Befehlen gemäß (ausgenohmen der Posten vor Eapu-
dodrnluj^ welcher einen Tag spater eintrifft) formiret seyn kann. In
betreff der Vei-pflegung habe mit Herrn Verpfleg Commissario v. Linde-
mann die Veranstaltung getroffen, daß das Infanterie Commando und
wann es erforderlich das Verbovitzer Commando mit Brod jederzeit von
Snjatin aus kann versehen werden, wie dann auch ersterem dermahlen
aaf 6 tage nachgeschicket worden, die übrigen Commando werden mit
brodgeld versehen werden» und damit bestehen können. Was die fourage
anlangt, so wird erwähnter Verpflegs Commissarius, ehestens 1000 fl.
zu deren Erkanfung dem Bittmeister Weselinj übermachen, wie ich dann
auch dem detachirt Officiers indeßen a contogelder mitgegeben und bin
versichert daß an fourage kein Mangel seyn wird, da man dann wirklich
schon heute allhier 50 Koretz alten Haber geliefert, den aber noch um
1 fl. bezahlen müßen, wogegen man mir den neuen wohlfeilen verspricht.
In Sireth und Suczawa wohin Nachschub etwas weith und die Vorspan
beträchlich würde, findet man Gersten, deren man sich statt dem Haaber
wann dieser nicht zu bekommen wird bedienen müßen. An Heu ist kein
Mangel und werden wir daran etwas ersparen können. Es sind hier in
der Nähe einige Schober Heu von die Russen gemacht, die zugeführet
werden sollen, und 30000 portionen betragen, ich hoffe sie aber als eine
erbschaft zu erhalten. Nunmehr bin ich beschäftiget die Dislocations-
carte dieses Winkels, zu hohen Einsicht, Eines hohen General Ober
Commando zu formiren. Zwischen Snyatin und Czernowitz habe eine
Feldpost, bestehend in 12 Pferden, 4 wägen, und 6 Bauern den eine
Infanteriewacht von Meine Mappirungs Commandirenden beygegeben auf-
gerichtet, auch die hiesige mit beßeren Pferden versehen lassen. Wie
ich denn auch schon zur Verfertigung einer Schiffbrücke über den Pruth
die benöthigt Anstalten gemacht, das benachbarte Kloster Horezi hat die
Privilegien und den Genuß deren hiesigen überführt und brückenschla-
gung, ich hab also mit deßen öecumen oder Probst und denen Starosten
eine berathschlagung gehalten, wobey dann der Haubtgegenstand von
Vorschießung deren im Kloster gewesen, wozu der Probst das Kloster
lu arm declarirte, da Er aber sine rechte zu verliehren fürchtete, so
f^fbuchte er den gewesten Staroster Imbault, der dazu den Vorschuß
* Vide die PlÄne.
15»
macht, worauf Ihme das Kloster den Brflckeu Zoll, bis er wiedemm
bezahlet ist, unter meiner und deren Starosten Gai-antle abtratt.
Der Fluß hat be; mittleren Wasser 50** breithe, diese erfordern
zn einer soliden passage 3Ö Eähne, wovon jeder vor 8 teütsche Gulden
Ton denen Holz Zigeunern behandelt, auch schon die Hälfte darauf ge-
geben worden, das Thauwerke zn denen schiffen werden auch einige
100 fl. ertragen 40 von Erwähnten Zi^unem werden also montags
anfan^n zu arbeithen und ich hoffe in S Wochen damit fertig zn werden,
wobey es beförderlich seyn würde, wenn ich noch einige Zimmerleuthe
erhalten kOnnte.
Man spricht schon von verschiedenen strafen r&nbereyen und Uord-
thaten, ich weiß nicht in wie weith es gegründet, indeßen Flüchten schon
viele Landleuthe Ihi'e Sachen hieher, und die Kaufleuthe werden schon
furchtsam zu reisen.
Czemowitz 1**° September 1774.
Mi.g
Obristwachtmeister vom QeiieraUt&ib.
XXXVI.
Doering an Baroo.
Oiig. (R. d. B.-Kr.-U. S!/^.) Sodagura den 4Md September ITT4.
Promemoria an Ihro Exceltence
den Herrn General Lieutenant v. Barcol
Be; Euer Excellenz wird hierdurch at^fraget ob Sie von einer
Quandität circa ^ Centner Kanonen Metale einen Gebranch zu machea
wiQen, den Wiener Centner liefre ich bis am Dnieeter fflr 10 n im zweyten
Fall aber wenn man für Dero Hoff vertige Kanonen nach vorgeschrie-
benen Kaliber, inclusive aller Kosten verfertigte kOnnte solches des
Centner zu fünf und dreißig Dacaten liefern.
ich erwarte über beede Fragen von Euer Eicellenz auf das baldigste
resolution.
Sadagura den 4. September 1774.
J. A. Doering.
L'iüAj'iy.'i
221
xxxvn.
Baroo an EUriohshausen.
Orig. (R. d. R..Kr,-M. 62/Ml.) Jassy den 6t«n September 1774.
Es hat sich ein gewisser Doering so zu Satakura des Baron Gartten-
berg sein ganzes Werk geföhret, ein veimögender Mann, und von welchen
leb versichert bin, daß Er es zu prästiren im stände ist, bey Mir mittelst
des hier in originale gehorsamst anverwahrten promemoria insinuii*et,
ob der allerhöchste k. k. Hoff nicht eine Quantität von 5 bis 6 Tausend
Wiener Zentner, entweder bloßes Metal oder davon verfertigende Canons
nach den Caliber wie Er verlangt wird, gegen den Bemerkten Preiß
herbey schaffen zu lassen allergnädigst entschlossen wäre, wo alsdann
besagter Doering von Satakura oder an einen andern ort in dortiger
Gegend etwas näher am Niester entweder das bloße Metall abliefere, oder
daselbst die Canons, wann es Chotin halber nicht zu nahe ist verferttigen
wolle, wobey ein dai-zu Bestimmter das Werk verständiger Officier zu-
gegen seyn könnte, um nachzusehen, daß die Yerferttigung der Canons
nach der Allerhöchsten Intention geschehe; Es verlangt derselbe keinen
Vorschuß, sondern nur daß so wie Er das Metal oder eine Canon nach
der andern ablieferet, auf ort und Stelle, Dune der Betrag in Gold sogleich
ausbezahlt werde.
Ein solches hab in der Absicht, daß es vielleicht zum Vortheil der
allerhöchsten aerarij gereichen därfte, Euer Excellenz unterthänigst ge-
horsamst einzuberichten nicht ermanglen sollen, mit der unterthänigsten
Bitte Euer Excellenz geruhen die hohe Gnad zu haben Mir die gnädige
Resolution auf das Baldigste zukommen zu lassen, damit wann dieser
imterthänigste Vortrag allerhöchsten Orts begnehmiget wird, eröfterter
Doering das Metal noch vor dem Ausmarsche der Bussischen Armee an
sich bringen könne, welches Er wie Ich Schlüsse aus der Krim herbei-
schaffen will.
P. S. Bey gegenwärtigen Friedenschluß ist nun denen Lieferanten
welche zu Russischen Armee geliefert haben, ein großer Vorrath an Mehl
nnd haber geblieben, Mir hat dahero ein von diesen Lieferanten ange-
tragen 12000 Koretz glares Mehl und 20000 Koretz haaber an einen
oder andern Ort bis an Niester abzuliefern, wann Er mit dem Preiß,
welchen mann unser Seits bestimmen wird bestehen könne, Ich habe
solches S' Excellenz Commandirenden Herrn General Baron v. Ellrichs-
hansen berichtet, auf daß wann allenfalls, nachdem wie Ich vernohmen
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222
dortiger Landen anheuer ein fehl Jalir sich ergeben hat, obige qoantität
unserer Seits nöthig wäre, der Contrahimng halber alsdann das weitere
vorgekehret werden könne. Wobey zugleich auch bemerket, daß ohnmaß-
geblich auf das von denen Russen in dem neuen Bezirk geschlagene hey
ein Augenmerk zu tragen wäre, damit solches nicht durch die Boers
unter einen andern Vorwand vertragen werden, welcher wegen Ich meines
Orts das nöthige allhier behöriger Orten Vorkehren werde.
Jassy den 6*®° September 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
xxxvm.
Bäroo an EUriohshausen.
Orig. (R. d. R.- Kr.-M. 62/ifi.)
Jaasy den 6t«n Tbris 1774.
Euer Excellenz habe die Gnad unterthänigst gehorsamst ein zn
Berichten, wie daß der Herr Feld Marschall Graf von Romanzoff dessen
Besserung von Tag zu Tag zuniehmt und nun Täglich anhero erwarttet
wird, das Commando von der Armee dem Herrn General en Cheflf Grafen
von Soltikow übergeben, die Regierung von Lande aber sich vorbehalten
hat; Ich erwarte also nur die Ankunft des Herrn Feld Marschall, wo ich
alsdann wann es seine Gesundheits Umstände erlauben sogleich dahin
trachten werde, daß Er einwillige, womit die kaiserl. königl. Adlers noch
vor seiner Abreyße von hier auf der bemerkten Gränze aufgestellet
werden können, desgleichen werde auch dem General Ober Proviant
Commissär Herrn Fürsten von Scherbatow dahin zu verleiten suchen,
damit Er beym Ausmarche der Armee in diesen Bezirk so viel möglich
keine Ausschreibung mache; . . . Uebrigens wartte auch nur noch bis
der Fürst Ghiga (dessen Freundschaft Mir erworben hab) zum Fürsten
von der Moldau würklich ernennet wird, welchen Ich dann schon auch
dahin probariren werde, damit Er die Sache bey der Pforten nicht er-
schwere; die grösten Boern hier Landts mutmassen aisschon aus deme,
da die neue Gränze hin und wieder mit unseren Truppen bereits besezt
ist, daß dieser Theil von der Moldau wegfallen wird, worüber dieselben
welche daselbst einiger Gütter besitzen, sich gantz freudig bezeigen, und
dem äußerlichen anscheinen noch solches wünschen.
Die Friedens Articuln die Wallachey und Moldau betreffend, wie
solche von dem HeiTn Feld Marschall dieser zweyen Fürsten Thümern
?<.-,
223
mjtgetheillet worden sind, Schlüsse hier in Abschrift onterthänigst ge-
horsamst bey.^
Ansonsten ist in neu Servien ein Project, welches zur Ausführung
begnehmiget worden seyn solle, vermög welchen an den Gränzen in denen
Pnncten wovon die Vortheile gegen die Einfälle der Tartaren abgesehen
werden, neue Dorfschaften angelegt, und solche in 4 Viertel eingetheilt
werden sollen nehmlich zwei viertel Soldaten, also ein Viertel Infanterie
und bey ein Viertel Cavallerie dann ein Viertel Invaliden, und ein Viertel
Bauern, die Soldaten bleiben zum Dienst, welche die Invaliden durch die
Erzeugung ihrer Kinder vermehren, die Bauern hingegen den Unterhalt
verschaffen, die Soldaten eines Jeden Dorfes stehen unter der Absicht
eines Staabs-Officiers, die Invaliden und Bauern aber unter dem Civille
and alle diese Granz Ortschaften sollen mit einigen kleinen Werkern
befestiget werden.
Jassy den 6. 7ber 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
xxxrx.
EUriohshausen an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 29/9.) Lemberg den 9*«n Sept. 1774.
Den von Herrn General Feld Marschall Lieutenant Baron von
Barco einstweilen eingegangenen Bericht, in originali Euer Excellenz
hie mit unterthänigst vorlege; Sobald derselbe anderweitige Anzeige von
der Herrn Feld Marschall Graf v. Romanzoff Abreise eingehet, so bestehet
ohne den mindesten Verzug und allsogleich die Aufstellung deren Adlers
und die VoiTUckung deren mehrere Trouppe in Gemäßheit der Euer Ex-
cellenz unter dem 29**° August a. c. submissest eingehenden vorläufig
entworfenen Disposition; indessen laße gleichwohlen den bereits beste-
henden Cordon mit Mannschaft in kleineren Anzahl, sowohl von Husaren
als Infanterie, nach und nach ohn vermerkt verstärken; der anliegende
Major Miegische Bericht bezeuget, daß mit einer Brücke über den Brut-
Fluß bey Czernowitz bereits der Anfang gemacht worden seye, als welche
Communication ohnumgänglich erforderlich ist.
» Vide Beil. XVI.
^ ll
224
mht
*!
er
Zu hohen Gnaden mich gehorsamst anempfehle in tiefesten Bespect
erharre
Lemberg den 9. September 1774.
E. Ex. nnterth. Gehörs.
Ellrichshausen
G. F. Z.
XL.
ff-j
Die Bojaren an Freiss.
[%
Ali
■ff
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 41/79.)
Kronstadt den 12ten 7briß 1774.
Excellenza!
Avendoci concesso TAltissimo jddio la desiderata pace e messo fine
alle Nre Calamitä e sciagura e pensando giä di rimpatriarci non abbiamo
voluto mancare al Nro dovere di rendere a Vostra Eccellenza i Nri ümi-
lissimi ringraziamenti, per la Somma Bentä e Gentilezza che ne a aynto
per noi prottegendoci nelle ocorenze in qoesto Sacratissimo Asilo, se
condando la Magnanima, e Generosa Volontä de Suoi Aiigustissimi Soyrani.
Asilo che fu concesso contanta Clemenza, e Grazia anche ai Nri Antenati
in simili circonstance da tempi i piü remoti ; e per lui non cesseremo di
pregare TOgnipotente Dio con tutto il fervore per la Conservazione et
ogni Sorte di prosperitä delle Loro Sacratissimo Maestä e di tutta TAn-
gustissima Familia Imperiale. Saremo memori anche della Benignitä di
V: Eccellenza ricercando tutte le ocasioni per poter dimostrare la 'StSl
Gratitudine e ricommossenza secondo gli Ufficii della Vicinanza frattanto
la supplichiamo di conservanci anche per Tawenii-e la sua Grazia e Bene-
Yolenza e restiamo con tutto il rispetto e Yenerazione
Cronstadt li 12. 7bris 1774.
Di Vostra Eccellenza devotiss™** obligatis™® servi
Thom: de Krezulescul: Demetrius
de Baccoyizza. Bodbp: de Yacca-
rescul Bade Stirbej, Joannes de
Yaccarescul, Joannes de Julians,
G. de Saul Thes: Yal: et tutti j Bo-
jari, Y. del Binci papo di Yalachia.
226
XLI.
Baroo an EUriohshauBen.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/107.) Jassy den 13*«» September 1774.
Eaer Excellenz verweylle nicht zu hoch dero Einsicht, waO noch
auf mein lezten gantz unterthänigst gehorsamsten Bericht in betreff
denen von Divan auf Veranlassung (wie sie vorgeben des Herrn Feld
Marschall Graf Eamanzoff über abgestatteten Rapport, der beschehenen
Vorrfickung Unserer Trouppen in der Moldau) zweyen heutte abgehenden
Boem nacher Csernaust anzumerken kommet. Es solle der Divan die er-
haltene Antworth des alda Commando führenden Officiers directe an die
Pforte gelangen machen. Der Herr Major Mieg ist noch gestern von mir
praeveniret worden, daß falls Er nicht hinlängliche Instruction auf die
ergebende Anfragen zu beantworten hätte Sie Boers mit dem verbe-
scheiden solle; dass Er es an daß hohe General Commando einberichten
wird, und die darauf erfolgende Antworth Dinen durch mich in Jassy
ertheilet werden solle. Bey so gestalten Sachen hatte ich dem Herrn
Feld Marschall Graf Romanzoff (welcher wider schlächter geworden, und
noch sehr Math und invisibel ist zu Consentirung der Adlers Aufstellung
gleich angegangen, nun muß es schon bis auf seine Genesung, welche
dessen Abreise gleich veranlassen soll abwahrten.
P. S. Morgen wird daß hiesige Hospital bestehend in 2363 Ki'anke
nacher Chieff zu transportiren angefangen. Cassan solle in brand gelegt
seyn worden und man besorget, daß N ? . Bugatscheff sich nacher Moskoff
wird wenden wollen allwo Er eine große parti Freunde haben soll, es
gehen von hier 2 Generali eilends ab umb dorten zu commandiren, einer
ist Ozaroff und der andere Volkoff.
Jassy den 13*«° Sept. 1774.
V. Baron v. Barco
F. M. L.
XLn.
Baroo an Ellriohshausen.
Orig. (R, d. R.- Kr.- M. 29/10.) Jassy U.September 1774.
Euer Excellenz gnädiges Befehl Schreiben vom 10*«'^ d. habe heute
frohe zn entsieglen die Gnade gehabet; wessen gantzen Inhalt in genau-
sten folzug zu bringen nichts übersehen werde; so bald nur der Herr
Feld Marschall Romanzoff auß der gefahrlichen recitivirung in welcher
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226
Selbter noch nicht außer Gefahr darnider liget; visibl sein wird, auß
beygebogenen Copia geruhen Euer Excellenz die dii'ecte an der Pforte
beschloßene Rückstellung dieser beyden Provintien Walachei und Moldau
gnädigst zu ersehen, umb so mehr daß bis zur Stunde noch keiner
zumfürsten publiciret worden. Gregoir Giga hoffet durch Vermittlung
des HeiTn Feld Marschall es vor andern in der Moldau zu werden. Womit
mich zu fürwehrenden hohen Gnaden empfehle und in submisten ßespect
ersterbe.
P. S. Der vor 4 tagen auß Adrianopel zurückgekommene Russische
Officier hatt mitgebracht, daß die Türkische Armee sich schon fellich
auseinander begeben habe, binnen 3 Tagen wird daß hisige Spitall aus
2363 Kranke bestehendt angefangen transpoiiiirt zu werden derley Spi-
teler gibt es 3 und die Bericht nach stärker in der Zahl seyend,
Mens. Pugatcseff hatt Eassan angezunden und man besoi'get daß
er sich gegen Moskoff gewändet, Er macht mit 30000 berittenen der
Parthey gehorsame tnip hatt Er in 3 Theile eingetheilet und so nihmbt
Er immer 2: zur Ausführung seiner projecten zusammen der gantzen
Pauern Standt hengt ihme an, es seynd vor 3 Tagen 2 Generals von
hisigen dahin gereisot der eine ist kränklich, der andere sehr duck beyde
Spillen liber als recognosciren.
Jassy 14. September 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
XLin.
Mieg an Hadik.
Orig. (R.d.R.-Kr.-M. 29/10.)
Czemowitz, 15. September 1774.
:)■
Endlich ist gestern (14. Sept.) abends, der von Jassy an mich
deputirte Sonateür Georgj Beltimanu, bey mir angekommen, der von dem
Starosten Sturtza begleithet, nach den vorläufigen Anfragen ob ich der
Commandant des Neuen k. Cordons wäre, mir vorgetragen, wie daß sich
der Divan genöthigt gefunden (da nunmehr der Friede geschloßen), nach
welchen dieses lande wiederum in vorigen Stande den Tüi'ken abgetreten
worden, die k. k. Trouppen aber ohne vorhergegangene Meldung hier
eingeracket wären, ihn an mich abzuschicken, um sich auf folgende 3
Cathegorische Fragen die Erklärung auszubitten:
;^8tiich a^f wessen Befehl ich mit denen k. k. Trouppen eingerücket?
2teM warum diese Trouppen vorrückung geschehen?
Ma
227
3t«Dt ^ng ^Q ijj j^r Gegend Suczava ausgestelte Zeichen bedeuten?
Worauf ich den !*•** punct beantwortet, daß die in dieser Gegend
befindliche Commando auf allerhöchsten Befehl S^" Eaisl. Majestät unseres
Allergnädigsten Monarchens vorgerücket worden.
Daß in Ansehung des 2^** das Dasejn deren k. k. Detachements
dermahlen keine andere Absicht als die Sicherheit unserer Granzen, und
dieser Gegenden haben, um sowohl die Pest Gefahr als Räubereien von
unserer offenen ]4indes Gräntzen entfernt zu halten,
und 3***" die in den Suezaver district und anderen orthen aus-
gesetzte Zeichen gar nichts bedeuteten da es bloße geometrisch visir
poncten wären, auf welche der Mappirungs Officier in der mit S^ Ex-
cellenz Herrn Feld Maischall Graf von Komanzoff Genehmhaltung, vor-
genohmenen Aufnahm visiret hätte. Mit dieser Erklärung ist erwähnter
Bojar, gantz zufrieden über meine gute Aufnahme heute Nachmittag
wieder von hier über Suczawa nach Jassy abgereiset. Wobey ich dann
von diesem Herrn deputirten in Erfahrung gebracht, daß der 10. dieses
alten Stils festgesetzet worden, als der termin auf welchen die Russen
denen Türken, Bukarest und die Festungen an dem linken Ufer der
Donau übergeben, und so dann heraufwärts zu defiliren anfangen sollten,
der Feld Marschall Graf von Romanzoff seye von seiner Krankheit besser,
nnd werde nunmehro sicher in einigen Tagen in Cornesty bey Jassy
erwartet, wo Selbsten Er aber noch wenigstens einen Monath zubringen
dörfte ehe er das Lande verlassen würde. Mit Ihme würde anjetzo der
nene Fürst Eika nach Jassy kommen.
2 Bojaren wären nach Constantinopel abgesendet worden, um die
Neue Unterwürfigkeit des Landes, der Pforte zu bezeugen, und vor den
Fürsten den Cafftan und die gewöhnlich 2 Rossschweifen zu holen. Der
Chotymer district würde gantz sicher dem Lande eingeräumet, so daß die
Türken nichts als die bloße Festung überkämen.
Czernowitz 15. September 1774. ,, . ., .
Mieg Major.
XLIV.
EUriohshatLsen an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/107.) Lemberg den 16*«»» Septemb. 1774.
Der Herr General Feld Marschall Lieutenant Baron v. Barco er-
täeilet mir die Nachricht, daß der sogenannte Divan zu Jassy zwey
228
Depatirte nacher Cxernowiti abschidren werde, um den Mi^or Mieg über
die Ursache seines und deren bey sich habenden Troappen dortigen Auf-
enthalt ZQ befragen, um die eriialtene Antwort an die Pforte zu Qber-
schicken; gleich wie das gehorsamst beygelegte Schreiben den nemlichen
Gegenstand begreiife; falls nun diese zwej deputirte sich bey dem Major
Mieg auch würklich einfinden sollten, so ist derselbe allschon instruiret,
sie mit ein wenig bedeutenden Antwort abzufertigen.
Des Herrn Feld Marschall Graf t. Bomanzoif Unpäßlichkeit solle
zu Foksani annoch fQr dauern. Die hier submissenst anliegende Carte
erkläret, wie die eine Moldauische Cordons-Linie sich ziehet and wo die
Posten deimahlen aufgestellet sind, welche leztere ich bereits auf 400
Köpfe vermehret habe.
Dem Czernowitzer District alleinig, sind Ton denen Russen 26000
Loewentbaler als Hdckständige Naturalien abzuliefern aufgetragen, und
da die Moldau in 25 dergleichen Districte abgetheilet ist, so betraget das
ganze eine beträchliche Summe.
Lemborg den 16**" September 1774.
EUrichshausen
G. F. Z.
XLV.
Bepnin an Baroo.
Orijc. (H. d.R.- Kr.- M. 29/13.)
A Focwiny Le || Sept 1774.
i
Monsieur!
Son Excellence le Marchai vient de re^evoir, saus s'y etre attendu,
une lettre du Pacha de Silistrie; par la quelle il lui fait part, qu'etant
instruit de Tentree des trouppes de leurs Mayestes Imperiales et Boyales
dans les frontieres de la Moldavie, il lui demande comment cela s'est fait,
et quelles sont les raisons qui yont donnö lieu. Son Exellence ayant re9u
en meme tems un rapport du Divan de Jassy sur la demarche que les
boyars ont fait a cet egard, premierement visavis de Monsieur le Major
de Miege, commendant ces trouppes de leurs Mayestes Imperiales et
Royales, et en second, lieu vis avis de Votre Excellence, qui marque que
vous les avez renvoy6 Monsieur, pour avoir la dessus uiie reponse finale,
jusqu'a la reception des ordi-es qui vous seront donnöes de la part du
General qui commande dans ces environs Tarm^e de leurs Mayestes Im-
229
periales et Boyales, son Excellence le Marechal n'a pu se dispenser dans
la reponse qa*il a fait faii'e au Pacha de Silistrie, de le faire instmire de
ce qn'il savoit snr cette affaire, pai* le susdit mpport du Divan de Jassj,
et est Ini meme snrpris Monsieur, d'entendre que les tronppes de lenrs
Majest^ Imperiales et Boyales non seulement son enti*ees dans les
endroits susmentionnes, mais qu'elles ordonnent aussi tontes sortes de
livraisons, ce qni ne peut cei*tainement qu'empecher Celles, que ces con-
tra doivent faire a notre aim^e, dailleurs il est connu a Yotre Exellence
qne par le trait^ de paix nouvellement conclu entre TEmpire de Bussie
et la Porte Ottomane, les Principautes de Valachie e de Moldavie retour-
nent au pouvoir de c^tte derniere, et ce'est pour cela que Son Exellence
le Marechal n'a pu se dispenser dinstruire le Pacha de Silistrie, selon la
demande qu'il lui en a fait, de tout ce qui est sidessus.
Son Exellence le Marechal etant encore alite, fort foible, et hors
d'etat d'ecrire a Votre Exellence, m'a chargö Monsieur de le faire, et de
Tous communiquer tout ce qui est dit plus haut il se flatte que leur
Mayestös Imperiales et Boyales y verront la droiture de sa c^nduite, et
bne leur trouppes agiront conformement a la bonne inteligence qui sub-
siste entre les deux Cours Imperiales, ainsi qu*a celle qui yient d'etre
retablie avec la Porte Ottomane.
Nie. P<^« Bepnin.
XLVI.
Baroo an EUriohshauBen.
Orig. (R, d. R.-Kr.-M. 29/13.) Jaasy, den 30. September 1774.
Ans dem hier gehorsamst anverwahrten original Schreiben ^ werden
Euer Excellenz gnädigst zu ersehen geruhen, was der Herr Feld Marschall
Graf Ton Bomanzofif, welcher in seinem ki-änklichen Umstanden noch
immer invesibil ist, durch den Herrn Fürsten von Bepnin, welcher vor
4 Tagen das Commando der Ai'mee von dem General Soltikow übernehmen
in betreff der in den Bukkowiner District eingerückten k. k. Trouppen
an Mich erlassen hat und wie Er die verabredete Sache gegen die Pforte
fahret; auf welches ungeachtet die Türken von der Einiückung unserer
Trouppen in den Bukkowina District wie aus erwehnten Schreiben er-
kellet schon benachrichtiget seynd, welches zweifelsohne durch die von
^ Siehe Beil. XLV.
m
230
hier nacher (^onstantinopel abgegangenen zwej Boers, welche mit Ein-
helligung aller Boers den Eika zum Landesfürsten zu erlMtten suchen,
dem Pascha von Silistria beygebracht worden ist, und in Constantinopel
auch ganz gewiß anzeigen werden, So hab Ich gleich wollen die wahre
Absicht und die Beweg-Ürsachen, welche zu dieser Einrückung Anlaß
gegeben haben denen Boern der zeit noch nicht entdecket, welche auch
noch in so lang zu verzögern suche, bis Ich mit dem Herrn Feld Mar-
schalln nochmahlen werde gesprochen haben, damit die Sache auch nicht
gleich dem Fürsten von Bepnin bekannt sejn möge, maßen derselbe
solches seinem Hoff sogleich anzeigen dörfte, da seine alte Wunde Ton
Herrn Feld Marschall noch nicht gänzlich geheilet ist.
Wie bald Ich also nur mit dem Herrn Feld Marschall sprechen
kann, werde so viell möglich suchen dieselbe dahin zu verleiten, damit
Er die in dem Bukowina District hinter unseren Cordon stehende Bußische
Ck)mmandien einziehen lasse, und die Aussteckung der Adlers alsbald
noch vor seiner Abreise Beangenehmigen möge, womach Ich alsdann
erst nach der Mir von Euer Excellenz unterm d^*^ dieses ertheilten gnä-
digen Anleithung denen Boers auf die an mich gemachte Anfrage die
wahre ürsach der Beschehenen Einrückung in den Bukkowina District
zur Antworth bejzubringen gedenke.
Ansonsten da der gesetzte Termin wo die Wallachej'von denen
Russen geräumet seyn solle, als den 20^*^ October nach unseren StjU
hei-annahet, so fanget schon allgemach die Armee an sich in die Moldan
zurückzuziehen, besagte Moldau hingegen wird erst in zwey Monathen
damach auf den 20. Dezember geräumet und — alsdann auch zugleich
die Vöstung Bendern und Chotin übergeben werden.
Womit mich zu hohen Gnaden und Hulden unterthänigst gehor-
samst empfehlend in tiefesten Bespect ersterbe —
Jassy den 80*«° Sept. 1774.
Vincenty Br. Barco
F. M. L.
XLvn.
EUriohBhaiuen an Hadik.
*:-c.
>''5i
:^i*
Orig. (R. d.R.- Kr.- M. 29/13.)
Lemberg 7. October 1774.
Da der Anschluß von dem Herrn General Feld Marschall Lieutenant
Baron v. Barco vorgestern bereits allhier eingetroffen ist und mit der
heutigen ordinaire Post an Euer Excellenz allererst unteii;hänigst ein-
befördert werden könnte, so Wird solcher um diese zwey Tage veralten.
231
In dem Fürst Bepninsclien Schreiben, so nach des Herrn General
Yon Barco Äußerung, an Euer Excellenz anschlüssig ist Wird von Lief-
fenmgen im Moldauischen an die diesseitige Trouppen Erwähnung ge-
macht; ich beantworte aber diesen Ungrund dem Herrn General von
Barco; der dasige Land Mann besitzet gegenwärtig ohnehin nichts anderes
alfi Heu, dessen einiges die Verpflegung, gegen baare Bezahlung erkauft
hat; Wie dann überhaupt diesseits sich bestens beflißen wird Weder
denen daselbstigen Innwohnern, noch denen Eussischen Trouppen, die
mindeste Ursache zu einigen Unwillen, viel weniger zu Elagden*zu geben;
Indessen hab den Cordon gegen Suczava mit dem Siskowischen Gar-
nisoDS Bataillon verstai*ken lassen, theils wann es an der Zeit, die Posten
im hohen Moldauischen Gebürg (Wo sich dermahlen noch Eussische
Trouppen vorfinden) sogleich zu besetzen anderen Theils aber einen
Testeren Fuß daselbst als die weitest entlegensten Gegend, gegen alle
Eingelenke zu nehmen; und endlichen so nahet die Winterszeit heran.
Wo auf das unterkommen deren an diesen Moldauischen Bezirk bestimmte
Trouppen, die Vorsorge genommen werden muß;
Des Hen-n General von Bai-co Bericht bezeuget übrigens klar, daß
der Herr Feld Marschall Graf ?on Eomanzoff, dem deimahlen Comman-
dirente Bussische Herr General Fürsten von Eepnin, Von der diesseitigen
eigentlichen Absicht, noch keine Eröffnung gebracht hat, und daß nach
(erfolgender Abreise des Henn Grafen v. Eomanzoff der Fürst von Eepnin
denen diesseitigen Handlungen entgegenstehen werde; ich werde mich
aber nicht im mindesten dabey irie machen lassen, und als eine Sache
die zwischen denen betreffenden Höfen behandelt Wird, zur Eückäußerung
geben. . ."
Lemberg 7. October 1774.
EUrichshausen
G. F. Z.
XLvm.
Baroo an EUriohshauBen.
Orig. (R. d. B.-Kr.-M. 23/611.) Jassy, den 14tGn October 1774.
Mit Euer Excellenz hohen Begleitungs Befehl vom 8*®" d. habe das
Schreiben von S^ Excellenz Herrn Feld Marschall und Eriegspräsidenten
Grafen von Hadik unterm 12^° dieses rechtens zu behändigen die gnad
gehabt, welchen enthalten hat, wie der hiesige Divan, welchen auf wieder-
holte Frage wegen Extension der Bekannten Gränze allschon eine meiner
Instruction gemässe Antwoii; ertheilet hat, wann Er hierwegen noch-
mahlen eine Frage machBn solle, weitere zu verbescheiden seje. Der
Herr Feld Marschall Graf v. Eomanzoff seine Krankheit wird noch immei
von Tag zn Tag bedenklicher, und der dermahlen das Conuuando der
Armee führende Herr General Pflrst v, Eepnin ist nun auch erkranket.
Anaonsten gehet hier die Kunde, daß der Groß Sultan wegen ohn-
lohigkeit zur Regierung abgeseit worden seyn solle, und daS sich is
Archipellaga ein allgemeiner Aufstand gegen die Bussen en^et bat,
dann auch daß die Tartaren denen Bussen Janiknle und Kerci nicht ab-
treten wollen, deme hier auch noch gehorsamst heyrflcke wie daß die
Holdan allein zu verschiedenen Transportirungen 13484 Fuhren zu geben
befehliget worden ist. , .
Jassy den 14"" October 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
Ueg an EUriohalurasen.
Orig. (B, d. R.-Kr.-M. 28/ill.) Ciarnowiti den 16t«n Octob. 1774.
Euer Eicellenz gnUiges Befehl Schreiben vom 14**° praes. den
dabey verwahrten AnscblnQ an Herrn Feld Harschall Lieutenant Baron
T. Barco, nebst dessen erfolgten Äbschickui^, solle anmit in unterthS-
nigstem Qehorsam bestittigen.
Bey Gelegenheit des gestr^en an Euer Eicellenz nnt«rth&n^t
einbeßrderten Schreibens commnniciret mir Erwähnter Herr General,
daß die Krankheit, des Herrn General Feld Harschall Graf von Bomansow
von Tag zn Tag bedenklicher werde, nnd der eine Commandirende Fürst
Bepnin auch iichon erkrankt seye, wir werden also bald den 4**° benach-
barten Commandirenden Herrn General haben, und dessen Gesinnungen
erfahren, wobey aber jeder Zeit der Geist des Obristen Tntolmin in Be-
gierung der Moldauischen militair und provincial machine mitwOrken
wird, von welchem auch dermahlen, die schrOckbare wagen ans Schreibung,
die sich in dem Czernowitzer District auf 1500 und in dem Suezaver Ober
2000 erstreckt herrühret, nnd dadurch veranlasset wurden, daß der Divan
sich geweigert, denen Bussen Diren proviant Vorrath, nach Ihi'en anver-
langten exorbitanten Summen abzukaufen.
Zugleich bemerket Herr Feld Uarschall Lieutenant B"" von Barco
folgende bedenkliche Nachricht: Dem hieeigen Divan habe ich nun
auf wiederholt an Mich gemachte Frage, wegen der bekannten
Gr&ntzen eitension die Eigentliche Absicht, der beschehenen
233
Yorrflckniig unserer Trouppen eröffnet, und somit mich in der
Sache demasqniret: Da nun die ErOfnang nicht allein an den Divan,
sondern zugleich auch an die Russen in der Persohn, des Eigentlichen
darinen präsidirenden Christen Tutolmin geschehen und entweder in der
B^nstigung des Herrn Feld Marschall Graf von Romanzows oder
Fürsten von Bepnin oder hier zuerhaltenen förmlichen Authorität, ihren
(knnd haben muß, scheinet mir, daß nunmehr bemeldter Herr General
berechtiget seje, entweder auf eine freundschaftliche arth um eine mo-
deration dieser wägen ausschreibung in diesen declarirten districten an-
xnsehen oder sie cathegorisch abzuschlagen. . . Zugleich aber würde auf
diese besehene declaration die Adler aussetzung und consolidirung des
Cordons fast eine natürliche Folge seyn; weilen wir sonsten wani^ die
Russen über diese erklärung unzufrieden, anstößigkeiten und vielleicht
starke Bussische Cantonirungen, in diese Districten, Selbst, um ihre
teritorial Jurisdiction bis zur ankunft deren Türken zu behaubten, worum
sie (wie man vorgiebt würklich von lezten sollen angesucht worden seyn)
zu erwarten haben. In Ansehung der Pest ist es dahier noch gantz stille
erwarthe dahero von Herrn Feld Marschall Lieutenant B"^ von Barco,
hierüber die weithere Belehrung, und von Herrn General Baron von
Spleny, die Befehle zu denen dießfalls zu nehmenden Maaßregeln, welche
sodann mit hiesigen Starosten einzuleithen, mir eifrigst werde angelegen
seyn lassen. Der Ehemalige Fürst Kika ist nunmehro von der Pforte als
Fürst in der Moldau förmlich bestattiget, in der Wallachey aber Alexander
Ypselandj, ge wester DoUmetscher bey der Pforte, als Fürst erwählt worden.
In betreff deren empfangenen Anticipations Gelder Berechnung, beobachte,
dabey alle mögliche Ordnung und Aufmerksamkeit, würde sie auch täglich
einschicken können, wenn ich Aicht noch das Ende der dermahligen
Speciell Mappirung deren Positionen und Adleraussetzung abwarthen
wolte, weilen ich recht sehr davon entledigt zu seyn wünschte. . .
Czemowitz den 16. October 1774.
Mieg Major.
L.
Meldung.
Orig. (R. d. R.-Kr..M. 67/40.) Doraa, den 17*en October 1774.
P.P.
Endesgefertigter thue hiemit notificiren, wie das bey gegenwärtiger
Vorrückung in der Moldau, Eine Compagnie von Siskovics zu Vama und
ArchiT. UXVIU. Bd. I. Hälfte. 16
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z«f)^kk alNer »^Ib^ toh Hhih Obriftli^ateBimt t^^b Füo d«6 Lieblichen
hsut/ii»^i^ttfU B'^^ijftHit« bodMxU-t wonkA sejre, difi er sidi mit seinem
OiWAaiuio w^iv-r t^/t g>!^n Dorna, alwo die Kosaken bishefo gestanden,
Da ab^r di<«!rr nf'o zs beziehen gleich angesonnenen posto nicht
rM wt^'tUin roTwirU doch schon wirklich aof jenseitigen Gehieth existiret,
it^f warf; nicht rf.rmi'rg^üd ohne mit hohen befehl gedeckt zu sejn die
Orioz^n Q^i^rschritU'n zo laßen, welches auch gedachter Heim Obrist-
\l*füU:u&ni, «?rwiedfret worden ist. Zur Beförderung der ankommenden
iirii^ habe aber schon die geschärffte Befehle ertheilet, und damit solche
um so geschwinder eipedirt werden m5geu, so habe auch Ton dem (Kom-
mando zu Knkurassa einstweilen einen Gefreiten und 3 Gemeine deta-
cbiret und selbe zwischen Eosna und Eukurassa auf halben Weeg in
dii'ser al>sicht ausgestellet bey yerbleibung dieses Umstands wäre aber
obfiumgänglich erforderlich den Posten Kukurassa wieder zu ergäntzen
stttts diesen einen derweil unterlegten Posten zu Bef5rderung der Briefe
ab^jr, zwei derley etwas stärkere, auszustellen.
Welches also mittelst einer Expressen Ordonanz unterthänigst
mMh und mir was weiters zu veranlassen seye, die hohe diesßLUige Be-
fehle gehorsamst erbitten solle.
Beristoni de Kall Schlaun
Grl. Major. Obristlieutenant.
1
235
LH.
Baroo an EUrichshauBen.
Orig. (R. d. B.-Kr.-M. 23/«^.) Jassy, den 19ten October 1774.
Euer Excellenz Beyde hohe Befehl Schi'eiben das vom 12^° mit
dem Anschluß an Herrn Feld Marschalln Graf y. Bomanzoff^ welcher
sogleich dahin bestellet worden, und lezterer von 14^^ d. habe die gnad
rechtens zu erhalten gehabt ; Gegen die unter dem bey Bukorest gestandenen
Corps ausgebrochene Pest ist in der Armee schon alle Vorsicht gebraucht
worden, um dieses übel nicht weiters kommen zu lassen, die suspecte
Maimschaft wird im Marsche und in abgesonderten Stationen immer se-
parirt geführt, und yerwachet, noch hat mann auch nichts gehöret daß
sich dieses Übel weiters ausgebreitet hätte, indessen aber werde ein sorg-
^tiges Augenmerk darauf haben, und wann hier oder auf dem Lande in
hiesiger Gegend herum etwas solte verspührt werden. Euer Excellenz
sogleich davon gehoi-samst zu benachrichtigen, und auch den Herrn Major
Mieg zu avisiren nicht ermanglen, hauptsächlich ist auf die dermahlen
aus unsern Cordon zur Russischen Annee verschriebenen Fuhren welche
Mann nicht weiß zu welcherley Transportirung solche gebraucht werden,
bey ihrer zurückkunft zu invigilliren, welches unter einstens auch dem
Herrn Major Mieg mitgebe.
Den 18^° dieses war der Aufbruch des Herrn Feld Marschall von
F(dman bestimmt und seine anhero Beiß in 6 Stationen eingetheilt, mithin
sollen nun dieselben innerhalb 6 Tagen hier eintreffen, ohngeacht Er
nodi sehr schwach ist, welcher wegen auch ein neuer Medicus von Peters-
burg stündlich anhero gewärtiget wird; nach der Ankunft des Herrn
Feld Marschall werde so hald wie nur möglich wegen Aussezung der
Adler suchen an Ihn zu kommen, und da ohnedies die Sache schon
bekannt, so glaubete Ich ohne aller Maaßgaab, daß wann schon die Adler
noch nicht aufgestelt sind, der Cordon gleich wollen allenthalben mit so
Tiellen Trouppen als nöthig seynd besetzet werden könnte.
Jassy den 19*«° October 1774.
V. Baron v. Barco
F. Ba.» la.
16»
236
Lm.
EllriohBhatisen an Hadik.
Orig. (EL d. R.-Kr.-M. 23/||£.) hemherg, den 24t6B 8briB 1774.
Den mir so eben von dem Herrn General Baron von Barco ein-
gehenden Bericht, Euer Excellenz nnterih&nigst vorlege; So wie ich hoch-
denenselben unter dem 21^° d. die vollkommene Besetzung des Moldau-
ischen Cordons vornehmen zu lassen, submissest angezeiget habe, so
wird solche auch bis morgenden Tag volzogen worden sejn; and eben
auch Morgen frühe gehe noch Selbsten dahin ab.
Gegen die Besorgung der bej einem Russischen Corps-Tronppen
sich geäußeiien Pest, ist sowohl auf den Moldauischen als Pokutischen
Cordon sogleich alle mögliche Vorkehrung getrofen worden.
Lemberg den 24*«*» 8bris 1774.
Ellrichshausen
P. Z.M.
LIV.
Prelss an den Hofkriegarath.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 67/40.) Hermanßtadt, den 25ten Oct 1774.
Es hat das 2^ Wallachische Begiments Commando die in Abschrift
beyliegende Meldung anhero gelangen lassen, vermög welcher der Barco-
ische Herr Obristlieutenant Pilo aus Borna in der Moldan das derselbe
gleichfalls in copia beyliegende Aviso an den von Doma am nächsten
gelegenen Siebenbürgischen Posten des 2^° Wallachischen Regiments,
Eoszna genannt, und von dannen weiters an den in Enkuraza stehenden
Officier gelangen lassen und verlanget, daß ein Posten von diesem Wal-
lachischen Regiment bey Doma aufjgestellt und somit die Route zur
Correspondenz, welche aus der Moldau nach Siebenbürgen und aus Sieben-
bürgen nach der Moldau zu gehen habe, hergestelt werde.
Ob nun zwar hier keine Befehle vorhanden, Trouppen oder Posten
aus Siebenbürgen in der Moldau aufzustellen so hab nicht desto weniger
aus Anlaß der Nachrichten, welche mir der Herr Feld Marschall Lieute-
nant Bai'on von Barco von denen Veranstaltungen gegeben hat, welche
in der Moldau zur Beförderung der Correspondenz nach Siebenbürgen
und vice versa getroffen worden, nicht anstehen zu dürfen erachtet, gleich
ich dann auch unter einstens die Veifügung erlasse, daß der lezte Sieben-
237
bürgische Posto zn Kossna mit einem Corporalen, einem Gefreiten und
6 Mann gegen Doma in der Moldau Yorgestoßen, an dessen Platz zu
Eoszna ein anderer Posto von einem Gefreiten und 8 Mann und wiederum
soviel zwischen Koszna und dem Hauptposto Eukuraza aufgestellt somit
in diese Wege die sichere Correspondenz-BefÖrderung nach Siebenbürgen
erzielet worden, diese Posten aber sammentlich an den Officior zu Euku-
raza der zugleich fOr die gewöhnliche ablOsungen zu sorgen haben wird,
aügewiesen bleiben mögen.
Hermanstadt den 25^ Oct. 1774.
Preiß F. Z. M.
LV.
Kaiser Joseph TL. an Hadik.
Eigenh. (R. d. R.-Kr.-M. 23/653.) Wienn, den 27. October 1774.
Lieber Feld Marschall Hadik!
Sie werden dem General Ellrichshausen per privatas nur auftragen,
daß er den Buccowiner district von der Moldau mit einer hinlänglichen
Anzahl Truppen ehestens besetze und besetzt beybehalten solle, um sich
?on allen Insulten der Moldauer oder auch der Türken sicher zu stellen.
Dann werden sie ihm gewöhnlicher maßen rescribiren, daß wenn
er zu dieser absieht mehrere Truppen benöthigte, die zwey Regimenter
Samnel gjulag und Johann Palfy, welche ohne hin in der gegend von
Caschau, Eperies, Leutschau und Mongacz bequartirt liegen, auf sein
wstes anverlangen nach Gallizien zu rücken, schon im Voraus den Befehl
hüten; und in folge dessen werden sie demnach untereins das nöthige
auch an das Hungarische General Commando erlassen.
Wienn den 27. October 1774.
Joseph Corr.
LVI.
Baroo an EUriohshausen.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 23/IM.) Jassy, den 3 Ite» October 1774.
EuerExellenz verweylle nicht auf das unterm 21^^ dieses an Mich
erlassene gnädige Befehl Schreiben in betreff der Fuhren gehorsamst zu
288
berichten: wie daß dermahlen in der Sache um so weniger ein günstiger
Erfolg -erwartet werden kann, weillen anjetzo die ganze Armee sich in der
Moldau befindet, welche zu verschiedenen Transporten unendlich viele
Fuhren nöthig hat, und der von uns occupirte Antheil von Seiten der
Russen nur als ein freundschaftliches bezeigen mit der Einquartiimng
befreuet geblieben, auch wäre die Einiückung unser Truppen welche wie
in meinem vorhergehenden gehorsamst erwehnet, anjetzo, da die Sache
schon offenbahr geschehen könne, nach der Behandlung mit dem Herrn
Feld Marschall noch außer der Zeit, Ich bin dargegen aber schon ver-
sehen Mich zu verantworthen allenfalls von dem Herrn Feld Marschall
hierwegen eine Erwehnung an Mich geschehen solte, und überdies ist in
der Eepartition der Wagen in unsere Antheil mit andern ein gleicher
Divisor getroffen worden ; diese Anzahl zu verringern oder mit Geld zu
redimiren lasset sich gar kein Antrag machen, zumahlen wann es möglich
wäre der Divan solches für sich auch mit 3 n per Wagen gewisslich ab-
lehnen würde, und überhaupt in der ganzen Sache kann die hiesige Com-
mission zu unserer wünsche nicht das geringste bejtragen, da Sie den
Befehl durch den Fürsten Bepnin im Nahmen des Herrn Feld Marschall
erhalten haben. Besagter Herr Feld Marschall ist auf der ersten Tag
Beiß in der Station zu Berlat noch müßlicher geworden, folglich allda
liegen geblieben. Es sejend nun bis 5 Medici um Ihm zur Erzwingung
der Gesundheit; Ich machete Mir die Näherung Euer Exellenz gerne zu
Nutzen, um persönlich gehorsamst aufwartten zu können, wann mich
nicht das genaue aufpassen auf den Herrn Feld Marschall und anderer,
daran hinderte; dann so bald Ich nur mit dem Herrn Feld Marschall zu
sprechen gelangen kann, werde um die baldige wieder Zurücklassung der
Wägen das Ansuchen machen.
Ansonsten solte wohl ohne Maaßgaab die Verzögerung der Aus-
steckung der Adler dem Herrn Major Mieg so vielle Zeit verschaffen die
vortheilhaf teste Punkten auszusehen, um besonders gegen die Sieben-
bürgische Gränze einige nutzliche Berge oder gegend in unsem Cordon
zu bringen.
Übrigens hab Ich denen hier laudesbefindlichen aus Siebenbürgen
entwichenen Gränitzer und ünterthanen um solche in unseren Cordon zu
Ziegeln, unter der band hin und wieder kund machen lassen, daß Mann
Sie daselbst annehmen und Ihnen den Aufenthalt vei*schaffen wird, wes-
wegen ein solcher Punct auszusehen wäre, wo derley leuthe wenn einige
dahingelangen zusammen gezogen werden könnten, welches unter einstens
auch dem Herrn General Feld Wachtmeister Baron von Spleny bekannt
gemacht hat.
289
Schließlichen bestättige zugleich gehorsamst den unter 22^^^ dieses
anbero erlassenen Anschluß an den HeiTn Feld Marschall Graf Yon Bo-
manzoff, welcher sogleich dahin befördert worden, rechtens erhalten zu
haben und so ist Mir auch Euer Exellenz gnädige Zuschi'ift von 18^*^
dieses mit dem Beyschluß an den Herrn Obristen von Bothkirch in betref
der Loslassung seines Vetters (für welche Euer Exellenz meine unter-
tiiänigste Danksagung erstatte), richtig zu banden gelanget.
F. S. Eine Nahmhafte Anzahl Amanten und Volonteurs, welche
in diesen Krieg wider die Türken gedient haben und anjetzo hier im
Lande sich nicht aufzuhalten getrauen, wird von die Bussen nach neu
Senden zu gehen beredet, wohin Sie aber nicht sonderlich lust haben,
wann Ich demnach allenfalls diese leuthe auf unsere Gränze lenken
könnte, so beschiehet die unterthänigste Anfrag ob solche unserer Seits
angenohmen und placiret werden wollen, worüber Mir von Euer Exellenz
eine baldige Buckantwoii; gehorsamst erbitte.
Jassy den 31*«" October 1774.
Vincenty Bron v. Barco
F. M. L.
Lvn.
Kaunitz an Hadik.
Orig. (R. d. R.- Kr.- M. 23/111.) Wien, den 31ten October 1774.
In Betref der unteim 29^'^ dieses anhero mitzutheilen beliebten
Nachrichten von dem eingezogenen Moldauischen Bezirke glaubte der Hof-
ond Staatskanzler, daß dem Herrn Feldzeugmeister Ellrichshausen fol-
gende Beti-achtungen zu seiner Direction gegenwärtig zu halten wären:
l»o und in dieser überhaupt sehr häcklichen Sache auszulangen,
komme es hauptsächlich und wesentlich darauf an, den Bußischen Hof
auf alle mögliche Ai*t günstig zu erhalten, folglich seiner Generalität
nicht die geringste yei*anlas8ung zu billigen Beschwerden zu geben.
2^^ was die Aussteckung der Adler betrift, sey solche von dem
Herrn Feld Marschall Bomanzow nach den Abmai*sch der Bußischen Trup-
pen aus der Moldau bewilliget worden.
3^^ es sey auf Allerhöchsten Befehl von dem Herrn Generalen von
Barco dem eiiiannten Herrn Feld Marschall die ausdrückliche Yersiche-
rong ertheilt worden, daß man ihin ungeachtet der Besetzung des quästio-
240
nirten Districts in die Liefemngs Ausschreibangen oder in irgend einem
andern Anbetracht auf keine Weise hinderlich fallen wolle und werde.
Wornach sich also in allen diesen Punkten genau zu richten wäre,
den einzigen Fall ausgenommen, wenn man eine Abänderung entweder
in Absicht auf die frühere Aussteckung der Adler oder in Ansehung des
Ankaufs der ausgeschriebenen Naturalien oder derer Verführung außer
den Cordon auf gute Art, und mit Bewilligung der Bussischen Generalität
erhalten könnte.
Wien den 31*«» October 1774.
Eaunitz.
Lvm.
EUriohBhauBen an Hadik.
Orig. (R.d.R.-Kr.-M.28/IM.) Lemberg den 7ten November 1774.
Heute frühe komme von der Visitirung des Moldauischen Gordons
zurück^ dieser nimmt seinen Anfang zu Prevorodek am Dniester-Fluß
Okopi gegenüber und erstrecket sich bis Dorna an der Siebenbürgischen
Grantze dergestalten , daß eine halbe Stundt davon zu Todorkany der
erste Siebenbürgische Gräntz Posten vom k. k. 2'*° Wallachischen Regi-
ment sich befindet, mithin die Correspondenz nacher Siebenbürgen an-
durch erreichet ist; der gäntzlich practicable Fubrweg gehet eine halbe
Stundt über Kompolong gegen die Siebenbürgische Gi*äntze, als dann
weiters ein Fuß- und Reitweeg, diesen Winkel zum Fuhrweeg zuzu-
richten wird bey gegenwärtiger Winterszeit allerdings nicht thunlich, auf
das fruh-Jahr aber bis an die alte Siebenbürgische Gräntze gegen den
Borge Paß zu eine Arbeit von ohngefahr 2 Monathen mit 300 arbeitern
sein können, dermahlen ist dieser Moldauische Cordon mit dem ganzen
Barcoischen Husaren Regiment, und denen 4 Garnisons Bataillons, Stein,
Brinken, Nugent und Siskovics besetzet und das Thierheinische Bataillon
so zu Sniatin gestanden ist auf dem Marche in das hohe Moldauische Qe-
bürg, zur noch mehreren Versicherung der Siebenbürgischen Oommuni-
cation als des Hauptgegenstandts, Begriffen, dagegen* ein Nugentische
Feld Bataillon nacher Sniatin abgerucket. Von diesen Trouppen ist die
Mannschaft so wie die Dienst Pferde, vor welche letztere die Stallungen
durchaus erbauet werden musten zur hinlänglichen Nothdurft unter-
gebracht worden; Sobald als nach Czernowitz angekommen wäre, hatte
den Herrn General von Barco in der billigen Vermuthung davon belehret,
daß dei*selbe die erwirkte Adler-Aussteckung mir zu wissen machen
241
werde, Statt dessen aber die Verzögerang davon deßelben eingegangener
hier gehorsamst anliegender antwortlicber original Bericht das Mehrere
besaget. Die aus dem dießeitig occupirten Moldauischen District von
draen Bussen abgeschigte Bespannte Wägen belaufen sich auf 2500 ; Ich
hab dem Besagten Herrn General von Barco den Auftrag gemacht, sein
äußerstes anzuwenden diese Wägen ablieferung wenigstens zum Theil
rackstellig zn machen, zu mahlen nach denen, Bisherigen Eiempeln nim-
mer mehr anzuhoffen ist, daß ein einziges Stuck Vieh davon wiederum
znrfickkomme, mithin dieser District von Zugvieh zum größthen Nach-
theil deren dießseitigen Trouppen gänzlich entblößt wfirde, allein so be-
stehet derselbe dennoch auf derselben Abgabe; allein diesem ohnerachtet
diese Abgabe durch veranlassende Verzögerung zu etwelcher Yerminde-
nmg einleite; und was endlich mehr erwähnter Herr General von Barco
Ton denen Bußischen amauten und Yolontaires in Vorschlag bringet, so
erwiederte demselben, daß dieses Zusammen gerafte liederliches Gesindl
um so weniger vor den dießeitigen allerhöchsten Dienst angemessen seye,
als selbigen bey der Annahme sogleich Menschen und Pferde die Verpfle-
gung abgereicht werden müsse, und sich ohne ausdiücklichen hohen
Befehl, in diesen Gegenstand einzugehen keineswegs vermögend seye;
Was nun Euer Excellenz in dem gnädigen Erlaß von 27**" 8bris
bey dieser Moldauischen Angelegenheit und vorzüglich die Verstärkung
des daselbstigen Oordons gegen alle Insulten sicher zu stellen weiter an-
zubefehlen geruhen, ein solches nehme zu meiner gemeßenen Bichtschnur
und nöthigen Vorkehrung. Es wird hiebey zu meiner noch weiteren
Maaßnehmung abhangen ob die Türken lediglich die Garnison vor Oho-
ciim oder über diese noch mehrere Trouppen in die Moldau einrücken
lassen werden.
Lemberg den 7**° November.
Ellrichshausen
F. M. L.
LIX.
EUriohshaasen an Hadik.
Orig. (R.d. R.- Kr.- M. 29/16.) Lemberg, den Uten 9ber 1774.
Euer Excellenz beede hohe Befehl Schreiben vom 31. October und
1^ November, an Submissesten Bespect behändige die Adler-Aussteckung
auf dem eingenommenen Moldauischen Cordon werde, dero liöchsten Ge-
sinnung gemäß nicht ehender vornehmen lassen, als bis duich den Herrn
242
General Feld Marschall Lieutenant Baron v. Barco, von der diesf&lügen
Einwilligung des Herrn Feld Marschall Grafen von Bomanzo£f belehret
worden seyn werde, die Bnßische Trouppen haben in dem dieseitigen
Moldanischen District nicht den mindesten Natnral-Yorrath Ton irgend
einer Gattung die anverlangte leere Fuhren sind zwar dem Vorgeben nach
zum Magazins Transports jedoch auch wahrscheinlich zur Fortbringong
ihrer Spit&ler mit bestimmet; ohnerachtet nun genuglich einzusehen ist,
daß die Abgaabe einer so beträchlichen Anzahl Fuhren, der Nothdnrft
vor das diesseitige Militare ein bedeutender Nachtheil seyn wird, so hab
ich dennoch dem Herrn General Migor von Spleny wiederholend aufge-
geben, solche nach Möglichkeit zu bewürken, um der Bussischen Gene-
ralität auf keinerley Weise einigen Anstoß zu Mißvergnügen zu geben;
.die Anforderung dieser Fuhren, Wai*en zugleich mit Bussischen ^xe-
cutions-Commando von Infanterie, und Cavallerie begleitet, es sind aber
solche, unter dem Verwand deren nöthigen Sanitäts-pr&cautionen, und
auf gute Art, sogleich an Ortschaften außerhalb des Cordons, mit der Zu-
sage zurück verwiesen worden, daß man die Eintreibung dieser Wägen
durch die dieseitigen Trouppen selbsteo, um sie ihnen sodann übergeben
zu lassen, besorgen werde. Womit dann sowohl diese, als auch der zo
Jassy in diesem Geschäft aufgestellte Bussische Obriste Tutolmin voll-
kommen zufrieden wäre Euer Excellenz unterhabendes Husaren Begiment
wäre schon ohnehin gegen die Moldauische Seite zu verlegen bestimmet
und angetragen, dieses und der anwachsende Mangel an Korn, rauher-
und harter Fourage, besonders von Casimir an bis in die Gegend Brody
hat Mich so mehr veranlasset, dasselbe gegen den 20^° dieses Monaths
in die Bukowina so wie die beede Gamisons Bataillons Durlach und
Carl Coloredo au den Dniester Fluß, und zwar das erstere nach Mi-
linze, und das andere nacher Zalistschek abrücken zu machen. Durch
das Husaren Begiment wird meines Ermessens der Moldauische Corden
auf alle Weise vollends sichergestellt und die beede Bataillons können
nach Erforderniß, sowohl in der Bukowina, als in der Podolischen Gräntze
zur Beobachtung der dereinstigen Türkischen Chozimmer Garnison in
jener Gegend mit verwendet werden; und wegen dem nöthigen Unter-
kommen sowohl vor die Manschaft als vor die Dienst-Pferde, ist schon
im Voraus gesorget, sollen die Türkischen Trouppen allenfalls mit einer
ungewöhnlichen größeren Anzahl in die Moldau einrücken, so bin ich
noch immer an der Zeit die weitere Maase darnach zu nehmen.
Bereits vor vier Wochen, hab durch den Major von Mieg über den
Pruth Fluß bey Czernowitz eine gantz neue standhafte Schiff-brücke auf
welcher zwey Last Wägen einander ausweichen können zur allgemeinen
243
Bequemlichkeit, besonders aber damit die Tronppen Yon beeden Seiten
dcfl Pruthflnfi einander mit so mehrere behändigkeit die Hand biethen
können errichten lassen; weder wegen anrichtung dieser brücken, noch
anderen mehreren bereits erforderlich geweßten Bedürfnissen, ist noch
biflhero der mindeste aufwand dem kaiserlichen königlichen aerario nicht
aufgelegt worden, und nur alleine das was die mit depechen jeweilige
Abschickung deren Ober- und Unterofficiers an den Herrn General Ton
Barco veranlassen; wie ich dann auf diesen Wirtschaftlichen Gegenstand,
so ?iel nur immer thunlich, den gefließentlichen Bedacht nehme. Da die
Russen, unter andern alle Pferde weggenommen haben, so mußte der
letztere von Jassj nach Czernowitz zui-ückgekommene Officier, auf dieser
Beute mehrmahlen seinen Weeg zu Fuße fortsetzen, welcher Umstand
dann anjetzo die expeditionen dahin in etwas verzögeret; der Posten Be-
trag in Verpflegung deren in der Moldau sich befindlichen dieseitigen
Tronppen, wird gegen jene so in dem oberen Theil Galiziens verlegt
sind, geringer ausfallen, indeme an Heu in der Moldau und an Körner in
Podolien noch der wohlfeileste Preis bestehet.
Die mit -der letzteren Post zugleich mit beygeschlossenen beede
Schreiben, als eines von der Hof und Staatskanzley an den Herrn Feld
Marschall Graf v. Bomanzow und das andere von Euer Excellenz an den
Herrn General Feld Mai-schall Lieutenant Baron v. Barco sind auf der
Stelle befördert worden . . .
Lemberg den 11*«° November 1774.
Ellrichshausen
F. Z. M.
LX.
Baroo an EUriohshaiisen.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 57/iM.) Jassy, den 12ten November 1774.
Gegenwärtigen Anschluß an Sr. Excellenz Herrn Kriegspräsidenten
and Feld Marschall Grafen von Hadik, in welchem ein Schreiben von dem
Herrn Feld Marschall Grafen von Romanzofif an allerhöchst Dire Majestät
üe Kayserin sich befindet, hab die Gnad Euer Excellenz zu weiteren
hochgeneigten Beförderung zu unterlegen und an bey zugleich ganz ge-
borsamst einzuberichten, wie daß Ich den Herrn General Feld Wachtmeister
Baron von Spleny unter einstens avisiret hab, daß nunmehr auf dem
D«'oen Cordon die k. k. Adlers aufgestellt werden können. Jedoch aber
^ die Eussisch Kayserlichen Trouppen bis zu ihren völligen Ausmarsch
WS der Moldau, welcher den 21**" Xber geschehen werde, in keinerley
244
BeüQrfnisBen, und annoch einzufordern habenden Geldern» als den zehend
von Honig und Schaafen, dann was der gleichen mehr ist, vermög meiner
dem Herrn Feld Marschall Graf yon Bomanzofif gegebenen Yersiehenmg
im geringsten nicht gehindert werden sollen. Den Herrn Feld Marschall
Graf von Bomanzofif seine Krankheit hat sich nun wieder in so weit ge-
bessert, daß Er zuweillen aus dem Beth aufstehen kann, und sich wegen
noch allzu großer Mattigkeit im Zimmer herum führen Ifist, befindet sich
aber noch zu dato in Berlat, von wannen Er anjetzo wegen der gahling
eingefallenen Witterung nicht aufbrechen kann . . .
Jassy den 12**'* November 1774.
V. Baron v. Barco
F. M. L.
LXI.
Baroo an Hadik.
Orig. (R.d.R.-Kr..M.67/iM) Ja«ßy, den 12ten Norember 1774.
Gegenwärtiges Danksagungs Schreiben an allerhöchst Ihro Majestät
die Kayserin und Königin, welches Mir von dem Herrn Feld Marschall
Graf von Bomanzofif zur Beförderung zugeschicket worden ist, habe die
Gnad Euer Excellenz ganz gehorsamst zu unterlegen und anbey unter-
thänigst einzuberichten, wie daß Ich unter einstens Sr. Excellenz dem
Commandirenden Herrn General Baron v. Ellrichshausen eröfnet hab,
daß nunmehr die k. k. Adlers auf den neuen Cordon von Pokutien auf-
gestellt werden können (welches also auch gegen den 16^®° oder 17**** d.
geschehen wird) Jedoch aber daß nach meiner dem Herrn Feld Marschall
Graf von Bomanzofif gegebenen Versicherung, die Bussen bis zum völligen
Ausmarsche aus der Moldau (welcher den 21*®° Xber seyn wird) in
keinerley Bedürfnissen, und annoch einzufordern habenden Geldgaaben,
als den Zehend von Honig und Schaafen, denn was dergleichen mehr ist,
im geringsten nicht gehindert werden sollen. — Der Herr Feld Marschall
Graf von Bomanzofif seine Krankheit hat sich nun wieder in so weit ge-
bessert, daß Er schon zuweillen aus dem Beth aufstehen kann, und im
Zimmer wegen noch allzu großer Mattigkeit herumfahren last, Befindet
sich aber noch zu dato in Berlad von wannen Er wegen der gähling ein-
gefallenen üblen Witterung noch nicht aufbrechen kann alles was um Ihn
herum ist und von der Armee hieher nacher Jassy kommt, liegt am Fieber
krank. Ich selbsten auch bin schon eine Zeit her immer ki'änklich . . .
Jassy den 12*®" November 1774.
V. Br. V. Barco
FML.
245
Lxn.
Baroo an Ellnohshausen.
Orig. (R.d.R..Kr.-M.67/4^) •^'^y» ^^^ ^^^"^ November 1774.
Euer Exeellenz Beyde hohe Befehl Schreiben vom 7*®° und 9**"
dieses nebst der Mir gnädig intimirten von S"" Etcellenz Herrn Kriegs-
präsidenten ergangenen hohen Verordnungen, dann den besondern An-
schluß von der geheimen Hof- und Staats Kanzley an den Bussischen
Kayserlichen Herrn Feld Marschall Grafen v. Romanzoff, welcher nach
Empfang untern 15*®° dieses sogleich dahin beförderet worden, habe die
gnad zu bestättigen.
In Betreff der Aussetzung der Adlers werden Euer Excellenz aus
meinem letzteren vom 12*^ dieses allschon zu ersehen geruhet haben,
daß Ich dem Herrn General Major B^<*° v. Spleny solche nun Mehro
befolgen zu können unter einem avisirt habe, mit der Erinnerung, daß
andorch gleichwohlen denen Bussen bis zu ihren völligen Ausmarche aus
der Moldau im geringsten keine Hinternisse in Weg geleget werden.
Ansonstens vemiemt Mann derzeit hier noch nicht das geringste
von einem Anmärsche der Türken, auch ist weder noch bekannt ob nui*
die gewöhnliche Anzahl zu Besetzung der Yöstung Ghotin (welche vor
dem Krieg nur aus 200 Mann Bestünde) oder mehrere in die Moldau zu
kommen bestimmt sind. Mann sagt wohl daß nach Chotin und Bender
eine zahlreiche Guamison kommen soll. In der Wallachey ist die Yöstung
Brailla nur mit einem Pascha und 30 Türken übernehmen worden. Ich
sdüüsse, daß die Moldau eben auf die nehmliche Art so wie, die Wal-
lachey von denen Bussen wird geraumet werden, und also die Türken
auch nicht eher in die Moldau einrucken, als bis solche die Bussen gänz-
lich werden verlassen haben, mithin dörfte Mann die Starke derselben
wohl etwas spät erfahren, indessen aber Trage Ich hierw^en schon eine
genaue Aufmerksamkeit, um von sothaner Einruckung der Türken in
Zeiten sichere Nachricht zu haben, wovon Ich so nach Euer Excellenz
die fördersamste Anzeige zu machen, und zu gewinnung der Zeit auch
den Herrn General Baron v. Spleny zu avisiren nicht ermanglen werde.
Von hier aus der Moldau wird die Bussische Ai'mee in 4 Divisionen
marchiren und die Begimenter fangen sich schon allmählig nach Fohlen
zu ziehen allwo mann auch schon in Begrif stehet das Hauptquartier
diesen Winter über zu bestimmen. XJebrigens ist der Zeit hier in der
Moldau von keiner Pest nichts zu verspüren und Mir entübrigt der-
mahlen nur noch gegenwärtige Anschluß an S^ Excellenz Herrn Feld
246
Marschall uod Hof Kriegs Raths Pi'äsidenten Grafen v. Hadik, Euer Ex-
cellenz zur weiteren gnädigen Bef5rderung ganz gehorsamst zu unterlegen.
Jassy den 15*«" November 1774.
V. Br. V. Barco
FML.
Lxni.
Baroo an Hadik.
Orig. (R.d.R..Kr.-M.57/-4^.) Jaasy den 15ten November 1774.
Euer Excellenz hochgnädigen Befehl vom 1^^ dieses mit der ander-
weiten Belehrung von S'^ Excellenz Commandirenden Herrn G^neraln
})roD y Ellnchshausen habe in unterthänigsten Bespect rechtens zu er-
halten die gnad gehabt.
In Betreff der Aussetzung der Adlers werden Euer Excellenz aus
meinem letzteren vom 12^" dieses allschon gnädigst zu ersehen geruhet
haben, daß Ich S^ Excellenz dem Commandirenden Herrn General Feld
Zeug Meister Baion v. Ellrichshausen sothane Aussetzung der Adlers
veranlassen zu können, unter einem Benachrichtiget habe, mit dem
Beysatz daß denen Bussen gleichwohlen noch und bis zu ihren völligen
Ausmai*che aus der Moldau im geringsten keine hintemiß in Weg ge-
leget werde.
Ansonsten vernimmt man derzeit hier noch nicht das geringste ob
von Seiten der Tüi'ken nur die gewöhnliche Anzahl zur Besetzung der
Vöstnng Chotin (welche vor dem Krieg nur aus 200 Mann bestund)
oder mehrere in die Moldau zu kommen bestimmt sind, Mann sagt wohl
daß nach Chotin und Bendern eine zahlreiche Garnison kommen soll ; In
der Wallachey ist die Yöstung Braila nur mit einem Pascha und 30 TOr-
ken fibernohmen worden. Ich Schlüsse, daß die Moldau eben auf die
nehmliche Art so wie die Wallachey von denen Bussen wird ger&omet
werden, und also die Türken auch nicht eher in die Moldau einrucken,
als bis solche die Bussen gänzlich werden verlassen haben, mithin d&rfte
mann hier den Anmarche und die Stärke derselben wohl etwas spät und
erst damahls wann Sie schon in Marsche begriffen sind, erfahren. In-
dessen aber Trage Ich hierwegen schon eine genaue Aufmerksamkeit, um
von sothaner Einruckung der Türken in Zeiten sichere Nachricht zu
haben, und davon so nach S^ Excellenz den Commandirenden Herrn Ge-
neral Feld Zeug Meister B'^'^ v. Ellrichshausen fördersamst Benachrich-
tigen zu können.
247
Von hier aus der Moldau wird die Bussische Armee in 4 Divisionen
marcbiren, und die Begimenter fangen sich schon allmählich an nacher
Fohlen zu ziehen, all wo mann auch schon in Begriff stehet das Haupt-
quartier diesen Winter üher zu bestimmen, wie es heißt zu Laticsoff. —
Von der Pest wird derzeit hier in der Moldau nichts verspüret.
Jassy den 15*®° November 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
LXIV.
Extract-Sohreiben
▼on dem Herrn Generalfeldwachtmeister Baron von Spleny ddto Czerno-
witz den 16*«" November 1774 an den hierlands Commandirenden Gene-
ral-Peld-Zeug-Meister Preyhemi v. Elh-ichshausen.
116
(R.d.B..Kr..M.67/^.)
Die Emigration deren Amanten betreffend, habe ich die Ehre das-
jenige was ich dieserwegen von dem Herrn General Feld Marschall Lieu-
tenant Baron von Barco unter einsten bekommen haben E. -wort vor
wort zu communiciren : Hiemit hab zu erwiedern: daß die letzthin
S^ Eicellenz Commandirenden Herrn Generalen Bemerkte An-
zahl Arnauten und Volontaires bloß Wallachische Bauern
sind, welche mit allen ihren Haabseligkeiten auf unsere
Seite sich Begeben wollen, und also lediglich als Emigranten
anzusehen, welche vielleicht zum Gränitz Soldaten-Stand ge-
braucht werden können; noch sind sie eben nicht gäntzlich
entschloßen auf die Seite zu kommen, sondern da Sie in den
Banat näher als hieher haben, so gedenken Sie dahin leichter
and mit weniger Schwürigkeit kommen zu können, wovon Sie
mich aber noch Benachrichtigen werden, dieses ersuche Euer
Excellenz einsweilenS'ExcellenzdemCommandirendenHorrn
General zur Wissenschaft gereichen zu lassen.
Gleichwie nun dieses Emigrations-Gesch&ft von der weiteren Äuße-
rung des Herrn Feld Marschall Lieutenant Baron Barco abhanget so habe
aoch inzwischen die Verfügung getroffen, daß Beyde zu Sziredt und Lu-
bweiz auf Commando stehende Ofßciers mit nötiiigen Gräntzdörfer
Listen, in welche die Emigranten instradiret werden können, versehen
wyn sollen, wornach nur darauf ankommet, daß oft gedachter Herr Feld
348
Marschalf Lieutenant solche Leute nur nach Szired und nach Lukawetz
instradiren möge; gleich wie ein solches demselben durch mich bekannt
gemacht wird.
LXV.
Baroo an EUriohshaiusen.
Orig. (R.d. R.-Kr.-M.62/1M.) Jassy den 17ten 9ber 1774.
Euer Excellenz ermangle nicht ganz gehorsamst einznberichten,
wie daß sich dieser Tagen yon der Türkischen Seiten ein Csuhadar Bej
dem neuen Fürsten von der Moldau eingefunden hat, welcher einen Juden
aus Chotin angetragen, ob Er nicht für 20000 Janitscharen Proviant zu
liefern auf sich nehmen wolle auf welches der Jud geantwortet Ja, wann
Er von der Pforten durch einen Ferman sicher gestellet werde; womit
nachhero erwehnter Csuhadar wieder abgegangen ist. Auch befindet sich
schon seit etwelchen Tagen Bey dem Herrn Feld Mai-schall Grafen Bo-
manzoff mit geschäften ein gewisser Türk Nahmens Yaziff Achmet Effendi,
welcher Bey der ersten Friedens Negotiation mit Commissionen aus seiner
gefangenschaft von Petersburg entlassen worden ist.
Ansonsten gehet hier unter groß und kleinen die Rede von einem
Bevorstehenden Krieg zwischen uns und der Pferden.
Schlüsslichen habe die gnad Euer Excellenz gegenwörttigen An-
schluß an S'^ Excellenz Herrn Feld Marschaln und Hof Kriegs Raths Prä-
sidenten Grafen v. Hadik zur weitern hochgeneigten Beförderung ganz
gehorsamst zu unterlegen.
Jassy den 17*«" 9ber 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. Li,
LXVI.
Baroo an Hadik.
Orig. (R. d. R.- Kr.- M. 62/166.) j^ggy den 17ten November 1774.
Euer Excellenz solle nicht ermanglen unterth&nigst gehorsamst
einzuberichten, wie daß sich dieser Tagen von der Türkischen Seiten ein
Csuhadar Bey dem neuen Fürsten von der Moldan eingefunden hat, wel-
cher einem Juden aus Ghotim angetragen, ob Er nicht für 20000 Ja-
nitscharen Proviant zu liefern auf sich nehmen wolle, auf welches der
Jud geantwortet Ja, wann Er von der Pforten durch einen Fennan sicher
249
gestellet werde, womit nachhero erwehnter Csuhadar wieder abgegangen
ist. Auch Befindet sich schon seit etwelchen Tagen Bey dem Herrn Feld
Marschall Grafen Bomanzoff mit geschäften ein gewisser Türk Nahmens
Vaziff Achmet Effendi, welcher Bey der ersten Friedens Negotiation mit
Commissionen ans seiner Gefangenschaft von Petersburg entlassen worden
ist. Ansonsten gehet hier unter groß und kleinen .die Bede Ton einen
Bevorstehenden Krieg zwischen unß und der Pforden.
Schlüsslichen, da Es von Tag zu Tag mehr und mehr scheinet
durch die Einleitung des Marsches der Armee, daß sich der Herr Feld
Marschall Graf v. Bomanzoff bey herannahung des zur Baumung der
Moldau auf den 21^° Xber Bestimmten Teimins, noch vor Ausgang des-
sen, durch die hin und wieder für Ihn gemachte quartiers ohnmerkbahr
nacher Pohlen ziehen will, um denen zerschiedenen Klächlichen Anfällen
auszuweichen. — So unterfange Mich Euer Excellenz um die hochgnädige
Befehle meiner weitern Verhaltung halber unterthänigst gehorsamst
zu bitten. . .
Jassy den 17**" November 1774.
V. Br. V. Barco
F. M. L.
LXVU.
EUriobshaiusen an Hadik.
Orig. (R. d. B.-Kr.-M. 57/411.) Lemberg, den 18. November 1774.
So eben gehet mir, das anliegende Schreiben von dem Hen-n Feld-
Marschall Lieutenant Bai*on v. Barco ein, welches ich nebst dem Anschluß
an Euer Excellenz hiemit unterthänigst einsende, zu gleich bestehet mir
von dem in dem dieseitigen Moldauischen Bezirk angestelten Herrn Ge-
neral Major Bai'on von Spleny unter dem 15**^ dieses Nachts 10 Uhr die
Anzeige, daß diese von dem Herrn Generain von Barco Ihme zu vollziehen
angedeutete Adleraussteckung den Tag darauf als den 16^° vom Dniester-
Fluß an, bis an den Ort Siret von diesem leztern Ort an aber, bis an die
Siebenbürgische Gräntzen der weiteren Entfernung halber, nicht ehender
als bis auf den 18*®° und 19*®" gantz ohnfehlbar befolget seyn werde.
Womit also diese so sehnlich erwartete Adlers Aussteckung der neuen
Moldauischen Gräntzlinie bis morgenden Sambstag ihre Bichtigkeit er-
langet haben wird. . .
Lemberg den 18. November 1774.
Ellrichshausen
G. F. Z.
Arebiv. LXXVIII. B4. I. Ufclfta. 17
254
Der Erfahrung gemäß ist gegen die Türken der Gebrauch der Ar-
tillerie das würksamste und ansgebigste Mittel sowohl znr attaque, als zur
vertheidigung, wornach also gegen diesen Feind bej einer unzulänglichen
Anzahl Trouppen solche durch ein größeres quantum artillerie ersezet
und hiedurch zugleich die Verpflegung und Subsistenz eines Corps d'armee
zum merklichen Vortheil erleichteret wird: Es wird dahero in Gemäßheit
dieses angenohmenen Sazes auf jede Bataillon 4 und auf jedes Cavallerie
Begiment 2 Piecen Geschüzes, nebst einem proportionirten quanto an
Artillerie und Munition zur reserye angetragen.
Zur Defension der Posten in dem hohen Moldauischen Gebürge
und um andurch die Communication mit Siebenbürgen sicher zu stellen
sind in denen zu dieser absieht daselbst angeordneten Yerschanznngen
Sechs 6 tiSfge und Sechs 3 Pfundige Canons erforderlich, welche aber auch
von Ejsen seyn oder von der vorgefundenen Pohlnischen Artillerie her-
genohmen werden könnten.
Um noch weithers die Moldauische Gränze zu verwahren, Depots
zu Magazins nach allen Gattungen zu Kriegs Bedürfnissen anzulegen
und in Sicherheit aufzubehalten, wird in Antrag genehmen, die Orthc
Snjatin und Okopi sowohl wegen ihrer voi-theilhaften Laage zur Deckung
des Landes, als des minderen Kosten Aufwandes zu bevöstigen und
werden die diesföllige Plans, und Aufsäze ehemöglichst gehorsamst unter-
leget werden. Als dann hat Stanislawow keine weithere, als die deraeit
schon vorhandene Befestigung nötig, und dui'ch Okopi wird sogleich ein
Theil Podoliens bedecket, wie nicht minder die Türkische Yöstung
Chotzym, und die dasige Brücke über den Dniester zu allen Zeiten
menaciret.
Mittelst dieser beeden Yöstungen, und der Communication mit
Siebenbürgen verbleibt Gallicien von Seiten der Moldauische Gränze, auch
noch ih jenem Fall hinreichend verwahret, wenn anderweitige umstände
erheischen sollten die Trouppen von dieser, und der Podolischen Seithe
hinweg- oder gänzlich aus dem Lande zu ziehen ohne daß ein bedeutender
Nachtheil auf der Moldauischen Seithe jemals zu besorgen wäre, und ehe
und bevor man nicht dahin noch in rechter Zeit zu Hilfe eilen könnte,
massen, so ferne jedoch ein feind von daher eindringen wolte selber sich
allzeit der Gefahr aussezen müsse, durch die Siebenbürger Comunication
einen Einfall in sein eigenes Land zu gewärtigen und dadurch im Bücken
genehmen zu werden.
Zu dieser Comunication mit Siebenbürgen wäre fördersamst nötig,
daß von Poserit in dem hohen Moldaugebürge bis an dem Siebenbürgischen
Borgo-Paß^ wo deimalen, wieder im nachfolgenden zweyten Aufsaze alle-
deren in der Moldau sich befindlichen R(
Flügel
Rogimente
Bataillon
Caval-
lerie
Infan-
terie
o
o
S
u
CO
o
»3
Äuserster Avis
und
Communications Post
Kiritu: 1 Corp. 7 Mann von Thürheim.
Stulpikany: 1 Corp. 7 Mann von Thürl
Bukowicz: 2 Hussaren
Stupka: 2 Mann von Siskowits ....
Illisestie : 2 Hussarn
TTafna! 4 Hussam
st
n
255
girte Plan N® 1 erkläi-et, nur ein Fuß-Steig existeret, diese Distanz zu
einem Furthweeg zugerichtet und mit dieser arbeit im nächst künftigen
1^^ Monath april, sobald es nemlich die Wütterung verstattet, ohne Verzug
der Anfang gemachet werde.
Femers kann vor Gallicien die standhafte Zurichtung der Strasse
= zur Communication mit Hungarn durch das carpathische gebürg an denen
drejen Eingangen von Yeröczkö aus Hungai*n nach Skola in Gallicien,
von Wirowa aus Hungarn nach Scavne in Gallicien und von Bartfeld aus
Hongam nach Dukla in hiesiges königreich, als eine unumgängliche Noth-
wendigkeit in billige Betrachtung gezogen worden, anerwogen bej diesen
drejen Conmiunicationen mit Hungarn in friedenszeiten unter denen
hiednrch erleichtert werdenden und alle aufmerksamkeit verdienenden
Gegenstanden begriffen: die Zufuhr des Weines als eine unausweichliche
Nothdurft für Gallicien, die zahlreiche Transports vor die daiinnen be-
rlr quartirte Siben Hungarischen Regimenter, femers jene an Artillerie
Munition und dergleichen mehr wie dann auch diese route aus Gallicien
durch Hungarn nach Wienn, und Triest um ein merkliches kürzer als
jene durch Ober Schlesien und Mähren ausfallen werde; noch vielmehr
— aber verdienet diese Communication zwischen Gallicien und Hungam
die Bücksicht auf die Eriegszeiten nachdeme die Communication nach
Ober Schlesien zu unterhalten und sicherzustellen allezeit sehi* villen
erheblichen Umständen unterliegen würde.
Übrigens verursachen diejenigen Trouppen, so aus Gallicien in
^ dem neu' enclavirten Moldauischen Bezirk vermöge anfindiger Cordons
^ , und Dislocations Tabelle Litt. B. bereits eingerücket sind, und wirklich
auch vor die zukünftige daselbst zu verbleiben haben, bey der ehehin
•angetragenen Dislocation in Gallicien und Lodomerien einige Abänderung
wie die zu diesem Ende abgefasten hierneben ebenfalls sub Litt. C.
-gdiorsamst angebogenen Dislocations Nota ausweiset, wodurch zugleich
das S** Majestät des Eaysers Allerhöchsten Nahmen führenden Chevaux-
fegers Begiment aus dem Gebürge in die Ebene zur würthschaftlicheren
'Terpflegung gezogen, so wie das Ferrarische Begiment aus ihrer deimalig
Oflfstreuten Dislocirung an der Gränze von dieser Entfernet wird und
urch der Desertion nicht mehr, wie vorhero ausgesezt verbleibet.
Lemberg den 14**" Dezember 1774.
Ellrichs^Hsen
G. F.
Amuerkungeii sur Commiin teatton der Holdauisobfln Irailu
mit Siebenbfiigen.
Orig. <R. d. R.-Kr.-H. 2»/!i ITTB.) Leniberg U. Deiember im
Die DiBtanz UDd Zeit ErfordeniQß voa CiernowitE an d«m Pniä-
Fliiß bis anf den Sieben börgi sehen Bui^-Pafi ist aus der Anli(?«aiifi
Strassen -Tabelle N" 1 ' ereichtlich, ans dem anderweithen ÄnschlBW ei^
N° 2 * aber die Eintbeiluog der diesfällig - mefarentbeils mlas^n HuxIt'
Stationen. Nach Bothaner Utu^be-route theilet sieb der Wee^ b«y im
Hnmori-Bach ober Monaster-Hnmori darch den Sireth Thal nach &m»-
witz und anderer Seithe auf Kapukodrnlnj, wovon dieser Baeh nur eist
Heile entfernet ist, etwas vorwärths desselben aber bricht ein aD^ni
Weeg Ober Ilie-Seste anf Suczawa heraus, welchen man von Hninori te
Suczawa in zwe; kleine Märchen zürBckle^n kann.
Die Distanz von Eapukodmluj, alwo sich das Thal g^en Bomi
in der Moldau Offnet, bis anf den ersten SiebenbSi^ischen Grftnita fositt
an dem Eosna-Bach oder Caseli-Todorkanij längst dem Wass«-, usd
ErQmmnngen bedn^^t 11 ordinari Meillen.
Der Communications Woeg in SiebenbOrgen wird von darinaci
Ober den fioi^-PaO vorgeschkigen, weil dieser viel praetieablec, and ir'
laage nach angemessen seyn solle, als jener Aber den Bodoa-PaB.
Der Fnhrwe^ gehet dermalen bis Poserit an dem EinfluB i<t
Putna-Baches in den Moldau-floQ, und ist vor alle Gattungen von FdIu-
werk practicable erforderet aber einige reparation die mit 50 Ärbeitben
in ungeßlhr 14 Tagen vollzc^en werden kan. Bis auf diesen Punct hu
der eigentlich Fuhrweeg ein End obwobien man noch ein StOck längä
dem Putna-Bach mit Bauern- Wägen einen sehlechten Weeg fahrei bo.
wo sodann der Fuß-weeg naeh dem Sub 'S' 3 anligenden Plan bis auT
den Bo^^ Paß fortgehet, dessen Beschaffenheit ans obangefibiln
Sti'assen-Tabeite zn ereeben ist, und wird von Foserit an bis an ili^ ^^
SiebenbOrgiscbe Gränze mit 300 hOebstens 300 Arbeithern io Zeit vi»
zween Monaten zu einem Fuhrweeg zugerichtet werden k&nuea.
Auf dieser Communications Strasse in hoben gebürge kan vor in-
malen das Unterkommen fOr marchirende Tronppen nur Compagiwwi'ill
angetragen werden, jedoch befindet sieb allenthalber — f*--:;
' Vide Seite 358. 259. ' Vide Seite 258 ,Coiuigiiatiai
257
mehreren ünterkommenii das dazu erfuiderliche Hob im überflübHigen
Torrathe in der JSÜta.
Was die Subsistente in diesem botien GebQrge betrifft, du ei-zeugon
iB die Innwobner kein eigenes Getreyd und bestehet der Yonath ibrcr all-
einigen BedOrfnns in dem sogenannten kuknitz, hingegeu ist an Hörn
and Scbaf Vieh, ingleichen an GoflQgel ein ÜberflnQ zu finden und an
Foarage etwas Heu nnd Gi-aserey vorhanden.
; Magazins und BackiJfen wflrden vorzt^ltch zu Kimpolong als in
der Hitte des GebOrges, dann zu Hnmori, wo sich der Communications
__t_ Weeg nacber Czemowitz und jener nach Suczawa theilet, angelcget
j^ werden können.
. ;. Die Cordons und regpcctive Dislocations Tabelle ' der in dem neu
■j SDclavirt moldauischen Bezirke dermalen verlegten Ti-ouppen ist bereits
. ij in dem Ersteren Aufsatz angeschlossen, nnd wird bey dieser nur noch
^ gvhoreamst zu bemerken befunden daO das Durlachische Garnisons Ba-
_.:-tailIon zwischen Hillnicz und Okopi dann das Carl Colloradische Garni-
Bons Battaillon In und bey Szalleschik jenseits des Dniestei' FtuDcs und
^. iwar Ersteres TorzQglich in der Absicht aogestaltig verleget seyn, um
^^-nm Station des Posten zu Prevorodek mittels der gegonOber aufgefühi'ten
ftt'^J Canons und der be; Händen habenden Schiffe, womittolst die
pannscbaft ei'forderticbenfalls Qbersezet werden kan, anzudienen, gleich
, . ^me auch übrigens die beede Battaiilous nach Umständen entweder noch'
. ii die Moldau, oder an der Fodollschen Gränze verwendet worden können.
- ■ Zur Sicherstellung der Haupt-Posten des Moldauischen Cordons
_ rv^d Erdvorschanzungen angetragen, womit aber der Anfang nicbt mehr
".. -^ diesem Jahre gemacht werden kontp, sondern solches bis auf das
'. .^ähejahr ausgesetzt verbleiben muB: Inzwischcu ist man beSiessen go-
, :JHeii, selbige mit Pallisaden, Schanschen Reithern und ein Schlag auf
\,.phack zu versehen und wird nur vor jetzt sub 'S' i von dem Posten
^Jy Preworodek am Dniester der Plan * gehorsamst bejverwahret.
Die» Gränze hat allerdings an diesem Orthe des Dniester FlnQes
eti-agen werden müssen, weilen solche eines Theils mit jener von
dolieo fast in die Linie trifft anderen Theils aber von da den Berg-
ken des Bukowiner Waldes fortziehet und da der Posten zu Prevo-
ek nnr l'/g Stund von Chotzim entfeiuet ist folglich am ersten einer
alte
herhc
, Fiti
(K. d, K.-Kr.-M. 23/*».)
ConsignBtion
derer Harcho-Stationen, welche vun Czcrnowitz bis nach SicboabQrgtB
bestimmet werden kannten : als:
von CzernowiU nach Kuczur
„ StircEe
„ Krainisesty
„ Parhani
„ Solonica
„ Honaeter Humori
n Wama
„ Posorita
„ Jakobeny
„ Doma Eantreny
^ alte Schantz bey Dornicaora Bach
^ Bui^ser ContnmaE
LXXV.
Strauen Tabelle von GBemovits nach Siebenbürgen.
259
Die Weg^e sind
1
Anmerkungen
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Soloniea. Bordestie bis Mon*-
^ ster Hnmori bereits an dieser
gebirgigen Communications-
Strasse gearbeithet, und solche
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zu aller Gattung fuhrwerk «u-
gerichtet.
dieser Weg geht S Mal durch
den MoldawaluB, welcher brei-
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nur 8 mahl dieses Wasser und
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ist allhier noch etwas tiefer
und bei Posorita 8 mahl.
▼on Jakobeny passiret man 18.
Jakobeny
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aber klein und etwas steinigt ist.
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Bistrite ftber einen bereits vor-
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handenen ffuten Steg und so-
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lich ist.
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Man passiret 8 mal obigen
Dorna fluB auf der Wiesen bey
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dieser alten Sohanx wäre ehe-
' mals ein Dorf und welches zum
Behuf der Unterkunft wieder
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angeleget werden kann.
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^ota. Wovon Warna bis an den Burg
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LXXVI.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 23/M 1775 ) Lemberg, den 14ten Dezember 1774.
Anmerkungen
zum Beweise, daß die Besorgung der Provincial Angelegenheiten in dem
neu enclavirten Moldauischen Bezirke gleich anderen derley Gränitzen
unter der Direction des Militaris zu belassen, dem allerhöchsten Dienste
260
nach der Laage de» Landes und den vorwaltenden Umstanden weith mehr
angemessen seyn, als solche durch die Civil Stelle verwalten zu lassen.
Die Moldauische, gleich anderen der Türkischen Bothmässigkeit unter-
woifenen Provinzen sind zu einem Militär gouvernement angewöhnet
und wie sehr die Innwohnern dieses enclaviiiien Moldauischen Bezirkes
bey dieser Gewohnheit zu verbleiben wünschen, bewähren die bereits von
denen Bojaren, und gemeinen Louthen ganz allgemein geäußerte Besorg-
nüsse und Widerwillen, daß selbige der Willkühr der Civil-Beamten über-
geben werden möchten, angesehen sie von Selbsten gar wohl einsehen,
daß sie dem gewöhnlichen Eigennütze und meist unbescheidenen Benehmen
dieser Civil Beamten um so mehr ausgesezet verbleiben müssen, als das
Landesgouvernemont allhier in Lemberg auf 30 und 40 Meilen weith
von den Ortschaften dieses Districts entfernet ist, folglich die Abhilfe in
ihren anbringen und Klagen und die Justiz überhaupts von langer band
anzuhoffen hätten, welches aber eine ganz andere Gestalt gewinnen würde,
wenn sie sich in Ein so andern Art dem in Loco zeitlich angostelten
Herrn generalen directe verwenden und anmelden könnten.
Es ist keinem Zweifel unterwoifen daß bey dieser lezteren Arth
die Landes Inwohnern weith mehrere Neigung und vertrauen zum Militari
überkommen auch zum Militar-Stand und dienste sich eher herbeylassen
würden, welches dann noch mehr andern nüzlichen folgen in einem der-
gleichen Gränitz Districte sowohl in Friedens, als Kriegszeiten nothwendig
hervorbringen muß.
Die vielfaltige Beyspille bestätigen, wie sehr ein unbescheidenes,
noch mehr aber ein eygennuziges Benehmen der Beamten die Emigi*ation
der Insaßen veimehre, anstatt, daß im Gegentheil ein gelindes und denen
Umstanden angemessenes Betragen sothane Emigration und villmehr in
das Land hereinzubringen pfleget.
In einer Gränitz Provinz wie dieser Moldauische Winkel ist, will
besonders zu Militär Absichten für das Beste des allerhöchsten Dienstes
unumgänglich erforderlich seyn, daß den Landes Inwohnern ein etwas
mehr, als erträgliche Contribution auferleget werde, welche Rücksicht
aber bey einer Civil-Verwaltung sehi* selten statt findet, da derselben
vorzügliches Augenmerk meistens nur auf die haare Geld Einnahme
gerichtet ist.
Die Defensiou der Gränze erfordert über dieß, daß die Abholzungen
der Waldungen nach der Militär Absichten bewerkstelliget werden könne.
Zu den nöthigen Comronnicationen der Qnartiers-Stationen, Wacht-
posten, besonders aber zur Gommunication mit Siebenbürgen sind die
Zurichtung der Strassen, die Brücken über die zerschiedene Flüsse und
261
Gewässer besonders in den Thälern des hohen Gebürges, wo selbige zum
öfteren zu passiren kommen, nnd die Unterhaltung dieser Strassen und
Brücken stättshin unausweichlich Etablissements zur vollen Zucht, die
Einrichtung der Bequartiinings Arth für die Trouppen, so zugleich der
Defension der Granze und des Landes angemessen ist, mithin weder dem
Landmann zu beschwärlich fallet, noch bey Errichtung einer Granitz
Militz einige Hindernüß im Weege leget, die Vei-pflegung der Trouppen
zu mehrerer Wirtschaft aerarij nnd weß dergleichen mehrere Gegenstände
SU seiner Zeit annoch vorkommen mögen, sind bey einer Provincial-Ver-
waltong durch die Civil Beamte nicht nur stätshin Anstößigkeiten, Un-
thnnlichkeiten, Verzögerungen und zum Nachtheil des Dienstes gerei-
chenden Versäumnissen ansgesezet, sondern es lehret auch die Erfahrung,
wie sehr dieser Satz in der Würklichkeit gegründet seye.
Endlichen unterfange ich mich, ganz gehorsamst vorzustellen, wie
PS seiner Zeit allerdings sehr nüzlich und bedeutende folgen für den
allerhöchsten Dienst hervorbringen würde, wenn die aus dem moldauischen
Winkel zu ziehende, bishero ohnedies allen ärarischen Gassen unbekante
und folglich auch unmerksame Einkünfte als ein Extra fundum für die in
Gallicien angetragene 10 leichte Cavallerie Regimenter, um selbe auf den
Kriegsfuß zu sezen und stätts dabey zu erhalten zu bestimmen und ver- *
wenden zu lassen allergnädigst verwilliget werden solte.
Lemberg den 14**° Dezember 1774.
Ellrichshausen
G. F. Z.
Lxxvn.
Baroo an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 62/1 1775.) Czeraowitz den löton Xbris 1774.
Euer Excellenz habe die Gnad unterthänigst gehorsamst einzu-
berichten, daß nachdeme sich die Bussische Armee schon völlig in Marche
gesezet hat, und die Regimenter aus Jassy den 11*®° dieses aufzubrechen
beordert worden sind, auch der Herr Feld Mai-schall Graf Bomanzoff
diesen Tag von dannen nach Mohilow abzugehen sich vorgenohmen hat,
^ hab Ich mich auch um aus dem gedräng zu kommen, Tags vorhero
als den lO*®'^ dieses von Jassy wegbegeben und einsweillen in den neuen
Cordon hieher nach Czemowitz gezogen um allda Euer Excellenz weitere
^ige^ Befehle unterthänigst einzuwartten.
Nach meinem Abgehen von Jassy haben die dasigen Regimenter
wieder ordre zum halt bekommen, wegen der üblen Witterung und der
l
262
an vielen Orten durch das Eiß weggerissenen Brücken. Bis solche wieder
zurecht gerichtet seye, und damit die Begimenter eines von dem andern
wehrenden Marche nicht aufgehalten werden, Es därfte also wohl auch
der Herr Feld Marschall Graf Bomanzoff um ein paar Tage sp&tter in
Mohilow eintreffen, Ich hahe mich von demselben noch gar nicht beur-
laubet, sondern Mir ausgebetten in besagten Mohilow nochmahlen per-
sönlich aufzuwarten. — Wie bald Ich demnach die Mir von Euer Excelleni
unterthänigst ausgebettene weitere gnädige verhaltungsbefehle erlange,
werde versprochener massen dem Hen*n Feld Marschall Grafen von Bo-
manzoff in Mohilow meine Persönliche Aufwartung abstatten, mich von
selben beurlauben und sonach mich dahin verfügen, wohin mich Euer
Excellenz gnädige Befehle weitera berufen werden.
Ansonsten hab Ich noch vor meinem Aufbruch aus Jassy verschie-
dene Siebenbflrgische Emigranten die sich ihrer Bflckkehr halber bey mir
gemeldet haben, Paßporter zurückgelassen und zugleich den Moldauer
Herrn Fürsten Giga angegangen, an die Landtes-Stellen die Befehle er-
gehen lassen zu wollen, auf daß diese Leuthe, welche Theils aus Mangel
des Viehes, Theils wegen der Unsicherheit auf denen Strassen bey gegen-
wärtigen Ausmarche der Bussischen Armee sich noch eine Zeit lang hier
im Landt aufzuhalten bemüssiget sind, zur Zeit wann solche zurückkehren
keiner Orten aufgehalten werden mögen. Bey eben dieser Gelegenheit
hab Ich in der Besagten Fürsten seine Kanzley in einem Schreiben ent-
decket, daß die Türken, gegen die von uns beschehene occupirung eines
Theiles von der Moldau den Kopf neigen, und diesen Fürgang dem Publice
mit verschiedenen Fai'ben abmahlen; Schlüsslichen ftge deme hier noch
unterthänigst bey, wie daß Ich eine General Karte überkommen hab, die
sehr exact ist, welche enthaltet, einen Theil von Pohlen, ganz Moldau,
Besserabien, die Walachey bis an den Alt Fluß, und Jennseits der Donau
von Bulgarien soweit die Bussen daselbst ihre Operationen gefühi't haben,
diese Karten werde nun suchen hier aus dem Bussischen in das Deutsche
übersetzen zu lassen und sonach Euer Excellenz zui* hohen Einsicht
unterthänigst einzureichen.
Czernowitz den 15**" Xber 1774.
V. Br. Barco
i . M. L.
263
Lxxvm.
Baroo an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 13/227.) Cserkow den 19t«n Jänner 1775.
Euer Excellenz habe die Gnad audorch nnterthänigst gehorsamst
zu berichten, daß nachdeme der Hen* Feld Marschall Graf von Eomanzoff
seine Abreiße aus der Moldau bis nach beschehenen yöUigen Ausmarsche
der Armee verzögeret hat; Ich mich dann auch in so lang auf der Granze
ohnweit Csemowitz zu Satagura in der Absicht aufgehalten hab, daß
wann allenfalls wehrenden Marsche der russischen Trouppen einige An-
st^sigkeiten vorkommen sollten (wie wohlen sich im geringsten keine
geäusseret haben) solche sogleich beylegen zu können. Von wannen
nachhero wie Ich des Herrn Feld Marschall sein Aufbruch aus der Moldau
nacher Mohilow vernehmen, auch dahin abgegangen bin, allwo Ich den
12. d. eingetroffen und den 14^*^ darauf auch der Herr Feld Marschall
Graf Bomanzoff dahin eingelanget ist, bey welchem Mich zwey Tag über
aufgehalten, so nach von solchen gänzlich beurlaubet und den 16^^^ d.
von dannen meine Beyse wieder weiters nacher Lemberg fortgesetzet hab,
allwo Ich den 25**° d. sicher eintreffen werde. Bey gegenwärttiger Ge-
legenheit sagte gedachter Herr Feldt Marschall unter andern zu Mir Er
hat vernehmen, daß sein Hof hätte haben wollen, daß der unsrige die
ganze Moldau occupiren solte und fragte Mich zugleich, ob mir hierwegen
was bekannt seye, worauf Ich geantwortet, dass mir davon nichts wis-
send seye.
Ansonsten habe Ich zu Mohilow vernehmen, daß sich zu Bubno
wieder eine neue Conföderation anspünnet und daß die 2 Yestungen
Bendern und Chotin nicht eher an die Türken wieder zurückgegeben
werden, als bis daß die Yestung Kinborn in der Krim geräumet seyn
wird, welche Bäumung hingegen anjetzo gleich nicht geschehen könne,
weil aus besagter Yöstung die Besatzung mit ihren Famillien bey gegen-
wärtiger harten Winterszeit abzuziehen nicht im Stande seyn, bis wohin
also auch noch die Bussen Bendern und Chotin besezt halten und so
wird auch die Armee aus Fohlen unter 4. Monaten nicht ausmarchiren.
Wonebst Euer Excellenz unterm 31^° Dezember an Mich gnädig
erlassenen Befehl Schreiben, nnterthänigst gehorsamst bestättige zu ge-
borsamster Folge dessen nicht ermanglen werde, die erwehnte Karten,
welche eben anjetzo noch in der Übersetzung ist gleich nach dessen Ver-
fertigong nnterthänigst einzusenden; Belangend diejenige Siebenbür-
gischen Emigranten, welche sich ihrer Bückkehr halber bey mir gemeldet
264
und denen Ich zu dem Ende passpoi*te eriheilet hab, haben sich die
meisten entschlossen in den neu occupirten Antheil von der Moldan
zurück zu gehen wovon dem hiesigen hohen General-Commando dio An-
zeige gemacht, und von dannen hierwegen das nöthige vorgekehret
worden ist.
Cserkow den 19^" Jänner 1775.
Vincenty Baron v. Barco
F. M. L.
LXXIX.
Ellrichshausen an Hadik.
Orig. (R.d.R.-Kr.-M. 62/J.) Lemberg den 26ten jxnn. 1775.
Mittelst Euer Excelienz gnädigen Zuschrift vom 10^° abeilenden
Monats geruheten Hochdieselbe mir unter anderen zu vernehmen zu
geben, was massen S® Majestät wegen der angetragenen Communications-
Eröfnung mit Siebenbürgen annoch detaillirtere Ausweisen anverlanget
haben, welche Euer Excellenz zukommen zu machen seyen, allermassen
Allerhöchst gedacht S® Majestät nach genohmenen Local- Augenschein so-
thane Communication nicht so leichte solid herzustellen erachten.
Um mich nun hierunter pflichtschuldigst zu äußern, solle ich hie-
mit in Verfolg meines letzthinnigen Berichts vom 14*®° Xbris abbin ge-
horsamst bemerken, daß ich damahls, wie ich in kurz gedachtem Monat
den Moldauisch enclaviiiien Bezirk bereiset hatte die Zurichtung der Com-
munications Strasse von der 7 bürgischen Qrenze bis nach Kloster Humori
des vorgefundenen häufigen Schnees halber nicht so genau untersuchen,
sondern nur so vieles beurtheilen können, daß einen großen Theil der
Passage über daselbstige Gewässer durch die Eingrabung eines Fuhr-
weges in die Berge ausgewichen, und andurch die Anzahl deren niedri-
gen zu erbauenden Brücken verminderet, so mit auch die Beysorge des
zum öfteren sich ereignenden Verderbs, oder Einsturzes dieser letzteren
aus dem Weege geräumet werden könnte. Ueber den Suczawa Fluß hat
zwar der Herr Obristw. Mieg die Brücke bey Borhaucz angetragen nach
meiner letzt genohmenen Einsicht aber würde solche bei Berliszen mit
einem zweyfach größeren Vortheile errichtet, allermassen andurch die
Route um zwey Meilen von der Grenze weiters entfernet und folglich in
mehreren Sicherheit gesezet wird, welches allhier von darumen gehorsamst
265
anzofOliren ünde, weilen es anduich in den nnterm 14^*° elapsi 8ub-
missest eingesendeten Marche-Stationen, und Strassen-Tabelle in so weit
eine Abänderung gewinnet.
Auf dieser Siebenbürgischen Communications-Strasse ergeben sich
iwey Haupt-Punkten, die gleichsam die Thüre zu dereelben Ein- und
Ausgang vorstellet, nemlich der eine am Fuß des Humori Berges Morti-
ollo^ gura ti'umoli genannt so zwischen Monaster Humori und Pordieste
liget, der andere hingegen bey dem Humori Strassen Wiithhaus am Mol-
dawa Fluß ungefähr eine halbe Stund yon Monaster Humori entfernet,
wo die Strasse von Wama hero nach Eapokodruli in das Thal von Boman
sich ziehet.
Bey diesen beeden Haupt-Punkten werden meines unmaßgebigsten
Dafürhaltens nach Solide Forts und Bedeuten erforderet, die allen An-
fallen wiederstehen, und wegen ihi'er vortheilhaften Laage auch auf solche
Art zugerichtet werden, das Soutien und die Aushielf an Trouppen aber
von der Tbürgischen Seite her zu allen Zeiten unbehindert erhalten
kOnnen.
Sollte über dieses Allerh(k^h8ten Orts annoch ein mehreres detail in
Ansehung der Communications-ErCfnung mit 7bürgen anverlanget wer-
den, so erbitte ich mir von Euer Excellenz den gnädigen Finger-Zeig,
worinnen solches eigentlich zu bestehen und auf welche bestimmte Gegen-
stände es sich zu erstrecken hätte, wobey jedoch auf dem letzteren Falle
vorläufig nicht verhalten kann, daß in so lange nicht das Eis gebrochen
and die Witterung leidentlicher werden dörfte, in Sachen eine standhafte
Untersuchung anzustellen^ und den genauen Augenschein zu nehmen
nicht wohl thunlich seyn werde.
Bei dieser Gelegenheit erlauben Euer Excellenz die wesentlichen
Vortheile, so mittelst dieser Gommunication ei-zillet werden können, etwas
näher, als in meinem letzteren beschehen, bei*ühren zu dörfen, es bestehen
solche vorzüglich darinnen daß
l»o zu allen Zeiten die Trouppen aus 7bürgen gezohen, in die
Thäler von Boman, Suczawa, und Sireth, wo ein ei*giebiger Yon'ath an
Bauch- und grüner Füttei*ung sich vorfindet, verleget, und alle Bispo-
sitiones zu denen vorzunehmenden Operationen angekehret werden kön-
nen, ohne daß der Gegentheil das mindeste davon zu entdecken veimag.
In jener Communications-Strecke von Tbürgischen Grenze bis an den
Hnmori Pass können Magazine mit aller Sicherheit angeleget werden.
Wenn alsdann zu einem offensiven Krieg gegen die ottomanische Pforte
I -SB Monticello gara dromnlui.
Arekir. LXIVUI. Bd. I. H&lft«. 18
266
in dem enclavirten Moldauischen Bezirk ein Corps d'arm^e formiret wird,
so mnO dieselbe ihre Macht, die sie in verwichenen Kriegen jedesmahl in
Toller Maaß gegen Hnngarn, nnd dem Temeswarer Banat alleinig ange-
wendet hatte, zertheilen, um die Wallachey zu schützen, nnd bey weiteren
Vordringen der diesseitigen Trouppen an die Donau wird dieser Feind ge-
nötiget, sich Yon den Hungarischen Grenzen zu entfernen, und um seinen
Bücken, und die Ck)mmnnication mit seinen Ländern sicher zu stellen
sich nach Widdin und Silistria zurückzuziehen, hiedurch aber den diessei-
tigen Unternehmungen auf der Seite von Belgrad nnd Bosnien freye Hand
zu lassen. Solte es sich ergeben, daß der diesseitige Allerhöchste Hof mit
dem Bussischen gemeinschaftlich gegen die Pforte zu Werke gienge, so kann
2^^ diese Tbürgische Communication vieles beytragen, dass sich die
türkischen Truppen ohne bey einer ernstlichen Erwartung sich zu yer-
weillen, aus der Wallachey über die Donau sich zurückziehen, und andurch
die Festungen diesseits dieses Flußes ihrem Schicksaal überlassen müssen.
3*** Wenn bey einem Defensiv-Krieg mit dem Türken die dies-
seitige Truppen aus der Moldau zurück nach Glallicien gedrücket würde,
kann der Feind dennoch niemahls mit Würksamkeit in Pokutien Tor-
dringen wo derselbe nicht ehevor der Tbürgischen (Kommunikation halben
seinen Bücken, und sein eigenes Land sicher gestellet hat.
4^ Hat ein Corps d^arm^e in der Moldau noch diesen wesentlichen
Yortheil, daß es hinlängliche Subsistenz findet, nemlich die Bauh und
grüne Fourage in der Moldau und Wallachey, wovon die Bussisch-Eaiser-
liche Arm^e im erst abgewichenen Krieg den vollen Beweis gegeben hat.
Das Getreid aus Galicien und Pohlen, ingleichen aus 7bürgen, dann das
Schlacht-Vieh und Schaafe im Überfluß so, wie den Wallachisch- nnd
7bürger Wein. In betracht der reichlichen grünen Fütterung kann die
Ochsen Bespannung zu Fuhrweesen, die Moldauische und Wallachische
Gebürgspferde zu Fortbringung der Zelter statt der Manlthiere ge-
brauchet werden, wobey die Zufuhr auf den Dniester und Pruthfluß an-
noch zustatten kommet, womach mithin der Aufwand zum Unterhalt
einer Arm^e in dieser Gegend um ein merkliches geringer, als in anderen
Ländern sich erweisen wird. Wenn
5^ bey einem Ki*ieg gegen die Bussen diese letztere gegen die
k. k. Erblande vorzuschreitten im Stande wären, müßen sie zuvor ihre
Depots in Pohlen in Sicherheit wissen, woferne sie solche durch die Com-
munication aus Tbürgen keiner Gefahr aussetzen weiten, und dafeme
6**» bey einem Krieg gegen den König von Preussen dieser wieder
vermuthen Mittel finden solte in Gallicien die Oberhand zu gewinnen,
nnd dabey von dem Gebürg Passagen aus Hungam oder Tbürgen Meister
267
zu seyD, so kann derselbe doch niemahls den Einmarche der diesseitigen
Truppen dordi die 7bürgischen Communikation nach Pokutien ver-
hindern, bevor ab mann selbige durch die Befestigung Snyatin daselbst
einen oppny finden, um falls auch der König von Prenssen in Kriegs-
zeiten die Oberhand in Pohlen erlanget hätte, kann derselbe wegen der
Tbflrgischen Communication seine Rimonten aus der Moldau und dem
Bepublikanischen Kiover Palatinat niemahls mit Sicherheit an sich brin-
gen. Endlicher werden
7"^^ die Yortheile so sich durch die TbQrgische Communication dar-
biethen bey den beeden Fürsten in der Moldau und Wallachey eine Beweg-
ürsache mehr ausmachen sich viefeher um die k. k. Protection zu be-
werben als sich der Gefahr auszusetzen von dieser Seite Ihnen ihre Ab-
neigung zu allen Zeiten empfinden zu machen. . . .
Lemberg den 26*«" Jänner 1775. r^,, . , ,
EUrichshausen
G. F. Z. M.
LXXX.
Anmerkungen bu denen Versohantsungen. ^
Orig. (K. A.« d. B.-Kr.-M.) Ciseraowitz, den Sten Febr. 1775.
N® 1. Prevorodeck hat zur Absicht die Versicherung dieses postens,
gegen einen insult der benachbarten Chotymer garnison; dieses ändert
sich aber dermahlen nach denen auf aller Höchsten Befehl in den Cordon
eingeschloßenen dominirenden Anhöhen ab, und wird daselbst eine solide
Verschantzung, wohin die natur eine sehr vortheilhafte laage aubiethet,
vonnöthen seyn.
N® 2. bojana Samlina, ein avisposten von bojana blesj, zum pa-
trouilliren gegen Bohatin, und observirung des abgegebenen Mühlen-
weegs am Niester.
N® 3. Bojana blesj zu Sperrung der Chotymer Landstraßen, an
einen orth, wo sich schon fast alle dorf und waldweeg concentriret haben.
N^ 4. Dial mare beresova, Ein Hauptposten, sowohl zu Sperrung
eines Grofien wiewohl schlechten weegs nach Dersavenetz, als auch zur
einsieht in jennseitige Gräntzen wozu dieser posten eine sehr schöne
laage hat, da er aber etwas weith avanturiret, so ist noch dieser weeg an
dem steilen poru Herezuluj verhauen worden.
N^ 5. Harlusza ein avisposten von Fontina saukj, zu observirung
eines schlechten Fußsteiges nach Dersavenetz, welcher unten verhauen ist.
* Tide die PUne.
' K. A. — Karten- Archiv. Btikowlna Landeskunde. Kasten 12. EnveloppeVIa.
18*
1
268
N* 6. Fontoa sukj, zu Sperma dtm Gni» mad mhr beqiiem«i .
weegs, welch«- tob Dobnoots d<*n Bukowina wiU tnTerain< nd skk
in viele jennsettigie Dörfer aasbratliet.
N® 7, Cxenuokj ein STispoetPn, vor 4lie in Cier&uks beqnartirte
Compagnie, selbigen »o Tiel Zeit Gewinn, Z« nucben sidi fomiren n
können, und die rfickwirtsliegende Yerfa« xa beaetiem.
N* 8. BojanA Koeotnuu ein Haubtposten xn spermng eines 6fo6en,
und verschiedener Kleiner Waidwe«ge, welche von Sadagnn diesen theil
des Bukowina wmlds traversiren, und alüiier vereinigt sind.
K* 9. Stanahora Ein Hanb-avisposten, welche von Snjatin auf
Chotjm und Jassj gehet.
K* 10. Verschan txnng von Zocxka xu Yernchemng d««n quar-
tieren, und Sperrung obiger Landstraßen, wo ra besonders der mahlen
dieser platz wegen nähe deren habitationen fftrgewihlet, und indefien die
2 redonten förmlich verfertiget, die öbrige linien und redans aber eine in
einen ausgeworfenen graben bestehen, indenen zu einer besonders soliden
Yerschantznng etwas weithers vorwärts eine vortheilhafie laage vor-
findig ist.
Das Dorf Zucika ist wegen seinen sehr conpiri und Morastigen
boden, schon fast natüiüch gegen einen Einbruch gesichert, dahero aoch,
es mit einem Verhau noch beOer zu verwahren, bifi auf weitheren Fall
der Nothwendigkeit aufgeschoben worden, der Stana hora graben, der
theilß hohe Ufer hat, theilß sehr morastig ist, ist auch durch äb^bnng
der weeg und Verhau noch mehr versichert worden.
N® 11. Czemowitxer Schantze, Ein alarm Platz, vor den in Czer-
nowitz bequartirte Trouppe, da dieses orth Selbsten wegen seiner zer-
streuten, und unvortheilhaften laage keiner Verschantzung fähig. Dieser
punct kann auch dienen eine weithers oberhalb geschlagene Communi-
cations Brücken über den Pruth Fluß, alß ein in dem Klokutzka Thal an-
zulegendes Magazin and Beckerey zu decken, und kan diese Verschantzung
nach Maas aller dieser umstanden, und der nach obigen orth bestimmten
gamison rückwärts mit pallisaden, oder Erdwerk gesdiloßen und in an-
sehung des beträchtlich steilen berges sehr gut versichert werden.
N^ 12. Mamornitze ein avis posten, auf der Landstraße nach Jassy
um diese straße gegen leichte Streif ereyen zu dedcen.
N® 13. Lukawetz ein avis posten auf dem ziemlich Großen und ge-
triebenen weeg welcher von Buda kommt, deßen man sich auch bedienen
kann, wann man aus dem Sireth thal den Kutsurer wald ausweichen will.
N® 14. Treholuj Schantze, dieses wäre eine sehr alte ruinii-te
Schantze, welche dermahlen nur verbeßert worden, und wohin die von
j
269
Jassj iLommende Landssii'aße, und alle jennseitige dorfweege eingeleithet
werden können, wann man die übrige über den mit hohen jQfern verse-
henen und morastigen Treholujbach unbi*auchbar machen will.
N® 15. Sirether Bedouten zu Sperrung des Sirets thals gegen eine
incursion.
N^ 16. Boduszener schantze ein avis posten, an der Landstraße
von Jassj.
N^ 17. Berhauczer linie zu Sperrung des Suczava ThalO gegen eine
incursion.
N<* 18. Yerschantzung und Verhau in dem Humori Thal, zu Ver-
sicherung der communication mit Siebenbürgen, und Sperrung des Großen
Landtweegs, welcher sich von Eoman in dieses thal ziehet, dahero dann
auch dieses thal alß ein Haubt Gegenstandt, ein besonderes augenmerk,
und eine recht sehr solide Bevestigung, welche in dieser rauhen winters
Zeit, noch nicht die nöthige Vollkomenheit hat erlangen können verdienet.
N® 19. Bistritza Verhau hat die Absicht dieses Thal zu sperren,
weldies zwar nur durch den engen, und felßigten Grund einen schröck-
baren Fußsteig hat, der sich aber vermittelst dieses Thalß über Piatra
bis in die Moldauische Ebene ziehet, um also vollkommen diese communi-
cation zu versichern.
Außer diesem ist von S' Excellenz dem Commandirenden Herrn
Generalen an dem Fuß des Humorj bergs, ein vortheilhafter punct, auf
dem Monticello gura Trumuluj, zu einer Verschantzung und deckung
dieses debouchöes fürgewählet worden. Wie dann auch ferners der berg
von Grenisestj mir ein Vortref lieber punct zu einer Haubt Verschantzung
scheinet, sowohl die communication von Siebenbürgen die bey Berliszen
projectirte Suezaver brücken, alß auch den offenen Landesstrich zwischen
Suczava und Sireth fluß zu decken.
Czernowitz den 3*®° Febr. 1775.
Mieg
Obristwachtmeister vom General Staab.
LXXXI.
Kaunitz an den Hof kriegs-Bath.
Orig. (R. d. R.-Kr..M. 41/27.) Wien den 6t«n Februar 1775.
Nota.
Den anhero mitzutheilen beliebten original Bericht des Sieben-
böigischen General Gommando stellt man einem Löblichen kaiser-
270
». iii 4er k. k. Hof
iKiGZ5^«s Irrong«« laf ene wM« «ai iiiitifte Art
Um iiftiküvft MS» Uöikk» bTscfikbem SKä k«a^^
Sjtks Ti.lx.aoKa T«r9taai«ft. ond fi^ bv Bock des ÜBsUad Wj, di0
4cr Ftm ^ Wal!acfa*7 S'ick imma^ fortfiüff« ««««• Bttedicfe ab tker-
imgcttJ^ B*»^*» T'-a 9^tn>r vakres I>eT<.Hi«>B xb g^kea. tob 4tem Vbttitm
m 4cr MÄiiB aSn^ ü<» Eri^kkternBf odn- EnckvoBB^ der nt der Pforte
aBf»«t^6>-3-*-B B^-TüL^r R^^taadluBg ib vi^lf^B SlöckeB akkasg« BBd da-
her» fcr 4**b AIl^r!iv<h«v& Di^^-Bst <«lir er^n^ffiek si^j, dea&elbeB aik bot
immfiT th?nl:<iw' B&tk«i*:ü: zni AchtBBg zu bexeogMU vekkes bc90Bd«fs
dem in d^m Bokowin^^r District befiadlkk^^B Militari BJtkdiBtksaattt aB-
ZG^rapMikB wai>>.
WieB kn 6"* F*^>niar 1775.
KaBBitz fiittberg.
LXXXII
Faiiwr Joseph II. bb Hadik.
Eifc&ii. /R. d. R-Kr.-M. 9^ €9.) Win dn 6tt> Horan^ 177ä.
Liefier Feld Marschall Hadik.
Da das so stark aBgewarhseae GaniisoBS BcgiiBeBt xb Tcaesvar
eiaige Abiademag zu erfordera flcketae^ oad der aese Bakowiaer Besirk
ia Bokotiea eiae Art tob Tmppea erheisdiea wird, wekbe mittelst Hai-
toag der Sanitäts Postea, ia d^^ai Dieaste aicht so wie aadere geibt wer-
dea kdaaea, so habea sie Mir eiaea Yorsdilag samt des Hof kriegs Batks
Meianag herauf zn gebea, ob oad wie aus dem aajelao ia Teaiiswar Tor-
baadeaea gnaraisoBS Begiaieate, deaea ia Haagara oad Sdaroaiea da-
tob zerstodteh rerlegtea G>mpagaiea sammt deaea ia Pküipsbcrg oad
dem, Back deaen Ken zote^eadea Maoth Aastahea rieDeickt aafrabebea
Bi(Kglifbeii Desertioas CorJ*>n ia B$faBiea oad Mikrea; wie also aas aOea
271
diesen, zwey guarnisons Regimenter errichtet, mit officiren versehen, und
eines davon ganz mit 18 Compagnien nacher Gallizien in die Bukowina
verleget, das andere ganz in Temisvar verblibe, nur wäre zu bemerken,
daß dasjenige Regiment, so in die Moldau zu stehen kommete, mit lauter
gedienten Leuten besezet, zu dem aber, so in Temisvar verblibe, alle
jnnge Leute und Recruten zugetheilet würden, wie dieses zu bewerk-
stelligen seyn wird, und ob sie es räthlich halten, wird mir der Hof-
kriegs Rath seine ausführliche Meinung heraufgeben.
Wien 6*«° Homung 1776.
Joseph Corr.
Lxxxm.
Kaiser Joseph II. an den Hof kriegsrath.
Eigenh. (R. d. R.-Kr.-M. 79/».) Wien den 8t«n Febr. 1776.
Da bekanntlich der Bukowiner Districkt Unserer Seits besetzet
worden; so ist nothwendig, daß die erforderliche Sanitäts anstalten vor-
werts Kutty und Pokutien eingeleitet, und der Moldauische Cordon sowohl,
als Pokutien von Sanitätswidrigen Prävaricationen sichergestellt werde.
Ich habe zur Erreichung dieser heilsamen Absicht, dem Gallizischen
Gubemio bereits durch die Kanzley Meine Befehle ertheilen, und demsel-
ben mitgeben lassen, daß selbes inzwischen hierinnfalls alles veranlassen
solle, was von dem General Commando begehret werden wird damit je-
doch dieses Letztere in dieser Angelegenheit mit der erforderlichen
Behutsamkeit fürgehen möge; so hat Hof kriegsrath demselben zur un-
verbrüchlichen Regel vorzuschreiben, daß noch dermalen, und bis auf
weiteren Befehl in dem gedachten enclavirten Bezirk nichts neues, als
was die äußerste und unvermeidliche Nothwendigkeit erfordert verordnet,
alles übrige in statu quo belassen und besonderes die Publicirung solcher
öffentlichen Patente, oder die Verfügung solcher Anordnungen vermieden
werden solle, welche die mit der Pforte, wegen des erwehnten besezten
Districkts vorhabende Unterhandlung erschweren, die dortige Unterthanen
mißmuthig machen, oder denen in den benachbarten Gegenden annoch
befindlichen Russischen Truppen zu Beschwerden Anlaß geben können.
Wien den 8**° Februar 1775.
Joseph Correg.
272
LXXXIV.
Bericht
des Stainschen Herrn Obristlieutenant v. Weinbergen ddto Balamiitka
den 15*«" Februar 1775.
(R.d.R.-Kr..M. 62/9.)
Des erhaltenen Befehls zufolge bin ich den 14^° nacher Chotym
abgegangen, woselbst der Herr Brigadier und Gommandant v. Beutling
übel auf ist. Herr Obrist Baron v. Rothkirch vormahls gewesener CJom-
mandant zu Jassy, hat das Interims Commando der Festung unter
anderen fienge der Obrist selbst an, mii* zu sagen ; nun werden Sie bald
ihre neue Nachbahm in Chotym haben, Sie haben das ansuchen schon
gemacht, um die Festung zu übernehmen, Sie wären auch gerad hieher
marschiret, wenn wir Sie nicht in Stefaniste hätten halten machen (Ste-
faniste ist 8 Meilen von Chotym entlegen) die abgeordnete aber haben
wir nebst einem Courier nacher Mohilow an den Feld Marschal grafen
V. Romanzow abgeschicket, welche morgen, oder doch gewiß übermorgen
retourniren müssen ; worauf ich ihm ei^wiederte, daß uns die Ankunft der
neuen Herrn Nachbahm ganz gut wissend wäre, die Herren Bussen
müsten ihnen in dem letzten Krieg gewaltigen abbruch zugefüget haben, da
Sie ihre Festungen so schwach besetzten. Ja wohl, sagte der Oberste, Sie
kommen nur mit 8 oiiias, wovon eine auf 200 oder 250 Mann geschätzet
wird. Glauben Sie es nicht erwiederte ich, die oiiias bestehen nicht aus
250 Mann; Ich glaube selbst, sagte der Obrist, Es kann seyn, daß Sie
sich nicht auf 200 Mann belauffen, man gab Sie uns aber so stark an.
Unsere Rede wurde unterbrochen da der als Geißel aufbehaltender
Bassa von 2 Roßschweifen mit einem Gefolge von 8 Türken in das Zim-
mer tratt. Er fragte sogleich die vice Commandanten in Bosniakischer
Sprache, ob ich kayserlicher wäi*e? Ja, erwiederte der oberste, ich ließe
nur nichts merken, daß ich Bosniakisch verstünde, um zu hören, was der
Türkh sagen, und der Obrist dollmetschen würde. Der Bassa sagte zu
mii-: wii- sind uralte iVeunde; ich ließe durch den Obersten erwiederen:
gewiß und rechtschaffene freundte. allein, sagte Er das ist nicht freund-
schaftlich, daß Sie diesen Theil der Moldau besetzen. Ein jeder nihmt das
Seinige, wäre meine antwoii; und dieses kann die alte Freundschaft nicht
brechen. Die Rede wurde allgemein, die anwesende Rußische Officiere
sagten mir, daß Sie schon ihre mehreste Bagage über den Dniester nach
Praga geschaft, wo auch der Brigadier v. Beutling sein quartier neh-
men wird.
273
Ich sähe selbsien beym hineinfabreu Eine Menge Vorspanns wägen,
die bey ihrem Lazareth aufgeladen ich sähe auch viele Bagages den
Dniester passiren auch ist schon das übrige Pulver und Bley nach Ka-
minicz verkauft und dahin transportirt. wie ich da nichts mehr zu einfah-
ren glaubte beurlaubte ich mich bey allen anwesenden, der Bassa fragte
mich; ob die alte Eayserin noch lebte? ganz gewüß, und recht gesund
sagte ich, 0 ! so lang diese lebet, haben wir keinen Erleg mit Euch, sagte
der Bassa; allein ihrem Sohn ist nicht viel zutrauen.
Jenes vom Sohn hatte mir der Obrist nicht verdoUmetschet, da ich
aber gern darauf antworten wolte, so sagte ich; wenn ich mich nicht be-
trüge, so hat Er ja vom Sohn auch etwas gesagt, ja ja! wäre des Obristens
antwort. Ich antwortete so dann dem Bassa: Der Sohn wäre eben so
gütig, ebenso großmüthig und friedfertig, als seine Mutter, wovon der
Bassa recht zu^ieden, und vergnügt zu seyn schiene.
Mittelst der Aussage Einiger Griechen, besonders aber eines Preus-
sischen Officiers so auf Remontirung in der Moldau stehet, und seine
Commandirte in der Gegendt von Stefaniste stehen hat; sind die 8 ortas
oder abtheilungen sehr Schwach, man schätzet gar nur eine auf
25 — 30 Mann, der Preuß sagte, daß die ganze Türkische Trouppe so bey
Stefaniste stehet, nicht stärker, als 480 Mann wäre, welche 10 Canonen
bey sich führe.
Die flüchtende Bauern, wovon ich auch mit verschiedene gespro-
chen, machen sie zwar stärker, darauf ist aber nicht zu gehen, da diese
Leute, von der Furcht zu viel betäubt sind.
Wenn ich folglich alle Nachrichten, so ich eingeholet, der Wahr-
scheinlichkeit gemäß combiniren solte; So wird sich die in Stefaniste halt
machende Türkische Chocymer garnison über 500 Mann belaufen, und
wenn die dermahlen in Chotym sich befindliche gefangene Türken, wovon
zu 14 und 18 desertiren, weil nicht viel Obsorge mehr auf sie getragen
wird, auch zur Garnison geschlagen wurden, so kann sich alles und jedes
nicht über 650 Mann erstrecken. Da ich endlich auch wegen denen
etwann vor die Türken zu errichten kommenden Magazinen nachforschte,
am daraus etwas schlüßen zu können, so wurde ich sowohl vom Obristen
Botiikirch, als allen übrigen versichert, daß hiezu noch nicht die geringste
Veranstaltung gemacht wurde.
Ingleichen bestättigen auch alle Nachrichten, daß der gantze An-
zug der Türken nur aus Infanterie bestünde.
Es ist der Janitscharen Aga Nahmens Ifmai* Liaty so vor dem Krieg
in Chotym als Baschivus in Garnison gestanden, so mit dieser Trouppe,
k*nnmet, und die Festung übernehmen wiid; der Bassa von Chotym wii*d
i
i
274
allereitst im Majo erwartet; wie stark sein Grefolg, oder Bedeckung seyn
wird, ist noch nnwißend.
Palamutka den 15*«° Februar 1775.
V. Weinberger
ObrisUieuteiiaiit.
LXXXV.
Kaiser Joseph n. an Hadik.
Eigenh. (R. d. R- Kr.- M. 62/11) Wienn den 27t«n Hertas 1775.
Lieber Feld Marschall Graf Hadik! Sie werden an den General
Ellrichshausen alsobald den Auftrag ergehen lassen, daß derselbe Mir die
genaue Anzeige ehestens mache, welcher Theil des neu occupirten Mol-
dauer-Districts oder Buccowina genannt am leichtesten und mit dem
mindesten Nachtheil hindangegeben werden könnte, um dadurch fCir
den übrigen die freundschaftliche Einwilligung von der Pforten zu erhal-
ten, doch dergestalten, daß dadurch die Communication zwischen Sieben-
bürgen und Gallitzien nicht unterbrochen, oder gar zu sehr erschweret
würde, ja auch die Gränzen von Pokutien ohne hinlänglicher Versicherung
an dem Gebürg nicht gelassen würde. General Ellrichshausen mag dieses
allenfalls in einer eigens dazu verfertigenden kleinen Karten, so nur für
mich wäre und vor die sich ereignenden Umstände zu gebrauchen, Mir
ehestens vor Augen legen.
Joseph Corr.
LXXXVI.
Mieg an den Hofkriegsrath.
Orig. (R.d.R.-Kr.-M.62/l».) Lemberg den 10*«» AprU 1776.
Unterthänigster Vorschlag
desjenigen Gräntztheilß, welcher von den Bukowiner district, mit bey-
behaltung deren Haubt Absichten, vor das Allerhöchste Interesse (als der
Deckung deren Pokutzischen Gräntzen, und den zu errichtenden Sieben-
bürgischen comunication) ohne Nachtheil zui*ückgegeben werden könnte.
Mit folgender linie.
Vom Niester Fluß vorwärts des Dorfes Bohatin längst dem Bohatin
bach hinanf biß zu deßen Ursprung, von da auf dial mare beresovu, so-
dann auf dem oberen bergrücken fort biß zum Anfang des vorderen Huko-
baches, welcher zwischen Horlusza wießen und fontina sauki entspringet,
selbigen cotoyrend bis zu seinem Einfluß in den Pruthfluß, weithers an
275
dem rechten Ufer dieses Flußes heranterwäi-ts, bis wo der Molnitza bach
einMet, diesen sodann binanfwärts bis auf den Sireter bergrücken bey
Küliczenj in Tariatka bach, so ferners in den Molnitzagraben, längß biß
zu dessen Einflnß in den Siretfluß continuirend, von welchem pnnct
abermahlen, die dermahlige existirende linie bey zu behalten wäre.
Es ist wahrscheinlich daß der Mangel des Holzes durch die der
Festung Chotym entzogene benachbarte Theile des Bukowina Waldes diese
Garnison in Verlegenheit setzen muß und nebst unserer gar zu nahen
Nachbarschaft, die Ihnen ombrage verursachet, die Haubtanstößigkeiten
erregen Ean wozu besonders auch Kommet, daß die auf jennseitigen ab-
fallen Band, unserer Gräntzlinie liegende Dörfer, die jederzeit dem
Chotymer Bassa gleichsam als Kuchel-güther gehöret, fast nicht mehr
bestehen Können.
Wann nun auf die letzthin in die Gräntzen eingezogene Prevo-
rodecker Anhöhen, welche die vordere Front des Forts okopj dominiren,
Keine besondere Allerhöchste Absichten gerichtet sind, so können die
vordere Theile bis an den Rohatin-bach ohne Nachtheil, theils als schon
sehr ruinirte wälder, und zur Defense unföhige bloßen, welche wegen der
Nähe obiger Festung einem beständigen insult ausgesetzet, von unserer
Seithen starke comando erfordern würde, und dennoch nicht leicht sou-
teniret werden Könnten, zurückgegeben werden, wodurch unsere defense
linie concentriret, und hinther dem steilen Rohatin-thal sehr solid ver-
sichert werden kann, auch überhaubt die Gräntze eine mehr schicksame
linie erhaltet, die jennseits des sirets und suczawa flußes liegende theile,
werden vor die Türken Kein so beträchtliche gegenstände ausmachen.
Die linien im Gebürg können, wegen deckung der comunication
nicht abgeändert werden. . . .
Lemberg den 10**° April 1775.
Fried, v. Mieg
Major.
Lxxxvn.
EUriohBhaiuen an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 62/11.) Lemberg den 10*««» April 1775.
Da ich zur ünterfertigung der unter dem 27*«° Marty gnädig an-
befohlenen Gräntz- Karte von dem Bukowinaer District, um solche
S^ Mayestät unterlegen zu können, den Herrn Major v. Mieg hieher zu
berufen nöthig hatte, so hat sich andurch die sublige Einsendung in etwas
verspätet, und dieserwegen um gnädige Nachsicht unterthänigst bitte.
Wv HIB T4a 4M«ea wagraetlaiMM B^awmcr-Dntnci, ohsa
:iaÄH: IV T-rackraBg irr PtfiiilibrfciB Gfüte «»1 ar KtaAttnug
athiaMBgiwfcM «ünokaläoB ait Gdnin kufaagvtUen Wert«!
Oft»- ia tiM«U m ier Eart» srActeB aagtwpt. alt n der ^er-
-är^a AÜK» *fUint : Se «tthriget Bir 4d«j mwt weh dvaes Iw-
Im nImrmM aaxtOknm. ia$ udirae ü GcaiiAMt <kr mit«-
I 14^ Juvut] a: c: Toa E«er Smütmx mir ■■ «cIbcsb^ gtgeben
KhTtl«« -^rimaw^ die AikO» as n^Hem Ufw 4» DuMter-FlaS
«inE P»»w»d(k fo das Tordcn Ihirachtf t im Ofaifi diwuina,
K<ck ix ditMtipa Tvinn nii täpachkfc» Warte, solcke ab» in
I Iriianct «•> hiadaaialafea War», sh bcgrdba ömL, m der B««org-
I T.vUHb«. üb kiaiu*B mkkt g«s« dw' aOtiWcfest* Atekkt« ge-
'£'1^ V->r-i'. OB abw «in» g^naa^f» li** t^ dMfl» IwaMldttta An-
M4 *j»a*h»iB la ktaB«a. ?•> to\fH kKVr «üe tcb dea Herra Major
I Ki«^ nrfetigt^ Zwhaan; ■• daaritody Terstkaatauigca auf
^j4r>i- ArwB. di« jrdock ali-'wii nmt B«oicU>cfe B«saiz«Bg crfor-
Va. -AA* -^cwaiu d«ii T< 'J*M Cadivtck n «mi^»:
Nafä K->^BeB «kBBaa£g«bIidt«B EractaeB. WArd« b»y «iacf alka-
£ i-vwaä^'irB Gräna-CoaiBiiswB. nm «iB«r 9^ patea Wftrkung
a. f> f-ra« tl-T Bafcha lud WftiUitk-* rMaaliai n ChooiB (da
.<* a-.<h aL-r^rft ■las^Ibc^t ^ravtot virdi X-thttv dordi ciar n-
LvN>r7 •i*a lO*" April tT75.
EUrichshaaseB
G. r. Z. M.
:i£Tnh R. AK.-Ki.-)L«:!11. Wkb 4a l9H April ITT3.
iKaaiVni-*rkaii£ t IVr H>>irkh'^ Kalk kat itm GaUicbchen
iM^ Cmiiuiilvv in «isMB —rkfa. d>i irk la d» griataschndangs
mnisfioa mit J-^b^d törfciscb^D C^wMisari«a. ta aasna d«B FM
rxhiil-'ztetsAai But>> oad Ma>T Xk; t^^b f^amal sab «neiuie
«b# «bbb «s ttM »TB airi skk aa di« giiaB». oitr kcstato wtlt zn
^«B kab«a ««id^a. uii aack eiacr *v>a HdfkiHgs Kalk ihaea nad
I d^r Staats Kaazler n f^twadea ta&tnKÜM diiew gcsckäSt Iwst-
cti>:kst n $iand in bcia^va Imcki^a ««rdHi dW kaabtpaactaa ihrer
ttactioB Bise« fel|;«ad<f »ra. rrsteas a» «vaig >b ndin>n als
277
möglich, zwey tens die freye Comunication von Borgoer Paß aus Sieben-
fofirgen bis an das Stack Podoliens so zu Gallicien gehöret und über dem
Niester ligt drittens so viel möglich klai'e und zur vertheidigung nutz-
bahre gräntzen zu erhalten eine progression zu machen seyn wird. Das
preTorodek, wegen denen anhöben gegenüber von Okopij, wäre erst auf
die letzte zn cediren, und ich hätte keinen anstand von Hucko bach an,
bis Brajesti, an den Moldavitza fluß, eine gerade, denen Gebürgen und
anhöhen folgende linien zn ziehen, und denen türken die ganze Sireter
und Suczawaer gegend lieber zu überlassen, als Prevorodek; weiter herein
aber als Bohatin, und die yon mir jetzt genannte linie konnte ohnmöglich
gemcket werden, und wäre also die so in paessimum casum nur als ein
Ultimatum vorzuschlagen nach haubt regeln, wird der Hof kriegsrath noch
mehrere progressionen machen^ in der zu verfertigenden instruction und
alles übrige der geschicklichkeit der beeden Comissarien überlassen
welchen billige liefer gelder anzuweisen seyn werden und welche extra-
ordinarie von der hoffcamer zu fordern seyn werden.
Joseph Corr.
LXXXIX.
EUriohshauBen an Hadik.
Orig. (R. d. R.-Kr.-M. 87/1.) Lemberg, den 5t«n May 1775.
Mittelst des hohen Befehl-Schreibens vom 22^^^ Jänner abhin haben
mir Euer Excellenz unter anderen gnädig zu verordnen geruhet, daß in
dem neu eingezohenen Bukowina Bezirk inzwischen alles in Statu quo
tu belassen, und nur interimaliter durch das darinnen befindliche Militare
die gewöhnlichen Steuern eintreiben zu lassen seyen.
Ich würde diesem Befohl sogleich die geziemende folge geleistet
haben, wenn ich mich nicht der vorliegenden umstände halber bewogen
gesehen hätte, hierinnen in so lange keine Anforderung zu veranlassen,
bis nicht der neue Fürst in der Moldau seiner Seits damit fürgegangen
seyn würde.
Dieses ist nun mehro dergestalten Erfolget, daß ersagter Fürst
onter dem Vorwand eines Doni gratuiti, welches bey dem Antritt der
Begierung eines jeden Moldauischen Fürsten gewöhnlich ist, von jeg-
lichem Hause 5 Y^ fl. Bh. hat abheuschen, und einziehen lassen, ange-
sehen veimög des Friedens Tractaten zwischen dem Bussischen Kais.
Hof und der otomanischen Pforte in der Moldau, und Wallachey dui'ch
2 Jahr lang kein Tribut abgeforderet werden solle.
M
•j
278
Wenn nun nach der Verhältnis derjenigen Abgaben, so die In-
wohner der Provinz Moldau vor dem Ki'ieg zu entrichten hatten, solche
von dem dermahlen eingezohenen und diesseits besezten Bnkowiner Bi-
strict auch noch mit etwelcher Mässignng aufgeleget, und erhoben werden
weiten, so würde selbige jährlich auf eine Summa von wenigstens ^ f.
Bh sich erstrecken, ohne jene Voftheile dazu zu rechnen, welche von den
SOigst-Gefällen von wohlfeilerer Anschaffung des heu für die Cavallerie
des Brenn-holzes für das Militär -Verpflegs -Amt, und denen etwa dort-
selbst zu errichtenden Gestüttereyen herflüssen dörfen: Meines unter-
thänigst ohnmaßgebigsten Erachtens aber scheinet es in dem gegenwär-
tigen Zeit-Punct dem Allerhöchsten Interesse noch nicht angemessen zu
seyn, daß die vorbesagte Contributions Summa in ihrer vollen Maaß sdion
dermahlen anrepartiret, und eingehoben würde, sondern es wäre vielmehr
am fürträglichsten, für jetzo lediglich unter dem Nahmen von Sommer
Beyhilfe, welches in diesem Lande auch vorhin jeweils üblich wäre von
jeglichem Hause 2 fl. 80 kr. Bh. einzutreiben, so eine Suma von ungefähr
46000 fl. ausmachen würde, anerwogen auf diese Art der in dem für-
gewesten Krieg von den Bussen, und Türken sehr haii; mitgenohmene,
und dahero annoch äußerst entkräftete Landmann die k. k. Allerhöchste
Milde anerkennen, hierdurch seine Zuneigung vermehren, und zugleich
um so weniger einige Emigration zu besorgen stehen würde.
Hiernächst Kommt es auch annoch auf die hohe Entscheidung an,
ob bey erwehntem Einzug dieser Sommer Beyhilfe zugleich das quantum
der künftigen Contribution bestimmet, und festgesezet, oder darmit bis
zur Berichtigung der Gränze, und vollzohener Conscription zugewartet
werden solle.
Lemberg den 6^^ May 1775.
EUrichshausen
G. F. Z. M.
XC.
Convention du 7. May 1775.
Orig. (H.- Hf.- u. 8t.-A.)*
j (Kr.-A.« 62/i*.)
Le Sieur Baron de Thugut, Internonce et Ministre Plenepotentiaire
de LL. M. M. J. et J. R. A. ayant remis ä la Sublime, Porte un memoire
' » H.- Hf.- u. St.-A. = Hans-, Hof- und Staat« -Archiv.
y • Kr.-A. = Kriegs -Archiv.
f
279
scell^, dans leqnel il a fait connoitre, qu'il ^toit Charge de la pari de Sa
Cour de certaines representations amicales, qni etoient relatives au besoin
d'nne Communication par des passages faciles ä travers les Terres de
Moldavie, entre la Transylvanie et les Provinces de Galicie et de Lodo-
merie, possed^s actuellement par rAugnste Maison d'Autriche d'apr^
Lear revendication sur le Boi et la Bepubliqne de Pologne; et de plus k
une fixation et determination plus particuli^re des Confins des deux Em-
pires dans quelques Parties des Fronti^res de la Transylvanie; L'Inter-
nonce et Ministre Plenipotentiaire de L. L. M. M. J. et J. B. A. ayant
en autre notifi^, qu41 se trouvoit muni des PleinpouYoirs necessaires,
pour traiter et statuer sur les dites Propositions, fond^es sur la sinc^re
imion et parfaite harmonie, qui subsistent si beureusement entre les
deox Cours, ainsi que sur le Desir d'aflfermir et consolider de plus en plus,
l'ancienne Amitiö des deux Empires; La Sublime Porte ayant de son cot6
nomm^ ses Plenipotentiaires, pour regier d^finitivement les susdits objets;
Le tres honor^ Ahmed Effendi, cidevant Juge suprdme de Constantinople,
et le tres Excellent Ismail Baif Beg Effendi, Beisukkutab Actuel de TEm-
pire Ottoman, et ces Plenipotentiaires ayant tenu plusieurs Ck)nferences
a?ec le dit Internonce et Ministre Plenipotentiaire, dans lesquelles les
demandes amicales de la Cour Imperiale, ont ^t^ duement expos^es et
discut^es; de plein gr6 et d'un commun accord des deux Parties, et en
Consid^ration du bon Yoisinage et de Tancienne Amiti6 on est convenu
des quatres Articles, qui se trouvent de duits et declares ci-apres mot
pour mot.
Art: !•
Ayant ^rd aux representations amicales de L. L. M. M. J. et
J. B. A. sur le besoin d*une Communication facile et d'une Contiguit^
immediate, entre la Transylvanie et les Provinces de Galicie et de Lodo-
merie, possedees actuellement par la Cour Imperiale, d'apr^s leur r^vin-
dication sur le Boi et la Bepublique de Pologne; et poor donner une
Preuve non ^uivoque d^amiti^, d'aflfection, et de bon Yoisinage; La
Sublime' Porte abandonne, et c^de ä la Cour Imp^® les Terres contenues
d'une part entre le Niester, les Confins de Pokutie, de Hongrie et de
Transylvanie, et bom^es de Tautre part par les Limetes, qui seront ex-
pliquees et declares, ci-apr^s, de maniere que, le Territoire susmen-
tionne, renferm^ entre l^s dites Limites, appartiendra d^sormais k perpe-
tüite k la Cour Imperiale en pleine jouissance et propriet^: En Conse-
qaence de qnoi L. L. M. M. J. et J. B. A. aussi bien que la Sublime
Porte, destineront et enverront des Commissaires, pour faire une D^mar-
cttion, qui distingue d'une maniere claire et pr^cise les Domaines des
280
deux Empii*e8, et pour etablir et fixer des Limites, qui ä ravenir senriront
de Separation stable aux Possessions r^ciproqnes; Et comme il ä ete
convenn, que les dits Commissaires respectifs, se regleront depnis la
fronti^re de la Transylvanie jusqu'au Temtoire de Chotzim, sur la Carte,
qu'a exhiye de la part de Sa Cour Llnternonce et Ministre, Pienipotenz
tiaire, de L. L. M. M. J. et J. B. A. et que la Sublime Porte a de son
cot6 egalement adopt^e ; il sera fait deux Copies Authentiques de la sns-
dite Carte, Tune desquelles sei-a remise aux Commissaires de L. L. M. M.
J. et J. R. A. et Tautre aux Commissaires de la sublime Porte; de sorte
que lorsqu'ils mettront la main ä Touvrage de la Delimitation, en com-
men^ant aux Extr^mit^s de la Transylvanie, au Buisseau appell^ Tesna
impuzzitae et renfermant successivement les Villages de Eandreny, Stul-
pikani, Eapokodruluij, Suczava, Siret et Tchernovitz^ et au de \k du Pmt
devant Tchernauka, Lieu du District de Tchemovitze, et qui restera en
dedans dos confins Imperiaux, jusqu'au Territoire de Chotzim, ils se con-
foimeront ä la caii;e ci-dessus mentionn^e; et sans outrepasser les par-
ties de TeiTain, qui y sont design^es, ils choissiront les endroits propres
pour la Separation des fronti^res, a fin d'eviter les nouvelles contestations,
aux quelles le doute et Tincertitude pourroient donner lieu, et ils auront
soin d'etablir les Limites concert^es dans la meilleure forme et la plus
convenable: Pour ce qui concerne la demarcation ulteneure des Terres
jusqu'au Niester depuis Tendroit, oü le territoire de Chotzim Joint le
district de Tchemovitze Ton est convenu du consentement des deux parties
sur ce point en cette maniere, qu*ä Condition, que les Comissaires de la
Sublime Porte indiquent hors du Territoire de Chotzim, depuis le dit
endroit jusqu'au Niestre, des Frontieres bien distinctes, et semblables a
Celles, qu'ont etablies actuellement les officiers de la Cour Imperiale, Les
commissaires de la dite conr nes'opposeront point de Difficult^ ni de
contradiction ä ce que les Terrains, affect^a ä la Forteresse de Chotzim,
restent, comme pai' la pass4 en la Possession de la Sublime Porte.
Art: 2*
II ne sera point bäti de Forteresse de la part de la Cour Imperiale
dans Tetendue des Terres, que la Sublime Porte Lui abandonne et cede,
seien les Limites et la d^signation ci-deHsus enonc^es.
Art: 3«
Comme les habitans de la Moldavie et de la Valachie, par des
Hsurpations successives ont envahi sur les Frontidres de la Transylvanie,
le long des confins de Moldavie et de Vallachiei differents terrains, les*
281
quels ont ^te ensuite r^unis depuis quelques annees ä la dite Province
de TraDsjlvanie par le placement des Aigles, ä fin d^obyier k toute dis-
pute et Contestation, qui ponn-oit s'^leyer dans ravenir, et Confoi'm6ment
ä la Demande faite par la cour Imperiale, il a ete statue sur cet objet,
du commun accord des denx Parties, qn'il sera adress^ de la part de la
Sublime Porte auz Princes de Moldayie et de Yalachie, ce qu'il est neces-
saire d'ordres rigoureux, pour que les Limetes dans les sus dites Parties,
soient obsenrees ä perpetuite, telles, qu'elles sont design^es dans la Cai-te,
qu'a present^e Tlnternonce et Ministre Plenipotentiaire de L. L. M. J.
A. J. B. A. et comme elles se trouyent determinöes actuellement par les
Aigles, qu'a fait placer la Cour Imperiale, et pour que les dits Princes
s'abstiennent de toute transgi'ession et yiolation, qui seroient contraires
ä ce präsent reglement.
Art. 4.
Comme du cote du Bourg de yieux Orsoya, situö sur la riye gauche
du Danube, yis-ä^-yis de la Foi-teresse d'Orsoya, le melange respectif de
Territoire, et sujet ä occasioner du trouble dans Tordre stabil pour la
quarantaine et les Douanes de la Cour Imperiale, aussi bien qu'ä. d*autres
egards, il a 4t^ propose de la paii; de la dite Cour que la sublime Porte
abandonn&t le susdit Bom'g ainsi que la langue de Terre, qui s^y trouye
annexfe. Mais yü que la Sublime Porte s'engage de röprimer les habitans
de yieux Orsoya, et de poui-yoir, ä ce que de Leur part, il soit desormais
Soigneusement 6YiU tout acte conti-aire aux deyoirs du bon Voisinage, ä
la Tranquillitä des Etats de L. L. M. M. J. et J. B. A. et ä Tordre y
^tabli, il a et^ conyenu, que les Limetes des deux Empires dans la partie
ci-dessus mentionnee, resteront dans TEtät, ou Elles se trouyent actu-
ellement.
Ces quati'e Artides ayant 6t& conlus et reglos selon la teneur ci-
dessus, dans la yue d'affermir, et consolider de plus en plus les lieus de
la parfaite union et sincere amitiö, qui regnent si heureusement entre
les deux Empires et ä fin, qu'en toirtant relatiyement aux frontieres
r^spectiyes tout differend et toute altercation, conti*aires k Taffection du
bon Voisinage, la Bienveillance reciproque soit pr^sery^e de tout Change-
ment, et de toute alteration ; et comme ainsi il ne doit plus rester desor-
mais aucun Sujet de Contestation, Concernant les Domaines et les Limites
des deux Cours; ä cet effet, et pour Texacte et fidelle obseiTation des
quatre artides, tels qu'ils se trouyent exprim^s au long ci-dessus; Nous
Fran9ois Marie Baron de Thugut, Conseiller Aulique Actuel, Internonce
et Ministre Plenipotentiaire de L. L. M. M. J. et J. B. A. en yertu des
Pleinpouyoirs, qui nous ont 6t6 donn^s par Leurs sus dites Majest^s,
▲tqUt. LXXyin. Bd. I. HAlfto. 19
avonB Biga6 le pt^Bent Inatrnmeat Aatheatiqne, «t y avons fait apposer
le Cacliet de nos Armee, ponr etre ^bange contre nn Eiemplaire 4crit
en Langne TnrqDe, Sigai et sceDä en dne forme psr le tr^ Eicellent et
HagDiflque Snprime Tizir de l'Empire Ottoman, Ti-zet Hehmed Fachs,
OD verta de sea PleinpoDToirB et de rabsolne et libre Poissance, qn'il
tient de son Hinigt^re. Hai, l'an mille Bept Cent, Boiiant et qoiiiw.
Fait h ConstaDtinople le T*f* Ha; 1T75.
(L. 8.)
rancoii
BaroD de Tbn^t.
(H-
Ceaiion * de Is Baohovine
(«D 177G).
L'AmbaBsadenr de lenra Hajeat^a l'Empereur et Tlmperatriee prös
la Snblime Porte, le Baron de Thn^t a pr6aent6 i la S. P. nne not«
mnnie de Bon Be'ean dana la quelle il repr^ente la n^sgit6 qu'il j a de
laiaaer le pasBsge libre de la Transilvanie en Moldavie par la Qalicie et
la Lodomerie, qni ont 6t6 reclamäea an roi de Fotogne, et qni maintenant i
sont sons la domination de rAutriche. 11 j dit de mSroe qa'il a 4t6 cbarge
par sa conr de faire des räpr^Beotations amicaleB poar fixer en quelques ,
endroits lea limites de la Tntnailvanie entre les dem FnisBances, et qn'il
a re9u pleinpoaToir de traiter et de faire dea dJBpoBitions snivant les ditea
intentionB bas^a snr la bonne intillig^nce entre la S. F. et la Cour Ira-
p4riale, ponr maintenir leur ancienne amitÜ.
De la part de la S. F. ont 6i6 c^natitn^ comme pMnipotenUaires
Ahmed Bffendi, ci-devant jnge de Constantinople, et lam&el Bayf-Be;-
ECFendi, miniBtre actnet des affaireB ^trangiree, ponr faire le dit trait^.
Dans IcB dlfferentes Conferences entre lee dite charg^ de pouroir on a
eiposä les propoaitiona amicalea de la Cour Impeiiale, et d'apr^ les
rbglsB da bon voisinage on a fixä Ipb qiiatre Articles snivans h la satis-
faction rfeiproqae des deui conre.
Article I.
Ponr satisfaire am devoirs de l'amitiä conatante, ayant ig^rd aux
propositions amicales de leura Hajeatäa l'Empereur et rimpäratrice pouT
faciliter la commnnication et le paasage de la Transilvanie dang la Galicie
et la Lodomerie, qui par la cession faite par le roi de Pologne ge tronvent
' DsMelbe in itnlieniRrher Sprnrhe bei Hlinrnzfihi. S. 167 — 189.
283
S0Q8 la dominatioD d*Aiiti*iche, la S. P. c^de ä la Cour Imperiale les terres
bom^es d'nn cot^ par les riri^res Turla et Bokadgia et par les fronti^res
de la Hongrie et de la Transilvanie et de Tautre cot^ par les limites
qn'on va fixer ci-apr^s.
De cette mani^re ces terres, renferm^es dans les dites limites,
resteront d^rmais, tant qu'il plaira ä Dieu, sous la domination de la
Conr Imp. Boyale ä titre de possession. On constituera et on exp^diera
des Gommissaires de la part des deux Courts, pour s^parer leurs provinces
en fixant des frontiäres qu'on doit respecter ä ravenir. Ces commissaires
iroDt des confins de la Transilvauie jusque vers Ebotin, et se serriront
de la carte g6ographique propos^e par T Ambassadeur de la Sa Majeste
TEmpereur, et acceptee et d^clar^e autbentique par la S. P. ; k cet effet
on en fera une copie ^xacte et on en donnera un exemplaire aux Commis-
saires de la S. P., et un autre ä ceux de la Cour Imperiale. En fixant
ainsi les frontieres on commencera par les rivi^res Tezuna et Impudgina,
renfermant les villages nommes Eandradgi, Ustulkani, Eapu-Eodruli,
Sodgiava, Siret et Gernovidg, et on viar jusqu' ä Ebotin vis ä vis de
Dgemauka, qui entrera aussi dans les frontieres Imperiales, d^pendant
de Dgemovitcbe par sa Situation sur la rivi^re de Prut. Suivant la dite
carte, et en se gardant de ne pas aller audelä des endi'oits cidevant
nommes, on cboisera les places convenables pour planter les bornes; ils
fixeront ainsi les limites comme bon leur semblera, poui* ^loigner toute
incertitude et pour ^yiter les altercations qui pourraient maltre. C'est
le cote oppos^ de la place qui s^^tend jusqu' ä Czernovitcbe, appartenant
ä Ebotin, dont les confins doivent Stre rdgl^s; et on a dötermin^ ayec le
Gonsentoment r^ciproque, que les commissaires de la S. P. doivent fixer
les confins de la mdme mani^re, de laquelle ceux depuis lesusdit endroit
josqa' ä la rivi^re Turla bors dudit district de Ebotin viennent d^dtre
fixfe par les commissaires de la Cour Imp. par des Aigles Imperiales; les
commissaires de la Cour Imp. ne doirent point s'opposer ä ce que le
district qui appartient ä la forteresse de Ebotin, reste comme jusqu* ä
present sous la dominatic^ne de la S. P.
Article 11
La Cour Imperiale ne bätira point de forteresses dans le district
ci-dessns d^signe, qui lui a 6U c6de par la S. P.
Article m.
On a recuie les limites et plante les aigles Imperiales, il y a quel-
ques ann^es, au de lä de quelques endroits situ^s sur les frontieres de la
19*
284
Yalachie et de la Moldavie aux extr^mit^s dela Transilvanie, k cause de
quelques hostilii^s exerc^es successivement par les habitans de la Ya-
lachie et de la Moldavie^ et on les a r^unis ä la Transilvauie. Pour obTier
douc ä toute contestation qni pourroit s'^lever dans la suite sur ce
dintrict, on est conveuu d'apr^s la demande de la Cour Imp. de regier le
limites, en plantant des aigles Imperiales, comme 11 est indiqu6 sur la
caii;e geographique que le-dit Ambassadeur a proposee, et de donner de
la part de la S. P. les ordres n^cessaires aux VaiTodes de la Yalachie
et de la Moldavie, afinque les froati^res soient respectees d^sormais
comme elles sont fix^es par les pr^sens traites.
Article lY.
La yieille ville d'Oraoya, situee vis-ä-vis de la ville nouve d'Orsova
qui est sur la rive gauche du Danube, ayant ^t^ possidöe par les deux Cours
a fourni de occasions de troubler Tordre de la quarantaine, fix^e par laCour
Imp. et d'autres r^glemens. La Cour Imp. a propos^ que la S. P. cMe cette
ville, ainsi que les envii'ons, comme Tendroit appel^ Dil; mais la S. P. pro-
met de maintenir l'ordre parmi les habitans de la vieille ville d'Orsova,
afinqu'ils s'abstiennent dösormais de toute action contraire aux d^voirs du
bon voisinage et aux r^gles de bon ordre; et les limites entre les deux pnis-
sances dans les dits endi'oits resteront dor^navant telles qu^elles Existent.
Article de Conclusion.
Nous avons en vte de mettre en pratique la bonne intelligence
stabile entre les deux Cours par la Constitution de ces quatre articles,
d'^loigner chaque entreprise contraire au bon voisinage et k la bonne
intelligence sur les confins entre les provinces des deux puissances, enfin
de mettre cette ancienne amitiä ä Tabri de toute alt^ration. D^sormais
11 ne reste plus d'objet k discuter r^lativement aux possessions et aux
limites des puissances. D'apr^s le Pleinpouvoir, que moi, le Grand- Yisir
et plenipotentiaire de la S. P. j'ai de mon Empereur, etc. etc. de faire
obseiTer et garder sincerement ce qui a ^t^ fix^ dans les quatre articles
ci-dessus, j'ai soussign^ et muni de mon sceau ce trait^, pour dtre
^chang^ contre la ti'aduction fran^aise du präsent traite sign^e et saline,
comme k Tordinaire par le Baron de Thugut, Internonce et conseüler de
PEmpereur et Tlmp^ratrice d'apr^s le Pleinpouvoir qu'il a de sa Cour.
Fait k Constantinople le 7. de lune Bebiul-Ewel en 1189 (7. Mai
1775).
L. S. Izzet-Mehmed,
(Traduit et copi^ par G. de Chabert.)
^ '^ Grand- Viiir.
286
xcn.
EaiinitB an Hadlk.
Orig. (K.d.R.-Kr.-M.87/4.) Wien den 20. May 1775
Der Hof und Staatskanzler giebt sich die Ehre des Hof kiiegs Raths
Präsidenten Herrn Grafen von Hadik Excellenz die mitzutheilen beliebten
Original- Anlagen wider danknehmigst zurückzustellen.
Was die Sache selbst betrifift, so ist der Hof- und Staatskanzler
der Meynung, daß es in verschiedenen wichtigen Anbetracht bedenklich
und fOr das wesentliche Allerhöchste Intereße sehr nachtheilig wäre,
wenn die neuen Unteiiihanen des eingezogenen Bukowiner Districts
häi-ter als ihre Nachbarn gehalten werden sollten.
Der' Hof und Staatskanzler ist dahero mit dem mäßigen Antrag des
Herrn Feld Zeug Meister Ellrichshausen vollkommen verstanden und
stellt dem Erlauchten Eimessen des Hof ki'iegspräsi deuten Herrn Grafen
V. Hadik Excellenz anheim, ob es nicht thunlich und räthlich sejn därfte,
daß zwar der Generale Anschlag von 2 fl. 30 kr. auf jedes Haus zu Grund
gelegt, und hiernach auf jedes Dorf oder allenfalls auf einen jeden zu
bestimmenden District das nach Anzahl der Häuser ausfallende quantum
bestimmt, die Subrepartition aber auf jeden einzelnen Hausbesitzer den
Gemeinden selbst nach Maaß des größern oder geringern Vermögens eines
jeden überlasßen oder andurch diese Interimal Steuer noch billiger und
fl&r die Armen gelinder gemacht würde.
Wien den 20. May 1776.
Kaunitz Bittb.
Abkürzungen.
Arneth, A., Ritter v.: Maria Theresia, 10 Bde.
Dohm's: Denkwürdigkeiten, 2 Theile.
Hammer, v.: Geschichte des osman. Reiches, grOsstentheils aus bisher un-
benutzten Handschriften und Archiven, 9 Bde.
Hormusaki: Documinte privitoare la istoria Rom&nilor, 7 Bde.
Oncken: Allgemeine Geschichte in Einzeldarstellungen. Zeitalter Friedrich
des Grossen, 2 Bde.
Zinkeisen, Joh. Wilh.: Geschichte des osman. Reiches in Europa, 7 Bde.
Wortregister.
I
•n
'/
Abdul Kerim Effendi 261.
Abraam 205.
Adrianopel 226.
Ahmet Effendi 248, 249, 279, 282.
Ahmet Pascha 207.
Albert 172.
Albrecht v., Hauptmann 234.
Alexander 171, 172.
Alt-Orsowa 140, 145, 150, 281, 284.
Aluta, siehe Olt.
Amurat IV., Sultan 174.
August II. von Polen 160.
B.
Balamutka 161, 216, 272, 274.
Barco, Freiherr v., Vincenti, Feld-
marschall - Lieutenant 104, 106,
114, 118, 119, 120, 121, 122, 126,
127, 128, 129, 131, 132, 133, 134,
137, 141, 143, 147, 160, 165, 168,
169, 170, 185, 189, 193, 194, 201,
203, 204, 205, 206, 208, 209, 210,
211, 212, 213, 214, 215, 217, 218,
220, 221, 222, 223, 225, 226, 227,
228, 229, 030, 281, 282, 233, 284,
236, 236, 237, 289, 240, 241, 242,
243, 244, 245, 246, 247, 248, 249,
250, 261, 262, 261, 262, 263, 264,
276.
— Husaren-Regiment 123, 136, 215,
216, 240.
Bartfeld 255.
Belgrad, Friede 145, 266.
Beltimanu, Bojar 126, 226.
Bender, Festung 133, 134, 173, 200,
202, 246, 246, 263.
Beristonl de Kall, Generalmajor 234.
Berlad 128, 238, 244.
Berlischeni 264.
Bassarabien 167, 262.
Beutling, Brigadier 144, 272.
Biala 253.
Bialacerka 134, 262.
Bibikow, General 116, 186.
Binci de, V. 224.
Bistri^, Fluss 142, 190, 269.
Bogdan 172, 173.
Böhmen 270.
Bojan 178.
Bokadgia, Fluss 283.
Bolussa 178.
BordesÜe 142, 269, 265.
Bordigeni (. . j = fra. j) 142.
Borgo, Pass 166, 161, 240, 256, 258,
259, 277.
Bosnien 142, 266.
Bottai'sche Infanterie-Regiment 186.
Botuscheni 172, 178, 205, 206, 208,
269.
Braila 193, 202, 245, 246.
Brajestie 143, 277.
Brandenburg 182.
Brinken-Regiment 123, 125, 136, 216,
216, 240.
Brody 195, 216, 242.
Brognard, Osterr. Internuntius 137.
Bucsacz 215.
Buda 268.
Bug 168.
Bujuktschausmelik 198.
Bukowina 104, 106, 106, 107, 108,
109, 110, 111, 113, 114, 115, 116,
117, 119, 121, 122, 128, 124, 125,
126, 127, 128, 129, 132, 134, 136,
287
136, 137, 138, 139, 140, 141, 142,
146, 146, 147, 148, 149, 160, 161,
166, 161, 174, 178, 183, 212, 229,
242, 271, 274, 282.
Bukureschti 132, 133, 186, 186, 227,
236.
Bnlgaiien 168, 262.
Bntow 168.
Bu»5u 176, 177.
C.
C&ropalnng 135, 234, 240, 267, 269.
Candreni = Kandreni 280, 283.
Cantacuzen 206.
Capucodrului 136, 142, 219, 234, 266,
266, 280, 283.
Caramelli 162.
Cerkow 263, 264.
Chelm 168.
Cfaodkiewicz 176.
Chotiin =: Choczim == Khotim 109,
HO, 120, 130, 132, 133, 134, 139,
143, 144, 146, 146, 160, 163, 164,
166, 166, 167, 158, 169, 162, 171,
172, 173, 174, 176, 176, 177, 180,
182, 184, 199, 202, 208, 206, 206,
207, 216, 218, 219, 230, 241, 246,
246, 248, 260, 261, 264, 267, 263,
268, 272, 278, 276, 276, 280, 283.
Cicora 176, 178.
Colorado 136, 242, 267.
Constontlnopel 126, 130, 131, 137,
141, 144, 146, 177, 203, 227, 230,
261, 279, 282.
Comeschti 169, 227.
Cre^ulesca 126, 224.
Cromer 172, 173.
Cucaraza 136, 234, 236, 237.
Cxvuiiu 176.
CieremoB 108, 164.
Csernanlui 142, 268, 280, 283.
Ciemowitz = CernftQ^ 109, 110, 117,
123, 124, 126, 134, 141, 163, 164,
166, 169, 161, 162, 172, 173, 180,
190, 191, 202, 203, 208, 216, 216,
217, 218, 219, 220, 223, 226, 226,
227, 228, 232, 233, 240, 242, 243,
247, 266, 267, 268, 261, 262, 263,
267, 269, 280, 283.
Czobor Emerik 178.
D.
Dalmaüen 186.
Damnitz 189.
I^armfitadt 186.
Deal mare beresoTU 142, 143, 267.
Denhoff 162.
Derehlui 142, 268, 269.
Deraawenetz 161, 216, 267.
Dlogosch 173.
Dniepr 183.
Dniester (Niester » Tyra) 108, 163,
164, 166, 166, 167, 168, 169, 171,
172, 174, 176, 179, 181, 183, 185,
199, 200, 209, 216, 216, 221, 267,
272, 273, 277, 279, 280.
Dobronaats 268.
Doering 220, 221.
Dohm 118, 119.
Dolina 108, 163.
Donau 116, 140, 166, 168, 170, 177,
179, 180, 191, 193, 194, 206, 266,
281, 284.
Doma 136, 164, 233, 234, 236, 237,
240.
Dorna Candreni 268.
Dornischora 268, 259.
Dorochy 172.
Draheim 168.
Dnbno 263.
Dukla 266.
Darlach-Regiment 136, 242.
Effendi Pascha 207.
Elbing 182.
EHas 171.
Elisabeth 173.
EUrichshaosen Freiherr v.,
meister 116, 117, 119,
128, 131, 134, 136, 136,
143, 160, 162, 195, 196,
209, 210, 214, 215, 217,
223, 224, 226, 227, 228,
231, 232, 235, 236, 237,
Feldzeug-
123, 124,
141, 142,
201, 203,
221, 222,
229, 230,
239, 240,
288
241, 244^ 245, 246, 247, 248, 249,
252, 253, 255, 257, 260, 264, 267,
274, 275, 276, 277, 278, 286.
England 103.
Enzenberg 118.
Eperies 237.
Eugen, Prinz 181.
Europa 139.
F.
Filo Jos., Oberstlientenant 135, 234,
236.
Fleischer 188, 190.
Foc^ni (Fokscheni) 122, 128, 213,
214, 217, 228, 236.
Font&na Sauchi (Fontina Sauki) 110,
142, 160, 268.
Fotin 155.
Friedrich II. yon Preussen 266.
G.
GaUzien 104, 105, 106, 108, 109,
116, 135, 136, 141, 143, 145, 149,
161, 166, 166, 157, 161, 182, 199,
203, 212, 237, 243, 250, 251, 253,
264, 256, 260, 266, 271, 274, 276,
277, 279, 282.
Galitzin Demetrius, Ffirst und russi-
scher Botschafter 194, 250.
Gartenberg, Freiherr v. 167, 221.
Ghika Grigori, Fürst der Moldau 129,
130, 131, 132, 137, 138, 140, 141,
146, 146, 147, 148, 149, 161, 222,
226, 227, 230, 233, 251, 262.
Ghika Stefan 203, 213.
Gier 174, 178, 181, 183, 190.
Grenisestie 269.
Gura balta 116, 193, 194.
Gyimes 199.
Gyulai-Regiment 237.
H.
Hadik Andreas, Graf und Feldmar-
schall 124, 131, 134, 136, 136,
137, 143, 152, 156, 162, 163, 170,
188, 189, 195, 196, 212, 213, 215,
223, 226, 227, 231, 236, 237, 239,
240, 241, 243, 244, 246, 248, 249,
260, 251, 262, 253, 261, 263, 264,
270, 274, 275, 277, 286.
— Husaren-R^ment 123, 136.
Hammer 120.
Harbach 108, 163
Hassan Pascha 193, 251.
Hausser 196.
Heinrich VH. 174.
Hermannstadt 236, 237.
Hirsowa 166.
Hofmann, Hauptmann 108, 153, 188,
190.
Holstein 186.
Holubo£iki 109, 161, 162, 164, 177.
Horecza 123, 219.
Horodenka 109, 154, 155, 161, 190,
215.
Horodize 197.
Horomczak 200.
Huko 143, 274, 277.
Humiecki 184.
Humor 142, 256, 257, 268, 269, 264,
265, 269.
I.
Ifmar LUty 146, 273.
nisestie 256.
Imbault 160.
Inonius 176.
Ismael Reif Beg Effendi 279.
Izzet Mehmed, Minister 282, 284.
J.
Jakobaki Biso 131, 138, 140, 141,
145, 147, 148, 149.
Jakobeni 258, 269.
Jaroslaw 186.
Jassi 114, 116, 120, 122, 124, 126,
127, 128, 132, 134, 137, 148, 160,
165, 166, 168, 169, 170, 173, 177,
178, 179, 186, 189, 198, 204, 206,
206, 207, 208, 216, 217, 218, 219,
221, 222, 223, 225, 226, 227, 228,
229, 230, 231, 232, 236, 237, 289,
242, 243, 244, 246, 247, 248, 249,
250, 261, 262, 261, 262, 268, 269,
272.
Jaworow 161.
289
Jenikale 133, 207, 232.
Jeremia Mogfila 175.
Joflef n. 115, 122, 125, 135, 143,
161, 168, 187, 192,^210, 237, 270,
271, 274.
K.
Ktfii207.
Kunenski 198, 194, 195.
Ktminiec 109, 112, 113, 154, 157,
160, 171, 176, 177, 179, 180, 182,
196, 273.
Karlowitz, Friede 112, 120, 160, 171,
174, 178, 179, 180, 182, 183, 203.
Karpathen 155.
Kuan 115, 185, 225, 226.
Kuchau 287.
Kaomir 171, 172, 173, 242.
KaiUtachi 193, 194.
Ktuiitz Wenzel, Fürst, Staatskanzler
104, 105, 106, 107, 110, 114, 116,
118, 122, 129, 180, 138, 139, 140,
144, 145, 146, 147, 148, 149, 150,
162, 168, 164, 165, 209, 210, 211,
212, 240, 269, 270, 286.
Kertsch 133, 232.
Ketteier 112.
Kibnm 207, 263.
Kimpolong vide Cftmpulnng
Csfekete 190.
Kias 122, 128, 209, 214, 215.
Kloknczka 268.
Kochanski 176.
Kolodropka 174, 178, 181.
Kolomin 171^
KomeqK>lski 176.
Konitantin 176.
Korecki 176.
Konakow 206, 207.
Kosatxna, siehe Poiana Kosn^na.
Koflsna 185, 234, 286, 237, 256.
Kotoweti 197.
Krakan 177.
Kninicsesti 258.
Krim 207, 221, 268.
Kronstadt 224.
Kaknraza ride Cncuraza
Knbcseni 275.
Kttty 108, 158, 171, 195, 198, 2Ö8.
Kutschuk Kainardsche, Friede 104,
117, 118, 120, 127, 130, 189.
Kutschur 258.
Kntzersdorf, Hauptmann 108, 158.
Lacy 108.
Ladislaw Jagello 171, 176, 177.
Ladislaw 178.
Lanterburg 158.
Lemberg 124, 184, 137, 161, 171,
184, 188, 189, 195, 196, 201, 206,
209, 210, 213, 214, 216, 217, 223,
224, 227, 228, 230, 231, 236, 240,
241, 249, 251, 252, 253, 255, 256,
259, 260, 261, 263, 264, 267, 274,
275, 276, 277, 278.
Leopold I. 111.
Lentschan 237.
Lilbat 186.
Lindemann 219.
Lithauen 161, 172, 179, 188.
Lobkowitz, Fürst 120.
Lodomerien 105, 208, 258, 255, 279,
282.
Loyk, General 194.
Lubomil 158.
Lukawetz 142, 247, 248, 268.
M.
Mahomed lY. 203.
Mähren 270.
Malachowski 179.
Blamomi^ 142, 268.
Maria Theresia 103, 114, 115, 128,
144, 151, 187, 211.
Marmaros 189.
Marosch 181.
Michael 174, 175.
Mieg y., Friedrich, Major 108, 109,
110, 113, 114, 116, 117, 122, 126,
129, 131, 182, 143, 158, 155, 156,
158, 159, 161, 162, 168, 164, 165,
177, 184, 187, 188, 189, 190, 192,
195, 196, 201, 203, 209, 210, 214,
215, 216, 218, 220, 225, 226, 227,
228, 282, 233, 235, 238, 242, 264,
269, 274, 275, 276.
290
, 106,
107,
108,
, 113,
114,
116,
, 121,
123,
126,
, 133,
134,
137,
, 144,
146,
146,
, 166,
166,
162,
, 171,
172,
173,
, 178,
179,
180,
, 189,
190,
191,
, 201,
202,
204,
, 216,
222,
225,
, 233,
236,
237,
, 243,
244,
245,
», 260,
261,
266,
, 266,
267,
270,
, 278,
280,
281,
f.'
Milinie 242, 267.
MilUo, Bojar 804, 206.
MohUew 128, 134, 141, 262, 261,
868, 263, 272.
Moldau 103, 104, 106
109, 110, 111, 112
116, 117, 118, 120,
127, 129, 130, 131
138, 140, 142, 143
147, 148, 149, 161
163, 164, 166, 167
174, 176, 176, 177,
181, 182, 183, 187
192, 196, 199, 200,
207, 211, 213, 214
226, 228, 230, 232
238, 239, 241, 242,
246, 247, 248, 249
267, 262, 263, 264
271, 272, 273, 277
284.
Moldof«itM 196, 196, 277, 282.
MolnitM 143, 276.
Mongacs 237.
Moruzi Constantin 146.
Moskau 170, 176, 177, 225, 226.
Muftizade Ahmed 150.
Muhzun Oglu 107.
MunÜcelu (Muntitschelu) gttra dnt-
mnlui 142, 265, 269.
N.
Neam^ul 173.
Neu-Oraowa 281, 284.
Neu-Serbien 133, 209, 223, 239.
Niedennayer 215.
Notez 169.
Nowgorod 172.
Nngent-Regiment 123, 136, 206, 216,
217, 240.
0.
Obreskow 114, 169, 193, 204.
OcBakow 207.
Oerterreich 103, 104, 107, 116, 117,
120, 122, 126, 127, 128, 129, 130,
131, 132, 134, 137, 138, 139, 140,
141, 143, 144, 145, 146, 147, 148,
149, 150, 161, 180, 282, 283.
Ofen 173.
Oitos 200.
Okopi 136, 161, 179, 190, 196, 197,
199, 240, 254. 267, 275, 276, 277.
Olt 103.
Oncken 118, 119.
Orchechowce 180.
Osarow 226.
P.
Palczyniec 157.
Falfy-Regiment 237.
Panin, Graf 120.
P&räul Hersului 267.
Parhiu^ 142, 258, 264.
Passaro Witz, Friede 140, 184.
Pera 137.
Peretita 178.
Peter, Czar 186.
Peter 171, 172.
Petersburg 120, 127, 130, 133, 218,
235, 248, 249, 261.
Philipp! 156.
PhiUpsburg 270.
Piasecius 174, 178.
Piedekautz HO, 162.
Podhaice 179.
Podhorze 157, 158, 180.
Podolien 112, 160, 156, 157, 168.
171, 177, 179, 180, 181, 197, 199,
243, 264, 257, 277.
Poi&na ble^i 142, 267.
— Harlu^a 142, 267, 274.
— Kosu^na 142, 268.
— Samlina 142, 267.
Pokutien 105, 106, 108, HO, 111,
113, 116, 118, 149, 155, 156, 157,
158, 160, 162, 163, 164, 170, 171,
172, 173, 174, 177, 178, 179, 182,
183, 184, 186, 187, 188, 189, 192,
197, 198, 199, 201, 213, 244, 253,
266, 267, 270, 271, 274, 279.
Polen 103, 105, 106, 107, 108, 109,
HO, 111, 112, 113, 114, 155, 158,
160, 161, 166, 170, 171, 172, 173,
174, 175, 176, 177, 180, 182, 183,
184, 190, 245, 247, 249, 251, 262,
263, 266, 267, 279.
291
PontUA Euzinus 170.
Potocki 110, 160, 176, 177.
Posorita 264, 266, 268, 269.
PMga 272.
PraiflB, Feldxeugmeister 126, 186, 224,
236, 237.
PraoMen 106, 122, 130, 142, 161, 211.
Preworodek 128, 142, 143, 190, 191,
216, 240, 263, 267, 267, 276, 277.
Priest de, französischer Botschafter
147.
Pruth 108, 118, 123, 124, 143, 147,
163, 164, 166, 169, 162, 183, 198,
216, 217, 219, 266, 268, 274, 280,
283.
Pngatscheff 116, 226, 226.
Pntna 266.
B.
Rabutin 179, 181.
RaccoYita 126, 224.
RadantE 124.
Heiss Effendi 138, 141, 146, 160, 186,
193, 194, 279, 282.
Repnin, Fürst 118, 126, 127, 128,
137, 146, 193, 229, 230, 231, 232,
233, 238, 261.
Reschow 196.
Rezin 129.
Rodna 136, 234, 266.
Rohatin 139, 143, 267, 274, 276, 277.
Roman 114, 142, 169, 170, 173, 266,
266, 269.
Romanzow, Graf, Feldmarschall 106,
116, 116, 119, 122, 123, 126, 127,
128, 129, 134, 141, 146, 169, 189,
191, 193, 194, 201, 204, 206, 208,
210, 211, 212, 213, 216, 217, 218,
222, 223, 226, 227, 228, 229, 281,
232, 233, 236, 239, 242, 243, 244,
246, 248, 249, 260, 261, 262, 261,
262, 263, 272.
Rothkirch, Freiherr v., Oberst 144,
207, 239, 272, 273.
Radolf n. 176.
RnssUnd 103, 106, 106, 107, 116,
116, 119, 126, 127, 130, 131, 139,
142, 144, 146, 148, 161, 166, 167,
169, 186, 192, 201, 203, 207, 208,
209, 211.
Rnstschuk 186, 194.
8.
Sabinska 171.
8ada«rara 216, 220, 221, 263, 268.
Sadanow 180.
Samos 148.
Samicios 172, 173.
Saul de 224.
Schestakow 169.
Scheidemantel 166.
Schlann 234.
Schlesien 266.
Schumla 116, 193, 196.
Schweden 176, 183.
Seec^r, Freiherr v. Dorrenberg^, Oberst
108, 110, 111, 113, 114, 117, 165,
159, 162, 163, 164, 170, 186, 187,
188, 190, 191.
Selim m. 133.
Serbatow 114, 169, 222.
Serbien 142, 214.
Sibirien 160, 169, 170, 186, 186.
Siebenbürgen 104, 106, 106, 118, 126,
127, 134, 136, 136, 142, 143, 146,
148, 149, 160, 165, 161, 172, 174,
176, 180, 181, 182, 186, 187, 188,
189, 190, 192, 196, 197, 199, 201,
209, 212, 234, 236, 237, 238, 240,
264, 266, 268, 264, 269, 274, 277,
279, 280, 281, 282, 283, 284.
Sigismund 172, 176, 177, 182.
Silistria 126, 134, 142, 194, 196, 228,
229, 230, 260, 266.
Siret 124, 142, 143, 147, 148, 165,
160, 166, 173, 174, 197, 216, 218,
219, 247, 248, 249, 266, 266, 269,
276, 280, 283.
Siskowitsch 116, 123, 134, 136, 164,
187, 188, 216, 231, 233, 240.
Skala 266.
Ska¥me 266.
Skinder Pascha 176, 177.
Slatina 148.
Slavonien 270.
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; 214, 222, 224, 226, 229, 230,
» 246, 262, 266, 270, 277, 280,
« 284.
dian 108, 110, 169, 170, 176,
, 261.
lergen y., Oberstlientenant 144,
272, 274.
Uni 219.
,a 142, 266.
110, 119, 120, 126, 136, 141,
163, 166, 187, 209, 210, 237,
• 240, 260, 261, 266, 269, 270,
^ 274, 286.
• ^^' 87.
.^*' 1 266.
X 206.
w 226.
Württemberg, Dragoner • Regiment
123, 216.
Y.
Tpsilanti, Fürst 132, 137, 233
Z.
Zaleszczyki 166, 206, 216, 242, 257.
Zaluski 166, 167.
Zamoifiki 111, 174, 175.
Zamosina 199.
Zbrucz 211.
ZegeUn 130, 137, 139, 149.
Zeleneu 160, 163.
Zinkeisen 118, 119, 130.
Zink 181, 182.
Zolkiewski 176, 177.
Zorawenski 176.
Zucska 142, 268.
Beriohtigungen.
*4 lies statt Bokownia: Bukowina.
6 „ „ Jassy: Jassi.
r8 „ f, seitens Oesterreioh: Seitens Oesterreichs.
«2 „ „ M&rz: May.
4 o. 266 (Dislocations-Tabelle) erste Zeile oben lies stitt LXni: LXXUI.
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InhaltsverzeiohnisB.
Seit«
Einleitung 101
1. Capitel. Die Vorgeschichte der Erwerbung der Bukowina bis zum
Frieden su Kutschuk Kainardsche (1772—17. Juli 1774) . . 104
2. Capitel. Vom Frieden zu Kutschuk Kainardsche 17. Juli 1774 bis
zu der 7. Mai 1775 zwischen Oesterreich und der Türkei ge-
schlossenen Convention 120
Bellagen.
I. Mieg an das General-Milit&r-Ober-Commando; Horodenka, den
17*«n September 1778 168
n. Seeger an Hadik; Warschau, den 10t«n Dezember 1778 ... 166
in. Mieg an das General -Militär- Ober -Commando; Lemberg den
23t«n Decemb. 1778 169
IV. Donationsurkunde des KOnigs Johann Sobieski an Holubofeki;
Javorovi» die 20. Mensis Decembris 1691 161
V. Hadik an Caramelli; Lemberg, den 2öten Decemb. 1778 . . . 162
VI. Allerunterth&nigster Vortrag; Wien, den 4ten Januar 1774 . . 163
VII. An den Herrn Qeneral der Cavallerie Grafen v. Hadik, den Hof-
und Staatskanzler Herrn Fttrsten v. Kaunitz Rittberg; Wien,
den 8. Januar 1774 168
VIII. Kaunitz an Siskovics; Wien 12ten Jftnner 1774 164
IX. An das General-Commando in Galizien, den Herrn Hof- u. Staats-
kanzler Fürsten y. Kaunitz RiUberg; Wien, den 18t«n Febr. 1774 166
X. Barco an den Hofkriegsrath; Jassy, den 12t«n Jänner 1774. . 166
XI. Barco an den Hofkriegsrath; Jassy, den 18ten Jänner 1774 . . 168
Xn. Barco an den Hofkriegsrath; Jassy, den 18t«n Jänner 1774. . 169
Xm. Seeger an Hadik; Warschan, den B^Q Februar 1774 .... 170
XIV. Barco an den Hofkriegsrath; Jassy, den 20ten Februar 1774 . . 186
XV. Vortrag; Wien, den 6. Merz 1774 187
XVI. Maria Theresia an Siskovics; (Wien) den 19t«n März 1774 . . 187
XVn. Hadik an den Hofkriegs-Rath; Lemberg, den 20ten Martü 1774 188
XVm. Barco an den Hofkriegsrath; Jassy, den 2öt«n Marty 1774 . . 189
XIX. Hadik an den Hofkriegs-Rath; Lemberg, den 2öten April 1774 189
XX. Vortrag; Wien, den 3t«n May 1774 192
XXI. Barco an den Hofkriegsrath; Hauptquartier Gura balta, den
28t«n Juny 1774 193
XXH. Barco an den Hofkriegsrath ; Feldlaager an der Donau 4 Stunden
unterhalb Silistria den 28»««» Juny 1774 194
XXm. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den 8t«n July 1774 . . . 195
XXIV Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den 22*«» July 1774 . . 196
■^
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295
Seite
XXV. EllrichBhaasen an den Hof kriegsrath ; Lemberg, den 29. July
1774 201
XXVI. Copie des articuls sur la Valachie et Moldavie 202
XXVII. Copia Eines an S« Excellenz Commandirenden Oeneraln in
den Königreichen Oallicien nnd Lodomerien, Freyherm v.
Ellrichshansen vom Herrn Obristwachtraeister v. Mieg vom
großen Qeneralstabe ddto Czemowitz 4^° August 1774 er-
lassenen Schreiben 203
XXVni. Puncten so bey abschickung in den Gräntzangelegenheiten
zwischen dem Kiester und Siebenbürgen zu beobachten
seynd; Wien, den 8t«n August 1774 209
XXIX. Copia. Kaunitz an Kaiser Joseph n.; äVienne ce 8^ Aout 1774 210
XXX. Kaunitz an Maria Theresia; (ohne Datum) 211
XXXI. Barco an Hadik; Foksan, den 24ten August 1774 .... 213
XXXn. Ellrichshansen an den Hof kriegsrath; Lemberg, den 25ten Aug.
1774 214
XXXm. Ellrichshansen an Hadik; Lemberg, den 29ten August 1774. 215
XXXIV. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den Iten September 1774 . 217
XXXV. Mieg an seine Torgesetzte Behörde; Czemowitz, den l^ten Sept.
1774 218
XXXVI. Doering an Barco; Sadagura, den 4ten September 1774 . . 220
XXX Vn. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 6ten September 1774 . 221
XXXVm. Barco an Ellrichshausen; Jassj, den 6ten 7bri8 1774 . . . 222
XXXIX. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den 9ten Sept. 1774 . . 223
XL. Die Bojaren an Preiß; Kronstadt, den 12ten 7bri8 1774 . . 224
XLI. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 13^° September 1774. 225
XLH. Barco an Ellrichshausen; Jassj, 14. September 1774 . . . 225
XLIII. Mieg an Hadik; Czemowitz 15. September 1774 226
XLIV. EUrichshausen an Hadik; Lemberg, den 16t«n Septemb. 1774 227
XLV. Repnin an Barco; A Foczany Le || Sept. 1774. ..... 228
XLYI. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 30. September 1774 . 229
XLVn. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, 7. October 1774 . . . 230
XLVÜL Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 14ten October 1774 . 231
XLIX. Mieg an Ellrichshausen; Czemowitz, den 16ten Octob. 1774. 232
L. Meldung; Doraa, den 17ten October 1774 233
LI. Copia. Lobliche Wallachische Gränitz-Brigade; (ohne Datum) 234
LH. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 19t«n October 1774. . 235
Lm. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den 24teQ 8bris 1774 . 236
UV. Preiss an den Hof kriegsrath ; Hermanstadt, den 25teo Oct. 1774 236
LV. Kaiser Joseph 11. an Hadik; Wienn, den 27. October 1774 . 237
LVI. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den Slten October 1774. . 237
LVIL Kaunitz an Hadik; Wien, den 31ten October 1774. ... 239
LVm. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den 7ten November 1774 240
LIX. Ellrichshausen an Hadik; Lemberg, den llt«n 9ber 1774 . 241
LX. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 12^" November 1774 . 243
LXI. Barco an Hadik; Jassy, den 12ten November 1774 ... 244
LXn. Barco an Ellrichshausen; Jassy, den 15*«« November 1774 . 246
ZWEI DENKSCHRIFTEN
ERZHERZOG RAINERS
AUS DETN JAHREN 1808 UND 1809.
HERAUSGEGEBEN
VON
EDUARD WERTHEIMER.
ArebiT. LIZYIII. Bd. II. H&lfte. SO
i
Einleitung.
Um Kaiser Franz schaarte sich eine Anzahl geistig bedeu-
tender Erzherzoge^ unter denen Erzherzog Rainer eine hervor-
ragende Rolle zukommt. Nach des Kaisers Art, jedem seiner
Brüder den ihm passenden Wirkungskreis zuzuweisen, ward
Rainer mit der Leitung der Geschäfte des Staatsrathes betraut,
in dessen Bannkreis die inneren Angelegenheiten der Monarchie
fielen. Durch diese Stellung in volle Kenntniss der Bedürf-
nisse und Zustände des Staates gesetzt, verfasste Rainer die
beiden Denkschriften, die wir hier veröflFentlichen, zu deren
besserem Verständnisse es gestattet sei, uns ein wenig ein-
gehender mit der Wirksamkeit ihres Verfassers zu beschäf-
tigen.
Nachdem Rainer in seiner Jugend eine ausgezeichnete
Erziehung erhalten, bestimmte Franz am 29. Juni 1805, dass
sein Bruder durch den Minister des Innern, Graf Kolowrat,
mit den Agenden des Staatsrathes bekannt gemacht werde.^
Von diesem Momente an war er das designirte Haupt der
obersten Behörde ftir innere Angelegenheiten. Der Glanzpunkt
seiner Thätigkeit fällt jedoch erst in die Zeit nach dem Kriege
von 1805, IÜ8 die Verhältnisse dringend eine Reorganisation der
Monarchie erheischten. Mit fieberhaftem Eifer sucht er die
innem Zustände derselben zu ergründen; ebenso unermüdlich
widmet er sich dem Studium der Finanzwissenschaften, um
mit deren Hilfe die Mittel zur Heilung des schwersten Uebels
des Staates zu erforschen. Schon 1807 erklärt er, dass die
zerrütteten Finanzen, die ihn mit Schreck erftillen, nur durch
einen ,schnellen Streich^, durch die sogenannte ,Devalvirung'
beseitigt werden können. In nachhaltigster Weise protestirt er
^ Fnnx an Kolowrat. Staatsraths- Acten.* Wiener Staatsarchiv.
20*
300
gegen das Patent vom 14. September 1808, welches mit falschen
Mitteln die Aiifrechterhaltung des Werthes der immer tiefer
sinkenden Bancozettel verfolgte.^ ,Die grösste Kunst ist itzt^
— sagt er — ,nicht das Streben, den angegebenen findzweck
des Patentes zu erreichen, sondern die Auffindung eines Mittels,
um dieses Patent zurückzunehmen, ohne Seine Majestät zu
compromittiren/ * Ebenso nachdrücklich fordert er die Besei-
tigung des Finanzministers Graf Carl Zichy, und damit eine
durchgreifende Aenderung in den Principien der Finanzgebah-
rung. Aber er sieht ein, dass, um zu diesen einschneidenden
Massregeln schreiten zu können, vor Allem die oberste Leitung
der Verwaltung selbst reformirt werden müsse. Seine Da^
legungen, unterstützt von Erzherzog Carl, machten tiefen Ein-
druck auf den Kaiser, so dass dieser im April 1808 Rainer beauf-
tragte, seine Vorschläge zur Einführung einer ,zweckmä88igen
Centralverwaltung^ zu unterbreiten. Diesem Befehle verdanken
wir die erste der hier mitgetheilten Denkschriften, deren Gehalt
wir schon kurz an anderer Stelle kennzeichneten,' die wir aber
einerseits als ein Denkmal der geistigen Bedeutung Rainers,
wie anderseits als lehrreiches Material zur Erkenntniss der
damaligen Zeit filr wichtig genug halten, um hier vollinhaltlich
wiedergegeben zu werden. Fürwahr, in der österreichischen
Geschichte wird es wenig Staatsschriften geben, die einem
Herrscher seine bisherige Regierungsweise in schwärzeren Far-
ben malen als jene, die Erzherzog Rainer auf Wunsch des
Kaisers im Jahre 1808 verfasste. Rückhaltios schildert er da
den morschen Zustand der Monarchie. Ebenso rückhaltlos
charakterisirt er die Schwächen der Personen, in deren Händen
die Verwaltung ruht. Vor Allem muss man jedoch über die
Kühnheit staunen, mit der hier gegen den Liebling des Kaisers,
den einflussreichen Staatsrath Baldacci zu Felde gezogen wird.
Aber wie beredt auch Rainer auf die Fehler desselben hin-
weisen mochte, es gelang ihm doch nicht, den intimen Rath-
geber des Kaisers zu stürzen. Erst 1810 wurde nämlich
Baldacci aus der Nähe des Herrschers entfernt, und wie dem
hier folgenden, bisher ungedruckten Briefe von G^ntz zu ent-
^ Beer, Die Finanzen Oesterreiclis im 19. Jahrhundert, 8. 36 ff.
2 Rainer an Franz. Ohne Datum. Concept Hof bibliothek. Cod. Rain. 59.
' Wertheimer, Geschichte Oetterreichs und Ungarns, II. Bd., 8. 21.
301
nehmen^ war es Graf Ferdinand Pälffy^ der vertraute Liebling
der Kaiserin Maria Ludovica, der das schwierige Werk voll-
brachte. ,Ich habe' — schreibt Gentz diesbezüglich an Pdlfiy
— ^neulich wieder, und zwar von mehreren Seiten her, sehr
viel Rtihmliches von Ihnen gehört; ich weiss auch, dass Sie
es eigentlich waren, der den Staatsrath stürzte/^ Konnte
Baldacci aber auch nicht aus dem Cabinet des. Kaisers ver-
drängt werden, so war es dagegen ein grosser Erfolg, dass
Ghraf Carl Zinzendorf zum dirigirenden Minister des neu or-
ganisirten Staatsrathes ernannt wurde. Es war dies ein um so
grösserer Erfolg, als Zinzendorf dem Kaiser nichts weniger als
sympathisch war. Zu diesem Siege über die entgegenwirkenden
Elräfte hatte das Seinige auch Erzherzog Carl beigetragen, der
Zinzendorf ermahnte, das Eisen zu schmieden, so lange es
warm sei, damit man nicht wieder in den alten Schlendrian
verfalle.* Niemand jedoch war mehr erfreut über diese von
ihm beantragte Ernennung als Erzherzog Rainer. ,Das Steigen
des Curses' — schrieb er an Franz — ,Alles zeigt, wie sehr
Alles damit zufrieden und wie viel man sich davon verspricht.' '
Wenn man das Handschreiben liest, mit welchem Zinzendorf
angewiesen wurde, in seiner Eigenschaft als dirigirender Mini-
ster die von Rainer gewünschten Reformen durchzuführen, er-
hält man in der That den Eindruck, als stünde man vor einer
neuen Phase im Leben der Monarchie, vor einem Abschnitte,
der durch die segensreichsten Neuerungen gekennzeichnet sein
soll. Nicht mit Unrecht bemerkte eine einflussreiche Persön-
lichkeit jener Zeit von diesem kaiserlichen Handschreiben:
,Deijenige, der es verfasste, ist ein geschickter Mann. . . . Wolle
Gott nur Seine Majestät in diesen Gesinnungen guter Ordnung,
welche diese Billete athmen, erhalten.'^ Die Resolution des
Kaisers selbst lautet: ,Ich will durch diese staatsräthliche Ver-
fassung folgende Zwecke erreichen: ein System, einen Geist,
nach welchem und in welchem alle Geschäfte der Monarchie
sollen geführt werden; Verbindung aller Zweige der Regierung
mit stetem Hinblick auf den Hauptregierungszweck und auf
^ Gents an Graf Ferd. PÜffj. 14. Jänner 1810. Gräfl. P&lff/sches Archiv
zu Stübing.
' Tagebuch eines Ungenannten. 12. u. 18. Juni 1808.
> Wertheimer a. a. O. 8. 33.
* Tagebuch eines Ungenannten. 8. Jnni 1808.
302
die inneren und äusseren Verhältnisse der Monarchie; kraft-
volle Leitung im Vereinigungspunkte, Verminderung zeitver-
splittemder, kleinftlgiger Geschäfte im Centro durch Vermehrung
des Wirkungskreises der Unterbehörden, doch unter Verant-
wortlichkeit derselben und ihrer Vorsteher und unter strenger,
unnachsichtlicher Ahndung. . . . Vermieden sollen durch diese
Verfassung werden: Einseitigkeiten, Widersprüche, voreilige
Beschlüsse und überhaupt alles jene, wodurch die Staatsver-
waltung compromittirt wird, alle grossen Veränderungen in den
Verfassungen ganzer Provinzen, einzelner Stellen oder auch
nur in dem Geschäftsgange, wenn solche nicht schlechterdings
und erwiesen nothwendig und nützlich sind; Verschwendung
der Staatseinkünfte, Vermehrung der Beamten, halbe Mass-
regeln, Lauigkeit bei den Unterbehörden oder nicht zweck-
mässige Dienstesbestellungen/ ^
Mit dem 1. Juli 1808 sollte die neue Organisation des
Staatsrathes, wie sie Rainer in seiner Denkschrift skizzirt hatte,
ins Leben treten. Bald zeigte sich jedoch, dass man dem
Geiste derselben nicht treu geblieben. Man entfernte sich immer
mehr von demselben, und Rainer selbst hat später die Ursache
bezeichnet, welche zum Anlasse des Verfalles der von ihm
betriebenen Reform ward. ,Seine Majestät^ — lauten seine
Worte — ,geruhten zwar Einiges davon zu genehmigen, aber
eben weil nicht Alles begnehmiget wurde, eben weil das Wich-
tigste, nämlich die Vereinigung aller Zweige der Regierung in
einer Zeit nicht geschah, und im Gegentheile noch späterhin
dem Staatsrathe die Creditgegenstände entzogen wurden, blieb
es dennoch beim Alten, und der wichtige Zweck der Aenderung
ward dadurch nicht erreicht.'*
^ Handbill et des Kaisers an Zinzendorf. Persenbeog, 7. Juni 180S. Staats-
raths-Acten.
' Aus der zweiten, hier gleichfalls mitgetheilten Denkschrift. — Offenbar
einen Irrthum begeht Mettemich (Nachgelassene Papiere, II. Bd., S. 446),
wenn er als die letzte staatsräth liehe Organisation jene vom Jahre 1807
bezeichnet; es war dies vielmehr die vom Jahre 1808, von welcher er
merkwürdiger Weise in seinem für den Kaiser bestimmten Vortrag gar
keine Notiz nimmt.
803
Von nicht minderer Bedeutung ist die zweite Denkschrift
Rainers^ die^ indem sie alle Lebensäusserungen der Monarchie
umfasst^ den Erzherzog in einem noch ganz anderen Lichte
als die erste zeigt^ wo er sich nur mit einer einzigen Gestaltung
des staatlichen Organismus beschäftigte. Entstand die erste
Denkschrift fast unmittelbar vor Ausbruch des Krieges von
1809, 80 gehört die zweite dem Ende desselben an. Sie wurde
einige Zeit nach dem Schönbrunner Frieden, im December
1809, entworfen. Bis zu dieser Zeit war Rainer der Stellver-
treter des Kaisers, also ununterbrochen in der Lage, gleichsam
von höchster Stelle aus alle Bedürfnisse der Monarchie aus
eigenste Erfahrung kennen zu lernen. Dieser Umstand ver-
leiht seinen Ausflihrungen einen so hohen innern Werth, weil
man aus denselben einen Mann reden hört, der nicht von ferne
beobachtet, sondern, mitten in der Entwicklung des Staates
stehend, genau den Pulsschlag der Monarchie fühlen konnte.
Folgen wir ihm in den Kreis seiner Wirksamkeit bis zur Ab-
fassung seiner f)ir den Kaiser bestimmten Arbeit!
Als der Krieg schon sicher war, ernannte Franz den
Erzherzog flir die Zeit seiner Abwesenheit zum Vorsitzenden
der ,AIlerhöchst delegirten Commission', deren Wirkungskreis
sich auf Recratirung, Approvisionirung der Armee, Finanz-
massregeln und dergleichen erstreckte.^ Voll Eifer widmete
sich Rainer seiner Aufgabe. Ueberall ist er bemüht, den An-
forderungen zu genügen. Als die glänzenden Erfolge Napo-
leons diesen in die Nähe Wiens ftlhrten, protestirte Rainer,
wiewohl nutzlos, gegen die Absicht, die Residenz in Verthei-
dig^ngszustand zu setzen.* Gleich Erzherzog Carl erwartete
auch er das Heil des Staates von einem raschen Friedens-
schlüsse. ,Ich hege nur einen Wunsch,^ — schrieb er an
Herzog Albert — ,nämlich jenen, dass bald Friede und die
Provinzen von dem so niederdrückenden Joche des Feindes
bald befreit werden mögen.'* Rainer scheute sich auch nicht,
^ Bainer an Zinzendorf. Wien, 7. April 1809. Staatsraths -Acten. An die
Länderche£i. Ibid. — Hock-Biedermann, Der österreichische Staatsrath,
S. 663.
' Wertheimer, Zur Geschichte Wiens im Jahre 1809. Archiv für österr.
Geschichte, 74. Bd.
• Rainer an Herzog Albert. Concept. Undatirt, gehört nach Inhalt in die
erste Hälfte des August 1809. Hofbibliothek. Cod. Rain. 59.
S04
diese Ansicht dem Kaiser Torzutragen. Allein jedes derartige
Bemühen war vorläufig aussichtslos^ da die Kriegspartei noch
immer das Uebergewicht hatte. ^Bellegarde^ Bubna^ Duka,
Majer, Radetzky^ Kutschera, Baldacci, Stadion sind die Fai*
seurs/ bemerkt Rainer in seinen Aufzeichnungen.^ Ebrst im
September 1809 dringt die Friedenspartei durch,' und der Erz-
herzog bezeichnet es als ^grossen Dienst^, den Liechtenstein
der Monarchie geleistet, indem er als Friedensunterhttndler es
auf sich nahm, entgegen der ihm ertheilten Instruction, unter
seiner Verantwortung, in die Zahlung von 8ö Millionen Kri^a-
contribution zu willigen.'
Nach dem Schönbrunner Frieden (14. October 1809)
erhielt Rainer Befehl, das Personale des Staatsrathes und des
Cabinetes nach dem vom Feinde geräumten Wien zurückzu-
senden. Da Franz bezüglich des Erzherzogs keine Entschei-
dung getroffen, plagte diesen die Ungewissheit über seine künf-
tige Bestimmung. ,Ich frage mich daher in aller Unterthänig*-
keit an,^ — schrieb er an den Kaiser — ,ob ich mich nun, wo
alle Behörden in die Hauptstadt zurückkehren, nicht dahin
verfügen und bei Wiederkehr der alten Ordnung in jene Wirk-
samkeit wieder eintreten soll, welche ich auf Ew. Majestät
Befehl schon mehrere Jahre vor dem Krieg und, wie ich es
mir mit voller Ueberzeugung schmeicheln darf, zur Zufriedenheit
Ew. Majestät ausübte, oder was sonst Ew. Majestät mit mir fbr
itzt und fllr die Zukunft zu befehlen geruhen, indem ich vor
Eifer brenne, Ew. Majestät und dem Staate noch femer meine
Kräfte und Zeit zu weihen und so nützlich als mOglich zu
sein.^ ,Nicht8^ — lautet der höchst charakteristische Schluss
des Briefes — ,würdc mich tiefer kränken, als mit dem Be-
wusstsein, immer strenge meine Pflicht erfüllt zu haben und
nützen zu können in der gegenwärtigen Epoche, wo sich so
viel thun, so viel verbessern lässt, welche eine der wichtigsten
für den Staat ist, wieder in Unthätigkeit ver&Uen zu müssen.'^
* Notate des Erzherzogs. Cod. Rain. 59.
' Ibid. jAlles Frieden, sogar Zichy — nur Baldacci will Krieg.* — Siehe
auch: Wertheimer, Bd. II, 8. 416 ff.
* Notate des Erzherzogs. Hof bibliothek. Cod. Rain. 69.
* Rainer an Franz. SO. November 1S09. Concept, gani eigeohlodig. Hof-
bibliothek. Cod. Rain. 59.
305
Diese ^Pflichterfüllung^ erblickte Rainer in der neuen
Epoche^ die unmittelbar dem Friedensschlüsse folgte^ in Vor-
schlägen zu einer gänzlichen Reform der Monarchie. Schon
am 20. October 1809 hatte er dem Kaiser in einem Vortrage:
,üeber die Art, wie den Provinzen nach dem Frieden aufge-
holfen werden könnte/ gesagt: ,Blos in diesem feierlichen
Augenblick, wo Jedermann mit gespannter Aufmerksamkeit auf
die Schritte der Regierung sieht und ihre Bemühungen zur
Regenerirung mit Eifer unterstützt, kann man Reformen mit
Nutzen vollbringen, die Versäumung desselben ist unersetzlich.^ ^
Was er in diesem Vortrage nur andeutete, dass ,Herstellung
der Finanzen, Gleichstellung aller Provinzen, Vereinfachung der
Administration und aller Zweige derselben, Belebung der In-
dustrie und des Handels, beträchtliche Reduction der Armee,
Hervorziehung und Anstellung der talentvollsten Köpfe des
Staates' die Hauptreformen seien, die unbedingt durchgeführt
werden müssen, suchte er in der Denkschrift, die wir hier
verdffenUichen, ausftihrlicher zu begründen.
Man kann dieselbe erst ihrem vollen Werte nach wür-
digen, wenn man zugleich die Art und Weise kennen lernt,
wie der Erzherzog arbeitete. Seine Sammlungen, wie sie in
einer Unzahl von Folianten in der k. k. Hofbibliothek auf-
bewahrt werden, gewähren zu diesem Behufe den nöthigen Ein-
blick. Die von ihm herrührenden, viele Bände zählenden
Reisebeschreibungen der einzelnen Länder bezeugen es aufs
Deutlichste, wie der Erzherzog trachtete, sich von dem Zu-
stande der Bewohner, der Verwaltung etc. eingehende Kenntnisse
zu verschafiFen. Obwohl er selbst überall mit eigenen Augen
prüfte, liess er sich nichtsdestoweniger auch von den Behörden
ausftihrliche Berichte vorlegen, und so nehmen die statistischen
Notizen in seinem Nachlasse einen sehr bedeutenden Raum ein.
Der Eh^herzog las ungemein viel, und man gewinnt gewiss
eine hohe Meinung von seiner Geistesrichtung, wenn er einmal
von sich sagt, dass seine Bücher in den Stunden der Müsse
sein grösstes Vergnügen bilden.* Die Gelehrten, die mit ihm
verkehrten, rühmten seine bedeutenden mineralogischen und
* Hof bibliothek. Cod. Rain. 69.
' Kotate des Erzherzogs. Ibid.
306
chemischen Kenntnisse.* Angeregt von denselben ffthlte er
auch den Drang in sich zu schreiben^ wie er denn in den
^Vaterländischen Blättern^ unter dem Zeichen ,R/ — wohl eine
äusserst seltene Erscheinung — einige Aufsätze publicirte.*
Getrieben von diesem schriftstellerischen Drange, wollte er auch
eine Geschichte der Regierung des Kaisers Franz bis zum Ende
des Krieges von 1809 schreiben. Leider kennen wir davon
nur das Skelet der Anordnung. Charakteristisch ist daraus
folgende Stelle über den Finanzminister O'Donell: , Anfangs gut,
den Mantel nach dem Wind, im alten System.' * Als gewandter
Schriftsteller entwarf er auch die vorliegende Denkschrift unter
dem Titel: ,Ideen über einzuflihrende Reformen und Verbes-
serungen in der österreichischen Monarchie. Ofen, December
1809.'
Der Friede, sagt er da, macht es nöthig, im Vorhinein
auf die Ergreifung eines Systems zu denken, das den neuen
Verhältnissen und dem höchst hilfsbedürftigen Zustande der
Monarchie entspricht. ,Wie dieses zu bewerkstelligen sei,' —
heiast es im Eingange — ,war mein immerwährender Gedanke
seit Ausbruch des Krieges, da ich den Frieden als einzige
Gelegenheit betrachte, wo man nach einem unglücklich ge-
führten Kriege mit dem Beifalle aller Unterthanen grosse Staats-
reformen machen kann, jeder andere Augenblick ist, wie es
die Erfahrung zeigt, viel weniger dazu geeignet. In jedem
anderen Zeitpunkte sind wichtige Reformen sehr schwer und
nur langsam auszuführen.' Von diesem Gesichtspunkte aus-
gehend, bespricht er nun alle Zweige der Staatsverwaltung,
den Staatsrath, das Cabinet, das Departement der auswärtigen
Angelegenheiten, das Militär, die Finanzen etc. Keine Aeus-
serung des staatlichen Lebens, kein Bedürfiiiss desselben ent-
geht seinem prüfenden Blicke. Er will eine Umgestaltung von
Grund aus, und man muss ihn über Schule und Kirche, über
die Polizei, den Handel reden hören, um sich von dem hohen
Schwünge zu tiberzeugen, der ihn bei dieser Arbeit beseelte.
^ Dies erw&hnt SchwiUen in seinem Votum sn einem Vortrage Runers
vom 26. October 1810. Staatsraihs -Acten.
* Vaterländische Blätter 1811. ,Ueber den projectirten Ssolnoker Kanal*
p. 87, und p. 437: ,Aach ein Wort über die Zuckererzeng^ng.* Die
Manascripte der von ihm veröffentlichten Aufsätze im Cod. Rain. fasc. 9.
' Notate des Erzherzogs. Cod. Rain. 69.
807
«
Aller Aberglaube soll bekämpft und ^aufgeklärte^ Religiosität
unter dem Volke verbreitet werden, dessen Bildung er als un-
erlässlich fUr den Staat bezeichnet. Nur dadurch allein kann
der Bürger über seine Pflichten belehrt und wahrer Patriotismus
verbreitet werden. ,Blos durch die jedem Stande angemessene
Bildung/ — heisst es an einer Stelle — ,vereint mit wahrer
Religiosität, lässt sich ein wohl geordneter Staat, gute ordnungs-
liebende Staatsbürger und ein einstimmiges Zusammenwirken
zum Besten des Staates denken, wodurch alle Bemühungen
der Staatsverwaltung erleichtert werden und ihr von allen
Seiten mit Eifer an die Hand gegangen wird, welches der
wünschenswertheste Zustand eines Staates ist/ Um dies Ziel
zu erreichen, soll ein Studienplan entworfen werden, der allen
Schichten der Bevölkerung Rechnung trägt. Er ist dagegen,
dass in den unteren Classen Geistliche lehren, ,deren Unterricht
immer einseitig bleibt, da sie in den Klöstern eine einseitige
Erziehung erhalten und selten mit dem Zeitgeiste vorrückend
Desgleichen verlangt er, dass die höheren Schulen ,auf einer
Uberalen Art organisiret werden', dass ,mehr Concurrenz im
Lehren über einen Gegenstand erlaubt werde, damit sich da-
durch Lehrer bilden und sich dieselben, durch die Concurrenz
dazu gezwungen, mehr Mühe in ihrem Vortrage geben müssen'.
Denselben Geist athmen seine Ideen über polizeiliche Einrich-
tungen. Und wenn man bedenkt, dass nach dem kurzen, von
Erzherzog Carl und Stadion begünstigten freiheitlichen Auf-
schwung die Monarchie sich bald in einen Polizeistaat ver-
wandelte mit all seinen Auswüchsen, so klingen die Worte,
deren sich Erzherzog Rainer diesbezüglich vor den Stufen des
Thrones bediente, wie eine ernste Mahnung, diesen gefährlichen
Weg nicht zu betreten. Nach ihm soll die Polizei ,alle Klei-
nigkeiten, alles Einmischen in Familienverhältnisse, alle ein-
seitigen und mangelhaften Darstellungen sorgfältig vermeiden'.
,lhr Hauptzweck' — sagt er ebenso schön als wahr — ,und
die Bemühungen ihrer Glieder sollen hauptsächlich sein, die
Menschen kennen zu lernen und sie in ihrer wahren Gestalt
dem Landesfbrsten darzustellen, alle Verbrechen, alle verbor-
genen bösen Handlungen zu entdecken und die Verbrecher
schnell der Strafe zu überliefern; mit Aufmerksamkeit auf die
Verbindungen des Auslandes in der Monarchie zu wachen und
endlich die Volksstimmung, die Stimmung und Meinung ver-
808
•
Bttadiger Männer über Staatseinrichtangen und Anordnungen
auszuforschen^ den LandesfUrsten immer von denselben zu unte^
richten und dadurch auf das Mangelhafte seiner Anordnungen
und die Mittel^ sie zu verbessern, aufinerksam zu machen,
welches das schönste Recht der Polizeibeamten ist und wodurch
wichtiger Nutzen gestiftet werden kann/
Wie hoch wir aber auch diese von edelster Gesinnung
zeugenden Ausftlhrungen anschlagen mögen, so bildet doch das
wichtigste Stück der erzherzoglichen Arbeit jener Abschnitt,
wo er von Umgestaltung der Verfassung der einzelnen Länder
und von den Beziehungen Ungarns zu den übrigen Theilen
der Monarchie spricht. Vielfach beschäftigte man sich damiJs
mit einer Reform des Verhältnisses Ungarns zu den deutschen
Erbländem. Gewiss ist Montgelas zu weit gegangen, wenn er
den wesentlichsten Vortheil, den Oesterreich nach 1809 aus
seiner neuen Verbindung mit Frankreich ziehen werde, in der
Unterwerfung Ungarns erblickte.^ Fehlt es auch an Beweisen
ftLr derartige gewaltsame Bestrebungen in den massgebenden
Kreisen, so bestanden unleugbar doch Tendenzen, welche die
Monarchie auf einer neuen staatlichen Grundlage regeln wollten,
auf einer Grundlage, die mehr als bisher Bürgschaft für eine
einheitlichere Gestaltung gewähren konnte. ,Der Mangel von
Einheit ist der österreichischen Monarchie äusserst nachtheilig,'
schrieb 1810 Freiherr von Stein* an Stadion, der das Streben
der Ungarn nach Selbstständigkeit nur ungeme sah. Fast um
dieselbe Zeit empfahl der Palatin zum Zwecke der Amalga-
mirung der Monarchie verschiedene Mittel, darunter die Aus-
dehnung der constitutionellen Vorzüge der ungarischen Ver-
fassung auf die übrigen flrblande.^ Das gleiche Ziel verfolgte
Rainer mit den Vorschlägen, die er unmittelbar vor dem Palatine
in der vorliegenden Denkschrift dem Kaiser unterbreitete. Audi
sie zielen auf den Einheitsstaat ab. ,Unsere Monarchie,' —
sagt er — ,diese8 Aggregat verschiedener Staaten und Ver-
fassungen, kann nie zu einem dauernden Wohlstand, zu einer
zweckmässigen Regierung und zu dem ihr vermöge ihrer
> Denkwürdigkeiten des Grafen Montgelas, S. 225.
» Pertz, Leben Stein's, II. Bd., S. 432.
> Wertheimer, ^Freymüthige Oedanken Über die Regenerierung des österr.
KaiserstaatsS Juli 1810, in ,Ung. Berue' 1881.
309
Waffenzahl und ihres Flächeninhaltes gebührenden Ansehen
kommen, bis sie nicht ans einem Staate, aus einer Nation be-
steht, bis nicht die verschiedenen Theile eine Verfassung er-
halten, bis nicht alle die Vereinigung der Nation hemmenden
Umstände beseitigt sind/ Und da ist es denn im höchsten
Grade interessant, dass Rainer gerade so wie sein Bruder, der
Palatin, den Einheitsstaat auf dem Wege der Uebertragung
der allerdings reformirten ungarischen Verfassung auf die übrigen
Theile der Monarchie erstehen lassen möchte.
,Es ist eine Frage,* — lautet die charakteristische Stelle
der Denkschrift — ,ob es nicht zweckmässig wäre, das Modell
der neuen Verfassung nach den neuen Grundsätzen, jedoch
nach der Form Ungarns, zuerst in diesem Lande aufzustellen,
dieses als Hauptkörper zu betrachten und dann die anderen
Provinzen darnach zu modeln; dadurch wird sie in Ungarn
leicht Eingang finden, sobald das verhasste Ummodeln nach
den deutschen Provinzen nicht mehr erwähnt wird, und der
Ungar wird dann in dem Wahn erhalten, dass die Verfassung
aller Provinzen nach seinem Lande abgeändert wird, welches
ihn fUr Alles empfklnglich machen wird und zugleich den edlen
Nationalcharakter desselben aufrecht erhält; wodurch endlich
der Zweck, den sich die Staatsverwaltung vorsetzt, doch er-
reicht wird/ Bekanntlich blieben sowohl Josefs wie Rainers
Idee, obwohl sie damals gleichsam in der Luft lagen, unaus-
geführt, da die Furcht vor Ungarns Widerstand den Gedanken
an die einheitliche Gestaltung der Monarchie zu Falle brachte.
Diese Denkschrift, welche des hier kurz skizzirten Inhaltes
wegen fUr die innere Geschichte der Monarchie von höchstem
Werthe ist, verfasste Rainer, als die Reaction gegen den Einfluss
der Erzherzoge, wie sie nach den unglücklichen Ereignissen
von 1809 immer mehr zur Geltung kam, noch nicht das Ueber-
gewicht erlangt hatte. Von diesem Momente an nehmen, mit
Ausnahme des Palatins, die Erzherzoge fast gar keinen thä-
tigen Antheil an den Ereignissen. So wissen wir, dass Rainer
es jetzt nicht wagte, dem Kaiser von Geschäften zu reden,^
und dass ihn seine erzwungene Unthätigkeit betrübte.* Ab-
^ Tagebuch eines Ungenftnnten. 19. JInner ISIO. II (Rainer) n*ose plus
lai (dem Kaiser) parier affaires.
* Ibid. 26. Februar 1810.
810
gesehen von einem einzigen Stücke,^ enthalten in der That die
Staatsraths-Acten keine Ausarbeitungen mehr von ihm. Erst
1815^ als sich der Kaiser zur Armee begab^ sehen wir ihn
wieder als Stellvertreter desselben fungiren.' Im folgenden
Jahre sendet ihn Franz nach ItaUen zur Bereisung dieses König-
reiches. Die fast tägUchen Berichte, die er von dort aus an
seinen kaiserUchen Bruder schickt,^ zeugen von dem Eifer, mit
welchem er dies Land studirte. ,Die Reise^ — schreibt er am
26. September 1816 — ,wird sich wohl auf eine längere Zeit,
als ich anfangs glaubte, hinausdehnen, aber ich hoffe dann
auch den mir von Höchstdemselben gegebenen Auftrag voll-
kommen erreicht zu haben und mir eine genaue Kenntniss
dieses ganzen so wichtigen Reiches verschafft zu haben, zu
welchem ich nun auch hier im Mittelpunkt alle Quellen sammle.'^
Er erfreut sich jetzt des vollen Vertrauens des Kaisers, erhält
sogar den Auftrag, in aller Stille seinen Bruder Ludwig, ohne
dass Jemand etwas davon erfahren dürfe, mit den Agenden
des Staatsrathes bekannt zu machen.^ Die nächste Folge dieses
wieder erworbenen Vertrauens war, dass er, nachdem vorher
Erzherzog Anton dazu ausersehen gewesen,^ zum Vicekönig des
lombardisch- venezianischen Königreiches ernannt wurde.'' Damit
tritt die staatsmännische Wirksamkeit Rainers in eine neue Phase,
deren Darstellung nicht mehr in den Kreis dieser Arbeit gehört
Es erübrigt mir noch, Sr. k. und k. Hoheit dem durch-
lauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer meinen ehrfurchtsvollen
Dank ftlr die gnädige Erlaubniss auszudrücken, den in der
k. k. Hofbibliothek befindlichen Nachlass von Höchstdessen
Vater, weil. Erzherzog Rainer, benützen zu dürfen. Diesem
Nachlasse, der mir bereitwilligst von der Direction der Hof-
bibliothek zur Verfügung gestellt wurde und bei dessen Durch-
1 Rainer an Franz. 26. October 1810 (in den Staatsraths-Acten des Jahres
1812) Über Hebung des Salzwesens in Ungarn.
* Siehe FelgeVs Artikel Ober Erzherzog Rainer in der »Allgemeinen deut-
schen BiographieS 27. Bd.
' Ich gedenke, dieselben bei anderer Gelegenheit zu veröffentlichen.
* Rainer an Franz. Mailand, 26. September 1816. Wiener Staatsarchiv.
'^ Rainer an Franz. SchOnbrunn, 24. September 1817. Wiener Staatsarchiv.
* Handschreiben des Kaisers an den Obersthofmeister Fürst Trauttmans-
dorff. Mailand, 7. Mftrz 1816. Staatsraths-Acten.
» 23. December 1817.
311
forechung mir die Herren Ciistos Dr. von Göldlin und Scriptor
Henöik hilfreich an die Hand gingen, entnahm ich die hier
yeröflFentlichte zweite Denkschrift (Cod. Rain. fasc. 10).
Die erste Denkschrift dagegen gehört den im Staatsarchiv
befindlichen Staatsraths-Acten an (fasc. 10, 1808).
Für die Gewährung der Einsicht in dieselben ftlhle ich
mich Sr. Excellenz Herrn Qeheimrath Alfred Ritter v. Arneth
zü lebhaftiestem Danke verpflichtet; desgleichen gebührt meine
ErkenntUchkeit auch Herrn Staatsarchivar Dr. Schrauf.
Rücksichtlich der beiden Denkschriften habe ich noch zu
erwähnen, dass die erste als Concept vorUegt, die zweite als
Abschrift, versehen mit der eigenhändigen Unterschrift des
Erzherzogs. Die Aenderungen der Orthographie der beiden
Actenstüeke erfolgten nach den jetzt üblichen Grundsätzen.
SprachUche Eigenthümlichkeiten wurden gelareu beibehalten.
Sonstige Verbesserungen oder Einschaltungen im Texte sind
durch Noten oder ELlammem ersichtlich gemacht.
\
1. Denkschrift.
Organisation des Staatsrathes.
1808.
L Abschnitt.
Allgemeine Betraohtangen über die gegenwartige und Vor-
schlag zu einer zweokmassigeren Central-Staatsverwaltang.
Anf Ew. Majestät ausdrücklichen Befehl wage ich es hier einen
Gegenstand zu behandeln, der von der alleränssersten Wichtigkeit, all-
gemein erkannten Nothwendigkeit nnd grössten Dringlichkeit ist; ein
Gegenstand, der die Seele des Staatskörpers und folglich der höchsten,
unerlässlichsten Bücksicht würdig ist. Dieser Gegenstand ist die oberste
Leitung oder Leitungsart der Staatsmaschine.
Ich würde meines Erachtens die Grenzen des höchsten Befehls
überschreiten, wenn ich hier die ganze Stufenleiter der zur Erhaltung
und Fortführung der Staatsmaschine bestehenden Behörden aller Art
aufführte, mich in eine Prüfung ihrer dermalen bestehenden Organisimng
einliesse und bei Aufdeckung mancherlei Fehler und Gebrechen die kost-
bare Zeit mit Plänen zur Abstellung derselben vei'schwendete, weil ich
nach meiner innigsten üeberzeugung das ängstliche, alle Augenblicke
erneuerte Aufsuchen der Gebrechen in der Yerwaltungsmanipolation nnd
die daraus entspringenden oftmaligen Organisationsyeränderungen für
weit schädlicher und die Staatsmaschine zerstörender halte, als es die
Gebrechen und sich einschleichenden Mängel selbst sind, welche man
meistens ohne alles Aufsehen, ohne grosse Erschütterungen, ohne Be-
lästigung des Aerariums leicht abstellen könnte, wenn man unmittelbar
der Ursache oder Veranlassung des Gebrechens mit Kraft begegnete,
folglich ein oft kleinwinziges Bad der Maschine ausbesserte, ohne sie
selbst dieses Mangels wegen ganz zu zerstören, ohne ein schönes grosses
Haus bis auf den Grund niederzureissen, weil allenfalls ein Thüi'stock
verfault ist.
313
Ich glaube hier nur vou der zweckmässigsten Leitungsmethode im
Centro aller Geschäfte der Monarchie, von der Hauptkraft, welche die
g&Aze Maschine belebt und in gleichförmiger Bewegung erhalten soll,
sprechen zu dürfen, weil es theoretisch und praktisch gewiss ist, dass
aUe Hof-. Landes- und alle- übrigen Behörden sicher ordentlich und
zweckmässig vorgehen werden, sobald die Impulsion ex centro so ist, wie
sie sein soll. Bevor ich aber meine Meinung über diesen Gegenstand
aufstelle, muss ich Ew. Majestät bitten, mir zu erlauben, dass ich als
Basis meiner gegenwärtigen Abhandlung nebst dem vorerwähnten Erfah-
nmgssatze noch einige derselben vorausschicken darf, welche seit Jahr-
hunderten bis auf die neuesten Zeiten alle möglichen Wahrheitsproben
bestanden haben und folglich unwiderlegbar die allerrichtigste Richt-
schnur zu einer so soliden und zweckmässigen obersten Leitungsmethode
abgeben können, als man auf dieser Welt nur etwas Solides giünden kann.
Möglichste Vereinfachung der currenten Staatsgeschäfte im Centro
und unbedingte Entfernung der grossen Menge kleinfügiger Geschäfte,
welche bis itzt Ew. Migestät die kostbare Zeit rauben, die Sie sonst den
weit wichtigeren, dringenderen, das Gesammtwohl der Monarchie betreffen-
den Gegenständen, dem Ueberblicke über das Ganze und der Erfüllung
Ew. Migestät sehnlichsten Wunsches, alle Hauptbestandtheile der Begie-
nmg in eine Harmonie zu bringen, widmen würden. Ew. Majestät sind
überzeugt, dass die Centralgeschäftsführung nicht anders gedeihen und
dem Endzwecke entsprechen kann, als wenn die Hauptbranchen zusam-
mengreifen und die verschiedenen Hofstellen sozusagen unter einen Hut
gebracht werden. Dieses zu bewerkstelligen, liegt aber blos in dem Willen
Ew. Majestät, kann nur durch Annahme eines soliden, der Dauer fähigen
Systems, durch Festigkeit, Ernst, Eiaft, volles Zutiauen und ausgezeich-
nete, zweckmässige^ prompte Belohnungen, wie auch durch strenge, all-
gemein bekannt werdende Strafen ausgeführt werden.
Um Ew. Majestät aber in die Lage zu setzen, dass Sie Ihre sehn-
lichsten Wünsche, nämlich die Wiederherstellung und Beförderung der
Wohlfahrt Ihrer Völker, die möglichste Aufhebung des von allen Behörden
und von so vielen Privaten mit allen seinen Übeln Folgen so oft geschil-
derten Druckes derselben und die Möglichkeit Ew. Majestät heiliges Ver-
sprechen und kaiserliches Woii;, den gekränkten Untei-thanen zu helfen,
halten zu können, endlich einmal erfüllt zu sehen, muss nach meinem
Ermessen die oberste Geschäftsführungsmethode eine von der gegenwär-
tigen ganz verschiedene Organisirung erhalten.
Diese Organisation muss Ew. Miyestät die oberste Leitung der
G^hftfte in jeder Hinsicht erleichtern. Sie muss Ew. Majestät in den
AreUr. LXIVUI. Bd. II. Hilft«. 21
■
314
Stand setzen, die Staatsgescbftfte, welche zwar Ihrer Allerhöchsten Einsicht
würdig sind, die ich aber dennoch cnrrente Staatsrathsgeschftite nennen
kann, täglich in der kürzesten Zeit zu erledigen und folglich niemals
Bückstände solcher Stücke, welche zwar sehr wenig Bezug auf das Ganze,
aber oft und meistens die grösste Wichtigkeit für den Privaten haben,
der in regula nur dann Geschäfte anhängig macht, wenn ihn seine Selbst-
erhaltung dazu zwingt, daher die mindeste Verzögerung der Entscheidung
über seine Angelegenheit oft die grösste Ungerechtigkeit wird, anwachsen
zu lassen. Dadurch muss Ew. Majestät täglich ein grosser Zeitgewinnst
für die wichtigsten, das Gesammtwohl der Monarchie betreffenden Ange-
legenheiten zuwachsen. Wie stark die Zahl derselben, wie gross ihre
Wichtigkeit und Dringlichkeit in der gegenwärtigen Lage der Monarchie
sei, ist Ew. Majestät bekannt. Sie wird Ew. Majestät noch nebstbei
täglich mehrere Stunden freigeben, in welchen sich Ew. Majestät viele,
bis itzt unbekannte Daten über den Zustand der Monarchie, von allen
Seiten betrachtet, wird sammeln können, die in den Eanzleiacten niemals,
wohl aber in anderen Schriften und Blättern erscheinen und auch häufig
durch Unterredungen mit ganz anspruchslosen, oft nur von wenigen Ge-
bildeten in der Residenz gekannten, weit öfters vom Auslande gerühmten
und geschätzten Männern, die geräuschlos in Ew. Mi^estät Staaten leben,
können erworben werden. Ferner werden Ew. Majestät bei der Organi-
sation, die ich gehorsamst vorschlagen werde, mehr Zeit finden, sich von
dem Zustande der öffentlichen Anstalten, von der Nothwendigkeit so
mancher grossen Unternehmungen und Anlagen zum allgemeinen Besten
persönlich zu übei'zeugen, wobei nicht nur dieser wichtige Theil der
Staatsverwaltung, sondern auch Ew. Majestät unschätzbare Gesundheit
durch häufige Bewegung und Ew. Majestät geheiligte Person als Herrscher
dadurch noch mehr an Liebe gewinnen wird, weil nach einer durch alle
Zeiten erprobten Wahrheit das Volk jenen Regenten verehrt, welcher
öffentlich sich aller Zweige der Verwaltung annimmt, welcher oft und
wo möglich auf der Stelle hilft und manchmal dort, wo Litriguen und
Privatinteressen sich gegen das allgemeine Wohl fest verbunden haben,
als Monai'ch durchgreift und die Bösewichter schnell straft, hingegen
aber auch die im Guten Bewähiiien grossmüthig belohnt. Nach meiner
innigsten Ueberzeugung werden Ew. Majestät bei der nachfolgenden
Organisation die höchste Gewissensberuhigung fühlen und sich über-
zeugen, dass diese Geschäftsleitungsmethode die einzige sei, welche bei
der menschlichen Unvollkommenheit die höchste Möglichkeit erzeugt, dem
Staatsendzwecke entsprechend zu regieren und die vielen Klagen, welche
beim ganzen Volke geführt werden, durch das einzig wahi'e Mittel, näm-
315
lieh durch wirkliche, nicht scheinbare, auch nicht palliative, sondern
dauernde Abhilfe ein Ende zu machen. Die vorzüglichsten Uebel, welche
besonders das Publicum der gegenwärtigen ßegierungsmethode zur Last
legt, sind: Systemlosigkeit, ungleiche Behandlung der Geschäfte, Ein-
seitigkeit, Kleinfügigkeit, Verzögerung, Misstrauen von allen Seiten, Un-
schlQssigkeit, Ei'aftlosigkeit, Mangel an Belohnung und Strafen, daher
grosse Immoralität der Beamten, freier Spielraum, welcher den Intriguen,
Kabalen, den gewinnsüchtigen Staatsbeamten, den kriechenden Heuchlern
nnd zudringlichen Unverschämten und der ganzen übrigen Zahl verächt-
licher Egoisten, Planmacher, Denuncianten, Vielschreiber gegeben wird,
zu häufige Versetzung höherer Beamten, wodurch der Dienst ausser-
ordentlich gefährdet wird, Mangel an Eenntniss der wahren Lage des
Staates in seinen inneren und äusseren Verhältnissen, Uneinigkeit unter
den Grossen des Eeiches, wenn es sich um das Beste Ew. Majestät und
des Staates handelt, hingegen Einigkeit, wenn es darum zu thun, Ew.
Majestät foiiwährend im Dunkeln zu erhalten, um dadurch ihre Privat-
vortheile höchst möglichst zu befördern, halbe Massregeln, welche immer
die verheerendsten sind, viel zu wenig Wirkungskreis der Präsidenten
and obersten Behörden, wodurch die Kräfte gelähmt werden, nicht nur
m'ehts Böses, aber auch nichts Gutes thun, um die Geschäfte in der kür-
zesten Zeit abthun zu können, keine Verantwortlichkeit der Beamten
und keine eingreifende Strafe, wenn sich einer erkühnen wollte, das
höchste Zutrauen zu missbrauchen. Dies sind ungeföhr nur die allge-
meinen Beschwerden; die besonderen specifischen Klagen und die ein-
zelnen Facta, welche Unzufriedenheit verursachen, hier nur zu berühren,
kann ich gegenwärtig nicht auf mich nehmen, weil die vorliegende Schrift
yiel zu lang werden und ich zu sehr mich von dem Zweck derselben ent-
fernen würde.
Nachdem ich nun einige vorzüglichere Bemerkungen über den vor-
liegenden Gegenstand aufgestellt habe, schreite ich zum eigentlichen Plan
einer Begierungsmanipulation im Centro, welchen ich nach meiner Ueber-
zeugong für den einzigen halte, welcher Ew. Majestät die vollste Ge-
wiseensberuhignng und die Versichei*ung geben kann, dass die Geschäfte
gnt und zweckmässig gehen werden, dass bei dieser Leitungsmethode die
Wohlfahrt des Staates sehr merklich gewinnen und die Zufriedenheit der
ünterthanen mit der Begienmg bald zunehmen wird.
21*
316
Eine CoUegialverfassiing ist seit jeher und unter allen Begiemngs-
formen für die beruhigendste, verlässlichste und gerechteste Art gehalten
worden, grosse und wichtige Geschäfte dem Endzwecke entsprechend za
behandeln, doch unter der unerlässlichen Bedingniss, dass die freie Deli-
beration durch gar nichts gestört und kein Glied dieses Collegiums auf
irgend eine Art gehindert werde, nach seinem besten Wissen und Ge-
wissen, aber stets auf eine Art, die eines gebildeten Mannes wfirdig ist,
zu sprechen. Ew. Majestät geruheten selbst zu bemerken, dass das
gegenwärtig bestehende ganz allein Beferiren der Staatsräthe Ew.
Majestät keine Beruhigung verschaffe, dass Sie dadurch oft zu einseitigen
Resolutionen verleitet worden seien, dass Sie Beschlüsse zu fassen be-
wogen wurden, die schon manche traurige Folgen erzeugt und endlich
Widersprüche und Widerrufungen der höchsten Befehle verursacht haben,
wodurch Ew. Majestät bei dem besten Willen, Ihre Begentenpflichten
möglichst zu erfüllen und Ihre hohe Würde in dem geziemenden noth-
wendigen Ansehen zu erhalten, vor der ganzen Welt schon so oft com-
promittirt wurden. Ich finde es begreiflich, dass Ew. Majestät Vorträge,
die Ihnen auf diese Ai-t schon referirt worden sind, dennoch unerledigt
zurückbehalten und privative noch andere Sachverständige darüber ver-
nehmen, weil es nicht zu verlangen und schlechterdings unmöglich ist,
dass Ew. Majestät bei dem Zusammenfluss so verschiedener Geschäfte
sich auf den Hergang eines jeden Geschäftes, auf die Verbindung, die
dieses mit den übrigen, wieder von anderen Staatsräthen bearbeiteten
und einzeln referirten Staatsgeschäften hat, erinnern können; dass Sie
bei dem wirklich sehr staatsschädlichen Schwall der zu Ew. Majestät
gelangenden Gegenstände jeden selbst prüften und sich dadurch in die
Lage setzten, sämmtliche Staatsgeschäfte nach einem Geiste, nach einem
Hauptsysteme, d. i. dem Regierungsendzwecke entsprechend, zu Ähren.
Jeder allein referirende Staatsrath, wenn er wirklich gar keine
Nebenabsicht dabei hat, hält wenigstens seine Meinung für die beste und
wird, wenn er allein referirt, wohl sehr wahrscheinlich seinen Gründen
viel mehr Gewicht zu geben wissen, als die Gründe aller übrigen Votiren-
den nach seiner Meinung zusammen haben. Wie leicht können aus diesen
kleinen Conferenzen Partialitäten, Personalitäten, Einseitigkeiten, th«il-
weise oder gänzliche Umwälzungen von lang und gut bestandenen Ver-
fassungen entspringen, die nur hie und da kleiner, den gebieterischen
Zeitläuften angemessener Abänderungen und Verbesserungen bedürften,
um wieder ganz unvermerkt recht gut zu werden, die aber dennoch aus
Nebenrücksichten umgewälzt wurden, wodurch der Credit der Begierong
untergraben, grosse Unordnungen in den Geschäften, unnütze Verschleu-
817
denmg grosser Sammen ohne den mindesten Yoriheil fflr den Staat
henrorgebracht worden. Alle einer guten Ordnung und zweckmässigen
Verwaltung zuwiderlaufenden Ereignisse werden allgemein von dem Pu-
bUenm diesen Privatconferenzen zur Last gelegt, und die allgemeine
Stimme lautet: ,Der Kaiser hat sich schon wieder durch diesen oder jenen
Staatsrath irrefQhren lassen; das Schicksal der Monarchie hängt bald
Ton diesem, bald von jenem Menschen ab.' Wenn nun Ew. Majestät die
gewiss gute Absicht, die Sie bei Einführung dieser kleinen Oonferenzen
m(igen gehabt haben, so geradewegs vereitelt und die Übeln Folgen so
evident daraus entspringen sehen, so müssen Ew. Majestät nothwendig
misstranisdi werden. Das Misstrauen verursacht neue Vernehmungen,
das Stück, welches schon lang der Erledigung benöthigte, kömmt in neuen
ümtrieb, die schriftlichen Meinungen fallen getheilt aus, was vielleicht
uidit geschoben wäre, wenn sich die Sachverständigen in einer gemein-
schaftlichen Sitzung gegeneinander ofTen erkläirt hätten, Ew. Majestät
werden unschlüssig, das Geschäft unendlich verzögert, und da demnach
der Abfluss der Geschäfte mit dem Zuströmen nicht gleichen Schritt hält,
so muss im Centro jene leidige Stockung entstehen, welche Ew. M^estät
80 sehnlichst auf immer aufgehoben wünschen und deren Hebung und
niemals Wiederkehr so unumgänglich und dringend nothwendig ist.
Wenn ich wirklich von der allgemeinen Meinung, die über den Werth
dieser Privatconferenzen einstimmig negativ ist, abstrahire und dieses
Alleinreferiren der Staatsräthe seiner Natur nach prüfe, so kann ich
nach meinem besten Wissen und Gewissen in solchem nichts Anders als
die Quelle von grossem Unheil finden. Nach meiner innigsten Ueber-
zengnng ist demnach dieses Alleinreferiren der Staatsräthe sogleich auf-
zuheben und dafür sogenannte grosse Oonferenzen, d. i. die förmliche
Bildung eines permanenten staatsräthlichen Gremiums, ein ad deliberan-
dum et finaliter concludendum unter Ew. Majestät oder des dirigirenden
Staats- und Oonferenzministers Vorsitze bestehendes OoUegium von Män-
nern einzuführen, welche in Hinsicht ihrer strengen Moralität, hohen
Beamtentugenden) lang erprobten Fähigkeiten, Geschäftskenntnissen
und rflhmlich geleisteten erspriesslichen Dienste die allgemeine Achtung
und volles Zutrauen besitzen, welche sich nicht scheuen, die Wahrheit,
m sie auch bitter, offen zu sagen und die Heuchler und kriechenden
Sdimeichler frei zu entlarven.
Um aber diesem wöchentlich, oder so oft es die Umstände er-
heischen, versammelten Staatsrathscollegium alles jenes zu benehmen,
was ihn schwerfällig, folglich seiner hohen Bestimmung, nämlich eine
kraftvolle prompte Leitung im Vereinigungspunkte des ganzen Staats-
318
körpei'B zu bilden, wjdei*sprechend machen könnte, muss die gegenwäi-tige
Zahl der Staatsrathsmitglieder und die Menge der ad majestatem von den
Behörden gelangenden Actenstücke beträchtlich vermindert werden. Ueber
die Zahl der künftig zu bestehenden Staats- und Conferenzrathsglieder und
über die Verwendung der gegenwärtig bestehenden werde ich Ew. Majestät
meine unvorgreifliche Meinung weiter unten zu Fössen legen.
Die Verminderung der so zwecklos grossen Zahl der von allen
Seiten ad majestatem gelangenden Vorträge und Noten kann zur grössten
Beruhigung Ew. Majestät und zum Besten des Staates ganz leicht und
den allgemeinen Wünschen entsprechend bewerkstelligt werden, wenn
Ew. Majestät gnädigst einen RQckblick auf die ersten Jahre Ihrer Re-
gierung, auf die Begierungen Ew. Majestät nächsten Vorfahren und auf
den allgemeinen bekannten Erfolg der damaligen Staatsverwaltangs-
methode werfen wollen, wo bei einer weit grösseren Ausdehnung der
Monarchie der gegenwärtig so laut geführte Vorwurf von Verzögerang
und Stockung der Geschäfte, welche nach dem Beispiele der obersten
Staatsbehörde nun auch seit geraumer Zeit bei den Hof- und Länderstellen
schrecklich eingerissen, nie gemacht wurde und wo die Geschäfte bei den
meisten Behörden so geführt wurden, dass im Ganzen wenig Unzufrieden-
heit herrschte, dass es mit der Wohlfahrt des Staates (selbst bei so
manchen MissgrifTen, die überall geschehen und ewig geschehen werden,
weil unter Menschen keine Vollkommenheit existirt) doch sehr vorwärts
ging und dass die damalige Regierung Liebe und VeHrauen im Li- und
Auslande besass.
Wie weit unser gegenwärtiger Zustand in jeder Hinsicht von d^n
vorbenannten verschieden, wie allgemein retrograd er sei, empfindet und
bestimmt leider schon der grösste Theil der Nation, erhebt schon laut
seine Stimme dagegen und sehnt sich nach billiger, dauernder und Ver-
trauen einflössender Abhilfe, welche sie vorzüglich in einer beruhigendem,
zur Hebung oder möglichsten Verminderung aller obgenannten Gebrechen
mehr geeigneten Staatsverwaltungsmethode, in der Annahme und Erhal-
tung auf Erfahrung aller Zeiten gegründeter diesfalliger Grundsätze
möglich und sogar leicht ausfahrbar findet. Wenn Ew. Majestät in dies-
fällige ältere und neuere Voracten, welche ich gesammelt habe und die ich
mit meinen unterthänigsten Bemerkungen hier beilege, einen Blick xu
weifen geruhen wollen, so wird es Ew. Majestät nicht entgehen, dass man
von Vereinfachung der Geschäfte, von der zweckmässigem Behandlung
derselben als dem einzigen, dem allgemeinen Besten entsprechenden Mittel
immerfort schreibt, nichtsdestoweniger aber bei jeder Reformation die
Geschäfte sich verdoppeln, das Heer von Beamten sich vermehren and die
319
Staatsaaslagen unerschwinglich sich vergrössern sieht; ' dass man Instruc-
tionen auf Instmetionen h&uft, die aber, weil sie oft Widersprüche, Wieder-
holungen, öfters nnberechnete, unausfQhrbare Weisungen enthalten, an
innerem Werthe, an Achtung und Vertrauen viel verlieren, und ungeachtet
der strengsten Verbote, über Allerhöchste Weisungen zu urtheilen, dennoch
Stoff zum Mitleiden mit dem dadurch so sehr gekränkten Staat und zur
Aergemiss über den Verfasser bei den Gutgesinnten, bei den Schaden-
frohen aber Gelächter erzeugen; dass man Strafen ankündigt, die aber
ohne Wirkung bleiben, weil sie so äusserst selten realisirt werden, oft
nicht werden können; dass man sich fast immer nur mit der Form abgibt,
mit Controlirungsmodalitäten die Zeit verliert, die eigentliche Sache oder
die Wesenheit der Staatsgeschäfte aber beinahe als eine Nebensache
behandelt.
Wie kann unter solchen Umständen das Zuströmen von Acten-
stücken ad m^jestatem vermindert, wie die Geschäfte beschleunigt, wie
das wahre Beste des Staates bezweckt, wie den Beamten Anhänglichkeit
zu ihrem Geschäfte eingeflösst, wie Ew. Majestät die oberste Leitung
erleichtert, wie das Aerarinm geschont werden? Alle jene traurigen
Folgen, deren ich weiter oben erwähnt habe und die der Begierung im
In- und Aaslande zur Last gelegt werden, müssen aus der gegenwärtigen
Behandlungsart der Geschäfte unausbleiblich fliessen und ganz unver-
meidlich Epochen herbeiführen, die freilich mandie Kurzsichtige für nicht
denkbar angeben, die sich aber dem wahren Patrioten, dem echten Ver-
ehrer seines Monarchen und wahren Freunde seines Vaterlandes leider
nor gar zu deutlich darstellen. Meiner unvorgreiflichen Meinung gemäss
dürften Ew. Majestät sich bewogen finden, mit vollkommener gegründeter
Bemhigung Ihr volles Vertrauen einem ehrwürdigen, die allgemeine
Achtang besitzenden Staatsrathscollegium zu schenken und das Wohl der
ganzen Monarchie unbekümmert diesem perpetuirlichen, nie sterbenden
Collegium von geprüften Männern anzuvertrauen. Ich glaube, dass es
' An der Seite steht zn dieser Stelle folgende Bemerkung: ,E8 kränkt und
empört, wenn man den höchsten Weisungen, welche vor vier Jahren den
Hof- und Lftnderstellen zur Pflicht machten, alle Aufmerksamkeit darauf
zu verwenden, die Zahl der Beamten so viel mOglich zu vermindern
and die Angestellten zu mehrerer Thfttigkeit und Eifer anzuweisen,
durch Veigleichung des Personal- und Besoldungsstatus des Staatsrathes
and sämmtlicher HofbehOrden vom Jahre 1801 mit dem dermaligen
Status so sehr Hohn sprechen sieht Die Vermehrung der Personen
and Besoldungen ist um so schrecklicher, wenn man nebstbei die Be-
standth'eüe der Osterreichischen Monarchie anno 1808 mit jener von 1801
vergleicht.
320
Ew. Majestät und dem Staate in jeder Hinsicht besser berathen wftre,
wenn Ew. Majestät jedes wichtige Staatsgeschäft, es möge politischen,
juridischen, kameralischen, militärischen, diplomatischen Inhalts sein
oder Polizeigegenstände enthalten, in diesem Colleginm unter h(k;hst
eigenem Vorsitze behandeln Hessen. Selbst die meisten geheimen Gegen-
stände des Departements der auswärtigen Angelegenheiten sollten Ew.
Majestät nicht ohne Beisein der Minister vorgetragen werden, weil sie
nichts Anderes als wichtige Angelegenheiten der Monarchie enthalten
können, deren Eenntniss diesem Collegium, welches die oberste Staats-
leitung föhren soll, unentbehrlich ist, sowie auch im Gegentheil die
Eenntniss alles dessen, was in demselben behandelt wird, um die Har-
monie in allen Zweigen der Verwaltung zu erhalten, dem Minister der
auswärtigen Angelegenheiten unumgänglich nöthig ist. Nun ist es aber
schlechterdings und mathematisch gewiss, dass das allgemeine Beste nur
durch Harmonie aller Theile erhalten und befördert werden kann, weil
alle vorerwähnten Gegenstände so sehr mit einander in Verbindung
stehen, dass die beste Behandlung des einen und eine diesem nicht an-
passende, vielleicht einzeln und für sich betrachtet gute, in Hinsicht auf
das Ganze aber schiefe Behandlung des anderen sehr betrflbte Folgen
nach sich ziehen kann. Die Besorgniss, dass dadurch wahre Staate-
geheimnisse verrathen werden, kann nicht platzgreifen, sobald Ew. Maje-
stät ausser dem Referendar und Ministercollegium Niemanden in die
Eenntniss davon setzen. Sollte sich aber wirklich der Fall jemals ergeben,
dass einer dieser Väter des Vaterlandes nicht reinen Mund hielte, so
mtlsste die diesfällige Ahndung und Strafe von der Art sein, dass sie
einer solchen Geschwätzigkeit auf lange Zeit das Ziel setzte.
Wenn das stabile Staatsrathscollegium aus vier Ministem und
vier Staatsräthen besteht; die wöchentlichen unter Ew. Majestät oder des
dirigirenden Staats- und Conferenzministers Vorsitze abzuhaltenden aber
aus den vier Ministern, erforderlichen Falles aus dem Chef des Militär-
etats und des Ministers der auswärtigen Angelegenheiten, dem referi-
renden Staatsrath und nach Umständen mit Beiziehung noch des einen
oder anderen Staatsrathes, der Präsidenten der Hofstellen und nöthigen-
falls auch des Hofrathes gebildet und die grösseren Staatsangelegenheiten
dort discutirt und in der nämlichen, oder wenn eine nähere Beleuchtung
noch wirklich erforderlich wäre, spätestens in der nächsten Conferenz
resolvirt werden, so ist nach meiner unterthänigsten Meinung die oberste
Geschäftsleitung bestens organisirt und consolidirt.
Ich enthalte mich, meine Meinung über die bündigste, zweck-
mässigste Geschäftsmanipulationsmethode im Staatsrathe sowohl als in
321
dem mit sr^lehem eng verbundenen Cabinete Ew. Majestät, ttber die indi-
Tidnelle Art and Weise, die oberste CentraWerwaltang von kleinfügigen,
der höchsten Beratbnng nicht würdigen, nnr zeitranbenden Lappalien zn
reinigen nnd dafür den Hofstellen jene Kraft, Impnlsion und jenen Geist
zu geben, welcher sie fähig macht, dem Willen und Bestreben der obersten
Verwaltung zu entsprechen, gegenwärtig abzugeben, weil dies Gegen-
stände sind, welche nur von altgedienten, mit den manchfältigen, seit
mehreren Jahren hier geschehenen diesfiUligen Manipulations- und G^-
schäffcsbehandlungsveränderungen und deren Folgen genau bekannten
Männern, solid und zur vollkommenen Beruhigung Ew. Majestät behandelt
werden können. Zu diesem Ende glaube ich darauf antragen zu müssen,
dass das vorgeschlagene StaatsrathscoUegium mit Beiziehung des schon
unter Ihrer Majestät der Kaiserin Maria Theresia im Staatsrathe angestellt
gewesenen Begistrators Grftll,^ der sehr wesentliche Data diesfalls liefern
kann, in pleno sämmtliche diesf&llige angeschlossene Instructionen und
Weisungen, wie auch jene von Ew. Majestät mir zugeschickten Verzeich-
nisse der im verflossenen Jahre in Ew. Majestät Cabinet gelangten Vor-
träge nnd Noten genau prQfe und eine Manipulation entwerfen, nadi
welcher eine einfache, prompte und bündige Geschäftebehandlung leicht
möglich ist.' Diese erste Arbeit des StaatsrathscoUegiums wird in kür-
zester Zeit abgethan sein, wenn Ew. Majestät nach meinem Erachten
folgende Personalveränderungen vorzunehmen geruhen wollen.
n. Abschnitt
Sohflderong des gegenwärtigen Staate- und Conferensraths-
Gremiums.
Meines Erachtens ist der Graf Kolowrat' nicht mehr geeignet,
weder dem gegenwärtig bestehenden, noch viel weniger aber dem neu
zu organisirenden Staaterathe weder als dirigirender Minister vorzustehen^
noch auch als blos den stabilen Conferenzen beisitzender Staats- nnd
Conferenzminister erspriessliche Dienste zu leisten. Ew. Majestät sind
^ Registrator und Hofsecretär Mathias Grüll.
' An der Seite steht, ohne Hinweis, dass die hier folgende Stelle in den
Text eingefügt werden soll: ,Noch zweckmässiger nnd kürzer dürfte dies
geschehen, wenn blos Zinzendorf, Chotek, Stahl nnd Grüll zusammen-
kämen.*
' Graf Leopold Kolowrat-Krakowsky, Staatsminister.
322
seine Gesnndheitsumst&nde, seine änsserste Beschwerde, mit eigenen
Augen zu sehen, folglieh die Nothwendigkeit, sich unbedingt dem Staats-
und Conferenzraths-Concipisten Welzl ^ flberlassen zu müssen, öfters die
physische Unmöglichkeit, sein Haus zu verlassen, dann die seinem hohen,
durch viele und langwierige Arbeit geschwächten Alter anhängende
Apathie, Kraftlosigkeit und der Mangel an warmem, thatigem Interesse
für das allgemeine Wohl und endlich dessen scheinbares Bestreben, die
noch wenigen Tage seines Lebens dem Besten seiner Familie widmen zu
wollen, hinlänglich bekannt. Ich glaube demnach, dass Ew. Majestät
geruhen dürften, diesen alten, in hohen Staatsdiensten ergrauten Mann
auf eine ausgezeichnete Art in den Buhestand zu setzen.
Dessen Nachfolger in der Direction dürfte zur grössten Beruhigung
Ew. Majestät und zum Besten des Dienstes der Graf Zinzendorf ' sein.
Er besitzt nebst seinen allgemein erkannten, durch lange Jahre erprobten,
sehr ausgebreiteten und seltenen Kenntnissen in vielen Fächern, einer
unerschütterlichen, auch allgemein bekannten Bechtschaffenheit audi noch
einen thätigen Geist, ein warmes Bestreben, zum allgemeinen Besten
beizutragen, und eine für seine Jahre seltene Kraft, die er als dirigirender
Minister zur prompten Befriedigung der Geschäfte sehr zweckmässig
anwenden dürfte. Man kann ihm nichts als eine nicht immer wohl-
geordnete Ideenfolge aussetzen, welche aber durch seine übrigen guten
Eigenschaften mehr als hinlänglich unschädlich gemacht wird.
Die Verdienste der Minister Mailäth' und Chotek,* wovon besonders
der Letzte wegen seiner gründlichen Geschäftskenntnisse in allen Zweigen
sowohl theoretisch als praktisch äusserst schätzbar ist, sind Ew. Miyestät
bekannt. Ich fürchte nur, dass die Gesundheitsumstände den Ersteren
bald nöthigen werden, sich nach Buhe zu sehnen. Der Verlust des
Zweiten fQr den Staatsrath dürfte wohl auch unvermeidlich sein, weil ich
bei der ehemöglichst vorzunehmenden Begenerirung der Finanzen keinen
anderen Finanzminister zu finden weiss als den Grafen Chotek, welcher,
obschon er den Titel eines Staats- und Oonferenzministers beibehalten
muss, für die Berathungen in den Conferenzen ausser seinem Fache
dennoch verloren ist, weil ihn die Finanzen, besonders bei Ausführung
einer vorzunehmenden Operation, sie sei welche sie wolle, vollauf be-
schäftigen werden.
1 Leopold WeUl von WeUenheim.
' Carl Graf Zinzendorf, Staatsminister.
^ Josef Graf MaiULth von Sz^khely.
* Budolf Graf Chotek von Cbotkowa, Staatsminister.
323
Zorn yierten schlage ich Ew. Mi^est&t den Grafen Botenhan ^ Tor.
£w. Majestät sind von dessen Bechtsohaffenheit und aasgebreiteten scien-
tiftschen und Diensteskenntnissen sowohl im politischen als im Jnstiz-
fache überzeugt; auch hat er schon rühmlich beim Staatsrathe gearbeitet,
kennt folglich den Centralgeschäftsgang sehr gut und besitzt die all-
gemeine Achtung. Hiemit wäre nun nach meiner Meinui^ das Staats-
und Conferenzministerium hinreichend besetzt.
Ehe ich zu meinem Vorschlage über die Wahl der zu dem neuen
StaatsrathscoUegium nach meiner Meinung geeigneten Staatsrathe schreite,
glaube ich eine Schilderung der gegenwärtig bestehenden zehn Staats-
nnd Conferenzräthe Torausschicken zu müssen, welche sich erstens auf
den der grössten Bücksicht würdigen allgemeinen Buf und auf die Meinung
nicht nur des gössen Pnblicums, sondern auch aller erfahrenen, sach-
kundigen Männer über die gegenwärtigen Staatsrathe, zweitens auf deren
Benehmungsweise in den Geschäften, welche ich ans den älteren und
neueren Acten und aus Zusammenstellangen und Yergleichungen ihrer
Handlungsweise in Terschiedenen Epochen entnoqimen habe, drittens auf
die Wirkung^ ihrer Arbeiten gründet. Der letzte Grund ist freilich
nicht immer, aber doch sehr oft ganz richtig; hingegen ist der erste sehr
wichtig, weil er den Grad des Zutrauens oder Misstrauens bestimmt,
welches das Publicum in die Staatsrathe setzt. Wie äusserst erwünschlich,
ja unumgänglich nothwendig es sei, dass die Männer, welche im höchsten
Yerwaltongscollegium sitzen, die allgemeine Achtung, das allgemeine
Zutrauen gemessen, ist so eyident, dass ich midi hier aller weiteren
Beweise dafür enthalte.
Staats- und Conferenzräthe nach ihrem Range, so wie sie im
Schematismus aufgeführt sind.
Ob Ew. Majestät den Staats- und Conferenzrath v. Izdenczy,* Ton
welchem gegenwärtig keine Arbeiten mehr erscheinen, der auch alters-
und gebrechlichkeitshalber nicht mehi* dazu geeignet ist, noch länger auf
der Liste der wirklichen Staats- und Conferenzräthe belassen wollen,
hängt von der Allerhöchsten Gnade ab. Vielleicht würde eine diesfallige
Aenderung den alten verdienten Mann zu sehr kränken. Ich glaube
daher, dass es in Bücksicht desselben beim Alten zu belassen wäre.
' Graf Heinrich Botenhan, Staatsminister.
* Josef Izdenczy von Mpnostor.
324
Der Staatsrath Grohmann^ steht im Rufe eines rechtschaffenen
Mannes und gründlichen Arbeiters; allein er ist, wie es Ew. Majestftt
wissen, sehr langsam, dabei nicht fleissig, hänft Bttckst&nde und behih
Stocke, welche oft mit einem blossen ,einyerstanden' abgetiian w&ren,
jahrweise zurück. Oftmalige Betreibungen und ein grösserer Drang Ton
Gleschäften wirken, wie es heisst, nachtheilig auf seine Gesundheit, wo-
durch er immer den Geschäften entzogen wird.
Der Staatsrath Lorenz * arbeitet viel und schnell, hat eine schnelle
und richtige Fassung, wobei aber manchmal die Gründlichkeit, das reife
Durchdenken wichtiger Gegenst&nde und deren Beleuchtung von allen
Seiten vermisst wird.
Der Staatsrath Somogjri ' ist ein langsamer und öfters oberfläch-
licher Arbeiter, auf welchen Nebenrücksichten mächtig zu wirken scheinen.
So viel ich höre, sind die Meinungen über seine Eigenschaften zum Staats-
rathe sehr getheilt, vorzüglich wirft man ihm Mangel an Festigkeit in
seinen Grundsätzen vor. Man glaubt, er könne unter einer wachsamen
Aufsicht verlässlichere, gute Dienste leisten.
Ob der Staats- und Conferenzrath Baldacci^ jene Eigenschaften
besitze, welche man mit vollem Rechte von einem Staatsrath fordern mnss,
kann ich nicht wohl beurtiieilen, weil mir seit der Zeit, als Ew. Majestät
mir die Einsicht in die staatsräthlichen Geschifte erlauben, von seinen
Arbeiten wenig vorgekommen ist. Aus den früheren, mir gelegentlidi
zugekommenen Acten aber sehe ich, dass er eine gute Feder und Kraft
in seinen Schilderungen habe, dass er sich hiezu aber eines auf seinem
Platze gar nicht passenden Aufwandes von Wörtern bediene, dass er
mit jugendlichem, Leidenschaftlichkeit verrathenden Feuer und nicht mit
der nöthigen Gelassenheit und kraftvollen Bündigkeit schreibe, dass er
bei wichtigen Geschäften eine falsche, höchst einseitige Absicht der Sache
gehabt habe, welche ihn zu höchst schädlichen Anträgen verleitete. So
z. B. bleibt^ die auf seinen Vorschlag geschehene Vereinigung beider
Galizien, deren höchst üble Folgen so allgemein bekannt sind, ein unaus-
löschlicher Flecken in seiner Geschäftsführung. Nicht minder verräth
die so schädliche Manie, die Geschäftsverwaltungsmethode so oft in ihrer
Wesenheit zu ändern, grossen, unverzeihlichen Mangel an soliden, prak-
tischen Geschäftskenntnissen. Dies sind meine Bemerkungen. Die all-
^ Joh. Josef von Grohmann.
' Martin von Lorenz.
' Johann von Somogyi.
* Freiherr Anton von Baldacci.
'^ Es steht: bleiben.
325
gemeine Meinung aber ist, dass er viel Fälligkeit und mancherlei Kennt-
nisse besitze. Sachkundige setzen bei, dass er ein vortrefflicher Secretar,
aber ein schlechter Bath und am wenigsten ein Staatsrath sei, und dass
er diese Stelle nur nach vielen Jahren und nachdem er sich von dem
natürlichen Gange der Dinge in allen Lebensverhältnissen mehr praktische
Kenntnisse wfirde gesammelt haben, die ihm itzt ganz fehlten, mit Ehre
und Nützen des Staates h&tte begleiten können. Die zu frühe Beförde-
rung hat nach der allgemeinen Meinung die verborgenen Keime der Un-
verträglichkeit, Leidenschaftlichkeit, Eigendünkel und Herrschsucht bei
ihm geweckt und so genährt, dass man sie als dem allgemeinen Besten
höchst zuwider allgemein fürchtet. Selbst die von ihm Begünstigten
machen ihm den Vorwurf, dass er sidi nie an dem in einer hohen Charge
ganz besonders festzuhaltenden Grundsatz amicus personae, inimicus
causae halte, sondern nur nach Leidenschaft handle und den Werth oder
ünwerth einer Sache nur nach der Meinung beurtheile, die er von dem
Menschen, welcher diese Sache unternimmt oder wie immer nur in solche
verflochten ist oder sie gar nur vorträgt, hat. Man legt ihm auch zur
Last, dass er mit erstaunlicher Unklugheit über die wichtigsten Gegen-
stände seine Gesinnungen äussere und daselbst, sowie auch in den Ge-
schäften keinen Widerspruch vedarage. Dieses und noch mehr wird
sülgemein wider ihn gesprochen, und es ist beinahe nur eine Stimme, dass
dieser Mann auf dem Platze, welchen er gegenwärtig einnimmt, Ew.
Majestät und dem Staate den empfindlichsten Schaden zuziehe und der-
malen nur zur Dienstleistung als Yicepräsident bei einer Hofstelle unter
höherer Leitung geeignet sei.
Der Staatsrath Pfleger ^ hat eine sehr gute Existimation für sich,
ist ein altgedienter, erfahrener Geschäftsmann, nur wünschte ich, dass
er mit der Arbeit schneller vorwärts käme und dass er manche Gegen-
stände weniger mit dem Blicke eines strengen Justizmannes und mehr
mit jenem eines erfahrenen, klugen, massigen und billigen politischen
Geschäftsmannes ansehe und den Vorwurf des summum jus, summa in-
juria Ew. Majestät nie zuziehe. Meiner Meinung nach ist ein strenger
Jnstizmann ohne ausgebreitete, durch mehrseitige Erfahrung gesammelte
Kenntnisse im politischen Fache zum Bathgeber im Gentro nicht ge-
schaffen, weil er die oberste Staatsverwaltung sehr leicht zu harten,
einseitigen Massregeln verleiten kann, die, von dem höchsten Punkte
ausgegangen, ein sehr widriges Licht auf die Begiei*ung werfen. Meines
Erachtens sind Gerechtigkeit und Härte sehr wohl von einander zu unter-
^ Anton Pfleger von Wertenau.
326
scheiden, und kluge Mässignng und richtige Ansicht der Sache sind die
nothwendigsten, unerlässlichsten Eigenschaften zur Schlichtung höherer
Polizeigegenstände; die kleinen cnrrenten Polizeiangelegenheiten sind
aher sehr selten der Allerhöchsten Aufmerksamkeit würdig und gehören
vielmehr in den Wirkungskreis der Chefs der politischen und Polizeihof-
stellen, welche Ew. Majestät aus denselben blos eine allgemeine üeber-
sicht vorzulegen hätten.
Der Staats- und Conferenzrath Schittlersberg ^ verräth mancherlei,
besonders aber buchhalterische Kenntnisse und einen wohlgeordneten
Kopf, bleibt sich aber in seinen Geschäftsgrundsätzen nicht gleich und
scheint manchmal Nebenansichten zum Massstabe seiner ämtlichen Wohl-
meinungen zu wählen. XJeberhaupt aber scheinen ihm Geschäftskennt-
nisse in den Fächern, besondei-s in den höheren Finanz- und allen politi-
schen Zweigen, welche nie von seinem Ressoii; waren, sehr zu mangeln.
Von dem Charakter des Staats- und Conferenzrathes Bedekovich '
habe ich nichts als Lobwfirdiges gehört. Seine Arbeiten deuten auf aus-
gebreitete solide Kenntnisse, seine Vota sind gründlich, deutlich, er-
schöpfend. Er ist ein sehr fleissiger, giDndlicher, und so viel als ich im
Stande bin, es zu beurtheilen, unparteiischer Arbeiter.
Der Staats- und Conferenzrath Graf Chorinsky ' äussert viele scien-
tifische und literarische und in den Geschäften viele theoretische Kennt-
nisse. Für den Platz aber, auf welchem er gegenwärtig steht, fehlt es
ihm an praktischen, nur durch vielseitige Erfahrung und manche miss-
lungene Versuche im Kleinen, welche weder dem Staate im Allgemeinen,
noch insbesondere dem Aerarium schaden, zu erlangenden Geschäfts-
kenntnissen. Er scheint die Bestimmung der obersten Behörde und die
von ihr anzuordnenden Mittel nicht studirt zu haben. Er wird weitläufig,
kleinlich, einseitig und seine Anti'äge müssen nothwendig Vermehrung
der Geschäfte und des Personals erzeugen, dadurch wird aber dem Dienste
im Allgemeinen, dem Aerarium aber insbesondere sehr geschadet und
nicht ein solider Begierungszweck verlässlich erreicht. In späteren
Jahren würde Graf Chorinsky, nachdem er sich mit dem wirklichen, nicht
hypothetischen Gkinge der Dinge unter allen Menschenclassen würde
vertrauter gemacht haben, gewiss ein sehr brauchbares Glied des Staats-
rathscollegiums, wohin er meiner Meinung nach viel zu früh gekommen
ist, geworden sein.
^ Auguflt Veit von Schittlenberg.
' Franz Freiherr von Bedekovich.
* Ignaz Graf Chorinsky.
327
Der Staats- und Conferenzrath Batscbky,^ ein sehr redlicher,
gründlicher und fleissiger Mann, der gewiss in Hinsicht seiner häus-
lichen Yerh<nisse das hessere Schicksal verdient, das ihm bei der Er-
nennung zum Staatsrathe zu Theil geworden ist, scheint aber nicht jene
umfassenden, einem Staatsrathe erforderlichen Eigenschaften in Hinsicht
der G^chäftskenntnisse zu besitzen. Er wai* meines Wissens fast immer
Bankalist und in seinen Erholungsstunden ausgezeichneter Freund der
Literatur.
Wenn ich nun mit meinem Begriffe von einer dem Endzwecke ent-
sprechenden Staatsverwaltung und mit der deutlichen Vorstellung der
hiezu anzuwendenden Mittel die Handlungsweise der vorbenannten Staats-
und Conferenzräthe vergleiche, so muss ich frei bekennen, dass ich keinen
für seinen Platz in allen Stücken für ganz geeignet, einige aber wohl für
mehr oder weniger geföhrlich, staatsschädlich und zur Theilnahme an der
von mir unterthänigst vorgeschlagenen Centralstaatsverwaltung schlech-
terdings untauglich halte.
Sobald ich Ew. Majestät in dem folgenden Abschnitte meine Idee
über die staatsräthliche Geschäftsmanipulation, welche mit der Einführung
der vorgeschlagenen, bündigem Staatsverwaltungsmethode zugleich an-
zufangen hätte, werde vorgetragen haben, werde ich zum Schlüsse meine
Meinung, wie ' ihr auf hohen Dienstplätzen stehende Individuen für den
Staat brauchbar gemacht werden dürften, Ew. Majestät zu Füssen legen.
Unmassgeblicher Vorschlag,
wie die höheren Staatsbeamten dem Dienste Ew. Majestät
entsprechender verwendet werden könnten.'
Die vier Minister habe ich schon im ü. Abschnitte vorgeschlagen.
Zu diesem Vorschlage erlauben mir Ew. Majestät in Folge höchst Ihrer
diesfäUigen Aeusserungen die Bemerkung beizufügen, dass ich für den
Fall, sJs Graf Chotek das schwere Geschäft der Begenerirung der Finanzen
übernimmt, die Beiziehung des Grafen Zichy^ zum Ministerium, wenn er
nicht sonst irgendwo gute Dienste leisten könnte, für weit zweckmässiger
halte als dessen Belassung auf seinem gegenwäi-tlgen Platze, wo er zu
^ Joeef Frans Batschky.
* Offenbar wollte der Erzherzog zuerst eine andere Satzconstruction wählen,
da er nach ,wie': ,man* einschaltete.
* Erzherzog Rainer bemerkt selbst: ,ad Vorschlag 2*.
* Graf Carl Zichj, Staatsminister.
328
uneingeschränkt sein zn heisses, stets brausendes Blut wirken lässt und
die Folgen davon in der ganzen Monarchie, besonders aber in den deut-
schen Proyinzen so bitter empfinden macht, als: das Ansichreissen zu
vieler Geschäfte, die daraus entspringende zu leichtfertige, gar nicht
gründliche Behandlung so vieler wichtigen Staatsangelegenheiten, das
hartnäckige, aus falscher Scham entspringende Beharren auf der schnell
gefassten Meinung, wenn sie auch evident sehr schädlich ist, das rohe
Zurückschrecken derjenigen, welche pflichtmässig mit dem besten Wissen
und Gewissen seinen Anträgen und Beschlüssen gründliche Einwendungen
entgegensetzen, das Imponiren durch Geschrei und einen Schwall von
Wörtern, die ohne Ordnung und Zusammenhang hinausgestossen nur
ermüden, betäuben, aber nicht überzeugen. In der Conferenz aliein
können seinen Ausbrüchen von zu grosser, unüberlegter Lebhaftigkeit
Schranken gesetzt werden, wenn ihn Ew. Majestät zur gehörigen Mässi-
gung, anständigen Abgebung seiner Meinung und vernünftigen Verthei*
digung derselben verweisen. Der Umstand allein, dass er ein Ungar ist,
scheint mir schon hinreichend, um ihn nicht als Finanzminister zu be-
lassen, weil Ungarn so wenig und die teutschen Provinzen beinahe alle
Lasten allein tragen, weil bei jeder neuen Steuer oder Erhöhung der
bestehenden die allgemeine Stimme dahin geht, dass der Finanzminister
leicht neue Steuern vorschlagen könne, weil er nichts beizutragen habe
und sich auf Kosten der teutschen Provinzen Verdienste sammeln wolle.
Dem Grafen Botenhan weiss ich für den Fall, als ihn Ew. Ma-
jestät zum Conferenzminister nicht geeignet finden. Niemanden zu sub-
stituiren. In einzelnen specifischen Fällen dürfte Beiziehung des sehr
talent- und kenntnissvollen und tief eifahrenen Staats- und Conferenz-
ministers Grafen Philipp CobenzP sehi* heilsam und dem Staate er-
spriesslich sein.
Die zu bleibenden Staatsräthe wären Grohmann, Stahl, Pfleger,
Bedekovich. Der Staatsrath Batschky als Kanzleidirector, bis er nicht
sonst irgendwo untergebracht werden kann, und Ghorinsky zur Aushilfe
ad t^mpus. Sollte der Staatsrath Pfleger zu sehr mit Bückständen über-
laden sein und einer zeitweiligen Aushilfe benöthigen, so müsste ich
dazu einen Justizhofrath, der aber auch im politischen Fache gedient
hat, in der Person des Grafen Fürstenbusch vorschlagen, der sehr gute
Dienste leisten und zur Herstellung der in Galizien ganz untergrabenen
Ordnung mit Sachkenntniss beitragen würde, weil er sich durch mehi*-
jährige Dienstleistung in jenem Lande im politischen Fache praktische,
*■ Vetter des Grafen Ludwig Cobenil.
329
f&r einen Arbeiter in galizischen Geschäften so unentbehrliche Kennt-
nisse gesammelt hat.
Lorenz kann anf seiner Pfründe, oder wenn ihn Ew. Majestät einer
Belohnung würdig halten, auf einem Bisthume seiner eigentlichen Be-
stimmung als Seelsorger obliegen.
Baldacci, welcher seine Diensteslaufbahn im Bancalfache betrat,
Ton doi*t zum hungarischen Cameralfache befördert wurde, nie weder bei
einem Kreisamte noch bei einem Gubernium gedient hat, hat die nöthigen
praktischen Vorkenntnisse nicht, ohne welche man im politischen Fache
mit Verlässlichkeit nichts anzurathen, nichts zu vei*fügen vermag. Dieser
Mangel durch langjährigen Dienst nur zu erwerbender Kenntnisse kann
weder durch dessen eiifmonatlichen Aufenthalt zu Lemberg als Pmsidial-
secretär des Staats- und Ck>nferenzministers Grafen Mailäth, noch weniger
durch die flüchtige Bereisung Westgaliziens ersetzt worden sein. Dieser
Mann wird also sehi* wahrscheinlich politische Geschäfte immerfort in-
quisitorisch wie ein Contrebandverfahren behandeln, wodurch die Ge-
müther für die Beg^erung nicht gewonnen, die Geschäfte selbst aber in
die Länge gezogen werden, und politische Vorschläge werden auf theo-
retische Träume basirt sein, deren Güte zweideutig und ihre Ausführung
meist unmöglich ist; daher glaube ich den Baldacci als Vicepräsident bei
dem Bancale am entsprechendsten untergebracht.
Dass Schittiersberg nur zum Bechnungswesen tauge, ist Ew. Maje-
stät erleuchteten Einsicht nicht entgangen; daher glaube ich auf dessen
Uebersetzung zum Chef der Staatscontrole mit Beibehaltung des Titels
Staatsrath oder mit der Benennung Präsident antragen zu müssen, all wo
er sehr wesentliche Dienste leisten und eine bündige Conü'ole einführen
wird, welche man bei dem gegenwärtigen Bechnungsdirectorium ganz
vermisst.
Da Ew. Majestät den Staats- und Conferenzrath Bedekovich beizu-
behalten sich geäussert haben, so glaube ich den Somogyi zum Vicekanzler
bei der ungarischen Kanzlei vorschlagen zu sollen, weil mir ausser diesem
Platze kein anderer für ihn schicklicher bekannt ist. Durch die Ernen-
nung des Baldacci zum Vicepräsidenten bei dem Bancale wird folgende
Veränderung mit dem Vicepräsidenten bei der Hof kammer nothwendig.
Bartenstein hätte die Geschäfte des Grafen Pergen zu übernehmen,
welcher einstweilen die tentschen Hofkammer- und Domänengeschäfte
zu übernehmen, Graf Kohäry^ aber blos die ungarischen zu behandeln
hätte. Der Graf Pergen müsste Ew. Majestät für diese Erleichterung
* Frans Graf r. Kohkry.
▲rehiT. LXXVin. Bd. II. E&lft«. 22
330
sehr dankbar sein, weil dies das einzige Mittel ist, seine so sehr zerrüttete
Gesundheit wieder herzustellen.
Wenn einmal der Geschäftsgang beim Staatsrathe nach der neuen
Organisirung desselben consolidirt ist, so dOrfbe es wohl nothwendig
werden, auf die zweckmässigere Besetzung mancher wichtigen Stelle bei
den ünterbehörden in der Residenz und in den Provinzen fOrzudenken,
wozu aber reife Ueberlegung und genaue Prüfung des Charakters und
der Benehmungsweise dieser hohen Beamten nothwendig ist, damit kein
voreiliger Schritt gethan werde, welcher eine neuere Uebersetzung nach
sich zöge, welches zweckwidrig wäre. Vor allem Andern aber rnüsste von
diesem Augenblicke an jeder Antrag, der auf Vermehrung der Beamten
über die systemisirte Zahl derselben deutet, unbedingt abgewiesen werden.
Schliesslich muss ich noch beifügen, dass für den Fall, als einer der bei
dem neuen StaatsrathscoUegio zu verbleibenden Staatsrathe dem beab-
sichteten Endzwecke auf irgend eine Art nicht entsprechen sollte, eine
anderweite bestimmte Verwendung desselben aber nicht auf der Stelle
aufzufinden wäre, ich es für das Wohl des Staates für weit zweckmässiger,
ja selbst für unvermeidlich halte, diesen Staatsrath einstweilen in den
Quiescentenstand zu versetzen (vrie das schon oft geschehen ist) und ein
anderes brauchbares Individuum zum Staatsrathe zu ernennen.
in. Abschnitt.
Ueber die einsuführende Oesohaltsmanipulation im
Staatsrathe.
Ohne dem Vorschlage vorgreifen zu wollen, welchen das neue
Staatsrathscollegium meinem im I. Abschnitte enthaltenen Antrage zu-
folge über eine zweckmässige, zur Dauer geeignete Geschäftsmanipulation
beim Staatsrathe, dann über die möglichst genaue Bestimmung jener
Gegenstände, welche Ew. Majestät Allerhöchst Ihrer Entscheidung ex
centro vorbehalten wissen wollen, weil nur diese Bestimmung der zur
Allerhöchsten Entscheidung würdig befundenen Gegenstände die Bestim-
mung des Wirkungskreises der Hofstellen möglich macht, alle anderen
diesfölligen Veifügungen, Anordnungen und Veränderungen aber, wie es
die Erfahrung lehrt, die heilsame Absicht Ew. Majestät nicht erreicht
haben. Allerhöchst denenselben schleunigst vorzulegen hätte: glaube ich
nur meine Idee über den Geschäftsgang angeben zu müssen, welcher mit
der Veränderung der gegenwärtigen und mit dem Anfange der neaen
331
staatsräthlichen Verfassung zugleich einzutreten hätte nnd welche nach
meiner Ansicht der Sache keiner wesentlichen Abänderung bedürftig
gefunden werden dürfte. Die Veränderung selbst dürfte nach meinem
un?orgreiflichen Dafürhalten folgendermassen ausgeführt werden.
Ew. Majestät geruhen den Grafen Eolowrat durch ein sehr Terbind-
iiches Handschreiben in die Ruhe zu setzen und ihm eine Auszeichnung
zn verleihen. Welche? hängt von der Allerhöchsten Gnade ab. Zugleich
wäre er anzuweisen, seine ämtlichen Acten Ew. Majestät zu übergeben.
Ein zweites Handschreiben an den Grafen Zinzendorf, worin er
zmn dirigirenden Staats- und Conferenzminister ernannt wird; in diesem
Schreiben müsste ihm ganz kurz gesagt werden, dass die landesväterliche
Sorgfalt für das allgemeine Wohl Ew. Majestät bewogen haben, eine
Veränderung in der Geschäftsverwaltung im Centro vorzunehmen. Schliess-
lieh müsste ihm der Tag bestimmt werden, an welchem er sich bei Ew.
Majestät einzufinden hätte; diese Weisung müssten auch die übrigen
Minister und die zu bleibenden Staats- und Conferenzräthe erhalten.
Graf Botenhan, oder wen Ew. Majestät sonst zum vierten Staats- und
CoDferenzminister ernennen wollten, müsste erst ernannt werden.
Am bestimmten Tage hätte sich das neue Staatsrathscollegium bei
Ew. Majestät zu versammeln, Höchstweiche entweder selbst oder durch
jemand Andern die zu diesem Ende verfasste Schrift, mit welcher das
neue Collegium eröffnet würde, ablesen liessen. Diese Schrift ^ enthielte
die Ursachen der Veränderung, die Absicht Ew. Majestät und die nöthigen
Weisungen an den dirigirenden und die anderen Minister, wie auch an
die Staatsräthe und zugleich den beiliegenden Entwurf zur künftigen Ge-
schäflfimanipulation.
Zugleich müssten den abzutretenden Staatsräthen ihre neuen Be-
stimmungen bekannt und sie zur ehemöglichsten üeberreichung eines
Verzeichnisses ihrer Rückstände und zur ehemöglichsten Aufarbeitung
derselben angewiesen und ihnen aufgeti*agen werden, jedes bearbeitete
Stück dem dirigirenden Staats- und Ck)nferenzminister einzuschicken,
übrigens hätte alle weitere neue Gommunication mit den abzutretenden
Staatsräthen aufzuhören. Sollten Ew. Majestät aber geruhen, dem gegen-
wärtigen Zuströmen von Vorträgen dadurch schnell Einhalt zu thun,
dass Sie den Hofstellen untersagen, bis auf weitere Bestimmung einen
anderen Gegenstand als die folgenden der Allerhöchsten Entscheidung
zu unterlegen, so könnten die zu anderen Dienstplätzen bestimmten
* An der Seite steht: Diese Schrift und die nöthigen Handbillete würden
erst dann verfasst, wenn dieses Alles genehmiget ist.
22»
332
Staatsräthe sogleich zu ihrer neaen Bestimmung ahgehen und die Erledi-
gung ihrer BQckstände den zu verbleibenden Staatsräthen übergeben.
Die Yorbenannten Gegenstände sind: Gnadensachen, neue Vorschläge,
ausserordentliche Auslagen, Systemalien, Besetzungen jener Bathsstellen,
welche bis itzt von Ew. Msgestät besetzt worden sind, und aller flbrigen
höheren Dienstplätze, und von Seite der Justiz alle Todesurtheile, Provo-
cationen ad majestatem und was sonst schlechterdings ad majestatem
gehört.
Ich habe in meinem I. Abschnitte nur auf vier stabile Staatsräthe
angetragen und beharre noch darauf, weil sämmtliche staatsräthliche
Civilgeschäfte in folgende vier Abschnitte zeif allen dürften: in politische
und Polizeigegenstande; Finanz- und Cameral-; geistliche, Studien- und
Justizsachen ; Hungarica, wozu ich folgende Staatsräthe für die tauglich-
sten halte: für das Erste den Staatsrath Grohmann; für das Zweite den
ehemaligen Staatsrath Stahl; für das Dritte den Staatsrath Pfleger; für
das Vierte den Staatsrath Bedekovich.
Da aber bei dem Uebergang von den voluminösen Geschäften zn
den zweckmässig verminderten der Drang anfangs stärker sein dürfte, so
wäre noch ein Staatsrath mehr ad tempus beizubehalten, welcher die
Bückstände zum Theil zu bearbeiten, zum Theil den zu sehr überladenen
Staatsräthen Aushilfe zu leisten hätte, wozu ich den Staatsrath Chorinsky
vorschlage. Zugleich halte ich aber auch einen eigenen Kanzleidirector,
und zwar in der Person des Staatsrathes Batschky^ wie sie vormals
bestunden, zur Erhaltung der Ordnung und schnellen Beförderung der
Geschäfte für unumgänglich nothwendig. Dieser hätte sich mit der cur-
renten Bearbeitung der Stücke gar nicht zu befassen, sondern nur auf
besonderen Befehl solche zu leisten und besonders die von Ew. Majestät
abverlangten Auskünfte zu erstatten.
Dann wäre das staatsräthliche Conceptspersonal allgemach zu ver-
mindern und auf jenen Fuss zurückzuführen, nach welchem Staatsraths-
secretäre zu höheren Conceptsgegenständen , die minderen Kategorien
zu minderen Arbeiten verwendet werden und jedem Minister und Staats-
rath nur ein subalternes Individuum bewilliget wird. Alle übrigen hätten
versammelt unter der Direction des Kanzleidirectors zu extrahiren. In
der Begistratur und im Expedite des Staatsrathes glaube ich kaum eine
Beform wünschen zu dürfen.
Die Bestimmung, welche Individuen des dermaligen staatsräthlichen
Personals zu höheren Conceptsgegenständen, als das sind: BesolutionB-,
Handbilletsentwürfe und Concopte zu anderen ämtlichen Correspondenxen,
welche blos zu den Vortragsextracten und zur Dienstleistung bei den
333
Ministem und Staatr&then geeignet seien, sollte meines Erachtens dem
neuen Staatsrathsgremio überlassen werden.
Entwurf der aogleioh einsutreten habenden Qeaohäfta-
manipolatdon.
Wenn Ew. Majestät die gegenwärtige Verfassung Ihres geheimen
Cabinets, insoweit sie mir in Hinsicht auf das Mnndiren der Besolutionen
bekannt ist, keiner Veränderung unterwerfen wollen, welche mir doch
zur schnellen und einfachen Beförderung der Geschäfte nothwendig
scheint, so dürften von dem Tag an, als der neue dirigirende Minister in
Wirklichkeit tritt, die von dem Cabinete an den Eanzleidirector gelangten
Vorträge dem betreffenden Staatsrathe zugetheilt werden, welcher solche
zu bearbeiten, bei allen Ministem und bei jenen Staatsräthen circuliren
zu lassen hätte, die davon Eenntniss haben müssen; in letzter Hinsicht
glaube ich eine Manipulation vorschlagen zu müssen, welche ich in den
diesfälligen Voracten nicht finde, welche aber nach meiner Meinung
sämmtlichen Gliedern des Staatsrathes die Eenntniss von allen Central-
geschäften, welche sie haben müssen, weil das Gentmm mit keinem Di-
kasterium verglichen werden darf, sondern der Natur des Cejtrums
gemäss alles umfassen, nach einem Geiste, einem Sinne in Verbindung
arbeiten muss, mit dem mindesten Zeitverluste verschafft.
Nämlich der Eanzleidirector lässt täglich vier Elenchos der einge-
gangenen Vorträge verfassen, wovon einer Ew. Majestät, der andere dem
dirigirenden Staats- und Conferenzminister übergeben wird, der dritte
aber täglich bei den Staatsräthen und Ministern zu circuliren, mit dem
vidi eines jeden Individuums versehen, wieder an den Eanzleidirector
zurückzugelangen hätte, damit jedes Glied in die obbemeldete Eenntniss
aller eingegangenen Vorträge auf die einfachste Art gesetzt und jeder
Staatsrath insbesondere jenes Stück, welches mit seiner Geschäftsabthei-
lung in Verbindung steht, sich zur Einsicht und nöthigenfalls zur Begut-
achtung mittheilen lassen kann, weil ich nur auf diese Art eine einför-
mige, zusammengreifende und systematische GeschUftsbehandlung ohne
Zeitverlust für möglich halte. Bis itzt wurde immer der Beferent und
Coreferent dem Gegenstande gemäss bestimmt (Letztere passen nach
meiner Meinung keineswegs zum Staatsrathe, sondem nur zu Dikasterien).
Dabei geschieht es, dass manches Stück zwecklos herumgetrieben wird,
weil es ein oder mehrere Coreferenten instructionsmässig lesen und begut-
achten müssen, wenn es auch von keiner Bedeutung ist; ein anderes
aber wieder, das von Bedeutung ist und mit dem Gegenstand in Ver-
884
bindnng: sein kann, der nicht in den Departements der zwei bestimmte]
Referenten, sondern bei anderen Staatsrätben behandelt wird, welchen di
Eenntniss desselben vielleicht sehr wichtig gewesen wäre, nur den nt
bestimmten zukömmt, den Ohrigen Staatsräthen aber oft znm Nachtlieü
des Dienstes erst nach veiüossener Resolution bekannt wird.
Dieser Incohftrenz und Inconsequeni wird durch den tSglich dr
Gulirenden Blenchus abgeholfen, wenn der Staatsrath, welcher im El«n
chus ein seinem Departement interessantes Stück findet, auf diesen Slea
chns, und zwar zu dem betreffenden Stücke eine Nummer mit Beieati
,Zur Einsicht' schreibt und somit hlos jenes StQck erb<, dessen er be
nOthigt; dabei aber sich auch niemals entschuldigen kann, dass ihm di
Existenz dieses oder jenes Vertrages nicht bekannt gewesen sei. De
vierte Elenchus sollte, um Ew. H^estät die Evidenz über die eingelangte
Stücke za erleichtern, mir zukommen.
Der 61-ste Votant setzt jedem Stück bei, ob er es fftr ein currei
oder relatum, i. e. znr Conferenz geeignet halte, die Qbrigeu Votantc
setzen nach ihrem Gutbefinden auch currens oder relatum bei, wodon
sie ihre Meinung an den Tag legen, ob sie diesen oder jenen G^eustai
für wichtig halten, die diesföllige Entscheidung des dlrigirenden HiniBte
bestimmt sonach, wie dieser Gegenstand behandelt werden soll, wei
Ew. Miyest&t diesfalls keine Aendemng vorzunehmen geruhen. Jed'
von dem ersten Staatsrathe votirte Stück circulirt bei Jenem StaatsraUi
welcher es verlangt, bei allen Ministem und kommt vom dir^irendt
Minister zum Eanzleidirector, welcher die R«BoliitioasentwOrfe verfaesi
läset und die currenten Stücke Ew. Majestät täglich znr täglichen Erl
digung selbst, und zwar nach dem Grade der Dringlichkeit unterlegt, d
zur Conferenz bezeichneten aber dem betreffenden Staatsrathe znrückgit
welcher sie sonach in der Conferenz vorträgt. Wenn in der wOchentlichi
Conferenz per majora nicht entschieden worden kann, so geruhen E
M^eetät auf der Stelle nach Ihrer weisen und richtigen Ansicht d
Dinge flnaliter zu entscheiden.
Des dirigirenden Staats- nnd Conferenzministers und des KanzU
directors Sache ist ee, die Controle über den Fortgang oder die Üemmui
der Geschäfte zu ffihren und Ew. M^estät wöchentlich hierüber Beric
zu erstatten, damit sogleich Alles vermieden werde, was m einer neui
Geschäftsstocknng Anlass geben könnte.
Das Schreiben der Resolutionen anf die Vorträge hätte mit de
mindesten Zeitverluste zu geschehen.
336
Bnheniog Bttiner an Kaiser 'Fvsxle^
Erlauben Ew. Migestftt, dass ich vor Allem den unterthänigsten
Dank ffir die neue Organisirung des Staatsrathes abstatte, welche ich ffir
den ersten Schritt zur schnellen Begenerirung unserer Monarchie, zur
Yenninderung der sa sehr angewachsenen Geschäfte und zur Ermunterung
und Anspomung aller Stellen zu einer so nöthigen Th&tigkeit und Schnel-
ligkeit ansehe.
Die allgemeine Stimme bei Bekanntmachung derselben, das Steigen
des Curses, Alles zeigt, wie sehr Alles damit zufrieden ist und wie viel
man sich davon verspricht.
um nun diesen Zweck, den Ew. Migestät so rührend und landes-
vaterlich in den an den Grafen von Zinzendorf erlassenen zwei Hand-
schreiben zu erkennen gegeben haben, ganz zu erreichen, scheint mir
noch hie und da etwas nicht ganz vollendet zu sein. Erlauben daher
Ew. Majestät, dass ich meine Meinung darüber mit jener ehrfurchtsvollen
Freiheit sage, die jedes gutdenkenden Staatsdieners Pflicht ist, worin
ich mich so kui'z als möglich fassen werde. Nach den zwei Handbilleten,
die Ew. Miyestät an den Gi*afen Zinzendorf erlassen haben, ist gar keine
Bede von der vorgeschlagenen Verminderung der Staatsräthe, es wird
darin blos Schittlersberg, Bedekovich und Batschky angewiesen, die
Bückstände zu bearbeiten, Baldacci hingegen bleibt ganz in eben dem
Verhältnisse wie bisher, und Pfleger soll ein Hofrath von der obersten
Justizstelle beigegeben werden. Von den Uebrigen ist keine Bede darin.
Ich halte es für anumgänglich nothwendig, so wie ich es nach reifer
üeberlegung schon in meinem vormaligen Vorschlage anführte, einen
bestimmten Befehl über alles dieses zu erlassen, damit jedermann, von
seiner künftigen Bestimmung unterrichtet, sogleich an dieselbe abgehe;
wie leicht könnten nidit die noch wenigen Büokstände entweder von den
rückbleibenden Staatsräthen übernommen oder wenn das unthunlich wäre,
den zwei zur Aushilfe bleibenden Staatsräthen Ghorinsky und Batsdiky
zur Bearbeitung überlassen werden, die gewiss in kurzer Zeit bei ihrem
bekannten Fleisse dieselben aufarbeiten werden. Die Bearbeitung der
Bfickstände wird gewiss besser als von den abtretenden Staatsräthen
geschehen, da diese unmöglich mit Vergnügen sidi dieser Arbeit nnter-
^ Zu diesem nndatirten, ganz von Bainers Hand entworfenen Concepte
lieg^ noch eine von anderer Hand verfertigte Abschrift Tor, aus welcher
rieh ergabt, dass dies Docnment mit dem Datum: ,Schönbrann, 14. Juni
1808* SU Tersehen ist
336
ziehen können nnd bei der üngewissheit ihrer Lage noch können. Ich
mnss daher Ew. Majestät in Hinsicht der ans dieser VerfQgnng ent-
springenden Nachtheile dringend um die Bestimmnng derjenigen Staats-
i*äthe, sowohl die abgehen sollen, aach um allsogleiche Anstellung der-
selben bitten, wobei mir nichts erübrigt, als auf meinem früheren Yor-
schlage zu beharren und erstens den Staatsrath Lorenz zu jubih'ren,
zweitens den Staatsi*ath Schittlersberg zum Präsidenten des Genenü-
Bechnungsdirectoriums mit gegenwärtigem Titel und Gehalt zu ernennen,
indem ich sicher glaube, dass dadurch dem General-Bechnungsdirectoriom
ein besserer Geist eingeflösst wird.
Was Ew. Migestät mit Bedekovich verfügen wollen, weiss ich nicht,
ich kann mich aber nicht enthalten, ehrfurchtsvoll zu bemerken, dass ich
ihn wegen seiner Unparteilichkeit und Gründlichkeit in Bearbeitung der
staatsräthlichen Stücke schätze, und dass es für diesen Mann, der sich
nichts zu Schulden kommen Hess, sehr traurig wäre, jubilirt und dadurch
in seiner Ehre gebrandmaikt zu werden. Da Pfleger die meisten Bück-
stände hat, so halte ich die zeitliche Beigebung eines Hofraihes von der
obersten Justizstelle für sehr erspriesslich.
Was nun Baldacci betrifft, der in seinem bisherigen Verhältnisse
bleiben soll, so unterfange ich mich, [mich] blos auf die äusserst gemil-
derte Charakteristik desselben, die ich in meiner Ausarbeitung lieferte, zu
berufen, wo ich, wie ich glaube, vollkommen bewiesen habe, dass er auf
diesem Platze gar nicht taugt. Er ist um desto schädlicher, weil er beim
Publicum einen sehr schlechten Credit besitzt, welches an seiner Stelle
wesentlich ist, indem man alle Missgriffe auf ihn wälzen wird. In dem
äussei*sten Falle aber, da er immer ausser dem Staatsrathe arbeitet, wäre
er auch zu keiner Conferenz beizuziehen, indem er da nichts nützen kann,
sondern im Gegentheile hinterher die zweckmässigsten Verfügungen
hintertreiben kann. Wenn er übrigens in seiner nunmehrigen Stelle
bliebe, so wäre der schöne Zweck, das Einverständniss und die Beschleu-
nigung aller Geschäfte, welche Allem hervor-(sic)leuchtet, ganz vernichtet,
indem er hinterher Ew. Majestät bewegen kann, Stücke zurückzubehalten
oder Handbillete zu erlassen, die diesen Verfügungen ganz entgegen
sind und dadurch blos neuerdings Stockung und Zögernng veranlassen.
Ich glaube daher, dass Ew. Majestät denselben sogleich an seine neue
Bestimmung als Vicepräsident bei der Bancaldirection weisen und die
übrigen bei dem Vicepräsidium der Kammer dadurch entstehenden, in
meinem Vorschlag auseinandergesetzten Veränderungen sogleich anzu-
ordnen geruhen. Seine ausserstaatsräthlichen Geschäfte könnten, so viel
sie mir bekannt sind, an den Staatsrath gewiesen, die geheimen entweder
387
durch die Minister selbst oder durch Szyetics^ im Gabinet bearbeitet
werden, wodurch AUes an Schnelligiceit gewinnen und der fible Eindruck
gehoben wird.
Was nun die Minister betrifft, geruhten sich Ew. Majest&t Aber die
Jnbilirung des Kolowrat und Oreirung des Zincendorf , wovon ich mir
den glQcklichsten Erfolg verspreche, wegen der Kenntnisse, dem Eifer
und der Bechtschaffenheit Zinzendorf 's, ausgenommen, nicht zu äussern.
Hier finde ich folgende wichtige Bemerkungen zu machen.
Da eben itzt in jeder Bücksicht die Begeneration der Finanzen
zugleich zweckmässig vorgenommen werden kann, so wäre es von der
grössten Wichtigkeit, dass Ew. Majestät den Tausch zwischen Grafen
Chotek und Ziehy, von dem ich schon anderswo Erwähnung machte,
genehmigten; das Handbillet dazu liegt meinem Vorschlage bei. Ich
^ube, dass aber nun der beste 2Mtpunkt dazu v<^handen sei, und dass
dadurch der Credit aller Operationen um ein Namhaftes steigen würde;
Ziöhj erhält dadurch einen Platz, wo er nützen kann, statt dass er nun
nichts als schadet, doch davon habe ich schon in meinem Vorschlage
geredet.
So hätte ich auch die Beiziehung des so talentvollen als rechtschaf-
fenen Graf Botenhan gewünscht, da, wenn Graf Chotek wegkommt,
keiner mehr da ist, der im Politischen der deutschen Erblande bewan-
dert ist.
Was das untere Personal beim Staatsrathe betrifft, so halte ich
es für viel zweckmässiger, wenn dasselbe unter der Leitung des Eanzlei-
direetors versammelt, nach der Beihe, ohne einem Bureau zugetheilt zu
8^, die Auszüge verfasst; dadurch wird viel Personal erspart, alle Partei-
lidikeit vermindert und die Geschäfte beschleunigt.
Dieses sind die Bemerkungen, die ich mir zu machen erlaube; ich
halte es für Gewissenspflicht, auf die Erfüllung dieser Anträge zu dringen,
denn nur alsdann glaube ich für den guten Erfolg der neuen Organisation
bürgen zu können.
' Jacob T. Szvetics, geheimer Cabinetssecretär.
2. Denkschrift.
Ideen Itber einznfifarende Befemieii nnd Verhessemngen
in der Ssterrelehlaohen Honarehle.
December 1809.
Ideon Ober elnEOfOhrende Beform[en] und TeFbeuemngati In
der Sstetrelohlaolien Uonorohie. — Ofen, im Deoember 1800,
Der nun sieb nUernde Friede macht es nothwendi^r, vorhineiu anl
die Ergreifni^ eines Systems in allen Zweigen der Staateferwaltang in
denkea, welches den nunmehrigeD Umst&nden der Monarchie and den
hilTsbedärft^en Stande, in welchen sie dieser lerheerende Krieg nnd di<
Abtretungen, durch welche der Friede erkauft wurde, gesetzt hat, voll-
kommen angemessen ist. Nur durch ein solches, durch Vereinfschiui(
der Administration in allen Zweigen, durch namhafte Verminderung dei
Ausgaben, durch zweckmässige Verfügungen in allen Zweigen der Staats-
verwaltung und dnrch Einheit in der Leitung kann der Staat wieder nacl
dieser gewaltigen und' ... zu Macht und Wohlstand kommen.
Wie dieses zu bewerkstelligen sei, war mein* immerwahrendei
Gedanke seit Ausbruch des Krieges, da leb den Frieden als die elniigi
Gelegenheit betrachte, wo man nach einem anglOcklicfa gefDbrten Kri^
mit dem Beifalle aller Unterthanen gioBse Staatsrefonnen machen kana
jeder andere Aogeublick ist, wie es die Erfahrung leigt, viel wenigei
dazu geeignet. In jedem anderen Zeitpunkte sind wichtige Bronnen s^i
schwer und nur langsam auszufflhren.
Ich werde hier, von der Nothwendigkeit dieser Haesregel und toi
der Wahrheit dieser Vordere&tte durchdrangen, olle Zweige der Staats-
verwaltung durchgehen und bei jedem im Allgemeinen skizziren, wu
nach meiner Meinung, nach der wenigen Kenntniss, die ich mir dsTOi
erwerben konnte, für Verbesserungen aaznbringen sind.
Von dem Centmm, nämUoh von dem Btaatsratlie und dem
Oablnete.
Das Erste und Wichtigst« ist die Bildung eines Begiersugscen-
trums, in welchem alle wichtigen Staatsangel^oheiteu aller Fächer vor-
a der Abschrift.
839
getragen werden, welches dann dieselben, mit seiner Meinung begleitet,
dem Landesfarsten ¥Oi*zulegen hätte. Dieses soll in Zukunft du: Staats-
rat h sein.
Schon aus dem Worte ,Staatsrath' fliesst der Begriff eines Collegiums,
welches in der immerwährenden üebersicht aller Zweige der Staatsver-
waltung dem Monarchen in Staatsangelegenheiten mit Bath an die
Hand gehet.
Dass der gegenwärtige Staatsrath den Erwartungen nicht entspricht,
ist klar; er bildet itzt ein Dikasterium, welches aus politischen und Justiz-
indiyiduen besteht und seine Meinung nur über einen Theil der politischen
und Justizgeschäfte abgibt. Aber die wichtigen Staatsgeschäfte des In-
landes, der Finanzen, des Krieges, die Kenntniss der äusseren Verhält-
nisse sind demselben ganz entzogen, daher es seinem Zwecke nicht ent-
spricht und gai* keinen Nutzen bringt.
Der Staatsrath soll meiner Meinung nach ein Ck)llegium der geprüf-
testen Männer aus allen Fächern sein, auch aus dem Militär- und aus-
wärtigen Fache, die immer in der Evidenz des Ganzen sind und eben
deswegen äusserst verschwiegen und geprüfte Männer sein müssen. Alle
wichtigen Staatsgeschäfte aller Art, ohne Ausnahme, sollen darin vor-
geti-agen und Ew. Majestät mit der Meinung der Glieder vorgelegt werden,
nur die unbedeutenden sind nicht so nöthig dabei vorzukommen. Bios
dadurch können Einheit und Zusammenwirken in die Staatsverwaltung
gebracht werden, da bei diesem aus Männern von allen Fächern beste-
henden Collegio bei jeder wichtigen Massregel alle Bücksichten reiflich
erwogen werden können und keine Einseitigkeit, die unserem Staate
schon so viel Schaden brachte, platzgreifen kann. Aber nichts darf
demselben entzogen werden, indem sonst gleich die üebersicht des Ganzen
verloren und der Zweck seiner Einrichtung verfehlt ist.
Nebst einem Staatsrathe zu jedem Fache hätten die Präsidenten der
Hofstelle auf jedesmalige Berufung ihren Sitz in demselben, sowie, wenn
es deren gibt, einige ausgezeichnete, durch ihre lange Erfahrung und
grossen Talente ehrwürdige alte Staatsmänner als Minister Mitglieder
desselben wären.
So glaube ich, ist die neue Organisation des Staatsrathes in ihren
Haaptzügen skizzirt, blos auf diese Art ist seine Existenz nützlich und
setzt den Monarchen in den Stand, auch grosse Beformen mit Kraft und
Einheit in allen Zweigen auszuführen; blos auf diese Art ist der Staats-
rath von ausgebreitetem Nutzen und eine Erleichterung des Monarchen.
Schon im Frühjahre 1808 legte ich Seiner Majestät dem Kaiser in
dieser Hinsicht eine detaillirte Ausarbeitung über diese neue Organi-
340
sirang nach den hier oben angefahrten Hanptzügen sammt i^en Details
der Aasführung vor.^ Seine Majestät gemhten zwar Einiges dayon ni
genehmigen, aber eben weil nicht Alles begnehmiget wurde, eben weil
das Wichtigste, n&mlich die Vereinigung aller Zweige der Begienmg in
einer Zeit nicht geschah, und im Gegentheile noch späterhin dem Staats-
rathe die Greditsgegenstände entzogen wurden, blieb es dennoch beim
Alten, und der wichtige Zweck der Aenderung ward dadurch nicht erreicht.
Das Gabinet, welches blos die Befehle Seiner Majestät schreibt,
wäre mit dem ünterpersonale des Staatsrathes ganz zu vereinigen, wotod
immer einer zum Empfang von Seiner Majestät Befehl bereit sein müsste,
wodurch auch dieses ungemein vereinfacht wird.
Zu den geheimen Gegenständen wären ein oder zwei Gabinets-
secretäre nebst zwei Officialen hinlänglich, welche dieselben, wie es bisher
gewöhnlich, zu besorgen hätten.
Hier muss ich noch bemerken, dass keine Verbesserung, keine
gi'osse Reform ohne die Bildung eines so organisirten Gentrums mit der
nöthigen Einheit in allen Zweigen nützlich ist und dieses daher allen
anderen Massregeln vorgehen muss.
Nun schreite ich zur Auseinandersetzung der einzelnen Geschäfts-
zweige und der insbesondere dabei vorzunehmenden nöthigen Beform.
/. Departement der auswärtigen Angelegenheiten.
Dessen Arbeiten und Verfassung ist mir zu wenig bekannt, als
dafis ich Vorschläge darüber auch nur berühren könnte. Nur zwei Punkte
sind es, die mir dabei auffallen und die gewiss Behemgung verdienen;
diese sind: 1. Das Monopol, welches mit diesem Geschäfte getrieben wird.
Bisher war immer nur Einer, Einer leitet Alles; nach seinen Ideen,
sie mögen wahr oder falsch sein, ging Alles; er trägt Alles dem Monarehen
auf seine Art vor, und so kam es, dass diese Geschäfte einseitig behan-
delt werden. So lange als das Genie des Eaunitz ' diese Stelle bekleidete,
ging es noch, aber seither, unter Spielmann,' Thugut,* Gobenzl,* Stadion,*
sieht man leider aus den Folgen, wie einseitig alle Geschäfte behandelt
^ Es ist dies die vorangehende Denkschrift
* Fürst Kaunitz-Rietberg.
' Freiherr v. Spielmann, Staatsminister.
^ Freiherr v. Thugut, Staatsminister.
^ Graf Ludwig Gobenzl, Staatsminister.
' Philipp Graf Stadion, Staatsminister.
341
worden sind. Diesem (Jebel würde dadarch leicht abgeholfen, wenn ihm
ein Adjunct, anch Minister, an die Seite gegeben würde, der anch über
alle, auch die wichtigsten Gegenstände seine Meinung abzugeben und
bei Conferenzen auch über jene (Gegenstände, welche ihres Geheimnisses
w^^n und weil sie keinen Zusammenhang mit den übrigen Zweigen der
Staatsverwaltung haben, nicht im Centro vorzukommen^ geeignet sind,
mit dem Minister zu erscheinen hätte; dadurch wäre, ohne dass das Ge-
heimniss, welches diese Gegenstände billig umhüllt, mehr geföhrdet würde,
dem Monopol Schranken gesetzt und über diese Gegenstände durch die
beiderseitigen Meinungen mehr Licht verbreitet. 2. Die zu wenigen
Kenntnisse von dem Zustande der Monarchie.
Dieser Punkt verdient ebenso sehr und vielleicht noch mehr Bück-
sicht; dadurch, dass die Minister der auswärtigen Geschäfte den Zustand
des Staates in allen Zweigen, seine Kräfte und Hilfsmittel, seine ver-
schiedenen Verfassungen zu wenig kannten, geschahen viele Missgriffe
in den letzten Jahren. Zwei Fälle kennen hier eintreten, die dem Staate
gleich schädlich werden können. Entweder hält der Minister aus ünkunde
die Kräfte des Staates und seine Mittel für grösser, als sie es wirklich
sind, alle Anstrengungen, aus Unkunde der Lage und der Verfassung
der ProvinzoA, für möglich und führt eine Sprache, die dem Stande der
Monarchie nicht angemessen ist, oder räth zu einem Kriege, welcher
dann, da die Wirklichkeit mit seinen sanguinischen Ideen nicht überein-
stimmt, zum Unglücke, auch zum Buin des Staates führt ;^ oder er hält
den Staat für schwächer, als er ist, und lässt sich daher Dinge gefallen,
die sich mit der Würde des Staates nicht vertragen; das Letztere, wie es
uns die Erfahrung so viele Jahre zeigt, geschieht selten; das Erstere aber
leider desto öfters, und ich kann es auch mit inniger Ueberzeugung sagen,
dass blos die Unkunde des Standes der Monarchie Schuld an unseren seit
zwölf Jahren immer wachsenden Unfällen ist.
Der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, sowie dessen Ad-
jonct sollen daher, wie es unter Kaunitz war, von allem demjenigen, was
auf den Stand und die Verfassungen der Kräfte und die Lage der Mon-
archie Bezug hat, genau informirt werden; sie sollen alle neuen wich-
tigen Verfügungen in allen Zweigen der Staatsverwaltung zur Einsicht
erhalten; sie sollen bei allen (Konferenzen und Debatten des Centrums
über wichtige Aenderungen gegenwärtig sein, damit sie, von Allem genau
unterrichtet, ihre Sprache und diplomatischen Vorschläge nach der wahren
^ In der Abschrift steht: Toigekommen.
* In der Abschrift heisst es; herbey ftlhrt
342
Lage der Monarchie einrichten nnd dadurch am Wesentlichsten zn einer
standhaften Wohlfahrt derselben beitragen können.
Ebenso sollen durch den Staatsrath dieses Departements, in den
Conferenzen des Centrums, alle jene Gegenstände oder wichtige Verfü-
gungen, die auf die Monarchie grossen Einfluss haben, oder jene, die mit
den übrigen Zweigen in Berührung kommen, vorgetragen nnd debattirt
werden, wodurch die Einheit in der Staatsverwaltung, das Wichtigste
einer guten Regierung, wesentlich befördert wird und die Beisitzer in
der Eenntniss des Ganzen erhalten werden, indem es ebenso wichtig ist,
dass dieselben von den diplomatischen Verhältnissen unterrichtet werden.
//. Militär in allen Zweigen,
Auch dieser wichtige Zweig der Staatsverwaltung ist mir wenig
bekannt, jedoch auch über diesen werde ich meine wenigen Ideen zu
Papiere bringen, so wie sie mir die Erfahru];ig an Hand gibt.
Es ist einleuchtend, dass, sobald der Friede gemacht ist, grosse
Reformen in diesem Zweige von der ersten Nothwendigkeit sind, wovon
die erste die ausgiebige Reduction der Armee ist.
Zwei Umstände machen diese Massregel unumgänglich nöthig.
1. Der Stand der Finanzen, welcher durch diesen Krieg so ver-
schlimmert wurde, dass er die Erhaltung einer grossen Armee ganz
unmöglich macht.
2. Der grosse Mangel an Pferden und an arbeitenden Händen,
welcher durch den fast 20 Jahre ununterbrochen dauernden Eriegsstand
in der ganzen Monarchie im höchsten Grade fühlbar ist nnd welchem nnr
durch Entlassung des grössten Theiles der Armee abgeholfen werden
kann, denn wenn demselben nicht abgeholfen wird, so kann der Staat
nicht so bald zu seinem schon gehabten Wohlstande kommen nnd lange
nicht eine angemessene Zahl Arbeiter nnd Landesvertheidiger erhalten.
Da nun die Nothwendigkeit der Reduction der Armee nnumstösslich
dargethan ist, so folgt die zweite Frage: wie weit soll sich diese Reduction
erstrecken und wie ist die kleine zurückbleibende Kriegsmacht zweck-
mässig zu organisiren? Zwei Fragen, der[en] Auflösung sehr wichtig für
den Staat ist.
Die gegenwärtige Lage der Monarchie, der Stand der Ohnmacht,
in welchen sie für diesen Augenblick durch das barbarische Benehmen
des Feindes gesetzt worden ist, erleichtert die Entscheidung der Ersteren.
Wir haben nach hergestelltem Frieden keinen Feind zu fürchten ausser
Franki'eich, welch letzterem wir ohnehin nicht gewachsen sind. Wir
343
können m den Angelegenheiten Europas, fflr diesen Augenblick in unserer
Lage znr Ohnmacht herabgesunken, keine standhafte Sprache mehr führen ;
wenn daher das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten sich Frank-
reich annähert und sich an dasselbe anschliesst, so scheint dei* Augen-
blick gekommen zu sein, wo wir eines langen Friedens gemessen und Yor
Anfällen unruhiger Nachbarn ruhig sein können.
Aus allen diesen Ursachen und um den Staat schneller in den
Stand zu setzen, bei sich ergebender Gelegenheit eine feste Sprache zu
fßhren und die seiner GrOsse angemessenen Streitkräfte aufzustellen,
glaube ich, dass bald nach hergestelltem Fiieden die Armee bis auf jene
Anzahl Krieger herabgesetzt werde, welche zu einer Sicherheit unum-
gänglich nöthig ist, dabei aber alle Landwehr und Insurrection fleissig zu
üben, um dennoch einen unvermutheten Anfall aufhalten zu können,
mit einem Worte, die Armee bis auf eine Sicherheitswache zu reduciren.
Ich glaube, dass die zurückbleibende Aimee, wenn sie aus 50.000 Mann
aller Waffen zusammengenommen besteht, hinlänglich ist.
Die zweite Frage können nur erfahrene Militärpersonen gründlich
beantworten, ich will aber deswegen nur einige Ideen, die ich darüber
mir sammelte, hier anführen und sie weiter[er] Prüfung anheimstellen.
Die Beduction der Aimee muss vorzüglich jene Branchen treffen,
die leicht wieder zu ersetzen sind, als zuerst daher die Infanterie, Gemeine
sowohl als Ofüciers, dann diejenigen, die mehi* Abrichtung benöthigen,
als die Cavallerie; endlich aber und am letzten, die wissenschaftlichen
Corps, als: Artillerie, Sappeurs, Mineurs, Pontonieurs, das Ingenieur- und
Generalstabscorps. Am meisten könnte aber die Beduction das Fuhr-
nnd Verpflegswesen, sowie das schreibende Militärpersonal treffen.
Nach folgenden Grundlinien wäre die Beduction fürzunehmen:
Es wird nämlich als zurückbleibend angenommen:
26.000 Mann Infanterie
16.000 „ Cavallerie
9.000 „ Artillerie
3.000 „ kleine Extracorps und Officiers
Summa: 54.000 Mann.
Das üebrige alles wird reducirt.
Die Infanterie wird auf 26 Begimenter, jedes zu 1000 Mann und
nebst einem angemessenen Stab, dem Officiersoorps, und die Chargen auf
2 Bataillons gesetzt, das Uebrige reducirt.
Die Cavallerie auf 82 Begimenter, jedes ä 500 Mann, mit den
OfÜciers und Chargen auf 2 Divisionen bestimmt.
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844
Die Artillerie auf 4 Begimenter zu 2000 Mann mit dem ganien
Of&ciersstande, 1000 Mann Bombardiere gesetzt, das Uebrige redncirt.
Die fibrigen Corps auf die Snmme von 3000 Mann nacb einem
gehörigen Verhftltniss gesetzt und die Pioniers ganz, wie gewöhnlich,
entlassen.
Die Generalität, der Generalstab und das Geniecorps werden nach
dem Verhältnisse, dem Bedarf ffir eine Armee von 100.000 Mann bei-
behalten.
Die übrig bleibenden Gemeinen (eine Anzahl von 250.000 Mann)^
werden mit den gehörigen Vorsichten in ihr Vaterland nach Hause ent-
lassen. Jene, die bleiben wollen, dann die Geschickten und Vertrauten
bis auf die oben angegebene Summe, werden zurflckbehalten, sowie die
Besten der Chargen.
Was die Officiers, sowie die Generale betrifft, so wird jedem, der
darum einkommt, seine Entlassung ohneweiters bewilligt. Alle diejenigen,
welche sich in dem Kriege schlecht betragen haben, werden nach gepflo-
gener Untersuchung auch ohne Pension entlassen und gestraft. Aus den
üebrigen wei'den die Besten und Geschicktesten ausgewählt und bis auf
die oben angeführte Concurrenz bei der Armee behalten.
Aus den zahlreich übrigbleibenden Stabs- und Oberofficiers werden
die rüstigsten sowohl bei der Landwehr als bei der InsuiTection nach
Bedarf angestellt, alle Üebrigen massig pensionirt und bei Erledigung
kleiner Civilstellen vorzüglich untergebracht, wozu es unendlich viele
Gelegenheit gibt. Dieses betrifft die Linientruppen.
Bei der Artillerie, dem Generalstabe und den anderen Corps wird
auf ähnliche Art verfahren, nur das Geniecorps muss etwas stärker
bleiben, da es zum Festungsbau dringend nöthig ist.
Auf diese Art ist die Beduction der Armee ausgiebig, einfach nnd
leicht ausführbar und dabei auch der wahre Zweck der Beduction erreicht,
nämlich der Bevölkerung und den Finanzen aufzuhelfen und zugleich
einen, wenn zwar schwachen Kern zurückzubehalten, aus welchem man,
sobald es die Finanzen und die Lage des Staates erlauben, wieder eine
respectable Armee bilden kann, indem man die Ungeübten nnd Becruten
unter die alten Truppen eintheilt. Ist dieses vollbradit, dann muss die
Sorge der Staatsverwaltung sein, diesen Kern und selbst den Nachwuchs
zu üben und zu seinem Zwecke zu bilden, damit man einen tüchtigen
Soldaten und ein gebildetes Officierscorps habe.
> £f steht: 2,860.000.
345
Das WicktigBte ist die Bildung Ahiger Officiere des Oeneralstsbes,
an welchen es bei uns, ohngeachtet so vieler blutigen Erfahrongen, in
diesem Faehe doch noch immer mangelt, und welche man auf einem
loBneFst einfachen und nichts kostenden Wege herstellen könnte, n&m-
lich mittelst der Ingenieur -Akademie in Wien.
Diese Tortreffliche Anstalt gibt den Jünglingen, die darin gebildet
werden, den Unterricht, der für einen gebildeten Of&der im Allgemeinen
liothwendig ist; ist der Gurs vollendet, dann treten die jungen Leute als
Cadetten oder Officiers in den Begimentem ein. Nur die Ingenieurs
müssen noch als Corpscadetten jenen Lehrcurs, der blos fflr den Inge-
nienr-Officier gehört, hören, worauf sie in das Corps treten. Man errichte
daher bei demselben eine eigene Section ftlr Generalstabscadetten, welche
nadi geendigtem allgemeinen Curs als solche die fftr dieses Fach nöthigen
Wissensdiaften theils wiederholen, theils noch neu lernen, mit den nöthi-
gen Professoren. D^ Director der Akademie wählt nach Beendigung des
allgemeinen Lehrcurses aus den zahlreichen jungen Leuten die fiUiigsten,
und zwar so viel aus, als für den Nachwuchs des Ingenieurcorps sowohl
als des G^neralstabes nöüiig sind. Diese treten dann nach ihren Anlagen
oder Neigung entweder als Ingenieurscadetten in die dazu gehörige Sec-
tion oder als Generalstabscadetten in die zweite neu errichtete ein, von
wo sie dann zu den betreffenden Corps als Officiers kommen. Durch dieses
einüache Mittel ist für die Bildung des dazu gehörigen Nadiwuchses zweck-
massig gesorgt; dass durch diese Meüiode gute Subjecte zweckmässig zu
ihrem wichtigen Berufe werden gebildet werden, zeigt das ebenso gebil-
dete Ingenienrcorps, welches vor allen anderen Branchen sich so sehr
MMeiehnet.
Die Bildung der Artilleristen ist durch die Schulen bei den Begi-
meptem zweckmässig eingerichtet.
Fftr die Bildung der Officiers besteht die Akademie in Neustadt,
nun [kommt] das Ludoriceum und die neuen Erziehungshäuser, wodurch
dem Zweck entsprochen wird, welchen allen aber baldiges Dasein zu
wflnschen ist. Auch wäre durch die Stabsc^ders die Bildung der Sub-
altemofficiers wfliMchenswerth und leicht thunlich.
Die Hauptleute hätten wieder, sowie auch die übrigen Officiers,
Schulen für die Gemeinen zu halten und sie unyerdrossen in allem Nö-
thigen zu belehren, damit sie, wenn einst die Armee wieder verstärkt
werden sollte, als Chargen gute Dienste leisten können.
Ueberfaaupt wäre den Generalen zur Hauptpflicht zu machen, auf
die Bildung der Officiers sowohl als der Mannschaft sorgfältig zu wachen
nnd alle Mittel dazu anzuwenden, indem die kleine zurückbleibende Armee
Arckiv. LXXVIU. Bd. U. Il41fto. 23
346
als ein Kern sn betrachten ist, der daher auf alle mögliche Art zn seinem
Zwecke gebildet werden muss.
Durch alle diese Yerffigungen wfirde zwar die Armee ungemein
vermindert, aber im innerlichen Gehalte wesentlich yerbessert werden
und einen Fuss bilden, um sie, wenn einst die Lage der Monarchie es
erlaubte, in eben dem Geiste vermehren und ein in jeder Hinsicht taug-
liches Heer bilden zu können. Aber auch physisch muss die Mannschaft
und selbst die Officiere gebildet werden; die erste muss geflbt, abgehärtet
werden, und ein Theil der Kosten, die der Staat auf sie verwendet, würd«
durch sie selbst hereingebracht werden. Um diesen Zweck. zu erreichen,
ist die Infanterie theils zu beurlauben, theils zu öffentlichen Arbeiten,
Canälen, Strassen, öffentlichen Bauten zu verwenden, welche OfficierB
vom Ingenieurscorps zu leiten hätten« Die Gavallerie hätte als Gen*
darmerie oder Maröchauss^e zu dienen, um in allen Gegenden die öffen<>-
liche Sicherheit zu erhalten, die Bäuber auszurotten und allen Excesten
vorzubeugen. Die beträchtliche Beduction der Armee, welche meistens
der öffentlichen Sicherheit gefährliche Folgen bringt, macht diese Mass*
regel nothwendig. Die Artillerie kann in Festungen, wo sie zahlreicher
ist, auch Garnisonsdienste thun, so wie die Extracorps.
Fangen die Finanzen an zu Kräften zu kommen, dass sie eifieu
Ueberschuss ausweisen, dann, aber auch nicht eher, ist der Augenblick,
an den Bau von Festungen zu Beschfitzungen der Grenzen zu denken,
um nicht so schnell um die Hälfte der Monarchie gebracht zu werden,
wie es bisher immer der Fall war, wozu denn die Infanterie sehr gut in
brauchen ist. Auch ist es eine Hauptsorge der Militärbehörden, vereint
mit den Civilbehörden gleich nach hergestelltem Frieden fftr schnelle
Emporbringung der Pferdezucht, um sich den Bedarf für Gavallerie,
Artillerie und Fuhrwesen für die Zukunft zu decken, auf alle Art in
wirken. Die Vertheilnng der Fuhrwesens-, Artillerie- und Cavallerie-
pferde in grosser Zahl wird sehr viel dazu beitragen, welche nun ohnehin
durch die bedeutende Beduction der Gavallerie und des Fuhrwesens ent*
behrlich werden, dann die neue Dotirung und Vermehrung der Land^
beschälanstalten in allen Ländern, Aufinunterung durch Prämien und
uidere Mittel mehr.
Es muss die Hauptsorge der obersten Militärbehörden nach voll-
brachter Beduction und Herstellung der Finanzen sein, mit jenem Ueber^
Schüsse, welcher ihnen von Seite der Finanzen bestimmt wird, durch
gute Gebahrung nach und nach Yorräthe aller Art zu sammeln, Festungen
zu bauen, Anstalten fClr die Zukunft zu gründen, um, wenn einmal der
Augenblick kommt, wo die Umstände und die Kräfte des Staates die Ver*
347
mehrung der Armee wieder zulassen, alles dazu Ni^thige beisammen za
haben. Auf diesen Gimndsatz hat die oberste Militärbehörde ihre detail-
lirten Vorschläge za bauen, aber ohne von demselben abzuweichen, die-
selben darnach einzurichten.
Was nun noch die Landwehr und die Insurrection betrifft, so wäre[n]
sie nun gleich nach Hause zu entlassen, damit sie ihre Wirthschaft zu
besorgen im Stande wäre[n] und aus der so kostspieligen Verpflegung
kamen. Dann wäre[n] sie in den ohnehin bestimmten Zeiten fleissig zu
äben und mit einer zureichenden Anzahl Offlciers aus jenen, die in die
Beduction verfallen, zu versehen, wodurch sie nach und nach zu einer
gaten Miliz gebildet wurden, ohne dem Staate viel zu kosten.
Einer wesentlichen Beform benöthigt das Verpflegswesen, welches
seinem Endzwecke so schlecht entspricht, dem Staate grosse Auslagen
verursacht, für die Provinzen eine grosse Plage ist, ein Heer von Be-
amten erfordert, die ihr Amt bekanntermassen sehr einträglich zu machen
wissen, und dem Civil und Militär so viel Stoff zu Beschwerden geben.
IIL Politische Staatsverwaltung in allen Zweigen,
Dieser so weitläufige Zweig der Staatsverwaltung hat wohl von
allen Zweigen in dem Augenblicke des Friedens die meisten Beformen in
seinen verschiedenen Unterabtheilungen nöthig. Schon lange zeigt die
Langsamkeit des Greschäftsganges, die wenige Wirksamkeit der aus dem
Centro gegebenen Befehle, die Verzögerung in allen Theilen, die Ver-
wicklung des Geschäftsganges, das Heer von Beamten, dass in diesem
Fache wesentliche Mängel in unserer Monarchie heiTschen, deren Abhilfe
das angelegentlichste Augenmerk der Staatsverwaltung nach hergestelltem
Frieden sein muss, welches aber nun desto schwieriger ist, da, um ein
zweckmässiges System zu beginnen, sehr wesentliche Beformen in allen
Abtheilungen geschehen müssen.
Die Grundregeln einer guten Staatsverwaltung sind: Einfachheit,
Schnelligkeit, Wirksamkeit der Befehle, Einheit in allen Zweigen, immer-
währende Uebersicht des Zustandes des Staates und noch andere mehr,
die wir zum Theil bei uns im hohen Grade aber vermissen. Ich werde
daher hier in Kurzem meine Ideen über die zu diesem Zwecke zu tref-
fenden Massregeln zu Papiere bringen und zuerst von jenen reden,
welche nach Herstellung des Friedens auf jeden Fall zu baldiger Wieder-
herstellung des Wohlstandes der Staaten nöthig sind; dann aber auch
von den wesentlichen Staatsreformen meine Meinung skizziren.
Das Erste und Dringendste, was sogleich nach Herstellung des
Friedens geschehen muss, ist ein bedeutender Steuernachlass für alle
23*
348
jene Provinzen, die der Feind in seinen H&nden hatte, gleichmässig und
ausgiebig,^ ohne Schreiberei, nnd ohne dass man den leider bisher immer
eingetroffenen Pai-teilichkeiten ausgesetzt wäre. Dadurch wird allei
Classen der Staatsbürger nach deren billigsten VerhlUtnissen, welche die
Staatsverwaltung in Händen hat, geholfen, indem denen Bürgern, Bauern,
Adel, Herrschaftsbesitzem, Capitalisten, kurz allen Classen, die alle in
gleichen Verhältnissen vom Feinde litten, aufgeholfen wird. Bei einer
blossen Geld-, Vieh-, Getreidevertheilung, wie sie bisher in ähnlichen
Fällen gewöhnlich war, wird nur dem Bauer, nämlich jener Classe, die
sich am leichtesten selbst erholt, aufgeholfen, die Anderen erhalten nichts,
welches sattsam den Vorzug eines allgemeinen beträchtlichen Steuemach-
lasses beweist. Das daraus für den Staat noch entstehende Deficit haben
die vom Feinde befreiten Provinzen, oder wenn es ganz unthnnlich wäre,
die Schwere der Bancozettel zu tragen.
Die Vertheilungen von Früchten, Vieh nnd Pferden sind zwar
auch den Parteilichkeiten ausgesetzt, aber doch bei gänzlicher Zugrunde-
richtung der Provinzen nothwendig, damit sie sich bald erholen. Eine
zweckmässige Vertheilung der zahlreich reducirt werdenden Cavallerie-
und Fuhrwesenspferde und zugleich beförderte Einfuhr von Vieh und
Getreide aller Art durch Prämien und Zollfreiheit wird diesem Uebel
dauernd abhelfen. Jener, der ganz zu Grunde gerichtet ist, wird sich
durch das erste Mittel aufhelfen; jener, der hingegen noch etwas Ver-
mögen hat, wird sich, von der Steuerlast zeitlich befreit, nach und nach
selbst den Fundus instructus zur Wirthschaft viel zweckmässiger mit dem
dadurch erspai-ten Gelde beschaffen, als er ihn immer durch Vertheilung
erhalten kann, und das Gleichgewicht stellt sich wieder her.
Eine weitere, nicht minder dringende Sorge der Regierung wird es
sein, die Menge der Beamten zu reduciren, die Verwaltung des Staates
auf einfache Grundsätze zurückzuführen und eine Gleichförmigkeit der-
selben in allen Provinzen einzuführen, die Land wirthschaft und Vieh-
zucht, sowie die Fabriken emporzubiingen, Talente aufzumuntern etc. etc.,
welches eben Alles zu den wichtigen Staatsreformen gehört, auf welche
ich nun komme.
Unsere Monarchie, dieses Aggregat verschiedener Staaten und
Verfassungen, kann nie zu einem dauernden Wohlstand, zu einer zweck-
mässigen Begierung und zu dem ihr vermöge ihrer Waffenzahl nnd ihres
Flächeninhaltes gebührenden Ansehen kommen, bis sie nicht aas einem
Staate, aus einer Nation besteht, bis nicht die verschiedenen Theile eine
^ In der Abaohrift steht: wodurch denselben gleidimäfsige und ausgiebige.
349
Verfossung erhalten, bis nicht alle die Vereinigung der Nation hem-
menden Umstände beseitigt sind. Es mnss daher die Hauptsorge der
Begiemng sein, vor Allem diesen Hauptzweck zu erreichen, welcher sich
nur durch Standhaftigkeit, Festigkeit und Klugheit erreichen lässt.
In den deutschen Provinzen, deren Verfassung in vielen Stücken
ähnlich ist und wo Ordnung herrscht, ist eine zweckmässige Gleich-
stellung der Verfassung mit Bficksicht auf Lage und selbst auf Gewohn-
heiten und Nationalcharakter nicht schwer, desto schwerer hingegen in
dem in so vielen Punkten von den übrigen Körpern verschiedenen Un-
garn und Siebenbürgen; langsam und mit vieler Klugheit muss dabei zu
Werke gegangen werden. Aber leichter wäre es bei einer allgemeinen
Beform, bei Aufführung eines ganz neuen Gebäudes, Ungarn den übrigen
Staaten gleichzusetzen, als dasselbe nun nach der ihm ohne Grund ver-
hassten deutschen Verfassung umzumodeln.
Es ist eine Frage, ob es nicht zweckmässig wäre, das Modell der
neuen Verfassung nach den neuen Grundsätzen, jedoch nach der Form
Ungarns zuerst in diesem Lande aufzustellen, dieses als Hauptkörper zu
betrachten und dann die anderen Provinzen dai'nach zu modeln; dadurch
wird sie in Ungarn leicht Eingang finden, sobald das verhasste Ummodeln
nach den deutschen Provinzen nicht mehr erwähnt wird, und der Ungar
wird dann in dem Wahne erhalten, dass die Verfassung allei- Provinzen
nach seinem ^ Lande abgeändert wird, welches ihn für Alles empfanglich
machen wird und zugleich den edlen Nationalcharakter desselben aufrecht-
erhält, wodurch endlich der Zweck, den sich die Staatsverwaltung vor-
setzt, doch eiTeicht wird.
Durch diese wenigen Bemerkungen ist die Nothwendigkeit einer
Reform in den Verfassungen, eine Zusammenschmelzung aller Provinzen
des Staates dargethan. Aber die Grundzüge einer zweckmässigen Ver-
fassung, welche allen Provinzen angemessen wäre, zu entwerfen, erfordert
Kenntnisse aller Länder und ihrer Verfassungen und nicht gemeine Ta-
lente, daher ich mich nicht darüber wagen darf; nur durch eine aus den
gelehi-testen, sowie aus den geschicktesten Staatsmännern der Monaichie
msammengesetzte Commission, welche gleich nach dem Frieden zu orga-
nisiren wäre und ihre Arbeiten anzufangen hätte, kann nach reifer
Ueberlegung ein Entwurf dieser Art zu Stande gebracht werden.
Diese Commission hätte aus gebildeten und kenntnissreichen Staats-
männern aller Provinzen, auch aus Ungarn und Siebenbürgen, welche
die Länder genau kennen und in Hinsicht ihrer vorurtheilsfreien Denk-
* In der Abschrift: ihrem.
350
ai-t, Kenntnisse und Anhänglichkeit rühmlich bekannt sind, zu bestehen;
gründliche Gelehrte in allen F&chern der Staatswissenschaften wären
nebstdem auch beizuziehen. Der Präsident, sowie der Yicepräsident
wären geprüfte Männer von ausgebildetem Rufe. Alle Hilfsmittel aller
Art stünden ihnen zu Gebote, in Allem, was sie dazu benöthigen, wäre
ihnen volle Vollmacht zu geben. Es wären ihnen keine Vorschriften oder
Grundi'egeln zu geben, an welche sie sich zu halten hätten, sondern Alles
ihrem eigenen Ermessen zu überlassen, nur wäre ihnen aufzutragen,
zuerst eine genaue Untersuchung und Auseinandersetzung der yerschie-
denen Verfassungen zu unternehmen und auf diese gestützt dann ihre
Arbeit, jedoch auch mit Benützung der Vei-fassungen fremder Staaten,
anzufangen, das Zweckmässige zu behalten, dem ünzweckmässigen etwas
Besseres zu substituiren, die Lücken auszufüllen und so nach und nach
die ganze Arbeit zu einem vollkommenen Werke zu machen, welches sie
dann dem Landesfürsten zur Genehmigung vorzutragen hätten. Auch
wäre ihnen gestattet, einzelne Anordnungen in der Zwischenzeit vorzu-
schlagen, welche die Provinzen nach und nach darauf vorbereiten und
dem neuen Werke leichter Eingang verschaffen.
Das Schwerste bei diesem Gegenstande ist die Wahl der Personen,
die diese Commission zu bilden haben, da sie so vielerlei Eigenschaften
haben müssen und ganz vorurtheilsfrei sein sollen. Ich bin bereit, auch
hierüber seinerzeit einige Vorschläge zu machen und nenne hier nur
einige, die vorzüglich hierzu taugen würden: einen Judex curiae von
Uermönyi,^ Staatsminister Grafen Zinzendorf,* Grafen Chotek,^ Staatsrath
Stahl,* Hofrath Schwitzen,^ Hauer,^ Hermann,^ Kielmannsegge,* Sonnen-
fels,® Pratobevera,*^ Petkovich," Almäsy,^* Zeiller ** und mehrere andere,
selbst in höheren Stellen; sowie von Gelehrten Professor Schwartner,^*
* Josef Freiherr von Uerm^nyi.
* Karl Graf von Zinzendorf, Staatsminister.
' Graf Rudolf Chotek von Chotkowa, Staatsminister.
* Philipp Ritter von Stahl.
* Sigmund Freiherr von Schwitzen.
* Hofrath Franz von Haner.
* Johann Hermann, Rechnungsrath.
* Hofrath Josef Freiherr von Kielmannsegge.
* Hofrath Josef von Sonnenfels.
*• Hofrath von Pratobevera.
** Hofrath Ludwig von Petkovich.
" Hofrath Ignaz AlmiLsy.
" Professor Zeiller.
" Martin von Schwartner.
351
Egger,^ Eopetz' nnd manche Andere, jeder in seinem Fache. Diese
Auswahl mnss, um dem Zweck zu entsprechen, mit äusserster Vorsicht
getroffen werden, da von derselben das baldige Gedeihen dieses wichtigen
Werkes allein abhängt.
Nun lasse ich noch blos einige hingeworfene Ideen über die Ver-
fassungen, die mir während dieser Arbeit in den Kopf stiegen, hier
folgen:
£in[er] der wichtigsten Gegenstände derselben ist die Organisirung
der ständischen Körper. In den deutschen Provinzen sind sie blos
Ausfflhrer der Befehle des Monarchen ; in Ungarn und Siebenbürgen darf
der Monarch ohne ihnen in vielen Stücken nichts ändern. Es liegt klar
an dem Tag, dass, wenn die Monarchie ja zu Macht und Ansehen kommen
soll, das Letzte, welches nur alle Anstalten lähmt und dieses schöne Land
in jenen Stand setzt, in welchem es jetzt schmachtet, aufhören muss.
Die Stände sollen in einem gut organisirten Staate blos Bathgeber
des Monarchen sein, wenn er sie befragt; sie sollen, da sie das Land am
besten kennen, dem Landesfürsten mit Bath an die Hand gehen; sie
sollen die Befehle desselben ausführen; die Steuern, die er von ihnen
begehrt, nach billigem Massstabe vertheilen und einheben, wovon weiter
unten ein Mehieres vorkommt, und ihn, wenn er es verlangt, mit Geld,
Getreide und selbst mit ihrem Credit unterstützen; sie sollen eigentlich
ein{en] Ausschuss aller Stände des Landes vorstellen, daher soll auch
jeder Stand das Becht haben, Bepräsentanten beim ständischen Aus-
schüsse zu haben. Aus dieser Ursache ist in jeder Provinz ein perma-
nenter ständischer Ausschuss nöthig, der aber nur aus wenigen Gliedern
zu bestehen hätte, wie es ohnedem in den deutschen Provinzen besteht.
Am schwersten wäre es in dieser Hinsicht in Ungarn; die Stände
müssten allen andern Einfluss in die Begierung verlieren, sie würden
blos zu Executoren des landesherrlichen Willens herabsinken; der per-
manente Ausschuss würde den Landtag ausser ausserordentlichen Fällen
ganz entbehrlich machen. Mit Klugheit, besonders wenn die Form bei-
behalten wird, wird diese Anstalt auch dortlands nicht viele Schwier
rigkeiten finden, besonders wenn das Land die ihm dann durch die neue
Verfassung zugehenden grossen Wohlthaten empfinden wird.
Die Einführung eines einfachen und überall gleichen Steuerfusses
ist auch ein wichtiger Punkt in der neuen Verfassung. Die Grundregeln
^ Franz Bitter von £^ger.
* Es ist nicht deutlich, ob damit Wenzel Gustav Bitter ron Kopetz oder
dessen Bruder, Martin Kopetz, genannt ist, die beide su gleicher Zeit
tls Bechtsgeldirte wirkten.
352
dazü sind, dass alle Provinzen und alle Stände dei*8elben die Steonn
nach eben demselben Massstabe zablen; dass die Steuern so einfach sind,
dass Jedermann leicht sieht, was er zu zahlen hat, welches die beste
Ck)ntrole gegen die Steuereinnahme ist; dass die Stände jeder Provioz
die Steuern nach den Yorgeschriebenen Grundregeln einheben und an die
Staatsverwaltung abführen.
Die Steuern haben endlich nicht aus einem bestimmten Quantum
zu bestehen, sondern es wird alle Jahre von den Finanzen das Prftliminar-
sjstem entworfen, der Bedarf nach einem so viel möglich genauen Mass-
stabe auf die Provinzen vertheilt und jeder Provinz der sie treffende
Theil repartirt und den Ständen die Einhebung nach der gegebenen
einfachen gleichen Grundregel mit Zuschlagung der Einhebungskosten
aufgetragen.
Dieses ist nach meiner Meinung die echte Art der Besteuerung;
alle Jahre wird so viel eingehoben, als der Staat braudit, dadurch ent-
steht nie ein Deficit, man braucht zu keinen ausserordentlichen Steuern
Zuflucht zu nehmen, da die ordinäre Steuer das Deficit unmöglich macht;
nie macht dann der Staat Schulden und Papiergeld, und er ist im Stande,
mit den grössten Anstrengungen auf die einfachste Art, ohne dass es den
Staat auf lange Jahre zu Grunde richtet, wie es bisher bei uns immer
geschah, auszuhalten. Zudem weiss Jedermann im Anfange des Jahres,
was er zahlt; er kennt die Termine, welche die Stände, sowie die Bepar-
tirung nach ihrer Landeskenntniss bestimmen, und kann daher seine
Wirthschaft darnach einrichten, statt dass er nun nie vor neuen Bele-
gungen sicher ist oder doch indirect durch die Bancozettelvermehrung
belegt wird. Zudem ist Alles gleich anzuhalten, zu zahlen, so dass alle
Unbilligkeit aufhört.
Die gleiche Steuerbelegung ist jener Gegenstand, der in Ungarn
und Siebenbfirgen, wo der Adel zu keiner Last beiträgt, am schwersten
auszuführen sein wird; aber da doch der aufgeklärte Theil des Adels wohl
einsieht, dass dieses Vorrecht nicht länger mehr bestehen kann, so wird
es mit Klugheit und Standhaftigkeit doch ausführbar sein.
Die Hauptgrundsätze der directen Steuern, von welchen hier allein
die Bede sein kann, müssen sehr einfach sein. Jedermann muss nach
seinem reinen Einkommen, welches ihm nach Bestreitung aller dazu
nöthigen Auslagen zurückbleibt, besteuert werden. Die Steuer kann
daher nur Grund- und Classensteuer sein, alle übrigen hätten daher
aufzuhören und die ganze benötiiigte Summe durch diese zwei Gattungen
einzugehen. Das System der Besteuerung muss von der Staatsverwaltung
bestimmt und den Landesständen zur Befolgung hinausgegeben werden.
353
Ein wichtiger Oegenstand der Berathung ist auch die Frage: ob die Feu-
dalrechte des Adels ^ fortan zu bestehen oder aufzuhören haben? Sicher
ist es, dass in allen jenen L&ndern, in weichen sie aufgehoben wurden,
annoch glflcklidie Besultate daraus erfolgt sind, dass dadurch der Unter-
than besser zu Theil kommt, dem Staate mehr Einkommen verschafft
und die Landesadministration sehr erleichtert wird. Sicher ist es aber
auch, dass diese Rechte seit undenklichen Zeiten dem AdeP zustehen
und in einem grossen Theile der deutschen Provinzen die Subsistenz
desselben davon abhängt, dass durch diese Verfügung daher eine Men-
schenclasse, welche sich durch ihre reine Anhänglichkeit an Fürst und
Vaterland so vielen Aufopferungen unterzog, aus weldier dadurch, dass
sie Mittel zur Bildung in vollem Masse hat, die geschicktesten Staats-
diener aller Art entstehen, gänzlich ruiniH wird und dadurch die stärkste
Stütze der Dynastie und der Verfassung gestürzt wird. Diese Massregel
wäre reifer Berathung mit allen übrigen zu unterziehen; mir aber
sdieinen die Gründe für Beibehaltung des Feudalismus, der ohnehin bei
uns so sehr gemässigt ist, dass er keine schädlichen Folgen für den
Staat wie in den übrigen Ländern hat, so überwiegend, dass ich für
deraen Aufrechthaltung, jedoch mit Beschränkung desselben in den un-
garischen Provinzen, wo er zur Unterdrückung des Bauers missbraucht
wird, stimmen würde. Jedoch werden diese Hechte zur Gleichhaltung
aUer Provinzen, die auch darin manche Ungleichheit haben, einige Modi- \
ficationen erleiden, wovon ich nur einige in die Augen fallende Beispiele
anführen will. Die Schuldigkeiten zum Beispiel des böhmischen Unter-
thans gegen seinen Grundherrn müssen, da sie an vielen Orten zu
drückend sind, regulirt werden; in Ungarn und Siebenbürgen tritt eben
dieser Fall ein, dort muss dem Bauer das freie Eigenthum seiner Gründe
gegeben werden und der willkürlichen Behandlung desselben von den
Orundherren und Beamten Schranken gesetzt werden, ohne welche der
schwere Druck, der auf demselben lastet, nicht endigen wird und an
keine Industrie desselben zu denken ist, und so gibt es in allen Provinzen
mancherlei in diesem Falle zu treffende Modificationen, welche das
Schicksal des oft hart gedrückten Unterthanen sehr erleichtern und dem
Druck für die Zukunft steuern, durch welche dann die Feudalrecbte so
beschränkt werden, dass, ohne dass Missbrauch davon möglich ist, alle
wohlthätigen Folgen derselben für den Staat fortwirken.
* Ursprünglich stand: des Adels; dann durchstrichen und an der Seite
steht mit Bleistift geschrieben: der Dominien.
* Zuerst: dem Adel; an der Seite steht mit Bleistift: den Dominien.
\
354
Die Vereinfachung des Geschäftsganges, Yereint mit Klarheit,
Schnelligkeit und Zweckmässigkeit ist auch ein widitiges yon dieser
Commission aufzulösendes Problem. Wird die Verfassung, der Steuer*
fuss und alle Zweige der Verwaltung auf einfache Grundsätze zurl&ck-
geftthrt, so vereinfacht sich schon dadurch der Gang der Geschäfte, der
sich aber noch durch zweckmässige Organisirung aller Stellen n«nhaft
vereinfachen lässt.
Eine der Hauptmassregeln zu dieser Vereinfachung ist die Vw-
minderung der Controle. Ich habe fiber diesen Gegenstand viel nach-
gedacht und den Nutzen dieser Anstalten viel betrachtet, aber immer
gefunden, dass alle Missbräuche, die dadurch entdeckt werden, die Er-
sparnngen, welche dadurch bewirkt werden, weit^ von dem Schaden
überwogen werden, welchen die daraus entstehende Verzögerung, die
Vermehrung der Schreiberei und die Erhaltung einer so gi'ossen Anzahl
von Beamten dem Staate macht. Nur in Gassen- und Finanzgegenständen
bleibt die Controle wegen der Wichtigkeit des Gegenstandes immer nöthig.
Alle politischen, Bau- und wie immer gearteten Gegenstände wären nicht
mehr der Controle zu unterziehen und alle Buchhaltereien , ausser der
Centrale und einer untergeordneten für die Cameralbranchen, welche in
so viele Theile, als es Branchen gäbe, mit dem gehörigen Personale ver-
sehen, einzutheilen wären, von welchen in jeder Provinz eine ähnliehe
abzuhängen hätte, wären aufzuheben. Die Schnelligkeit, die dadurch in
vielen Geschäften erreicht wird, die Ersparungen des grossen Beamten-
heeres, dieselbe' überwiegt weit den Schaden, den die hie und da zuneh-
menden Veruntreuungen dem Staate verursachen, welchen allen auf die
Spur zu kommen selbst mit dem zahlreichsten Buchhaltereipersonale
unmöglich ist.
Nun kommt die Verminderung des Beamtenheeres an die Beihe.
Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass durch Beducirung der
Beamten auf die Hälfte die Geschäfte ebenso gi'ündlich als bisher geführt
werden können. Freilich müssen dann blos fleissige und ^ige Männer
angestellt werden und alle jene, welche ohne Talente und Fleiss sind
und blos wie Maschinen nach den Stunden arbeiten, da es leider so viele,
selbst in den höchsten Aemtern bei uns gibt, beseitigt werden. Schon
dadurch wird die Schreiberei namhaft vermindeH, welche bisher immer
durch jede Beamtenvermehining sich verstärkt. Wenn es auch gut fort-
geht und die Beamtenzahl für die abzuhandelnden Geschäfte hinlänglich
' Es steht: mit, muss aber wohl ,weit' heissen.
3 Es steht: denselben.
355
ist, so werden alle Augenblicke neue Vorschläge zu Personalvermehrungen,
theils wegen des Geschäftsschlendrians, theils um Verwandte emporzu-
heben, gemacht; wenn sie auch nur als provisorisch angetragen sind, so
weiss man schon sie zu stabilen Anstellungen zu machen. Diese neuen
Beamten wollen sich wichtig machen und viele Nummern aufweisen, sie
ziehen daher eine Menge Geschäfte von der untergeordneten Stelle empor,
und so geht es dui'ch alle Stufen, und sowohl das Beamtenheer als die
Schreiberei wird ohne Ende vermehrt. Eeducirt man nun die Zahl der
Beamten auf die Hälfte, behält die talentvollen und hält mit unerbittlicher
Strenge darauf, dass doch alle Ai'beit geleistet und durch eine schaife
Controle der Präsidenten auch gut geleistet wird, so sind dieselben selbst
gezwungen, auf Verminderung der Schreiberei zu denken, da sie nicht
hinreichen, den Schwall der Geschäfte zu bearbeiten; die Geschäfte kom-
men in ihr altes Geleise und werden schnell und zweckmässiger geschlichtet.
Auch die Entwerfung einer einfachen und zweckmässigen Geschäfts-
manipulation, wodurch dieser Zweck in hoch vollem Masse, ohne jedoch
der Gründlichkeit Einti*ag zu thun, eneicht wird, ist eine Ai'beit der Com-
mission. Die Bestimmung der Gi-undsätze, nach welchen die Approvisio-
nirung der grossen Städte, die Satzungen etc. bestimmt und die Concur-
renz dabei befördert wird, ist auch einer ^ Aufmerksamkeit nicht unwürdig,
da wir in diesem Zweige durch eine Beihe der sonderbarsten Missgriffe
in ein Labyrinth gekommen sind, aus welchem man sich nur durch
Klugheit und schnelle Benutzung der Gelegenheit winden kann, deren
eine treffliche der Abzug der Feinde aus der Hauptstadt für dieselbe
verschafft.
Nach meiner Meinung kann blos durch Aufhebung aller Satzungen
die gehörige Ck)ncurrenz zu (sie) gi-ossen Städten, bei welchen ohnehin
die grossen Preise hinlänglichen Beiz dazu geben, hervorgebracht werden;
alle Approvisionirungsanstalten, wenn sie nicht nach staatswirthschaft-
lichen Grundsätzen geleitet werden, sind denselben schädlich. Selbst in
der Hauptstadt wäre, wenn es auch anfangs etwas Lärm machen sollte,
nach diesem unumstösslichen Princip vorzugehen, aber die Art, wie es
auszuführen, nur nach reifer Ueberlegung zu bestimmen. Diese wenigen
Ideen glaubte ich in Hinsicht der politischen Gegenstände hier anfügen
zu sollen.
Eine wichtige Bücksicht verdienen nun noch die mit diesen enge
verketteten Beligions- und Studiengegenstände, welche nach Vollendung
des Obigen ein Gegenstand der Leitung eben dieser Commission mit Zu-
1 Hier ist ein Wort ausgelassen, wahrscheinlich: gründlichen.
\
356
•
Ziehung talentYoller M&nner, deren es in unserer Monarchie doch manche
gibt, aus diesen Fächern sein können. Die Ersteren nach Möglichkeit sq
befördern ist Pflicht, denn dadurch, ohne andere als blos politische
Rücksichten zu berühren, wird das Band des Grehorsams nnd der Anhing-
lichkeit des ünterthanen gegen seinen Monarchen and gegen seine
Obrigkeit befestigt, dadurch wird Ordnung im Staate erhalten nnd die
völlige Befolgnng aller yon der Staatsverwaltung angeordneten Ver-
fügungen erleichtert. Um diesen Zweck zu befördern, muss anfgeklftrte
Religiosität auf alle mögliche Ai*t, sowie auch Sittlichkeit durch die Staats-
verwaltung befördert und allem Aberglauben entgegengearbeitet werden.
Das Wichtigste dazu ist die zweckmässige Bildung der Seelensorger aller
Religionen. Für die Katholiken ist gesorgt, aber selbst da braucht es
noch hie und da Verbesserungen, die aber nicht von der ersten Dring-
lichkeit sind; nicht so für jene der übrigen Religionen, deren Bildung
für den Staat nicht minder wichtig ist. Seminarien für angehende Geist-
lichkeit der griechisch-schismatischen Kirche unter der Direction des
kenntniss vollen Metropoliten Stratimirovic,^ Seminarien für Protestanten
und Calvin er zur Erlernung der Theologie, wenn es thunlich ist in der
Hauptstadt unter Aufsicht der Regierung, zweckmässige Lehransialten
für Geistliche der unitarischen Secte und der Rabbiner wären nach einem
zweckmässigen Plane, aber nicht auf Kosten der Religionsglieder, sondern
auf Kosten des Staates und unter zweckmässiger Aufsicht zu errichten;
dadurch wird der beste Grund zur Aufklärung des Volkes der übrigen
Religionen gelegt, welches nur entweder von rohen, aller Erziehung ent-
behrenden * . . . oder von solchen Seelsoi*g6rn geleitet wird, welche auf
auswärtigen Universitäten falsche Auf kläi*nng eingesogen haben, welches
beides, wie es die Eifahrung in Oesterreichs Monarchie, besonders in
Ungarn anschaulich lehii, für den Staat in jeder Hinsicht schädlich ist.
Würden hingegen ähnliche Anstalten, die von so grosser Wichtigkeit
sind, von dem Staate ganz sich selbst überlassen und deren Errichtung
und Dotirung ganz auf die Privatwohlthätigkeit verwiesen, so entstehen
sie in Ewigkeit nicht und können zum grossen Schaden des Staates nie
zu jener Blüthe kommen, die so nöthig ist, wie es abermals die Erfah-
rung zeigt.
Der zweite Schritt ist in dieser Hinsicht die Sorge für den anstän-
digen Unterhalt der Seelsorger aller Gonfessionen ; für die Katholiken
sorgt in Ermanglung anderer Hilfsquellen durch Stiftungen des Religions-
^ Stephan von Stratimirovic.
• Hier fehlt ein Wort.
357
fondes der Staat. Auch selbst diese, obwohl schon Manches für sie
gethan wurde, schmachten noch hie und da, besonders in Ungarn, im
Elende, sowie auch besonders jener des griechisch-katholischen Ritus,
der gleiche BAcksicht verdient, besonders nm dessen Glaubensverwandte
Tom Abfall zn bewahren; fftr diese wäre daher zu sorgen, dass sie einen
anständigen Unterhalt haben, die Dotation wäre jener der übrigen Pro-
vinzen gleichzusetzen, die Grundherren und Patrone so viel möglich
zu vermögen, dieselben mit Naturalien zu dotiren, das einzige Mittel,
damit sie auf dauernde Art der Noth enti'issen würden, welches besonders
durch die reichen Bischöfe thunlich sein dürfte. Ebenso darben oft die
Deficienten, auch für diese müsste zweckmässig gesorgt werden, um
Jünglinge von f^higkeiten durch eine bessere Aussicht zur Annahme
des geistlichen Standes zu vermögen. Bei den übiigen Beligionen können
die Gemeinden angehalten werden, nach einem bestimmten Massstabe
einen dauernden, anständigen Unterhalt ihren Seelsorgern zu verschaffen
und auf immerwährende Zeit sicherzustellen, da doch der Staat nicht
Alles zu thun im Stande ist; nur dort, wo es die Umstände nicht zulassen,
wären dieselben entweder ganz vom Staate zu besolden oder die Ergän-
zung der Dotation zu bestimmen.
Endlich ist es noch Sorge der Staatsverwaltung, für Besserung der
Joden und Ausrottung der staatsschädlichen Secten, als die Adamiten, zu
sorgen, welches zwar nur sehr langsam möglich ist, wozu aber nach
einem vernünftigen Plane bald Hand anzulegen wäre, um diesen für den
Staat und die ganze Menschheit so wichtigen Zweck endlich zu erreichen.
Auf diese Art wird, da ein aufgeklärter Seelsorger viel wirken
kann, viel zur Verbesserung des Volkes beigetragen. Die Bildung des-
selben ist aber ein ebenso grosses Bedürfniss, indem sich nur durch
wahre Aufklärung eine vollkommene und völlige Erfüllung dessen Pflich-
ten als Unterthan und ein wahrer reiner Patriotismus erreichen lässt;
blo6 durch die jedem Stande angemessene Bildung, vereint mit wahrer
Bdigiosität lässt sich ein wohlgeordneter Staat, gute ordnungsliebende
Staatsbürger und ein einstimmiges Zusammenwirken zum Besten des
Staates denken, wodurch alle Bemühungen der Staatsverwaltung erleich-
tert werden und ihi' von allen Seiten mit Eifer an die Hand gegangen
wird, welches der wünschenswertheste Zustand eines Staates ist.
Um diesen Zweck zu eri'eichen, soll die Staatsverwaltung zuerst
zur Bildung tauglicher Schullehrer zum Volksunterricht aller Nation und
Beligion schreiten. Dieses wird zwar bei uns schon begonnen, aber noch
nicht mit jener Ausbreitung betrieben, als es nothwendig ist; daher
kommt es zum Theil, dass die meisten Schullehrer unwissende Leute
,i
358
sind, oft blos elend lesen und schreiben können. Es gibt sogar grosse
♦ _
Landesstrecken und Orte, besonders in Ungarn und Galizien, wo es noch
gar keine Schullehrer gibt.
Durch Schullehrerseminarien, in welchen die Glieder aller Bell*
gionen, um die Gleichheit zu erhalten, unterrichtet werden, welche in den
Provinzen als Anhängsel an Universitäten oder Lyceen angelegt werden
und aus dieser Ursache keine grosse Auslage machen, durdi blosse An-
stellung solcher Männer, die den Lehrcurs darin zurückgelegt haben, als
Schullehrer kann dem Uebel abgeholfen werden; sind dann diese Lehr-
anstalten in allen Provinzen auf gleiche übereinstimmende Weise an-
gelegt, wird in allen eben dasselbe gelehrt, so kann man auch Gleichheit
der Begriffe unter die verschiedenen Nationen der Monarchie bringen
und nebst wahrer Aufklärung auch ihre gegenseitige Annäherung dadurch
zweckmässig bewirken. Durch zweckmässigen Unterricht kann der Na-
tionalhass nach und nach beseitigt und auch selbst fleissige Cultor unter
den Landmann gebracht werden.
Ist nun für den Unterricht der Landschullehrer gesorgt, so muss
auch für ihre Anstellung in allen Orten und zugleich für ihren anstän-
digen Unterhalt gesorgt werden. In allen Dörfern müssen auf Kosten
des Grundherrn, wo noch keine Schulen sind, dieselben errichtet
und dieselben verhalten werden, nach einem bestimmten Schema die
Lehier zu dotiren, so dass sie anständig leben können. Das Letzte ist
dringend nöthig, damit sie nicht mehr, wie bisher, mit einem Gehalte
von 100 Gulden betteln und Alles thun müssen, was die Bauern wollen,
wie ich es leider oft genug sah.
Da dann der Staat in Zukunft auch in Hinsicht der bisher vom
Staate besoldeten Schullehrer mit einer so ausserordentlichen neuen Last
nicht beladen werden kann, so haben die Gemeinden und die Grundherrea
nach Umständen nach einem bestimmten System jeden ihrer Schnllehrer
— mag [er] von was immer für Beligion sein — selbst zu bezahlen, was
;^ um desto billiger ist, da sie von seiner Anstellung selbst den grössten
' Nutzen haben. Das System wird von der Staatsverwaltung nach der
. i Lage der Provinzen und den Umständen entworfen, jedoch so, dass jeder
Schullehrer anständig leben kann, und dann von den Behörden auf soldie
Art in Ausführung gebracht, dass entweder der vorgeschriebene Gehalt
sichergestellt oder dem Schullehrer so viele Grundstücke übergeben wer-
den, als er zur Erhaltung des bestimmten Gehalts nöthig hat, und auf
die genaue Erfüllung dieser [Pflicht] immer mit Strenge gewacht.
V) Wie übrigens Juden, Zigeuner etc. zu Menschen und guten
^^ Staatsbürgern zu bilden sind, ist ein Gegenstand einer weiteren Be-
hh
i
359
mthung Yon saohkmidigeii Männern, indem sie eine eigene Behandlung
erfordern.
Durch diese oberw&hnten Anstalten wäre für die so wichtige Bil-
dung des gemeinen Volkes gesorgt; jeta^ kommt die Beihe an die Bildung
SU (sie) höheren St&nden.
Vor mehreren Jahren ' ward in dieser Hinsicht ein Studienplan
entworfen und die Akademien, Lyceen und üniyei*sitäten oi*ganisirt; die
folahning zeigt es aber, dass dieser Plan vieles Gute, aber auch manchen
Fehler hat, die eine reife Untersuchung und eine gründliche Abhilfe
bedürfen. Der erste und wesentlichste derselben ist, dass alle Studien
der unteren Classen wieder in die Hände der Geistlichen gegeben wurden,
deren Unterricht immer einseitig bleibt, da sie in den Klöstern eine ein-
seitige Erziehung erhalten und selten mit dem Zeitgeiste vorrücken, dann,
dass in manchen Classen, besonders in der Philosophie zu viele Gegen-
stände auf einmal gelehrt werden, so dass der Schüler ganz verwirrt wird
und das Studium, statt raisonnirt zu sein, zu einer blossen Gedächtniss-
sadte herabsinkt, die dem Schüler nichts nützt, indem er alles Gelernte
nach geendigtem Curse gleich wieder vergisst; dann, dass eben einige
der f%kr den künftigen Staatsmann wesentlichsten Stücke, als Staatswirth-
schaft, Finanzwissenschaft, Handel etc. etc. nur oberflächlich und ein-
seitig gelehrt werden, so dass Niemand Gelegenheit hat, sich in diesen
wichtigen Fächern zu bilden, welchem auch der ILangel an Finanzkun-
digwi bei uns zuzuschreihen ist, und noch andere Mängel mehr, welche
nnn schon durch die Erfahrung mehrerer Jahre an den Tag kommen und
eine genaue Erörterung und Abhilfe bedürfen, um dieses so wichtige
Fach 80 vollkommen als möglich zu machen. Nur durch einen sowohl
BMB Gelehrten in allen Fächern, als auch praktischen Schulmännern ent-
worfenen reif durchdaditen Plan, der auf alle Provinzen passt, kann
allen diesen Mängeln abgeholfen werden. Die Ljceen und Universitäten
mtssen auf eine liberale Art organisirt werden, es muss mehr Con-
currenz im Lehren über einen Gegenstand erlaubt werden, damit sich
dadurch Lehrer bilden und sich dieselben, durch die Concurrenz dazu
gezwungen, mehr Mühe in ihrem Vortrage geben müssen; ebenso die
Akademien.
Die höheren Lehranstalten für Protestanten müssen eine ähnliche
Einrichtung bekommen, um alles Reisen ins Ausland entbehrlich zu
machen; vielmehr wäre eine Lehranstalt für Theologie der Protestanten
beider Oonfessionen in Wien [zu errichten], wo die Hörer auf der Uni-
- ■ - - - — ■ I ■ I
1 1806.
360
versit&t ohnehin die fihiigen Studien absolviren können; eine tiratidw
für Griechen ebendaselbst zu diesem Zwecke hinlänglich. Da anf diesen
Anstalten Leute für alle St&nde gebildet werden, so mnss anch das Ein-
seitige sowohl der unteren Stadien als der Philosophie aufhören , aach
letztere muss mit Liberalit&t, jedoch mit den nöthigen Yorsiditen tradirt
werden; die Zwangsstudien müssen blos auf das Unentbehrlidiste be-
schi-änkt, alles Uebrige dem freien Willen der Sdiüler überlassen werden,
wodurch die Instruction zweckmässiger wird, und auch Schüler von mis-
sigen Fähigkeiten, da ihnen der Kopf nicht mit so yielen Gegenständen
überladen wird, erhalten Gelegenheit, sich zu bilden.
Ein anderes Bewandtniss hat es mit den Erziehungsanstalten fftr
Geistliche, nämlich mit den Convicten und Seminarien; für diese ist die
bisherige Einrichtung gut, jedoch mit manchen Modificationen, da diese
Erziehung sie zu ihrer Bestimmung vorbereitet Jede Diöcese soll ihr
Seminarium haben, wo auch die Stift- und KlostergeistUchen dwselben
unterrichtet werden. Die Elosterstudien, die meistens unTollkommen und
zweckwidrig sind, da man in denselben, ohngeaehtet der geechärfken
Wachsamkeit der Staatsrerwaltung, nie die so wichtige Gleichheit der
Lehren hervorbringen kann, haben dagegen au&nhören. Es ist nadi der
Art des Pester Seminariums ein Generalseminarium für die ganze Menar*
chie, wenn möglich in Wien, wo es an keinen Ausbildungsmitteln fehlt,
oder an einem nahen Orte zu errichten, in welchem von jeder IMöcese
einige der besten Köpfe unter der Leitung mit Sorgfalt aasgewähher
Männer ihre Studien zu machen hätten. Diese würden zur Eriialtug
der Einheit der Lehren, die itst, allen Anstalten ungeachtet, so s^
mangelt, zunächst zu Professoren für die KöcesanseDiinarien gebildet;
das Pester Generalseminarium, als eine blos für Ungarn dienende An-
stalt, hätte dann, als nicht mehr nöthig, aofinihören. Li der Folge
würden diese Schüler zu geistlichen Beamtenstellen und Würden vor^
züglich geeignet s^. Auf eine ähnliche Art in viel kleinerem Massstabt
wären die Bildungsanstalten für Pastoren und Popen und selbst eine
für Rabbis zu organisiren, wodurch für den Unterricht im Allgemeinen
und, wie ich glaube, befriedigend gesorgt wäre.
Was nun einige wissenschaftliche Zweige — einzeln genommen —
betrifft, so bestehen zwar schon «inige Unterrichtsanstalten, aber manche
nothwendige mangeln noch, deren Einrichtung in der Folge zur W<riilfüirt
des Staates wesentlich beitragen wird. So besteht die Bauakademie, die
Maler* und Bildhanerakademie, eine Forstlehr- und Landwirthschafts-
kanzel; Manches wäre aber noch sehr nöthig, zum Beispiel: eine ordent-
liche Forstschule, eine Schule für Ardiitekten und Hydrauliker, eine
361
Anstalt für Landesingenieurs, ein polytechnisches Institut, ein Institut
für Fabrikschemie und noch manche andere yon minderer Wichtigkeit.
Die Auseinandersetzung dieser nur kurz berührten Gegenstände ist die
Arbeit sachkundiger Männer und der oben vorgeschlagenen Commission,
welche allein im Stande wäre, das Detail davon und die Modalität der
Ausführung zu bearbeiten.
IV, Jvstiz,
Was diesen Zweig der Staatsverwaltung betrifft, so ist er wahrlich
der bestgeordnete derselben; die Gesetze sind zweckmässig, und die neu
entworfenen und zum Theil schon geltenden Gesetzbücher werden selbst
vom Auslande bewundert. Hier ist nur zu wünschen, dass das neue
bürgerliche Gesetzbuch ^ bald in Ausübung kommen möge, und dass auch
in diesem Zweige der langsame schläfrige Geschäftsgang etwas mehr
Schnellkraft erlangen möge, sowie auch, dass die Beamten sich auch bei
diesem Zweige vermindern mögen.
So gut auch die Justizverfassung der deutschen Provinzen der
Monarchie ist, so schlecht und mangelhaft ist sie hingegen in Ungain
und Siebenbürgen. Ohne Anstand^ könnte die Justizverfassung der
deutschen Erblande daselbst eingeführt werden, wenn die Zeit zur Haupt*
refoim gekommen ist. Jedermann, die Mängel der jetzigen wohl ein*
sehend, wird es mit Freuden sehen und alle Stände nur dabei gewinnen.
Ebenso ist es in Siebenbürgen. Eine aus gewandten Justizmännern der
deutschen Provinzen und vorurtheilsfreien Ungai*n zusammengesetzte
Commission würde dieses gewiss zweckmässig bewerkstelligen, und selbst
wenn die Umstände keine der übrigen Beformen in jenem Lande erlauben,
I^Dbe ich, dass dieses selbst mit Beifall der aufgeklärten Ungarn leicht
eingeführt werden könnte. Die einleuchtende Nothwendigkeit dieser
Massregel erfordert übrigens keine ausfühiliche Auseinandersetzung.
F. Finanz,
Dieser Zweig der Staatsverwaltung ist derjenige, welcher in der
österreichischen Monarchie am übelsten besorgt wird, ohnerachtet an
Bessourcen aller Art kein Mangel ist. Die Hauptursache davon ist, dass
alle jene, welche seit einiger Zeit die Leitung davon haben oder noch
^ Die Sanction desselben erfolgte bekanntlich erst 1811.
* Ist in der Abschrift unterstrichen.
▲rcUr. LXXVUl Bd. II. Uülfle. 24
362
dabei angestellt sind, nicht die mindeste Eenntniss von der Staatswirtii-
schaft haben nnd sich gar keine Mühe geben, sie zu erlernen, indem sie
alle dem Werke gewachsen zu sein glaubten. Der Erfolg zeigt es am
besten, wie gut sie es vei-standen, indem sie statt den Staat, ungeachtet
aller Opfer, doch in zahlbarem Stand zu erhalten, was bei den grossen
Eessourcen mit einiger Kenntniss der Staatswii-thschaft leicht war, ihn in
Schulden stüi*zten, mit Papiei-geld überschwemmten und endlich gar die
Hei-stellung der Finanzen blos durch einen Krieg für möglich hielten.
Es gibt in der ganzen Geschichte wenig Beispiele einer auf irrigen Wegen
so lange fortwandelnden Finanzadministration, als die unserige ist. Dass
diese an unseren [Finanzen] schuld ist, und dass ohne Beform dieses
Zweiges und ohne Ergreifung eines anderen Systems gar kein Wohlstand
der Monarchie sich mehr erwai-ten lässt, leuchtet Jedermann ein ; dieses
sowohl, als auch, dass diese Beformen Ton Sachverständigen, welche
bisher sich nie in Finanzgeschäfte mengen durften, allein unternommen
werden müsste, glaube ich bei einer anderen Gelegenheit bis zur Evidenz
dai-gethan zu haben, sowie ich auch oft meine Ideen, wie diese Befoim
vorzunehmen sei, ausseifte, daher ich hier davon schweige, mich auf einen
an Seine Majestät den Kaiser in dieser Hinsicht gemachten Vortrag vom
26. October 1809^ beziehe und nur noch anführe, dass, es mögen in den
anderen Zweigen Beformen geschehen oder nicht, diese sogleidi nach
beigestelltem Frieden unausweichlich ist und allein den Wohlstand des
Staates nur gi*ünden kann, sowie auch im Gegentheil ein in jenem Augen-
blicke voi-genommener Missgriff den Buin des Staates hervorbringen kann.
Ueber Oesterreichs Finanzverfassung, die bisherigen Fehler und die Art
und Weise, wie sie in Zukunft zu vermeiden und dagegen die bisherigen
abzuhelfen seien, habe ich schon öfters ausführlich geschrieben.^ Ich
trete daher mit üebei*gehung des Finanzwesens zu jenem Theile, welcher
eigentlich die Cameraladministration genannt werden sollte.
VL Cameraladministration,
Da diese von der reinen Finanz, von welcher oben die Bede war,
wohl zu unterscheiden ist, so kommt sie hieher, und ich will bei dieser
Bubrik einige Ideen über Verbesserung und Vereinfachung aller jener
Zweige, welche jetzt unter der Hof kammer stehen, anführen.
1 Siehe: Beer, Die Finanzen Oesterreichs, S. 44.
* Es steht: beschrieben.
I sehr rerschiedeu von der
Wichtigkeit ist, in unserer
sbh&ngif; von einander lu
bewährten Finanzbnndigen
[•mmission geleitet werden,
behalten und bloB in Hin-
mit dem ei-eteren in Ver-
, jeder Präsident sicli ans-
tre mit der Administration
in geholfen und dieselben
ei aber sehr nfltzliche and
ini^ng aller Caseen und
erselben ungemein veiein-
neuen Anstalten and Ver-
ändern Fonds rflckg&i^g
der Hälfte der gegenwärtig
I besoi^ werden, es wäre
wäre die Cameralcasse, in
alle Ausgaben anfingen.
rsitäts-, Stipendien-, Bni-
alle vei'scbiedenen Fonds
und alle Zuflflsse in das-
tndere Anstalt ans Unzu-
'e dann Tert^;enheit; ein
lecken, nie Geld zu guten
.eicfat zu übersehen nnd zu
dassregel so einleachtend,
inelligkeit und Einfachheit
Bancozettel, Hanptotaats-
lie Credttswesen heissen,
lationen Bezug haben, in
robei die ob^n Vortheiie
rt wird. Diese allgemeine
«ommiBsion zn stehen and
1.
unterliegen die Cameral-
gnng aller Fonds werden
1 alle anter eine Admini-
je sehr wird nicht schon
leichter üebersicht entielt,
( ^
:
364
uel)stdem noch der Yortheil eneicht, dass die Fondsgüter, welche jetzt
unter den politischen Stellen einer aus keinen Sachverständigen beste-
henden Leitung unterliegen, unter eine solche gelangen, welche dem
Werke gewachsen ist, wo sie besser benützt werden können. Aber auch
alsdann noch lastet eine grosse Masse derselben auf dem Staate, deren
immer zunehmende Regiekosten unter der Administration des Staates,
die den grössten Theil der Einkünfte verzehren, und weiche wegen ihrer
schlechten Administration dem Staate im Verhältnisse bei Weitem nicht
den angemessenen Nutzen bringen. Sind daher die Güter alle unter eine
Administration gebracht, dann sind alle diejenigen, welche aus besonderen
Staatsrücksichten, zum Beispiel wegen der gi'ossen Wälder, wegen wich-
tiger Bergwerke, wegen der grossen Getreideerzeugung, wegen besonderer
Fabriken oder wegen ihrer vortheilhaften Lage beibehalten werden mfissen,
als unveräusserlich zu bestimmen und diese Bestimmung nach sü-engen
Grundsätzen anzunehmen; alle übrigen wäien ohne Unterschied nach
und nach dem Meistbietenden zu verkaufen. Der Staat gewinnt dabei,
indem der Eaufschilling, den er erhält, den Werth des Gutes, den es in
dem Augenblicke des Verkaufes hat, übeiiirifft, daher er die Interessen
davon ohne Administrations- und Regiekosten bezieht, nebstdem gewinnt
noch das Allgemeine, da die verkauften Güter besser administrirt werden,
als sie es unter der Staatsverwaltung waren; dadurch kann sich auch der
Staat einen so nöthigen Geldzufluss für seine Finanzoperation verschaffen.
Das Oekonomische aller Herrschaften, die dem Staate bleiben, auch
jene, die nur unter der montanistischen Stelle stehen und von dort aus,
wie es auch bisher geschah, schlecht administiirt wurden, hätten unter
der Domänen-Hofcommission zu stehen. Die Oberleitung aller Cameral-
güter in der Monarchie wäre von derselben zu führen, sie wäre dag^n
auch mit sachverständigen Männern zu besetzen, welche dem Werke in
jeder Hinsicht gewachsen sind. Alle Bergwerke, auch jene auf den
Cameralherrschaften hingegen, sowie die dazu bestimmten Wälder hatten
unter der unmittelbaren Leitung der montanistischen Hof kammer zu
stehen, indem es die Erfahrung lehrt, dass die Bergwerke auf den Ca-
meralgütern in schlechtem Zustande sind und dieser Zweig ohnehin blos
von Sachverständigen geleitet werden kann ; dadurch wird die der Sache
80 angemessene Grenzscheidung zwischen den ökonomischen und mon-
tanistischen Geschäften auf den Gameralgütern gebildet und diese zwei
Gegenstände nach der Natur der Sache getrennt. Die Summe, welche
der Verkauf der Güter abwirft, ist für die Finanzoperation bei Ver{siegaBg]
der meisten Hilfsquellen unentbehrlich. Die übrig bleibenden Camersl-
güter sind nebst der besten Benutzung zu dem auch angeführten Zwecke
365
auch als Musterwirthschaften zu behandeln. Versuche aller Art sind in
der Oekonomie daselbst zu machen, Qberall, nicht nur auf den Herr-
schaftsfeldem und Wiesen und den übrigen Rubriken derselben, sondern
auch durch Ueberredung und unverdrossenen Unterricht bei den TJnter-
thanen eine verbesserte Wirthschafk nach der Lage derselben als Beispiel
für die Grundbesitzer und Landleute der Gegend einzuführen und so zum
Beispiel einer vollkommenen Wirthschafk zu dienen. Nicht nur, dass auf
diese Art der Ertrag der Güter namhaft erhöht wird, so wird auch da-
durch, dass sie in allen Provinzen vertheilt sind, gewiss am meisten
durch das Beispiel die Landwirthschaft in der Monarchie verbessert, die
Producte vermehii; und viel mehr Nutzen als durch die Landwirthschafts-
kanzeln gestiftet, welche aber doch nebstbei nothwendig sind. Ebenso
ist die Forstcultur daselbst auf den vollkommensten Grad zu bringen und
in dieser Hinsicht keine Kosten zu scheuen. Alles dieses läset sich nur
bei einer geringen Quantität Cameralgüter von zweckmässiger Lage und
bei einer nicht blos dikasterialischen, sondern auch wissenschaftlichen
Oberaufsicht erreichen. Das Bergwesen ist niclit minder eine sehr starke
Binnahmsrubrik, viel wird in diesem fftr die österreichische Monarchie
nicht genug hoch zu achtenden Zweige gethan, viel ist aber noch zu
thun übrig, um diesen Zweig seiner Vollkommenheit näher zu bringen
und die Erzeugung zu vermehren. Die Oberleitung desselben durch eine
eigene Behörde ist zweckmässig, nur ist die Massregel höchst unangenehm
und durch Vei-zögeiung den Geschäften sehr nachtheilig, dass sie ganz
unter der Hofkammer, einer Stelle steht, wo Niemand nur eine Idee vom
Bergbau hat; dort werden alle Referate derselben organisirt und nach
Gutdänken Bemerkungen gemacht, welche unter dem Namen des Mon-
archen hinabkommen, dadurch wird das Ansehen der Stelle herabgesetzt,
die Schreiberei ohne Nutzen vermehrt; um diesem Uebel abzuhelfen, hätte
die Hofstelle, sowie die Beamten der Hof kammer, unabhängig von der-
selben, blos unter dem Präsidio zu stehen. Von dieser wären die Vor-
träge zu unterziehen und die Protokolle hinaufzubegleiten. Folgende
Ideen« wie man den Bergbau noch mehr emporbringen und seine Leitung
▼ereinfachen könne, will ich hier noch anführen, da sie nach meiner
Meinung diesen grossen Endzweck bald erreichen.
Die erste Sorge zur Vervollkommnung dieses Zweiges ist der Un-
terricht, für welche [dui-ch] die Schemnitzer Bergakademie, die jedoch in
manchen Stücken, besonders in den Professoren einiger Reform bedarf,
iweckmässig gesorgt ist. Die Untergebung aller Bergwerke und die zu
denselben bestimmten Wälder unter die montanistischen Stellen ist auch
sehr wichtig, indem sie allein im Stande sind, eine ordentliche Betreibung
366
einzuleiten und die zum Bergbau bestimmten Wälder darnach zu be-
nutzen, deren Cultur die Bergbeamten ohnehin durch den Unterricht in
der Forstwirthschaft an der Schemnitzer Bergakademie lernen, wo hin-
gegen die Administration der nunmehrigen montanistischen Güter in den
übrigen Zweigen an die Hofkammer abzutreten, da diese ausser den
Wirkungskreis der Stelle schlägt; dadurch werden die bisher von der
Kammer geleiteten Bergwerke, die immer schlecht besorgt waren, in
guten Stand kommen, sowie hingegen auch die Güter vor Verwahrlosung
oder einseitiger Benutzung geschützt werden.
Nun Yon dem Bergbau insbesondere:
Bei dem Gold- und Silberbei*gbau, der nur durch die Zeitumstände
so sehr ins Stocken kam, ist eine Auftnunterung und die möglichste Ver-
mehrung des Münzmaterials zu erzwecken dringend nöthig, welche nebst
dem lebhaften und zweckmässigen Betrieb der noch Hoffnung gebenden
Aerarialwerke noch und vorzüglich nur in einer billigen und anlockenden
Einlösung bestehen kann, welche geeignet ist, sowohl Jedermann Beiz
zu diesem Bergbau zu geben, als auch die besonders in Siebenbürgen
ungeheuren Goldausschwäi*zungen zu hindern; blos dadurch kann allen
diesen Hebeln standhaft und dauernd abgeholfen werden. Nur auf eine
Art kwin dieser Zweck für den Anfang erreicht werden, wenn nämlich
die eingelieferten Erae und Schlichte, sowie das Waschgold nach Abschlag
der Schmelz- und P[i-äge]kosten nach ihrem ^ wahren Werthe ganz in
Conventionsgeld eingelöst werden. Nur dadurch erhält das Gewerk Ent-
schädigung für die so grossen Erzeugungskosten ; nur dadurch wird das
Ausschwärzen unmöglich gemacht, indem jedem Einlieferer das Ueber-
brachte in dem wahi'en Werthe vollkommen ersetzt wird, ohne dass er
dabei Mühe und Gefahr, welche mit dem Ausschwärzen immer verbunden
ist, hätte. Durch diese Massregel, wenn auch der Staat das eingelöste
Metall als Einlösungspreis grösstentheils wieder hinausgibt, so wird doch
die Masse des circulirenden Geldes ansehnlich vermehrt, welches dann
der ^ Staat durch Steuern oder auf andere Arten bald wieder einbringen
kann und dadurch in den Stand kommt, das Papiergeldsurrogat eher zu
entbehien, indem sich die edle Metallmasse des Staates namhaft vermehrt.
Auf diese Ai-t, aber blos auf diese Art allein kann der Gold- und
Silbererzeugung so aufgeholfen werden, dass die Summe des einkom-
menden Materials im ersten Jahre wenigstens auf das Doppelte und
Dreifache des Gegenwärtigen kommen wird und in der Folge noch zu-
nehmen muss; nur daduixh lässt sich die Menge der edlen Metalle im
^ Es steht: seinem. ' Es steht: dem Staate.
367
Staate vermehi'en oder wenigstens der Abgang, der durch eine nach-
theiüge Handelsbilanz entsteht, ersetzen.
Eben einer Aufmunterung bedarf die Erzeugung des Kupfers, wel-
ches dann, wenn durch eine gute Finanzadministration einmal die Kupfer-
ausmfinzung aufhören wii'd, einer der wichtigsten Ausfuhrsartikel für
den Staat werden kann; auch hier ist das einzige Mittel hiezu, entweder
eme dem wahren Werthe sich sehr nähernde Einlösung einzuführen oder
den Privatwerken den freien Verkauf des Kupfers zu gestatten, welches,
da in der Folge die Aerarialkupferhütten den Bedarf an diesem Mittel
leicht decken werden, ohne Anstand erlaubt werden kann.
Die Erzeugung des Eisens bedarf keiner Ermunteining, eher einer
Einschränkung, da sie den Waldstand weit übersteigt, worauf von den
Hofstellen ein wesentliches Augenmerk gerichtet werden muss, dass die
Erzeugung nie den Waldstand übersteige.
Die montanistischen sowohl als die Aerarialwerke sind sehr wichtig,
aber letztere sind meistens in schlechtem Stand und können nur durch
üebergabe an die montanistische Hofstelle in Flor gebracht werden. Mit
der ungeheuren Masse der Werke von Eisenerz, welche auch hieher
gehören, hat es eine eigene Bewandtniss, sie bestehen nebst dem Eisen-
werke und Hochöfen aus einer grossen Menge von Hämmern, welche das
eigene Eisen verarbeiten. Die ganze Masse stehet unter einem Heer von
Beamten, welche die Einkünfte grösstentheils verschlingen, und doch wird
schlechte Waare erzeugt. Die Begie- und Administarationskosten sind so
gross, dass ungeachtet des so grossen und immer steigenden Eisenpreises
doch schon seit einigei* Zeit hier statt einer Einnahme schon ein Deficit
sich zeigt, welches ähnlich einzig ist, aber wenn man die ungeheure
Begie betrachtet, sehr natürlich ist. Leicht liesse sich dieses zum Besten
des Staates vereinfachen und die Einkünfte der Werke vermehren, wenn
blos das Bergwerk und die Hochöfen in der Aerarialregie sammt dem
nöthigen Antheil von Wäldern und den Beichenauer Werken verbleiben,
welche man leicht übersehen und zweckmässig administi'iren kann, die
Herrschaft Donnersbach ^ und alle Hämmer mit den zur Erzeugung für
jeden angemessenen Antheil an den grossen Beservewaldungen einzeln
lidtando verkaufen und alle jene Hämmer, welche ohne Holzbedeckung
bleiben, ganz aufgelassen würden. Da diese Hämmer alle mit dem com-
petenten Waldantheil, was so selten ist, versehen sind, so werden sie um
»ehr hohen Preis verkauft werden, deren Interessen gewiss das Doppelte
von den bisherigen Einkünften tragen werden. Das Werk wird atich dann.
^ In Steiermark.
Iptj8«n eiofactaer AdministratioD iiDd <Iem ^schickt eingeleiteten Rob-
iTnrkauf gewiss eben so viel eiutragea, als hk jetzt sanimt allen Him-
1 trägt, iodem die Hämmer eoast niif ends das zu ihrer Arbeit nflihige
•iuen erhalten kSnoen, nicht zu gedenken, was dae Land durch die
ero nnd induatriCse Betreibung der Hämmer durch Private gewinnt.
Rneugung der übrigen Metalle ist auch von Belang, besonders Jen«
Bleiett und verdienten mehr Änfmunternng als jene des Gatmeia, dei
iH, des Kobalts, hiebet ist aber nichts von grosser Wichtigkeit in
lern, als dass die Erieugung derselben, sowie jene des Schwefels,
ins, der Steinkohlen etc. so viel möglich den Privaten zu flberlsssen
nur muss die Staatsverwaltung immer die Oberaufsicht führen and
lin an ktlnftiger Aufmunterung dabei fehlen i^sen. Diese Bemer-
ken betreffen dits Bergwerk^efäll, nun gehe ich eu den flbrigen Ober.
Das SalzgefUll gehnrt sowohl wegen des Reichthnrns der Saliaen.
luch w^en dessen grosser 1<lrtrSgniBS zu einem der wichtigsten def
tos. Um dasselbe zu einem grosseren Ertrigniss zu bringen nn<1
elbe ansehnlich zu vereinfachen, wQrde ich den Salzverschleiss in
ade ganx freigeben, wodurch die Heere von Beamten erspart, di)
ipiilation vereinfacht und das GefSIl erträglicher gemacht wird, lü
le das Salz nach einem bestimmten Preise an alle [Private] verkaofei
' dessen Verföhmng und VerschleisB den ganzen Privatspeculatianei
lassen. Dadurch hätte der Staat ein reichlich eintragendes nnc
ires GeßUI, dessen Ertrag kein Beamtenheer, keine Transportkostei:
alle Jahi-e vermindern und welches schon in diesem Augenblicke viei
r als das gegenwärtige Salzmonopol nach Abschlag der B^ekostei
Bn wGrde. Hie und da. besonders in Hauptstädten wären gr<)ssen
irial-Salzmagazine anzulegen, um bei etwa eintretendem Salzmangei
h Verkauf einer Quantität, jedoch nur um den gangbaren Preis
eil helfen zu können. Dem Wucher der Salzverkäufer könnte man
b eine billige Limitation des Preises abhelfen. Auf diese Weise wirf
so schädliche Monopol aufboren, dieses GeßUl ausserordentlich ve^
tcht und auf einen grossen Ertrag gebracht werden. Ob aber dii
Qhrnng dieses Systems bei den au die bisherige Art gewöhnten Pro-
)n so leicht sei, ist eine Frage, die wohl fiberlegt werden muss, sowi«
lie Bedingnisse des ebeu at^eschloesenen Friedens nicht diesem
instande eine andere Richtung geben.
Das Tabaksgefäll ist auch sehr wichtig, es könnte vielleicht nacti
'T Art auch vereinfacht werden, jedoch getraue ich mich nicht diultbei
Nach: ,und' steht noch: ,ea*.
369
ZQ entscheiden, da mir zu sehr die Eenntniss des Details mangelt. Viel-
leicht konnte mit Beibehaltung dessen gegenwärtiger Verlkssang blos
dnrch Vereinfachung dessen so complicirten Geschäftsganges durch Ueber-
lassung des Verkaufs an Privatspeculanten Manches erspart werden.
Die Qbrigen Gefälle und indirecten Steuern Hessen sich auch un-
gnnein vereinfEichen, theils indem man die nach dem Muster der übrigen
Zweige Tereinfachte Regie mit jenen der wichtigen Gefälle und der directen
Stenem vereinigt, theils durch mit den gehörigen Vorsichten eingeleitete
Verpachtungen, welche bei minder wichtigen Gefällen immer von Nöthen
sind. Wenn es auch nicht möglich sein sollte, durch eine bessere und
einfache Administration ihr Erträgniss sehr zu heben, so wird schon die
bedeutende Ersparung in den B^ekosten ein reeller Gewinn f&r den
Staat und dessen Finanzen sein, welcher um desto schätzbarer ist, da
durch denselben die ünterthan[en] nicht mehr belastet werden und eine
zahlreiche Menschenclasse, die nur dabei verwendet wird, zu anderen
Bedürfnissen des Staates anwendbar, zurückbleibt.
Sdiliesslich noch einige Ideen über Mauthsjstem und Handel,
welche noch in diese Bubrik gehören.
Eine der wichtigsten Sorgen des Staates gleich nach dem Frieden
moss den Handel betreffen. Die möglichste Vermehrung der Production
muss Hand in Hand mit Behebung aller Hindernisse und Anwendung
aller in staatswirthschaftlicher Hinsicht nützlichen Mittel, um den Handel
^mporzubringen, gehen; blos durch die zwei Mittel ist es möglich, die
dorch den Feind der Monarchie in dieser Hinsicht durch den Verlust der
Meeresküsten tief ge8chlagen[en] Wunden nach und nach zu heilen.
Durch das erste wird die Vermehrung der Bevölkerung möglich
gemacht und Producte aller Ai*t erzeugt, die allein durch die Ausfuhr
baares Geld dem Lande in Menge verschaffen können und die Grundlage
eines soliden Handels bilden. Durch das zweite wird der Verkehr zwischen
den Fremden und unseren Unterthanen befördert und denselben jener
hohe Grad von Blüthe gegeben, welchen er schon ohne die verderblichen
Grundsätze des Dikasterialschlendrians und der Plusmacherei bei uns
zum Wohle des Staates lange haben könnte. Beide gehen Hand in Hand
nnd verdienen gleich wichtige Bücksicht. Was das erste betrifft, so hat
zwar die Staatsverwaltung nur indirecte Mittel, um die Production zu
vermehren, werden sie aber zweckmässig angewandt, so verfehlen sie nie
ihren Zweck, wie es uns die Erfahrung unserer Zeiten unter der weisen
Begperung Josef II. lehi*t; nur müssten die Hindernisse, die hie und da
durch die Staatsverwaltung und die Landesverfassungen gelegt werden,
eher behoben werden.
370
Da die Auseinandei*setzuDg ^ aller wichtigen Produciionszweige der
Monarchie und die Mittel, ihr aufzuhelfen, viel zu weitläufig wäre, um
hier einen Platz zu finden, so werde ich einige derselben als Beispiele
ausheben, wie viel da noch zu thun sei.
Einer der wichtigsten Productionszweige ist der Ackerbau, Tor-
züglich in OesteiTeich, Böhmen, Mähren, Galizien und Ungarn. Welch
weites Feld lässt er noch zur Verbesserung übrig und welch ungeheurer
Nutzen wäre es nicht für den Staat, wenn nebst dem inneren Verbrauch,
welcher nur oft kaum gedeckt ist, noch grossere Quantitäten, welche
bei einer nach wahren ökonomischen Grundsätzen geleiteten Verbesserung
leicht die Summe von 4 — 6 Millionen Motzen aller Art Getreide erreichen
können, au8gefühi*t werden und dafür Conventionsgeld ins Land kommen
könnte, ohne noch von dem Anbau so vieler Futterkräuter und Handels-
pflanzen zu reden, von welchen der Nutzen auch ungeheuer ist. Durch
Anlegung von landwirthschaftlichen Anstalten, durch Sorge, dass blos
bei denselben kundige Beamte angestellt werden, durch Anstalten, wo
auch der Landmann geläuteiie Begriffe von einer besseren Cultur erhält,
durch Anlegung von häufigen Musterwirthschaften auf allen Staatsgütern,
durch Aussetzung von Prämien auf die beste Cultur, auf den Anbau
nützlicher Handelskräuter, durch Vertheilung guter Samen kann man
diesem Zweige viel Schwung verschaffen.
In den deutschen Provinzen setzt die Verfassung einer besseren
Cultur keine Hindemisse in den Weg, ganz anders ist es hingegen iii
Ungai'n, wo der Bauer kein freies Eigenthum hat und mit Leistungen
sehi* überhäuft ist; so lange er kein freies Eigenthum seines Grundes
erhält und nicht mehr zu leisten hat, als dass er doch daneben seine
Grundstücke zweckmässig bebauen kann, wird der Ackerbau beim Land-
mann daselbst nicht emporkommen.
Ein zweites Uebel ist die zu gi*osse Ausdehnung sowohl der Gründe
des Herrn, als auch hie und da des Bauers, wodurch es ganz unmöglich
wird, sie zweckmässig zu bebauen; durch ein Begulativ der Bauergründe
in jenen Gegenden, durch eine Vorsicht in den Gesetzen in Hinsicht der
grossen Puszten liesse sich das Uebel sehr mildern. Durch Aufmunterung
der Privaten, auf den grossen Puszten Dörfer anzulegen und sie mit
Gründen hinreichend zu dotiren , durch Verkauf einiger CameralpusKten
mit dem Bedingnisso, Dörfer darauf anzulegen, welchem Beispiel, beson-
ders wenn sie vom Souverain durch so vielerlei Art aufgemuntert werden,
viele Private folgen werden, würde auch viel geschehen können. Eben
^ Steht: AuBeinaoBetzung.
371
durch die nämlichen Mittel nebst der Aufhebung oder billigen Taxirung
der Fleischsatzungy durch Aufhebung oder Mässigung alles Transitos,
Strassen- und Brückenzolles auf Vieh Hesse sich die so sehr herabgekom-
mene Viehzucht wieder emporbringen.
Die Aufmunteiiing von Fabriken, besonder von jenen, welche in-
ländische Erzeugnisse verarbeiten, ist der zweite, ebenso wichtige Gegen-
stand, nicht nur, dass dadurch grosse, ins Ausland gehende Geldsummen
erspart werden, sondern auch, wenn die Fabriken emporkommen, ver-
breitet sich der Handel mit unseren Waaren, da die englischen nun in
ganz Europa verboten sind, weit und breit herum. Durch Hebung aller
Hindernisse, die bisher der freien Errichtung der Fabriken im Wege
standen, durch Bestimmung von Prämien auf neue Fabrikate und auf
neue Erfindungen in diesem Fache, durch Ertheilung von zweckmässigen^
Privilegien und Patenten, durch angemessene Unterstützung jener Fa-
briken, die kostbare Vorauslagen verursachen, durch Ansiedlung fremder
Fabrikanten und andere ähnliche Mittel kann man diesen Zweig der
Production bald emporheben, wie es der Erfolg der deshalb unter Josef n.
angefangenen Massregeln sattsam beweist. Die Verfeinerung und Ver-
besserung der Eisenfabrikation, der Glasarbeiten, der Leinwand-, Kattun-,
Tuch- und Zeugweberei, der Spitzenarbeit, sowie jene der verschiedenen
Luxusartikel sind die, so fQr Oesterreichs Monarchie den meisten Gewinn
abwerfen werden.
Auf diese Art wiid die Production vermehrt und dadurch der in-
ländische Verbrauch versehen und zugleich Stoff zum Handel mit dem
Auslande erzeugt. Dieser Erzeugungsüberfluss ist nicht hinlänglich, um
allein schon einen vortheilhaften Handel mit dem Auslande zu begi*ünden ;
es müssen auch alle möglichen Aufmunterungen für denselben angewandt
und alle Hindernisse auf die Seite geräumt werden, damit derselbe, frei
von allen Fesseln, sich nach den Umständen richten und den möglichsten
Vortheil augenblicklich aus denselben ziehen kann. In unserer nunmeh-
rigen Lage, abgeschnitten von aller Verbindung mit dem Meere, umgeben
von Nachbarn, die aus dem Handel alle möglichen Voi*theile werden
ziehen wollen, müssen diese Ginindsätze in allem vollen Masse befolgt
werden, indem sonst der Handel zum Buin des Staates gleich stocken kann.
Das Erste ist die Wogräumung aller den Handel in-enden Hinder-
nisse, deren es leider, da dieser Gegenstand auch selbst unter Josefs
Augen nicbt mit einer staatswirthschaftlichen Hand geleitet wurde, in
unserer Monarchie viele gibt. Eines der wichtigsten Hindernisse eines
* In der Abschrift steht: zweckwidrigen.
372
frpinn Haadels bei uns iet niiEer Haothsystem und der Zolltarif, sowohl
In der Einfulir als der ÄDsfohr und ancli in RiDBicht des gezwungenea
Laufes des Handels. Das Hauthsystem soll nitcb den gelänterten Grnnd-
sätzon dei' Staats wirthschaft nie als eine Finanzqnelle betrachtet werden,
es soll nnr zur Beförderung des Handels dienen nnd die Staatsverwaltung
immer in der Evidenz des Handelszu^s hiitt«n. Ee soll daher dem Handel
keinen Zwang anlegen, welches besonders in diesem Ängenblicke, wc
unsere Lage in Hinsicht des Handels sich durch den Verlust der Heer-
kSsten so sehr verschlimmert hat, mit der grOssten Soi^alt beobachtet
werden muee, um unseren Handel nicht ganz zu zerstören.
Diesem nach sind die allgemeinen Grundsätze einer nenen Hanth-
ordnung, eines neuen Tarifes folgende: dass alle Waaren ohne Unter-
schied bei jedem Wege ans- und einbrechen kennen, wo sie wollen; di
die Handelswege oft wechseln und durch eine Beschrinknng derselben
der Handel mächtig gehemmt wird, dass die Ausfuhr aller Lebensmitt«!
und roher Materialien, welche im Lande verarbeitet werden, frei sei; dass
die Einfuhr aller halb verarbeiteten Waaren einem sehr kleinen Zoll,
jener der ganz verarbeiteten hingegen einem mfissigen Zoll unterliegen,
welcher im böhern zu steigen hat, als dass die inländischen Waaren
beim Verkaufe im Inlande um einige Procente wohlfeiler g^^ben werden
k'innen nnd daher den Ausländern die Concunenz abgewinnen kennen,
wodurch die Güte der Waaren der inländischen Fabrikation namhaft
gewinnen muss, indem sie sich bemühen müssen, durch Güte der Waaren
und Industrie es den Ausländern abzugewinnen, deren Waaren neben den
ihrigen, obwohl theuer. doch auf dem Markte erscheinen werden, welches
ihnen durch einen massigen Zoll ungemein erleichtert wird: wird aber
der Zoll auf die Ausländerfabrikate stark erb'^ht, so hört gleich die In-
dustrie des inländischen Fabrikanten auf, von Concnrrenz befreit, gibt
er sich keine Hübe, macht schlechte Waaren, welche dann im Inlande
ans Hangel zwar Absatz findet, aber desselben Credit im Anslande ver-
liert, der ihm auch, da der Absatz im Inlande stark ist, gleichgrltig
wird, wo denn endlich zuletzt die ausländischen Waaren gesucht und in
Menge he rein geschwärzt werden; dass endlich die ganz unnfithigen Fro-
ducte des Luxus, als ausländische Weine etc. nnd auch die Arznei and
Colonialwaaren so hoch belegt werden, als es mf^licb ist, ohne die Contre-
bande zu beffirdei'n, da sie doch eingeführt werden mflssen. Wäi-e ihr«
Einfuhr so beträchtlich, dass man ihr Schranken setzen wollte, so würde
ein Verbot des Genusses dieser Artikel viel mehr als eine grosse EibOhang
des Zolles nutzen, wie es die Erfahrung der Jahre 1806 und 1807 deut-
lich zeigte.
373
Was nua die Aisfuhr betrifift, dass jene aller rohea Producte mit
einem massigen Zoll belegt werden, um die inländischen Fabriken beim
Einkauf derselben zu begünstigen, jedoch nur insoweit, als dadurch nicht
nachtheilig auf die Production selbst gewirkt wird; dass im Gegentheil
die Ausfuhr der feiügen Waaren ganz frei sei, sowie auch die Ausfuhr
aller Victualien, die Zeit<les Mangels ausgenommen; dass die Dnrchfuhi*
aller Waaren nur insoweit belegt werde, damit dieselbe nicht einen an-
deren Weg nehme oder aufhöre, dass daher der Duichfuhrszoll für jeden
Strassenzug und nach den eintretenden Umständen verschieden sein müsse.
Auf diese allgemeinen Grundsätze ist ein gutes Mauth- und Tarifs-
system gebaut. Unser bisheriges Mauth- und Tarifssystem müsste daher
diesem gemäss namhafte Aendeioingen erleiden. Der Zwang, dass so viele
Waai-en blos bei einer Leg- oder Hauptlegstadt nur dürfen verzollt wer-
den, der dem Handel so schädlich ist, müsste aufgehoben werden und die
Verzollung aller Waaren ohne Ausnahme an der wichtigen Handelsstrasse
bei den Einbruchsörtern angeordnet werden. Dann müsste der Tarif, der
besonders in der Einfahi* der Waaren so sehr von den oben angeführten
Grundsätzen abweicht, diesem gemäss abgeändert werden. Alle jene Zölle,
die aus Finanzabsichten erhöht worden sind, müssten auch nach den
obigen Grundsätzen regnlirt werden und alle Finanzrücksichten, die sich
schlechterdings nicht mit reinen Handelsgrundsätzen vertragen, dabei
ganz beseitigt werden. Der Durchfuhrstarif müsste ganz aufhören und
der Hofkammer aufgetragen werden, für jeden Durchzugsweg einen
eigenen, den Umständen gemässen Tarif zu entwerfen und ihn auch
sogleich nach demselben umzuändern, um aus dieser Quelle, ohne dem
Handel zu schaden, den möglichsten Nutzen zu ziehen, da die Duich-
fuhi'szölle die einzigen sind, aus welcher eine weise Oameraladministration
durch Benutzung der Gelegenheiten eine Finanzquelle bilden kann.
Noch eine wesentliche Hemmung des Handels sind die noch be-
stehenden Zwischenmauthen zwischen den Provinzen und besondei-s die
Dreissigstämter an Ungarns Grenze. Diese wären allsogleich, sobald
Ungarns Verfassung geändert wird, aufzuheben und den Waai'en Ungarns
gleiche Bechte und Gesetze wie jenen der übrigen Provinzen zu geben.
Schon diese Massregel allein wird den Handel beleben und dadurch den
Staat blühend machen.
Dieses betrifft nur den Handel, der wirklich die ersten Rücksichten
in der Staatsverwaltung verdient, und so ist Alles, was sich im Allge-
meinen über Finanzen sagen lässt, abgethan.
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l)i(>8<«8 sind nun jene Verbesserungsideen, welche sich mir in der
• I it^lf'genheit des geschlossenen Friedens aufdrängen ; sie sind nur
>rt. ihre Auseinandersetzung aber ist mit Müsse und mit Zurathe-
■lü vorstandiger Männer leicht thunlich, sowie ihre Anwendung zum
iB< iiüi' Monai'chie sich dui'ch ein gut organisii*tes Centrum bald be-
iwugeu lässt.
4iott« der uns nun den Frieden zum Wohle der Menschheit gab,
!• 1 Staatsverwaltung niir Müsse, diese so nöthigen Befoimen bald
•.iiiit u zu können, dann wird gewiss der Staat, ohngeachtet nach so
u ujid empfindlichen Aufopferungen, sich bald erholen und zu einem
laudo gelangen, der seiner neuen Lage angemessen sein wird.
. .11 'g(* lange der Genius des Friedens mit allen seinen Segnungen
Tierreichs Gefilden schweben und nie mehr Minister kommen,
. voll des Leichtsinns durch äusseren Schein der Kraft geblendet,
iiikundige Leiter der Finanzen getäuscht, ohne Noth einen so zu
. richtenden Krieg über diese Monarchie herbeiführen und sie so
Vi den Abgrund bringen, sondern immer solche das Ruder der
iren Angelegenheiten führen, welche friedlich gesinnt, dem mach-
bar winder mit Klugheit nachgeben und dadurch den Staat bis
.* Epoche erhalten, wo er einst in späten Jahi'en vielleicht wieder
I vorigen Macht und Ansehen gelangen kann.
:<>^^e aber auch diese Darstellung nicht umsonst geschrieben sein;
> sterreich nicht bei hergestelltem Frieden wie bisher seine Hände
^t'hooss sinken lassen und Alles dem Zufalle, wie es leider nach
"ssburger Frieden geschah, überlassen; schnell muss es die we-
ilontvollen Männer der Monarchie sammeln, mit ihnen ohne alle
lit die wichtigsten Stellen besetzen und dann vereint zu der all-
1*11 Regeneration schreiten.
Xur so, nur mit Energie, nicht durch halbe Massregeln und blos
Jilfe talentvoller Männer lässt sich schnell der verlorene Wohlstand
K^narchie wiedergeben, welche sich sonst, wenn nach dem bisherigen
■adrian fortgefahren wird, selbst nach und nach aufiösen und die
^> des schwächsten Feindes werden muss.
\
A
AUFENTHALT
DER
ERZHERZOGE JOHANN UND LUDWIG
IN E]SraijA.ND
(1815 UND 1816).
NACH UNGEDRUCKTEN QUELLEN
VON
EDUARD WERTHEIMER.
AtcWt. Bd. LXIVra. II. Hüfte. 25
Einleitung.
jbast unmittelbar nach der Rückkehr der Erzherzoge
Johann und Ludwig aus England^ gelangten Mittheilungen aus
ihren Aufzeichnungen in die Oeffentlichkeit. Nach dem Tage-
buch Johanns veröffentUchte 1816 Hugo Altgraf zu Salm-Reiffer-
scheid Auszüge aus demselben in Hormayr's Archiv.^ Im fol-
genden Jahre erschienen dann zwei Aufsätze über die Reise
der Erzherzoge in der ^Biblioth^que universelle^ * und im ,Stutt-
garter Morgenblatt^ ^ mit Zugrundelegung des Tagebuches des
Erzherzogs Ludwig.
AU diese drei Artikel berichten nur vom Besuche der
kaiserUchen Prinzen in den Fabriken Englands. Ihre poUtische
Mission, die Berührung mit dem Hofe, den Ministem, der Ge-
sellschaft und ihr Aufenthalt in London blieben jedoch un-
berücksichtigt. Bisher unbekannte Quellen setzten mich in die
Lage, diese Dinge eingehender zu behandeln. Diese neuen
Quellen sind theils dem Privatarchive Sr. k. u. k. Hoheit des
durchlauchtigsten Herrn Erzhei*zogs Rainer, theils dem k. u. k.
Staatsarchive in Wien entnommen. Für die Benützung dieser
Sammlungen habe ich meinen Dank hier an dieser Stelle Sr.
k. u. k. Hoheit dem durchlauchtigsten Herrn Erzherzog Rainer,
sowie Sr. Excellenz Herrn Geheimrath Alfred Ritter von Ameth
abzustatten. Bereitwilligste Förderung fand ich auch für diese
Studien bei den Herren Hofeecretär Dr. Basilio Giannelia,
^ Hormayr^s Archiv fUr Oeographie, Historie etc. 1816: ,Ein Blick auf der
E^herzoge Johann und Ludwig Beisen durch England* von Hugo Alt-
grafen zu Salm-Reifferscheid.
' Bibliothöque universelle, 1817 — 1819: Journal in^t d*un voyage en
Angleterre en 1815 et 1816.
• Jahrgang 1817—1819.
26»
(
Sectionsratt Anton Felgel und Dr. Hans Schlitter. Der An-
hang enthält zwei Actenstücte, eines von Erzherzog Johann,
das andere von Erzherzog Ludwig herrührend.
Anfentli< der Erzlierzoge Jobasn und Ludwig
in England (1S15 und 1816).
Nur wenige Mitglieder des habsburgisehen Hauses habei
das Inselreich besucht. In den Jahren 1559^ — 1568 war langf
Zeit die Rede davon, dass Erzherzog Carl, den die damalig«
spaoisch-habsburgische Pohtik zum Gemahl der Königin E^lisa
beth bestimmte, sieh an den englischen Hof begeben sollte.
Da aber die Heiratsverhandlungen zu keinem Resultate fiihrten
unterbheb die Reise. Später, während des spamschen Erb
folgekrieges, fand sich jedoch ein anderer Carl, dgr nachmaligt
Kaiser Karl VI., in Schloss Windsor ein, um auf seiner KOnigs
fahrt nach Madrid seine Beschtktzenn und Bundesgenossin Ki)
nigin Anna zu begrüssen.' Fast ein Jahrhundert verging, ehi
wieder ein Erzherzog den Entschluss fasste, nach England zi
reisen. Dies war Erzherzog Ferdinand, Bruder des Kaisers
der 1786 mit seiner QemahUn aus England zurückkehrte un(
so entzückt von Allem sprach, was er dort gesehen, dass ei
Josef n. — nach dessen eigenem Ausdrucke — den Munt
wässerig machte, auch diesen ihm noch unbekannten Thei
Europas aufzusuchen,^ Erst nach den gewaltigen Umwälzungen
die die Welt von 1789 — 1815 erschütterten, betraten wiede:
zwei Erzherzoge — Johann und Ludwig — englischen Boden
Schon im December 1813, angesichts der friedlichen Gestaltun;
der europäischen Lage, hatte Johann den Plan gefasst, gemein
sam mit seinen Brtldem Rainer und Ludwig neben einigei
anderen grösseren Staaten, wie die Türkei, Italien, Sohweiz
Frankreich, Holland, Norddeutschland, auch England nfthe
kennen zu lernen.^ Allein in Folge der mächtigen Ereignissi
von 1814 muBste diese Absicht unterbleiben, ihre AusfUbruni
' Wertbeimer, Heirate verhandluiigen zwischen Eliuibetl) vod England ud'
Erzbersog Carl von Oeaterreich, UistoriBche Zeitschrift HT,
* Landau, Kaiser Kfirl VI.
* Ameth, Briafnechael Joeef II. und Leopold II., U. Bd., 8. S9.
* Kronas, Tirol und Erzherzog Johann, S. 238,
381
konnte erst im folgenden Jahre erfolgen. Und während die
Reise der Erzherzoge, falls sie 1813 zu Stande gekommen wäre,
einen durchaus privaten Charakter gehabt hätte, so erlangte
sie jetzt durch die ihr zugedachte Mission hervorragend poli-
tische Bedeutung. Vor aller Welt sollte durch sie das innige
Einverständniss zwischen Oesterreich und England bekundet
werden. Die guten Beziehungen, die seit Kurzem angebahnt
wurden, sollten damit öflFentUchen Ausdruck erhalten, und des-
halb ist es nöthig, uns hier die Verhältnisse zu vergegenwär-
tigen, wie sie bis dahin zwischen der Wiener und der britischen
Regierung bestanden.
Noch vor dem endgiltigen Sturze Napoleons war es Oester-
reichs eifrigstes Bemühen, sich die aufrichtige Freundschaft
und Unterstützung Englands zu sichern. Als der englische
Premier Lord Castlereagh im März 1815 zur Eröffnung des
Parlamentes von Wien, wo er während des Congresses weilte,
nach seiner Heimat zurückreisen musste, sagte ihm der Kaiser in
der Abschiedsaudienz, er wünsche nichts sehnUcher als ein festes
Zusammengehen mit England, von dem auch Frankreich nicht
au^eschlossen sein sollte.^ Die Spitze dieser Allianz wollte
Mettemich gegen Russland richten, von dessen aggressiver Politik
er das Aergste befürchtete. Allein in England erfreute sich
damals Oesterreich keines besonderen Ansehens. Dort schwärmte
im Gegentheile Alles für Alexander I. von Russland, den man
merkwürdiger Weise, obwohl dies im Widerspruch mit seinen
wahren Tendenzen stand, ^ für den Wiederhersteller der Bour-
bonen auf dem französischen Throne hielt ' — ein Wunsch, den
vom Prinz-Regenten angefangen die Engländer aufs Nachdrück-
lichste zu fördern trachteten.* Und da man — wieder im
Gegensatz zur Wahrheit — in Kaiser Franz den geschworenen
Feind der Bourbonen vermuthete,^ richtete sich der allgemeine
Unwille gegen dessen Regierung.^ Kurze Zeit nach dem Sturze
Napoleons schien plötzlich von Seite des Prinz-Regenten, der
Oesterreich bisher gar nicht besonders gut gesinnt war, eine
* Vortrag Metternich's, 12. Februar 1815. Wiener Staatsarchiv.
^ Metternich an Merveldt, 21. April 1816. Wiener Staatsarchiv.
* Merveldt an Mettemich, 22. April 1814. Wiener Staatsarchiv.
* Ibid.
* Ibid. 25. März 1814.
* Ibid.
Aenderong zu Gunsten des Wiener Hofes emzutreten. Einea
Tages druckte er beim Diner dem Ostfiireichischen Botachailer
Grafen Merveldt sein Verlangen aus, den Kaiser Franz, der
damals noch in Paris weilte, in London zu sehen. Er wäre
entztlckt, sagte er zum Grafen, Franz beweisen zu können,
dass er Kaiser in England sei, da er sich noch immer — an-
spielend auf seine hannoveranische Stellung — als ein ihm
ei^ebener Kurfürst betrachte, der keiu eifrigeres Verlangen
kenne, ab ihm zu dienen. In ilberschwftnglicher Weise schil-
derte er dann die Details des Empfanges, wie er eine Flotte
nach Dover schicken, an der Spitze von 30.000 Mann Franz
entgegenziehen and hernach zu Wagen dem Kaiser vorauseilen
wolle, um ihm einen glänzenden Einzug in London zu bereiten.
Gleich dem Prinz-Regenten bezeichneten auch dessen Minister
die Reise des Kaisers nach England ab eine England erwie-
sene Gunstbezeugung.' Allein man würde sich täuschen, wollte
man diese veränderte Sprache der massgebenden Persönlich-
keiten auf wahre Gefllhle der Freundschaft für Oesterreich
zurückführen. Nur egoisUsche Motive liessen den Prinz-Regenten
und die engUschen Minister so dringend die Anwesenheit des
Kaisers Franz wünschen. Indem nämhch damab die Souve-
räne von RuBsland und Preussen in London erwartet wurden,
wollte man Franz bestimmen, gleichzeitig mit denselben in der
englischen Hauptstadt einzutreffen. Die Versammlung der mäch-
tigsten Herrscher des Continentes sollte gleichsam eine Huldi-
gung fUr England bedeuten, dem dessen Einwohner die Rettung
Europas vom Joche Napoleons zuschrieben; aber es sollte da-
durch auch auf den Prinz-Regenten und dessen Minister ein
Glorienschein fallen, was für diese bei der gegen sie bestehenden
heftigen Opposition der Whigs von äusserster Bedeutung war.*
Widerrief Merveldt schon aus diesem Grunde, um seinen Herrn
nicht als Aushängeschild für eigennützige Zwecke missbrauchen
zu lassen, das Erscheinen des Kaisers in London, so empfahl er
noch aus einer anderen Ursache die Ablehnung der Einladung.
Er befürchtete, dass das engUsche Publicum, das zu Alexan-
der wie zum Heros des Krieges aufblicke, den Kaiser nicht
mit den gleichen Auszeichnungen wie den Czaren empfangen
' Merveldt, 29. April 1814, Wiei
» Ibid.
383
könnte * — was unter allen Verhältnißsen eine Niederlage Oester-
reichs bedeutet hätte.
Waren es die Vorstellungen Merveldt's oder war es wirk-
lieh, wie angegeben wurde, die Nothwendigkeit der Anwesenheit
des Kaisers in seinen neuen italienischen Staaten, was von
Seiten des Wiener Hofes zu einer abschlägigen Antwort führte?
Damit aber kam Merveldt gegenüber dem Prinz-Regenten, der
ganz und gar von dem Gedanken erfüllt war, Franz bei sich
als Gast zu sehen, in eine sehr heikle Situation. Die Angabe,
dass der Kaiser sich in Italien aufhalten mtLsse, hielt er nicht
fikr stichhältig genug, um seine Einladung abzulehnen. Ebenso
wenig befriedigte ihn die Bemerkung des Gesandten, dass sein
Herr, gewohnt, tägUch 8 — 9 Stunden zu arbeiten, um alle An-
gelegenheiten pünktlich zu erledigen, unmöglich übers Meer
verreisen könne. Dem könne abgeholfen werden, erwiderte
der Prinz-Regent voll Lebhaftigkeit. Sowohl in Dover als in
Calais wollte er Tag für Tag für den Dienst des Kaisers ein
Paquetboot bereit halten. Kniefällig — setzte er hinzu — bitte
er nochmals den Kaiser, seinen Wunsch ja zu erfüllen. Und
um seinen Worten den beabsichtigten Eindruck zu sichern,
stellte er die Reise als das einzige Mittel hin, wodurch der
stets stärker anwachsende Einfluss Russländs auf die Engländer
paralysirt werden könnte. Alle Welt sollte auf diese Weise von
der zwischen Wien und London bestehenden Harmonie über-
zeugt werden imd Europa erfahren, dass es seine Befreiung
nur allein Oesterreich verdanke.* Allein wie beredt auch der
Prinz-Regent sein mochte, eine wie verlockende Sprache er auch
zu gebrauchen verstand, die EntschUessung des Kaisers erfuhr
dadurch doch keine Abänderung. Nur um ihm einigermassen
zu willfahren und England zu zeigen, dass es auf dem Conti-
nente keinen nützUcheren und loyaleren Verbündeten als Oester-
reich besitze, wurde Erzherzog Johann bestimmt, als Stellver-
treter seines kaiserlichen Bruders nach London zu reisen.^
Erzherzog Johann war um diese Zeit kein Neuling mehi'
auf dem Gebiete öflFentlicher Angelegenheiten. Seit den Schlach-
ten von Hohenlinden (1801) und Wagram (1809) gehörte sein
1 Merveldt, 29. April 1814. Wiener Staatsarchiv.
> Merveldt, 17. Mai 1814. Wiener Staatsarchiv.
' Instmction für Fürst Esterhäzy, Paris, 17. October 1816. EsterhÄzy war
der Nachfolger des am 5. Juli 1815 plötzlich verstorbenen Merveldt.
nie der Geschichte an — freilich nicht als ein vom Erfolge
mgekrönter Feldherr. Daillr aber galt er den Zeitgenossen
der Vertreter einer idealen Richtung, als ein Mann, der
die Bedürfnisse der Volker ein auirichtig empfindendes
rz besitze. In Wien selbst stand er seit den Vorbereitongen
den grossen Befreiungskrieg im Verdachte, dass er sich
u ,Köoige der Gebirge', d. i. Tirols, machen wollte,^ weshalb
Q ihn fern von den Geschäften und insbesondere von diesem
ade zu halten suchte. In Wahrheit dachte er nicht an der-
ige usurpatorische Projecte, sondern war ausschliesehch von
a Gedanken erfüllt, von Tirol aus mitzuwirken zur Befreiung
1 der Napoleonischen Herrschaft.* Auis Tiefete kränkte es
, dass er durch ,Menschen, die nicht im Stande sind, za
^ifen, wie man fUr die Freiheit Alles wagen und doch
hts für sich suchen kann',* beim Kaiser angeschwärzt, zur
thätigkeit in einem der denkwürdigsten Momente geschicht-
len Lebens venirtheilt war. Gerne hätte er 1813 die Be-
erung von Mainz in seiner Eigenschaft als Geniedirector
eitet.* Zu seinem Schmerze wurde sein Anerbieten abge-
ut,' und er durfte nicht tbeilnehmen an dem Kampfe gegen
1 von ihm so sehr gehassten Corsen. Erst die Flucht des-
ben aus Elba brachte ihn in eine günstigere Stellung, die
oem unterdrückten Thatendrange einen grösseren Wirkungs-
äia eröffnete. Jetzt ward er zum ,Geniedirector der deutschen
mee' unter Schwarzenberg's Oberbefehl ernannt Vorerst
ir sollte er als kaiserlicher ,HuldigUDgscomnii8sär' die Hul-
;ung des neuen lombardo-venetianiachen Königreiches ent-
rennehmen. ,Wenn Ew. Majestät' — schrieb er nach seiner
ikimft in Italien von Padua ans Über Venetien an den Kaiser
,dies schaue Land und die herrliche Stadt sehen würden,
fiele Ihnen gewiss die Bemerkung auf, dass Frankreich sein
stem keine drei Jahre mehr auf die Art hätte aushalten
anen. — — Ueberall treffen Ew. Majestät Denkmäler und
' EroDM, Tirol und Erzherzog Johann, B. 10.
' Ibid. * Ibid.
' Johana au Frani, Wieo, 7. November 1813. Wiener Staatsarchiv. ^ ist
mein Handwerk, waranf ich mich TorzUf^lich rerie^te, and ^Isnbe dar-
innen dorch Eifer, TiiHÜgkeit und geringe Kenntniiae Einiges beitragen
' Id. ad eundeni, Wien, 3. Deceniber 1819. Wiener StaataarcbiT.
386
Spuren des französischen Vandalismus^ dessen Geldgier nicht
einmal die Erinnerungen aller Zeiten schonte; so ist der Marcus-
platz durch ein ungeschicktes Gebäude verdorben^ so ganze
Strecken von Häusern niedergerissen, um Gärten und Exercir-
plätze zu bilden, auf Entschädigung der Besitzer wurde wenig
gedacht/^ Von Italien aus reiste er, nach Entgegennahme der
feierlichen Huldigung, nach Südwest-Deutschland, dem Orte
seiner militärischen Thätigkeit. Ende August gelang es ihm,
die Grenzfestung Htiningen einzunehmen, und in Basel, wo man
ihn ob dieser That als Wohlthäter begrüsste, erhielt er von
seinem Bruder Ludwig die Nachricht, dass ihm der Kaiser
gestatte, nach Paris zu kommen,* wo sich ja damals die alliirten
Fürsten aufhielten. Kaum in Paris angelangt — 15. September
— jlief er, so viel er nur konnte', die Sehenswürdigkeiten dieser
Stadt zu sehen, die ihm wie ein ,wahres Sodom Europas' vor-
kam, und nach der Stille und den reinen Sitten, die er in
Basel gefiinden, erschienen ihm die raffinirte Verderbtheit
und der Lärm in der französischen Capitale wie unerträgliche
Dinge.^ Hier erfuhr er denn auch, dass er bestimmt sei, als Stell-
vertreter des Kaisers nach London zu reisen, und es ihm
gestattet sei, bis Ende April in England zu verbleiben, um
alle Sehenswürdigkeiten daselbst zu studiren. ,Ich bin ausser-
ordentlich geschmeichelt von diesem Vertrauen' — schreibt er
am 23. September — ,und werde bemüht sein, davon zu pro-
fitiren, um Alles zu sehen und so viel als möglich zu lernen.'*
Mit ihm sollte zugleich sein jüngerer Bruder Ludwig reisen,
der später unter Kaiser Ferdinand in inneren Angelegenheiten
Oesterreichs eine so hervorragende Rolle spielte. Zum ersten
Male begegnen wir ihm während des Feldzuges von 1809,
in dem er von Napoleon geschlagen wurde. Erzherzog Ludwig
gehört unter die Persönlichkeiten Altösterreichs, deren Wesen
^ Johann an Kaiser Franz, Padaa, 10. Mai 1815. Wiener Staatsarchiv.
* Johann an den Kaiser, Basel, 10. September 1815. Wiener Staatsarchiv.
' Erzherzog Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit. (Unter dieser
Bezeichnung werde ich noch Öfter von Johann Briefe zu citiren haben,
die mir von privater Seite zur Verfügung gestellt wurden.) Paris,
23. September 1815. Apr^s la tranquillit^ de Basle et les mceurs pures
de cette bonne ville, la d^pravation raffin^e et le tapage de Paris sont
insupportables.
* Ibid.
nicht zur G-enüge gekannt iat. Seine Äafzeichnnngen
i^nglaud lassen ihn als einen strebsamen, geistig sehr be-
i Mann erscheinen, der die Fähigkeit besitzt, richtig za
und Beine Gedanken in prägnanter Ausdrucksweise zur
Buimg zu bringen.
'lachdem die beiden Brüder ihre Vorbereitungen zur Ab-
getroffen und Metternich sie über die Art und Weise
Benehmens, sowie über die Verhältnisse in England näher
irt hatte, setzten sie sieh in Bewegung, um Paris so
l als möglich den Rücken zu kehren.^
jizwischen erwartete der Prinz-Regent voll Ungeduld die
icht ihrer Ankunft. Jeden Tag licss er nachfrageo, ob
an noch nicht angekommen wären.* Zu ihrem Ekapfange
ä er, wie der Österreichische Botschaftssecretär Neiunann
tet, höllische Ausgaben.' Das Haus, in dem sie wohnen
, Hess er vollkommen heiTiohten und mit neuen Möhchi
en.* Am 20. October um 3 Uhr Nachmittags trafiin die
rzoge endlich in Boulogoe ein, wo sie durch stürmisches
r bis zum 22. zurückgehalten wurden. Erst an diesem
um 10 Uhr Vormittags konnten sie bei heirlichem Wetter
glische Yacht besteigen, ,meinestheil8' — wie Johann an
aiser schreibt — ,sehr froh, ein Land zu verlassen, wo
:hts als Elend, Verderbtheit, Leichtsinn gefunden, welches
üne Naturschönheiten mir zeigte und blos in Paris mau-
Merkwürdige darbot'.'' Nach fünfstündiger Ucberfahrt
ten sie nach Dover, wo sie Alles anmuthete, als bcfilndcn
h in einer neuen Welt.* Diese Empfindung steigerte sich
,Is sie über Canterbury, Rochester nach London fuhren.
ann' — so äussert sich Johann zum Kaiser — ,Ew. Maje-
cht den Eindruck beschreiben, welchen mir diese Reise
i; ein Land von gleich schlechtem Kreideboden wie Frank-
prächtig bebauet, die schönsten Fluren, Gärten, Wälder,
lume, herrliche Heerden von Kfastschafcn, besonders schöne
ann an eine hocb^Mtellte PenOnlichkeit, London, 2S. Oclober 1816.
imann, chargä d'tUTairee, 13. October 1815. Wiener StaatsarcbiT,
II. October 1816. Wiener Staatsarchiv.
I.
ann an Franx, London, 25. October 181&. Wiener StaatMTchiT.
387
Pferde vom schwersten Schlage (von den Fremden bisher so
wenig beachtet), das Land voll Städte, Dörfer, Landhäuser,
überall Gärten, die Häuser von Ziegeln ohne Anwurf, hoch
und schmal, von den sonderbarsten Gestalten, aber von einer
Reinlichkeit über alle Begriffe, die innere Einrichtung alt-
modisch, aber solid, zweckmässig, schön, die Landstrasse vor-
trefflich, die Postbedienung ebenfalls, die Dihgencen, Kutschen
80 schnell fahrend wie die übrigen mit den "schönsten Pferden
und Wagen, in den Städten und Dörfern schöne Boutiquen,
AUes enthaltend; vor Allem aber die Menschen, viele und
ruhig in ihren Aeusserungen, treuherzig und deutsch, keinen
Zerrissenen noch Bettler, Alles gut gekleidet, die Frauen, so
wie man sie in Paris sah, meist von gesundem schönen Wüchse
und Bildung, in ihrem Aeusseren der Bauer vom Bürger, dieser
vom Edelmanne schwer zu unterscheiden/^
Nach ihrer Ankunft wurden sie in dem für sie prächtig
eingerichteten St. Albans-House untergebracht, wo sie als Gäste
der Nation bewirthet wurden, was Johann nicht glaubte ab-
lehnen zu dürfen, indem sich sonst die Engländer beleidigt fühlen
würden, ,da für diese Leute^ — wie er hinzufügt — ,so etwas
eine Kleinigkeit ist^* Wie entzückt auch fürs Erste die Erz-
herzoge von London waren, so gefiel ihnen doch nicht die dor-
tige Art zu leben. Man stand ihnen zu spät auf und speiste
demgemäss zu Stunden, die ihnen ungewohnt waren. Unbequem
war es ihnen ferner, dass man zum Diner um 7 Uhr Abends
stets in grosser Toilette — nach damaUger Mode in Schuhen
und Strümpfen — erscheinen musste. Küche imd Getränk
behagten ihnen, doch nicht die Suppen, die, übermässig gewürzt,
fast den Gaumen verbrannten.^
Den Geboten der Hofetiquette gemäss wurde der Prinz-
Regent sofort von der Ankunft der Erzherzoge benachrichtigt.
Diese Aufgabe übernahm der neue Botschafter Fürst Paul
Esterhdzy. Nach dem im Juli 1815 plötzlich erfolgten Tode
des bisherigen Vertreters des Wiener Hofes, des Grafen Mer-
veldt, hatte der Prinz-Regent den Wunsch ausgedrückt, dass
* Johann an Franz, London, 25. October 1816. Wiener Staatsarchiv.
' Id. ad enndem, London, 4. November 1815. Wiener Staatsarchiv.
' Erzherzog Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 29. Oc-
tober 1815.
388
Fürst Paul Esterhäzy zu dessen Nachfolger ernannt wcrde.^
Dies Verlangen und der Umstand^ dass Esterhizy durch seine
Frau* in verwandtschaftlichen Beziehungen zum englischen Hofe
stand, veranlassten Metternich, die Wahl des Prinz-Regenten
sofort gutzuheissen.^ Fast gleichzeitig mit den Brüdern des
Kaisers hatte auch Esterhäzy seinen Einzug in der englischen
Hauptstadt gehalten. In der feierUchen Audienz, die ihnen
hierauf der Prinz-ilegent bewilligte, empfing er sie in österrei-
chischer Marschallsuniform mit dem jüngst erhaltenen Toison-
orden. Johann überreichte den Brief des Kaisers, worauf sie
für Abends zum Diner geladen wurden. Während desselben
sprach der englische Regent nur von seiner Neigung filr Oester-
reich. ,Ew. Majestät^ — schrieb Erzherzog Johann an den
Kaiser, unmittelbar nach dem Diner, das von 7 — Vtl2 Uhr
gedauert hatte — ,haben keinen treueren Freund, keinen Dank-
bareren als den Prinz-Regenten; er lebt und webt für Oesterreich.
Russland hat es bei ihm, der Nation und dem Volke verdorben;
Preussen erkennt er die gefehrUche Tendenz, wo der König
der Zügel der Regierung nicht mehr mächtig ist, Frankreich
hasst er, sowie seine Nation. Er, sowie die Herren, mit wel-
chen ich sprach, sehen eine Spannung zwischen Oesterreich imd
England als einen solchen Unsinn an, dass sie es nicht fUr
möglich halten, feste, treue Freundschaft als nothwendig, wohl-
thätig und allein beider Interessen entsprechend.'*
Was hatte sich denn ereignet, dass jetzt derselbe Prinz-
Regent, der noch vor einem Jahre ein glühender Verehrer Ale-
xanders und Feind des Wiener Hofes gewesen, nun plötzlich
sich als eifrigsten Anhänger des von ihm früher gehassten
Oesterreich entpuppte? Russland hatte ihn persönlich beleidigt
und dadurch einen Umschwung seiner politischen Gesinnungen
bewirkt* Er hatte es scheinbar leicht hingenommen, dass die
* Vortrag Mettemich's, Paris, 29. August 1815. Wiener Staatsarchiv.
' Maria Theresia, Tochter des Fürsten Karl Alexander von Thum und
Taxis.
• Vortrag Mettemich's, Paris, 29. August 1816. Wiener Staatsarchiv.
♦ Erzherzog Johann an Franz, London, 25. October 1816. Wiener Staats-
archiv.
* id. ad eundem, London, 20. Februar 1816. Wiener Staatsarchiv ,Der
Aufenthalt des Kaisers (Alexander) und der GrosafUrstin (Catharina)
haben Oesterreich sehr genützet.*
389
Schwester Alexanders, GrossfÜrstin Catharina, bei der er fUr
seinen Bruder, den Herzog von Clarence, warb, ihm einen Korb
gab.^ Schon nicht so leicht verwand er es, dass der Czar
während seiner Anwesenheit in London Beziehungen zur Oppo-
sition des Parlaments unterhielt.' Mit tiefem Hasse erfüllte es
ihn jedoch, dass — wie man behauptete — Alexander bei-
getragen haben sollte, einen seiner Lieblingswünsche zu Falle
zu bringen.^ Der Prinz-Regent hatte nämlich seine Tochter, die
Prinzessin Charlotte von Wales überredet, sich mit dem Erb-
prinzen der Niederlande zu verloben. Plötzlich erklärte sie
jedoch, diesen nur unter der Bedingung zu heirathen, wenn
das Parlament ihr ständigen Aufenthalt im Lande garantire.
Aber gerade dies verstiess wider die Intentionen des Prinz-
Regenten, der seine ungemein beliebte Tochter aus England
entfernt wünschte, weil er von ihr Vergeltung für sein eigenes
schuldvolles Benehmen gegen seinen jetzt von Wahnsinn be-
ÜEÜlenen Vater Georg HI. besorgte.^ Man kann sich daher leicht
vorstellen, wie sehr es ihn empören musste, als er erfuhr, dass
hinter all den Intriguen, die ihm so viel Kummer bereiteten,
niemand Anderer als Alexander stecke. Gleich der Einladung,
die der Prinz-Regent im April 1814 an Franz ergehen Uess,
entsprang also auch jetzt seine begeisterte Hingabe an Oester-
reich, ausschliesslich dem egoistischen Gefühle, sich durch Be-
vorzugung des Wiener Hofes an dem Czaren zu rächen, der
ihn 80 tief verletzt hatte. Diese Erbitterung gegen Alexander I.
theilten aber die englischen Minister nicht mit ihrem Herrn.
Bei den sehr heiklen und schwierigen Verhandlungen, die um
diese Zeit in Paris von Seite Oesterreichs mit Preussen und
Baiem wegen der Abtretung von Salzburg und Mainz statt-
fanden, erfreute sich zwar Mettemich der kräftigsten Unter-
stützung des englischen Vertreters.* In der Stellung Russland
gegenüber verharrte jedoch der englische Premier Lord Castle-
reagh in seiner Verblendung für den Czaren. Auch jetzt noch.
^ Merreldt, London, 5. Mai 1814. Wiener Staatsarchiv.
* Esterhäzy, London, 1. Jänner 1816. Wiener Staatsarchiv.
* Ibid. — Reise Erzherzog Ludwigs in England 1816. (Erzherzog Rainer-
sches Archiv.)
* Nach Berichten Merveldt's aus dem Jahre 1814. Wiener Staatsarchiv.
* Ich behalte mir vor, bei nächster Gelegenheit diese Dinge ausführlicher
darzustellen.
(
390
nach der auf dem Wiener Congresse bekundeten Absicht der
Wiederherstellung eines Königreiches Polen unter russischem
Scepter^ hielt der englische Lord das Vorgehen Alexanders
nicht für besonders gefährlich. ^ Dagegen aber bedauerte
Mettemich aufs Tiefste, dass CasÜereagh den russischen Kaiser
so wenig durchblicke.^ Denn gerne hätte er sich der Mithilfe
Englands gegen die ehrgeizigen Pläne des Czaren versichert,
der unter dem Scheine des Liberalismus sich in aller Herren
Länder einen mächtigen Anhang zu verschaffen trachtete.*
Unter diesen Umständen bedeutete immerhin die enthu-
siastische Verehrung des Prinz-Regenten ftir Oesterreich einen
Fortschritt in der Besserung der Lage. Man war daher sehr
angenehm davon berührt, dass die Beise der Erzherzoge einen
vortrefSichen Eindruck in England hervorrief.^ Durfte man
nicht hoffen, dass ihre Anwesenheit wesentlich dazu beitragen
werde, den Engländern günstigere Begriffe von einem Lande
beizubringen, von dem sie gar keine Kenntniss hatten und
welches die Gegner desselben geflissentlich in falschem Lichte
zu zeigen bestrebt waren? Berührt es doch ganz eigenthümlich,
zu vernehmen, dass die vornehmen Herren meinten, die Erz-
herzoge seien nur gekommen, ,um zu essen und zu trinken^,^
und ihre Verwunderung nicht unterdrücken konnten, als diese
sich alle Gelage mit der ausdrücklichen Erklärung verbaten,
nur allein das Land und dessen Einrichtungen studiren zu
wollen.^ Damit erzielten sie die beste Wirkung. Die Eng-
länder, auf Derartiges nicht vorbereitet und anfangs ziemUch
^ Metternich an EsterhÄzj, 29. Juli 1816. P. 8. k la dSpSche seeröte. Wiener
Staatsarchiv. ., . . de voir ce ministre sortir de Tesp^e d*engouement
dans leqiiel Tont placö plosieurs d^marches directes quo Temperear
Alexandre a faites vis-^-vis de lui poor s'emparer de son esprii.
' Id. ad eundem, 30. August 1816. Döpdche röservöe. Wiener Staatsarchiv.
• Vortrag Mettemich's, 22. Februar 1816. Wiener Stadtarchiv. »Welches
die Absichten des russischen Kaisers sein mögen, so geht er nicht den
geraden Gang des Friedens, und wir dürfen keine Grelegenheit versftnmen,
um ihn zu beobachten.*
• Vortrag Mettemich^s 2. November 1815. Wiener Staatsarchiv. Er bemerkt
da über ein an ihn gerichtetes Schreiben Johanns ans London: ,£8 be-
stätigt den vortrefflichen Eindruck, welchen die Reise dieser Prinzen in
England erzengte.'
^ Johann an Franz, London, 4. November 1816. Wiener Staatsarchiv.
• Ibid.
391
zurückhaltend^ waren über solche Absicht der Erzherzoge sehr
erfreat Nun sachte man ihnen durch Mittheilongen and Em-
pfehlungen an die Hand zu gehen. Zu jener Zeit war es nicht
so leicht wie heute, die Einrichtungen eines Landes kennen
zu lernen. Noch fehlte es an einem fUr ganz England giltigen
Reisehandbuche; man war daher genöthigt, falls man das Beich
besuchen wollte, sich selbst ein solches anzulegen. Dies mussten
die Erzherzoge auch jetzt selbst thun. Auf Grundlage der
Daten, die ihnen von allen Seiten geliefert wurden, arbeiteten
Johann und Ludwig ihren Plan aus. Sehr behilflich war ihnen
hiebei ein Deutscher, der seit Langem in London ansässige
Kunsthändler Ackermann. Ausdrücklich anerkennen sie, wie
viel sie ihm zu danken haben. ^
Von der Q^sandtschaft, die eigentUch in erster Beihe
berufen gewesen wäre, den Prinzen die Wege zu ebnen, war,
da sie sich in totaler Unkenntniss der englischen Zustände
befand, nichts zu erfahren. Sagt doch Erzherzog Ludwig selbst,
dass die österreichische Botschaft von London gar nichts wusste
und Birmingham und Manchester nur dem Namen nach kannte.'
Nachdem die Erzherzoge sich auf diese Weise zu ihrem
Unternehmen vorbereitet, blieben sie nur wenige Tage in London.
Sie eilten in das Innere des Beiches, um sich vorher mit den
in den Provinzen herrschenden Verhältnissen vertraut zu machen.
Wie es Mettemich empfohlen,' wurde jetzt der ihnen vom Prinz-
Begenten zur VerfUgung gestellte Hofstaat aufgelöst, und nur
von wenigen Leuten begleitet, brachen sie nach dem Norden
Englands und dem südlichen Schottland auf.^
Um den Eindruck zu ermessen, den diese Beise auf die
Erzherzoge machte, muss man bedenken, dass zu jener Zeit
England ein dem Continente noch ziemlich unbekanntes Land
war. Auch besuchten Johann und Ludwig dies Beich in einer
Periode, wo die englischen Verhältnisse sich in einem Zustande
der Umgestaltung befanden, das Alte noch nicht beseitigt und
das Neue erst in den Anfangsstadien der Entwicklung begriffen
war.^ Ihre Mittheilungen sind daher von besonderem Beize
' Reise Erzherzog Lndwigs in England 1816.
* Ebendaselbst.
• Vortrag Mettemich's, Paris, 17. October 1816. Wiener Staatsarchiv.
^ Jobann an Franz, 4. November 1815. Wiener Staatsarchiv.
« Panli, Geschichte Englands, I. Bd., 10. Capitel.
\
nd auch fUr die englisclie Culturgeschichte von Werth. Lofai
B sich doch, zu hören, wie continentale Reisende von so he
orragender Stellung wie die Erzherzoge, Über das Englai
leorgs IV. urtheilten.
Am 4. November 1815 verhessen sie London, machte
1 Beachwood Station im Hause des Ritters Seabrigtli, d<
inen als das wahre Prototyp eines englischen Edelmann!
rschieu und sie durch seine Kenntnisse und Bildung übe
ischte. Nicht wenig staunten sie, da^s die ältere Tochti
esselben eich dem Studium der Chemie widmete, wahres
ie jüngere dichtete. Ueberhaupt mussten sie bald die Erfal
mg machen, dass die englischen Frauen ofl unterrichteter a
ie Männer seien. Die vornehmste Quelle dieser Bildung fände
ie — und nicht mit Unrecht — in den auf allen Schlössei
nd Häusern der besseren Classen sich befindlichen Bibliothekei
'o die Angehörigen derselben einen grossen Theil ihrer Ze
erbringen.
Nachdem sie Ritter Seabrigtb, dieses Muster eines eiij
sehen Landedel mann es, besucht, hielten sie sich einige Ze
n Schlosse des Marquis d'Anglesey auf, eines intimen Freundi
es Prinz-Regenten. Anglesey ist mehr bekannt als Lord Pag«
nter welchem Namen er bei Waterloo die' Cavallerie führ
Jid ein Bein verlor. Seitdem konnte er nur auf KrUcke
inherschreiten. In gewissem Sinne bot diese Haushai tun
chon eine Vorstellung von den sittlichen Zuständen, die damal
lesondere begünstigt durch den Prinz- Regenten, in manch«
ristokratiscben Familien herrschten. Der Marquis lebte jet
oit der ehemaligen Marquise Wellesley, die er entführt ui
lachher geheiratet hatte, während seine erste Frau, von Ai
r neun Kinder besass, nun die Gattin des Herzogs von Argy
;eworden. Hier in dem Hause des Marquis bekamen die Er
lerzoge zuerst eine Idee von der Lebensweise der vomehmstt
ind reichsten Grandseigneurs Englands. Indem dieselben
jOndon sich nur kurze Zeit aufhielten, entfalteten sie al
bracht in Wohnung, Einrichtung und Küche auf ihren Güten
lier wie bei den übrigen Grossen verlief das Diner, bei we
ihem die Damen nach französischer Mode gekleidet, die Herrc
m blauen oder schwarzen Frack erschienen, in ganz eigei
hümlicher Weise. ,In grösseren Häusern' — erzählt Erzherzc
judwig — ,beBtehen die Tafeln aus zwei Gedecken; die Speise
393
sind alle auf dem Tische. Etwas Unangenehmes ist es^ dass
man von den Speisen, die man haben wiU, begehren musS; da
nichts als die Suppe herumgetragen wird; man wendet sich
an den, vor welchem die Speise stehet, und schickt durch den
Bedienten seinen Teller hin, jener legt nun vor. Ist man zu-
fiülig vor ein LiebUngsgericht oder ein grosses Stück Rind-
fleisch oder Schöpsenkeule zu sitzen gekommen, so hat man
vor lauter Begehren und Schneiden und Vorlegen beinahe
keine Zeit, selbst etwas zu essen.'*
Mit dem freien und zwanglosen Tone, der trockenen gut-
müthigen Höflichkeit und der Gastfreiheit, der sie hier begeg-
neten, waren die Erzherzoge sehr zufrieden. Auf ihrer weiteren
Reise besuchten sie auch Roscoe, den bekannten Verfasser des
Jjebens Papst Leo X.', dessen Landhaus sechs Meilen von
Liverpool an dem Flusse Mersey lag. Sie waren erstaunt,
dass er, obwohl nie in Italien gewesen, die Sprache dieses
Landes vortrefflich sprach, wie dass in seiner Bibliothek die
itaUenische Literatur vollzähhg vertreten war.
AUein die Erzherzoge blickten nicht nur in das Innere
der vornehmen Paläste, sondern bemühten sich mit noch viel
grösserem Eifer, in die Werkstätten der Industrie und des
Handels einzudringen. Mitunter war dies sehr schwierig und
erforderte ungemein viel Takt und Vorsicht. Obwohl die Eng-
länder über ihre Einrichtungen sehr viel Bücher veröffentlicht
hatten, aus denen man sich zur Genüge über dieselben unter-
richten konnte, beobachteten sie dagegen ein auffallend tiefes
Stillschweigen über AUes, was auf ihre Industrie Bezug hatte. ^
Mit Argusaugen hütete der Fabrikant die Geheimnisse seiner
Manipulation. Wollte man die Fabriken besuchen, so musste
man sich die Empfehlung von Kaufleuten verschaffen. Die
Befürwortung der Minister konnte bei solchem Vorhaben eher
schaden, da die zur Opposition gehörigen Fabrikanten schon
* Erzherzog Ladwigfs Reise in England.
' Erzherzog Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 29. De-
cember 1815. On ne peut se faire d^id^ combien les Anglois ont 6crit
coDcemant lenr pays, chaque petite ville a son guide, sa description
qui sont d*une grande utilit^ pour le voyageur, pour lui servir de direc-
tion dans tont ce qn^il y a de bean et de remarqoable, except^ la partie in-
dastrielle snr laquelle il r^gne un profond silence, soite de cette Jalousie
propre an fabricant.
ArebiT. LXXYin. Bd. II. H&lfte. 26
\
tritt in ihre Häuser verweigerten, um zu zeigei
Regierung njcbta zu befehlen habe.' Die Er
.ckennann aufs Beste berathen, waren vorsicfati
, sich mit Bnefen tod englischen Kau£eaten i
so öfheten sich zumeist vor ihnen die Pforte
ibriken, doch leichter in Schottland als in Eii{
hnt an diese gewaltige Entfaltung von Hand
wie sie gerade dapialft in Groesbritannien blüht
zherzoge voll Bewunderong auf all die Herriicl
1 ihren Augen darboten. ,Rilckgichtlich der L
andels, der Fabriken' — schreibt Johann vt
- ,gibt es so viel zu sehen, dasa man gar nicl
anfangen soll. Die Fortschritte sind so enon
Stttdte, als eigentliche Herde derselben, jedi
rgrössem, dass man sie nicht wieder erkenn
Glasgow, Manchester, Liverpool 80.000— lOO.OC
ui thut sehr viel für ihre VerBchönerung, ooc
Spitäler, die Erziehung; überall trifft man ga
und hierin offenbart sich der Öffentliche Geis
olfit Subscriptionen erbaut und erhalten." Hii
-ncn sie aber auch die Mittel kennen, welcl
lustrie zu so ungeheurem Aufschwünge verhalfei
ihren sie die Anwendung der Dampfkraft ai
dos Verkehres. Zum ersten Male sehen sie i
fschiffo, die sie so gerne auch auf der Dona
an möchten.^ Als ganz merkwürdig erschi«
rendung der Wasserdämpfe zur Treibung dt
1 der es in einem Briefe heisst: ,Man sieht eine
aom Itauchfang anlangen, der 12 — 14 Wage
[, die keine Bespannung und keine Mensche
haben.'* Die Dampfmaschinen, deren Anzal
geben und die Alles in Bewegung setzen, sowi
ge kolossale Rcichthnm an Kohlen, das ,gros£
Bewegung, imponiren ihnen ganz gewaltig.'
Ana an eiue bocbstehende PenSnlichkeit, London, ü. D
, Glsafow, 30. November 1S16.
, Newcastle, 8. December 1816. C'est & Toir B'ili ponnoi
ir notre Danube.
«og Johann an Fnini, 24. Dec. 1615, Wiener Staatuidu'
395
Zurückgekehrt von dieser Fahrt durch das nördliche und
östliche England und das südliche Schottland, eilten sie nach
kurzer Rast, die Sehenswürdigkeiten des südUchen Theiles
dieses Reiches zu besichtigen. Zuerst richteten sie ihre Schritte
nach Slough, um den grossen Astronomen Herschel zu besuchen,
der damals 80 Jahre alt, trotz seiner sechzigjährigen Abwesen-
heit von Deutschland noch nicht, ebensowenig wie seine mit
ihm arbeitende Schwester, seine Muttersprache verlernt hatte.^
Herschel fesselte die Erzherzoge durch seine Erklärungen des
Himmelsbaues derart, dass sie sich ungern von ihm trennten.^
Von hier gingen sie nach Oxford, mit Empfehlungsbriefen ver-
sehen an den Professor der Medicin Pegge. Dieser nahm es
anfangs übel — im Gegensatze zu den Fabrikanten — dass
ihm die Erzherzoge nur durch Ackermann und nicht durch
die Regierung empfohlen waren. AUmälig aber wurde er
freundlicher und bewährte sich als kundiger Ftlhrer in der
berühmten Universitätsstadt.^ Nach Oxford besuchten sie Glo-
cester, Bristol und die bedeutenden Marineanstalten von Ply-
mouth und Portsmouth, welche wegen ihrer Grösse und der
daselbst entfalteten Thätigkeit sie mit Erstaunen erfüllten.^ Ins-
besondere sahen sie in Plymouth den Steindamm, dies unge-
heure Werk, das die Regierung aus Felsenstücken von ausser-
ordentlicher Grösse errichten liess, um die Rhode zu schliessen
und sicher zu machen.^
G^rne würden die Erzherzoge auch einen Abstecher nach
Irrland unternommen haben, dessen Bevölkerung man ihnen
einerseits als roh, unaufgeklärt und aufbrausend, von anderer
Seite wieder als in gedrücktem Zustand lebend und voll guter
Anlagen schilderte. Allein die Kürze der Zeit, die schlechte
Witterung und — wie Erzherzog Ludwig erwähnt — in noch
höherem Grade die Rücksicht gegen die Regierung machten
ein solches Unternehmen unausführbar.^
Nun erst, nachdem sie die Umschau in den Provinzen
beendigt, kamen die Erzherzoge dazu, den Hof, die Gesellschaft
* Erzherzog Ludwigs Reise.
* Ibid. * Ibid.
* Erzherzog Johann an den Kaiser, London, 29. Jänner 1816. Wiener
Staatsarchiv.
» Ibid.
* Erzherzog Lndwigs Reise.
26*
\
d die Hauptstadt selbst näher kennen zu lernen. Freili(
]on ehe sie nach dem stldUchen England abgereist wäre
tten sie für kurze Zeit einer Einladung des Prinz-Regent«
eh dessen Residenz Brighton Folge leisten müssen, ,wo' -
Q Erzherzog Johann bemerkt — ,der Aufenthalt von einigi
gen nicht sonderlich lustig isf.* Die BerUbmng mit de
ife und der königlichen Familie machte auf sie nicht di
Bten Eindruck, insbeBondere nicht der Verkehr mit de
inz-Regenten und dessen Umgebung in Brighton. Sie, bish
das einfache, schlichte Leben der Wiener Hofburg Jen
.ge gewöhnt, waren nicht wenig erstaunt über das frivc
Btössige Treiben, das im Kreise des Prinz-Regenten herrscht
ilr einen Osterreichischen Prinzen' — sagt Erzherzog Lud«
seinen Aufzeichnungen — ,der das häusliche, regelmässig
lentUche Leben gewöhnt ist, dem man von trUher Jngei
■prägte, mit seiner Zeit zu wuchern, sich Kenntnisse zu <
trben und dem Vaterlande nützlich zu sein, mit Beispiel i
iten voranzugehen, seinem Fürsten Treue, Gehorsam, kindli<
;eben sich zu zeigen und nicht zu wissen, was Intrigue, C
le, Opposition, Ehrgeiz, Selbstsucht ist, übrigens ordentlii
leben, musste dieser Hof einen tiefen Eindruck machen ni
tit mehr auffallend sein als der Nation selbst, die durch d
ständige Sehen dergleichen Dinge mehr gewöhnt ist'*
Beginnt mit der nüchternen Haushaltung Geoi^ BI. eii
Action gegen die derbe Roheit und Sinnlichkeit, wie t
ch um die Mitte des 18. Jahrhunderts in England herrscht
flammt das ausschweifende Leben früherer Tage noch einin
seiner ganzen abstossenden Nacktheit am Hofe des Prii
!genten auf Wie er dem Vater und seinen Freunden vi
r Opposition die Treue gebrochen, so kannte er diese am
:ht in den ehelichen Beziehungen zu seiner Frau, die er a
nzer Seele hasste. Er war ein Säufer, der sich selbst a
ichzeitstage bei seiner Traunng nur mittelst des Genoss
n starken Getränken auf den Beinen erbalten konnte. Dah
trieb er die Maitressenwirthschaft^ im grossen Stjle und stecki
' ETzbenogJobann an den Ksieer, London, 21. Dec. 1815, Wiener Staatevch
' Erzherzog Lndwiga Reise.
' Die berUhmteaten sainer Maitrusaen waren: Mrs. Kobinion, Fibhsrb«
Ladies Jersey, Hertford, Conjogbain. Anaserdem wird noch die sU
liebe Anztib) von 13 Haitresieii erwähnt.
397
so lange er noch nicht die Zügel der Regierang führte^ tief in
Schulden^ die sich auf enorme Summen beHefen. Die Erzher-
zoge fanden in ihm einen schönen^ wie einen Stutzer geklei-
deten Mann, voll natürlichen Verstandes, der aber durch Aus-
schweifungen körperUch ganz herabgekommen war. LächerUch
erschien es ihnen, dass er das grösste Gewicht darauf legte,
dem Fürsten Schwarzenberg ähnUch zu sehen, eine Meinung,
worin ihn Jeder bestärken musste, der sein Wohlgefallen er-
regen wollte. Sonst fiel er, wenn einmal von politischen Gegen-
ständen die Rede war, von einer Idee auf die andere, wobei
er mit Vorliebe betonte, man müsse Bemadotte aus Schweden
vertreiben und an dessen Stelle einen Erzherzog setzen. Be-
ständig sprach er von seinem Wunsche, das Ghrosskreuz des
Theresienordens zu besitzen, den entbehren zu müssen, ihm
viel Kummer bereite. Dann hob er wieder hervor, dass, wenn
er nicht seine Tage in England verbringen müsste, er am Ueb-
sten in Wien wohnen wollte. So lange er sich nur in solchen
Erörterungen erging und zur Freude der Erzherzoge seiner
VorUebe für Oesterreich gedachte, erschien ihnen der Aufenthalt
in Brighton noch behagUch. Aber es widerte sie an, wenn bei
Tische in Gesellschaft des Prinz-Regenten und in erster Reihe
von diesem selbst Reden so zotiger Natur geführt wurden, wie
sie — nach einer Bemerkung Ludwigs — kaum in eine Elaseme
passen würden. Neben übermässigem Essen und Trinken Uebte
es da der Prinz-Regent, einige seiner Gäste zum Stichblatte seiner
Witze zu machen oder aber, wie den Admiral Nagel, unter
den Tisch zu trinken oder gar, was ganz sonderbar berührt,
den bekannten und ungemein geschickten hannoverischen Di-
plomaten Grafen Hardenberg zu bereden, ,zu Wette zu fressen'.
Ein eifriger Secundant bei allen diesen eines Regenten wenig
würdigen Spässen war sein Bruder, der Herzog von Clarence,
der die Erzherzoge durch seine von Unwissenheit strotzenden
Fragen stets in die grösste Verlegenheit versetzte. Wie er dann
schUessUch während der Tafel zumeist einschlief, war er ihnen
ein erbarmungswürdiger Anblick.^
Gerade um die Zeit, als die Erzherzoge in England weilten,
versetzte den Prinz-Regenten das Heiratsproject seiner Tochter
Charlotte mit dem Herzog Leopold von Coburg in nicht geringe
^ Erzherzog Ludwigs Reise.
'gaag. Sie waren fast Zeuge der Intrigaen und Cabaleu
le diese Absicht im Gefolge hatte, und befauden sich da
1 ia der Lage, tiefe Blicke in das FamilieiilebeD des kCni;
1 Hauses zu werfen. ,Da8 Gerücht verbreitet sich imme
' — schreibt Johann am 29. Jänner 1816 an den Eaise
Jid scheinet im Lande sehr angenehm zu sein, als soll
Leopold von Coburg für die Thronerbin bestimmt sein.'
lotte sah den Coburger zum ersten Male im Jahre 1814
nachdem die Prinzessin ihre Verlobung mit dem Erl
en der Niederlande gelöst, warb er um ihre Hand. Ib
lach dem Bruche mit dem Niederländer sich um jede
verheiraten und von ihrem Vater sich unabhängig mache
i, schienen die Bemühungen des Herzogs von Cobnr]
dem sie schon seit einiger Zeit geheimen BriefwechBi
hielt," sehr angenehm zu sein.* Desto weniger behagi
7oburger dem Prinz-Regenten, der diesem die Hand seini
ter verweigerte, weil er ihn fllr keine passende Partie fi
Vinzessin ansah.^ In Wahrheit aber sträubte er sich gegc
Ehe, weil er Charlotte, vor deren mächtigem Anhange i
fürchtete, jetzt unter seiner Aufsicht behalten wollte.^ I>
lessin, die Minister und einige wolildenkende Freunde mns
len Vater fljrmlich zur EinwiUigung zwingen. Vor Alle
Castlereagh und der persönliche Freund des Prinz-Regente:
[uis von Anglesey, waren es, welche die Prinzessin Cha
aufs Kräftigste unterstützten.'' Wie wir von Johann selb
reu, wäre es der Lieblings wünsch des Regenten gewese
jder Ludwig zum Gemahl für seine Tochter in Englai
;kzubehalten,^ aber wir wissen auch zugleich von ihi
ohanii an den Ktlaer, 39. JSnner 181G. Wiener fiUataarchiv.
irzherzog Johann an eine hochgestellte PerBUnlichkeit, London, 29. }i
er 1810.
laterhäz; SD Meltemicli, London, ST. Jäuner 1816. Wiener Staatearchi
l>id. La princoBso Charlotte veut se marier, tont doit Vy porter, el
ent UQ mari, eile vent uns eiistence. La personne da prince Leopo
li convieot, il r^iinil ^alement les avantages qu'on d^sire dana le paj
Isterhiz; hat selbst über diese Din^ mit Prinzessin Charlotte geiprochf
(erveldt, London, 22. Juli 1814. Wiener Staatsarchiv.
Irzhorzog Joliann an Mett«mick, Calais, 11. März 1616. Wiener Staa'
t>id.
399
dass er absolut kein Verlangen darnach hegte^ die englische
Prinzessin zu ehelichen.^ Nicht, dass ihn ihre Erscheinung ab-
gestossen hätte, vielmehr lautet sein Urtheil nicht eben ungünstig
flir sie, wenn er von ihr sagt: ,Sie wird Jeden überraschen,
der nicht vorher von ihrer Art, sich zu präsentiren, unterrichtet
war. Eine wohlgewachsene, junge, schöne Frau mit Geberden
und Stellungen eines Mannes, im Sprechen Verstand, Kennt-
nisse, Witz, ungebundene Fröhlichkeit, Unklugheit, Derbheit,
die einen überrascht; sie scheint gutmüthig zu sein, aber auch
ihrem Kopfe zu folgen und ganz verwahrloset in der nothwen-
digen Erziehung, um als grosse Frau in der Welt zu leben/*
Qerade die erwähnten Eigenschaften konnten Johann, der mehr
für stillere weibliche Tugenden schwärmte, nicht anziehen.
Ausserdem war ihm nicht unbekannt^ dass Charlotte in den
Coburger sehr verliebt sei.^ Nicht gerade verlockend war aber
auch die schwierige Lage, in die derjenige gerieth, der Prin-
zessin Charlotte heimführte. Indem diese ihren Vater, ihre
Gbossmutter und die meisten ihrer Onkel und Tanten hasste,
wusste Johann sehr wohl, dass Leopold die grösste Klugheit
werde aufbieten müssen, um sich diese verschiedenen Elemente,
die auch ihm feindlich gesinnt waren, zu Freunden zu machen
und seine Stellung am Hofe erträglich zu gestalten.^
Nach den Schilderungen, welche die Erzherzoge von den
einzelnen Mitgliedern der königlichen Familie entwerfen, muss
man gestehen, dass es fUr die Erzherzoge nichts weniger als
verführerisch sein konnte, in den Kreis derselben eintreten zu
wollen. ,Die Königin (Frau des blinden imd wahnsinnigen
Georg in.)^ — schreibt Johann — ,8ehr von altem Schlage,
will geschmeichelt sein ; man wirft ihr vor, dass sie sehr schlimm
sei, und ist daher nichts weniger als geliebt.'^ Dazu trugen
nicht wenig ihre ledigen Töchter bei, deren Moralität sich nicht
des besten Rufes erfreute.^ Eine Ausnahme machte nur Prin-
zessin Mary. Der Herzog von Cumberland, Bruder des Prinz-
Regenten, fachte beständig die Leidenschaft der Eifersucht zwi-
schen diesem und seinem andern Bruder, dem Herzog von
York, an. ,Der Herzog von Cumberland' — sagt von ihm Erz-
' ErzherEog Johann an Metternich, 11. März 1816. Wiener Staatsarchiv.
« Ihid. » Ibid. * Ibid. » Ibid.
* Ludwigs Reise durch England.
401
Nicht weniger interessant als die Mittheilungen über den
Hof lauten die Aufzeichnungen der Erzherzoge über die Re-
gierung und deren MitgUeder. Voll Ueberraschung gewahrten
sie hier, im Gegensatz zu der schleppenden, langsamen Art,
wie im damaligen Oesterreich in den Ministerien die Geschäfte
betrieben wurden, die Raschheit, mit der in England die ein-
zelnen Departements die Angelegenheiten erledigten. ,Es scheint^
— schreibt Johann — ,da8 System der Regierung besteht
darin, den Gang der Maschine zu regeln und nachher sie gehen
zu lassen. Man hat bemerkt, dass zu viel regieren wollen
ein Fehler ist, der nur hinderlich sein kann.^^ Das eben tagende
Parlament bot ihnen erwünschte Gelegenheit, eine der gross-
artigsten Institutionen dieses Landes kennen zu lernen. Sie
hatten sich daher beeilt, yon ihren Ausflügen nach London
zurückzukehren, um bei Eröffnung desselben anwesend sein
zu können. Nicht vollkommen mächtig der engUschen Sprache,
wohnten sie den Sitzungen in Begleitung von Dolmetschen bei.'
,Sonderbar vorkommend ist zu sehen^ — verzeichnet Ludwig
in sein Tagebuch — ,wie die Parteien mit der grössten Ruhe,
ohne den Fuss von der Matte zu bewegen, sich die bittersten,
oft gröbsten Dinge sagen, die manchmal des Sprechers Zurecht-
weisung nach sich ziehen.^* Unangenehm berührte es ihn, wenn
einer der Redner bei den ernstesten Dingen Spässe machte
oder seine Gegner durch Lächerhchmachen schlagen wollte,
,da man sich bei Verhandlungen, die des Vaterlandes Wohl
und Wehe betreffen, nur die ernsthafteste Behandlimg denken
kann^* Ebensowenig kann er die Einseitigkeit und Unwissen-
heit billigen, die damals im Parlamente über die Verhältnisse
des Continentes herrschten, so dass die Mitgheder besser über
Ost- und Westindien unterrichtet schienen als über Sitten und
Einrichtungen der einzelnen Staaten des Festlandes.^ Dagegen
^ Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 20. Febmar 1816.
' Id. ad eundem, London, 29. December 1815. . . . il fandra pour cela des
interprStes, car malheurensement nons n'avons apris jusqu^ä pr^ent rien
de la langne que le plus n^cessaire pour se procurer en voyage ce qu^il faut.
' Reise Erzherzog Ludwigs.
Mbid.
' Ibid. ,Für die Ausbildung des Geistes ist hinlänglich gesorgt, aber leider
klebt Allen mehr oder weniger, ich nehme Wenige aus, eine Einseitigkeit
in den Begriffen und eine Unwissenheit in den Verhältnissen des Con-
< • -
400
herzog Ludwig —
Frager und Schwiit.
auch sehr nachtluili
* von dem Ludwi«^; s(
Schleicher, welchen-
j und die Familienzv.
♦
fj
•
— i2f
dass der Prinz-Rc <m
dass Charlotte wc(l(
liebte.^ Unter soK ■
derbtheit, Zerfahr.
gehörte das grösbt<
um diese heftigen ..r^<«
freuten sich, dass < .^^ a^
seinen geraden, s( ^.
keiten zu werden -.-^ '
genten und der k- ^ -w-.i
S' 3 wiss Deutschland i
A [{' auch die politisch (> ^.«f^
if Jl bemerkt Johann > .^ ji
^ f ' ^ Sachse, also nicht ^ i
1 jj; * Kaiser sehr en
j •*• 5 Platze; sein still
" ^^ I Sprache des L;
*Z j):^ ; Die Hochzeit fai
^ »i .-j Regenten zu In
i' 5^ 4 Unrecht wurde
geknüpfte und
starb schon im - ö **
HßJ _-
^ trachten ist, ai ^^^» i
*4
Seilschaft die .^
schmack wahi-
* Erzherzog I. ^-u
* Ibid. 8 Ib; .^ »-^^
* Erzherzog .1 - " \
1816. ... - ■
* Reise Erzli' ■^'*
* Johann an
' Pauli, G(-
18X6, I. IW
403
uLM<eu des Hofes ebenso leicht fügte, wie er, unter dem
ü der continentalen Diplomatie, keine Skrupel empfand,
.*i-ireite Europa der immer mehr sich hervorwagenden
.iwa zu überlassen.^ Von diesem Manne berichten die
^*v-'>ge, dass er wegen seines übermässigen Stolzes, der so
^ cil«:tzte, nicht beliebt sei. ,Bei allem dem' — sagt Lud-
^i>t in ihm bei aller Rechthchkeit und dass man ihm
'it' seines Benehmens nicht beikommen kann, viel Ein-
s sein Gleichmuth schwer zu heben; seine ruhige Fas-
::iben ihm viel Uebergewicht über seine Gegner gegeben.
,jr« er, obgleich nicht der erste Kopf, einer der liebsten
!i)e Erhaltung im Ministerium zu wünschen; auch wird
.Nein, wenn er klug in Worten, sich durch keine persön-
Beleidigungen reizen lässt, wenn er mit Klugheit den
lien der Nation nur einigermassen zuvorkommt.'* Lord
jt'iol, den Premier des Torycabinets, kennzeichnet Erzherzog
M rait folgenden Worten: ,Ein sehr schätzbarer, ebenso
Khaltender Mann, ist auf keine Art zum Reden zu bringen;
■heues, überkluges Benehmen ist oft zum Verzweifeln.*'
■•'Tid der Kriegsminister Lord Bathurst als ein Sonderling
•bnet wird, der trotz seiner Kenntnisse nicht mittheilsam
'leisst es dagegen von dem Minister des Innern, Lord
•iith, der früher unter Pitt Sprecher im Unterhause ge-
• : Jst nichts weniger als ein hervorstechendes Genie,
Kedlichkeit im hohen Grade, ein offenes, biederes Be-
'»m, ein Herz, empfknglich für das Gute, mit einem Aeus-
welches einen gleich einnimmt; er führt seine Geschäftig-
^ut, mit Ruhe, Festigkeit und Klugheit.*^ Einer sehr
•i^en Beurtheilung erfreut sich der Schatzkanzler, wenn
•■Ä'ig von ihm sagt: ,Vansittart, Finanzminister, scheint mir
■rr Sache gewachsen; ein Mann von vielem Verstände,
Innng und strenger Redlichkeit, der in einer sehr schweren
• lutle die Führung dieses Zweiges auf sich hat; seine Art,
seine Geschäfte zu zeigen, war gründlich; es war gut mit
Itüi, Geschichte Englands, 1. Bd., 8. 125.
lerzog Ludwigs Reise,
sherzog Johann an Mettemich, Calais, 11. März 1816. Wiener Staats-
archiv.
Erzherzog Ludwigs Reise.
404
ihm zu sprechen^ er Hess sieh gern ein^ und man erhielt stets
von ihm bestimmte, deutliche Antworten und Erklärungen. Schade,
dass dieser Mann kein Redner ist/^
Ueber dem Studiiun der Politik Englands yei^essen aber
die Erzherzoge nicht, ihre Zeit auch dem hauptstädtischen Le-
ben zu widmen, womit sie ihren Aufenthalt in dem Inselreich
beschlossen. Drei Wochen blieben sie daselbst, wo ihnen bei
ihren Rundfahrten Sir William Congreve als ausgezeichneter
Führer diente.* Mit der diesem Manne eigenen Derbheit öffnete
er ihnen den Weg zu Sehenswürdigkeiten, die ihnen sonst un-
zugänglich geblieben wären.® ,Hier in London^ — schreibt
Johann an den Kaiser — ,welches wie ein kleines Land aus-
gedehnt ist, hält es so schwer, auf den ersten Augenblick zu
erfahren, was da ist, nur nach und nach und durch den Ver-
kehr mit den unterrichteten Männern muss man sich den Weg
dazu bahnen und die misstrauischen, yerschlossenen Menschen
aufthauen machen.^ ^ Um nun Alles ungenirt in Augenschein
nehmen zu können, liessen sie sich nach englischer Mode yei^
fertigte Kleider machen.^ Auf ihren Wanderungen durch die
Stadt hatten sie dann nicht , Augen genügt. Alles zu besichtigen;^
sie waren erstaunt über all die ausserordentUchen Dinge, die
es zu sehen gab und ,wie in jeder Kleinigkeit Alles so voll-
kommen ist^'' London mit seinen vielen Plätzen, unzähligen
Strassen, seiner Häusermasse und einer über eine Million zäh-
lenden Volksmenge musste in der That auf continentale Rei-
sende jener Zeit überwältigend wirken. Hatte doch die Haupt-
stadt im Laufe des letzten Jahrhunderts ungemein zugenommen
und sich verschönert. Wo noch im 17. Jahrhundert ein Park
stand, in dem gejagt wurde, erhob sich jetzt eine der schönsten
Pfarren Westminsters. Die sich mächtig entfaltende Industrie
regte die Baulust an und ermöglichte die Einführung von Neue-
rungen, die fllr den Verkehr von grösstem Vortheile waren.
Als die Erzherzoge England besuchten, fanden sie das Gaslicht
^ Erzherzog Ludwigs Reise.
^ Erzherzog Johann an Mettemich, 11. März 1816. Wiener Staatsarchiv.
' Id. an Franz, London, 20. Februar 1816. Wiener Staatsarchiv.
* Ibid.
^ Erzherzog Ludwigs Reise.
* Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, 29. October 1815.
' Johann an Franz, 4. November 1815. Wiener Staatsarchiv.
405
schon so allgemein verbreitet^ ,dass bald ein grosser Theil der
Strassen und Boutiquen von London damit wird erleuchtet sein^^
Einen eleganten Eindruck machten freilich nur die Hauptstrassen;
entfernte man sich aus diesen und bog in die kleinen Neben-
gassen ein^ so glaubte man sich sofort in eine andere Stadt
versetzt, so triefte Alles von Schmutz.^ Um diese Zeit gab es
in England — was ja erst nach 1828 zu Stande kam — noch
keine Polizei im continentalen Sinne, und die Erzherzoge, ge-
wohnt an das Walten einer Alles beaufsichtigenden ,PoUzeihof-
stelle', waren nicht wenig betroffen, als sie überaU den Mangel
an Sicherheitsyorkehrungen wahrnehmen mussten. Insbesondere
empfanden sie dies, als sie des Abends die italienische Oper
verUessen, wo dann die Wagen wüd durcheinander jagten und
jeden Augenblick ein Zusanmienstoss zu beftlrchten war.' ,In
der guten Stadt London' — schreibt Johann — ,gibt es gar
keine Polizei. Man hat das Vergnügen, vermischt mit aller
Welt, im Foyer eine gute Stunde auf seinen Wagen zu warten;
hat man ihn endhch gefunden, so ist es Sache des Kutschers,
zu sehen, wie er sich aus diesem Wirrwarr herauswindet, um
eine Strasse zu erreichen, wo man endhch ruhig fahren kann.'*
Leicht begreiflich, dass die Erzherzoge unter solchen Umständen
viel von Einbrüchen und Diebstählen hörten, wie von eigenen
Abrichtungsschulen fiir Diebe.^
Sehr angenehm berührte es dagegen die Prinzen, bei
ihren Streuungen durch die Stadt überall trotz des herrschenden
Nebels und Kohlendampfes gut gefärbte Gesichter und, wie es
heisst, ,mehr schöne Frauenzimmer als in irgend einem Lande'
zu finden.^ Sie mussten anerkennen, dass diese günstige Er-
scheinung nur allein dem von früher Jugend in der freien
Luft gewöhnten Leben zuzuschreiben sei. ,Man sieht überhaupt'
— schreibt Ludwig — ,aus aUen Sitten und Gebräuchen, dass
es noch ein neues, unverdorbenes Geschlecht ist, dass die
Umgebung des Meeres, jene wohlthätige Schutzmauer ihrer
* Erzherzog Johann an Franz, London, 24. December 1816. Wiener Staats-
archiv.
* Erzherzog Ludwigs Reise.
* Ibid.
^ Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 6. Febmar 1816.
* Erzherzog Ludwigs Reise.
•Ibid.
406
Gebräuche, Constitutionen und ihres Landes, sie vor der Ver-
mischung mit Fremden und vor der Demoralisirung bewahrt
hat/^ Es ist merkwürdig, wie Erzherzog Ludwig, wo er doch
in den höheren Classen Englands einen ziemlichen Grad sitt-
licher Verderbtheit constatiren muss, doch hervorhebt, dass die
MoraUtät in diesem Lande sich reiner als in anderen Staaten
erhalten habe. ,Im Ganzen genommen^ — sagt er — ,kaim
man behaupten, dass die Moralität, vorzüglich des weiblichen
Geschlechtes und der Dienstboten, viel grösser ist als in jedem
andern Lande. So lange die Mädchen ledig sind, gemessen sie
die grösste Freiheit, sie dürfen allein herumgehen, auch auf
dem Lande spazieren reiten, auch mit flehen, die nicht mit
ihnen verwandt sind, das macht Alles nichts. Sowie sie aber
verheiratet sind, so tritt die grösste Strenge ein. Sie müssen
ganz eingezogen und häuslich leben und werden dabei am
stärksten von ihren Dienstboten beobachtet. Derjenige Bediente
oder [diejenige] Dienstmagd nämlich, die bei einer ihrer Auf-
führung wegen im übeln Ruf stehenden Frau in Diensten ge-
standen, kann sicher sein, nirgends aufgenommen zu werden.
Daher beobachten sie jeden ihrer Schritte und würden das
Geringste eher dem Manne verrathen, als sich auszusetzen,
dienstlos zu bleiben.^* Interessant ist es, wie der Erzherzog
gleichzeitig auf zwei sich widersprechende Züge im Charakter
der Engländer hinweist: auf ihren grossen Sinn für Wohl-
thätigkeit und ihre Hilrte, wie sie viel Geld für gemeinnützige
Anstalten geben und anderseits kaltblütig an einem umgestürzten
Wagen vorbeigehen, in welchem sich die darin BefindHchen die
Beine gebrochen haben, wie sie auf offener Strasse sich Leute
zu Tode boxen lassen und mit wahrer Wollust Hinrichtungen
beiwohnen.*
Es ist leicht begreiflich, dass die Erzherzoge, welche nicht
genug die Freundlichkeit und das zuvorkommende Benehmen
der Engländer rühmen,* es nicht vermeiden konnten, den ver-
schiedenen Einladungen zu den vornehmen Abendgesellschaften,
den sogenannten ,Routs^ zu folgen. ,Ehe wir London verliessen'
— schreibt Johann an Metternich — ,wurden wir etwas mit
^ Erzherzog Ludwigs Bebe.
* Ibid. • Ibid.
* Erzherzog Johann an Metternich, 11. März 1816. Wiener StaatBi|Mt|2a
407
Diners geplagt^ welche, wie Sie wissen, so spät sind; wären
wir länger geblieben in dieser Jahreszeit, wo Alles in der
Stadt sich zu versammeln anfängt, so würden wir aus den
Tafeln, Gesellschaften, Routs gar nicht mehr herausgekommen
sein; so sahen wir von Allem nur so viel als nötbig war, um
es gesehen zu haben/ ^ Und was sie in dieser Beziehung sahen,
reizte gar nicht zu häufiger Wiederholung; erleichtert athmeten
sie auf, wenn sie derlei Gesellschaften glücklich überwunden
hatten oder an denselben nicht theilnehmen mussten.^ Erzherzog
Ludwig hat in seinen Au£&eichnungen von denselben ein ganz
köstliches Bild gezeichnet. ,Diese Gesellschaften oder Routs'
— erzählt er — ,sind auch etwas Eigenes. In ein kleines
Haus von 3 — 4 Zimmern, die nur um Leute zu empfangen
bestimmt sind, werden durch Karten 300 — 400 Menschen ein-
geladen, meistens fangen diese Gesellschaften um 9 oder 10 Uhr
Abends an imd dauern die Nacht fort Jedermann, der
nicht durch wichtige Ursachen gehindert ist, ßlhrt dahin. Die
Menge Wagen machen oft, dass man die halbe Nacht durch
im Wagen bleibt, ehe man an das Haus kommt. Ist man
endUch angekommen, so trachtet man die Stiege hinauf bis zu
der Frau vom Hause zu kommen, welche meistens an der
Thür des Einganges steht. Sie empftlngt da aUe Leute, wel-
chen sie nach englischer Sitte die Hand reicht. Ist man so
glückUch, dies zu erreichen, so ist damit Alles abgethan; man
sucht sich jemand Bekannten auf, um mit ihm zu sprechen,
oder trachtet wieder fortzukommen, wo man wieder sehr lange
auf seinen Wagen warten muss, wenn man nicht die Vorsicht
gebraucht, denselben in einer andern benachbarten Gasse warten
zu lassen, damit er aus der Reihe herauskomme. Sehr viele
Leute bleiben auf der Stiege und im Vorhause, weil sie nicht
ins Zimmer hineinkommen, es soll da in den voUgepfi-opflien
Zimmern sehr heiss sein. Oft geschieht es, dass man im Wagen
bleiben muss und selbst nicht bis an die Stiege gelanget; dann
ist man genöthiget, so wie wenn man nicht wegen anderer Ur-
Sachen hinkommen konnte, den folgenden Tag einen Entschul-
digungsbesuch abzustatten. Die Männer erscheinen immer im
Frack und Schuhen, die Frauen geputzt. Bei diesen Gesell-
* Erzherzog Johann an Metternich, 11. März 1816. Wiener Staatsarchiv.
' Erzherzog Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 20. Fe-
bruar 1816.
408
Schäften, welche ganz auf den stiUen Charakter des Engländers,
der nicht mehr spricht, als er muss, berechnet sind, sieht man
da sehr viele in der Ecke des Zimmers stehen und den ganzen
Abend nicht sprechen/^
Nächst den Gesellschaftien suchten die Erzherzoge die
immer vollgedrängten Theater auf. Man sagte ihnen, dass die
drei Haupttheater: Coventgarden, Drurylane und Hay market so
nahe zu einander lägen, damit man am selben Abend alle drei
besuchen könne. Wie in früheren Zeiten, so benahm sich auch
jetzt noch das Theaterpublicum, besonders auf den Gallerien,
äusserst unruhig. Man pfiff, klatschte, rief, kurz, trieb allerlei
Unfug. Ein besserer Ton herrschte nur im Haymarket-Theater,
das zum grossen Theile wegen der hier vorgeschriebenen Eleganz
der Toilette nur von sehr vermöglichen Leuten besucht werden
konnte. Ausserordentlich gefiel den Erzherzogen die Darstellung
Shakespearescher Stücke im Coventgarden -Theater.* Dagegen
fanden sie die italienische Oper sehr schlecht, wie überhaupt
rücksichtlich der Musik Ludwig bemerkt, dass keine gute in
London zu hören sei, ,als ob das Klima und die Ohren der
Engländer der Musik ungünstig wären^»
Einen imposanten Eindruck machte auf Johann und Lud-
wig der Hydepark, wo die schönsten Equipagen und pracht-
vollsten Pferde zu sehen waren, aber Alles noch den ,altiräte-
rischen Zuschnitt' zeigte. Insbesondere gefiel ihnen das Bild,
das sich da ihren Augen am Sonntage bot. ,Hier' — schreibt
Ludwig — ,kann man sich eine VorsteUung von dem schönen
Menschenschlage machen. So viele schöne Gesichter sieht man
nicht leicht irgendwo beisammen, von den höheren Classen an-
gefangen bis zu denen Kindsmädchen.'* Dagegen findet er
die Londoner nicht besonders geschmackvoll gekleidet; ihre
Neigung zum Auffallenden, zu den sonderbarsten Trachten und
Zusammenstellungen von Farben in der Kleidung können sich
seines Beifalles nicht besonders erfreuen. ,Das gemeine Volk
hat' — schreibt Ludwig dagegen — ,seine eigene Nationaltracht.
Die Männer haben meist Caputröcke und Stiefeln, und bei den
Weibern ist ein kleiner Strohhut als Kopfbedeckung, dann ein
^ Erzherzog Ludwigs Reise.
* Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 6. Febmar 1816.
3 Erzherzog Ludwigs Reise.
* Ibid.
409
rotber Mantel ziemlich aUgemein. In London sieht man ausser-
dem viele blaue Mäntel und flache, runde schwarze Filzhüte bei
den Höckerweibem und bei denen, welche Milch herumtragen/^
Unter den vielen Dingen, welche noch die Aufmerksamkeit
der Erzherzoge auf sich lenken, nimmt die damalige englische
Presse, welche sie das ,Vereinigungsmittel der Nation' nennen,
einen hervorragenden Platz ein. Ebenso gedenken sie voll An-
erkennung der Einrichtimgen der Post, wie des damahgen In-
dustrie und Wohlstand in hohem Grade fördernden Bankwesens.
Auffallend ist es dagegen, dass Johann und Ludwig das Ute-
rarische Leben Englands aus dieser Zeit in ihren Aufzeich-
nungen fast kaiun streifen. Sie erwähnen wohl, dass sie in
Ackermann's Lesesaal die , vorzüglichsten' Männer Londons
kennen lernten, bedauern auch, während ihrer Anwesenheit in
Schottland Walter Scott nicht zu Hause angetroffen zu haben,
senden femer eine Menge Bücherkataloge an den Kaiser und
an den Herzog Albert zu Sachsen -Teschen. Trotz alledem
erhält man den Eindruck, dass die Erzherzoge sich weniger
für das Uterarische als für das politische und für das mit Ma-
schine, Gas und Locomotive arbeitende England interessirten.
Mit Rücksicht auf ihre eigene Heimat wollten sie neben den
poUtischen Zuständen die technischen Fortschritte Grossbritan-
niens Studiren, wobei sie sich freilich nicht verhehlten, dass für
die Uebertragung derartiger Errungenschaffcen es noch an allen
nöthigen Voraussetzungen fehle, insbesondere an den Mitteln,
um die grossen Entdeckungen Englands auf dem Continente
auch zu verwerthen. ,So lange' — meint Ludwig — ,Engelland
Herr der Meere ist und so lange die Continentalmächte nicht
selbst ihre eigenen Bedürfnisse aus selbst erzeugten rohen Stoffen
wohlfeiler stellen als ersteres Land, so lange wird auch bei
den vielen Wasserstrassen, die das Innere durchkreuzen, bei
den tiefen und trägen Flüssen, welche nur die Schiffahrt be-
fördern, und bei den Vortheilen, welche die insularische Lage
gibt, dieser Staat stets die Oberhand im Handel haben.'* Da-
gegen ist es höchst interessant, dass Erzherzog Ludwig schon
um diese Zeit in Amerika den gefUhrUchsten Rivalen der eng-
lischen Kaufleute erbUckt. ,Wer die Oberhand behalten wird'
^ Erzherzog' Ludwigs Reise,
•ftid.
ArchiT. LXXVIII. Bd. II. Hälfte. 27
410
— schreibt er in seinem Tagebuche — ,ob das cultivirte Engel-
land oder das sich hebende Amerika mit einem Reichthum von
nicht angegriffenen Mitteln, darüber sind die Meinungen getheilt**
Nachdem die Erzherzoge alle Merkwürdigkeiten Gross-
britanniens geprüft, grosse Sammlungen angelegt, erwachte in
ihnen mit verdoppelter Kraft das bisher unterdrückte Verlangen,
in ihr Vaterland zurückzukehren.* Sie sehnten sich hinweg
aus der engUschen Hauptstadt^ wo sie, fortwährend von Nebel
umgeben, nie die Sonne zu sehen bekamen.* Sie eilten, vom
Hof und den Ministem Abschied zu nehmen, und sie thaten
dies in der vollen Ueberzeugung — wozu ihr Aufenthalt das
Seinige beigetragen — dass sie in dem Souverän und dem
Ministerium Grossbritanniens gute Freunde ihres Vaterlandes
verlassen. ,Es ist äusserst erfreulich zu sehen' — schreibt
Johann in seinem Endberichte an Mettemich — ,wie Alles in
diesem Lande Oesterreich gewogen ist; man sieht tief die Noth-
wendigkeit einer innigen Vereinigung dieser beiden Mächte.
Russland wird geftlrchtet und aufmerksam beobachtet. Preus-
sens innere Gährung ist hier nicht entgangen, und es ist nur
ein Wunsch, diesen Staat ganz von Russland loszureissen und
in den innigen Bund mit Oesterreich und England mit einzu-
ziehen.'* Mit Befriedigung las Mettemich diese Zeilen des
Erzherzogs, denn jener Staat, der berufen war, eine der Haupt-
stützen seines politischen Systems zu bilden, war somit fUr das-
selbe gewonnen. Strebte doch Mettemich durch eine Vereini-
gung Englands, Preussens und Frankreichs mit Oesterreich eine
gewaltige Quadrupelallianz gegen Russland ins Leben zu rufen.^
^ Erzherzog Ludwigs Reise.
* Erzherzog Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 1. JSnner
1816. Nous serons trÄs-content« de revoir nos foyers, car malgr^ toutes
les choses remarquables de ces pays, nous trouvons que chez nous c*est
le mieux. Schon am 24. December 1815 schrieb Johann in ähnlichem
Sinne an den Kaiser, ,um dann uns dem Vaterlande wieder zu nHhem,
wo es doch am besten ist*. Wiener Staatsarchiv.
' Johann an eine hochgestellte Persönlichkeit, London, 20. Februar 1816.
* Johann an Mettemich, 11. März 1816. Wiener Staatsarchiv.
^ Mettemich an Esterh&zj, 26. März 1817 (reserv^e et secrdte). Wiener
Staatsarchiv. La sauve-garde morale la plus assur^e, la seule que je croye
utile k proposer aujourd^hui k la tendance joumellement plus marqu^
de Tempereur de Russie, me paroit se trouver dans la r^union la plus
franche de vues et d'tnt^r^ts entre nous, TAngleterre, la Prasse et la
France.
411
Aber diese Allianz sollte auch als Waffe gegen einen andern
nicht minder gefllrchteten Feind als Russland: gegen den Geist
des Fortschrittes, den Mettemich freilich den Geist der Revo-
lution nannte, benützt werden.^ Voll Besorgniss blickte der
Fürst-Staatskanzler auf dies Gespenst, das sein System von aUen
Seiten zu bedrohen schien. ,Der Stand der Dinge in Europa^
— sagt er dem Kaiser — ,i8t heute kritischer als je. Es ge-
nügt, die Ereignisse, welche uns in den letzten drei Monaten
zur Kenntniss gelangten, in Erwägung zu ziehen, um sich zu
überzeugen, dass der revolutionäre Gährungsstoff vielleicht nie
in grösserer Aufregung war. — Unter solchen Verhältnissen
bat die Menschheit das Recht, die ganze Weisheit der Regie-
rungen in Anspruch zu nehmen.^* Indem er diesen revolu-
tionären Gährungsstoff schon seit Langem aufs Aufmerksamste
beobachtete und daher fUr Festhalten an dem Gegebenen unter
allen Umständen plaidirte, glaubte er eine grosse That voll-
bracht zu haben, als er sich des vollen Einverständnisses mit
allen seinen Plänen von Seite jenes England rühmen konnte,
das jetzt Castlereagh leitete und den ihm die Erzherzoge Johann
und Ludwig als einen nunmehr ergebenen Anhänger Oester-
reichs priesen.
^ Mettemich an EsterhÄzy, 26. März 1817 (d6p6che reserv^e et secrdte).
Wiener Staatsarchiv. L^nrope est menac^e aujoard*hui de grandes cata-
strophes qui ne poorront etre 6vit^ ou retard^ qae par le concours
nnanime des poissances qui d^irent avant tout le maintien du repos.
* Vortrag Mettemich's, 5. Juli 1817. Wiener Staatsarchiv.
27»
ANHANG.
^zheraog Johann an Fürst Mettemioh.^
CaUu^ 11. März 1816.
Wir haben England vorlassen und kehren unsere Schritte gegen
Holland; doi-t wurde der König* durch Baron Binder' von unserer An-
kunft prävenirt; sein Gesandter in London, Fagel,* hatte ihn bereits
davon benachrichtigt. Er war noch im Haag und erwartete blos die
Ankunft des Generals Ozarowsky^ mit der Nachricht der Heirat,^ um
nach Brüssel zu reisen, wo wir ihn vermuthlich antreffen werden. Unserem
Verlangen zufolge werden wir ganz in der Stille reisen und das Ganze
in diesem Lande mit ein paar Visiten abgethan sein. Von diesem Laude
geht es nach Frankfurt und dann zu Hause, wo wir mit Ende April ein-
treffen werden ; hat der Kaiser, haben Sie etwas an uns, so bitte ich Sie,
es nach Frankfurt an Wessenberg ^ zu senden Ehe wir London verliessen,
wurden wir etwas mit Diners geplagt, welche, wie Sie wissen, so spat
sind ; wären wir länger geblieben, in dieser Jahreszeit, wo Alles in der
Stadt sich zu versammeln an^gt, so würden wir aus den Tafeln, Gesell-
schaften, Routs gar nicht mehr herausgekommen sein; so sahen wir von
Allem nur so viel, als nöthig war, um es gesehen zu haben. Wir können
^ Als Copie beiliegend dem Berichte EsterhAzy^s vom 12. März 1816.
Wiener Staatsarchiv.
' Wilhelm I., König der Niederlande.
' Franz Freiherr v. Binder -Kriegelstein, k. k. Gesandter in den Nieder-
landen.
* Baron Fagel.
^ Generaladjutant Alexander I. von Rassland.
" Der Kronprinz der Niederlande hatte am 21. Febniar 1816 Grojwfilretin
Anna Paulowna, Tochter Pauls I. von Russland, geheiratet.
^ Johann Philipp Freiherr v. Wessenberg, Österreichischer Gesandter in
Frankfurt am Main.
413
nicht genug die Freundlichkeit und das zuvorkommende Benehmen Aller
loben und die Achtung, welche man un» überall bewies, anrühmen. Die
Ministers geben das Beispiel ; dieses gab uns zuletzt Muth. Manches zu
begehren, worüber uns Nachrichten interessant werden konnten» und
jederzeit wurde Alles zugestanden und schnell beantwortet; dieses Zeug-
niss muss ich den Lords Sidmouth,^ Bathurst, ^ Melville,' dem Herrn
Yansittart^ mit Dankbarkeit geben. Lord Melville, als ich von ihm ein
Modell des hier so nützlichen Bettungsbootes verlangte, sendet nun ein
grosses nach Venedig, welches der kaiserlichen Marine übergeben wird.
Viel haben wir in den letzten Zeiten gesehen: die Anstalten in London,
jene in Woolwich und Chatham, wo wir, ich gestehe es, über die Grösse
derselben und die ausserordentlichen Vorrathe an Kriegsstoff erstaunten.
Sir William Congreve, unser Führer, hat uns Vieles gezeigt; diesen aus-
gezeichneten Mann lernt man in seinen Arbeiten kennen, und ich hoffe
durch die nähere Bekanntschaft mit diesem Manne manches Nützliche
zu erhalten. Schulanstalten, Gefängnisse, Spitäler, polizeiliche Anstalten
besahen wir und trachteten, sowie über die äusserst einfache Art der
Geschäftsmanipulation so viel als möglich zu sammeln. Es ist äusserst
erfreulich zu sehen, wie Alles in diesem Lande Oesterreich gewogen ist;
man fühlt tief die Nothwendigkeit einer innigen Vereinigung dieser beiden
Mächte. Bussland wird gefürchtet und aufmerksam beobachtet. Preussens
innere Gährung ist hier nicht entgangen, und es ist nur ein Wunsch,
diesen Staat ganz von Bussland loszureissen und in den innigen Bund
mit Oesterreich und England mit einzuziehen. Castlereagh,^ sich immer
gleich, denkt so; er ist wahrlich der Beste; an ihn schliessen sich die
Anderen an: Lord Liverpool,^ ein sehr schätzbarer, ebenso zurückhaltender
Mann; ist auf keine Art zum Beden zu bringen; sein scheues, überkluges
Benehmen ist oft zum Verzweifeln; indess stimmt er mit den Uebrigen
überein. Lord Harrowbj,' ein sehr veretändiger Mann, ist jener, der
gern und gut spricht und sehr gut gesinnt ist. Jetzt haben diese Herren
viel mit dem Parlamente zu thun; die Opposition, obgleich nur der
Schatten der alten Opposition, greift scharf die Ministor an; die Income
Tax, die Finanzen überhaupt und die gi'osse stehende Ki'iegsmaclit sind
die Gegenstände, welche sehr heftig behandelt werden. Der glückliche
Erfolg des letzten Krieges und die bewunderungswürdige Geduld und
^ Minister des Innern. ^ Kriegsminister. ^ Marineminister.
^ Schatzkanzler.
* Lord Castlereagh, Minister des Aeussem.
* Premier des Ministeriums.
' Präsident des Staatsratbes.
414
Bohe Lord Castlereagh's werden die Minister, obgleich nicht ohne Schwie-
rigkeiten, siegen machen; er ist es, der die Sache hält und durchsetzt;
schon höre ich einige der Ministerialpartei klagen, wenn die Opposition
es durchsetzte durch das Volk, dass die Taxen abkämen oder auch stark
vermindert würden, so müsse man den Sinkingfond angreifen, und dies
sei das Gefährlichste. Sicher ist es, dass dieses Parlament länger als
gewöhnlich dauern wird, und dass in der Opposition einige Schreier sich
befinden, von echt jacobinischem Qeist beseelt, denen es um nichts als
um ihr Ich und um Unordnung zu thun ist.
Ehe wir London verliessen, nahmen wir von der Königin^ in Windsor
Abschied; dort sahen wir die alten, dicken Prinzessinnen, wovon die
Prinzessin Marie' die angenehmste zu sein scheint; da hatten wir endlich
das Glück, die Prinzessin Charlotte^ zu sehen und mit ihr zu sprechen;
sie wird Jeden überraschen, der nicht vorher von ihrer Art, sich zu pi*a-
sentiren, unterrichtet war. Eine wohlgewachsene, junge, schöne Frau
mit Geberden und Stellungen eines Mannes, im Sprechen Verstand,
Kenntnisse, Witz, ungebundene Fröhlichkeit, Unklugheit, Derbheit, die
einen überi-ascht; sie scheint gutmüthig zu sein, aber auch ihrem Kopfe
zu folgen und ganz verwahrlost in der nothwendigen Erziehung, um als
grosse Frau in der Welt zu leben. Ein sonderbares Gemische. In Brighton
besuchten wir den Prinz-Regenten,* welcher, von seinem heftigen Gicht-
anfall hergestellt, nun auf Krücken zu gehen anfängt; er behandelte uns
wie gewöhnlich äusserst gut, sprach von nichts als von seiner Anhäng-
lichkeit für den Kaiser, von seiner besonderen Achtung für Sie, sonst
Alles untereinander sehr unklug in Gegenwart des Grafen Lievon,^ da
er den russischen Kaiser^ nicht leiden kann; zuletzt schloss er damit, zu
sagen, wenn er nicht in England sein müsste, so würde er blos in Wien
leben; er wolle in diesem oder im nächsten Sommer nach Hannover, dort
sich wenig aufhalten und dann nach Wien kommen, um dem Kaiser seine
Aufwartung zu machen; leider hen'schten Vorurtheile in England, und
die Religion habe ihn gehindert, seinem Lieblingswunsche nachzukommen,
einen von uns für seine Tochter hier zu behalten. So viel mir scheint,
will er in Wien mit dem Begehren um das Grosskreuz des Theresienordens
^ Gemahlin Georgs III., Sophie Charlotte von Mecklenbarg-Strelitz.
2 Mary, Herzogpin von Gloucester.
' Tochter des Prinz-Regenten.
* Sohn Georgs HI. Seit 1811 mit der Regentschaft betraut; nach dem Tode
Georgs UI. als Georg IV. KOnig von Grossbritannien.
^ Russischer Gesandter in England.
* Alexander I.
415
angestochen kommen; diesen Orden entbehren zu müssen, macht ihm
vielen Kummer. Etwas Sonderbares ist, dass er haben will, dass alle
Leute finden sollen, dass er dem Fürsten Schwai'zenberg ^ gleichsieht;
Jeder, der diesen kennt, wird darum gefragt, worauf natürlich die Meisten
Ja sagen. Prinz Leopold von Coburg* ist, wie Ihnen bekannt, vor 12 — 14
Tagen hier angekommen; da wir sehr gute Freunde vom Gongress her
sind, so hatte ich Gelegenheit, viel mit ihm zu sein und Einiges zu hören.
Er kennt seine Lage sehr gut und noch mehi* den wankelmüthigen Cha-
YBktev seines künftigen Schwiegervaters; das Beste ist, dass die Prin-
zessin ihn sehr lieb hat und ihm folgen zu wollen scheint. Indessen
herrscht bei diesem Hofe die grössto Uneinigkeit; die Königin, sehr von
altem Schlage, will geschmeichelt sein ; man wirft ihr vor, dass sie sehr
schlimm sei, und ist daher nichts weniger als geliebt; die zweite Tochter^
ziemlich alt, scheint etwas intrigant zu sein. Die Prinzessin Marie ist
die einzige, welche mit der Prinzessin Charlotte gut ist ; der Herzog von
Gumberland,' ganz mit seiner Mutter brouillirt seiner Heirat wegen, hat
das Ohr des Regenten; leider herrschen über ihn Gei'üchte, die allgemein
geglaubt werden, welche ihn verabscheuen machen; er soll zwischen dem
Regenten und dem Herzog von York ^ eine beständige Eifersucht erhalten;
daher wurde auch dem Leopold zu verstehen gegeben, er solle die gute,
brave Herzogin von York so wenig wie möglich sehen, und dieser ihrer
(gewiss guten) Leitung hat sich die Prinzessin Charlotte ganz ergeben.
Die alte Prinzessin von Wales,* welche jetzt alle ihre Engländer abgedankt
hat und mit Italienern herumzieht, ist von der Prinzessin Charlotte gar
nicht geachtet; ihr Einfluss ist als Null zu betrachten. Alle Hofdamen
und ihi-e Umgebung will diese Letztere nach ihrer Heirat abdanken, und
es scheint, dass ihre Wahl auf die Tochter des Lord-Admiral Keith, Miss
Mercer,* gefallen ist, welcher schon von allen Diplomaten, vorzüglich
vom Grafen Lieven, der Hof gemacht wird. Ich kenne sie; sie ist nichts
weniger als hübsch, aber sehr unterrichtet und richtet ihr Auge auf den
jungen Herzog von Devonshire, einen der reichsten Herren des Landes.
Es heisst, dass der Prinzessin 50.000 ^ ausgeworfen werden sollen,
von welchen 10.000 ^ zu ihrem Spennadelgeld,* das Uebrige zu dem
Hausunterhalte, welches wahrlich in diesem Lande nicht viel ist; sie soll
* Marschall Fürst Carl Schwarzenberg.
' Nachmaliger Gemahl der Prinzessin Charlotte.
' Sohn Georgs IH.
* Gemahlin des Prinz-Regenten, Caroline von Braunschweig.
* Miss Mercer Elphinstone, 1817 vermählt mit dem Grafen Flahault.
^ Stecknadelgeld.
416
dann ein Haus erhalten; man spricht von jenem des Harconrt. Die Prin-
zessin sagt, dass in drei Wochen die Hochzeit sein soll, und nach den
Anstalten der Königin zu nrtheilen, sollte man es glauben; allein noch
ist keine Botschaft an das Parlament ergangen, und Niemand weiss, dass
eine Zeit bestimmt ist. Prinz Leopold treibt so viel als möglich; er sieht
die Nothwendigkeit ein, dass es bald geschehe, und dass, bis dieses nicht
vorfiber ist, Niemand ihm gutstehen könne fAr plötzliche Aendemng der
Meinung; dieses um so mehr, da der Prinz-Regent zu dieser Heirat dnrch
<lie Tochter, die Minister und einige wohldenkende Freunde gegen seinen
Willen gebracht worden ist. Er sträubte sich immer dagegen, weil er
seine Tochter unter Aufsicht behalten möchte, sich auf das Yergeltnngs-
recht fürchtend, sie könne Partei gegen ihn werden, wie er es gegen
seinen Vater gewesen, wo er dann gewiss das Kürzere ziehen würde. Die
Prinzessin mag ihren Vater, ihie Orossmutter und viele ihrer Onkeln
und Tanten gar nicht; so steht der Prinz Leopold zwischen seiner künf-
tigen Frau und die ihr anhängen (und dieser sind viele) einerseits nnd
andererseits zwischen Vater, Grossmutter, Tanten, Onkels, wo er Jeden
anders behandeln muss; er hat die harte Bolle auf sich, Frieden zu er-
halten und Alles zu vereinigen; ich beneide ihn wahrlich nicht. Castle-
reagh hat durch seine redliche Freimüthigkeit nach einer heftigen Er-
klärung die Achtung der Prinzessin gewonnen; er vorzüglich und der
redliche Marquis von Anglesey, Paget's ^ Bruder, haben den Prinzen
gleichsam gezwungen, seiner Tochter nachzugeben. Bis jetzt hat der
Regent dem Prinzen Leopold keine Bedingungen gemacht; nur muss er
bis zur Hochzeit, wenn der Regent Brighton verlässt, nach Weymouth
und dort den Tag der Vereinigung abwarten; es bleibt ihm nichts als der
Wog der Briefe mit seiner Braut offen. Dies ist, was ich erfahren konnte.
Der Prinz Leopold ist ein Sachse, also nichts weniger als preussisch und
i-ussisch, unserm Kaiser sehr ergeben und daher der Geeignetste auf
diesem Platze; sein stilles Benehmen, seine Höflichkeit und dass er die
Sprache dos Landes spricht, gewinnen für ihn alle Leute; sehi- viel ist es,
dass der Prinz-Regent nicht auf seinem alten Projecte beharrt, die einmal
Verheirateten in Deutschland zu otablii'en. Prinz Leopold trug mii* an,
einen Briefwechsel mit mir anzuknüpfen, und ich ergiiff diese Gelegenheit
mit Vergnügen; ich glaube, dass dieses in vieler Rücksicht nicht übel ist,
und dass dann Manches auf diesem freundschaftlichen Wege kann bei-
gebracht werden, was Sie, bester Fürst, mir, wenn Sie es für gut halten,
werden angeben können.
* Früher Botflchafter in Wien.
417
Das Benehmen des Kaisers^ in Italien, hat in England eine sehr
gute Wirkung gemacht; man war hier der Meinung, als wäre dort noch
?iel Stoff zn Unruhen; diese sehen sie beruhigt und hören, dass die Leute
zufrieden sind, welches gewaltig mit den Nachrichten, welche sie aus
Preussen erhalten, im Contraste steht; überhaupt suchte ich Allen be-
greiflich zu machen, wie Alles bei uns auf ein väterliches, mildes System
beruht, wie dies ganz der Denkungsart unseres Kaisers angemessen ist,
wie gut das Volk und wie weit dasselbe entfernt ist, von dem leider an
vielen Oi*ten sich zeigenden Schwindelgeist ergiiffen zu werden; ich fand,
wie (einige Wenige ausgenommen) die Anderen über Verhältnisse, Ver-
fassung, Zustand des Volkes in den anderen Ländern in einer vollkom-
menen Unwissenheit sich befinden und wie froh sie sind, etwas zu hören,
was ihre Begriffe berichtigt.
Moi'gen brechen wir von hier nach Holland auf; unsere Fahi*t ge-
schah bei heftigem Winde bis vor Calais in der königlichen Yacht; dann
etwas mühsam im kleinen Boote; froh sind wir Alle, wieder auf dem
Gontinent zu sein.
Nun schliesse ich; Hardenberg' ist mit uns zugleich übergefahren;
er geht gerade nach Wien. Ich wünsche, dass Ihre Augenschmerzen nun
ganz geheilt sein werden, und freue mich recht, in Wien Ihnen über Alles
mündlich Auskunft geben zu können.
Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft und halten Sie sich von der
meinigen übei'zeugt.
Aus Ershersog Ludwigs Beisen in England.^
1816.
Unsere Ankunftsvisite bei dem Prinz-Regenten, zwei kurze Auf-
enthalte in Brighton, einige Besuche bei dorn Prinz-Regonton, der Königin
etc. waren die einzigen Momente, wo wir den Hof sahen. Was mir da
auffiel, berichtete ich dem Kaiser und dem Fürston Metternich; aber ich
gestehe es — für einen österreichischen Prinzen, der das häusliche,
regehnässige, ordentliche Leben gewöhnt ist, dem man von früher Jugend
auf einprägte, mit seiner Zeit zu wuchern, sich Kenntnisse zu erwerben
und dem Vaterlande nützlich zu sein, mit Beispiel im Guten voranzugehen,
* Franz I. von Oesterrelch.
' Graf Hardenberg, hannoverischer Diplomat.
' Erzherzog Bainer*8ches Privatarchiv.
418
soinem Forsten treu, gehorsam, kindlich ergeben sich zn zeigen und
nicht zn wissen, was Intrigue. Cabale, Opposition, Ehrgeiz, Selbstsucht
ist, übrigens ordentlich zn leben, musste dieser Hof einen tiefen EindrocV
machen nnd weit mehr auffallend sein als der Nation selbst, die durch
das bestandige Sehen an dergleichen Dinge mehr gewöhnt ist.
Der alte König, ^ geehrt, so sehr als man es nur immer von einem
Volke sein kann, ist blind und wahnsinnig, nnd nur seine starke Leibes-
beschaffenheit erhaltet ihm das Leben, und es könnte wohl geschehen,
dass er seinen Sohn fiberlebte.
Der Regent, ein Herr voll natürlichem Verstände, aber körperlich
durch Ausschweifungen geschwächt nnd durch die fibeln Gesellschaften,
mit welchen er sich in früheren Jahren umgab, durch seine Lebensari,
durch etwas Vorlautes in seinen Aeussernngen, durch ganz extravagante
Geschmacke, z. B. für alles Chinesische, durch seine schlechte Wirthschaft
und durch viele Geschichten seiner inneren Haushaltung, ist im geringen
Ansehen bei der Nation. Die glücklichen Ereignisse des letzten Krieges,
der Ruhm der englischen Waffen mögen zum Theil gesühnt haben; allein
man täusche sich nicht dadurch, dass Deputationen, Dankadressen etc.
gehalten werden; dies gilt dem Amte, das er bekleidet, und nicht seiner
Persönlichkeit. Ein Aufenthalt von einigen Tagen in Brighton entwickelt
seinen Charakter. Wir fanden ihn sehr gesellig; er steht gewöhnlich spät
auf, frühstückt, dann sieht man ihn nicht vor 7 Uhr Abends, wo man
sich in grosser Gesellschaft von Herren und Frauen versammelt, um zur
Tafel zu gehen; dort macht er äusserst artig die Ehren, führt das Wort,
erzählt Geschichten, nicht immer der besten Auswahl; spricht englisch,
französisch und deutsch geläufig, macht sich lustig, öfters über die Ver-
hältnisse seines Landes; ist sehr unvorsichtig im Reden und hat gewisse
Fixationen, die bis in das Kindische gehen. Meistens hat er Einen oder
den Andern zum Stichblatte, die eine Gattung Spassmacher abgeben; so
sitzt ein Admiral Nagel* — wahrlich sehr vernagelt! — meist be-
leuchtet zu Ende des Essens, über den es losgeht. So war Hardenbei^,
hannoverischer Gesandtor in Wien, der zu Wette fressen musste und
zuletzt vor zu guten Speisen Zeit hatte, auf den Continent zu gehen.
So ist sein eigener Bruder, der Herzog von Clarence,^ ein guter
Mann, aber von äusserst beschränktem Verstände und grosser Unwissen-
heit, der Secundant in allen Spässen und Jener, der über Alles leicht
zuletzt einschläft — ein erbarmungswürdiger Anblick eines Prinzen.
* Georg m.
' Sir Edward Nagle.
» Sohn Georgs lU., später William IV., König von England.
419
•
Zn Ende der Tafel, wenn die Franen abgehen, geht das Reden los,
und da kommen oft so obscnre Dinge vor, die kaum in eine Kaserne
passen würden. Wir konnten uns nicht darüber freuen und stillschwei-
gend nur bedauein, solches Zeug hören zu müssen. Ernsthafte, wissen-
schaftliche Gespräche sind verbannt, höchstens zu Zeiten die Politik, wo
der natürliche Verstand einen Blitzer macht, bald aber in extravagante
Ideen verfällt, wo dann seine eigenen Minister in die Rede fallen und
ihn zurechtweisen. Des Herzogs von Clarence Fi'agen waren uns uner-
träglich; immer das Nämliche und oft solche, dass wir nicht wussten,
was wir auf solche Unwissenheit antworten sollten. Bei diesen Gast-
mahlen, die täglich während des Aufenthaltes in Brighton sind, ist eine
fürchterliche Hitze, dazu die starken Weine und Speisen; wie soll nicht
die stärkste Gesundheit untergraben werden? Nach dem Essen ist ge-
wöhnlich Musik, eine ti'efifliche Haimonie führt die besten Stücke auf,
und da gibt er sich viel damit ab. Das Beste ist, dass man da nicht
gebunden ist und reden kann, mit wem man will, auch in einem andern
Zimmer sitzen kann.
Das Merkwürdigste ist das Verhältniss des Prinzen mit der Ladj
Hertfoii;^^ einer Fi-au bei 60 Jahren, die einst sehr schön gewesen sein
muss, die immer in Brighton sich befindet und die gleichsam die Frau
vom Hause macht, ohne es zu scheinen: eine sehi* artige, bescheidene,
verständige Frau, die dem Prinzen ziemliche Wahi-heiten sagt. Dieses
obgleich sehr canonische Verhältniss missfällt der Nation. Daher auch
die vielen Carricaturen, wo weder der Regent, noch sie geschont werden;
auf einer eine Frau mit einem Saukopfe (Andere sagten da, es stehe die
Frau Saukopf von Manchester Square, so seie es eine nicht sichtbare,
äusserst difforme Tochter des Herzogs von Moutron). Dazu die Zwiste
mit der Prinzessin von Wales, die, obgleich eine ausgemachte Närrin
und mehr als dies, doch besser wäre, wenn sie alle Schuld und nicht der
Regent einen Theil davon hätte.
Damals, als wir in London wai*en, hatte man in Wien einen gewis-
sen Griffith arretirt auf Begehien des englischen Hofes und sich seiner
Papiere bemächtigt; dem Prinzen lag viel daran, sie zu erhalten, weil er
hoffte, darin die Correspondenz zu finden, welche die Prinzessin mit
Murat* geführt und wo GriflFith der Unterhändler gewesen war.^ Durch
* 1804 lernte der Prinz-Regent die Lady kennen, welche dann als Mai-
tresse an die Stelle der Mrs. Fitzherbert trat.
' Joachim, Schwager Napoleons I.
* In der That schrieb im Auftrage des Prinz-Regenten wegen Ueberlassung
dieser Papiere Graf Hardenberg an Mettemich. Brighton, 30. December
420
Blacas ^ in Paris war die Sache ruchbar geworden. Er hatte durch den
Grafen Münster ^ den Fürsten Metternich ersuchen lassen, ihm die Papiere
zuzusenden, und uns ersuchte er, ein Gleiches an unsem Kaiser zu schrei-
ben. Aus allen seinen Beden leuchtete hervor, wie er nur wünsche, Be-
weise in Händen zu haben, um ihr zu Leibe gehen zu können.
Unter seinen rhapsodischen Ideen war jene, Bernadotte ^ wegzujagen
und einen österreichischen Prinzen nach Schweden zu setzen (vielleicht
ein Compliment für uns). Seine Anhänglichkeit an Oesterreich ist ganz
etwas Besondei'es ; der Kaiser konnte ihm keine grössere Freude machen,
als den Feldmarschallsgrad und das goldene Vliess zu übersenden; wir
benützten dies, ihm diese einzige Ausnahme in ihi*er Art bemerkbar zu
machen, und zwar dass der Kaiser sein eigenes ihm gesendet; auch
trug er es bestandig, sprach von Nichts als nach Wien zu gehen und
wollte das Theresienkreuz haben. Er fragte, ob man, um es zu haben,
dienen müsste; auf die bejahende Antwort meinte er, ein Aufenthalt in
Wien könnte für Dienst angesehen werden. Wir suchten ihn redit in
der Meinung, Oesterreich betreffend, zu bestärken; wie gut es sei, Oester-
reich und England innig vereinigt zu sehen, noch besser, wenn man
Preussen dazu bekommen könne, nothwendig wegen Franki-eich, mehr
wegen der Anmassungen Busslands ; dieses letztere hasst er. Der Kaiser
Alexander und die Grossfürstin Catharina^ haben es mit ihm und der
Nation verschüttet; der Geist der Intrigue, das leichtfertige Wesen, die
Geschichte der auseinandergebrachten Heirat des Prinzen von Oranien^
und der Prinzessin Charlotte sind Ursachen genug dazu ; auch verbarg es
keineswegs der Prinz und so, dass es der russische Gesandte Graf Lieven
öfters sehr kräftig muss verstanden haben, und doch musste seine Frao
die Frau vom Hause machen.
Bei dem Abschiede in Brighton sagte er uns, wie leid es ihm wäre,
dass unüberwindliche Hindernisse (Religion) gehindert hätten, einen von
uns zu seinem Schwicgei^sohne zu machen, welches ihm das Liebste ge-
wesen; dies in Gegenwart des russischen Gesandten. Dieses war nicht
so aus der Luft gegriffen, da doch die Rede davon war und selbst in
Morning Chronicle ein Artikel wegen Aendening der Religion stand,
1815. Dieser Brief befindet sich bei den Berichten aus England vom
Jahre 1816. Wiener Staatsarchiv.
* Herzog von Blacas.
* Graf V. Münster-Ledenburg, hannoverischer Minister.
' Karl XIV., König von Schweden und Norwegen.
* Schwester des Kaisers Alexander L
* Wilhelm, später Wilhelm II., KOnig der Niederlande.
421
welchem sehr gnt durch eine andere ministerielle Zeitung geantwortet
Würde.
Viel ist bei ihm Sache des Augenblickes, festen Charakter hat er
nicht, Kraft der Seele auch nicht; ich glaube, man kann ihn umsatteln
machen. Zu seinen Gesellschaftern gehören noch der Marquis .von Hert-
fort als Hof Charge,^ der Lord und Lady von Cholmondeley und die Tochter,
Lord Hertfort, Herzog von Moutron etc. Bei ihm im Hause ist der Ge-
neral der Artillerie Blomfield,* der die Haushaltung führt. Damals, als
wir gegenwärtig waren, war noch Sir Thomas Liddley mit seiner Frau
nnd Tochter, sehr artige gute Leute, welche wir später in London sahen,
Lord Melville mit seiner Frau, Sir Wellesley-Pole,* Mönzmeister, mit
seiner Frau, der Bischof von Bieter mit seiner Frau und noch mehrere
andere Leute.
Unter seine guten Freunde gehört der Marquis von Anglesey, ein
würdiger braver Mann, der bei Waterloo als Cavalleriegeneral sein Bein
verlor, und die ganze Pagetische Familie; Sir Arthur,* in Wien uns be-
kannt, der izt ausgetobt hat, ist jener, der dem Prinzen derbe Wahrheiten
selbst bei Tische sagt; Lord St. Helens, einst Gesandter in Petersburg
vom Hofe des alten Königs, ein sehr unterrichteter Mann, bei Jahren,
von wenig Worten, sehr satyrisch, voll Zerstreuungen, schenkt ihm auch
nichts. Ich hörte ihn einst sagen, als der Prinz ihn erinnerte, Napoleon
sei gnt in Helena aufbewahrt: ,Prenez bien garde, on dit qu'on y vit
longtems.*
Wir unterhielten uns in Brighton, diese Umgebungen kennen zu
lernen. Es wäre gut, wenn er blos solche Leute zu seiner Umgebung
hätte; allein, es sind einige, die wirklich mit Becht als schlechte Gesell-
schaft von dem Volke angesehen werden.
Um Mitternacht kommt eine Erfrischung, es dauert bis 1 — 2 Uhr
Früh, wo dann Alles vor Hitze und Schlaf auf sein Zimmer geht. Der
Regent, wie ein Stutzer gekleidet, lässt nicht gerne Jemand auf sein
Zunmer, wo die Toilette gemacht wird — darinnen viel Kindisches.
Die Andern der Familie kommen wenig dahin. Der Herzog von
York, bekannt aus Niederland, hat für sich die Achtung der Ainuee; es
ist nur eine Stimme, dass der Zustand, in welchem diese sich befindet,
ihm allein zu verdanken sei, da er rastlos gearbeitet, sie so hinaufzu-
^ Er war Oberstkämmerer.
^ Sir Benjamin Blomfield.
* Bruder des Herzogs von Wellington.
* Bir Arthur Paget, frtther Botschafter in Wien.
422
bringen und eine gute Wahl der Officiere gemacht habe: auch ihm ver-
dankt sie die zwei Erziehungsanstalten zu Chelsea und Sandhurst; er
soll sehr gerecht sein. Man sieht ihn sehr wenig, und er scheint mehr
zur&ckgezogen zu leben; wir begegneten ihm bei einem Pferderennen in
New-Market und einigemal in London. Seine Frau, eine preossische
Prinzessin,^ eine voi*trefifliche Frau, lebt einsam, ein trauriges Leben auf
ihi'em Landhause in Oatland; wir sahen sie einmal in Windsor bei der
Königin.
Der Herzog von Cumberland,^ einäugig, kurzsichtig, ist ein lang-
weiliger Frager und Schwätzer, der uns öfters besuchte und zu welchem
wir blos, weil wii* es nicht vermeiden konnten, und aus Bücksicht seiner
armen Fiau ^ gingen. Diese hat wohl ein trauriges Loos getroffen. Die
Königin willigt in die Heirat, ladet sie zu kommen ein, und wie sie da
ist, will sie dieselbe nicht sehen. Für das Erstere bestehen Briefe, die
es beweisen; die Fmu lebt einsam und häimt sich ab.
Noch zwei Prinzen sahen wir, die Prinzen von Sussex und Kent;^
Beide, da sie von der Oppositionspartei sind, kommen nur zur Königin.
Ersteren kannten wir aus Italien und Wien ; allgemein hält man ihn für
einen Schleicher, welcher der alten Königin die Geschichten zutiägt und
die Familienzwiste schürt. Sein Benehmen ist ohne der Würde, und seine
Affeetation liberaler Grundsätze machen ihn bei dem nur zu scharf sich-
tigen Engelländer gar nicht geachtet. Der^ Herzog von Kent, gegen
welchen man wenigstens nichts sagen kann, bis auf seine Schulden, die
ihn zwangen, einige Zeit auf den Continent zu gehen, ist deswegen doch
nicht geachtet.
Alle diese HeiTen, als Clai-ence, Sussex, Kent, sollen nicht nach
Würde und Stand verheiratet sein; Ersterer mit einer Actrice. Dieses
Ungeregelte in ihrem Innern wirket sehr nachtheilig für sie bei der
Nation, dazu keine hervorstechenden Eigenschaften, kein persönliches
Verdienst, dann die Familienzwiste — wo soll so ein Haus geehrt und
von einem Volke geliebt sein, welches so sehr auf Sitten hält.
Die Königin, eine kleine Frau, war gegen uns sehr freundlich,
sprach deutsch, äusserte Anhänglichkeit an ihr deutsches Vaterland.
Man sagt, sie sei eine schlimme Frau, die Manches untereinander bringe;
^ Prinzessin Friderike von Preussen.
^ Nachmaliger K($nig von Hannover.
' Caroline Sophie von Mecklenburg- Strelitz.
* Sohne Georgs IH.
^ Im Texte steht: Von dem.
423
dazu sollen die ledigen Töchter ^ viel beitragen, die, wie die Welt sagt,
jede schon ein Kind hatten ; die Prinzessin Mary macht eine Ausnahme,
sie soll sehr gut sein, allein in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren.
Wir sahen die Königin in London bei unserer Ankunft und in Frogmore^
bei Windsor vor unserer Abreise; da erschien auch die Prinzessin Char-
lotte. Es war damals der Gobui*ger in London und die Heirat entschieden.
Die Königin klug, fein, nach alten Hofgebräuchen gewohnt — die
Prinzessin frei, offen, arglos, stachen gewaltig gegeneinander ab; sahen
(sie) aber nicht zusammen, und die Freimüthigkeit Letzterer presste Er-
sterer manchen Schweisstropfen aus. Es ist aber wahr, dass der Anstand
der Prinzessin etwas grell männlich ist; eine gut gewachsene, schöne
Frau, ein angenehm Gesicht. Sie soll viel Verstand haben, viel wissen
und ein gutes Herz, aber einen eigenen, etwas hai*ten Kopf haben, wo
alle Leute sagten, der Prinz Leopold wtirde zu thun haben. Auch hier
war Lord St. Helens, und dieser erfahrene Mann beantwortete mit seinem
scharfen Witze die derbe Freimüthigkeit der Prinzessin. Wir konnten
wenig mit ihr reden, da sie mit Ai*gusaagen bewacht war, obgleich sie
sich wenig daraus machte, uns ansprach.
Damals spielten Intriguen ohne Zahl; gegen diese hatte der Co-
burger zu kämpfen, und nur sein Kopf, sein kaltes Blut und sein gerader
Sinn machten ihn sie alle besiegen. Viele der Familie wollten nichts von
der Heirat wissen wegen der Nachfolge: Cumberland, der leider des Ee-
genten Ohr hatte und auf York eifersüchtig ist, wollte, dass der Coburger
sich mit der Herzogin von York nicht abgeben sollte, auf welche die
Prinzessin Charlotte Vertrauen hatte. Ein Glück, dass des Regenten
Frau von der Prinzessin nicht geachtet ist. Eine einzige Dame war es,
von der man sagte, sie sei eine Freundin der Prinzessin, die Miss Mercer,
Tochter des Admirals Lord Keith, sehr reich, obgleich nicht schön, sehr
anterrichtet. Dieser hatte sich der russische Gesandte genäheii;, dass es
auffallend war, und ihr machten der spanische und noch mehrere den
Hof. Von einer Seite, und selbst da war das Misstrauen des Prinz-
Begenten im Spiel, wurde die Hochzeit immer verschoben; auf der andern
betrieben sie die Ministers, damit es geschehe und nichts mehr dieses
ßreigniss hintertreiben könne. Die Spannung wai* ziemlich zwischen
Vater und Tochter, bis endlich Friede wurde. Ich zweifle aber bei dem
Charakter des Ersteren, dass ein dauerhafter möglich sei.
' G^rg ni. hatte sechs Töchter, von denen Prinzessin Amelia schon 1810
gestorben war.
' Frog^ore-Lodge, königlicher Landsitz.
424
Castlereagh benahm sich dabei am besten, er betrieb die Angelegen-
heiten, ging zur Prinzessin, sprach ihr frei heraus, hatte eine ziemUche
Erklärung, wo ihn sein kaltes Blut nicht verliess ; sprach ihr über ihre
Pflichten gegen den Vater und endigte damit, als guter Freund zu schei-
den. Sehr populär war diese Verbindung, auch die klügste, die geschehen
konnte, da er der Mann ist, der diesem Platze gewachsen ist. Da er mein
Freund ist, so wäie Alles, was ich seinetwegen sagen könnte, nur gut,
wie er es wirklich verdient; er wird gewiss Deutschland Ehre machen.
Die Ministers sind jene, die ihi*en Weg fortgehen; sie führen die
Sache, und da sie die Vernntwoiiilichkeit haben, so muss der Begent
ihnen folgen.
Castlereagh ist nicht beliebt: sein Stolz hat in manchen Gelegen-
heiten der Nation zu wenig Bücksicht gezeigt; entschlüpfte aufgefangene
Aeusserungen werden nicht verziehen; unwissend über alle Continental-
verhältnisse, hat er in den ersten Zeiten des Oongresses sich erst belehren
müssen, und man fand an ihm bei seiner Zurückkunft einen grossen
Unterschied. Bei allem dem ist in ihm bei aller Bechtlichkeit und dass
man ihm von Seite seines Benehmens nicht beikommen kann, viel Ein-
seitiges ; sein Gleichmuth schwer zu heben ; seine ruhige Fassung haben
ihm viel Uebergewicht über seine Gegner gegeben. Mir wäre er, obgleich
nicht der erste Kopf, einer der liebsten und seine Erhaltung im Mini-
sterium zu wünschen; auch wird sie es sein, wenn er klug in Worten,
sich durch keine persönliche Beleidigungen reizen lässt, wenn er mit
Klugheit den Wünschen der Nation nur einigermassen zuvorkommt. Sein
Haus war eines der liebsten, da wir ihn schon von Wien aus kannten
und er gut mit uns war.
Lord Sidmouth, vormals als Sprecher Addington unter Pitt^ im
Unterhause bekannt, Minister des Innern, ist nichts weniger als ein
hervorstechendes Genie, aber Redlichkeit im hohen Grade^ ein offenes,
biederes Benehmen, ein Hei*z, empfänglich für das Gute mit einem
Aeussern, welches einen gleich einnimmt; er führt seine Geschäfte gut
mit Buhe, Festigkeit und Klugheit. Bei ihm fanden wir jene Aufnahme,
die uns wirklich anzog und uns ganz für ihn einnahm: er ist auch all-
gemein geehrt und geschätzt. Eine liebenswürdige Familie. Ihm haben
wir manchen Fingerzeig zu verdanken, was wir in Engelland sehen
sollten, und seine älteste Tochter machte uns Entwüi*fe zu unseren Beisen.
Sie half uns das berichtigen, was wir uns zu sehen vorgenommen hatten,
und half dadurch der totalen Unwissenheit unserer Gesandtschaft, die
» William Pitt
425
nichts wusste, weder von London noch von den Provinzen, als die Namen
Birmingham und Manchester, vermuthlich der Waaren wegen, nnd wahr-
lich nichts Gutes uns that, als den Kunsthändler Ackermann zuzuführen,
welchem wir das Meiste zu verdanken hatten, übrigens unbrauchbare
Leute, die schlechtesten Handwerker etc. und zuletzt damit endigte, von
uns die Bemerkungen, die wir gemacht, zu verlangen ; dies aber, da ich
Alles in Händen hatte, wurde abgelehnt, da ich die als Kind gehörte
Fabel der Krähe noch erinnerte.
Lord Melville hat das Marine wesen über sich; man war über seine
Leitung nicht znfineden, und selbst Kunstverständige klagten über seine
Unwissenheit in diesem Fache. Lord Bathurst hat das Kriegswesen —
ein Sonderling, der aber Kenntnisse zu haben scheint, nicht sehr mit-
theilend, wenigstens nach dem zu urtheilen, wie er uns sein Departement
nnd seine Geschäftsführung zeigte. Vansittart, Finanzminister, scheint
mir seiner Sache gewachsen; ein Mann von vielem Verstände, Ordnung
und strenger Redlichkeit, der in einer sehr schweren Periode die Führung
dieses Zweiges auf sich hat: seine Art, uns seine Geschäfte zu zeigen,
war gründlich; es war gut mit ihm zu sprechen, er Hess sich gern ein,
und man erhielt stets von ihm bestimmte, deutliche Antworten und Er-
klärungen. Schade^ dass dieser Mann kein Bedner ist.
Lord Harrowby war für uns eine sehr erwünschte Gesellschaft;
dieser, auf dem Continente gewesen, von einnehmender Art, äusserst
unterrichtet, sehr verständig, ist einer der Angenehmsten, die ich fand;
es ist ein Vergnügen, mit ihm über irgend einen Gegenstand zu sprechen,
da er gern die Sache erschöpfend behandelt.
Lord Mulgrawe ist Vorsteher der Artillerie und des Geniefaches;
wir sahen ihn zu wenig, um ihn zu beuiiiheilen.
Wellesley-Pole, Münzmeister, soll sein Fach sehr gut verstehen,
er zeigte uns die Münze mit aller Freimüthigkeit, und da war es, wo wir
die Beulten* sehe Pi'ägmaschine und ihre bewegende Kraft genau kennen
lernten.
Die Ministers überhaupt leugnen es gai* nicht, dass sie die Begie-
ruDg führen. Ich hörte bei öffentlicher Tafel Sidmouth dem Regenten
nachdrücklich antworten, und den ersten Tag unseres Aufenthaltes, als
wu> da speisten, stutzten wir nicht wenig, zu hören, dass, als man von
dem hölzernen Hause sprach, welches Napoleon nach St. Helena gesendet
werde, der Prinz-Regent dem Bathurst den Vorwurf machte, er wisse
nichts davon, wer es befohlen habe, dieser trocken darauf antwortete: ,Ich.'
Eine Macht, welche in keinem freundschaftlichen Ansehen steht,
ist Russland. Der berechnende, für seinen Handel eifersüchtige Engel-
ArchiT LXXVni. Bd. 11. H&lfte. 28
426
•
länder erkennt, dass dieses so ausgedehnte Reich, mit allen Hilfsmitteln
begabt, alle Meere berührend, einstens als Seemacht auftreten könnte;
die in den letzten Zeiten wiederholten Seereisen, die weit mehr als Ent-
deckungen zu machen zum Zwecke haben — Errichtung von Ansiedlungen
in den Inseln zwischen Asien und Amerika, selbst Niederlassungen an
der Nordwestküste dieses Welttheiles und die Verbindungen mit Kam-
tschatka, dem Ck)ntinente Russlands, die Gesandtschaft nach China und
die gegen Pei*sien gemachten Eroberungen haben Engelland aufmerksam
gemacht.
Als Napoleon die Absicht hatte, wenn ihm der Krieg mit Russland
gelungen hätte und ein vortheilhafter Frieden erfolgt wäre, vereint mit
diesem Staate gegen Indien vorzurücken, um dort die englische Macht zu
brechen — darum auch der französische Gesandte nach Persien musste,
um über die Möglichkeit Nachforschungen zu machen — entstanden alle
die Reisen der Engelländer in die nördlich und nordwestlich gelegenen
Theile ihrer Länder und Staaten, vorzüglich nach Beludschistan; es scheint,
dass die Resultate nicht dagegen waren, und dass Russland allein, wenn
es Pei*sien und die kriegerischen, der ostindischen Compagnie feindlich
gesinnten Völker gewinnen kann, ihnen sehr gefahrlich sein könnte.
Nebst diesem sass über ein Jahr, unter dem Verwände, seine Kinder
einziehen zu lassen und von Unzufriedenheit (sie) Admiral Tschitschakoff
bei Woolwich, und ein Dr. Hammel, vom Ministerium des Innern aua-
gesandt,^ bereiste die Fabriken.
* Beide Männer sind Russen.
I
DER
ANABAPTISMÜS IN TIROL
VON SEINEN ANFANGEN
BIS ZUM TODE JAKOB HUTER'S
(1526—1536).
AUS DEN HINTEELASSENEN PAPIEREN DES HOFRATHES
D>- JOSEF B. VOM BECK
TON
J. L O S E R T H.
28»
Vorbemerkung.
In dem mir zur Ausnützung überlassenen literarischen
Nachlasse des Hofirathes Dr. Josef Ritter v. Beck befinden sich
anter Anderem auch zahlreiche Urkunden^ Urkundenauszüge,
Correspondenzen etc. — im Ganzen 1317 Nummern in 29 Fas-
cikeln — welche für die Geschichte der Wiedertäufer in Tirol
wichtige Materialien enthalten. Hofrath y. Beck hatte sie wäh-
rend einer Reihe von Jahren im k. k. Haus-, Hof* und Staats-
archive^ den Archiven des k. k. Finanzministeriums^ des Mini-
steriums flir Cultus und Unterricht, der k. k. niederösterreichischen
Statthalterei in Wien, dann in den Archiven von Brunn, Graz,
Linz, Salzburg, Innsbruck, Brixen, Schaffhausen, Basel, Zürich,
München, Nürnberg und Augsbui^, endlich in den Bibliotheken
zu Pressbui^, Gran und Pest gesammelt. Das ftLr die Geschichte
der Wiedertäufer in dön österreichischen Alpenländem reich-
haltigste Archiv ist das Statthaltereiarchiv von Innsbruck, das
denn auch von J. v. Beck am eifrigsten durchforscht wurde.
Von den wichtigeren Stücken hatte er entweder vollständige
Abschrift genommen oder nehmen lassen, von anderen mehr
oder minder ausführliche Auszüge veranstaltet.
Wie sie nun vorliegt, gibt die Sammlung ein deutUches
Bild von dem Entstehen, der allmäligen Ausbreitimg und der
unter den mannigfaltigsten Schwierigkeiten erfolgten Unter-
drückung des Anabaptismus in Tirol während eines ganzen
Jahrhunderts (1526—1626). Von besonderem Interesse ist der
bis zum Tode Jakob Huter's reichende Abschnitt der tirolischen
Täuferbewegung, der in den folgenden Blättern zunächst zur
Darstellung gelangt.
Für diesen Abschnitt lagen mir nicht blos die erwähnten
Materialien, sondern auch zwei Skizzen einer Biographie Jakob
430
Huter's vor — eine längere und eine kürzere — die sswar
keineswegs druckfertig waren, aber doch über die Art und
Weise, wie J. v. Beck den Gegenstand dargestellt sehen wollte,
einiges Licht verbreiteten. Für diese Skizzen war freilich weder
der gesammte von dem Verfasser gesammelte StoflF benützt, noch
behandelten sie den Gegenstand in übersichtlicher Weise, so
dass zunächst eine Vervollständigung und dem entsprechend eine
Umarbeitung und flir einzehie Capitel eine völlige Neubearbeitung
des Gegenstandes nothwendig wurde.
Mit Huter's Tode hat die anabaptistische Bewegung in
Tirol ihren Höhepunkt überschritten; doch auch in den folgen-
den Jahrzehnten bietet sie noch merkwürdige Erscheinungen
genug, die in einem zweiten den Gegenstand beschliessenden
Aufsatze zur Darstellung kommen sollen. Für diese Zeit (1537
bis 1626) liegen gleichfalls noch reichhaltige Sammlungen aus
dem V. Beck'schen Nachlasse vor.
Von den einzelnen Abschnitten der unten folgenden Ab-
handlung ist der erste im Hinblick auf die einschlägigen Arbeiten
Schönherr's, Rufs, Waldner's u. A. knapper als die übrigen
behandelt worden.
Unter den Beilagen bieten einige ein allgemeineres Inter-
esse. Das erste Stück zeigt, wie das Verhör mit den Wieder-
täufern und den der Wiedertaufe verdächtigen Personen vor-
genommen wurde, und dass es die bairische Ordnung des
Processes war, die in Tirol angenomme)i wurde. Die Nummern
2, 7, 15 und vornehmlich 12 belehren über die unausgesetzt
auf die Ausrottung der Wiedertaufe in Tirol gerichtete Sorge
des Landes{\lrsten und die Folgen, von welchen der Münsterische
Aufstand flir die Geschicke der Wiedertäufer in den übrigen
Ländern begleitet war; in den Nummern 3, 4, 5, 10, 11, 13, 14
und 16 werden einzelne Fälle von Bedeutung, namentlich der
Freiberg' sehe und Wolkenstein'sche Process dargestellt; Nr. 6
berichtet über das Verfahren mit den eingezogenen Gütern der
Wiedertäufer. Bei dem Umstände, dass die meisten sogenann-
ten ,Urgichten^ (recte: Vergicht [von veijehen] = Bekenntniss)
der hervorragenderen Wiedertäufer verloren gegangen sind, be-
sitzen die Nummern 8 und 9 einen besonderen Werth. Luckner's
Urgicht belehrt über die Art der wiedertäuferischen Propaganda,
die Ausdehnung des Täuferthums und dessen Verfolgung, die
Kreuz- und Querfahrten Huter's, seine Aufenthaltsorte im Sommer
431
und Winter, über die Züge nach Mähren, die Geldeinnahmen
und Ausgaben und enthält auch flir die Charakteristik Huter's
manches Brauchbare. Aus Nummer 17 — die zwar schon
öfter, aber noch niemals correct, gedruckt gewesen — ersieht
man die jammervolle Lage der tiroHsch-mährischen Gemeinde
in den Jahren 1534—1536.
Czemowitz, am 30. September 1891.
J. Loserth.
1. Die Wirksamkeit der Doctoren Jakob Strauss und
ürbanus Bhegins In Hall. Protestantische Regungen in
Tirol in den Jaliren 1620—1636.
Den Boden, aus welchem der Anabaptismus erwuchs, hat
er mit dem Protestantismus gemein. Wie in der Schweiz und
in Deutschland, so zeigte er sich auch in Tirol nur als ein nach-
geborener, natürlicher Sohn der Reformation. Die ,Evangeli-
schen' waren es, die ihm nach dem Zeugnisse Heinrich Bullin-
ger's in den Hütten der Bauern, den Schachten der Bergknappen,
den Häusern des Bürgerstandes und den Schlössern des Adels
vorgearbeitet haben. ^ Von der Lehre des neuen ,ungebundenen
Evangehums^ erwarteten alle Unzufriedenen im Lande ihre
geistige und materielle Wohlfahrt: daher die Förderung, die
man, ermuthigt durch die Schwäche des Ordinariats und die
Verlegenheiten einer rath- und thatlosen Landesverwaltung, die
erst nach dem ,Bauem-Rebell^ sich emporraffte, den Evangeli-
schen allenthalben angedeihen liess.
Nachdem durch zahlreiche, vom Bergsegen des Falken-
steins, Pflundererberges und anderer Schachte herbeigelockte
Erzknappen, durch reisende Kauf leute und Buchflihrer, Vaganten
* BulÜBger verwahrt sich zwar in der Vorrede zu ,Der Widertöufferen
Ursprung, fQrgang' etc. (Zürich 1560) dagegen, fragt aber doch an einer
späteren Stelle: ,Wie kommt es, dass die Wiedertäufer nicht an jene
Orte gesandt werden und predigen, da zuvor das Evangelium nie ver-
kündigt worden ist, sondern sich nur an jenen Orten und Enden ein-
schleichen, da vorhin das Evangelium mit grosser Mühe und Arbeit dem
Volke gepredigt und die Kirche in eine Ordnung und Reformation ge-
bracht worden ist. Hier, wo biedere Leute wohl zufrieden sind, machen
die Täufer Unruhe, Zwietracht und Verwirrung.*
482
und Söldner den iandesfllrstlichen Mandaten zum Trotz ^ eine
Menge lutherischer Schriften eingeschleppt und abgesetzt war,
zogen diesen allerlei abenteuernde, heimatlose, der alten Kirche
untreu gewordene Persönlichkeiten nach, die sich als Sendboten
des unverfklschten Wortes Gottes, das bisher verdunkelt und
,gebunden^ gewesen sei, ausgaben. Es ist wohl richtig, dass es
einzelnen um die Sache ernst gewesen ist, vielen aber war es
doch hur darum zu thun, dass sie Aufsehen machten und Brot
und Bestallung erhielten, und je eifriger diese Leute vor der
neuerungssüchtigen Menge gegen die bestehende Ordnung und
Verfassung, gegen die Kirche und deren Einrichtungen loszogen,
desto beUebter wurden sie.
Ein Sendbote des neuen Evangeliums, ein gewisser Kon-
rad aus Schwaben, zog in solcher Weise 1520 — 1521 in der
Gegend von Meran, Brixen und Sterzing herum. Eine ähnliche
Sendung übernahm 1521 im Innthale ,ein gewesener Religiös^
aus Berchtesgaden, Dr. Jakob Strauss.^ Von den Schwazer
Erzknappen berufen, hielt er in Schwaz Feldpredigten, die zwar
gut besucht wurden, aber nicht von der Milde christlicher Liebe
und vom Gehorsam gegen die Obrigkeit durchweht waren. ^
Nachdem er das Predigeramt zu Schwaz zwei Mönchen aus
Berchtesgaden überlassen,^ zog er im Juni 1521 nach Hall, wo
^ Mandat Ferdinands I. de dato Nürnberg, 1522, November 6 (vom Erz-
herzog und Salamanca unterzeichnet) im Innabrucker Statthaltereiarcbiv.
Von fUrstl. Durcbl. fol. 66: ,da88 ir ernstlich gepot ausgeen lasset, kein
luther. Predigt mehr zu thun, auch pej allen puchtruckhen und krämeru
zu verfügen, dergleichen püecher nit mer zu tnickhen oder feil zu
haben^ etc. Befehl wegen der ,luth. Lehr* an den Rath zu Rattenberg'
am Inn. Nürnberg, 17. November 1522. Ebenda. Von fürstl. Durchl. fol. 56.
Antwort des Regiments 1. December. Ebenda fol. 455.
' S. Ruf, Dr. Jakob Strauss und Dr. Urban Regius, Archiv für Geschichte
und Alterthum Tirols II, 67—81. F. Waldner, Dr. Jakob Strauss in Hall
und seine Predigt vom grünen Donnerstag (17. April) 1522. Ein Beitrag
zur Geschichte der Reformation in Tirol. XXVI. Heft der Zeitschrift des
Ferdinandeums, S. 1 — 19.
' Näheies über seine Wirksamkeit in Schwaz siehe ebenda, S. 8.
^ ,Sie wurden von dem Bischöfe Sebastian von Brixen zwar gefänglich
eingezogen (Angerer^s Chronik), aber von den Bauern befreit und haben
der Stadt Brixen und anderen Orten grossen Schaden zugefügt* Brixen
und seine Umgebung in der Reformationsperiode 1520 — 1525. XII. Pro-
gramm des Obergymnasiums in Brixen, S. 13. Buchholz, Geschichte Fer-
dinands I. (II, 356) nennt den einen fälschlich: Christoph Soll. Dieser,
433
er aufäiiglich dem Cleru» lateinische Vorträge über das Evan-
gelium Matthäi hielt: ^Haben ihm gross Zucht und Ehren er-
wiesen, auch ihn fllr geschickt und gelehrt gekannt/^ Nicht
lange hernach begann er in der Salvatorkirche des Frauen-
klosters zu predigen, und als diese Kirche für die zuströmende
Menge zu enge wurde, verlegte er mit Bewilligung des Pfarrers
Dr. Stephan Seligmann und des Magistrates seine Kanzel in die
Pfarrkirche zu S. Niklas. Bei schönem Wetter predigte er im
Stadtgarten oder auf dem oberen Platze. Er besass, wie Schwey-
ger's Chronik erzählt, ,ain ftlrtreflFlich guete Aussprach und ist
dem gemeinen Mann fast annemlich gewesen mit seiner predig;
aber seer hitadg gegen den geistlichen, als bischoffe, priester,
milnichen und closterfrauen; hat iren geisthchen standt getadlt
und verworfen, auch ire misspreich gross an den tag geben und
sie spitgeister genenndt. Hat auch die Ceremonien imd Earchen-
preich zum tail verworffen*.
Solcher Ausschreitungen wegen vom Bischöfe gegen Brixen
citirt, erschien er nicht und überliess dem Stadtrathe und der
Gemeinde seine Vertheidigung. Diese versuchten es zwar, ihn
durch Abgesandte vor dem Bischöfe imd bei Hof zu recht-
fertigen, allein ohne Erfolg. Der ,ehrbare Rath' hielt nichts-
destoweniger auch jetzt noch seine Hand über ihn und liess ihn
von einer Anzahl bewehrter Bürger begleiten und bewachen.
Als Strauss am Sonntage Este mihi (2. März) nach der Predigt
die Annahme einer abermaligen Citation seitens des Bischofs
,mit hitzigen Worten^ zurückwies und seine Begleitung die
beiden bischöflichen Boten davonjagte und bis in des Herrn
Haus verfolgte,* kam es zu einer bedenklichen Zusammenrottung,
welcher die beiden Bürgermeister Fuchsmagen und Waltenhofer
,mit guten Worten' ein Ende machten. Der Rath versprach
den Sendboten, des Predigers Sache selbst in die Hände zu
nehmen und eine Botschaft an den Bischof zu schicken. Nach-
Batzer's Gehilfe in Strassburg, ein gebomer Brunecker, war damals erst
5 Jahre alt. S. Rörich^s Mittheilungen lU, 231.
* Franz Schweyger's Chronik der Stadt Hall von 1303 — 1672, herausgegeben
von Schönherr.
' ,15J2 Jar haben ihm, Herrn Strauss, zwei Priester ain Citation bracht
und mit ihm stark gestritten, dahero die Bürgerschaft selbe sambt anderen
Priestern in des Herren Haus gejagt.' Haller Chronik im Ferdinandenm.
Copie in der v. Beck^schen Sammlung. S. Waldner 1. c, p. 11.
434
dem Strauss dem Rathe eine Rechtfertigungsschrift Überreicht
hatte^ sandte dieser eine Anzeige ,über des Doctors Jacob Her-
kommen^ Wandel und Wesen und wie er sich beim Predigen
gehalten^^ nach Brixen und bat, ihn unbehindert zu lassen, da
,man seine Predigten flir evangelisch und gerecht erachtet Die
Gesandtschaft ging am 13. März von Hall ab, scheint ihre Ab*
sichten aber nicht erreicht zu haben, denn sie wandte sich nun
an die Regierung in Innsbruck mit der Bitte, den Prediger
unbehelligt zu lassen.
Die Regierung ersuchte den Bischof, nicht zu drängen,
denn die Sache werde sich nach und nach von selbst bessern,
und der Bischof unterliess in der That ein unmittelbares Ein-
schreiten, da ,er vom Kaiser angehalten sei, sich in diesen
Dingen an den Rath der Regierung in Innsbruck zu halten,
aber er fügte hinzu, wie schwer es ihm falle, einen solchen
Irrlehrer das Predigen zu gestattend Strauss konnte nun seine
Fastenpredigten weiterhalten und wurde vom Volke und vom
Rathe gegen etwaige Ueberflllle bewacht.^ Bald darauf sandte
der Bischof eine neuerliche Bitte nach Innsbruck: man möge
Vorsorge treffen, dass Strauss von Hall weggethan oder nach
Brixen zur Verantwortung geschickt werde.
Auch dieses Schreiben hatte keinen Erfolg. Der Bischof
sandte daher drei Monitorien an den Pfarrer Angerer in Inns-
bruck mit der Bitte, eines an der Pfarrkirche in Hall, das
zweite zu Taur, das dritte in Innsbruck anheften zu lassen.
Bevor dies noch geschehen konnte, erhielt der Rath am 22. April
von der Regierung unter Hinweisung auf das Wormser Edict
und den kaiserlichen Befehl, dass alle und jede lutherische
Schrift und Irrlehre abgethan werde, den Auftrag, den Doctor
Jakob ,als gefährlichen Irrlehrer imd Rebellen^ sofort, und zwar
im Geheimen abzuschaffen, damit keine Unruhe unter dem
Volke entstehe.
Der Rath machte zwar noch einen Versuch, die Regie-
rung ftir den Prediger günstig zu stimmen, aber der Bischof
hatte die Angelegenheit bereits vor den Metropoliten und den
Kaiser gebracht. Strauss selbst wurde nun vor das Regi-
ment geladen und der Rath bedeutet, ihn ausser Land zu
schicken.
» Waldner 1. c.
435
Am Sonntag Misericordia (4. Mai) hielt er a\if offenem
Platze vor einer grossen Volksmenge ans Stadt und Land seine
Abschiedspredigt^ ,in welcher er meidung gethan von seinem
hinwegg Baissen und das meiste volk heftig bewegt hat, etliche
zur traurigkeit und zum wainen, etliche zum Zorn, etliche zu
Unwillen und aufruhr gegen die Priesterschaft. In der nächsten
Wochen zog er, von zwei Bürgern begleitet, nach einer gueten
Zörung und Ehfung in der Gehaimb von Hall auf den nächsten
Wegen auf Sachsen zu^
Von Haslach aus schrieb er ,an die ehrsamen, heben Herrn
und Freunde in Hall^ eine Abhandlung: ,Ain kurzer christlicher
Unterricht von den erdichteten Bruderschaften/^ Von da zog
er nach Kembei^, einem Städtchen in der Nähe von Witten-
bei^. Dort vollendete er am 4. August die Predigt: Eyn ver-
stendig trostlich leer | über das wort. Sankt Paulus. Der
mensch | sol sich selbs probieren, und alsso von dem | brott
essen und von dem | kelch trinken. Zu Hall | im Intall von
Do|ctor Jacob | Strauss ge|predigett. MDXXH. | Kauff und Hess.
Es wirt dir gefaUen. Die Vorrede ist vom 4. August datirt.
Strauss bemerkt, dass er diese Predigt dem ehrsamen
Rathe, der ganzen Gemeinde und Nachbarschaft zu Hall zu
Gefallen imd auf deren Bitte in Geschrift gestellt habe. Ver-
öffentlicht wurde sie, als er schon Ecclesiastes in Eisenach war.*
Sie richtet sich vornehmlich gegen die Missbräuche bei der
Beichte und dem Abendmahl und enthält scharfe Invectiven
gegen die Franziskaner in Hall. Er nennt sie Verführer der
Welt, die gar stockblind und ungelehrt sind und ein ,einigs^
Wort nie recht verstanden oder gepredigt haben. Denselben
heftigen Ton findet man auch in den anderen Schriften, die er
im Jahre 1523 von Eisenach aus gleichfalls an seine heben
Freunde in Hall übersandte.^
Mit der Wittenberger Reformation war Strauss übrigens
auch sehr unzufrieden: ,Wenn die Lutherischen,^ sagte er, , weiter
• Waldner 1. c, p. 16.
• In 4® in der Floss'schen Bibliothek zu Bonn. Neu gedruckt von Wald-
ner, p. 17—39.
• Siehe Waldner, p. 16—16. Der Vollständigkeit wegen citire ich noch:
Schellhom's Ergötzl. U, 241; Weller's Repert 2703. Strickler, Neuer
Versuch eines Literaturverzeichnisses, Nr. 97. Vgl. Strobel, J. Strauss,
Leben und Schriften, Mise. III, 1 — 14.
436
nichts wollten^ als die Leute vexiereu, so hätten sie es lieber
unterlassen sollen/^
Die Haller verbreiteten die Schriften des von ihnen ge-
schiedenen Prädicanten in so eifriger Weise^ dass sie der Tadel
der Regierung traf: ,Wiewohl S. F. D. in den Erblanden wider
Luther's Neuerungen und Lehren ernstliche Befehle habe aus-
gehen lassen, so hören wir doch, dass in Hall lutherische Bücher
und Tractate öffentlich feilgeboten und gekauft werden/ Es
wird dem Rathe mit Ernst empfohlen, sich den erflossenen
Mandaten gemäss zu halten.'
An die Stelle des Doctors Jakob Strauss wurde vom Rathe
der Stadt Hall Dr. Urban Rhegius berufen und dem Bischöfe
präsentirt. Die Schweyger'sche Chronik weiss von diesem ,treff-
lichen, hochgelehrten Mann' nur zu sagen, dass er ,ungeßlhrlieh
zwei Jahr' zu Hall Prädicant gewesen, bis ihm seiner Predigt
halben von dem Bischöfe und dem Landesfürsten der Aufenthalt
daselbst untersagt wurde und er heimlicher Weise nach Augs-
burg entwich.
Urbanus Rhegius hatte, als er in Hall erschien, bereits
eine ziemlich bewegte Vergangenheit hinter sich.' Ln Jahre
1520 auf Fabri's Empfehlung von dem Bischof Christoph von
Stadion als Domprediger nach Augsburg berufen, trat er als
eifriger Vorkämpfer der neuen Lehre auf und wirkte in Hall,
wo er im September 1522 eintraf, ganz im Geiste seines Vor-
gängers. Er eiferte hier, wie man seinen Predigten entnimmt,
voiTiehmlich gegen die Ablasskrämer und das Courtisanen-
unwesen, gegen Kirchweihfeste und Feiertage, gegen den Pomp
und die Bilder in der Kirche, gegen Bruderschaften und den
Uebrauch der lateinischen Sprache beim Gottesdienste, gegen
den Mariencultus, die Verehrung der Heiligen, gegen Weihen,
Opfer und das Messelesen.
Zur Verantwortung nach Brixen vorgeladen, erklärte er,
ohne freies Geleit daliin nicht gehen zu wollen. Dieses wurde
ihm auf Am'athen der Regierung versagt* und an die Regenten
^ Schmidt, Justus Henitts.
' Statthalteroiarckiv Innsbruck. Lib. causarum domini I, fol. 30.
8 Vgl. den Artikel Urban Rhegius im XXVUI. Bd. der pilgern. Deutschen
Biographie*, 8. 374— 37S.
* Bericht vom 9. November 1623. Innsbrucker StatthalteretarcbiT. Can«s
Domini 1523—1526, fol. 30.
437
zu Innsbruck das Ansuchen gestellt, Rhegius aus Hall abzu-
schaffen, damit die lutherische Lehre sich nicht in Hall und
dem ganzen Innthale ausbreite.^ Die Regierung antwortete:
ürbanus sei zwar zu Hall, habe aber in der letzten Zeit weder
öffentlich noch heimlich gepredigt, und da Fürstliche Durchlaucht,
als sie jüngstens in Hall gewesen,* selbst des genannten Doctors
wegen gehandelt, so scheine es beschwerlich, mit ,Verstrickung^
seiner Person und GefUngniss wider ihn vorzugehen, ,damit
unsere Handlung der des Fürsten nicht widerwärtig sei^ Ueber
seine Streitigkeiten in Hall schrieb er seinem Freunde Wolf-
gang Rychard,* der Bischof habe ihn erst durch Schmeicheleien
und dann durch Drohungen gewinnen wollen, und als ihm das
nicht gelang, durch Verleumdungen den Zorn des Fürsten wider
ihn erregt, so dass er den ganzen Sommer hindurch nicht sicher
war. Er sei daher nach Augsburg gegangen, wo er ursprüng-
lich bleiben wollte, bis der Zorn des Fürsten verraucht sei.
Hierauf nach Hall zurückgekehrt, legte ihm der Bischof neuen
Hinterhalt und Hess nichts unversucht, ihn, gestützt auf die
Hilfe des Fürsten, von Hall wegzubringen. Mit Zustimmung
der HaUer Bürgerschaft sei er in seine Heimat gegangen und
warte hier ab, bis die Haller seine Sache in Nürnberg beendet
haben werden; denn sie verhandeln da in scharfer Weise durch
Fabri. Hierauf wolle er nach Hall zurückkehren, wo seine
Mutter seinen Haushalt ftlhre. Wenn seine Sache ungünstig
aasfalle, werde er nach Augsburg zurückkehren, wo ihm eine
Stellung vorbehalten sei, nicht die eines Barbiers, sondern eine
fireie^ damit er nicht einen Pseudobischof oder einen ähnlichen
Menschen zu fürchten habe.^
Ueber denselben Gegenstand schreibt er in einem 1527
veröffentlichten Büchlein:^ ,Als ich vor etlichen Jahren gehört
hatte, dass Gott auch bei Euch das Licht aus der Finstemiss
* Ebenda. Causa Domini, fol. 35. Schreiben vom 13. November 1523.
* Damals zog Rhegius im Ornate nnd mit dem Heilthum dem Fürsten ent-
gegen. Ruf 1. c, p. 77.
» Am 21. December 1523. Bibliothek Bremen, Cl. VI, fasc. V, p. 1019.
* Ungenaue Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
^ Ain Summa christlicher leer, wie sy Urbanus Rhegius fcu Hall im Intal
vor etlichen Jaren gepredigt hat. Geben zu Augsburg an dem n^a tag
de« Mertz Anno MDXXVII Vol. 875 in München. Copie in der v. Beck-
schen Sammlung.
438
habe hervorleuchten lassen und einen Schein der Wahrheit in
Euer Herz gegeben habe, dankte ich Gott und bat ihn, zu Ende
zu fiihren, was er in Euch angefangen. Da ich nun zu Euch
erfordert wurde, das EvangeUum zu predigen, erhub sich der
Satan von Stund' an wider mich und machte mir einen Ruf,
als predigte ich eine neue Lehre und verflihrte das Volk von
der Bahn des alten Glaubens. Das war eine Ursache meines
Weggehens von Euch: dem Neid zu entweichen. Ich hoffte,
die Wahrheit würde wohl noch eine Stätte und ein Verhör
finden. Wisset denn, dass ich nichts als den uralten christlichen
Glauben bei Euch gepredigt habe, wie er von Christus selbst
und den Aposteln auf uns gekommen ist.^
Noch in Hall Hess Rhegius einige Schriften ausgehen:
1. Von der Vollkommenheit und Frucht des Leidens Christi,
gepredigt durch Dr. Urbanum Rhegium, Prediger zu Hall im
Intal. (O. O. und J.) ^
2. Ein Sermon von der Kirchweihe. Gepredigt zu Hall
im Intal. 1522.«
3. Sermon vom dritten Gebot, wie man christlich feyern
soll mit Anzeigung etlicher Misbräuche. Gepredigt zu Hall im
Intal. 1522.»
4. Ein Sermon von der Kirchweihe. Dr. Urbani Rhegii
Prediger zu Hall. 1522.*
5. Von Reue, Beichte, Busse. Beschluss, zu Hall im In-
tal gepredigt durch Urban Regium. Anno 1523.^
In dem Sermon von der Kirchweihe klagt er über die
prächtigen Kirchenbauten: , Jetzt sind grosse, hoffärtige, kaiser-
liche Paläste zu Kirchen gebaut, hell, köstlich mit Gold, Silber
und Edelsteinen, theuren Gemälden, übergoldeten Tafeln, Fahnen,
Messgewändem, Kelchen, Kreuzen, Orgeln u. dgl. Dingen über-
laden, aber es gibt russige, wüste, finstere Herzen, einen
schwachen Glauben, eine kalte Liebe und eine schwankende
Hoffnung. Jetzt gebe es nichtsnutzige Bruderschaften, die
besser thäten, mit ihrem Gelde den armen Leuten zu helfen.
Hölzerne Götzen stelle man unter die Kirchthür und umhänge
» S. Weller, 2253—2264.
* Urb. Regü Deutsche Schriften 1662 in fol. IV, S. 34—38.
» Ibid. 38—46.
* Cit. Zapf, Aug. Bib. H, 667/8.
^ Weller, Bepert. typ. 8623, citirt eine Ausgabe von 1525.
439
sie mit Ablassbriefen. Die Türken wolle man mit Spiessen,
Hellebarden und Büchsen überwinden und zum Glauben bringen.
Aber der Glaube ist ohne weltUehen Zwang allein durch die
Predigt der Apostel in die Welt gekommen, darum sollte man
auch heutzutage ,in keiner anderen Weise Christen machend
jEs freue der Teufel sich mehr auf eine einzige Kirchweihe
als auf tausend Charfreitage/ Die Obersten der Kirche sollten
hier gute Wacht halten, aber es schläft der Hirt; wer will dem
Wolfe wehren?'
Der Sermon vom dritten Gebot wendet sich gegen die
allzugrosse Zahl der Feiertage: ,Etliche blinde Hirten sehen
gern viele Feiertage, auf dass man zutrage. Wenn da die
grossen Glocken läuten, laufen die Bauern herzu, als sei etwas
Neues erschienen. Ist dann irgend ein Heilthum in der Sa-
cristei, so muss es heraus auf den Altar und muss des geld-
stichtigen Pfarrers Kautz sein. Es sprechen die Geldgötzen:
Bauer, gib Geld her. Ihr sehet gern viele Feiertage, wiewohl
sie nichts Anderes sind, denn eine lautere Gotteslästerung.'
,E8 sind zu viel rother Buchstaben im Kalender und wenig
christUcher Sabbath.' ,Das Volk geht in die Kirche und weiss
nicht, womit man umgeht; man singt und liest Latein, von dem
der gemeine Mann nichts versteht. Man predigt des Nach-
mittags^ wenn der Bauch von Speise imd Trank geschwollen,
das Hirn von Uebel und die Augen schläfrig sind. So sitzen
wir da, wie die Rohraffen. Willst du ein Christ sein, musst du
das Evangelium hören, nicht allein die Regel des heil. Franciscus
oder Dominicus.'
Die Hoffnungen des Doctors Urbanus Rhegius, auf seinem
Posten in Hall verbleiben zu können, erfüllten sich nicht. Schon
am 12. December schrieb der Bischof von Brixen an jenen von
Trient nach Nürnberg: ,Da Doctor Urbanus noch immer in Hall
verweilt und daselbst zwar nicht predigt, wohl aber auf viele
schlechte Conspirationen sinnt, so möge er sich Mühe geben,
dass ihm durch ein landesfllrsüiches Mandat der Aufenthalt da-
selbst untersagt werde.' ^ Die Gunst der evangelisch gesinnten
Rathsherren Rehlinger, Langenmantel, Welser und Qt)sser
^ Velit B. y. operam daxe, ut mandato Ser™^ piincipis habitacio in illo
oppido Uli interdicatnr. Original im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv.
Corr. land. Bist. Trient.
440
erschloss ihm den Pfarrhof bei S. Anna in Augsburg. Dass aber
der Same, den er und sein Vorgänger ausgestreut hatten, zu
Hall einen empfänglichen Boden gefunden, sieht man daraus,
dass noch während der Anwesenheit des Rhegius mehrere
Nonnen des Martinsklosters das Ordenskleid auszogen, ihm nach
Augsburg folgten und ,daselbst Männer zur Ehe tiberkamen^^
Am 16. December 1523 meldet die Regierung dem Btirger-
meisteramte zu Schwaz: ,Man sei glaublich berichtet, dass der
Prediger des Barfilsserordens im Kloster zu Schwaz auf der
Kanzel ungebührlich und aufrührerisch gepredigt habe.'* Am
22. April 1524 schreibt sie an Hildebrand von Spaur imd Hans
Zott, dass dem ergangenen Verbote zuwider lutherische Bücher
und Tractate am Markte zu Hall feilgeboten werden. ,Man
möge mit dem Bürgermeister und Rathe handeln,' auf dass
solchem Kauf und Verkauf gesteuert werde; die Uebertreter
mögen gestraft, die Waaren mit Beschlag belegt werden.' hi
der Gegend von Innichen und in Villgraten wurden solche
Tractate von dem Innicher Chorherm Mathias Messerschmied
verbreitet, wofiir er nach Brixen in Haft kam. Am 26. No-
vember überreichten der Bürgermeister, die Rathsherren und
Geschworenen von Brixen ein Ansuchen an die Regierung um
die Befreiung des Gefangenen, wurden aber bedeutet, dass
ihrem Ansuchen nicht stattgegeben werden könne.* Erst nach-
dem er Besserung gelobt hatte, wurde er entlassen. Er flüchtete
in die Schweiz.
OflFenkundige Hinneigung zu Neuerungen bemerkte man
auch in Stams. Am 16. Mai meldet die Regierung: Ein ent-
laufener Mönch sei jüngstens in Stams eingekehrt und verhaftet
worden. Die Unterthanen lassen sich vernehmen: ,Wofem sie
ihren Mönch bis Pfingsten nicht ledig erhalten, seien sie wil-
lens, etwas Thätliches vorzunehmen,' worauf ihn der Admini-
strator fi^i liess.^ Fünf Tage später wird der Vogtei Bludenz
* Schweyger, Chronik 79.
* Innsbruck, Statthaltereiarchiv. Causa Domini. Copie in der v. Beck'schen
Sammlung.
' Innsbruck, Statthaltereiarchiv. Causa Domini, Lib. I, fol. 85.
* Orig. Brixen, Lade 112, Nr. 6, Lit. A. Sinnacher, Beiträge zur Geschichte
der bischOf liehen Kirche von Sähen und Brixen in Tirol VII, 194.
^ Statthaltereiarchiv Innsbruck. Causa Domini. Vgl. Schönhorr, Da« Lutlier-
thum im Kloster Stams im Jahre lö24, Archiv fiir Geschichte mid AUer-
thumskunde Tirols II, 82—91.
441
und Sonnenberg gemeldet: Lutz MaÜ habe sich kürzlich mit
seinen Predigten im Gotteshause zu St. Johann in Stams ,niit
Verflihrung des gemeinen Mannes durch lutherische Lehren
freventlich gehalten'. Er sei aus der Herrschaft Sonnenberg
gebürtig. Es wird Befehl gegeben, ihn festzunehmen imd seine
Festnehmung sofort anzuzeigen.* Einige Tage nachher wurde
der Frühraesser von Breitenwang, der ,sich unterstanden,
die lutherische Sect zu predigen', auf Schloss Ehrenberg ge-
fangen und an den Bischof von Augsburg ausgeliefert.* Am
6. Juni befiehlt die Regierung dem Bergrichter zu Schwaz, ,die
zwei Mönche, so jetzt zu Hall herumgehen, ihr Habit allda ab-
gethan und weltliche Kleidung angelegt haben und nun um
Arbeit ,am Berg' ansuchen, mit ihrem Begehren abzuweisen.'
Zwei Tage später schärft Erzherzog Ferdinand dem Regimente
neuerlich die genaueste Befolgung der wider die lutherischen
Lehren erlassenen Befehle ein, auf dass ,die christliche Ord-
nung erhalten werde'. Am 17. Juni wird dem Land- und Berg-
riehter zu Rattenberg der Auftrag ertheilt, dem Pfleger auf
Kropfberg, bei welchem der gefangene Leutpriester Eusta-
chius verwahrt werde, allen Beistand zu leisten, falls die Unter-
thanen im Zillerthale ihrem auf einer Volksversammlung ge-
fassten Entschlüsse gemäss den Prädicanten etwa mit Gewalt
heraus haben wollten.* In der Angelegenheit des Frühmessers
zu Reutte wird dem Hans Lederer, Jörg Paumann und Hans
Pögli befohlen, sich am Pfinztag vor Maria Magdalena (21. Juli)
vor dem Statthalter und Hofrath in Innsbruck zu verantworten.^
Es dürfte sich auch in diesem Falle um die Verbreitung luthe-
rischer Lehren gehandelt haben.
Am 5. Juli wurden neue Verordnungen nach Schwaz ge-
sandt, wie man sich gegen den Mönch, ,so jetzt in Hall zur
Marktzeit in einem Garten vor der Stadt gepredigt und dazu-
mal bei dem Erbstollen am Falkenstein ein Arbeiter gewesen
sei', zu verhalten habe. Neuerdings wird befohlen, dem Feil-
* Ab regimine an Martin Steinhanser, Verweser der Vogtei Blndenz und
Sonnenberg. Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Causa Domini I, Anno 1624.
* Bericht vom 5. Mai, ibid.
' Statthaltereiarchiv Innsbruck. Causa Domini.
* Ibid. Causa Domini.
* Ibid. I, 119.
Archiv. LXXVIII. Bd. II. Hälfte. 20
442
bieten der lutherischen Bücher und Tractate zu steuern.^ Tags
darauf schreibt die Regierung dem Richter zu Rattenberg:
Man habe erfahren, dass sich ein lutherischer Priester zu Hart
im Zillerthale aufhalte und daselbst auf der Kanzel und in der
jTafem* wider die Ordnung der heiligen christlichen Kirelie
predige, auf Bischöfe und Prälaten schelte. Bezüglich des
Priesters Eustachius, der in der verflossenen Fasten zu Paum-
kirchen gepredigt, möge er sich mit dem Pfleger zu Kropf-
berg ins Einvernehmen setzen. jHeisst der Prediger nicht
Eustachius, so möge er mit der Festmachung still stehen, ihn
aber insgeheim überwachen.'^ Auf die Verhältnisse des Klo-
sters Stams bezieht sich ein Bericht des Hofrathes an Seine
Fürstliche Durchlaucht vom 7. Juli 1524.* Hier heisst es, ,dass
in Stams ein Laienpriester sei, der in seinen Predigten Luther's
Lehre ausgiesse' und ,etliche Mönche im Kloster diesem Priester
anhängen und sich mit der lutherischen Sect befleckend Auf
das hin habe der Hofrath mit dem Dompropst von Brixen eine
Commission nach Stams geschickt, welche den Sachverhalt
prüfen sollte. Die Commission — sie bestand aus ,etlichen' der
obersten Landesstelle, dem Hofrath zu Innsbruck und aus dem
Domprobst zu Brixen, den der Bischof als Ordinarius bestimmt
hatte — sollte dort nach ,lutherischen Bttcheni inquiriren lassend
Die Gesandten untersuchten die Zellen, und mit Ausnahme von
zwei oder dreien fand sich in jeder eine Menge lutherischer
Bücher und Tractätel vor. Diese wurden von den Gesandten
weggenommen. Im Convente selbst fanden sich sechs Mönche,
welche ,sich des lutherischen Glaubens erzeigten*. Allem Zu-
reden gegenüber blieben diese bei ihrer Meinung: ,Luther ist
noch nit überwunden. In seinen Schriften hätten sie nichtB
geinnden, als was das Evangelium enthalte.'
Ihnen kamen die Bauern aus der Nachbarschaft, die durch
den Laienpriester von dem Vorgefallenen verständigt worden
waren, zu Hilfe und verlangten, dass dem Laienpriester die ab-
genonmienen Bücher zurückgestellt und dieser nicht vertrieben,^
^ Ibid. CaoM Domini. I. 1624.
* Ibid. I, 112, 118.
» Ibid. 217—220.
* Die Einzelnheiten hierüber in dem Aufsatze SchHnherr's, Das LaÜiertbnm
im Kloster Stams im Jahre 1524, Archiv für Geschichte und Alterthunu-
künde TiioU II, 82—91.
443
sondern ihm erlaubt werden sollte, wie bisher das Evangelium
zu predigen. Die Commission war schliesslich genöthigt, die
ganze Sache der Regierung in Innsbruck vorzutragen. Dem
Richter von Stams wurde der Auftrag ertheilt, dem Laienpriester
,ein Gltibd zu verfassen^ oder ihn gefangen zu setzen und bis
auf weiteren Bescheid im QefUngniss zu halten. Von den Mön-
chen traten flinf aus dem Kloster. Sie stellten sich indess nach
einigen Tagen freiwillig. Doch baten sie, man möchte sie zum
Abschwören nicht zwingen. Das Kloster Stams sollte sofort
durch den Hofrath einer Reformation unterzogen, das heisst, die
Klosterzucht verschärft und die Brüder unter eine strenge Zucht
gestellt werden. Während der Wirren des nächsten Jahres
dürfte es hiezu kaum gekommen sein.
Auch über die Fortschritte der neuen Lehre in Brixen
und Umgebung, in Bruneck und Taufers wird lebhaft geklagt.
In eben diesem Jahre, sagt ein Zeitgenosse, entstand auch in
Bruneck und Taufers ein wunderlicher Rumor mit , Ab-
sagen!^ und lutherisch Gesinnten. Diese machten viel Mühe
und Jammer.^
Am 10. August schreibt der Hofrath dem Vogte zu Bre-
genz, der kurz zuvor die Anzeige erstattet hatte, dass die von
Binden z zum Theil gut lutherisch seien: Was den Pfaffen
Matten betreffe, der sich unterstanden, die Ordnung der christ-
lichen Kirche abzuwerfen, so sei er festzunehmen.* Acht Tage
später erging ein Befehl an den Richter zu Im st, einen Mann,
Namens Hans Singer, festzunehmen, der sich unterstanden habe,
am jüngsten Frauentage Assumptionis (15. August) in der Kirche
zu Arzl dem Prediger auf offener Kanzel Schweigen zu ge-
bieten und wider die Ehre der Mutter Gottes freventlich zu
sprechen.' Am 1. September folgte ein ausführliches Mandat
Ferdinands I. an sämmtHche Unterthanen in den oberöster-
reichischen Landen: ,Wir haben uns,' heisst es hier, ,in Voll-
ziehung des Edictes von Worms und des Abschiedes auf den
zwei Reichstagen zu Nürnberg in den Jahren 1523 und 1524,
betreffend die Abstellung der Lehre Luther's und aUer Uebel,
* Brixen nnd seine Umgebung in der Reformationsperiode 1620 — 1526^
Xn. Programm des Brixner Obergymnasioms, 8. 14.
* Innsbruck, Statthai tereiarchiv. Causa Domini 128.
* Ibid.
29*
444
die hieraus erflossen seien, jUngstens zu Regensburg mit eini-
gen geistliehen und weltlichen Fürsten vereint, das Edict nnd
die Mandate und Abschiede anzunehmen und zu halten und
nicht zu dulden, dass das Evangelium zur Verhinderung des
christlichen Herkommens und der Gebräuche in verkehrtem
Sinne ausgelegt werde. Wir wollen auch die Wsgeloffen*
Ordensleute, Weibs- und Mannspersonen, auch die Priester, die
zu der Ehe greifen, in unseren Landen keineswegs dulden. Da
wir finden, dass die verdammten und verführerischen Lehren
und Schandschriften zumeist durch die Druckereien ausgebreitet
werden, so gebieten wir, dass in Zukunft Niemand ein Buch
oder Gemälde zu drucken wagen dllrfe, wenn es nicht zuvor
mit Fleiss examinirt und zum Drucke zugelassen worden/*
Dieses Mandat wurde auch in Tirol aller Orten verkllndet;
doch vernehmen wir schon aus der nächsten Zeit von Processen
in Glaubenssachen: Am 3. October schreibt die Regierung an
den Richter Linhard Nortzen zu Rattenberg und in gleicher
Weise an Rudolf Fuchs: Wir haben gehört, dass ein Schul-
meister, der nicht einmal Priester ist, es wagt, zu Ratten herg
auf der Kanzel lutherische Materien zu predigen. Der Schul-
meister wurde auf den 23. November nach Innsbruck zum Ver-
höre vorgeladen;^ am 12. October wird von lutherischen Prä-
dicanten berichtet, die zu Stein ihr Unwesen treiben,^ und
drei Tage später an den Bischof von Brixen geschrieben, mit
der Publication der Mandate ,betrefFend die geistliche Refor-
mation,* auch die lutherische Sect, wenn es nicht schon ge-
schehen, still zu stehen'. Auch in Kuf stein regte sich der
neue Geist: Am 27. October befiehlt die Regierung dem Ritter
Martin Paumgarten und dem Hauptmann Fuchs von Fuchsperg,
dem Caplan der vorderen Stiftung in Kufstein, welcher ,der
neuen Lehre anhängt und gegen die Gebräuche der alten
Kirche predigt, seine Lehren und Artikel in Wirthshäusem
und an anderen Orten ausgiesst, in keine Kirche geht und ein
* Mandat, geben in unser Stat Wien am ersten Tag des Monadts Septem-
bris Anno etc. im vierundzwanzigisten; inserirt ist das Regensburger
Mandat vom 6. Juli 1524. lieber die weiteren Beschlüsse des Regens-
burger Conventes siehe Baumgarten, Geschichte Karls V., II, 890.
' Innsbrucker Acten. Causa Domini.
» Ibid.
* Ibid. Causa Domini I, 148. Notiz in der v. Beck^schen Sammlung.
445
ärgerliches Leben ftihrt^, das Land zu verbieten und an seine
SteUe einen tauglichen Priester zu setzen.^
Noch immer klagt man^ dass die lutherischen Bücher an
allen Ecken und Enden der Grafschaft Tirol allen kaiserlichen
Edicten und dem Regensbui^er Mandate zuwider verkauft
werden,* und wird als Ort, wo diese Schrifiien öflfentlich feil-
geboten werden, namentlich auch Bozen genannt,^ woselbst die
neue Lehre durch Kaufleute eingefiihrt wurde. Der Prediger
Stephan, früher Augustiner in ,Rotenburg', sei, wie es in einem
Berichte des Dr. Beatus Widmann an den Bischof von Trient
(de dato 3. Juli 1525) lautet, von der alten Lehre abgewichen
und soll in Innsbruck Prediger geworden sein: ,er habe gegen
die Fasten und Gebete, gegen die Kirche und gegen den geist-
lichen Gehorsam gepredigt.'* Auch von einer Versammlung zu
,Abson' zu Gutisten der neuen Richtung wird gesprochen. Zu
Ende des Jahres vernehmen wir die laute Klage des Erzherzogs
Ferdinand, dass ,die lutherische Secte' in Tirol von Tag zu
Tag je länger, desto mehr einreisse. Man habe seitens der
Geistlichkeit geduldet, dass auf den Kanzeln wider Gott, die
Gebräuche der Kirche und die Obrigkeiten gepredigt und Schmäh-
schriften ausgebreitet werden.^ Am 15. Jänner befiehlt er, die
lutherisch gesinnten Prediger von Rattenberg und Kitzbüchl
von dannen zu schaffen.^ Am 2. März biUigt er in einer Zu-
schrift an die Regierung in Linsbruck die Ausweisung der ver-
heirateten Prediger aus Kuf stein und Rattenberg:' ,Sie seien
keineswegs im Lande zu dulden. Denn ob wir auch das
heil. EvangeUum zu predigen zugelassen haben, so ist doch nit
unsere Meinung, dass solches durch verheiratete Pfaflfen oder
andere untaugliche Personen geschehen soll.'
Von Sevilla aus schreibt Karl V. (am 4. April 1526) an
die Landschaft in Tirol, ,es wolle ihn nicht wenig befremden,
wie sich Eure und andere Landsausschuss unterstanden haben
soll, unter dem Schein und Begehren des heil. Evangeliums von
* Innflbmcker Statthaltereiarchiv. Causa Domini 323.
' Ibid. fol. 208.
' Ibid. Dat. vom 1. April 1525.
* Original im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien.
* Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Causa Domini 278.
« Ibid.
' Ibid. 314*».
446
unserem Bruder zu wiederholten Malen zu verlangen, dass die
verfilhrerische Lehre Luther's in denselben Landen zu predigen
gestattet werde. Die kais. Majestät habe sich versehen, dass
seine und seines Bruders Mandate und Befehle besser angesehen
würden'.^
Die Bulle Clemens VII. (vom 28. Mai) an den Bischof von
Trient enthält die Klage, dass in Deutschland und vornehmlich
auch in der Stadt und der Diöcese von Trient Pfarrer, Pfarr-
verweser und andere Cleriker die ruchlose Lehre Luther's, die
Brutstätte aller anderen Ketzereien, Aufsässigkeiten und Auf-
stände, verkündigen, öffentUch Ehen schliessen und unerlaubte
Verbindungen eingehen, keine Messen lesen, Leuten, die nicht
gebeichtet, das Abendmahl unter beiden Gestalten darreichen,
imd Alles in Allem sich über den geistUchen Stand in schmach-
voller Weise auslassen. Der Bischof möge solche Pfarrer, Vicare
und Mönche ausforschen und verhören und die hartnäckigen
der gebührenden Strafe überantworten.*
Von Speier aus schrieb Ferdinand I.:^ ,Den ergangenen
Mandaten zum Trotz habe sich ein ausgelaufener Mönch gegen
Sterzing gethan, daselbst ein Weib genommen und durch
seine lutherischen Lehren und Predigten viele imgeschickte
Handlungen begangen'. Es wird demgemäss der Befehl er-
theilt, den Mönch, da das Kriegsvolk noch im Lande ist, aus-
zuweisen. Am 4. December meldet die oberösterreichische Re-
gierung dem Cardinal zu Salzburg: ,Wolfgang Ochsenhauser,
Priester, so zu Kuf stein der Paumgartner Caplan gewesen,
halte sich jetzt zu Hopfgarten bei einem anderen Priester Namens
Adam auf, so auch lutherisch und der neuen Secten anhängig
ist.' Der Ochsenhauser habe ganz unpriesterlich seine ^Kron'
oder Platten' verwachsen lassen, reise mit einer Feuerbüchse
über Land und habe zu Kufstein viel Meuterei und andere Uebel
angerichtet; es wird ersucht, ihm nachzustellen und ihn unschäd-
lich zu machen.*
^ Copie im k. k. Hans-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien. Regest in der
y. Beck'schen Sammlung.
' Original in der Correspondenz des Cardinais und Fürstbischofs Bernhard
von Trient im k. k. Haus-, Hof- und Staatsarchiv zu Wien. Copie in der
V. Beck^schen Sammlung.
' 5. Juni 1526. Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Causa Domini 357.
* Ibid.
447
Ausser den Geistlichen nahmen sich auch Laien, und
zwar Erzknappen, Gerichtschreiber, Studenten u. A. heraus,
das neue Evangelium zu predigen. Zu Brixen liess sich ein
Schneider aus Nieder -Vientl hören, deo sein Unternehmen
in den Thurm brachte.^ Von allen Seiten loderten die Flam-
men der Begeisterung fiir die neue Lehre empor. Hauptherd
der Widersacher des alten Kirchenthums war die Bruderschaft
zu Schwaz mit ihrer zahlreichen Knappschaft. Als dann die
Reformation in St. Gallen, Appenzell und Graubündten durch-
geftlhrt wurde, kamen zahlreiche Prädicanten aus diesen Re-
publiken, durchzogen in weltUcher und geistHcher Gewandung
das Land und predigten um Lohn oder Wegzehrung, wo
man sie hören wollte. Und man hörte sie gern, denn sie
sagten dem Volke Dinge, die ihm verständlich und zu ver-
nehmen angenehm waren. So predigte in Heran ein Schwei-
zer im Sinne Luther's.*
Dass die neue Lehre nicht weiter und tiefer eindrang,
dankte man weniger der Regierung, die von dem Landesfiirsten
oft genug zu grösserem Eifer gemahnt wurde, als der Klugheit
und Thätigkeit des Letzteren. Auch brach sich die antikatho-
lische Strömung im Lande wenigstens zum Theile an der Ab-
neigung Vieler gegen eine Lehre, welche nach der herrschenden
Ansicht den Bauemaufruhr und dessen Greuel verursacht hatte.
Mit dieser Lehre wollten zumal ,die Stillen und wahrhaft From-
men' im Lande nichts zu thun haben. Eine Folge der sich
erhebenden Reaction war es, dass jener Prädicant, welchen
Gaismaier im Juli 1525 nach Brixen gebracht hatte und welcher
dort nach dem Berichte des Domprobstes ,nichts als Aufruhr
und Empörung', nach anderen Berichten ,in und um Brixen
auf den Dörfern, dann zu Sterzing und Heran viel lutherischer,
ketzerischer Lehren gepredigt' haben soll, auf die Liste derer
gesetzt wurde (21. August 1525), die entweder in Haft genommen
oder aus dem Lande geschafft werden sollten.
Es wtii'de zu weit flihren, wollte man die Fahrten aller
dieser ,dürren' Prädicanten in Tirol verfolgen; nur einer ver-
dient schon seines gefeierten Namens wegen besondere Be-
* Egger, Geschichte Tirols 11, 86. Sinnacher, Beiträge zur Geschichte der
bischöflichen Kirche Sähen und Brixen in Tirol VH, 8. 195.
' Siehe Stampfer, Geschichte von Meran, S. 69. Vgl. ibid. S. 395.
448
achtung — Carlstadt. Nachdem dieser im Sommer 1525 zu
und bei Rothenburg an der Tauber unter den Bürgern und
Bauern seine Rolle gespielt und mancherlei Unbilden erlitten,
kam er — den Nachwehen des Aufstandes aus dem Wege
gehend — nach Tirol. Zunächst in das Lüsnerthal verschlagen,
kam er, wie man einem Berichte des Capitelherm und Pferrers
zu Clausen, Ludwig von Emershofen, vom 10. October 1525
entnimmt, um diese Zeit wider den Willen des Pfarrers da-
selbst nach Clausen, wohin ihn die Knappen der Villander Erz-
grubfen berufen hatten.* Sein Aufenthalt daselbst dauerte nicht
lange: nachdem ihm der KurfUrst von Sachsen die angesuchte
Erlaubniss zur Rückkehr nach Sachsen bewilligt hatte, zog er
dorthin.
Mit der fortschreitenden Pacificirung des Landes nach dem
Bauernrebell wurden die Zuzüge fremder Prädicanten immer
seltener. Die neue Lehre, auf enge Kreise beschränkt, verlor
ihren Halt im Lande und zählte allmählich nur noch in den grös-
seren Städten, in einzelnen Edelhöfen und Schmelzhütten heim-
liche Anhänger. Offen trat sie nirgends mehr auf. An ihre
Stelle trat leise und allmählich der Anabaptismus.
3. Die AnfBnge der Wiedertaufo In TlroL
Die erste sichere Kunde vom Dasein des Anabaptismus
im Lande Tirol gibt uns ,der Wiedertäufer-Principal^ Hans Hut
in seinem Verhöre vom 16. September 1527 vor dem Unter-
suchungsrichter Peutinger in Augsburg. Hut bekennt, am
20. Mai 1526 in einem Häuschen am Kreuzthor zu Augsbui^
durch Hans Denk die Taufe erhalten zu haben. Es geschah
auf den Rath und das Zureden des Caspar Färber, der, ein
gebürtiger Innthaler, in Augsburg die Färberei gelernt und
dem Hans Hut viel von der Wiedertaufe erzählt habe und
namentlich, dass einige Brüder im Lmthale wären, die sich
hätten taufen lassen imd nun ein christliches Leben führten.
^ Der Bericlit boiindet sich im Archiv des Brixner Hochstiftes. Vgl. auch
Sinnacber VII, 246/7. J. v. Kripp, Ein Beitrag zur Geschichte der
Wiedertäufer in Tirol, S. 27.
449
Dadurch habe er den Denk und auch ihn bewogen, sich taufen
zu lassen.^
Zu diesem Häuflein Wiedertäufer gehörte auch der Berg-
richter Pilgram Marpeck aus (oder bei) Rattenberg gebürtig,
ein tüchtiger Mechaniker * in den Unterinnthaler Gewerken.
,Durch gottesfllrchtige Eltern, wie er selbst erzählt, im Papst-
thum erzogen,^ wurde er ein Verkündiger des Wittfenberger
Evangeliums. ,Als er aber befunden, dass an den Orten, wo
man Gottes Wort auf lutherisch gepre*digt, auch eine fleisch-
liche Freiheit sei verspüret worden, habe ihn das etwas hinter-
stellig gemacht, so dass er bei ihnen keine Ruhe hat finden
können. Darauf habe er die Taufe als Zeugniss des Gehorsams
des Glaubens angenommen, allein auf Gottes Wort und Befehl
sehend.^
Woher diese Wiedertäufer — Urbanus Rhegius nennt sie,
gewiss nicht geschmackvoll, Hundsbader — gekommen sind,
ob ans dem Salzburgischen, ob aus Süddeutschland, oder, was
am wahrscheinlichsten ist, aus der Schweiz, ist nicht* ersichtlich.
In Opposition gegen die Satzungen der alten Kirche, mit den
,Evangelischen^ auf gemeinsamem Boden stehend, kämpften sie
wider deren allzuleichte Moral und standen in vielen Punkten
der alten Kirche näher als diese. Sie hatten den Schein eines
wahrhaft christlichen Lebens flir sich, duldeten kein Laster,
nahmen sich der Brüder und Schwestern mit Hingebung an
und hatten gegen ihre Feinde nur Worte des Friedens imd
der Duldung: ,Dc8 Herrn, nicht unser ist die Rache,^ war ein
Grundsatz ihrer Gemeinde, dem sie freilich in der Folge zeit-
weise — aber auch da nicht ganz durch eigene Schuld —
untreu wurden.
Im Jahre 1527 erhielten diese ,Frommen^ einen namhaften
Zuzug aus der Schweiz, aus Baiern, Salzburg und Kärnten.
Die ,Lehrer imd Diener des Wortes Gottes' Hessen sich dics-
* Wiedertäuferacten in Augsburg, veröffentlicht von Meyer in der Zeit-
schrift des historischen Vereins für Schwaben, 1874.
* Seine Ernennung zum Bergrichter (de dato Innsbruck 1526, April 20)
im Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Bekennen-Buch 1526, fol. 81. Er hat
den Strassburgem die für die damalige Zeit genial ausgeführten Wasser-
leitungen und Uolzflössereien im Kinzigthale und Ehnthale (Klingonthal)
erbaut und hiedurch der holzarmen Reichsstadt die Forste des Schwarz-
waldes erschlossen (Beck).
450
seits und jenseits des Brenners nieder, durchstreiften das Land
nach allen Richtungen und verkehrten in den Hütten des
Bauern, den Häusern des Bürgers und den Schlössern des
Adels. Der Kuhhirte Wolfgang aus dem Sarnthale war wohl
auch nur ein Sendbote ,de8 Wiedertauffs^^ Die Knappen (zu
Clausen) haben ihm gesagt, er soll sich keineswegs vom Evan-
gelium beugen lassen, sondern es ungescheut predigen. Der
Mehrtheil der Knappen habe mit ihm zum Verhöre konamen
wollen. Der Pfleger von Guffidaun habe nach ihm gesandt
Da habe er wohl viermal in den Häusern gepredigt. Wo es
eine Gemeinde gewünscht hätte, wollte er in der Kirche ge-
predigt haben. In Bozen, Taufers und anderen Orten hätten
angesehene PersönUchkeiten, unter ihnen auch einige Priester,
seine Predigten gebilligt. Zum März des Jahres 1527 werden
Wiedertäufer in Rattenberg erwähnt* Im Mai erhielt die
Regierung Kunde, dass sich in Glurns und Mals Wiedertäufer
aufhalten, und säumte nicht, den dortigen Pfleger Jakob Trapp
aufzufordern, diese Leute unschädlich zu machen.' In der Er-
wägung, dass ähnliche Irrlehrer sich auch sonst im Lande her-
umtreiben, in Wirthshäusern und an anderen Orten unchristliche
Reden führen und, uneingedenk des Wormser Edictes und der
sonstigen kaiserlichen Verbote, wider das Sacrament des Altars
und die anderen Sacramente eifern, wurde am 31. Mai ein Man-
dat des Inhalts erlassen, dass auf solche frevelhafte Personen,
sie seien hohen oder niederen Standes, Aus- oder Inländer,
Geistliche oder Weltliche, geachtet werde und sie im Betretungs-
falle in Haft zu nehmen und der Regierung anzuzeigen seien.*
Die bedeutendsten Persönlichkeiten, die von dieser Mass-
regel betrofl'en wurden, waren Anton von Wolkenstein und Frau
Helena von Freiberg, Herrin auf Münichau.
Anton von Wolkenstein, dessen Haus eine Stätte theologi-
scher Disputationen und ,ein Asyl der Sectengeister' gewesen
sein soll, wurde nach Innsbruck zur Verantwortung gezogen
* Sinnacher VII, 259. v. Kripp, 8. 28. Seine Aussagen vollständig in einer
Copie der v. Beck'schen Sammlung nach dem Brixner Protokolle 1526 bis
1527, fol. 759 — 761. Im Ganzen werden 31 Punkte aufgestellt Ein
zweites Protokoll enthält 27 Punkte,
« Haller Raitbuch. Im Tiroler Boten irrig 1525 statt 1527.
' Causa Domini, fol. 27. Statthaltereiarchiv Innsbruck.
* Ibid. Clausa Domini II, 31.
461
und vermochte seine Freilassung nur dadurch zu erwirken^ dass
er sich im Juni 1527 vor dem Statthalter und den Regenten
verpflichtete, in Zukunft in Einigkeit mit der alten heiligen
christlichen Kirche Gehorsam zu halten, in seinem Hause keine
latherischen oder andere Secten predigen zu lassen und alle
sectirerischen Bücher dem Unterlandeshauptmann von Brunecken
Georg Basch und dem Pfarrer von Taufers zu tiberantworten,
auch keine solchen in Zukunft zu bestellen, zu kaufen oder zu
lesen. Ueber seine weitere Behandlung wurde die Entscheidung
dem Erzherzoge, dessen Gnade er empfohlen wurde, vor-
behalten. *
Mit dem drakonischen Mandate vom 20. August 1527, das
in Ofen erlassen und in Tirol am 20. November veröffentlicht
wurde,^ meinte man dem Täuferwesen ftlr immer ein Ende zu
machen. Das traf wohl ftlr Niederösterreich zu und auch da
nicht ganz, nicht aber ftlr Tirol, wo die Wiedertaufe viel
tiefere Wurzeln geschlagen hatte. Am^l. October 1527 schreibt
König Ferdinand von Ofen an den Statthalter und die Räthe
der niederösterreichischen Lande: ,Wir schicken Euch hier neben
unserm Mandate in der Anzahl bei 2000, die wir wider die
lutherischen und anderen verführerischen Lehren und Gebräuche
in unseren Landen ausgehen zu lassen uns entschlossen haben.'
Von diesen Mandaten wurden in Wien 1655 gesiegelt und aus-
gefertigt, davon gingen 1200 nach Innsbruck, die übrigen wur-
den nach Steiermark (200), Kärnten (100), Krain (88), Ober-
österreich (80) und Niederösterreich (150) gesendet.^ Tags
darauf wurde abermals ein Mandat ^ ,als abermalige gnädigste
Warnung' wider ,alle Lutterisch, Zwinglisch und anderer ihrer
Nachfolger oder Anhänger verflihrerische Lehren^ erlassen.
Hierin bemerkt der König: , Allen ausgegangenen Mandaten
zum Trotz haben wir genugsam erfahren, dass solchen Man-
daten wenig nachgegangen und Vollziehung gethan werden.'
,Bisher habe man die Entschuldigung vorgeschoben, dass der
gemeine Mann unmögUch wissen könne, welche Lehren ketzerisch
* Bericht des Regiments de dato Innsbruck, 26. Juni. Causa Domini II, 36.
' Cod. Austriacus I, 641. Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Causa Domini II,
92/3.
* Archiv des Cultusministeriums IV. a. 3. Die obigen Ziffern sind, wie
man sieht, nicht genau.
* Ibid. IV. a. 3. Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
452
und welche gerecht seien; darum habe man mit ihnen nicht
in Gemässheit der erflossenen Edicte strafweise verfahren kön-
nen/ ,Damit in Zukunft solchen Entschuldigungen die Ursache
genommen würde, wird befohlen, dass die Regierung bei allen
Unterthanen und Einwohnern unserer Lande mit Ernst darauf
achte, dass sie den Mandaten Folge leisten/ ^
Bestimmte Nachrichten von Wiedertäufern, die man bis-
her nur zu oft mit den Lutherischen verwechselte, erhielt die
Innsbrucker Regierung erst im November 1627 durch die An-
zeige, dass im unteren Innthale, namentlich um C alz ein und
Rothholz sich etliche fremde Personen aufhalten, ,so unsere
Unterthanen zum Widertauff und anderen verführerischen Ar-
tikeln aufzuwiegeln sich unterstehend ,DieweU man nun gegen
die Wiedertäufer ernstliche Mandate habe ausgehen lassen, er-
gehe der Befehl, bei dem Gasteiger (am Calzein) nach den
Wiedertäuferpersonen, ihrer Kleidung, ihrem Alter u. s. w. zu
forschen, auf sie fleissigi Kundschaft zu haben, nach ihnen zu
fahnden und sie im Falle der Betretung in Haft zu bringen
und zu examiniren und über ihr Wesen und Vorhaben an die
Regierung Bericht zu erstatten/* Dieser Befehl wurde dem
Landrichter zu Rattenberg, dem Bergrichter zu Schwaz und
den Landrichtern zu Rotenburg und Freundsberg zugesendet.
An den Erzbischof von Salzburg wurde das Ersuchen ge-
stellt,* den Pfleger von Kitzbüchl, Hans Vinsterwalder, anzu-
weisen, dem an ihn in der Angelegenheit der Wiedertäufer,
,dic im Lande einreissen^, erflossenen Schreiben nachzukommen,
,damit solche Sect niedergedrückt, gestraft und bei Zeiten ein-
gestellt werde*.
Das erste Opfer der vorgenommenen Streifung war der
frühere Mönch und jetzige Wiedertäufer Leonhard Schiemer
von Vöklabruck, der erste Wiedertäuferbischof in Oberöster-
reich. Schon am 28. November schreibt die Regierung an den
Landrichter zu Rotenburg: ,Als du einen von Vöklapruck und
ein(en) Seiler von Rotenberg (Rattenberg ?) als Verwandten der
* In tergo: ,Die Regierung hat diesen bevelch, sovil Inen meglichen ist,
volziehung thun und dem gehorsamlich leben.*
' Innsbr. Statthaltereiarchiv. Causa Domini II, 89. Copie in der v. Beck-
schen Sammlung.
' Do dato Innsbmck, 28. November 1527. Statthaltereiarchiv. Causa Do-
mini II, 96.
453
neuen Secte der Wiedertäufer im GefUngniss hast, empfehlen
wir dir, dass dn sie beide peinlich fragst und sonderUch den
von Vöklapruck, wer ihn ausgesandt hab, was ihr Seet und
Fümehroen, auch wer ihre Anhänger und Förderer seien und
welchergestalt der von Vöklapruck den Seiler zu solcher Sect
^)ewogen habe; desgleichen ob die zwei angesessenen Bürger
von Rattenberg, die bei ihnen waren, als sie gefangen wurden,
auch ihre Secte angenommen haben/*
An demselben Tage wird dem Landrichter von Freunds-
berg und dem Bergrichter zu Schwaz mit Missfallen bemerkt,
dass trotz des erflossenen Mandates dui'ch fremde Personen ,die
Wiedertauff' gegen Schwaz gebracht worden und eingerissen
sei. Man möge die Befehle fleissiger als bisher zur Hand haben. ^
Dasselbe wird nach Kufstein, Battenberg und Kitzbüchl gemel-
det^ Unter Schwazer Wiedertäufern war namentlich Jörg Vasser
gemeint, ein ehemaliger Mönch, jetzt Wasserheber am Triefe-
stollen und verheiratet. Ihm und einem Goldschmied, der
kurz vorher nach Schwaz gekommen, war es gelungen, zu
entkommen.
Die getadelten Landrichter entwickelten nun eine fieber-
hafte Thätigkeit, und bald waren die Gefängnisse in Freunds-
berg zu klein, um die Gefangenen aufzunehmen, so dass dem
Freundsberger jene von Schwaz zur Verfügung gestellt wurden.^
Unter den Gefangenen befand sich der Schichtmeister Stephan
Leder, der insbesondere zur Nachtzeit überwacht werden sollte,
ob nicht etwa Wiedertäufer bei ihm ein- und ausgehen.^ Zu
den Gefangenen kam anfangs November ,ein echter Lehrer des
Worts und Evangehums Christi' — Hans Schlafi'er.
Ene Hauptzufluchtsstätte der aus dem Salzburgischen
flüchtenden Täufer war Kitzbüchl. Der Pfleger daselbst ver-
sprach dem Regimente in Innsbruck, dessen Befehle ,8tracks'
nachgehen zu wollen.^ Der Regierung war es vor Allem um
die Gefangennahme eines ehemaligen Geistlichen von Kitzbüchl
' Causa Domini II, 95/2.
* Ebenda.
' Desgleichen.
* Ibid. n, 100.
* Ibid. 98 und 99.
^ Reg.-Arcb. zu Salzburg. Copie in der v. Beck'scben Sammlung. Dat.
9. December 1627.
454
zu thun, der sich Paul nannte und eine namhafte Zahl von
Täufern um sich schaarte; er ging im Schlosse Münichau^ dessen
Besitzerin Frau Helene von Freiberg sie offen begünstigte, un-
behelligt ein und aus. Als ihn sein Beruf in die Berge zog,
liess er Hans Roth, einen Studenten, zurück, der eine Zeitlang
,auf den Bergen^ herumging, im Schlosse Münichau verkehrte,
,sich hernach in das Reut gethan, den Leuten predigte und
etliche zu Münichau tauftet
Frau Helene von Freiberg musste diese Begünstigung in
der Folge mit dem Verluste ihrer Freiheit und ihrer Güter,
die Mehrzahl der übrigen Täufer im Kitzbüchler Bezirk mit
Leib und Leben büssen. Der Process mit Leonhard Schiemer
begann im December 1527. Von seinen Aussagen mögen hier
nur jene — sie finden sich in seiner ,bekandnu8' vom 14. Jän-
ner 1528 — erwähnt werden, welche sein Wirken in Tirol be-
rühren:* Er sei durch das Baierland gezogen und hätte Willens
gehabt, zu Schwaz viel Volkes zu taufen, doch habe er besorgt,
der Bruder Reinhardt, den er ,erkennt', werde ihn verrathen,
,denn die unteren Klöster in Oesterreich hätten viel Fleiss an-
gelegt, ihn zu Gefilngniss zu bringen*. Es sei ihm leid, dass
er nicht mehr Leute getauft habe; schon die erste Nacht, als
er hieher gegen Rattenberg gekommen sei, sei er verhaftet
worden.' Am 14. December richtet die Regierung an die ,peden
Herzogen* von Baiem, den Cardinal von Salzburg und die Stadt
Augsburg gleichlautende Schreiben: ,Wir schicken E. G. hier
eine Abschrift der Urgicht, so Leonhard Schemer von Vökla-
bruck, ein Vorsteher der neuen Secte der Wiedertäufer, so zu
Ratenburg gefangen liegt; bekannt (hat), dieweil darin anzeigt
wird, dass etlich E. F. G. Unterthanen den Wiedertauf durch
ihn angenommen.' Vier Tage später erhält der Landrichter
die Weisung, ,mit dem Schemer des Richten halber still zu
stehen' und ihn im Schloss zu Ratenberg, ,wie er des von dem
Herrn von Liechtenstein Bescheid erfahren habe', zu verwahren.
Am 18. December wird dem Landrichter Bartelme Angst be-
fohlen, dem Kaspar Leonhard Schiemer einen Recfatstag anzu-
^ Vgl. ttber ihn v. Beck, Geschichtsbücher der Wiedertftufer, 8. 61.
' Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
* Die Acten über Schiemer finden sich im Statthaltereiarchiv ssu Innsbruck
und auszugsweise in der v. Beck'schen Sammlung. Innsbruck. Causa
Domini II, 100/2, IUI, 102/2.
455
setzen; in einer Zuschrift von demselben Datum wird er der
,AnfUnger und Principal-Ursach' der neuen Lehre genannt und
dem Richter befohlen, nach Inhalt der erflossenen Mandate
Recht ergehen zu lassen, ,auf dass der gemeine Mann ein Eben-
bild empfange, sich hinfÜr vor dergleichen ketzerischen und
verführerischen Lehren zu hüten. Es sollen ihm zwei Beisitzer
und Rechtsprecher auf den Tag, so er Euch benennen wird,
gegeben werdend ,Damit um so stattlicher und tapferer gegen
ihn Anderen zum Ebenbild gehandelt werden möge, soll der
Landrichter den Rechtstag bald nach Weihnachten ansetzen und
ihn mit 20 Beisitzern versehen, zwei aus der Stadt und zwei
aus dem Landgericht zu Rattenberg, je zwei aus Innsbruck,
Hall, Bozen, Braunegg, Brixen und dem Landgericht Freunds-
berg, aus den Städten Kufetein und Kitzbtichl und den beiden
Landgerichten daselbst je einen/ ^ Ein besonderes Mandat der
Regierung * befahl, diese Rechtssprecher ohne Verzug zu senden.
Inzwischen hatte der Anabaptismus auch jenseits des
Brenners sein Haupt erhoben. Um die Mitte December kam
eine Botschaft nach Innsbruck, man habe zu Sterzing unter
den Bergleuten und Stadtbewohnern Wiedertäufer-Conventikel
entdeckt Als dann einer von diesen, ein Zimmermann. ,aus
der Synagoge des N. Mayerhofer aus Lüsen', im Hause eines
Kesslers ergriffen wurde, war dies ftlr die Regierung ein Er-
eigniss von solcher Wichtigkeit, dass man den Kammerprocu-
rator Dr. Johann Vintler sofort mit einer Credenz dahin ab-
schickte, um an der ,peinlichen Frage, die am 23. December
verhandelt werden sollte', theilzunehmen.* Es sollte dabei ins-
besondere mit und ohne Folter inquirirt werden, wer diesen
Täufer ausgesandt habe, was ihre Secte und welches ihr Vor-
haben sei.
Vier andere Wiedertäufer, die auch der ,Synagoge' in des
Kesslers Hause beigewohnt und ,etliche zu der neuen Secte ge-
bracht hatten', hatten sich rechtzeitig geflüchtet. Trotz Mandata,
heisst es in einem Schriftstücke der Regierung,* sei einer mit
Namen Mayerhofer, so des Mayerhofer aus Guffidaun Bruder
ist, und einen langen braunen Bart hab und einen grauen
* Statthaltereiarchiv. Causa Domini II, 103 — 104.
' De dato 18. December 1627.
* CauBa Domini U, 106. Statthaltereiarchiv Innsbmck.
* Innsbruck, Statthaltereiarchiv. Causa Domini II, lOü — 107.
456
Wappenrock antrage, und dann ein langer bleicher Geselle, der
einen langen schwarzen verbrämten Rock antrage, auch ein
kurzer Gesell mit dtinnem, rothem Parti und dann einer
B. Messerschmied genannt, der zu Clausen einen bösen Ab-
schied genommen haben soll, jüngst zu Sterzingen gewesen/
,Solche Principal seien fönglich anzunehmen/
An den Fürstbischof von Brixen erging ein Schreiben der
Regierung wegen Lüsen, und der Hauptmann an der Etsch
ward beauftragt, in Tram in Umschau zu halten.^ Der Bischof
Georg von Brixen hatte übrigens schon am 23. December ans
eigenem Antriebe einen Befehl ausgehen lassen, auf die her-
umstreifenden Aufwiegler, ,darunter auch etliche sein sollen,
so von der neuen Sect und den Wiedertäufern in Winkeln
predigen', Acht zu haben imd sie ohne Weiteres gefangen zu
nehmen.* Mayerhofer, den man zu Lüsen bei seinem Vater
suchte, kam mit seinen drei Genossen heimUch nach Clausen,
wo sie bei Ulrich Müller Versammlungen hielten und hier wie
in Sterzing ethche Personen in die neue Secte aufnahmen.^
Ehe dies bekannt wurde, zogen sie weiter, und als der bischöf-
liche Hauptmann Ulrich Wittenbach bei Ulrich Müller erschien,
konnten sie nur den Hausherrn und ein Weib, die Gilg Baderin,
aufheben. Ulrich Müller's zu Clausen abgelegtes Bekenntniss
wurde der Regienmg am 26. December eingesendet und die
Anfrage gestellt, was mit dem Gefangenen zu geschehen habe
und wie es mit der Execution solcher Leute zu halten sei.
Die Antwort lautete:* S. F. G. möge die Gefangenen bis auf
weiteren Bescheid verwahren lassen und bezügUch der Exe-
cution bei den Gelehrten im Stifte Brixen Rath suchen. Was
diese aussprechen, möge alsdann dem Regunente angezeigt
werden. Gleichzeitig wurden dem Bischöfe alle gedruckten,
die Ausrottung der Wiedertäufer betreffenden Mandate mit
dem Ansuchen übersendet, sie im Stifte Brixen pubUciren zu
lassen. ^
* Causa Domini 11, 106—107.
« Sinnacher VH, 262 und Protokoll XI, 23, und Original Brixen (L. 102,
Nr. 5, A.).
8 Protokoll XI, 21—25, 93—95.
* Sie ist vom 31. December datirt StAtthaltereiarchiv. Causa Doraini
n, 113.
'^ Ibid. Causa Domini II, 113.
457
Manche wichtige Nachricht über das einheimische Täufer-
wesen erhielt die Regierung aus Baiem, meistens durch die
,Urgichten^ gefangener Täufer, und vergalt ihrerseits gern diese
Qe&lligkeit durch ein gleichartiges Vorgehen. Die Auslieferung
Schiemer's, des ehemaligen Vorstehers bairischer Täufer, ,deren
er viele verfllhrt habe^, ward indess aus dem Grunde verwei-
gert, weil dieser ,Principal' und Urheber der Secte auch in
Tirol viele Personen verführt und man ihm bereits das Malefiz-
gericht angesetzt habe.^
Den Gerichtsbeisitzern in diesem Processe wurden je zwei
Pfund jPerner^ ,von und wieder nach Hause^ bezahlt, denen,
die Mitte März 1528 in Bozen zu Gericht sassen, ein halber
Gulden täglich angewiesen.' In Rattenberg weigerte sich der
Bergrichter, den Wiedertäufern nachzustellen, da dies nicht seines
Amtes sei. Es wurde ihm von der Regierung bemerkt, dass
,diese Weigerung von Sr. Majestät ungnädig aufgenommen und
beschlossen worden sei, mit ihm emstUch zu handeln^, wofern
er sich beikommen liesse, in dieser Rolle noch weiter zu ver-
bleiben. *
Der Process gegen Schiemer ging seinem Ende entgegen.
Am 6. Jänner bestätigte König Ferdinand, die ,Bekanntnuss^
des Gefangenen erhalt^i zu haben.^ ,Dieweil aus solcher neuen
Tauff nichts anderes zu besorgen ist, denn fortwährender Auf-
ruhr und Empörung Seitens des gemeinen Mannes, wie man
es aus den Urgichten etlicher Personen gefunden, die auch zum
Theil darauf gestorben sind, so erfordert es die Notdurft, dass
solchem angezündeten Feuer mit Ernst gewehrt werde, ehe es
sich weiter ausbreitet, dass dann solches abzuthun kein Rath
^ Ex regimine an Anguotin yon Weinegg und Gabriel Gandrichios (in
Baiern): Was Dur dem Rath Jakob Kuen der Wiedertäufer halben ge-
schrieben, gefällt uns wohl, und ist unser Befehl: »dass ihr Fleiss habt,
des Principal Taufen und anderer mehr sich an dem Pfleger zu Aurdorf
und an den jetzigen Gefangenen zu erkundigen' (wie bei Schiemer sub
19. Dec. 1627). Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Causa Domini II, 112. -—
Das Regiment an beide Fürsten Ton Baiem. Causa Domini II, 116. Am
12. JInner 152S wurde dem Landrichter zu Freundsberg die Weisung
ertheilt, Yon den Wiedertäufern zu Schwaz ,Urgichten' einzufordern und
den Herzogen von Baiem zu schicken. Causa Domini 126/2.
* Ibid. Embietenbuch, foL 101.
' Causa Domini II, 117.
^ Concept in der v. Beck'schen Sammlung.
IrehiT. LXXYIU. Bd. II. H&lft«. 30
468
ist/ ,Daher ergehe der Befehl, gegen den Schemer als einen
RedelsfUhrer und Principal der Wiedertäufer nach Inhalt der
jüngstergangenen Mandate zu handeln. Wofern von diesen
letzteren nicht genug hinaufgeschickt worden wären, mögen sie
eine Anzahl nachdrucken, mit dem Siegel versehen und ordent-
lich verlautbaren und anschlagen lassen/^ Der Landrichter
hatte dem Gefangenen manche Bequemlichkeit zukommen lassen;
es wurden ihm namentUch Tinte, Papier und Federn verab-
reicht. Seine Müsse benützte er zur Abfassung einzelner Schrif-
ten, die er seinen Freunden zuzusenden Gelegenheit fand. Von
seinen sechs im Gefängnisse geschriebenen Episteln sind einige
von besonderer Wichtigkeit. Die erste ,darin begriffen, was
Gottes Gnad' ist', wurde 1527 am Pfinztag nach Andree (4. De-
cember) geschrieben. Sie zeigt uns den Mann, der seine theo-
logischen imd philosophischen Studien gemacht, seinen Aristote-
les kennt und vom Ens cognitum spricht. ,Die ganze Welt*,
sagt er, ,8chwätzt und wirft im Maul hin und wieder das Wört-
lein „Gnade", sonderlich unsere Schriflgelehrten. Sie merken
aus der Schrift, dass etwas sei, das Gnade heisse, weil es aber
nicht in ihnen ist, vermögen sie hievon nichts zu sagen. Sie
nehmen das Wörtlein „Gnade", wie die hohen Schulen sagen,
aus ihrem Aristoteles, vom Ens cognitum,* das sein Wesen nur
im Verstände hat oder solange man davon sagt. Hat man
aber solche Rede oder Gedanken vollendet, so hat ihr Wesen
auch ein Ende imd heissen es dann entia secunde intentionis . . .'
und sagen, man könne es nicht verteutschen, darum dass sie
so hohen Verstand haben, zu dem die teutsche Sprache zn
schlecht sei. Und hintennach, so man zusieht, sind sie so hoch,
dass sie nimmer Realia seien, denn Res oder Realia heisst:
Etwas oder Ein Ding. Es währt nur so lang, als man daran
denket. So wird zuletzt gar nichts daraus. Und die Leute, so
am meisten von diesem „Nichtkönnen" kläffen, nennt man Meister
^ Siehe die Beilage Nr. 1.
' Diese Wörter sind in den Vorlagen oft sehr verstümmelt und kaum mehr
kenntlich. Man bedenke, welche Hände diese Wiedertäuferschriften ab-
geschrieben haben. Vollständige Copien der Schriften Schiemer's finden
sich in der v. Beck^schen Sammlung.
' entia secunde nitontois im Cod. Auch die folgenden lateinischen Wörter
sind ganz verstümmelt.
459
ond Doctores/ ^ Mehr als seine weiteren Erklärungen über die
dreifache Gnade^ in die er eine sehr schöne Erläuterung des
Vi^runsers einflicht, dürften hier einige Angaben über das
Vorgehen der Behörden gegen seine eigene Partei interessiren.
^e Leute beten zu Gott: Geheiliget werde dein Name, und
speien ihm nachher unter die Augen und in das Antlitz und
sind die ersten, die seinen Namen verunehren. Die Lehre Gottes
verbietet man: man heisst sie Ketzerei, verführerisches Ding,
aufirührerische Lehre. Deshalb müssen vom Kaiser Edicte und
Mandate in alle Winkel ausgehen; hier rennen die Postboten,
dort laufen die Schergen, da kommt der Richter, dort der
Pfleger, da ist ein „Onplatzer^, dort ein Haufen Reiter, dazu ist
in jedem Haus ein Veri'äther. Und wer nicht verrathen will,
der kläfft sonst so viel davon, dass die Brüder Christi verjagt
und getödtet werden. Welche aber nicht bös dazu reden wollen,
die reden auch nichts Gutes dazu und reden sich also aus:
Ich thu' es nit gern, ich muss schauen, dass ich nit komm in
des Fürsten Ungnad . . / * In einer zweiten Epistel sagt er :
,Ich hätte noch viel mit Euch zu reden gehabt, aber der Tag
des Herrn hat mich übereilt. Bittet Gott auch ftbr unseren
Bruder Tischler aus der Brirlegg (Brixlegg), der hegt sammt
seinem Weib, unserer Schwester, zu Lofer gefangen. Dem
Bruder N. N. sollt ihr untersagen, nicht so spöttisch mit den
Leuten von unseren Brüdern zu reden, wie er zu Kufstein
gethan hat. Und 'wenn der Jörg Zaunried zu Euch kommen
sollte, wollte ich, sofern er mir folgen will, dass er sich ver-
heirate. Mein Bärbel lasst Euch befohlen sein und dass sie
einen ehrbaren Wandel führe. So mich der Herr erfordert
aus diesem Jammerthal, lasst sie, wenn sie will, heiraten. Was
Gott gut heisst, das sollt ihr nicht bös heissen. Wer den ehe-
lichen Stand fltr Sünde hält, ist ein Lehrer des Antichrists.^
Eine dritte Epistel ,an die Gemeinde zu Rottenburg^ enthält
,eine hübsche Erklärung der 12 Artikel des christlichen Glau-
bens'. Im Beschluss ,ein kurzer Grund des Tauffs^ Seinen
' JEm solches Ding ist^s um die Schriffcgelekrten, sie haben ihre Kunst nicht
«00 Gott, sind auch nicht von Gott gelernt: air ihr Wissen haben sie
▼on den Christen und aus ihren Büchern gestohlen/
* Das Verzeichniss von Schieiner*s Schriften siehe bei Beck, Geschieh ts-
bücher der Wiedertäufer, S. 62.
30*
460
*
,TroBtbrief an einen schwachen Bruder* schreibt er, weil Paulas
uns mahnt; die Kleinmüthigen zu trösten.
In seiner ^Bekanntnus^ erbietet er sich^ seinen Glauben
gegen gelehrte Doctores zu vertheidigen. Dazu kam es nicht
mehr. Nachdem die Regierung dem Landrichter zu Rattenberg
einen Verweis gegeben, dass er dem Gefangenen Tinte, Papier
und Feder ins Gefkngniss gegeben, befahl sie,^ dass ,Schiemer
am Rechtstage den Rechtssprechem nur sein Urgicht und Be-
kanntnuss, die er ordentUch bestätigt, und sonst andere Schrif-
ten, die er in dem G^fkngniss gemacht hat, vorlege, und dass
man sie das beigeschlossene^ königUche Schreiben lesen lasse.
Und so sie vom Leben zum Tod zu rechten erkennen würden^
sollen sie alsobald das Urtheil — ausserhalb der Stadt — ge-
stracks vollziehen; wo sie ihn aber nit vom Leben zum Tod
zu richten erkennen würden, ihn wieder in das Ge&ngniss legen,
bis auf einen weiteren Bescheid^ ,Die Schriften Schiemer's, in
denen bairische Wiedertäufer genannt werden, mögen den
Herzogen von Baiem eingesendet werden.*^
Zu einem ,mehreren* Grund der Wahrheit hatte Schiemer
sich erboten: Wenn ein Gelehrter ihn mit der Wahrheit der
heiUgen Schrift überwinde, dass seine Lehre nicht biUig und
schriftgemäss sei, so möge man ihm von dem Henker ein Glied
nach dem anderen abreissen und, wenn er keine GUeder mehr
habe, die Rippen ausziehen lassen. Wolle man ihn aber an-
verhört und unüberwunden tödten, so bitte er die Gezeugen
dieser Urgicht und alle Umstehenden, dass sie davon beim
jüngsten Gericht Zeugniss geben. ,Hierauf verurtheilten ihn
die Rechtsprecher zum Feuertod. Doch wurde er zum Tod
durch das Schwert begnadigt (14. Jänner) und sein Leichnam
zu Pulver verbrannt.'* Dem Landrichter zu Rattenbeig, der
über Schiemer's Hinrichtung an die Regierung berichtet hatte,
wurde der Befehl zu Theil, sich am nächsten Montag (19. Jän-
ner) ,zu dem Regimente zu verfügen und hier auch den Be-
scheid wegen der übrigen Ge£Eingenen in Empfang zu nehmend
Nach ihm haben, wie die Geschichtsbücher der Wiedertäufer
^ Statthaltereiarchiv Innsbrnck. Caasa Domini II, 122. Daselbst die Notis,
dass eben damals in Rattonberg auch Linhart Spitshammer als Wieder-
täufer eingezogen wnrde.
' Die Qeschichtsbücher berichten in Uebereinstimmang mit der 3^^^^!^^
nnss* Schiemer*s.
461
melden, an diesem Orte siebenzig Glaubensgenossen ihre Lehre
mit dem Blute bezeugt.
8. Das weitere Eindringen des Anabaptismns.
Massregeln der Beglerang dagegen.
Das Jahr 1528 machte sich, wie schon Kirchmaier an-
gemerkt hat, in der Geschichte der Wiedertäufer dadurch be-
merkbar, dass wider sie viele Befehle ausgingen, und dass um
ihres Irrthums willen viele Leute verbrannt und sonst gestraft
wurden. Zunächst wurde die Untersuchung gegen Hans
Schlaffer zu Ende geführt. Am 15. Jänner liess die Regierung
dem Landrichter von Freundsberg mittheilen : ,Un8ere Meinung
ist, Hansen Schlaffer, der ein Priester gewesen, „berechten" zu
lassen und 12 Beisitzer zu nehmen: zwei von Hall, zwei von
Brixen, je zwei von Tauer und Braunegg und die übrigen vier
aus deiner Verwaltung.' ,Er möge dieUrgicht^ Schlafferes be-
stätigen lassen und den Rechtstag anberaumen, auch die Schwa-
zer Wiedertäufer, so in seinem Gefängnisse sitzen, besprechen
lassen.' Auf die Frage, ob die Wiedertäufer etwa eine Em-
pörung im Schilde führen, hatte er geantwortet:* ,Alle seine
Tage sei kein Aufstand oder Empörung zu machen nie in sein
Herz gekommen. Er kenne keine anderen Anschläge, als vom
Bösen abzustehen und vom lasterhaften Leben der Welt.
Nicht das letzte Gebot seiner Lehre sei, dass man der Obrig-
keit gehorchen solle. Den Geistlichen gegenüber vertheidigte
er ,mit göttlicher Schrift', dass man ,erstlich das Wort Gottes
lehren solle alle die, die es hören und verstehen, und sie erst
dann taufen'. Auch seine ,Urgicht' wurde der bairischen
Regierung eingesendet.
Am 18. Jänner sandte die Regierung dem Landrichter den
Befehl, den Termin für den Rechtstag zu kürzen und ihn auf
den Erichtag nach St. Dorothea (10. Februar) anzusetzen.^ Ins-
' Schlaffer hatte die ihm vorgelegten Fragestttcke schriftlich beantwortet,
und diese Rechenschaft war am 15. December nach Innsbruck eingesendet
worden.
' Copien der Urgicht und Rechenschaft Hans Schlafferes in der v. Beck-
sehen Sammlung.
* Statthaltereiarchiy. Causa Domini II, 128/2.
462
geheim sollte er berichten, was er sich zu der Verartheilung
des Hans Schlaffer und Leonhard Frick zu versehen habe, ob
sie zum Tode oder auf andere Weise verurtheilt werden — ein
Zweifel, der bei der Abneigung der Richter, solche Leute zu
verurtheilen, erklärUch war. Der Spruch gegen Schlaffer wurde
an dem genannten Tage zu Schwaz gefüllt, wohin er überfährt
worden war.^ Seine Schriften enthalten zumeist Geständnisse
seiner Lehren, wenig über seine Glaubensgenossen. In einer
rühmt er sich seiner Freunde: den Jakob Wiedemann, Jakob
Kautz, Sigmund Hoffer und Hansen Hut, der jetzt seit Maria
Geburt gefangen ist, kenne er. Zu Nürnberg habe er Ludwig
Hetzer und Hans Denck, zwei treffliche, in Gott gelehrte,
ernste Männer kennen gelernt, zu Regensburg Oswald Glaidt
und Wolfgang Brandhuber, einstens Pfarrer zu I^inz. Bei allen
diesen habe er nichts wahrgenommen als einen hitzigen Eifer
nach einem gottseligen und christlichen Leben. Niemand habe
ihn beauftragt, nach Tirol zu ziehen. Mit einem Mann Namens
Moser, der Meissner Krüge zum Schmelzen hieherführt, sei er
von Regensburg gegen Rottenburg gezogen. Leonhard Hallen-
stein in der Pritzlegg sei seiner Mutter Bruder. Da dieser
verdriessUch war, zog er gegen Schwaz. In seinem Testamente
klagt er sich seiner als Priester begangenen Sünden an: das
üppige Leben des Priesters und der Müssiggang, es ist gerade
so, wie wenn man das Stroh ins Feuer legt und ihm zu brennen
verbietet. Sein Herz war unruhig, bis Gott sich ihm eröffnet
und Martin Luther's Wort ihn bewegt habe, die Bibel zu lesen.
Aus einer Bemerkung in diesem Testamente ersieht man, dass
seine Verfolgung von Peter und Paul bis Nicolai gedauert.
Dem Testamente sind die Worte angefügt: ,Ako seind diese
zween lieben Brüder Hans Schlaffer und Leonhard Flück-
ger (sie) zu Schwaz im Innthale mit dem Schwerte gerichtet
worden und ihren Glauben ritterlich mit ihrem Blut besiegelt
und bezeugt.'*
Die nächsten Processe betrafen den Hans Schneider und
Apollonia Niedermayer in Bozen,* den Wiedertäufer Kohl zu
^ Das Versseichniss seiner 8chriften siehe in Beck^s Geschichtsbficher der
Wiedertäufer, S. 64. Copien der Schriften in der v. Beck'schen Sammlang.
« Siehe die Geschichtsbücher, S. 62/3.
' Statthaltereiarchiv Innsbruck. Causa Domini II, 135, Passaner Acten C/3.
Excerpt in der v. BeckVhen Sammlung. Causa Domini II, 136, 163, 164.
r
463
Gargatzon, in dessen Umgebung sich Wiedertäufer aufhiel-
ten, Goldschmied in Sterzing und einen Schreiner in Kotten-
bürg. Es wird berichtet, dass zu Rattenberg diese Secte mehr
als an anderen Orten bei den ,Bergwergsverwandten' einge-
wurzelt sei.^ In Kufstein werden ,die Messerschmiedin', Jörg
Held und seine Hausfrau als Wiedertäufer genannt.^ An den
Hauptmann an der Etsch wird gemeldet: ,Aus deinem Schreiben
vom 4. Februar haben wir von der Synagog vernommen, so
N. Maierhofer der Wiedertauff halben auf dem Ritten gehalten
and wie der Hauptmann den Gasser und seinen Haufen hat
fänglich nehmen lassen/
Der Cardinal von Salzburg wird aufmerksam gemacht,
dass die Wiedertäufer sich aus dem Salzburgischen gegen Tirol
zurückziehen.' An die Gemeinden von Innsbruck, Hall, Kuf-
stein, Kitzbüchl, Rattenberg, Sterzing, Meran, Bozen, Trient
und Glums, sowie an alle Landrichter wird gemeldet, dass die
Wiedertäufer an ihren Kleidern und in ihren Begiüssungs-
worten besondere Erkennungszeichen haben, und dass Häuser,
Städte und Märkte,* darin Wiedertäufer wohnen, mit Zeichen
gemerkt seien. Auf solche habe man genau zu achten.^ Gegen
sogenannte ,Principaltäufer' wie Jörg Tauflfer oder Vasser wur-
den Steckbriefe* und gegen die Wiedertäufer im Allgemeinen
neuerdings scharf lautende Mandate erlassen. In dem ersten
vom 24. Februar ^ 1528 wird bemerkt, dass den mit der Wie-
dertaufe befleckten Personen die Entschuldigung, sie seien vor
der Kundmachimg der bisher in Nieder- und Oberösterreich
ausgegangenen Mandate in die Secte gerathen, nicht mehr gelten
solle. Solche Personen müssen, wenn sie der gesetzUchen Strafe
entgehen wollen, sich bis zum nächsten Palmsonntag bei der
Obrigkeit melden, ihren Irrthum widerrufen und um Gnade
bitten, widrigenfalls gegen sie, falls sie verhaftet würden, mit
der gesetzlichen Strafe verfahren wird; damit sich endlich nie-
mand mit der Unkenntniss der Mandate entschuldige, sollen sie
^ Causa Domini, 137.
2 Ibid. n, 165.
» Ibid. II, 199/2. Für diesen Wink erstattet der Cardinal am 24. März
seinen Dank.
* Bericht des Regiments vom 23. Februar. Causa Domini II, 168.
» Causa Domini U, 216—218.
' Gedruckt; in der v. Beck' sehen Sammlung.
464
bis zu Pfingsten an jedem dritten Sonntage und von da an alle
Quatembersonntage in der Kirche durch Gerichtsverordnete
verlesen werden.^
Das Fest der Palmen ging vorüber, aber nur wenige Pe^
sonen zeigten sich selber an. Inzwischen nahmen die Processe
gegen einzelne Wiedertäufer in Heran und Kuf stein ihren
Fortgang.* Der Pfleger Hans Vinsterwalder berichtet, dass sich
Wiedertäufer in nicht geringer Zahl ,in das Zillerthal gethan^
Dem Probst im Zillerthal Georg Eeutschacher, dem Pfleger von
Kropfberg und dem Richter in Rottenburg wird befohlen, zu
rathschlagen, wie solche Personen auszukundschaften wären.
Zugleich wird gemeldet, dass der Bund zu Schwaben ,400 Pferde'
zur Abstellung und Strafe der Wiedertäufer aussende; zu dieser
Zahl sind ,von diesem Lande 53 Pferde auf Oculi zu Kempten
auf dem Musterplatz zu stellen^^
Am 5. März meldet die Regierung dem Landrichter zu
Schwaz: Dortselbst werde ein gedrucktes Büchlein feilgeboten,
in welchem ,der Wiedertauflf gemalt sein soll fllr jene, die nit
lesen könnend Es wird befohlen, das Büchlein zu confisciren
und nach den Verkäufern zu fahnden.* Dass trotz aller bis-
herigen Verfolgungen noch ,Principal'- Wiedertäufer in der Herr-
schaft Rattenberg und den Thälem ,herumschleichen', liess sie
dem Berg- und Landrichter daselbst mittheilen.^ Sechs Tage
später berichtet die Regierung an den König (unter Anschloss
der betreffenden Urtheilsabschriften) über die in Rattenherg
eingezogenen Wiedertäufer und wie mit ihnen bisher vorgegan-
gen sei.® Zu derselben Zeit wurden in Kitzbüchl mehrere
flüchtige Wiedertäufer in Haft genommen.' Die Frau eines
,ausgekommenen' Wiedertäufers von Rattenberg bittet, ihr von
dessen Vermögen flir sein zurückgelassenes Kind etwas ,zu ver-
abreichen'.®
* CauBa Domini II, 178.
" Ibid. n, 182, 183.
' Ibid. n, 185/2. Peßtarcbiv: Im Marcio 1528 iare hat der pundt zu Schwa-
ben 400 pferdt zu straffen auf die W. T. erkennt.
* Causa Domini II, 187.
» Ibid.
* Citirt im kgl. Erlass vom 17. März 1528. Innsbrucker Statthaltereiarchiv.
Von der kgl. Majestät üb. n, fol. 164.
^ Causa Domini 11, 199.
« Ibid. 202.
465
Infolge der zahlreichen Anfragen, wie man sich in gewissen
Fällen den Wiedertäufern gegenüber zu verhalten habe, erliess
die Regierung (unter Hinweisung auf das Edict vom 28. August
1527) am 1. April eine Art Executionsordnung ,als ein Land-
satzung und Recht': Damach wird die Frist zur Selbstanzeige
bis zum Sonntag Misericordia (26. April) erstreckt. ,Welche
diese Frist benützen, ihren Irrthura öffentUch abschwören, des
mständigen Pfarrers Busse auf sich nehmen und ihre Verführer
anzeigen, sollen des Lebens gefristet und des Freimanns Strafe
ledig sein und allein mit einer Haft von 8 bis 14 Tagen bei
geringerer Speise und Bezahlung der Atzung gestraft werden.*
So soll es auch denen gehen, die jetzt im Gefängnisse liegen.
Die Strafe derer, so sich vor oder nach Misericordia in den
Irrthum begeben und nach dieser Frist sich selbst anzeigen
oder ins Gefängniss kommen, bleibt dem Ermessen der Regie-
rung überlassen; die aber, welche jetzt im Thurme liegen oder
künftig dahin gebracht werden und in ihrem Irrthum verharren,
ßoU man zum Tode durch ,den Brand' verurtheilen, wenn sie
aber nach der Verurtheilung ihre Sünden bereuen, zum Schwerte
begnadigen; doch bleiben ihre Güter verfallen. Welche die
Anderen verführt und getauft haben, die sollen ohne Unterschied,
ob sie widerrufen wollen oder nicht ,mit dem Brande' hinge-
richtet werden und ihr Gut der Kammer verfaUen. So werden
auch die rückfälligen Täufer behandelt. Die Güter der Flüchti-
gen sind aufzunehmen und zur landesfürstlichen Kammer ein-
zuziehen. Eine besondere Verordnung wird bestimmen, wie es
mit dem Verbrennen, Abbrechen oder Absperren der Häuser
zu halten sei, in welchen die Wiedertäufer ,Nachtmal', Predig-
ten oder Versamndungen abgehalten.^ ,Denmach gebieten wir
Euch, Allen und Jedem, dass Ihr diese unsere Begnadung
^ Mandat Ferdinands I. vom 1. April 1528; gedruckt. Hinweis auf das Ofher
Edict, Cod. Austr. I, 642. Statthaltereiarchiv. Causa Domini II, 211.
J. T. Kripp, S. 29. In dem Abdruck, der sich in der Beck'schen Samm-
lung findet, steht zu den Worten Sonntag Misericordia Domini: Diss
wirdt noch also gehalten, wiewol der termin Misericordia Domini des
1528 iars lengst verschinen ist, aus Ursachen des speier^schen abschieds
de anno 1529. Im Auszug im Pestarchiv. Dort heisst es noch (XYIII,
39): Am vierten tag Aprilis ist ain mandat ausgangen, das die Obrig-
keiten, die recht sprechen, schworen lassen sollen, nach dem mandat am
ersten tag Aprilis ausgangen und nit änderst zu urtlen. Vgl. Causa Do-
mini II, 212. V. Kripp a. a. O., S. 30.
466
allenthalben in Städten und Gerichten Eurer Verwaltung auf
den Kanzeln dem Volke verlesen und darnach öffentlich an-
schlagen lasset/ Dasselbe Mandat liess der Bischof von Brixen
am 8. April an alle Hauptleute, Pfleger, Landrichter u. s. w.
ausgehen/ Hier heisst es am Schlüsse; ,Den Seelsoi^em wird
heimgegeben, das Volk zur Fasten- und Osterzeit zur Beicht
und Communion anzuhalten/
Mit erneutem Eifer wurde den Wiedertäufern nach-
gespürt: Am 2. April wird dem Landrichter von Rattenberg
befohlen, dem Priester Virgil Plattner, ,der ein rechter Wieder-
täufer sein soll', nachzustellen;* gegen Jörg Vasser von Schwaz
wird ein Steckbrief erlassen* und an Hans Vinsterwalder an
demselben Tage verordnet, wie er gegen die Kitzbüchler Ge-
fangenen vorzugehen habe: diejenigen, heisst es daselbst, welche
der Haft entlassen oder gegen Bilrgschaft auf freien Fuss ge-
setzt werden, sollen ein Jahr hindurch ,beim Umgang und beim
Amt der Messe' eine brennende Kerze tragen und ein Jahr in
kein Weinhaus und keine Versammlung gehen, drei Jahre nach-
einander aber Zeugniss bringen, dass sie zur österlichen Zeit
das Sacrament genommen. Die Häuser in Oberpannin, Tauer,
Sepach, am Oberlahn, am Püchl, Pfaffenbei^ und Mttnichau^
,wo Nachtmal und Versammlung der Sekt' stattfand, sollen, wo
es angeht, zu einem Exempel verbrannt oder niedergeworfen
werden/ Dem Richter zu Hertenberg wird bedeutet, dass die
Wiedertäufer im Gerichte Petersberg einreissen/
Am 3. April wurden nach Hall Weisungen in diesem
Sinne gesandt,* Tags darauf nach Stain auf dem Ritten' und
gleichzeitig an den Landrichter nach Bozen gemeldet: yEß haben
die Prälaten, Herren, Adel, Städte und Gerichte des Landes
an der Etsch, das Burggrafenamt, Vientel am Eisack und
' Statthaltereiarchiy Innsbruck. Cop.-Buch. Brixner Documente. Vgl. Sin-
nacher VII, 264—266.
• Causa Domini ü, 207.
® ,8chwarzer Bart, volles Gesicht, lange junge Person, tragt rote Flaggen
(sie) auf bramtem Hut oder Piret, dunkelblauen Wappenrock, nennt
sich etwa auch Balbierer*. 2. April. Causa Domini II, 203. Embietcn-
und Befehlbuch 152S, fol. 205.
* Causa Domini H, 206, 207.
« Ibid. 204. de dato 2. April.
« Causa Domini II, 20S.
' Ibid. n, 212.
467
Vinschgau, so jüngst zu Bozen versammelt; bei der oberöster-
rcichischen Regierung schrifUieh gebeten^ die (zu Bozen) ge-
£uigenen Wiedertäufer in Ansehung ihres Unverstands ohne
Verletzung ihrer Ehren gegen eine ziemUche Strafe zu erledigen/
Eß wird demnach befohlen, mit den Wiedertäufern, so sie wider-
rufen, glimpflich zu verfahren.^ Der Fürstbischof von Brixen
erhält dagegen einen gelinden Tadel, dass die gegen die Brixner
Wiedertäufer gefkUten Urtheile ^u gering und liederUch' lauten.
In Zukunft möge man sich nach den erflossenen Mandaten
richten.* Ueber Jörg Vasser wird an die Richter zu Herten-
bei^ und Petersberg geschrieben, dass er in und zu Stams
etliche getauft habe (die seitdem widerrufen) und nun sammt
seinen Gesellen und einer Frau flüchtig geworden und seinen
Weg gegen Telfs genommen habe.* Vierzehn Tage später
wurde das Mandat erlassen, die Wiedertäufer ,nit zu hausen,
herbergen, atzen oder tränkend* Den Wiedertäufer Augustin
Wurmb aus Brixleg, der ftinf Personen getauft, wollte die Re-
gierung nicht begnadigen: er soU vielmehr festgenommen, sein
Hab imd Gut eingezogen und wider ihn nach den Mandaten
verfahren werden.* An Jakob Fuchs wird die Weisung ge-
sendet, dass es ihm nicht zustehe, die Güter der auf dem Rit-
ten gerichteten Wiedertäufer zu behalten, sondern dass er sich
diesfalls nach den Satzungen zu richten habe.^
Inzwischen wusste der König den auf dem Landtage zu
Znaim versammelten Ständen von Mähren die Zustimmung zur
Ausweisung der Wiedertäufer abzuringen. Viele Brüder, die da-
selbst ein neues Heim geftmden hatten, kehrten nun ihre Blicke
wieder der alten Heimat zu. Als Ferdinand hievon Kunde er-
halten, beeilte er sich, die Innsbrucker Regierung in Kennt-
niss zu setzen und aufzufordern, auf die Täufer, deren be-
reits eine grosse Zahl aus Mähren entronnen sei, guten Fleiss
zu haben.'' Als Personen, auf welche insbesonders zu achten
^ Causa Domini II, 209.
* Innsbruck, 5. April. Orig. 5 Siegel. BrLxen, Lade 112, Nr, 5, Lit. A.
* Innsbruck, 7. April. Causa Domini II, 214.
* Pesterchiv XYII, 39. Causa Domini II, 216. v. Kripp, 30.
^ Innsbruck, 24. April. Causa Domini II, 219. Laut Entschliessung vom
8. Mai wurde die Habe seinem Weib und seinen Kindern überlassen.
* Embietenbuch, fol. 302.
' Keacript de dato Deutschbrod, 4. April lö28.
468
sei, werden genannt: Jörg von Passau, Hans Hut von Bibra,
Andre Riess von Utzing, Michael Milter von Schwabthal, Hans
Gruber von Eggenhof, Hans der Schwab, Hans von Langstadt,
dann einer, genannt Tauffer oder Vasser von Schwaz.*
Mit dem Verbote, die Wiedertäufer gastlich aufzunehmen^
war die Reihe der Mandate für dieses Jahr abgeschlossen. Die
Regierung hatte gleichwohl Gelegenheit, die Richtigkeit von
Luther's Ausspruch zu erproben: dass die Secte statt abzu-
nehmen, wundersam wachse — ,wachse durch den grossen
Schein der Lebenden und die grosse Kühnheit der im Feuer
und Wasser Sterbenden^ Bei ihrem Bekehrungswerke hatte
sie mit grossen Schwierigkeiten zu kämpfen, von denen nicht
die kleinste die schon oben mehrfach erwähnte Lässigkeit ihrer
Organe und des Volkes Widerwille gegen das fortwährende
Blutvergiessen war. Die Lässigkeit des Pflegers zu Guffi-
daun bewirkte es, dass Wiedertäufer in seinem Gerichte un-
gestraft umherstreifen und Versammlungen abhalten konnten.
Nicht viel anders lagen die Dinge in Sterzing. Die Regierung
erlahmte indessen nicht: auch in den folgenden Monaten fehlte
es nicht an Täuferprocessen, so gegen Egidi Marpeck in Rat-
tenberg* und Hans Sehwaighofer in Kitzbüchl;* an dem letzt-
genannten Orte schwuren am 5. Mai 106 Personen die Wieder-
taufe ab; 36 von ihnen wurden rückfllllig; doch Hessen sich
von den letzteren auch noch dreizehn zur Busse bewegen.*
Dem Richter zu Rattenbei^ wird die Weisung ertheilt, die
Wiedertäuferinnen zu Colsass auf den Pranger zu stellen und
mit Ruthen zu streichen.^ Am 9. Juni wird über wiedertäuferi-
sche Propaganda in Vells berichtet: Hier taufte Jörg Zaun-
ried, dessen Namen nun zuerst erwähnt wird, ein Vorsteher
der Wiedertäufer, den Michel Kirschner ^ und machte ihn gleich-
falls zu einem Vorsteher; diesen finden wir in der Mitte August
im Etschlande thätig. In Hall wurde der ,Salzmaier' Anton
Stoss, Sohn des aus Sachsen eingewanderten Protonotars Ulrich
^ Von kgl. Majestät L. U, 173. Causa Domini U, 216.
' Causa Doniini II, 224 (Mai 6).
» Ibid. n, 222 (Mai 9).
* Bericht vom 13. Mai. Causa Domini II, 229.
» Causa Domini II, 229.
• Ibid. n, 422.
469
Stoss der Hinneigung zur seelischen Partei bezichtigt.^ Ein
Schreiben Clemens VII. vom 9. Juli an den Cardinal und Erz-
bischof von Salzburg* verbreitet sich über die vornehmlich in
Niederösterreich ei^ffenen Massregeln gegen die Wiedertäufer.
Am 19. August nimmt die Regierung den Bericht des Mathias
Langer in Kitzbüchl zur Kenntniss. Dieser erzählt, dass er
dem Befehle nach am 10. August an dem Schweighofer und
Aschelbeiger ,des Fehls' wegen die Execution auf offenem
Platze habe ergehen lassen wollen.^ Da habe eine Person,
Namens Thoman Hermann von Böhmisch- Waidhofen, vor Allen
etliche scharfe freventliche Worte geredet, ,dadurch er die Gte-
£angenen gern abwendig gemacht hättet Hermann wurde nun
eingezogen. Aus seinem Bekenntnisse wurde gefunden, ,dass
er ein rechter RadelfUhrer und Tauffer, auch in diesem Lande
viele getauft habe'. Am 28. August* vor die Geschworenen ge-
stellt^ wurde er von diesen zwar ,zum Brande' verurtheilt und
sofort verbrannt, aber die ,Geschworenen hätten ein Entsetzen
gehabt, anzugeloben und sich hören lassen, dieweil sie nit
wissen, ob solch' unser Ordnung und Satzung in solchem Fall
der Wiedertauf' von den Ständen der Landschaft angenommen
sei oder nit'. Langer erhielt am 2. September die Weisung, in
ähnlichem Falle firemde Geschworene und Rechtsprecher beizu-
ziehen, damit dem Rechte genug geschehe.
Von dem Richter in Kitzbüchl, ,der so viele verurtheilen
und tödten Uess', erzählen die Geschichtsbücher der Wieder-
täufer, dass er später selbst als Ketzer erftinden ward, ,was
aber um keines Glaubens willen geschah, sondern dass er auch
hier vor der Welt musst' zu Schmach und Unehr kommen'.
Auch den Gerichtsschreiber traf ,die Rache Gottes': ,Als er
im Winter auf einem Schütten in der Stadt herumfuhr, warf
ihn das Ross an ein Eck in der Gassen, dass ihm die Him-
» Juni 29.
* Gleichzeitige Copie in der v. Beck^schen Sammlung.
* Siehe auch die Geschichtsbücher der Wiedertäufer, 8. 65.
^ Causa Domini II, 278, 288. Das Vergehen Hermann's wird in den Ge-
schichtsbüchern, S. 66, angemerkt: Auf den Spott der Menge: ,Ei, wie
fein lassen Eure Lehrer das Leben für Euch/ hatte er gesagt: ,Ja, das
ist die göttliche Wahrheit, die will ich mit meinem Blute bexeugen.*
,8ein Herz kunt' man nit verbrennen; sie wurfen's zuletzt in einen See.'
Ueber Hennann als LiederdicJiter siehe Geschichtsbücher, 8. 66.
* Ebenda.
470
schalen heraosgangen ist. Hat also seinen Kopf nit sanft hin-
gelegt, wie der Bruder Hans Kitzbüchler und Christian Häring
davon gewusst haben/
Im Oetober 1528 tauchen Wiedertäufer im Gerichte Car-
neid auf;^ am 22. erhält der Pfleger auf dem Ritten die Wei-
sung, nach vier mit Namen genannten Wiedertäufern, die sich
bei dem Wirthe Prior zu St. Piligrim aufhalten, zu fahnden.
Im November und December zeigen sich Wiedertäufer im
Gerichte Wangen, im Gerichte Vells, dann zu Griess \md
Bozen;* die auf dem Ritten wurden im December verhört;*
am 24. d. M. sagt sich ein Wiedertäufer auf Prefels von der
Secte los; ebenso hört man neuerdings von Wiedertäufern auf
dem Ritten und im Oetzthal,* zu Kurtatsch und Michels-
berg.^
4. Ausbreitang and Abwehr des Anabaptfsmas nOrdlieh
and sfidlleh vom Brenner (152&— 1529).
Zu den rührigsten Wiedertäufern am Eisack, Ritten und
Umgebung gehörte Jörg Zaun ring (Zaunried) ,aus dem Inn-
thaP, Huter's nachmahger Gefährte und Säckelmeister. Er
taufte im Sommer 1528 viele Leute am Ritten, zu Vils und um
Völs. Auch der von ihm getaufte Kirschner, von Haus aus
Klesinger genannt, unternahm es, das Apostelamt zu versehen
und lehrte in und um Teutsch-Noffen, im Gerichte Guffi-
daun, Kurtatsch, Kaltem, bei Leifers und Clausen, überall
der Gegenstand eifriger Nachstellimgen, bis es dem Richter von
Kitzbüchl am 25. April 1529 gelang, ihn in einer nächtlichen
Brttderversammlung zu Kitzbüchl zu überfallen und mit sieben
Genossen gefangen zu nehmen.* Auf die Anzeige hievon e^
hielt Mathias Langer am 1. Mai 1529 den Aufkrag, ihn, ,der
ein Vorsteher sei und laut seiner eigenen Aussage über 100 Men-
^ Causa Domini U, 308, 312.
« Ibid. n, 324, 328.
' Notiz in der v. Beck^schen Sammlnng.
* Kath. Blatter für Tirol 1868, 8. 13. Vgl. auch den Boten für Tirol 1862,
S. 238, flber Wiedertäufer in Rattenberg etc.
» Causa Domini II, JEnner 1Ö29. Oeorgii Registr. Prot. XI, fol. 573. Brixen.
« Causa Domini II, 401—402.
471
sehen getauft habe, nach Innsbruck zu bringen. Dort und nicht
in Kitzbüchl wolle man über diesen Principal -Vorsteher die
Rechte ergehen lassend Durch zwei jAinspenniger^ nach Inns-
brack gebracht, lag er dort, allen Bekehrungsversueben unzu-
gänglich, im Kräuterthurm und bestieg am 2. Juni bei der
Schiessstätte jenseits der Innbrücke den Scheiterhaufen.^ Man
hatte es mit seiner Hinrichtung so eilig, dass die sogenannten
Geheimartikel, welche am 6. Juni vom Hofe der Regierung
eingesendet wurden, um aus ihnen zu entnehmen, wessen man
sich von Ktlrschner zu versehen hatte, nicht mehr benützt werden
konnten.* Die Artikel waren dem Könige durch eine ,treffen-
lich glaubwürdig rittermässige^ Person überantwortet worden.
Von Seiten des Landesfürsten geschahen alle nothwendi-
gen Schritte, um dem Umsichgreifen der Secte Halt zu gebieten.
Das Mandat vom 6. Februar 1529 * erneuert die früheren Er-
lässe. Wir finden, heisst es dann weiter, ,durch genugsam
Unterricht und tägliche Erfahrung, dass an etlich Orten die
Urtheilsprecher nit nach Ausweisung unserer Satzungen, son-
dern nach ihrem eigenen Sinn urtheilen wollen und die, so
billig ihrem Verschulden nach am Leben zu strafen gewesen
wären, ledig erkannt'. Da etliche solche Personen ihre Gelübde
urid Eide verachtet, ,so dass diese verführerische Secte sonder-
lich im Land unserer Grafschaft Tirol auf diesen Tag mehr
denn in einem anderen Land geftinden werden, so setzen wir
fest, dass hinfliro alle und jede Manns- und Weibsperson, die
sich wiedertaufen lassen, so sie betreten wird, ins Geßlngniss
gebracht und an Leib und Leben gestraft werde und dass auch
die Richter imd Urtheilsprecher in den Städten und Gerichten
also und nit anders urtheilen sollen und darum, ehe sie sich zu
,den Rechten' niedersetzen, einen Eid zu Gott und den HeiUgen
schwören und keiner sich des verwidem solle'.
Man vernimmt nichtsdestoweniger auch aus den nächsten
Wochen und Monaten von zahlreichen Processen gegen Wieder-
täufer: so wurde im Februar 1529 Wilhelm Stabmüller in
* Causa Domini U, 422.
* Von kgl. Majestät des oberösterr. Regiments zu Innsbruck ,Wiedertäufer-
Ärtikel* LII, fol. 400.
* Statthaltereiarchiv Innsbruck. Causa Domini II, »49. Peetarchiv XVm,
39 (mit Glossen). Vgl. die Geschichtsbücher, S. 90.
472
Rattenburg gerichtet,^ der Process gegen Hans Kofier daselbst
wieder aufgenommen;^ den Geschworenen zu Bozen, die sich
renitent benommen, eine Rüge ertheilt,* über Wiedertäufer in
Clausen und Guffidaun geklagt.* Die Regierung höre mit
Missvergnügen, dass der Pfleger zu Guf&daun etUchen Wieder-
täufern in seiner Verwaltung den Aufenthalt gestatte und dringe
darauf, dass dieser Pfleger entfernt werde.^ Im Gerichte Mi-
chelsberg und Sonnenburg machen sich Wiedertäufer bemerk-
bar.^ Von Speier aus befiehlt König Ferdinand, dass die Re-
gierung 50 Knechte auf sechs Wochen oder zwei Monate
unterhalte und drei Inquisitoren einsetze, damit man der wieder-
täuferischen Secte in der Gtrafschaft Tirol beikomme.' Einen
solchen Vorschlag, einen Hauptmann mit etUchen Knechten gegen
die Sectirer aiiszusenden, machte ein Schwazer, Namens Jobst
Engenst.® Die Regierung verordnete am 1. April, an einem
Tage, an welchem von dem Auftauchen von Wiedertäufern im
Zillerthale, und zwar in Kropf berg berichtet wird,* dass ,in den
verdächtigen Bezirken^ zwei Knechte auf Kosten der Kanmier
aufzustellen seien, ,die den mit dem Wiedertauf Befleckten nach-
zustellen hätten'.
Die bedeutendsten Herde der Wiedertaufe waren Ster-
zing, Hall und Kitzbüchl. Bürger, Bauern und Knappen
zählten zu den Tau%esinnten und füllten die kaum leer ge-
wordenen Kerker immer wieder aufs Neue, begierig, ,die blutige
Rose zu pflücken, nach welcher das treue Herz sich sehnte'.
Zu den Taufgesinnten in Sterzing gehörte Ulrich Stadler,
den wir später als Lehrer und Vorsteher der Brüder in Mähren
und Polen treffen. ,Zu Hall', meldet Schweyger's Chronik, ,8eind
vil Person, Mann und Weib und Jungfrauen, Jung und Alt,
in die Sect' der Widertouffer kumen. Haben nachmals diese
Sekt' widerruft durch Unterweisung Magistri Christoffen LandtB-
^ Statthaltereiarchiy Inimbnick.
* Cansa Domini II, 360.
* 27. Febraar. Causa Domini II, 351.
* Brix. Keg. Pract 11, fol. 224.
^ Caasa Domini II, 35S.
* Ibid. 18. MÄra.
* 18. M&rz. Speier. Innsbrucker Archiv. Gesch. vom Hof, 1629.
^ Orig. Hof kammerarchiv,
* Causa Domini II, 370.
473
perger, dieser Zeit Pfarrherr und Prädicant/ Zu den Gefangenen
in Hall stellten die Ende August 1529 durch den Richter in
Hertenberg in einer Au bei Mils aufgehobenen Täufer die
grösste Zahl. Unter ihnen waren die ihrer Standhaftigkeit
in den Chroniken und Liedern gefeierten zwei ,Schwe8tem^,
Annele Malerin und Urschl Ochsentreiberin, die durch einen
Bäcker und Tuchscherer in Hall der Wiedertaufe zugeführt
worden waren.* Die Mehrzahl der Gefangenen bequemte sich
zum Widerruf. Sie hatten demnach zu beichten, dann an einem
Sonntag vor dem Umgang oder dem Amte die Wiedertaufe ab-
zuschwören, an demselben und den nächstfolgenden zwei Sonn-
tagen ,barhaupt und barfuss' in der Procession vor dem Pfarrer
zu gehen und während des ganzen Amtes vor dem Altare
khieen zu bleiben. Ausserdem hatte Jeder einen schriftlichen
Widerruf zu unterzeichnen, der also lautete:* ,Ich bekenne,
als ich mich in die verführerische Secte der Wiedertaufe
und was daran hängt, bewegen hab' lassen, dass ich daran
unrecht gethan und mir von ganzem Herzen leid ist und
widerruf und verschwöre dieselbe verführerische Sekt' der
Wiedertauf* hiemit öflFentlich, zuesag und verpflicht' mich von
dieser Stund hinfür mein Lebelang der Einigkeit der christ-
lichen Kirche anzuhangen und mich davon keineswegs weiter
abzusondern.'
Eine noch grössere Ernte als in Hall und Sterzing hielt
die Wiedertaufe in Kitzbüchl, wo der Gerichtsherr fem —
Kitzbüchl war damals dem Erzbisthum Salzburg verpfllndet —
und die Pfleger entweder nicht eifrig genug oder ohnmächtig
waren, der Bewegung lEinhalt zu thun. Die Zahl der 1528
daselbst eingezogenen Täufer betrug über 200.
Der Befehl des Abtragens oder Abbrennens jener Häu-
ser, in denen Wiedertäufer ihre Versammlungen abgebalten
hatten, weckte den Widerspruch jener, deren Privatrechte hie-
durch geschädigt wurden. Daher wurden mildernde Erläute-
rungen des genannten Befehles ausgegeben: ,Item als weiland
terr Cristoph Fuchs, hauptmann zue Kuefstain bescheids be-
gert, dieweil er bevelch hab', die heuser, so die Widerteuffer
* Siehe die Geschichtsbücher der Wiedertäufer, 8. 90. Vgl. Chronik von HaU.
Reg. in der v. Beck'schen Suramlung.
* Causa Domini II, 490, 506, 641.
Archir. LXIVIII. Bd. II. HOlfte. 81
474
enthalten, verprennen zu lassen, das sei den grundherren be-
schwerlich, gibt ein regierung im bescheidt: die heuser in
stetten sollen nit abprennt, sondern aUein die heuser auf dem
gew.^ Wo auch zins und gultin auf einem haus lege, und
der, so die Zusammenkunft gestattet, soll er die zins ablösen;
wo aber der hausherr nichts darumben gewisst, soll es nit ab-
geprennt werden/*
Eine andere Sorge machte der Regierung die Unter-
bringung der zahlreichen unmündigen Kinder, die von den
Flüchtigen zurückgelassen wurden. Im Gerichte Kitzbüchl
fanden sich in solcher Weise im April 1529 an 40 — 50 eltern-
lose Kinder; sie wurden in ein Haus gethan und ihnen ein
Vormund gesetzt.^
Ein solcher Flüchtling, der Weib und Kind, Hab und
Gut verhess, um dem Rufe ,der Posaune aus dem Gebirge
Ephraim zu folgen', war der Dichter des Liedes: ,Kommt her
zu mir, spricht Gottes Sohn' — Jörg Grünwald von Kitzbüchl,
,ein Principalvorsteher' der Täufer.* Er hielt sich im Septem-
ber 1529 zu Lakstatt in Baiem (Gericht Klingen) auf. Die
Hauptleute von Kufstein und Rattenberg und der Pfleger von
Kitzbüchl waren angewiesen, seine Heimkehr zu überwachen.
Er wurde im folgenden Jahre in Kufstein betreten und hin-
gerichtet.^ Am 7. December 1529 wurden wieder 20 Wieder-
täufer gefangen, die in den Büschen eines Berges bei Kitz-
büchl ihre Zusammenkunft abhielten. Unter ihnen waren neun
RückftlUige, die zuvor am Friedhofe zu Kitzbüchl widerrufen
hatten.^ Viele von ihnen waren durch Jakob Partzner, ,etwan
ein Priester, der vor gueter Zeit als ein Vorsteher der
Secte aus dieser Grafschaft Tirol flüchtig geworden^, getauft
worden.
1 Qew ■= das Land im Geg-ensatze zu den Städten; etwa der Weiler Gangs
bei Mttnichau; da hatte der Richter von Kitzbüchl JOrg Perger am
26. April eine Täuferversammlung überrascht und, wie oben erwähnt
wurde, sieben Taufgesinnte gefangen genommen.
* Causa Domini II, 395, 402. Amtlicher Extract im Pestarchiv.
' Das Regiment an dftn Pfleger von Kitzbüchl, 25. Juni 1529. Caus»
Domini U, 437.
* Geschichtsbücher der Wiedertäufer, S. 104/5.
* Ebenda.
^ Causa Domini U, 547.
475
Die Bewachung der Wiedertäufer im Zillerthaley nament-
lich um Kropf berg, wurde dem salzburgischen Pfleger auf dem
Schlosse au%etragen. Eine gleiche Weisung ging nach Ratten-
bei^ und Rotenburg gegen die vier Hauptvorsteher: Hans
Streicher, Adam Steiner, Paul Polt und Wol%ang Maier. ^ Von
den Rattenberger Täufern wurde Christian Gschöl im August
1529 hingerichtet, seine und die Güter der von Rattenberg
flüchtigen Täufer eingezogen.^ Dreizehn Kinder, die sie hinter
sich gelassen, fielen der Versorgung durch die Behörden zu.
Die grösste Zahl zur Rattenberger Malstatt stellten die
von der Wiedertaufe ,angesteckten* Ortschaften der Umgebung
Brixlegg, Ratfeld, Kramsach, Breitenbach, Puch und
Immin g. Aus diesen Ortschaften stammten jene zwölf Wieder-
täufer, Männer und Frauen, die am 20. September eingehefert
wurden. Von den Frauen gehörten vier angesehenen Familien
an. Vergeblich war die Mühe des aus Schwaz herbeigerufenen
Barflissers Reinhard, die Gefangenen zu bekehren. Dem
Richter zu Rattenberg wurde hierauf befohlen, ,ihnen ihr Recht
ergehen zu lassen^^ Einige der Gefangenen leisteten schliess-
lich den Widerruf, die anderen wurden zum Tode verurtheilt,
das Urtheil am 12. December vollzogen.* Wiewohl die Manns-
und Weibspersonen und namentlich der Rückfällige (Nick-
hinger) hart gemartert wurden, konnte der Hauptmann auf
Rattenberg aus ihnen doch nichts herausbringen, denn: Sie
wollen eher sterben, ehe sie zu Verräthem werden wollten.^
Der ,kleinen Anzahl' des der Hand des ,Meisters Hansen'
verfiiUenen Volkes folgten rasch nacheinander mehrere andere.
•
^ Causa Domini II, 424.
* Ibid. n, 602, 492.
* Ibid. n, 627.
* Vgl. den Bericht über die Hinrichtung des H. Nickbinger, H. Ober und
Kath. Streicherin bei J. v. Kripp, S. 32.
* Bericht CristoflF Philipps v. Liechtenstein vom 22. December 1529. Orlg.,
Papier. Ein Siegel als Verschluss. Innsbmcker Statthaltereiarchiv, Pest-
archiv, XVIII, 39. J. V. Kripp, S. 32. Copie in der v. Beck'schen Samm-
lung. Auch über die Kosten solcher «Rechtfertigungen* finden sich im
Statthaltereiarchiv zu Innsbruck Aufzeichnungen. Der Zöllner zu Katten-
berg Stephan Wessner hat am 23. October dem Landrichter 26 Gulden
zu zahlen ; für die «Rechtfertigung* vom 22. December wurden 81 Gulden
bezahlt. Gemeines Missivenbuch 1530.
81*
476
unter ihnen die ,Principal-Täiifer' Polt, Steiner und Leopold
Nicking von Brugg.
Ch. Philipp V. Liechtenstein eröfihete in seiner Relation
den Regenten, ,seine8 Erachtens gebe es auch in Schwaz
heimliche Wiedertäufer, unter ihnen 5 — 6 Vorsteher. Mit dem
blossen Streifen werde da wenig ausgerichtet sein ; besser wäre
es, etliche Vertraute in Sold zu nehmen, die sich taufen Hessen
und so leicht alles erfahren könnten ; man könnte solchen Leuten
,in der Stille' 50 — 60 Gulden verabreichen. Auch sei bei ein-
zelnen Kirchen kein Priester zu finden, wodurch die Unterthanen
ohne Gottesdienst bleiben. Endlich möge die Pfarre in Ratten-
berg, die dermalen durch einen ungeschickten Gesellpriester
verwaltet sei, ordentlich vereehen werdend Solche Späher
wurden in der That angestellt und ihnen für die Ausforschung
jedes Vorstehers, der hiedurch eingebracht wurde, 40 Gulden
Rheinisch versprochen.' Dem Erzbischof von Salzburg wurde
nahegelegt, nach Ileuth — zu welcher Hauptpfarre Rattenberg
(bis 1786) gehörte — einen gelehrten und geschickten Ordina-
rius zu senden, da etliche Filialkirchen mit keinem Priester
versehen seien und die Unterthanen ohne Gottesdienst bleiben.
Ew. F. Gnaden wissen gar wohl, dass die neuen verführe-
rischen Secten nicht weniger durch gute, gelehrte und ge-
schickte Priester, als durch streng weltliche Strafen abgestellt
werden.«
Weniger als Rattenberg war das Landesgericht Sonnen-
berg (mit der Pflegschaft Wellenburg) von Wiedertäufern
heimgesucht. Dieses tibte die peinliche Gerichtsbarkeit auch
über die Stadt Innsbruck aus. Hier wurden im Spätherbste
1529 der Buchhalter Balthasar Vest und seine Hausfrau als
Wiedertäufer festgenommen.^ Beide verweigerten den Wider-
ruf (6. December) und wurden vier Tage später gerichtet
Dire Habe, darunter Bücher und ein Häuschen in Tauer,
* Causa Domini II, 566. Erlass vom 26. December 1629.
' Zuschrift der Regierung de dato Innsbruck 25. December 1629. Causa
Domini H, 666.
' Reg. an Peter Braunecker, Richter zu Sonnenburg, 2. December 1629.
Causa Domini II, 645. Beide gerichtet 10. December 1629. Hofkammer-
archiv; daselbst worden auch die Kosten fMr den Process venieicbnet.
Innsbnicker Archiv. Embieten- und Befehlbuch anno 1629. Vgl. die
Geschichtsbücher, S. 90.
477
wurden von der Kammer eingezogen und hievon die Gerichts-
kosten bestritten. Der Rest wurde nicht den Verwandten, die
darum ansuchten, sondern^ dem Innsbrucker Bürger Hans
Pirger mit der Erwägung überlassen, dass er sich früher in
der Kanzlei des Kaisers Maximilian gegen geringe Bezahlimg
brauchen Hess, in dessen Kapelle bedienstet war und sich in
diesem Dienste einen ,beinbrüchigen' Schaden zugezogen hatte.
Begnadigt wurden am 26. und 27. November der Tischler-
meister von Innsbruck, Jörg von Werd, und der Tuchscherer-
meister Michael Resch.*
Weniger wachsam war der Pfleger des Gerichtes Peters-
berg, Uhnch Rungen. Ihm waren von den Wiedertäufern, die
er anfangs JuK eingebracht hatte, in einer dunklen Nacht fUnf
entkommen, woftlr er von Seiten der Regierung gerügt wurde.'
Prädicanten zeigten sich zu Wenns'* und um Flauerling,^
besonders aber im Otzthal, im Pfarrsprengel von ^ilz und
zu Umhausen. Der Gesellpriester dieses Ortes neigte der
neuen Lehre zu und soll im zwinglisch-täuferischen Sinne über
das Abendmahl und die Fürbitte der Heihgen gepredigt
haben.*^
Nicht weniger tiefgehend war die Bewegung jenseits des
Brenners. Ende Februar wurde Hans Kofler, der das Jahr
zuvor begnadigt worden war, nach Sterzing eingebracht und
wenige Wochen später gerichtet; am 29. März folgten die bei-
den Brüder Steinfelder und der junge Hofwieser, am 6. April
Heinrich Goldschmied und Blasy Gengel.'' Dagegen wurde
Ulrich Stadler aus dem Stcrziiiger Schergenhausc entlassen.
Er leugnete zu den Wiedertäufern zu gehören. Wohl habe er
seit zwei Jahren das hoch würdige Sacraraent nicht empfangen,
aber nur deswegen nicht, weil es ihm der Pfarrer, dem er
nicht zweimal beichten wollte, vorenthalten habe. Die Re-
* Kgl. Erlass. Prag, 16. März 1530. Wiener Hofkammerarcliiv.
* üeber die Bedingungen, unter denen Jörg von Werd und Michael Resch
begnadigt wurden, siehe die Beilagen Nr. 4.
* Causa Domini II, 1529.
* Ibid. II, 1529. Bericht vom 30. Mai.
* Ibid. Bericht vom 9. September. Cau«a Domini 533/J.
* Ibid.
' Causa Domini U, 350, 374. Missivenbuch 1529.
478
gierong ordnete hierüber eine Untersuchung an und ve^
fiigte, als sich diese ungebührlich in die Länge zog, seine
Freilassung.^
Was die übrige Täuferbewegung jenseits des Brenners
betriflft, so finden wir im Jahre 1529 Täufer erwähnt, und
zwar im Jänner im Michaelsburger Gerichte und zu Täufers;
im Februar zu Bozen, Mölten, Sterzing, Samtheim und Wan-
gen; im März im Guffidauner Bezirke^ dann um Michaels-
burg, Schöneck und Sonnenburg; im Mai im Pusterthale,
namentUch um Metsburg, Bruneck, Toblach und Michaelshurg;
im Juni bei Völs, Bruneck, am Ritten, zu Brixen, am Breiten-
berg, bei Bozen und im Michaelsburger Bezirke; im Juli zu
Sterzing, Bozen, Kurtatsch, Brixen, am Ritten und Peytelstein;
im August am Ritten, zu Klausen und Guffidaun; im Sep-
tember zu Vill, Neumarkt, Tramin am Moos, bei Leyfers,
Klausen und Guffidaun; im October zu Gries und Bozen;
im November um Neumarkt; im December zu Brixen, am
Ritten, bei Toblach und an vielen Orten des Pusterthaies, in
Kaltem, in Deutsch-NofFen und im Fleimser-Thale.
Im Michaelsburger Sprengel machte sich die Täufer-
bewegung schon im März derart bemerkbar, dass die Re-
gierung den nachsichtigen Landpfleger zu besonderem Ernste
ermahnte. Ende April wurden 13 Täufer von hier an das
Gericht zu Brixen abgeliefert^ und vier von ihnen am 4. Juni
hingerichtet; unter diesen befand sich ihr Vorsteher, der im
Pusterthale vielgenannte Gregor Weber von Pflaurenz, Huter's
* Causa Doraini II, 456, 466. Reg.- Prot. 11, fol. 870 in Brixen. Causa
Domini 468.
* Unkosten verzeich niss ,auf die W.-T. im Gericht Michelsburg aufgelaufen
auf die 15 W.-T., so gen Brixen geführt waren: 1. als der Gregori Weber
mitsammt dem Wieser und drei seiner Sohne gefangen worden am 27 Tag
Aprilis ... so sein diese 5 gen Brichson geführt . . . Zum andornraal ist
gefangen worden am 21. Mai die KofÖerin von Reischach, Caspar Maior
Pauln; am 24. Mai Wilhalm Sämsfeuer in Pflaurenz, Marx in der Au,
Hans Vischer zu Sonnenburg, Pirchner zu Saln, Agnes ein Wittib zu
Erspan, die Paderin von S. Laurenzen, die alt Wieserin nnd ihr Tochter.*
Auszug aus dem Orig. in Lade 112, Nr. 6, Lit. B. Cop. in der v. Beck-
schen Sammlung. Urgicht und Bekauntnus dieser Personen wird am
4. Juni nach Innsbruck gesendet. Brixener Archiv. Georg. Reg.-Prot 11,
fol. 845.
479
vertrautester Freund und Lehrer. Er endete mit zweien seiner
Brüder in Gegenwart zweier seiner Brüder und eines zahlreichen
Volkes^ auf dem Scheiterhaufen. Seine Habe wurde von der
Kammer eingezogen, doch nicht ohne Widerspruch des Bis-
thoms, welches als Pfandinhaber auf den Nachlass des Hin-
gerichteten Ansprüche machte. Die Regierung sprach am
11. Juni^ dem Bischöfe gegenüber den Wunsch aus, es möchten
solche Wiedertäufer in Zukunft an das Michaelsberger Gericht
znrückgeschickt werden, dahin sie ordentlich gehören; sonst
würde Sr. kais. Majestät als LandesfUrsten ein Abbruch ge-
schehen.
Die Zahl der in den Gefibignissen zu Brixen liegenden
Wiedertäufer erhielt am 9. Juni einen weiteren Zuwachs durch
einen Haufen Wiedertäufer aus Kiens und St. Lorenzen, die
gleichfalls durch den Pfleger von Michaelsburg aufgebracht
worden waren. Die Mehrzahl von ihnen wurde hingerichtet,
begnadigt Agnes Hueterin von Moos, die leibliche Schwester
des bisher in der OeflFentlichkeit noch nicht genannten Jakob
Hueter.^ Nach Brixen wurde nun auch der ehemalige Brun-
ecker Gesellpriester Benedict abgeUefert. Er war noch
Priester, als er gegen die Hinrichtung der Ketzer eiferte: ,dass
man die Christen von Glaubens wegen ertränke oder ver-
brenne, möge den Christen nicht kümmern, das Werk Christi
bleibe dennoch ewig bestehen, und Pfleger, Richter und Obrig-
keiten gleichen dem Pilatus, der auch die Entsetzung Christi
vom Amte besorgtet Wegen solcher Reden zur Verantwortung
nach Brixen gezogen, wurde er wieder entlassen, als er Besse-
rung gelobt hatte. Aber der Muth, die Frömmigkeit und Zucht
' »Es ist auch ein gross Welt von Volk hier gewesen, allein die Jnstitia
ist ganz wol von statt gangen/ Was sich dabei mancher Zuschauer gesagt
haben mag, sagt der 1561 zu Innabruck hingerichtete Jörg Raik: ,Er
habe mit eigenen Augen gesehen, dass mau zu Stein einen, der solchen
Glaubens gewesen, verbrannt habe. Das alles habe er zum höchsten
beherzigt und gedacht, es müsste doch eine gewaltige Gnade Gottes bei
ihnen sein, dass sie so beständig in ihrem Herzen bis in den Tod ver-
harren' (Cod. Gran.).
' Orig., Lade 112, Nr. 6, A.
' 8tatthaltereiarchiv Innsbruck. Causa Domini ad aunum 1629. Embieten-
buch.
480
der Wiedertäufer fUhrten ihn bald ganz iu das Lager der
Taufgesinnten.
In gleicher Weise wie der Pfleger von Michaelsburg
räumte jener von Schöneck in seiner Verwaltung auf. Eine
Chronik nennt sechs Personen, die ,auf Schöneck gerichtet
worden sind', was wohl so zu verstehen ist, dass sie da-
selbst ergriffen und in Brixen verurtheilt wurden. Um der
Verfolgten in den Wäldern und Einschichten, wo sie zumeist
ihre Versammlungen hielten, habhaft zu werden, mussten oft
zwei bis drei Bezirke ihre Streitmacht aufbieten. Gleichwohl
gelang es nur in sehr seltenen Fällen, das ,ganze Nest' aus-
zuheben.
AnsehnUche Opfer kostete auch die Malstatt zu Bozen.
Die Geschworenen bekundeten zu wiederholten Malen einen
heftigen Widerwillen gegen das fortgesetzte Blutvergiesseu
und verweigerten unter dem Vorwand den Gehorsam, sie
dürften sich nicht mit den Handlungen von Personen be-
laden, die nicht verstockt oder malefizisch sind und noch über-
dies aus anderen Gerichtsbezirken, wie Wangen, Mölten,
Sterzing, Sarnthein, nach Bozen gesandt und dem zu-
ständigen Richter entzogen wurden. Am 26. Februar sandte
der Landrichter Jakob Kuppfer eine hierauf lautende Be-
schwerde an die Regierung. Diese antwortete: Sage den Ge-
schworenen, dass es in des Landesherrn Macht stehe, den
oder die Gefangenen aus besonderen Ursachen einem jeden
Gerichte zu überantworten.^
Der Ritten mit seinen Einschichten und zerstreuten
Weilern bot den Wiedertäufern noch die meiste Ruhe und
Sicherheit. Hier hatten sie in Geraeinschaft mit den Puster-
thalern eine förmliche Gemeinde und einen Seckelmeister Jörg
Zaunring (Zaunried). Dieser hielt zu wiederholten Malen
auf dem Ritten das Abendmahl ab.^ Hier überfiel der Pfleger
Augustin Heyerling eine Versammlung und führte 13 Personen
gefangen mit sich. Unter ihnen befand sich Hans Gasser'
und seine Hausfrau, beide schon 1528 beanständet; nun
wurde er ,des Widerrufs und der Busse widcrwilUg zu Bozen
• Antwort vom 25. Februar. Causa Domini II, 351.
• Causa Domini U, 562.
• 18. Juni 1529. Causa Domini ad annum 1529.
481
mit dem Schwerte gerichtet*,^ seine Frau mit mehreren anderen
nach harter Busse begnadigt.
Die Verfolgung wurde mit um so grösserem Nachdruck
betrieben, als die Wiedertäufer in den Augen der Regierung
Dicht allein als Ketzer, sondern auch als Rebellen und Auf-
rührer galten, deren Ausrottung ebenso sehr zur Erhaltung
des Friedens und der staatlichen Ordnung, wie des christ-
lichen Glaubens nothwendig sei. Darum wird in den ver-
schiedenen Mandaten der staatliche Gesichtspunkt nicht an die
letzte Stelle gesetzt. In dem Mandate vom 1. April 1528 wer-
den die Wiedertäufer als eine Secte dargestellt, ,aus welcher
nur Vertilgung der Ehre Gottes, Verachtung der Obrigkeit,
Ungehorsam, Krieg, Verderben, Blutvergiessen und alles Uebel,
80 man leider seit mehr denn 100 Jahren nicht so sehr wie
jetzt gesehen, erfolgt ist^ Diese in den Schriften und Reden
des Hofpredigers Dr. Johannes Fabri und aus den Handlungen
der Regierung ersichtliche Unkenntnis des eigentlichen Wesens
der Wiedertäufer erklärt die Härte und Grausamkeit der wider
sie angewendeten Massregeln. Bei besserem Verständnis ihrer
Natur und Tendenzen wäre ,den Stillen' im Lande zweifellos
ein besseres Geschick vergönnt gewesen. Ein Aufruhr lag ihren
Bestrebimgen durchaus fem, ebenso wie etwa die Aufrichtung
eines weltlichen Regimentes, und mit dem Bauernkriege, den
man, alle Unzufriedenen zu Wiedertäufern stempelnd, nur zu
gern auf ihre Rechnung zu setzen pflegt, hatten diese dem
Blutvergiessen und dem ,Schwerte' grundsätzlich abholden
Leute nichts zu schaffen.^
Unter allen Bezirken südlich vom Brenner war der
Michaclsburger am schwersten heimgesucht, und gerade liier
war CS, wo der Hauptwiedertäufer Jakob Huter in den schwer-
sten Tagen des Anabaptismus seine Wirksamkeit begann und
eine Thätigkcit entfaltete, die ihm von der wälsch-tirolischen
Grenze bis Kufstein, von Eisack bis tief ins Kärntncrland alle
Thore der Separatisten öfinete.
' Embieten- und Befehlbuch, 1529.
* Als Nachtrag zu der oben S. 478 gegebenen Uebersicht über die Aus-
breitung der Wiedertäufer in Tirol möge hier noch erwiihut werden,
da88 solche auch in Stubai wahrgonommen uud im September 1529
aufgesucht wurden. Causa Domini II, ad annum 1529.
482
5. Jakob Hüter und die Verfolgen ii^ der WiedertSnfer In
Tirol in den Jahren 1529—1530. Die Tiroler In HXhren.
Im Tone der Bibel sprechen die Geschichtsbücher der
Wiedertäufer von Jakob Huter: ,In dieser Zeit kam einer,
mit Namen Jakob/ Er stammte aus dem kleinen Weiler Moos
bei St. Lorenzen in der Nähe von Bruneck im Pusterthale.
Auf der Schule zu Bruneck nothdUrftig unterrichtet, kam er
nach Prags, um dort das Hutmacherhandwerk zu erlernen.
Dann griff er zum Wanderstab und zog in seinem Handwerk
hierhin und dorthin und Hess sich endlich zu Spital in Kärnten
nieder. In Klagenfurt mag er zuerst mit den Lehren der
Wiedertäufer bekannt geworden sein, die fiir sein weiteres
Leben so bedeutungsvoll waren. Baiem und Schlesien hat er
niemals betreten. Von Gabriel und dessen Schlesien! hörte
er erst im Sommer 1529, als er, für seine Gemeinde ein stilles
Plätzchen suchend, in Mähren erschien.^ Nachdem er — man
weiss nicht, in welchem Jahre — ,den Gnadenbund eines
guten Gewissens im christlichen Tauff, mit rechter Ergebung,
nach göttlicher Art zu wandeln angenommen, und die Gaben
Gottes bei ihm reichlich verspüret worden waren, wurde er
zum evangelischen Dienst erwählt und bestätigt*.* In dieser
Stellung durchzog er zuerst das Pusterthal. Eine der ersten
kleinen Täufergemeinden, an deren Spitze er stand, war jene
zu Welsperg. Sie versammelte sich abwechselnd im Hause
seines Verwandten, des Balthasar Huter, oder im Hofe des
Sensenschmiedes Andre Planer. Bei dem ersteren taufte er an
einem Tage zehn Personen. Unter den ,Brüdcru und Schwestern'
im oberen Pusterthale war er unter dem Namen Jakob Huter
* Geschichtebücher, 8. 84. Dort ist auch die Meinung widerlegt, dass
Hutor aus Welsperg im Pusterthale stammte. Ohne allen Grund wird
Huter von älteren Schriftstellern, wie Plärre, Meschovius, selbst noch
von Hast (Geschichte der Wiedertäufer, S. 198) ein Schüler des Nieolau»
Storch und Sohn eines Hutmachers genannt, der, wie noch neuere For-
scher erzählen, in Schlesien und Baiem herumgezogen und aus Schle-
sien vertrieben, nach Mähren gekommen sei. Gastius und Andere ver-
wechseln ihn sogar mit dem im Jahre 1527 zu Augsburg gestorbenen
Hans Hut.
« Geschichtsbücher, S. 84/5.
483
von Spital in Kärnten oder Jakob von Welspei^, bei denen im
unteren Pusterthale und am Eisack als Jakob von Brunecken,
,wo er solcher Sekt Verwandschaft hatte', bekannt, bei allen
stand er in einem unbestrittenen Ansehen. Von der ,Synagoge
zu Welsperg' hatte die Regierung schon im Mai 1529 Kunde
erhalten und gab daher (am 25. Mai) dem Pfleger von Toblach,
Christoph Herbst, welcher auch Welsperg verwaltete, den Auf-
trag, die Täufer daselbst zu überfallen und den Balthasar
Huter und Andre Planer festzunehmen und zur Verantwortung
zu ziehen.
Am 26. Mai fiel Herbst mit seinen Knechten in Planers
Hause ein, als eben das Abendmahl gefeiert wurde, und nahm
14 der anwesenden Brüder und Schwestern gefangen. Einigen
gelang es, zu entkommen. Unter ihnen befand sich ausser
dem schon von Kitzbüchl her bekannten Thoman Schilling auch
Jakob Huter. Da der Pfleger Herbst auf seiner Burg eine
gewaltsame Befreiung der Gefangenen befllrchtete, so wurden
sie auf die Veste Peylenstein ins Gewahrsam gebracht und
dort verhört. Ihre Aussagen sandte Herbst nach Innsbruck.
Man entnahm hieraus, dass von den Gefangenen zehn * wieder-
getauft und von diesen acht abzustehen bereit waren, wenn sie
des Irrthums überwiesen würden. Aus Balthasar Huters und
Planers Bekenntnis habe man ersehen, dass einige von weiland
Gregori Weber, die anderen von Jakob Huter, so ein Vorsteher
der anderen, ,um Geld^ getauft, behaust und beherbei^ worden
sind. Um Geld — d. h. jeder Getaufte hatte einen Beitrag in
den gemeinsamen Säckel zu erlegen. Das Abendmalil, das sie
ein Brotbrechen nennen, wurde in der unteren Stube gehalten.
Christian Huter war von Jörg Zaunried von Ratten berg im
Innthal getauft. Die Regierung begehrte,* dass Herbst die Ge-
fangenen durch zwei geschickte Priester der zwei Artikel hal-
ber, ,des hochwürdigen Sakraments und der Tauflf* bespreche
und die vier Männer und vier Frauen, falls sie widerrufen und
Busse thun würden, ledig zu lassen. Gegen die übrigen soll
* Christian Huter, Leonhard und Peter Gayler, Christian Planer, Georg
Esler sammt Hansfran, Caspar Schneider, Erhard Schmiedknecht und
Ursula des Tillen Tochter aus Luenz. Bericht vom 27. Juli 1529. Causa
Domini II, 469.
' Bericht vom 24. Juni 1529.
484
dagegen nach Inhalt der landesfUrstlichen Mandate vorgegangen
werden. Am 21. August meldet Christoph Herbst^ dass er den
Baltzer Huter und Consorten habe besprechen lassen: ein
jPrincipalvorsteher' sei Jakob Huter. ^ War dieser auch ent-
kommen^ so gelang es dem Regimente anfangs December 1529
seine Schwester ^Agnes Huetterin^ aus Moos^ aus dem Gerichte
Michelsburg ^ ,des Wiedertauffs halben^ einzubringen. Diese
war vor einiger Zeit begnadigt worden^ allein bald darauf
wieder in den Irrthum verfallen. Damit war ihr Schicksal
besiegelt und es bedurfte nicht erst der an Christoph Herbst
am 8. December ergangenen Weisung, ,sie mit und ohne Marter
weiter bestäten und für Malefiz-Recht zu stellen und die Man-
dat an ihr vollziehen zu lassen^^
Die Verfolgung ,der Frommen im Lande' wurde nach-
gerade unerträgUch. Allenthalben sah man das Blut der ^Mar-
tyrer' und brennende Scheiterhaufen. Die Kerker waren mit
Gefangenen gefüllt, daheim verlassene und hungernde Kinder
und nirgends ein Hoffnungsstrahl auf ein Ende der Trübsal
als bei Gott, zu dem sie Tag und Nacht insbrünstig flehteu^
sie aus diesem Jammerthal hinwegzuführen. Da erinnerte sich
die Gemeinde, dass Gott ,im Markgrafthumb Mähren, in der
Stadt zu AusterÜtz, ein Volk auf seinen Namen gesammelt,
in einem Herzen, Sinn und Gemüth zu wandeln, dass sich
der eine um den anderen in Treue annehmen solle^^ Das
veranlasste sie, den Jakob Huter und Sigmund Schitzinger
sammt ihren Geßlhrten zu der Gemeinde nach Austerlitz zu
schicken, um ,sich aller Handlungen daselbst zu erkundigen*.
Und als sie nun im Herbste 1529 nach Austerlitz gekommen
waren und mit den Aeltesten der Gemeinde daselbst, Jakob
Wiedemann — dem ,einaugeten' Jakob — eine Unterredung:
gehalten und übereingekommen waren, auf einer Gesinnung,
,Gott zu ftirchten zu bestehen', ,haben sie sich, anstatt der
Gemeinde in der Grafschaft Tirol mit der Gemeinde zu Auster-
litz vereinigt'.* Huter kehrte bald hernach in seine Heimat
1 Bericht vom 24. Juni 1529. Causa Domini II, 498.
' Causa Domini II, 550. Da Qregor Weber schon vorlftn^t zu Brixen
gerichtet war, wie konnte er (v. Kripp, S. 36) nun mit Agnes Huettcrio
im December 1527 gerichtet werden?
3 Geschichtsbücher, S. 85.
* Ibid.
485
zurück und ,zeigte seinem Volke mit Freuden an, wie er zu
Austerlitz die Gemeinde der Heiligen gesehen, und wie er sich
im Namen Aller mit ihnen vereinigt und in Fried' und Einig-
keit des Gemüthes von ihnen abgefertigt worden sei'. Dar-
über waren alle Frommen hoch erfreut. ,Damach alle, welche
oben in der Grafschaft nicht Platz oder statt hatten zu wohnen,
von Jakob Huter und Sigmund Schitzinger abgefertigt wurden,
zur Gemeinde nach Austerlitz zu ziehen'.^ Huter gab den Ab-
ziehenden einen Diener im Wort, Jörg Zaunried, mit und
schickte nachher ein Völklein nach dem anderen nach Mähren
ab, sammt allem ihrem Vermögen, um hier mit den Gläubigen
Gemeinschaft zu halten.
Während der Abwesenheit Huter's hat Georg vom Hause
Jakob, genannt Blaurock, der Mitbegründer des Anabaptismus
in der Schweiz, der im Mai 1529 in Begleitung eines Tirolers,
Hans Langecker, eines Webers vom Ritten, nach Tirol ge-
kommen war, um sich der verwaisten Heerde Michael Kirsch-
ner's anzunehmen, seinen Glauben mit seinem Blute besiegelt.*
Er hatte an allen Orten, wo er bei seinem Einzüge in Tirol
Rast hielt, in Glurns und Schlaunders, in Meran und Bozen,
Spuren seiner Wirksamkeit hinterlassen, bis er in die Einöden
des Ritten und nach Klausen gelangt war.* Das Gebiet seiner
Mission reichte von da bis nach Neumarkt; zu Brausen, in
Guffidaun, am Ritten, zu Völs, am Breitenberge bei Leifers
und in der Nähe von Bozen hatte er seine Hauptstationen.
Seine Thätigkeit konnte bei der Menge der zuströmenden Leute
nicht lange geheim bleiben. Die Regierung sandte an den
Freiherm Georg von Firmian als Pfandinhaber von Guffidaun
eine Erklärung, dass man missfUlHg vernehme, wie der Pfleger
zu Guffidaun, Hans Preu, den landesfürstlichen Mandaten nicht
nachkomme und etlichen flüchtigen Wiedertäufern in seiner
Verwaltung den Aufenthalt gestatte.* Firmian möge daher
diesen Pfleger entfernen und einen tauglicheren bestellen.
Blaurock war so vorsichtig, seine Thätigkeit rasch an einen
* Geschichtsbücher, S. 85.
* Die gesammte Literatur über Jörg von Chur b. bei v. Beck, Geschichtn-
bücher der Wiedertäufer, S. 79—80.
' V. Beck in einer (handschriftlichen) Biographie Blaurock's.
' Causa Domini U, 868.
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-.., — ^ i - -
' - „t bat»- ««T»
. . <^bBiW«'*"*
l«*
6?-
487
fem auf dem Breitenberge ob Leifers bei Bozen von dem
Landrichter von Gries-Bozen überrascht und gefangen nach
Bozen gebracht. Sie wollten nicht abstehen, wiewohl sich der
Barfiisser Guardian von Bozen durch mehr als drei Wochen
mit ihrer Bekehrung abmühte. Es waren Leute vom Gamper-
hofe, wo sonst ähnliche Conventikel abgehalten wurden. Unter
ihnen war Simon Kob (Gobi) von Breitenberg mit seiner Gattin,
deren Schwester Margareth und Andere.* Die Mehrzahl von
ihnen wurde zu Bozen hingerichtet. Kob's Vermögen wurde
auf die Vorstellung des Landrichters, der es den verwaisten
Kindern hinterlassen wissen wollte, im Auftrage des Königs
an die Erben ausgefolgt.^ In der Nacht vom 16. auf den
17. November wurden abermals, und diesmal zu Vill bei Neu-
markt, vier Brüder und vier Schwestern der Blaurock'schen
Gemeinde ergriflFen und gefangen nach dem Schlosse Caldirf
gebracht. Der Richter von Neumarkt, Jörg Tschander, liess
sie auf den Befehl der Regierung durch gelehrte Priester
unterweisen; die Verstockten wurden vor das Malefizgericht
gestellt und dessen Vorsitz dem Richter zu Eppan, Hans Starffen,
überlassen.* Der Process endete mit der Verurtheilung der An-
geklagten. Auch in Kareid und Kaltem wurde auf Wieder-
täufer Jagd gemacht. In Kaltem fiel den Häschern der von
Huter in seinen Episteln oft genannte Phihpp Koffler von Vill
in die Hände. In seinem Hause zu Vill hatte Benedict den
Georg Frick und Andere getauft. Im Angesichte des Looses,
das ihm bevorstand, suchte er um Gnade nach. Als er aber
den verlangten Widerruf leisten sollte, ,fiel er wieder um^ In-
folge dessen wurde er vor das Malefizgericht gestellt* und
venirtheilt. Die hinterbliebenen Güter im Gerichte Enn, Caldirf
u. s. w. wurden zur landesftirstlichen Kammer eingezogen.
Die fortgesetzte Verfolgung trieb die Täufer aus den nörd-
lichen Theilen Tirols in das Stift Trient. Am 19. December
veranlasst die Landesregierung den Bischof gegen sie vor-
zugehen. Zugleich erging an die Amtsleute und den Haupt-
' Causa Domini II, 528, 630—532 v. Kripp, S. 36.
* Hofkammerarchiv. Innsbracker Archiv. Causa Domini II, 518, 530.
' Causa Domini II, 340. Tschander erhielt den Vorsitz ,wegen Schwach-
heit* nicht.
* Causa Domini II, 668.
* Gemeines Missivenbuch, 1630. v. Kripp, S. 36.
488
mann von Fleims, Ulrich von Spaur, die Warnung, die Täufer
keinesfalls zu dulden.^ Von Trient erfuhr man dann (im Jän-
ner 1530): Wiedertäufer, im Begriffe sich ins Venetianische zu
fluchten, zeigen sich im Fleimser Thale und den henach harten
Bezirken, vornehmlich auf der St. Pelegrin-Alm (im Grerichte
Deutsch-Noffen). Der Anzeige war die Klage beigeftigt, dass
,noch etliche Amtsleute und Pfleger, namentlich der Anwalt
von Neumarkt, gar liederlich handeln und zum Theil diesem
Glauben anhängig sind^ Der Anwalt entschuldigte sich und
meldete, er habe einige Wiedertäufer zur Haft gebracht.' Dem
Bischöfe war dringend empfohlen, ,bei allen Pfarreien und Seel-
sorgen ehrbare, geschickte und wohlgelehrte Leute zu haltend
Um die Flüchtigen auch jenseits der Grenzen zu er-
reichen, bat die Regierung den König, ,mit den Venedigem
handeln zu lassen, damit die mit der Wiedertauff befleckten
Personen in deren Gebiete keine Unterkunft finden'.* War
man auf der einen Seite bemüht, die verhasste Secte auszurot-
ten, so suchte man ihr andererseits den Abzug aus dem Lande
abzuschneiden, das Letztere aus dem Grunde, damit die übrigen
Erbländer nicht von ihr heimgesucht würden; auch konnten die
Grundherren nicht wünschen, dass ihre Dörfer und Höfe ent-
völkert werden. Daher wurden die landesfürstlichen Mandate
nach wie vor mit aller Schärfe gehandhabt. Nichtsdestoweni-
ger hielt sich die Secte diesseits und jenseits des Brenners
aufrecht: dort um Schwaz, Rattenberg, Kufstein, Kitzbüchl,
Steinberg, St. Petersberg und Ellenbogen; hier im Pusterthale,
in Enn, Caldirf, Deutsch-Noffen und Guffidaun. Gleich zu An-
fang des Jahres 1530 wurden sieben Wiedertäufer im Gerichte
von Neumarkt gefangen, darunter zwei Vorsteher, Martin Nauk
von Deutsch-Noffen und Benedict Gampner vom Breitenberjr,
die mit den Brüdern in Madnisch und im Fleimser Thale in
Verbindung standen.*
Im Michelsburger und Sonnenburger Gericht wurden
die Geschworenen Gegenstand besonderer Missachtung; dies
gab sich in Schmähbriefen kund, welche ihnen zur Nachtzeit
' Causa Domini II, 548.
* Ibid. III, ad anno 1630, Jänner 23.
* Innshnicker Stattbaltereiarchiv. An kgl. MajestHt LIV, 18.
* Causa Do mini III, 5.
489
ao die Thore geheftet wurden. Wenn nun im Laufe des
Jahres 1530 weniger Hinrichtungen stattfanden, so dankten das
die Täufer nicht etwa einer Aenderung im System ihrer Be-
handlung seitens der Regierung, sondern dem Umstände, dass
die Verfolgten einzeln und ,kutten weise' den Weg nach Mähren
zu finden wussten. Leider sind wir über die Einzelnheiten
dieser Auswanderung nicht genügend unterrichtet. Man findet
aber schon im Jahre 1530 zahlreiche Tiroler in den mährischen
Wiedertäufergemeinden, üie aus der Grafschaft Tirol beschwer-
ten sich, dass ,die Lehre nit so trostlich und erbaulich sei als in
der Grafschaft. Desgleichen haben sich auch viele über das Ur-
theil und die Kinderzucht beklagt. Solches klagte das Tiroler
Volk, seinem verwandten Diener, dem Zaunring, welches seinem
Gemüth auch beschweriich gewesen'.^ Ihre Verbindung mit
Tirol blieb unausgesetzt bestehen und Huter, der wieder dahin
zurückgekehrt war, ihr Vorstand.
In Tirol ging mittlerweile die Verfolgung ihre Wege weiter.
In Schwaz wurde am 17. Jänner Anna Gasser, des Caspar
Mayerhofer Schwester, als Rückfällige eingebracht. Ausser ihr
kam Hans Glaser von Hall in Haft. Er erlitt wegen seiner
Hartnäckigkeit die Todesstrafe; ebenso flinf Täufer, die am
27. Jänner in Rattenberg eingezogen worden waren.
In Stainach pflegten ausser dem Weber von Pangrazen
die Vorsteher Zaunring, Froner und Huter sich einzufinden.
Franz von Schneeburg wurde beauftragt, diesem Unwesen ein
Ende zu machen.*
Einen langwierigen Process führte das Regiment mit der
Reichsstadt Augsburg wegen der AusHeferung des ehemaligen
Kitzbüchler Caplans Jakob Partzner, welcher das Jahr zuvor
Wiedertäufer geworden und sich geflüchtet hatte. Er hielt sich
in Augsburg bei einem Buchbinder auf und schickte von dort
zwei Sendbriefe und ein Lied an die Brüder und Schwestern
in Kitzbüchl. Auf Ansuchen des Regimentes wurde Partzner
zwar festgenommen und verhört, die Auslieferung aber ver-
weigert, weshalb die Zwischenkunft der kaiserlichen Regierung
angerufen wurde. Partzner wurde erst ausgeliefert, als König
Ferdinand den Revers vom 17. August 1530 ausgestellt hatte.
' Geschichtsbücher, S. 98.
' Caiisa Domini III, 101.
ArchiT. LXXVIII. Bd. II. H&lftc. 32
490
wonach seine Regierung gegen Partzner ,in keinen anderen
Weg dann mit Recht procedieren^ und in vorkommenden Fällen
Gegenseitigkeit ausüben wolle. Partzner bekannte in Kitzbüchl,
Ratt(»nberg und Kufstein als Wiedertäufer gewirkt und viele
Personen verleitet zu haben, die dann ihren Irrthum mit dem
Leben gebtisst hätten, was ihm vom ganzen Herzen getreulich
leid thue. Nachdem er am 29. August den Widerruf geleistet
ward ihm das Leben gefristet.^
Besser erging es seiner Gönnerin, der schon mehrfach als
Freundin der Wiedertäufer genannten Frau Helena von Frei-
berg. Als die Tage der Verfolgung erschienen, hatte sie sich
von ihrem Besitze Münichau nach Baiem auf die Güter ihres
Gatten Onofrius begeben. Als man sie hier fangen wollte,
wurde der bairischen Regierung gemeldet, sie habe sich auf
ihr Schloss begeben. Auf die hierüber gestellte Anfrage wurde
dem Herzog Wilhelm von Baiern gemeldet, man wisse das
nicht, würde sie auch nicht dulden. Als man erfuhr, dass sie
zu Eppan verweile, erhielt der Pfleger auf Altenburg Carl
Fuchs den Auftrag, die Gesuchte, ,weil sie der Täufer Sekt'
hoch angehangen, Täufer beherbergt und vornehmste Urheberin
gewesen sei, dass um Kitzbttchl so viel Personen getauft und
zum Theile gerichtet worden seien^, einzufangen. Da man sie
in ihrem Hause nicht fand, wurde sie als Flüchtige behandelt
und ihres Besitzes verlustig erklärt. Freunde und Verwandte
bewirkten indess, dass ihre Güter ihren Söhnen zurückgestellt
wurden.* Sie selbst wurde zwei Jahre später begnadigt, jedwh
musste sie öfFenthch widerrufen. Mit dem Widerruf zögerte
sie lange genug und erreichte im October 1534, dass ihr der
jöfifentliche* Widerruf erlassen und auf einen solchen vor dem
Statthalter zu Innsbruck beschränkt wurde. Hier erklärte sie
denn auch ,mit lauten klaren Worten, von ihrem Irreal ab-
zustehend
Schlechter ging es dem jungen Sigmund von Wolkenstein,
als er die gleiche Begünstigung in Anspruch nahm; es wurde
ihm bedeutet, ,das8 die Sachen der Freibergerin und die seini-
gen in mehr denn in einem Fall Unterscheid haben^: Jene sei
* Die ihn betreffenden Acten im Statthaltereiarchiv zu Innabrack. Cau»»
Domini III, 10, 16, 141, 143. An kgl. Majentät IV, 52.
' StAtthahereiarchiv. Causa Domini III, 35, 8i). Von kgl. Majestät lU, 62
491
auf freiem Fasse gewesen, er verstrickt, jene erklärte un-
umwunden, bestimmt und deutlich abzustehen, e r sei in seinem
Gemüthe ganz zweifelnd und unstandhaft befunden worden,
daher ,er der Gnade, so jener zu Theil wurde, billig nit ßlhig^
Zur Unterweisung der Irregeführten, die man im Mai 1530
in und um Kitzbtichl entdeckt hatte, hielt der bewährte Fran-
ziskanerbruder Tonauer aus Schwaz vier Wochen hindurch
Missionspredigten. Am 30. Juli wurden dann die Normen kund-
gethan, nach welchen die Obrigkeiten bei der Entdeckung und
Ausrottung der Wiedertäufer vorzugehen hatten. Sie gingen,
an die Mandate vom 2. März* und I.Juli 1530' anknüpfend,
dahin, alle fremden, unbekannten, auf ungewöhnlichen Pfaden
dahinziehenden Personen anzuhalten und zu befragen,* ,wa8 ihr
Handlung und ihr Vorhaben sei, alle Häuser durch ehrbare und
geschickte Personen zu durchsuchen, sie mit Tauf- und Zu-
namen zu beschreiben und zu befragen, wann und wo sie ge-
beichtet und das Sacrament empfangen, den Hausvater oder
die Mutter zu fragen, wer ihre Kinder getauft und wann dies
geschehen. Wer sich nicht darnach halte, der soll „gegriflfen"
und ernst mit ihm gehandelt werden. Auch habe man bei
den Priestern nachzufragen, wer gebeichtet habe und wer nicht.
Diese Nachfrage habe dreimal im Jahre: in den Fasten oder
nach Ostern, um Jakobi und Lichtmess zu geschehen. Alle-
mal habe man auf die fremden Personen wohl acht zu geben,
dürfe sie nicht beherbergen ; wenn darüber hinaus an den Tag
käme, dass sie „über die Warnung die verführerischen Personen
unterschleift", dann sind deren Häuser, wofern es ohne Nach-
theil der anderen jgeschehen mag, abzubrennen und abzu-
brechen. Sollten Leute sein, die an den Häusern Antheil
haben, an dem Irrthum aber keine Schuld tragen, so sollen
ihnen diese schenkungsweise überlassen werdend
* Causa Domini IV, 145, 189, 212. Von kgl. Majestät IV, 315, 621.
' Gedruckt. Im Pestarchiv XVIII, 39 liest man: Am 2. Marcii 1530 ist ein
Mandat ausgangen, darinnen unter anderem begriffen, dass diejenigen,
8o den Wiedergetanften Unterschlupf geben, mit Gefängniss und billig
gestraft werden sollen. Causa Domini III, 52. Exemplar im Druck und
Copie in der v. Beck^schen Sammlung.
* Bei Kripp a. a. O. 34, vom 3. August datirt. Embietenbuch 1530,
fol. 186.
* Ordnung zur ausreutung der Wiedertäufer. Lib. Causa Domini, fol. 125.
82»
^t
^lto\u ^lio Obrurkeiten s«>Den etlichen vertrauten Personen
iusiT^^l»^"»^^^ ^^ ***^ iiul*lec, x^Ubar bei der Kammer^ versprechen,
il.Aiiut 5^»v" vlio WioiertiutVr, wo «sie in pirgen oder Heusern zu
IVv >i*.l-iw*r^*nr. Wit^iUrtäiiferfirauen sind bis zur Geburt
1 : _ ...* * i ■:\r,r"> i-i E:,^I:etL «Ue K'>^ten von den Gütern der
\\ .-v* r^-^ -'-* i*-^^ r^Iuiir:: and die ct-cÄscierten Güter auf die
.'^"»ttiC^ l\,*v*'t u > r Cr: W;«:d^ rtäntVr kt nicfat öffentlich^ son-
j , # ^^^- »■«si<r':'r Tr -r m KaIt^-c/
/;^^»v' \^ ' -v^ "^ -tlrriAU lau > 11-.:: nh axif der Kanzel durch
j ^. *^*v-<'"^ >*.r»-vr^ -•';rvl ^irrr'ULiä^Lneil-eT an einem Tag
.. ^ *» -^* • ' , -. " -^ irr U::- rtii-T- v:<xcilesen verordnet
l^»v V* : ^^ ,: *• T iv"*>C: :t, Rin-rr^frir -aad Kitzbüchl
.; 1 '. . ' • ^» *-'\ 'V-; "A \-* rri ^-'.r i- -c-rri-Titi:^ xix beschreiben
^^ ^ ; ,1 . . - ■ ^ i* A ^i •• > -- Hrbts:^ !^^ zu diesem
* ' \\ ^v H v- ;.- f ^"^r. .^/t f -^-f-rx jsz An&ng des
t^t.iv^^'x - "^^'^ *. -s T'-^.-:: hT.-:-c-k-L'n. Hrsüznz über die
j>i ^v .1*^'*' Ab^va-zi i.*r;t ;r*^>4:i.»rL*rL*^'n Eiiü-rifW ijz. seine Ver-
^^ .^ltiiHi;:^iVcliUs sandte er am 1. Febmiir' "i»; Xole an die
j j^itvlo.'^»>^*tci^'**^i*ir, in welcher er beiner UnxLdrH*;-iiLeit hierüber
AiiÄili''^^*^'^ verlieh, im Uelmjren den Wuits;;*! i-iasprach, dass
laai» ^^*K^° die Sectirer mit dem bi^h*-nir<-i. Xjprtdjruck ver-
lAliiH.^w mö^^? wozu sich denn auch die Ktur^t^rsLr^ bereit er-
kUirtt^- Ausserdem wurden Stattlialter, Rejrt-iTt-r ^r J Kanuner-
rJithe ,iö Anbetracht^ da^-s die verdammte ut.". Terfuhrerische
Secte der A^iedertaufe in iinj&erer Grafschafi Tir:i über allem
euren gehabten Fleiss und vielfältijre Straf i-v-<fc nicht aus-
gereutet ist , zur Aufstellung von streifenden Rc4ieD beauftragt,
welche ,Berge und Tliäler, alle verdächtigen Orte und Winkel
abstreifen , insbesonders aber die vereinzehen Hufe und Ein-
1 In dem amtlichen MAndatau»zajr (PenUrchiv) heisst es: Am *), JuH 1530
int ein Miindat aiutf^angen: »welicher ainen oder mer Wi^vrUniFer an-
zeigß« dam nie f^ewiiw zu betreten, dem wolle man Tor der Camer von
30—40 fl. (ft.),Hn.*
« Lib. Cauna Domini, fol. 126.
• Embi^'t/'nbtir'b, H. 30.
* HinnflrlHT \ H^ ^^H.
493
schichten besuchen, die befleckt befundenen Personen zu Ge-
fängniss zu bringen, die Rädelsführer und Rückfälligen ,ohne
weitere Rechtsbesetzung und Vorstellung ohne alle Gnade^ den
ausgegangenen Mandaten gemäss richten lassen sollten. ,In
Ansehung aber, dass der gemeine Mann mit den anderen
Ständen in unserer Grafschaft Tirol eingeleibt sei und dass es
etwa ein Geruch und Widerwillen erzeugen würde, so hätten
wir auch einen zweiten Weg, nämlich den, dass etwa zwei an-
sehnliche Personen aus Eurer Mitte von unserer Regierung
vorgenommen werden, um alle Gerichte zu bereisen und allen
Unterthanen in einer Gemeinde vorzuhalten, dass Se. Majestät
die Secte keineswegs leiden, sondern mit gewaltiger Hand
wider sie vorzugehen entschlossen sei^ ,Un8 wird auch ver-
trauter Weise angezeigt, dass etliche unserer Amtsleute und
vorgesetzten Personen derlei neue Secten befördern, mit ihnen
reden und disputieren und hiedurch dem gemeinen Mann ein
schlechtes Beispiel geben, ohne welches er in seinem Gehorsam
geblieben wäre wie seine Eltern^; es soll demnach auch dem
ein Ende gemacht und zu dem Zwecke nachgeforscht werden,
welches der beste Weg zur Ausrottung der Secten sei.^
Schon am 9. Februar meldet das Regiment, dass die Auf-
stellung einer streifenden Rotte nicht zweckdienlich sei; ,auch
der ander Weg will uns dieser Zeit nit fUr gut ansehen', denn
angesichts der Stellung, welche die Eidgenossen und Grau-
bündten einnehmen, und bei der unter dem Volke verbreiteten
Meinung, dass der Kaiser Willens sei, mit den Spaniern, welche
die bösesten Leut^ in der Welt seien, heranzuziehen und die
Seinen um des Glaubens Willen zuerst zu strafen, wäre es
nicht wohlgethan, dass man ein jedes Gericht zusammenkom-
men lasse und ihnen in einer so grossen Menge dies Verhalten
thue, ,darumb sie ein Grausen und ein Entsetzen empfahen
müssten^ Es gebe zudem ,etwas Klcinmüthigkeit zu vermerken',
nach so vielen ernsthchen Mandaten zu Mitteln zu greifen, die
aller Voraussicht nach Leuten gegenüber erfolglos bleiben
miissten, die keine Nachstellung, ja den Tod nicht fürchten,
von Unterweisung und Bekehrung nichts hören wollen und zu-
meist nur bald zu sterben begehren.
Datum Prag 8. Februarii anno 1530. Von kgl. Majestät, Lib., 3,
fol. 17—20.
494
Dagegen halte ee die Regierung flür gut, das8 es mit den
Strafen, so in den früheren Mandaten angegeben seien, ernst
gehalten und Niemand hierin geschont werde. Gegen fahr-
Iftssige Amtsleute werde man einzusehreiten wissen. Manche
derartige Anzeige hätte sich doch als grundlos herausgestellt
Man sei bisher mit genügendem Ernste vorgegangen : Wir mugen
Ew. kgl. Majestät unsem treuwen mit warhait wol anzaigen,
das in zweien Jaren selten ein tag gewest, dass nit
widertaufferisch Sachen in unsern rat kommen weren,
und sind denn mer ob 700 manns und Weibspersonen
in dieser grafschaft Tirol an mer orten zum tod ge*
rieht, theils des Landes verwisen und noch mer in das
elend flüchtig worden, die ire gueter, aines teils auch
ire Kinder waislos verlassen . . . Neben der gewöhnlichen
Execution habe man noch eine besondere ,Aufmerkung' be-
stellt
Was die Regierung vorhabe und wozu sie die Qenehmi-
gung Sr. Majestät erbitte, sei: Erstens, an alle Hauptleute,
Pfleger und Richter des Landes offene Befehle des Libalts
ausgehen zu lassen, dass im Hinblick auf den Unfleiss, den
mancher Pfleger gezeigt habe, ein jeder Pfleger oder Richter
bei jeder Pfarre seiner Verwaltung in eigener Person auf die
Kanzel steige, durch den Gerichtsschreiber die ausgegangenen
Mandate vorlesen und das Volk ermahnen lasse, sich vor der
bösen Secte der Wiedertaufe zu hüten. Ein jeder eingefangene
Wiedertäufer soll nach seinen Mitschuldigen gefragt und soll
nach diesen gesucht werden. Mit einem jeden Wiedertäufer
soll ,nach Gestalt seines Bekenntnisses mit dem Rechte und mit
der Strafe verfahren werdend Dieser Artikel sei neben den
Mandaten in jeder Kirche zu verlautbaren. Dies sei landes-
gemäss und werde bei dem gemeinen Manne abschreckend
wirken. Zweitens wolle man dem Landeshauptmann an der
Etseh insbesonders befehlen, dass er alle Pfleger und Richter
seiner Verwaltung überwache. Wären, heisst es in diesem
denkwürdigen Schriftstücke, die Leute nicht verstockt, ,so
müsste ihnen die grausam vielfältig Straf, so sie an Alten und
Jungen, an Mann- und Weibspersonen, deren etliche noch nit
recht zu ihren Tagen kämen, schier alle Wochen vor Augen
haben, billig einen Schrecken gebären, dass sich niemand so
liederlich, als es geschieht, in die Secte begeben würdet
496
,Wir können Ew. kgl. Majestät nicht verhalten die Un-
sinnigkeit, die bei den Leuten jetzt gemeiniglich gefunden wird,
dnsB sie an der Strafe anderer nicht allein kein Entsetzen
haben, sondern sie gehen, wo sie des statt haben können, oder
begehren, selbst zu den Gefangenen und zeigen sich filr
ihre Brüder und Schwestern an, und wo ihnen die Gerichts-
obrigkeiten nachstellen und sie betreten, bekennen sie es ohne
Marter gern und willig, wollen keine Unterweisung hören
und selten lässt sich eins von seinem Unglauben bekehren und
begehren meistentheils nur bald zu sterben/ ,Und wenn etwan
einer widerruft, so ist ihm doch nicht viel zu vertrauen, so
dass weder gute Lehre noch ernste Bestrafung an den
Leuten helfen will. Wir hoflfen, Ew. kgl. Majestät werde
aus diesen unseren wahrhaftigen Anzeigen gnädigUch verstehen,
dass wir unseres Fleisses in Nichts haben ermüden lassen.' ^
Der König genehmigte die Vorschläge, und die Regierung
machte sie am ,anderen' Tag des März kund. Die Verordnung
schloss einen Tadel über jene Obrigkeiten in sich, die lieder-
Uch, fahrlässig und unfleissig in diesen Dingen gehandelt. Eine
zweite, ebenfalls unter dem Namen des Königs erflossene Ver-
ordnung von demselben Tage eröflfnet allen Obrigkeiten, dass
die Wiedertäufer das Sonderliche an sich haben, dass sie nicht
zur Kirche gehen, ihre Kinder nicht taufen lassen, nicht beichten
und nicht das hochwürdige Sacrament empfangen. An diesen
Zeichen vermöge man sie zu erkennen. Demnach werde allen
Obrigkeiten ,empfohlen', öffentlich auszurufen, dass jeder nach
alter christlicher Ordnung an Sonntagen zur Messe imd Predigt
gehe, zur Fastenzeit seine Beichte verrichte, seine Kinder taufen
lasse und hierüber von dem Priester Zeugniss nehme. Wer
solches unterlasse, soll gefänglich eingezogen werden.^ Die Ver-
ordnung vom 1. Juli 1530 war ein Köder für die Denunzianten,
von denen mehrere in den Chroniken, Liedern und Episteln
der Wiedertäufer gebrandmarkt werden, wie z. B. in dem be-
kannten Liede des Schulmeisters Hieronymus Käls (f 153G zu
Wien): ,Ich reu' und klag — den ganzen Tag^^ Die Summe
* Datum 9. Februar! anno 1.530. Au die kgl. Majestät. Regiment III, 50.
* Causa Domini III, 53, .54.
^ In der Uandächrift Kilian Walch's zu Gran und im Cod. 2 12 zu Press-
barg. Siehe Geschicbtsbüclier, S. 128.
496
von 30 - 40 Quldeu wurde jenem ausgefolgt, der einen Bruder
ausspähte, so dass dieser in die Hände der Obrigkeit fiel.
Während das Regiment in dieser Weise alle Mittel auf-
bot, der Wiedertaufe Herr zu werden, zog Jakob Huter un-
ermüdlich und allen Gefahren trotzend von Thal zu Thal und
beglückte die Gläubigen mit ,dem verbotenen Worte Gottes*.
Nur die Treue und Aufopferung der ,Geschwi8ter* bewahrte
ihn vor der Gefangenschaft. Nicht die strengsten Martern
waren im Stande, ihnen das Geheimnis seines jeweiligen Auf-
enthaltes zu erpressen. Es war im Jahre 1530, kurz vor
Pfingsten und nach der Hinrichtung des Bruders Grünwald,
als er den Brüdern in Mähren ein Schreiben zukommen liess,^
in welchem er sie ermahnt, in der empfangenen Gnade zu ver-
harren. Sie mögen in dem Kampfe dieser gefährlichen Zeit
nicht ermüden. Er sendet Grüsse an seine Brüder und Mit-
helfer Georg Hau und Christel (Chr. Alsaider oder Chr. Häring)
und berichtet ,wie uns denn jetzt abermals die Gottlosen einen
frommen Bruder gar grimmiglich hingerissen und andere zwei
eifrige mit ihm. In der Sarastagsnacht, acht Tage vor Pfingsten
(28. Mai), erzählt er, ,haben wir wollen zusammenkommen, da
sind die Edelleute von Enn mit einem Haufen Schergen ge-
kommen und haben die Häuser umzingelt. Es seien nur zwei
Brüder darin gewesen^
Während Huter mit dem Aufgebote aller Kräfte fiir seine
Gemeinde sorgte, entstanden im Winter 1530 in AusterHtz
Streitigkeiten, welche den Bestand dieser Gemeinde bedrohten
und sie schliesslich in zwei feindliche Lager spalteten. Den
Anlass dazu gab die Ungleichheit in der AuflFassung der Satzun-
gen der Brüder durch die verordneten Diener des Wortes, ihre
Ungeschicklichkeit bei der ^Entscheidung schwieriger Fälle,
Ueppigkcit im Haushalte der Vorsteher, Heimlichkeiten in der
Vermögensverwaltung und der Ehrgeiz Einzelner, die ihr Licht
nicht unter den Scheflfel gestellt sehen wollten, anderer Un-
zukömmlichkeiten nicht zu gedenken, deren mit einiger Ueber-
treibung in dem Briefe Reublin's an Pilgram Marpeck gedacht
wird: Wie einstens bei St. Alban in Basel gegen die katho-
lische Kirche, so fing Reublin hier in Austerlitz wider die
* Copie in der v. Beck*8chen Sammlung nach einer aus Levar stammemlen
Handschrift des Pressburger Lyceums.
497
järgerlichen Missbräuche der Diener* zu reden an. Bei seinem
Vorgehen standen ihm der Tiroler Zaunring, David von Schwei-
nitz und Andere zur Seite. Man zieh ihn der Auflehnung, und
ohne ihn zur Verantwortung zuzulassen, erklärten ihn Jakob
Widemann, der Vornehmste der Diener zu Austerlitz, und
dessen aus allen Haushaben eingerufenen Aeltesten für gebannt.
Man hielt ihn und seine Genossen ,gleichwie abgesundert und
gab ihnen besonders zu essen'. ^
Dies bestimmte sie und das zu ihnen stehende Völklein,
meistens Tiroler, Schwaben und Rheinländer, nachdem sie zu-
vor ihre Kranken und Kinder bei guten Leuten in der Stadt
untergebracht, traurigen Gemtithes von dannen zu ziehen. Ein
Theil, der weder mit ihnen gehen, noch auch bei den Auster-
litzem bleiben wollte, wandte sich der alten Heimat zu.
In Demuth und Blosse zog Reublin mit den Seinen — es
waren 250 Personen — gegen Auspitz, wo ihnen die Aebtis-
sin von Maria-Saal in Brunn sich anzusiedeln erlaubte und
das leere Pfarrhaus in Steurowitz einräumen Hess.* Zugleich
wurden zwei Boten an Huter entsendet, die ihm und den
Aeltesten die Zertrennung melden und sie einladen sollten, un-
verzüglich herabzukommen, um die Handlung zu untersuchen.
Ein Gleiches thaten die Austerlitzer. Da kamen denn Huter
und Schützinger wieder nach Mähron, untersuchten, ,wo der
Fehler bei dem Zerwürfhiss wäre, und fanden, dass die Auster-
litzer nicht Rocht hatten und am meisten sträflich wären'. Wie
nun Huter sie darum getadelt, ,wollten sie ihn nicht weiter
hören*. ,Er aber hat ihnen nichtsdestoweniger ihren Irrthum
angezeigt, und zwar erstens, dass sie die Unschiddigen also
verschupft und von sich gesondert haben, zweitens, dass sie
sich fleischlichen Freiheiten hingegeben und Sondereigenthum
zugelassen und drittens Wechselheiraten mit den Ungläubigen
gestattet haben'.
Aber auch Reubhn freute sich seiner Führung nicht lange.
Der ,Gemeinschaft', der er sich angelobt hatte, uneingedenk,
* Hierüber berichten ausführlich die Geschichtsbücher der Wiedertäufer,
S. 91 102.
* Er nennt Auspitz ,eine reiche köstliche Insel, da Wein, Korn, Fisch,
Fleisch und alle Nahrung überflüssiger ist, denn in allem deutschen
Land*. Sein Schreiben an Marpeck vom 26. Jänner 1531 bei Cornelius,
Geschichte des Münster'schen Aufruhrs II, 253 — 259.
498
hielt er für unvorhergesehene Fälle heimlich Geld verborgen,
wurde dessen überwiesen und darum von der Gemeinde aus-
geschlossen. Deren Leitung wurde nunmehr dem Jörg Zaun-
ring übergeben, dem Burkhard von Ofen, Adam Schlegel und
David Behem zur Seite standen.
Nachdem Huter und Schützinger den Streit, um dessent-
willen sie aus Tirol gerufen worden waren, geschlichtet hatten,
zogen sie in die Heimat zurück, wo ,Gott ein grosses Werk an-
gerichtet hattet Nicht lange nach ihrem Abgange war die
neue Gemeinde von Austerlitz wieder ohne Hirten, denn Schle-
gel und Burkhard wurden ,als Widersacher der Wahrheit^ und
David Behcm ab eigensinnig und keines rechtschaffenen Her-
zens ihres Amtes entsetzt imd gebannt, Zaunring aber seiner
Lässigkeit wegen seines Amtes entsetzt. ,Ohne Verzug sandte
die Gemeinde in die Grafschaft Tirol mit schriftlichem und
mündUchem Entbieten, dass man ihnen mit Dienern des Wortes
zu Hilfe käme. Auf das hin machten sich Huter und Schützin-
ger um Ostern des Jahres 1531 neuerdings auf die Reise, und
nun wurde an Zaunring^s Stelle Schützinger gesetzt. Mit Gabriel
und seinen Leuten, die zu Rossitz, mit Phihpp, der in Auspitz
hauste, wurden Unterhandlungen angeknüpft, die zur Ver-
einigung der drei getrennton Zweige führten, ein Ereigniss, das
von den Chroniken hoch gefeiert wird. Uuter's Aufgabe war
gelöst, er wandte sich wieder der Heimat zu, die er in Noth
und Trübsal verlassen hatte.
6. Höhepunkt der Verfolgung der Wiedertäufer in Tirol.
Das Hauptmaiidat vom 12. Mai 153'^. Das Etseh- und
Eisaekiand und das Pusterthal als IleimstStten der
Wiedertäufer.
Seitdem es Hutcr gelungen war, die Einigkeit unter den
mährischen Wiedcrtilufcrn wieder herzustellen, ,hat sich, wie
ihre Geschichtsbücher melden, das Volk an allen Orten in der
Gemain tägUch gemehrt: Aus der Sehlcsing sind gen Rossitz,
aus dem Schwabenländ und der Pfalz zum Philippen gekom-
men; aus der Grafschaft Tirol hat der Jakob Huter viel Volk
zum Schützinger gcschickt^^ In dieser Zeit kämpften die Ti-
» Geschichtsbücher, S. 102.
499
roler Wiedertäufer den Kampf um ihr Dasein. ,Es wartt/
sagt Kirchmair, ,in diesem Jahr die Sach im Reich und auch
hie in diesem Land mit den Ketzern^ sonnderlich mit den
widertauflFem ye lenger ye erger, und ich glaub', das allain im
Lannd der graveschaft Tirol und Görtz tausent Menschen wol
darum verbrannt, gekopflft und ertrennght worden sein. Dann
die widertaufer understuenden sich einer grossen Hartnäckig-
keit . . .' ^ Die Wiedertäuferchroniken verzeichnen unter den
Opfern des Jahres allerdings nur den Walser Mayer, der mit
zwei anderen Dienern des Wortes zu Wolfsberg in Kärnten mit
dem Schwerte gerichtet wurde,* damit war aber deren Zahl
noch lange nicht abgeschlossen. Das Regiment in Innsbruck
hatte die strengen Weisungen nicht vergessen, die vor wenigen
Monaten erst von höchster Stelle erflossen waren. Noch am
20. Mai 1530 waren folgende Fragen an die betreffenden Be-
hörden des Landes gestellt worden:
1. Warum hat man die lutherischen, ketzerischen Secten
so lange im Lande einwurzeln lassen, oder wo hat man einen
Vorsteher oder Reichen oder einen Amtmann gestraft?
2. Warum hat man über so viel ausgegangene Mandate
die lutherischen, verdächtigen Prediger in den Städten und Ge-
richten, sonderlich zu Kitzbüchl, Rattenberg, Schwaz, Hall,
Innsbruck und Sterzing so lange predigen lassen und nicht
gestraft oder Ordnung gemacht?
3. Warum hat man den Prediger von Stams, den man
schon vorlängst als ,lutherisch' erkannt hatte, nach Schwaz
genommen und ihn — wie auch einen zweiten ,im Inpach^
(Jenbach) — wider unsere ausgegangenen Befehle in Schutz
und Schirm gehalten?
4. Warum hat man den Barfüsserpredigcr Bruder Rei-
charten (sie) in meinem Namen verbieten lassen, wider den be-
nannten Prediger von Stams zu reden oder zu predigen?
5. Warum hat man etliche lutherische Wiedertäufer aus-
gelassen, und zwar ohne alle Leibesstraf und nicht nach
* Fontes rer. Austr. I, 487. Die Zahl Kirchmair's ist etwas zu hoch. lu
dem oben citirten Berichte an Ferdinand I. wird von 700, in einem acht
Jahre später eingesandten Berichte gar nur von 600 Ilingerichteteu ge-
sprochen.
* S. 105.
500
unseren Mandaten gehandelt? Wer hat diese Leute auch
absol virt ? *
Auch hatte man an allen Orten mit dem Einziehen der
flüchtigen Wiedertäufer zu thun, woraus nicht selten Conflicte
mit den benachbarten Landesherren entstanden.^ Mit ,dem
Brande' wurde zu Ende Juli Blasius aus Crossen an der Oder,
,ein rechter Vorsteher der Secte*, gerichtet Die Kosten der
Hinrichtung, acht Gulden, trug die Kammer.* Uhnch Müllner
von Ciausen war schon im Jahre 1528 beschuldigt worden, den
Wiedertäufern ,UnterschIupf' gewährt zu haben, wusste sich
aber zu rechtfertigen ; diesmal bekannte er sich oflFen als Wieder-
täufer und wurde im October 1531 zu Ciausen enthauptet. Von
seiner Standhaftigkeit ,und wie er den Leuten ganz treulich und
^ Hofkamroerarchiv sub Hoffinanzen. Copie in der v. Beck*schen Samm-
■ lungf.
' So kam es aus Aulass der Tbätigkeit des oben genannten ^Ainspannigers*
Micbael Rauch zu einem Streit mit Salzburg. Einige Daten aus dem
, Unterricht Michael Rauches von wegen der Wiedertäufer Güter* nn"5geu
hier angemerkt werden. 1. Rattenberger Gericht: a) Nickinger^s Gut
ist verkauft um 140 fl. b) Des Krenhenser Haus und ein Halblehen
spricht ein Bürger zu Rattenberg an. c) Des Obigeres Gut verkauft
um 103 Gulden. Weib und Kinder erheben darauf Anspruch, d) Zu
Colfass am 27. März Tag gehabt puncto Seh ortisch lager's Gut — heim-
gefallen. 2. Kufstein (praes. 19. September) betrifft die confiscirten
Güter des Wolfgang von Elmaw und MicheVs von Weissenbach. Auch
was den zurückgelassenen Kindern und Erben gelassen wurde, ist im
Inventar angegeben: Linhart (?) Hofer hinterliess zwei unmündige Kin-
der und einen blinden Vater. Michel Weissenbach's zwei Söhne hiuter-
liesscn drei Kinder; Paul Frauenhofer (?) vier Kinder; Wolf im Rieil acht
Kinder u. s. w. 3. Im Gerichte Altrasen: Inventare vorgenommen bei
Gregor Weber, Blasj von Crossen. 4. Im Gerichte Schöneck: Peter
Getzenberger, so gerichtet worden, hat ein Gut hinterlassen. Auch ein
Binder ist flüchtig worden. 5. Im Gerichte Bozen: Simon Koben'»
verlassenes Gut eingezogen, ebenso Ro^ina weiland Leotihard Mayer'«,
Benedict Gamperer^s, Margareth weiland Gotthard in Se^sa, Tochter der
Gamperin in der Au, Schwestorantheil am Hof zu Sassen. Jöi^ ToUiu-
ger, so eine Zeit lang in Kurtatsch gewohnt, hat kein Vermögen. £«
folgen dann noch die Confiscatiouen : 6. Auf dem Ritten, 7. Alten-
bürg, 8. Kaltem, 9. Vels. Ein anderes Inventar ist durch Ernst
Brandt zu Stibling aufgenommen. 21 Aufnahmen finden sich vor, dar-
unter Sigmund Schützinger, ,so auf flüchtigem Fnss . . .* Geor|;
Vasser hat kein eigenes Vermögen. Copie (an vielen Stellen undeut-
lich) in der v. Beck'schon Sammlung.
> Causa Domini UI, 224. Gemeines Befehlbuch 1531.
501
wol gefallen^, erzählten Augenzeugen noch nach 30 Jahren dem
Jörg Kotter von Innsbruck.^ In Bozen und Kaltem wurde
eine Anzahl von Brüdern und Schwestern im Laufe des Juli
gerichtet; aus dem Gerichte Schöneck starb zu Brixen der
Bruder Steinheis, welcher einen guten Hof hinterliess, der nun-
mehr eingezogen wurde. In Brixen harrte auch Mayerhofer
von Niedervientl seines Urtheils.
Brüder und Leidensgenossen fanden die Wiedertäufer
nördlich vom Brenner: in und um Rattenberg,* unter den
Bergleuten in Schwaz,* dann zu Imst und Petersberg;* südlich
vom Brenner: im Etschland, und zwar in den Bezirken Guffi-
daun,^ Teutsch- und Wälsch-Noffen/ Bozen und Brixen,' des-
gleichen im Landgericht Sterzing* und im Sam- und Taufers-
thale,^ ebenso in der Herrschaft Hohenberg in den Vorlanden. ^^
In Rattenberg hielten sie in einem Kohlenwerke, im
Schwazer Gerichte in einem verlassenen Stollen, dann in einem
Hause auf dem Calzein ihre Versammlungen. In den Berg-
werken war Peter Schilling ihr Prädicant. Dem Bergrichter
von Freundsberg stiessen Bedenken auf, wie er es mit den
Leuten, so zum Schwert verurtheilt seien, zu halten habe. Er
erhielt (am 11. Juli) die Weisung: Alle wiedergetauften Per-
sonen, die weder selbst getauft haben, noch Vorsteher oder
Rückfällige seien und zum Feuertode verurtheilt seien, dürfen,
sofern sie dies begehren, mit dem Schwerte gerichtet werden.
,Aber auch bei den also Gerichteten sollst du nach Vollziehung
des Urtheils den Körper zu einem viehischen Begräbnisse weg-
thun, wie denn bisher in unserer Herrschaft Rattenberg und
Kufstein auch gebräuchlich gewesen ist.'^^ Zu Klausen waren
> Causa Domini UI, 113; N. F. 602.
* Bericht vom 7. März. Causa Domini III, 205/2.
' Bericht vom 22. Februar. Causa Domini III, 199.
* Causa Domini 1531. Bericht vom 14. Mai.
' Bericht vom 6. September.
* Causa Domini 1531. Bericht vom 11. Juni und 7. August.
' Bericht vom 26. September. Causa Domini III, 188.
* Bericht vom 22. December. Gemeines Befehlbuch 1531 und Brixener
Acten : Hans Tuchmacher tauft den Lamprecht Qruber und dessen
OaUin.
* Causa Domini lU, 186.
^^ Gemeines Befehlbuch 1531.
" Causa Domini DI, 240.
502
mehrere Wiedertäufer, unter ihnen Huter's Vertrauter, Caspar
Schmidt von Bruneck, im Guffidauner Gericht namentlich Leute
von Teys und Villnöss. In diesem Gerichte hielt Jakob Huter
,in der Höhle eines Kofels einen Convent ab, bei dem 150 Per-
sonen anwesend waren und das Abendmahl nahmen^ Auch
zu Albeins und zu ,Prugg' bei der Schmelzhütte zwischen
Brixen und Klausen wurden zur Nachtzeit 50— 60 versammelte
Wiedertäufer gesehen.^ Ein Erlass der Regierung vom 29. Sep-
tember 1531 spricht die Erwartung aus, dass der Gerichtsherr
Georg Freiherr von Firmian im Stande sein werde, diesem Un-
wesen zu steuern. Aehnliche Conventikel, 40 — 50 Mann stark,
tauchten im Sommer 1531 auch im Brantenthale auf. Sie ein-
zufangen war die undankbare Aufgabe des Herrn Wilhelm von
Liechtenstein, Pfandinhabers von Carneid und Lehensherm auf
Wälsch-NoflFen, dann der Gerhabschaft der Jakob von Nieder-
thor'schen Kinder, welche Deutsch-NoflFen zum Pfände hatten.
Weniger düster als in den Jahren zuvor sah es im Ster-
zinger Landgerichte aus. An Taufgesinnten fehlte es freilich
auch da nicht. Wir finden solche im Pfitschthale, in Dulfes
und an anderen Orten. Sie hatten hier in der Person des
Heinrich Kessler einen Vorstand, welcher, unterstützt von einer
den Täufern wohlgesinnten Bevölkerung, der Wachsamkeit
spärlich angestellter Häscher stets zu entgehen wusste. Zu
seinem Convente gehörten auch die Taufgesinnten von Ridau.*
Wie sie heimlich kamen, so verschwanden sie auch wieder,
sobald eine Gefahr nahe war.
Die Regieinxng unterlioss keine Massregel, die ihr zur
Unterdrückung der Secte geeignet schien: Am 19. Jänner mel-
det sie dem Hauptmann Christoph Fuchs und den Pflegern zu
Kitzbüchl, Rattenberg, Rotenburg, Wilten, Sonnenburg, Axams,
Ambras, Hertenberg, Freundsberg, Tauer und Steinach: ,Uns
gelangt an, wie etlich Wiedertäufer aus diesem Land im Lande
zu Mähren ausgeboten wurden, und dass sich diese wieder in
das Land Tirol thun wollen. Es wird demnach der Befehl er-
theilt, solchem Uebcl zuvorzukommen und allenthalben, in Ge-
1 Causa Domini m, 264.
* Gemeines Befeblbuch 1531. Bericht vom 9. September und 22. Decem-
ber. Causa Domini 1631.
^ Causa Domini III, 107.
503
birg und Thal auf solche Wiedertäufer Kundschaft zu haben,
da ein Einzug nicht gestattet werde.
Grosseren Schaden als diese brachte den Wiedertäufern
die im Namen Ferdinands I. ergangene Verordnung vom 8. Juli
1531, in welcher die früher publicirten Strafen wider Alle, die
den Wiedertäufern Unterstand gewähren, wiederholt und dem-
jenigen, welcher dem Regimente einen Vorsteher der Wieder-
täufer anzeigt, neuerdings eine Belohnung von 40 Gulden ver-
heissen wird. Diese Zusage war verlockend und füllte manchen
Kerker mit wirklichen und angeblichen Wiedertäufern,^ so
namentlich in Klausen, Guffidaun, St. Georgen und Michaels-
burg. Dieser Verordnung folgte am 18. August eine zweite,
in welcher alle Amtsleute, Landrichter und Pfleger angewiesen
werden, gegen die mit der Wiedertaufe befleckten Personen
allen Ernstes mit Geßlngniss und Strafen vorzugehen, Hab und
Gut der Gefangenen oder Flüchtigen mit Beschlag zu belegen
und zur Kammer einzuziehen, die zurückgelassenen Eander aus
diesem Vermögen zu erhalten und erziehen zu lassen und bei
den Pfarrern und Prädicanten allen Ernstes darob zu sein, dass
die ausgegangenen Mandate wenigstens viermal im Jahre von
den Kanzeln herab verkündigt und das Volk imterwiesen werde,
sich vor ketzerischen Opinionen und Secten in Acht zu nehmen.*
In den Innsbrucker Regierungskreisen hatte sich mittler-
weile die Ueberzeugung Geltung verschafft, dass mit den bis-
herigen Mitteln nicht viel erreicht werden könne, und sie
wandte sich daher in einem Berichte vom 12. Jänner 1532
mit der Bitte an den König, andere Wege an die Hand nehmen
zu dürfen. Als einen solchen Weg empfahl sie diesmal die im
Jahre 1529 abgerathene Aufstellung einer streifenden Rotte von
40 Mann zu Fuss mit einem Hauptmann an der Spitze, vor-
läufig wenigstens für den Gerichtsbezirk Sterzing, der an sieben
Meilen lang war und bisher nur zwei Knechte hatte. Die
Wiedertäufergüter sollten hinfort nicht mehr weggegeben, son-
dern zur Kanuner gezogen werden.^ Die Aufstellung dieser
Rotte wurde bewilligt und am 6. Februar ein Mandat erlassen,
dass ,niemand die Wiedertäufer behausen, noch ihnen einen
* SiniiÄcher VU, 293.
' Embieten- und Befehlsbnch 1531, fol. 337.
• An kgl. Migestät, Lib. V, fol. 7.
504
„Unterschlupf" gewähren dürfe, dieweil diese Leute schädlicher
seien als Mörder und Landesfeinde, die ein Jeder niederzuwerfen
und gefangen zu nehmen willig sein soll^^ Da diese Mahnung
nicht viel genützt haben dürfte, erging drei Wochen später ein
neuerliches Mandat, in welchem neben dem Bedauern, dass
man notorische Wiedertäufer in einzelnen Gerichten frei umher-
streifen lasse, die gemessene Weisung ausgesprochen wird, sich
der Festnehmung dieser bösen und schädlichen Leute zu be-
fleissen und der nachforschenden Obrigkeit Hilfe und Beistand
zu leisten.
Aus der Urgicht des auf Rodenegg im GefUngnisse liegen-
den, später abgefallenen Täufers Jakob Gasser entnahm die
Landespolizei, dass der Wiedeiläufer Jakob Huter von Wels-
perg sich anschickte, aus dem Lande zu scheiden und nach
Mähren zu ziehen, wo ,ein fremder Glaube in ihrer Gemeinde
sich ergeben habe*. Dies und der Umstand, dass im März in
Sterzing vier Wiedertäufer, mit ,Pa8sporten' versehen, angehalten
wurden, welche nach Auspitz lauteten, bot der Regierung den
Anlass, den Landesfürsten zu bitten, hierin ,Für8ehung' zu
treffen. Sie habe auch an die Obrigkeiten in Hall, Schwaz,
Rattenberg und Kufstein den Befehl ergehen lassen, auf jene
Wiedertäufer zu achten, die etwa ,zu Schiff ansitzen und auf
dem Wasser aus dem Land fahren wollen'.* Gegen Jakob
Huter wurde ein Steckbrief erlassen, der folgendermassen lau-
tet:' , Jakob Hueter, von Welsperg genannt, ain person, so ain
schwarzen part hat, beklaidet mit ainem schwarzen, lodein wap-
penrockh, ainem plaben wamms, weissen hosen, ainem schwarzen
hut und der ain hackl am arm tregt.' ,Er solle aus diesem
Land in die Grafschaft Mähren ziehen; welche Person ohne
allen Zweifel, wie voriges Jahr auch geschehen, auf dem
Wasserstrom des Inns das Wasser hinab nach Oesterreich
fahren und von da ihren Weg nach Oesterreich nehmen werde.^
Es wird demnach der Befehl ertheilt, besonders auf Jakob
Huter fleissig Achtung zu haben.
» Pesterchiv XVin, 39. Kripp, 8. 37.
* Bericht vom 9. März 1532. An kgl. MajeHtät V, fol. 28/2.
' StAtthaltereiarchiT in Innsbruck. Lib. Causa Domini IV, 17 vom 10. M.nrz
1632. An kgl. Majeiit&t V, fol. 28/2.
505
Als dann aas dem Geständnisse des in Sterzing gerichte-
ten Wiedertäufers Peter Hungerl ersichtlich wurde, dass mit
Huter auch dieser nebst den mit ihm gerichteten fünf Brüdern
Grueber, Beck, Schuster, Planer und Thaler ^ nach Auspitz
in die Gemeinde Huter^s hätten ziehen wollen, säumte die Re-
gierung nicht, den Landesflirsten zu bitten, ,darauf zu achten,
ob der Hutter, der in diesem Lande viel Personen in solche
Sect' gebracht, vielleicht dort gefangen genommen werden
könntet*
Noch war das Mandat vom 28. Februar in aller Leute
Erinnerung, als die Regierung in der Erwägung, dass die
Wiedertäufersecte ,trotz aller Vorkehrungen kein Aufhören
haben wolle, sondern sich noch an mehr Orten erzeige', am
24. April bei dem Landesflirsten um ein neuerliches Mandat
wider diejenigen ansuchte, welche Wiedertäufer beherbergen.'
Diesem Einschreiten verdankt das Generalmandat vom 12. Mai
1532 seine Entstehung.* Was in diesem Mandate ausgesprochen
wird, entsprach den Thatsachen, nämUch ,dass, unangesehen
der gesetzten Pön und Strafen, an vielen Orten die Wieder-
täuferpersonen ihre Erhaltung stattlich und genugsamlich haben
und bekommen, über das sich doch niemand im Lande dieser
unserer geforsteten Grafschaft Tirol mit Wahrheit und Grund
entschuldigen kann', dass er unserer Satzungen kein Wissen
hätte. ,Und diewiel dann diese Sect' zu allem ärgerlichen und
^ Von diesen Gefangenen sollte der Landrichter Sebastian Hofwirth laut
Auftrag vom 15. März 1532 mit oder ohne Marter zu erfahren suchen,
wo Jakob Huter und andere Täufer in und um Sterzing ihre Zuflucht
haben, wer ihr Vorsteher und Verfasser des Schreibens mit verborgenem
Namen und Charakter sei, das neulich bei einem gefangenen Wieder-
täufer gefanden wurde, darin ein gewisser Oswald Schuster als ein greu-
licher Verräther und Judas bezeichnet wird, der im GefKngniss Alles an-
gezeigt, was er gewusst habe, ,nit allain seine Schwestern und bruedem,
sondern auch alle haiden, die sj behaust*. Auch nach dem Schlüssel
der Geheimschrift solle er forschen. Causa Domini IV, 20. Dieser Vor-
steher war, wie man aus seinen Episteln sieht, Jakob Huter.
« An kgl. Majestät V, 28.
» Ibid. 37.
* Gedruckt. Causa Domini IV, 34. Im Pestarchiv im Auszuge: Am 12. maii
ist ein mandat ausgangen wider die, so die Widertauffer beherbergen, das
dieselben venklich angenomen und gegen inen mit peinlicher tortar und
fragen furgangen und nach allen Ungnaden am leib und guet gestrafft
werden sollen*.
Archir. LXXVni. Bd. II. H&Ifte. 33
506
lästerlichen. Leben kommt, welche wir in nnseren Ftirsten-
thümem und Ländern nicht weniger als zuvor mit allem Fleisse
und Ernst abzustellen entschlossen sind, so ordnen wir an, dass
hinfort alle, so Wiedertäuferpersonen wissentlich hausen und
herbergen oder in einigen Weg Vorschub thun, stracks gefäng-
lich angenommen und gegen sie mit peinlicher Tortur und
Frage vorgegangen werde, ob sie auch mit der Sect' der
Wiedertauf' befleckt'. ,Und hätten sie auch die Wiedertaufe
nicht angenommen, so sollen sie nichtsdestoweniger Unterstandes
wegen an Leib und Gut gestraft und hierin niemand verschont
werden/
Es war in diesem Jahre nicht so sehr das alte Täufer-
gebiet von Rattenberg-Freundsberg ^ als das Etschland, die
Gelände des Eisack und das langgestreckte Pusterthal, in
welchen die Wiedertäufer ein kümmerUches Heim fanden. An
die Namen Guffidaun und Sterzing, Michaelsburg und Lüsen,
Rodenegg und Peitelstein-Welsperg knüpfen sich für die Wieder-
täufer bittere Erinnerungen.
Zu St. Georgen waren zu Ende Februar vierzig Wieder-
täufer ,beim Brotbrechen' versammelt, ab die Häscher mit be-
waffneter Hand über sie herfielen und sieben von ihnen ge-
fangen abführten. Die übrigen entkamen, unter ihnen drei
Vorsteher und unter diesen ,ein Hueter von Welsperg, der ein
puchsen tragen soU^ Die Gefangenen wurden hsLch Brixen
gebracht und die fürstbischöflichen Räthe angegangen, den
Entflohenen durch den Pfleger auf der Michaelsburg nach-
zujagen.*
Die Regierung sandte am 3. August dem Pfleger von
Welsperg, Christoph Herbst, einen Erlass: ,Wiewohl wir dir
schon zuvor ernstlich befohlen, auf Jakob Hueter von Wels-
perg, den Vorsteher der verftüirerischen Secte der Wieder-
täufer, fleissig Achtung zu haben und ihn ins GefUngniss imd
die gebührliche Strafe zu bringen, so vernehmen wir doch,
dass er neulich auf dem Bad in einem Wald eine Versamm-
^ Doch erhielt die Regierung im November 1682 Kunde, da» sich bei
Freundfiberg- in einem alten Stollen 30 — 40 Wiedertäufer yersammelt
haben, um das Abendmahl eu halten.
« Causa Domini IV, 7. Datum 24. Febniar 1632. Copie in der r. Beck-
sehen Sammlung.
507
lung von 80 — 90 Personen gehabt, allda diese verführerische
Seete gepredigt und getauft habe und von niemandem gehindert
und zur Strafe gebracht worden sei. Wir empfehlen dir neuer-
dings mit Ernst, dass du auf den genannten Hueter imd seine
Anhänger äeissig achtest und daran seiest, dass er gefangen
werde/ ^ Die Rüge, welche Christoph Herbst zu Theil wurde,
hatte den Erfolg, dass er schon nach drei Wochen melden
konnte, er habe in seiner Verwaltung einige Wiedertäufer be-
treten und in festes Gewahrsam nach dem Peitelstein ge-
führt. Unter den Gefangenen war der später hingerichtete
Friedrich Brandenberg aus Köln, ein Begleiter Huter's auf
dessen Missionsreisen.* Dieser bekannte, wie die Regierung
nach Brixen meldete, dass Jakob Huter zu Lüsen sieben Per-
sonen getauft habe; desgleichen im Samthaie. Der Bischof
möge die Getauften zu ermitteln suchen.* Aus seiner ,Urgicht'
entnahm die Regierung noch weiter,* dass Huter fast viel Per-
sonen im Lande in solches Irrsal gebracht und ,al8 ein grosser
Vorsteher selbst wiedergetauft', dass er zumeist nächtlicher
Weile im Lande herumziehe und seinen ,Unterschlupf' bei
einftlltigen Bauersleuten und sonderlich bei einem Bauern in
Schmyren finde, Hans genannt, im hintersten Hause zu Schmy-
ren. Diesen Bauer soll Friedrich Franz von Schneeburg ein-
ziehen und fragen, wo Huter zu betreten wäre. Schon lange
zuvor war auch in Guffidaun imd Klausen auf Huter, Christoph
Gschöll und Hans Tuchmacher (Amon) gefahndet worden.*
An den Pfleger von Guffidaun erging am 22. März die
Weisung: Auf seinen Vorschlag, die ,Urgichten' nicht der ganzen
Länge nach vorzulesen und die Todesstrafe statt mit dem
Brande mit dem Schwerte bei der Schranne vollziehen zu
lassen, könne man nicht eingehen: Es sei Befehl, die Urtheile
dem Gebrauche nach im Auszuge vorlesen zu lassen. Bei der
^ Causa Domini lY, 50. Eine gleiche Rüge wurde dem Landrichter zu
Sterzing, Andre Flamme zu Theil. Causa Domini IV, 50/1. Vgl. Seh fitzen-
Zeitung 1872, Nr. 25—27.
* Causa Domini IV, 54.
' Bericht vom 28. September 1. c.
* Bericht vom 28. September an Friedrich Franz von Schneeburg. Causa
Domini IV, 54.
* Hans Amon soll schon t5.Sl in Tirol gewesen sein und daselbst hie und
da, namentlich auf dem Ritten, getauft haben. Causa Domini IV, 69.
33*
608
jAusflihrung^ der Verurtheilten sei darauf zu sehen, dass sie
nicht viel reden und predigen, auch möge das Volk mit den
Worten: ,Kehrt umb, lasst Platz, was wellt ihr da thun' ab-
gehalten werden: ,ne audiat docentes^*
Die meiste Arbeit fand der Nachrichter in diesem Jahre
in Sterzing. Die Geschichtsbücher der Wiedertäufer nennen
freilich nur sieben, welche an diesem Orte fUr ihre Ueberzeu-
gung in den Tod gingen, nämlich Lamprecht Grueber und
seine Genossen, dann Kunz Füchter, den Säckelmeister der
Brüder,* der ,auch eine Epistel aus dem Geßlngniss an die Ge-
meinde schrieb, so noch vorhanden ist'. Aber der Opfer war
eine viel grössere Zahl. Noch vor dem Hinscheiden Lamprechts
und seiner Genossen wurden in Sterzing vier Brüder hingerichtet;
mit Kunz Füchter starben einige andere und vor diesem noch
Georg Schröffl aus dem Mich.aelsberger Gerichte. Als endlich
dank der streifenden Rotte im November 15 Wiedertäufer ein-
gebracht worden waren, wurde zu ihrer Unterweisung der
Pfarrer von Hall, Christoph Landsberger, nach Sterzing be-
rufen. Es gelang ihm und seinem Gehilfen Leonhard Menthaler,
nur Wenige zum Widerruf zu bringen, und so erging an den
Landrichter Flamm am 13. December 1532 die Weisung, wider
die Verstockten seines Amtes zu handeln. Vorerst aber möge
er zu erfahren suchen, wo die drei Vorsteher, der Tuchmacher,
Huter und Offerus, ,dieweil sie jetzo zur Winterszeit in den
Hölzern und Wäldern nit wohnen können, betreten werden
möchten'. Flamm möge ihnen versprechen, dass er sie, ,wo-
fem sie die Wahrheit sagen, zur Begnadigung fordern wolle'. ^
Das Ergebniss dieser und der späteren Einvernehmung des Bru-
ders Balthasar Thal war, dass Jakob Huter und Hans Tuch-
macher in letzter Zeit ihre Wohnung bei Hans Mayer in Ant-
holz, dann in Klausen bei Peter Binder hatten und kurz vor
Lichtmess (1533) in Villnöss in einem Hause, genannt Pitscheid,
* Caasa Domini.
' Füchter lag im Mai 1532 im Gefängnias. Hier sang er Lieder wie: Ab
man mit dem Kreuze ging n. 8. w. Auf Befehl der Regierung peinlich
examinirt, wurde er verurtheilt. Causa Domini IV, 37. Die Qeschwor-
nen muasten schworen, über ihn wie über einen Vorsteher su nrtheileo,
d. h. auf den Tod zu erkennen. Innsbrucker Acten. Siehe Geachicht»-
bücher, S. 106.
* Causa Domini IV, 68—69.
609
eine Gemeinde abgehalten hatten, bei welcher gegen 70 Per-
sonen aus dem Pusterthale anwesend waren. Diese Angaben
wurden sofort den bischöflichen Beamten zu Brixen mit dem
Ersuchen mitgetheilt, wegen der genannten Täuf(^r die geeigne-
ten Massregeln zu treffen.^ Dass Huter in und um ELlausen
fUr seine Secte thätig sei, wusste man in Brixen schon im Jän-
ner 1533. Man sieht das aus der Rüge, welche die bischöf-
lichen Räthe dem Leonhard von Aichach, Unterhauptmann auf
Sähen, und dem Stadtrichter von Klausen, Stephan Rieder, des-
wegen ertheilten, weil sie ,den Hueter von Welsperg, einen Vor-
steher der Secte, der die Gegend zu verführen suche imd sich
so oft in Klausen sehen liess, nicht besser beobachtet und fest-
genommen hätten^ Ausserdem waren im April und Juni mehrere
Sendschreiben, die Huter und Hans Amon ihren Mitverwandten
nach Mähren geschrieben hatten, der Obrigkeit in die Hände
gefallen, zum Theile nur mit J und H unterzeichnet* Die
Verfasser suchte man vergebens. Dagegen wurde Ludwig Fest
aus Pinnegg, der zu Schwaz bei den Gruben und an anderen
Orten Glaubensgenossen zu werben suchte,^ auf Freundsberger
Gebiet festgenommen und nach Schwaz abgeführt.* Allen Be-
kehrungsversuchen unzugängUch, wurde er der Weisung vom
3. Juli entsprechend in Schwaz enthauptet.^ Ihm folgte in
Kitzbüchl Christina Häring: ,Nachdem sie aber,' sagen die Ge-
schichtsbücher von ihr, ,gross Leibs gewesen und schier Kinds
liegen hat sollen, haben sie's haimb gelassen, bis sie das Kind
ausliege. Und wiewol sie in der Weil* zehnmal und öfter hat
entwaichen können, ist sie doch nit gewichen. Haben sie also
wiederumb gegen Kitzbüchl in die Stadt geführt und mit
dem Schwert gericht, das doch nit gewöhnlich ist, mit einem
Weibsbild, und sie hernach verbrannt, wie ihre Brüder Chri-
stian und Thoman Häring, so hernach lang bei der Gemain
gelebt, des ein Wissen haben.' ^
* CaußA Domini IV, 86.
« Orig., Lade 112, Nr. 5, Lit. B. Brixen.
» Causa Domini IV, 104.
* Ibid. IV, 109.
* Geschichtsbücher der Wiedertäufer. Dort werden auch die Schriften
Fest's angeführt.
« Geschichtsbücher, S. 107—108. Christian und Thoman Häring lebten
dann als ,Diener der Nothdurft* in der Gemeinde zu Mähren.
i
510
Am Montag vor Aposteltheilung . (14. Juli) wiurden zu
Brixen mehrere Täufer, Männer und Frauen, mit dem Schwerte
gerichtet: Leute aus Lorenzen, Gais und vom Götzenberge, die
bei einer allgemeinen Streifung den Rottenführern in die Hände
gefallen waren.* In Guffidaun wurden im October sieben Täu-
fer gerichtet: ,Haben das Volk gewaltig zur Busse gemahnt und
aus ihrem GefHngniss etliche Episteln geschrieben, mit Anzaig,
dass kein unreines, träges und lässiges Herz in der Probe be-
stehen könne.' Von den bezeichneten Episteln enthält die eine
die Mahnung, dass jene Brüder, welche Kinder unter den ,6ott-
losen' haben, sie hinwegfUhren, damit sie nicht verderbt wer-
den; die andere Epistel meldet, dass noch zehn im Gefengniss
liegen, die alle den Herrn mit ihfem Blute bezeugen wollen.*
Dasselbe Geschick traf in Brixen einige Brüder und Schwe-
stern, die Hüter in seinem Sendschreiben (de dato Auspitz,
21. November) zum Theile namentlich anführt:^ ,Mit erschrocke-
nem Herzen und weinenden Augen habe ich gelesen, dass die
Verfolgung bei Euch so gar heftig und gross ist, und dass man
uns abermals mehrere von den aUerliebsten Brüdern und Schwe-
stern gefangen hat, als den Valtan (Gsäl),* den getreuen und
meinen herzlieben Bruder, der mir überaus lieb war, und meine
Kinder, die ich alle mit Schmerzen, Mühe und Arbeit und in
grosser Angst geboren habe durch Gottes Gnade: die Gretlein,
die Christina, den Rueplein, Stofflein und Kontzen und andere
mehr, die vorhin gefangen sein gewesen und auch bezeugt
haben.'
Ausserdem waren zur gleichen Zeit zu Sterzing, auf
Schöneck und Rodenegg die Kerker gefüllt. Im Guffidauner
Gerichte hielten die Wiedertäufer Mitte Juni 1533 eine grosse
Versammlung, um zu berathen, wie die Ihrigen, die ,im ganzen
Lande an keinem Orte mehr einen Platz und einen „Unter-
» Sinnacher VII, 300.
' Ausführliche Berichte hierüber finden sich in den Geschichtsbacheni,
S. 108 und 109. Unter den Gefangenen wurde ein Wölfl von Furcht
gefasst. Andere sechs Brüder laden den Jakob Huter und Hans Tuch-
macher auf ihre Hochzeit zum Richter.
• Huter's Epistel an die Heiligen Gottes im Pusterthal, Etschlandt und
Innthal soll diser Brieff zu banden. Aus Mähren durch Bruder Peter
Veit gesandt Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
* Der 1533 in Götzenberg gefangen wurde.
511
schlupf" haben', nach Mähren abgefertigt werden könnten.^
Von diesen Leuten wurden 18 gefangen eingezogen; einige
standen von ihrer Lehre ab, aber eilf blieben standhaft und
diesen, lautet der Bericht, «haben wir Inhalts der Mandate das
Recht verschafft^ Was das heisst, davon erzählen die Ge-
schichtsbücher. Nichtsdestoweniger gab es, wie ein Gefange-
ner aussagte, um Guffidaun immer noch eme ,Anzahl von Ge-
schwistrigeten^ Diese Thatsachen berichtete die Regierung am
19. Juni dem Landesfürsten.* Sie meldet daneben, dass man
in den drei Herrschaften Rattenberg, Kufstein und Kitzbüchl
dieser Zeit niemand mehr wisse, der mit der Wiedertaufe be-
fleckt sei, oder dass sie etwa wiederum einreisse. In Kufstein
werde die Ausreutung mit solchem Fleisse gehandhabt, dass
die Vorsteher und ,sectischen' Personen keinen ,Unterschlupf
suchen werden. Was die nach Mähren durchziehenden Per-
sonen betreffe, so werden sie, falls man sie fange, nach den
Mandaten behandelt* Die Landesregierung habe bisher an
allen Orten des Landes zur Ausreutung solcher Secten mit
Ernst und Fleiss gehandelt und es seien solcher Personen in
Sterzing, Rodenegg und GuiBdaun viele gefangen genommen
worden, gegen die nun der Process in folgender Weise gefilhrt
wird: Jene, welche zum ersten Male der Secte anheimfallen,
aber widerrufen und Busse geleistet haben, werden nach In-
halt der Mandate begnadigt; gegen jene, welche nicht abstehen
wollen, ,haben wir zuvor ein leiblich disciplin an etUch tagen
mit enthaltung ringer speis mid mit rutenstreichen fumemen
lassen', eine Strafe, die bei etlichen wohl erspriosslich gewesen
ist. Jene, die auch nach dieser Strafe bei ihrem Irrthum ver-
bleiben, werden in Gemässheit der erflossenen Mandate und
Edicte gerichtet werden. Diesen Process halten wir auch bei
* ,Umb unsere Herrn Fronleichnamstag des XXXIII-en jare haben sy, die
W.-T., die gemain gehalten im Wald ob Erenpurg*, daselbst von den
Brüdern der Umgebung (sowie von Qötzenberg) mit Proviant versehen.
Hutteri Interrog.
• An kgl. Majestät LV, 203—205.
' Der Verkehr mit Mähren war ein reger. Ausser den sBwei »Missiven* an
die Vorsteher in Mähren, die man den Wiedertäufern schon vordem ab-
genommen, wurde ein gleiches Schreiben bei zwei ,Brüdem* in Kitzbüchl
vorgefunden. In Anspitz seien 500 Wiedertäufer in einem Hause, in
einem anderen an 400 in steter Conrespondenz mit den Tirolern. Eis
wird gebeten, ut ibi eiciantur. An kgl. Majestät V, 303.
512
jenen ein, welche nun gefangen liegen. Wir haben auch nicht
unterlassen, den Obrigkeiten einzuschärfen, Kundschaft zu thun,
wie man der Vorsteher habhaft werden könnte, und keine Kosten
und Mühen zu sparen, und haben die zu diesem Zwecke mit
20—40 Gulden ausgesetzte ,Taya' (Taglia) auf 60—70, ja selbst
bis auf 100 Gulden nach Beschaffenheit der Person zu erhöhen
befunden.^ Dem Landeshauptmann und anderen Obrigkeiten
haben wir befohlen, etliche Personen zu bestellen, die ,sich zum
Schein, als wollten sie ihrer Secten sein*, wiedertaufen lassen,
um von ihren Versammlungen zu erfahren. An diesen Bericht
reihen sich einzelne Vorschläge: Man möge zunächst den
Wiedertäufern in Mähren die Erhaltung ,abstricken'.* Dann
achten wir, dass zur Abstellung dieser Secte geschickte Prädi-
canten viel Gutes schaffen möchten. Für das Allererspriess-
lichste aber halte die Landesregierung, ,dass die ursprüngUche
Ursache dieser Sect ausgelöscht werde, welches aber on ain
gemain Reformation nit beschehen mag, darumb Ew.
kgl. Majestät Bruder, die kais. Majestät, von wegen
haltung eines Conciliums zue vermanen guete ursach
hat^ Wegen einer ,stattlichen Gegenhandlung* ist unser 6u^
dünken, dass Ew. kgl. Majestät auf dem künftigen Landtage
Vorstellung mache, dass man auf einen Wiedertäufer ein ,Taya'
von 50 — 100 Gulden lege. Die Regierung wisse keinen nähe-
ren und besseren Weg, durch den sie ,eingekehrt, verjagt oder
vertrieben werden mögend Damit aber die Kammer nicht allzu-
sehr beschwert werde, sollen die vermöglichen Wiedertäufer die
,Taya' erlegen, ob sie abstehen oder nicht. Sind sie zahlungs-
unfähig, so soll sie aus dem Vermögen der anderen Wieder-
täufer genommen werden ohne Rücksicht auf einen etwaigen
Einspruch der Pfandherrschaften. Schliesslich rathe man, alle
confiscirten Güter zur Kammer einzuziehen.
^ Erlässe dieses Inhalts de dato 18. Juni 1533 gingen nach Sterzing, Goffi-
dann, auf den Bitten, gegen Kodeuegg, Kitzbücbl, St Petersberg und
Lienz, wo man die Wiedertäufervorsteher vorzugsweise vermuthete. Causa
Domini IV, 105.
' Von der Zahl der Wiedertäufer in Auspitz hatte die Regierung aus dem
Munde eines Gefangenen, des Offerus Griesingor oder Griesstätter, der
jüngstens zu Uofgarten gefangen worden war, Kunde erhalten. Steck-
brief gegen diesen wiederentkommeuen Wiedertäufer Causa Domini IV,
104, 132.
513
Allen Gefahren trotzend, machte sich ein Häuflein von
Täufern aus dem Guffidauner Gerichte, 25 Kinder mit sich
führend, im Juli 1533, heimUch und meist nur zur Nachtzeit
auf ungewöhnlichen Pfaden ziehend, auf die Reise nach Mähren.
Es gelang ihnen, allerdings nur in kleineren Gruppen, obschon
ihnen der Pfleger von Schwaz und der Landrichter von Rattenberg
die Wege verlegten, bei den Brüdern in Auspitz anzukommen.^
Nur vier Nachzügler fielen Anfangs August in die Hände der
Obrigkeit.* Diese erhielt in jenen Tagen auch Nachricht, dass
neulich, kurz vor Petri Gefllngniss (1. August), in der Hegaw
bei Rattenberg eine grosse Gemeinde versammelt gewesen und
eine zweite durch Huter am Stamser Joch abgehalten wurde.
Als dann von der Regierung der Auftrag kam, an Huter und
seine Genossen die Hand zu legen, war dieser bereits jenseits
der Grenze auf dem Wege nach Auspitz.' Sein Werk wurde
diesseits des Brenners durch Offerus,* jenseits durch Hans
Amon, oder den Tuchmacher, wie man ihn zu nennen pflegte,
forlgesetzt.
Die stärkste Gemeinde im Süden vom Brenner war die
am Götzenberge. Dahin zogen an Festtagen die Frommen
von Nah und Fem: aus Sterzing und Rodenegg, aus dem
Pusterthale und von Taufers, während die Täufer des Inn-
thales in Steinach, wo Valentin Luckner ihr Diener war, bei
Vomp, Brixlegg und in dem Hegaw (Hagaw) ihre Zusammen-
künfte hatten.* Aus der Mitte dieser ,Geschwister' wurden
zeitweise Gruppen von 10—15 Personen nach Mähren ab-
gefertigt. Jeder Rotte waren Orte und Personen genau be-
zeichnet, die sie zu besuchen hatten. Bei einem der zehn
Brüder, die im September am Götzenberge ergriflfen wurden,
fand sich ein solches Itinerar,^ welches Bezeichnungen der
» Causa Domini IV, 113-114.
' Ibid. IV, 114—115.
' Damit hängt auch der Befehl zusammen (16. August), ,niemand ungefragt
auf die Schiff sitzen und wegfQhren zu lassen'. Pestarchiv und Lib.
Cauwi Domini IV, 119; VI, 65, 66, 103. Causa Domiui IV, 130 »von
der gemain am Stamser Joch*.
* Prot XIV, fol. 419. Brixen, an die Regierung 1533 September 22. Brixen,
Lade 112, Nr. 5, B, vom 26. September an den Bischof zu Brixen.
' Causa Domini 1533, IV, 131. September 26. Bericht der Regierung
nach Steinach, Sterzing und Freundsberg.
« An kgl. Majest&t V, 238.
514
Stationen von Wasserburg bis Mähren enthält. Der Fund
wurde von den Käthen zu Brixen sofort an die Regierung
eingesendet, und diese verständigte hievon den Herzog Wilhelm
von Baiern und den Landeshauptmann von Oberösterreich. In
Linz nahmen sie bei dem Partener Aufenthalt.^ Dem Bischof
von Brixen wurde fiir diese kostbare Mittheilung gedankt^ und
empfohlen, auf Onoferus und die anderen Wiedertäufer im
Pusterthal Acht zu haben. Dieser war damals freilich schon
wieder am Inn und feierte noch das Weihnachtsfest in dem
glaubensfesten Hagau. Eine zur Ergreifung der Wiedertäufer
hierhergesandte Rotte unter der Führung des Landrichters
Ernst Prandt kam, wie gewöhnlich, zu spät. Nur ein altes
Mütterchen, Ursula Holzkirche, fiel in ihre Hände.
Einem völlig neuen Falle standen die geistlichen und
weltlichen Behörden am Schlüsse des Jahres 1533 gegenüber.'
Der Bischof von Brixen hatte nämlich der Regierung angezeigt,
Jörg ScharUnger, der Landrichter zu Sillian, sei beauftragt
worden, von den vier in seinem Gefängnisse befindlichen Täu-
fern die zwei Knaben, welche widerrufen hatten, zu entlassen,
über die zwei anderen Jünglinge von 16 — 17 Jahren, Huter
und Schuster genannt, von denen der eine zum zweiten Male in
die Secte gefallen und die nun die Unterweisung der Priester
ablehnten, das Recht walten zu lassen. Nun trugen aber, wie
Scharhnger meldet, die Qeschwomen grosses Bedenken, über
diese jungen Leute nach den Mandaten zu urtheilen, ,sowohl
ihres unvollkommenen Alters, als auch wegen nicht genüg-
samen Verstandes'; denn wo dieser fehle, sei es eine beschwer-
liche Verantwortung, den Menschen zum Tode zu verurtheilen,
besonders in Dingen, die den Glauben berühren. Die Re-
gierung wusste sich darin keinen Rath und fragte (am 3. De-
cember) bei dem Landesfiirsten an, welche Strafe wider die
beiden Knaben zu verhängen wäre, an die Vorlage die Be-
merkimg anfügend: Junge Dirnen seien bisher mit Wasser ge-
richtet worden, andere junge Leute mit Ruthen gestrichen.
Die Dirnen waren aber älter und hatten auch Verstand ge-
habt. Die EntschUessung (de dato Prag, 19. December) lautete:
» Causa Domini IV, 130.
» Ibid. IV, 129.
' An kgl. Majestät V. 263. Sinnacher VII, .SOO. Kripp, S. 38,
615
Gegen den Rtickftlligen sei nach dem Rechte zu verfahren,
man möge ihn sowie den zweiten verwahren, beide auf eigene
oder auf Kosten der Verwandtschaft, und wenn das nicht
thunlich sei, aus dem gemeinen Almosen erhalten, bis sie 18
Jahre erreichen. Inzwischen soll man sie, selbst wenn sie ab-
stehen und Busse thun würden, durch gelehrte Personen fleissig
unterweisen lassen. Erst wenn sie nach erreichtem 18. Lebens-
jahr förmlich widerrufen und Busse gethan haben würden,
sollte ihnen Gnade erwiesen werden. Bleiben sie aber auch
da noch verstockt, so soll ihnen ihr Recht werden.^ Von Brixen
aus wird ein ähnliches Verfahren dem Pfleger Ulrich Geltinger
empfohlen: ,Dass du den berührten Knaben mit christlicher
Mahnung und heil. Schrift durch gelehrte und geschickte Leut-
priester und Laien und seine Freundschaft besprechen, und
sofern das nichtig wäre, ihn alsdann etliche Mal mit Ruthen
streichen lassest.' Sollte auch das nichts helfen, so soll er ,des
Stifts' verwiesen werden,*
Der eingezogenen Güter wegen kam der Fiscus in einen
Streit mit den Pfandinhabem tirolischer Herrschaften, die auf
derlei Güter Ansprüche erhoben hatten. Anlass dazu gab das
Höllriglgut im Gerichte St. Petersberg und die Versuche der
Brixener Stiftsbeamten, die Güter der gerichteten oder flüchtig
gewordenen Täufer mit Beschlag zu belegen. Die Regierung
säumte nicht, diesen Fall dem Landesflirsten anzuzeigen und
zu melden, dass nebst Herrn Caspar von Freundsberg und dem
Bischof von Brixen auch die anderen Pfandinhaber, wie z. B.
der Erzbischof von Salzburg als Inhaber von Kitzbüchl und
Graf Firmian sich gleiche Rechte anmassen. Der Erzbischof
berief sich hiebei auf eine Verschreibung des Kaisers Max,
welche Erzherzog Ferdinand zu Schwaz bestätigt habe.^ König
Ferdinand befahl, vorläufig den Bittstellern die Beschlagnahme
solcher Güter zu untersagen, bis er die Sache auf dem künfti-
gen Landtage mit den Pfandherren ausgetragen haben werde.
* Von kgl. Majestät IV, 367.
* Prot. XIV, 593.
* Reg. an kgl. Majestät V, 215; 1533 August 2; im Innsbrncker Archiv.
Hofkammerarchiv in Wien. Hierher gehören: Hofkammerarchiv, Hof-
fioanzen 16, de dato 8. Febmar 1532; ein Memoriale des Erzbischofs
von Salzburg, ebenda und ein Rathschlag auf die Beschwerde des Car-
dinais von Salzburg, ebenda.
516
Diese Austragung durfte nicht stattgefunden haben^ da bald
darauf die kgl. Verordnung — sie wurde 1536 erneuert —
eintraf; dass aUes das^ was künftighin von solchen Gütern
über die Rechtfertigungs- und Gerichtskosten übrig bleibt,
nicht zu Sr. Majestät Händen eingezogen, sondern den Kindern
oder nächsten Erben zugestellt werden soUe.^
Die Wiedertäufer meinten, dass die Tyrannei in der Mitte
des Jahres 1533 den höchsten Grad erreicht habe. Nach dem
Inhalte der Acten möchten wir diese Meinung nicht Lügen
strafen. Die oben berührten Täuferprocesse betreflTen wohl die
schwersten Fälle, die wider sie vorgekommen, aber ihre Zahl
ist damit noch lange nicht erschöpft. E^ finden sich noch viele
Angaben, die auf die Art des Vorgehens wider sie ein helles
Licht werfen: Am 31. Jänner rügt die Regierung, dass der
Fürstbischof von Brixen einen Rückfälligen begnadigt imd von
ihm eine Geldstrafe angenommen.^ Vor dem 24. Mai wurde
Hans Gasser von dem Ritten zu Bozen gerichtet.' Seine
Tochter Barbara und Margaretha, Paul Zimmermannes Tochter,
wurden an diesem Tage einem Verhöre unterzogen. Letztere
war an Caspar Puchl im Samthai verheiratet; sie hält die
Kirche fllr einen Steinhaufen, die Messe filr ein Greuel und
Gestank vor Gott. Die Priester, sagt sie, lügen auf der Kan-
zel viel mehr, als sie die Wahrheit sagen. Ihr, der Wieder-
täufer, Glauben sei der rechte. Vor einem Jahre sei sie in
Terlan mit zwei Personen gefangen worden, namens Leonhard
und Agnes ob Braitenberg, die ,mit dem Brand' gerichtet
worden seien. Sie habe abgeschworen, sei aber wieder Täufe-
rin geworden. Am Palmtag habe sie Valten Schneider, so
zu Guffidaun gefangen hegt, ,in die KofeP auf Braitenberg ge-
führt, da sie verjagt worden, und nachmals in einen Wald, da
sie auch jüngst verjagt worden. Daselbst seien ihrer an 100
bei einander gewesen, der Huter und Andere. Sie wisse, dass
dieser der rechte Glaube und der Weg zur Seligkeit sei. Sie
haben alle miteinander nach Mähren ziehen wollen. ,Von der
Wahrheit wegen wolle sie gern den Tod oder Marter leiden.
* Missivenbach 1533/4. Doch dürfe, hiess es, den flüchtigeQ Täufern hier-
aus kein Nutzen zukommen.
« Causa Domini 1633, fol. 114.
' Das Datum ergibt sich daraus, dafls in dem VerhOre mit seiner Tochter
am 24. Mai seiner als zu Bozen gerichtet gedacht wird.
517
Gott sei gelobt/ ^Hans Tuchmacher habe sie zu Lichtmess
(1532) getauft/* Noch mehr Interesse haben die ,Urgichten
und Bekenntnisse' der Gertrud Prezin von Sterzing und ihrer
Tochter Elsbeth vom 17. Juni, Balthasar Maierhofer's von Unter-
Vientel, der Apollonia Kniehäusser und Hans Sattler's vom
21. Juni, Hansel Gremser's vom 1. Juli, Vincenz Puchler's vom
11. Juli, Valten Luckner's vom 6. und Margaretha Maierhofer's
vom 10. October. Damit Licht und Farbe nicht ungleich ver-
theilt sei, möge auch aus diesen ,Urgichten^ Einzelnes mit-
getheilt werden; das Vorgehen geistlicher und weltlicher Be-
hörden gegen die Täufer wird durch den Inhalt derartiger
Bekenntnisse immerhin erklärlicher, wenn andererseits auch
zugegeben werden muss, dass nicht aUe Täufer so extremen
Lehren folgten wie diese. Gertrud Prezin und ihre Tochter
bekennen: An die christliche Kirche glauben sie nicht, das
sei ein Steinhaufen und eine Mördergrube; die Messe und
die Sacramente seien ein Greuel und ein Gestank vor Gott;
die Kindertaufe sei eine Sudelwäsch. Jetzt ein Jahr seien sie
zu Falkhanej durch den Onofirius, der ihnen das Wort Gottes
gepredigt, getauft worden. Ihr Glaube sei die göttHche Wahr-
heit und sei ein seliges Leben, und dabei bleiben sie. Sie
haben jetzt in der Fasten dem Priester, den sie Blindenftihrer
nennen, nicht gebeichtet. Sie wollen sich nicht bekehren und
begehren keine Gnade und wollen mit Gottes Hilfe eher ster-
ben. Die Pfaffen sagen in der Kirche kein EvangeKum, son-
dern sie lügen. Es gehen nur Hurer und Buben in den Stein-
haufen.*
Wir vernehmen auch aus dieser Urgicht, Jakob Huter
sei WiUens, nach Mähren zu ziehen.
Vincenz Puchler bekennt, von der Priestermesse nichts zu
halten; sie wollen das Abendmahl nach ihrer Weise nehmen.
Sie werden unterwiesen, die Bildnisse Christi und der Heiligen
flir nichts Anderes denn für Götzenbilder zu halten. Er habe
auch ein Crucifix zerbrochen.
Am ausführlichsten ist die Urgicht Luckner's, die auf das
Leben und Treiben der Täufer einiges Licht wirft. Weniger
wird von ihren Lehren gesagt: Als Christus der Herr auf
* Orig. in der v. BecVschen Sammlung.
* Siehe die BeUagen Nr. 8 und 9.
518
Erden ging, sei keine Kirche gewesen als allein der Tempel
Salomonis. Der Pfaffe sei der erste Hurer: Weiber nehmen
dürfen sie nicht, dafür aber Huren halten. Die Messe sei zu
nichts. Das Sacrament sei nichts als Mehl oder Brot und des
Teufels Gaugel werth. Der Papst hab's aufgebracht; der sei
ein Diener des Teufels. Der Pfaffen Predigt sei zu nichts.
Dem Pfaffen sei befohlen, das Evangelium nicht zu predigen;
dem Huter sei dies aber von der Gemeinde aufgetragen. Gott
habe befohlen, die zu taufen, welche im Glauben unterrichtet
seien. Die Pfaffen sind falsche Propheten. ,Die Brüder, die
im Qötzenberg gewesen, seien nach Mähren verzogen; nur der
Hansel Derker und Hansel Maurer möchten noch im Puster-
thal sein.^
Unter den Vorschlägen, die gemacht wurden, die Hart-
näckigen zu bekehren, ist wohl ein recht seltsamer der, welchen
die Regierung am 31. Mai dem Pfleger zu Guffidaun machte:
er möchte in den Trank der Wiedertäufer etwas Weihwasser
giessen, ihre Speisen mit geweihtem Salz kochen, dies etliche
Tage machen und sehen, wie sie sich ,darob' stellen.^
Am 4. Juni sandte Ferdinand ein Schreiben an den Erz-
bischof von Salzburg ,wegen Abstellung der Ketzereien der
Wiedertäufer in der Gegend von Rattenberg, Kufstein und
KitzbüchP;* am 18. Juni befiehlt er den Richtern zu Sterzing
und St. Petersberg, dem Pfleger zu Guffidaun und den Pfand-
herren zu Ritten, Rodenegg, Lienz und Eätzbüchl in Gemäss-
heit der von der Regierung geäusserten Wünsche, in Wäldern
und Thälem und den Almen gut Acht zu haben, dass die
Ketzer in Haft gebracht werden, ebenso die Personen, die
ihnen Unterkunft gewähren, dann die Mandate wegen Ver-
brennung der Häuser einzuhalten. ,Nachdem diese Sect nit
bas ausgereut werden kan, dan so die Vorsteer zu vänknus
gebracht, so wellest deshalben auf eine vertraute geschickt
person bedacht sein, dieselb dahin anrichten, das sie sich zu
den Widertauffern liebe, in dem schein ir sect anzunemen und
sich tauffen zu lassen.^ Endlich wird die ,Taja' in der Höhe
von 60, 70 bis 100 Gulden bewilligt.»
^ Causa Domini.
• Innflbnicker Archiv. Concept. Copie in der v. Beck^schen Sammlunfr-
^ Qleicli zeitige Copie in der v. Beck'scheu Sammlung. Causa Domiui IV, 1U6.
519
Ein gleiches Vorgehen wird von der Landesregierung auch
dem Bischof von Brixen empfohlen.^ Der Landeshauptmann
Georg Freiherr von Firmian berichtet am 25. Juni^ er habe
mittlerweile, ehe er noch den neuesten Befehl der Regierung
in den Händen hatte, die Auskundschaftung der Wiedertäufer,
die häufig auf den Bergesrticken zusammenkommen, durch
Hirten besorgen lassen. Wenn diese etwas erfahren, so wird
es zuerst den Pfiegem gemeldet, die dann ausziehen und
Rücken und Pässe besetzen. Auf diesem Wege werde man
die Vorsteher am ehesten erwischen.
Einigermassen ironisch klingt das Schreiben des Brixener
Bischofs an die Regierung vom 29. Juni, in welchem es am
Schlüsse heisst: Wir setzten nicht in Zweifel, ihr seid nun in
einer guten Erfahrung, was die Revocation bei den Wieder-
tänferpersonen und sonder Jakob Hueter's imd anderer dieser
Secten Anhänger ftlr Nutz und Frommen gewirkt.* Tags dar-
auf bestätigt die Regierung dem Bischöfe den Empfang der
Urgichten der auf Michelsburg liegenden (obengenannten)
Wiedertäufer.' Am 3. Juli wird dem Landesftlrsten gemeldet,
dass sich Täufer auf dem Gebiete des Grafen von Montfort
und des Abtes von Kempten zeigen. Se. Majestät möge be-
fehlen, dass ihnen ernstlich entgegengetreten werde.* Die Re-
gierung antwortet dem Fürstbischof zu Brixen, ihr Schreiben
sei in Brixen missverstanden worden: ,Unser Gemüth steht nit
änderst, denn dass gegen diese Personen nach Inhalt der aus-
gegangenen Mandate gehandelt werde/
Am 5. August lässt sie den fbrstbischöflichen Anwälten
und Räthen zu Brixen melden, dass eine, genannt Justina Rum-
lerin, Jörg Rumler's zu Innsbruck hinterbliebene Tochter und
weiland Gallen von Brixen Hausfrau, tlber ,vorbeschehene Be-
gnadigung wiederum in die verftlhrerische Sect des Wiedertaufe
gefallen, ausgetreten und flüchtig geworden sei^^ Vier Tage
später wurde dem neuen Landrichter in Bozen, Ludwig Pock,
der Gerichtsstab übergeben. Wir erwähnen diesen Umstand
* Bericht vom 21. Juni 1683. Orig. in Brixen. Lade 112, Nr. 6, Lit. B.
* Beg. Prot Xin, fol. 248, 256. Die Antwort de dato 8. Juli. Brixen.
Lade 112, Nr. 6, Lit. B.
' Orig. Brixen. Lade 112, Nr. 6, Lit. B.
* An kgl. MajestÄt, Lib. V, fol. 207.
* Orig. Brixen. Lade 112, Nr. 6, Lit. B.
i
520
deswegen, weil er und Heinrich Peringer, der ihn ins Amt ein-
führte und 1335 selbst Landrichter in Bozen und Gries wurde,
beim Clerus der abgestellten Feiertage wegen schlecht an-
geschrieben war.^ Am 9. September wird von Brixen an Wil-
helm von Liechtenstein zu Cameid gemeldet: Es sollen jetet
wieder im Pusterthale Wiedertäufer in grosser Zahl versam-
melt sein; man möge auf sie Acht haben und sie zu Gefäng-
niss bringen.* Dem Pfleger von Michelsberg wird befohlen,
mit den gefangenen Wiedertäufern still zu stehen: ,Wir schicken
dir/ heisst es in dieser Zuschrift, ,da8 Btiechl, so uns tiber-
antwurt, wiederum zu und ist unser Befehl, mit dem Paul
Ruemer darüber zu handeln, wer es geschrieben hab; sonder
lieh finden wir in der letzten Epistel: Es grtissen Euch alle
Brüder, ein jeder insonderheit zu viel tausendmal. Darin wird
von einem Fenster gemeldet, dadurch ein Eichhorn ausgelaufen .
sei, derohalben wollest du den Ruemer fragen, an welchem Ort
dasselbe Eichhorn zum Fenster ausgelaufen sei und was Per-
sonen dabei gesessen/ ^ Bei dem genannten Wiedertäufer fand
man den Zettel, auf welchem alle Herbergen von Wasserburg
bis Mähren verzeichnet waren. In dem Schreiben, welches
hierüber am 15. September der Regierung zugesendet wurde
und in dem über neuerliche Wiedertäuferversammlungen am
Götzenberg gesprochen wird, bei denen Hans Tuchmacher ge-
wesen, heisst es: ,Femer werden wir glaubhch berichtet, wie
sich um Rattenberg auch ein Haufen Wiedertäufer in guter
Anzahl finde, dabei Jakob Hueter oder Onofrius.'* Wenige Tage
später klagt die Regierung in einem Schreiben an die Stadt
Kitzbüchl, dass die lutherische Secte daselbst einreisse und
dass ein Priester, Paul Kessler, daselbst gewesen und sich über
das hochwürdige Sacrament und die Kindertaufe etwas frevent-
lich habe hören lassen.^ Am 16. October übersandte Brixen an
den Landrichter die Aussagen der am Götzenberg gefangenen
Täufer: Ruprecht Hueber, Vincenz Schneiderknecht und Chri-
* Angabe in der v. Beck'schen Sammlung.
« Reg. Prot. 14.
' Es dürfte nach dem Stil ein Sendschreiben Huter's gewesen sein, om
da« es sich hier handelt (so heisst es auch im ersten Brief: Grüasen wir
Euch auch, einen jeglichen in Sonderheit). Prot. 14, fol. 22.
* Reg. Prot., fol. 400.
^ Innsbrucker Archiv.
521
stian Pediller. Hueber zeigt an, er habe einmal Kinder über
den Brenner gegen Schwaz getragen; Schneiderknecht ist in
den vergangenen Jahren mit ethchen Brüdern — es sind ihrer
gegen 20 gewesen — aus Kärnten heraufgezogen.^ Aus den
,ürgichten^ der auf Michelsburg im Thurm liegenden Wieder-
täufer sei zu entnehmen, dass auch Linhard Schmidt zu Müln
und seine Tochter dieser Secte angehören. Man möge sie beide
einziehen und verhören.^ Von dem Pfleger auf Neuhaus wird
gemeldet, dass er ein ,Beherberger^ der Wiedertäufer sei ; na-
mentlich sei Hans Tuchmacher sein Gast.* Dieser wurde zu
wiederholten Malen auch von dem Brixener Bürger Peter Lanz
auf Nieder-VinÜ beherbergt, der indess hierüber eine ,Be-
gnadigung^ erhielt.* Dem Hauptmann zu Puchenstein und dem
Pfleger zum Thurm wird am 2. December gemeldet, dass die
Wiedertäufer aus dem Pusterthal sich daselbst einschleichen.
Man möge Sorge tragen, sie zu greifen.^ Gegen den Pfleger
von Neuhaus wurde am 3. December Hans Fuger ausgesendet,
um ihn in Haft zu nehmen. Am besten, schreibt die Regierung
nach Brixen, wäre es, wenn man dort das ganze Nest, Vor-
steher, Pfleger, Brüder und Schwestern aufheben möchte;^ alle
Massregeln, die hiezu nothwendig waren, wurden getroffen, den
gewünschten Erfolg hatten sie nicht. Es wurde zwar der Pfleger
Erhard Zimmermann ,geßlnglich angenommen', aber gegen
Bürgschaft wieder freigelassen, was Fuger die Missbilligung
der Regierung eintrug.' Es gelang dieser weder Huter's noch
des Tuchmacher's habhaft zu werden. Der erstere hatte in-
zwischen den Schauplatz seiner Thätigkeit nach Mähren
verlegt.
* Prot. XIV, fol. 466-459.
» Brixen, 21. October. Reg. Prot XIV, fol. 470.
' Im Stiftsregister findet sich zum 24. October die (bei Rripp. S. 39) citirte
falsche Nachricht, dass der Vorsteher Hans Tuchmacher unter den zehn
Gefangenen am GOtzenberge gewesen und mit den anderen zu Michels-
bnrg hingerichtet worden sei.
* Brixen, 10. November. Reg. Prot. XIV, fol. 678.
* Prot. XIV, fol. 666.
* Iinubmck, 20. December. Orig. Brixen, Lade 112, Nr. 5, Lit. B. Herrn
Caspar Knnigl Abschrift davon zu schicken. Vgl. auch Causa Domini IV
vom 12. December.
' Causa Domini IV, 142, de dato 10. Jänner 1684.
ArcbiT. LXXYIII. Bd. II. H&lfto. 34
522
7. Die ^Hnterlschen BrUder^ in HShren.
,Am 12. tag Augusti Anno 1533 — sagen die Aufzeich-
nungen der Wiedertäufer — ist zu uns kumen aus gnad un3
barmherzigkeit und aus Schickung gottes unsere himmlischen
vatere unser lieber brueder und diener unseres herm Jesu
Christi Jakob Hueter. Den hat die ganz heilig gemain gottes
empfangen und aufgenommen, als den herren selbs/ ^e
Frommen/ fahren sie fort, ,haben sich darüber sehr erfreut. Er
gab seiner Freude gleichermassen Ausdruck: ,Nicht zu Frem-
den komme er, sondern zu seinen lieben Brüdern, den Wohl-
bekannten und Kindern,' sagte er zu Sigmund Schützinger und
den Aeltesten der Gemeinde. Alle waren damit einverstanden,
baten und mahnten ihn, das Volk treulich und mit höchstem
Fleiss zu versorgen, was er auch zusagte. Eine kleine Gabe
,im Zeitlichen', die er mitbrachte, soUte zur Tilgung der Schuld
dienen, die man in den Tagen der Noth bei der Aebtissin von
Maria-Saal in Brunn und bei einzehien Auspitzer Bürgern auf-
genommen hatte. Ein Brief, den Hans Amon an seinen Lands-
mann und Bruder Leonhard Schmerbacher vorausgesandt hatte/
sollte Huter die Wege in Auspitz ebnen: ,Ich bitt' dich sunder-
lich um unsers Bruders Jakob wegen, du wollest dir ihn lassen
befohlen sein. Ich schreibe dir im Vertrauen zu einer treuen
Warnung um der heben „Geschwistriget" willen: Wenn Bruder
Jakob hinabkommen und Diener würde und dem Volke Gottes,
wie ich hoffe, vorstehen, und die heben Kinder Gottes ein
Vertrauen zu ihm hätten, andere hingegen hierüber kleinmüthig
oder verdrossen werden woUten, so wollest du „darob" sein,
das es nit geschehe und keine bittere Wurzel unter den Dienern
Gottes aufkomme.' Was Hans Amon befürchtete,* Uess nicht
* Etliche gar schOne niid tröstliche Epistlen von unserem lieben bruedem
und diener Christi Hans Amon. Die erst Epistel an den Leonhartt
Schmerbacher. Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
' Wir folgen hier der ,Anzaigung über den Zwiespalt der Gemain in HärfaeraS
geschrieben von Br. (Braitmichl), die sich in mehreren Handschriften der
Brüder erhalten hat: Cod. 6. J. VI, 25 und Cod. Q. J. X, 8 sa Gran;
Codd. 216, 234 und 286 in Pressburg; Cod. VHI, d in Pest und im H. S.
Colleg. S. J. Scalic. (einst in der v. Beck*8chen Sammlung; jetst wo?).
Copie in der v. BecVschen Sammlung.
523
lange auf sich warten und war, mit Huter's Worten zu reden,
schon bei seiner Ankunft vorhanden. Am nächsten Sonntag
(17. August) verkündete Huter dem Volke die heil. Botschaft
von den Geschwistern, die ihn gesandt, und die grossen Wun-
derwerke, die Gott durch ihn und andere Heilige gewirkt habe.
Dann zeigte er an, es hätten einige seine Hierherkunft so ge-
deutet,* als würde er mit ihnen auf einen gesonderten Ort
gehen. Dem sei durchaus nicht so. Weiter sagte er: Dieweil
Gott ihn hierher gesandt habe, so wolle er seinen höchsten
Fleiss anwenden, die Dinge zu bessern. Nach etlichen Tagen
fing er an, einige Dinge zu verbessern. Das wurde ihm von
Sigmund Schützinger verwehrt, und das war der Grund, wes-
halb Jakob sich an Gabriel nach Rossitz wandte, um zu er-
fehren, ob sie ihn zum Lehrer und Diener des Herrn haben
wollten oder nicht: ,AJ8o stille zu sein und das von Gott
anvertraute Amt nicht getreu zu verrichten, das könne er vor
Gott nicht verantworten. Bedürfen sie seiner nicht, so woUe
er weiter ziehen, wo der Herr ihn hinschicke. Er sei Willens,
dem Volke dies anzuzeigen, und was dies über ihn beschliesse,
das wolle er thun.' Gabriel billigte diesen Schritt.
Während Huter in Rossitz weilte, kam Schützinger zu
Leonhard Schmerbacher und Wilhelm Griessbacher und kün-
digte ihnen an, er wolle sein Amt nicht preisgeben und dem
Jakob nicht gestatten, viel zu reden. Beide baten ihn, dem
Amte in Gemeinschaft mit Huter vorzustehen, aber Schützinger
ging darauf nicht ein. Als nun Huter aus Rossitz zurückkam
und dem Volke die Grüsse, die Gabriel ihm aufgetragen, ver-
melden wollte, fuhr ihn Sigmund an: ,Was er denn thun woUe.^
Jakob zeigte diesem und den Aeltesten in Beisein Caspars von
Rossitz an, was seine Meinung und sein Begehren sei, ob man
seiner bedürfe oder nicht. ,Seines Amtes nicht zu gebrauchen,
sei er nicht frei vor Gott.^ Da sagte Sigmund: Gott habe das
Amt ihm übergeben, er gedenke die Leitung auch fortzufiihren.
Wiederum baten die Aeltesten ihn, nachzugeben und in Ge-
meinschaft mit Huter des Amtes zu walten. Aber wieder
weigerte sich Schützinger, darauf einzugehen. Die Diener des
Wortes hatten nun die Absicht, die Gemeinde schon auf den
^ Die Worte lauten etwas unklar: ,Wie sich etlich auf seine Zuekunft ge-
sogen hinten/
84*
\
624
nächsten Tag zusammenzurufen, das ward aber gehindert, denn
,viele Brüder waren aus in der Arbeitt Man trat also am
nächsten Sonntag (24. August) zusammen. Schützinger klagte,
dass Huter sich eindrängen wolle, dieser aber sagte, er begehre
nichts, als dem Volke zu dienen. Zu diesem Zwecke sei er
von Gott hierher gesandt worden; die Obsorge für das Volk
sei ihm ebenso anvertraut als jenem. Da sprang Bruder Phi-
lipp auf und schrie: ,Wenn er also dran wollt, so sei kein
ärgerer Teufel als er ins Land gekommen.^ Jakob aber stand
fest auf seinem Vorhaben und fragte die Gegner, wie es ihnen
gefallen möchte, wenn sie für eine Zeit wegzögen und ihr Volk
einem Gehilfen anvertrauten, bei der Rückkehr aber diesem
nachstehen müssten. Schon einigten sich die anwesenden Brü-
der der Nothdurft, Blasius, Philipp und Peter dahin, dass beide
gemeinsam das Amt versehen sollten. Da fuhr wieder Gabriel
dazwischen und hinderte eine Einigung. Huter begehrte, die
Stimm 3 des Volkes zu hören, und dies konnte ihm billiger Weise
nicht abgeschlagen werden.
Am 31. August legte dieser den versammelten Glaubens-
genossen die Gh^nde seiner Ankunft dar. Sigmund berief sieh
auf seine Erwählung, und Gabriel pflichtete ihm bei: ,Wolle
man den Sigmund minder halten als Jenen oder auch nur im
Dienste gleichstellen, so sei er bereit, die Strasse wieder zu
ziehen, auf der er gekommen. Auch zu Jerusalem habe es
nur einen Hirten gegeben, und das sei Jakobus gewesen. WoUe
man jetzt, etwa der schönen Reden wegen. Huter höher stellen
als Schützinger, so werde sie die Strafe Gottes ereilen. Man
möge aus jenem keinen Abgott machen. Es sehe sich an, als
sei er eines stolzen, hochfahrenden Sinnes und hätte für das
Hirtenamt mindere Gaben als für das eines Apostels.^ Schliess-
lich ward nun die Gemeinde um ein Urtheil angesprochen.
Da erhob sich Peter Huter: ,Er wisse keinen höher oder nieder,
grösser oder kleiner zu halten. Ihm gelte einer so viel als der
. andere.' In diesem Sinne äusserte sich auch Leonhard: ,Um
des Friedens Willen möge Huter dem Schützinger nachgeben.'
Das Volk stimmte zu; einer aus der Menge sagte: ,Wenn schon
der Jakob nit da wäre, wir hätten am Sigmund gleich genug.'
Gabriel fragte Hutem, ob er das Urtheil annehme. Dieser er-
klärte, sich zuerst mit Gott und den Aeltesten berathen zu wollen.
Gabriel aber sagte, er habe mit ihm nichts weiter zu reden.
636
Es war aber grosser Schmerz und Herzeleid unter allen
,Geschwistrigeten'. Auch Jakob war voller Betrübnis. Etliche
Brüder gingen zu ihm^ um ihn zu trösten; andere meinten^ er
habe die Absicht, etliches Volk von hier weiter zu führen. Am
,Aftermontag' (2. September) wurde das Volk wieder zusammen-
gerufen, und nun erklärte Huter, er wolle das Urtheil um der
Liebe, des Friedens und der Einigkeit, aber um keiner Ge-
rechtigkeit Willen annehmen. Huter hatte sich entschuldigt:
,Die Brüder hätten ihn nicht recht verstanden.^ Auf das sagt
Gabriel: ,Sind wir doch deutsch. Du hättest diese Antwort
nicht zu geben brauchen.'
Vierzehn Tage später wurde Schützinger krank. Da predigte
Jakob das Wort des Herrn, und die Aeltesten baten ihn, dem-
nächst eine Predigt über die Gemeinschaft zu halten; das that
er am Sonntag darauf (28. September) ,und sprach in der
Kraft Gottes von der wahren Gemeinschaft Gottes*. Da erhob
sich jedoch ein neues Griesgramen unter etlichen, imd diese
wurden sehr hart gegen ihn.
Tags darauf wollte Jörg Fasser sein ,Zeitliches, so er be-
aass', der Gemeinde Gottes geben und brachte seine Betten,
Truhen u. s. w. in die Gemeindekammer. Als die Diener die
Sachen untersuchten, fand sich, dass seine Gattin ihr Geld und
etwas von dem Gelde der Kinder bei Seite geschafft habe. Des-
wegen wurde sie von den Dienern, ihrem Manne, von Sigmund
und der ganzen Gemeinde hoch ,vermahnet und gestraft'. Da
dachte Huter, ob nicht Schützinger's Weib auch solch' eine
Saphira wäre, und sagte den Aeltesten, wofern sie ihm in der
Kraft Gottes Beistand leisten wollten, wollte er die Sache an-
greifen und untersuchen. Sie stimmten bei: Er möge zuerst in
seiner Kammer anheben und hierauf bei allen Aeltesten Truhen
und Betten untersuchen. So kamen sie auch zu Sigmunds
E^mmer. Da fanden sie ,Leilach, Pfaidlen und anderen Ueber-
fluss nur zu viel'; darunter auch vier Pftmd Bemer Sechser.
Die Frage Huter's, ob Sigmund von diesem Gelde gewusst
habe, bejahte dieser und zog unter dem Dache noch etwa 40
Gulden hervor, worüber Jakob und die Aeltesten ,fa8t er-
schrocken sind', weil man solches von ihm, der die ,Gemein-
schaft' lehre, nicht habe erwarten können.
Huter zeigte ihm ,seine Schalkheit' an, und Schützinger
ward am nächsten Morgen (3. October) vor die Gemeinde ge-
526
stellt^ um gerichtet zu werden. Da erschraken alle Kinder
Gottes; Brüder und Schwestern fingen mit lauter Stimme zu
weinen an. Er ward ,nach dem Wort Gottes, wie billig und
recht ist, ausgeschlossen und dem Teufel überantwortet Er
bekannte übrigens selbst, es wäre ihm recht geschehen, und
bat um Gnade und Barmherzigkeit. An demselben Tage wurde
dann auch die Fasserin (die übrigens später wieder in Gnaden
aufgenommen wurde) aus der Gemain Gottes gethan^
Dieser sagte nun Huter, welch' ungerechtes Urtheil sie
vordem wider ihn geMlt hätten. Ihn hätten sie fUr untaugUch
erklärt, dem Amte vorzustehen. Er ermahnte sie, zu Gott zu
bitten, dass er ihnen ,einen frommen Hirten und Diener er-
wecken möge^ ,Da hüben wir an, ganze acht Tage und Nächte
zu beten und schickten zwei Männer gegen Rossitz und Hessen
dem Gabriel unseren Mangel anzeigen. Er wies auf Huter hin,
und da wir fleissig zu Gott gebetet hatten, schickte er uns den
Jakob und verband ihn in grosser Liebe zu uns, dass er uns
Bischof und Hirt sein solle.' Das geschah am 12. October. ,Da
nun,^ erzählt Braitmichl, ,die Liebe imd alle Gottseligkeit, auch
das rechte Licht und das wahre Urtheil bei uns wuchs und
die heilige Gemeinde in Frieden lebte, da mocht' der Teufel
nimmer feiern, sondern trachtete, Ursachen zu finden, damit er
die Liebe unter uns zertrennen möchte.' ,Als wir am Sonntag
(es war der 26. October) beisammen waren, um das Wort Gottes
zu hören, kamen in Schafskleidern, wohlgeputzt und heuch-
lerisch, hereingeschlichen Philipp und Blasius, Gabriel und Pe-
ter Huter.'
Huter selbst schrieb über diese Versammlung in seiner
,Epistel aus Mähren an die heil. Gemain Gottes im Pusterthal,
Etschland und Innthal' : ^ , Wir haben die Gemeinde versam-
melt zwei Stunden vor Tags und hab' mit ihnen wollen reden
das Wort des Herrn nach der grossen Noth, die vorhanden war
und noch ist. Ich stund aber in grossen Sorgen, da ich spürte
und erkannte, was sich in der Gemeinde sehen und hören liess.
Ich hatte den Willen, von der Ehe zu reden, nachdem so gar
viel ledige Brüder und Schwestern vorhanden sind, auf dass
sich ein Jegliches desto bass wisse zu schicken, und darum stund
ich auch in grossen Sorgen, denn ich sollt' die Wahrheit reden,
^ Cod. Poson. 235. Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
527
dass ich nit etlichen zu viel red'. Doch sonderlich forcht* ich
den Philipp und Gabriel, jedoch forcht* ich Gott viel mehr und
nahm mir vor, zu reden mit rechter Kunst und Bescheidenheit/
,Da ich nun das Volk vermahnet hab' zum Gebet und
haben auch alle wollen auf unsere Kniee fallen, da kamen zu
uns ohne unser Wissen und Willen Philipp und Gabriel und
Blasy und Peter Hueter von Rossitz, die wir denn empfingen
als Brüder. Hab* sie geheissen reden, was sie anzubringen
haben. Da haben sie angefangen und bezeugt, wie sie da
seien um Fried' und Einigkeit Willen und haben sich in Wor-
ten erzeigt als Engel Gottes und Schäflein, aber inwendig waren
sie wahrlich reissende Wölfe und sind in der Folge erfunden
worden von der ganzen Gemain Gottes als Luger, Schänder,
Lästerer, falsche Hirten und Propheten, darumb sie auch durch
Gottes Kraft, Geist und Wahrheit aus der ganzen Gemain aus-
geschlossen und dem Teufel überantwortet worden sind. Das
Wie und Warum, sagt Huter, werden Euch die Boten sagen. Wir
haben aber nit schnell und leichtlich mit ihnen gehandelt, son-
dern alle Ding genug und wohl bei dem rechten, heiligen Licht
tibersehen und sind wohl fünf Tage damit umbgangen mit
grossen Schmerzen und Zittern vor Gott.'
Warum es sich gehandelt, erzählt uns Braitmichl: Jakob
fragte sie, was sie anzubringen hätten. Da hub PhiUpp an:
1. Warum wii' den David von Schweinitz von uns gethan und
nicht wieder aufgenommen hätten; 2. warum wir den Bernhard
Glasser ausgeschlossen; 3. warum wir sagen, dass die Erwählung
des Sigmund nicht aus Gott sei. Es kam hierauf zu hitzigen
Reden und Gegenreden, ,so dass die Gemain zu keinem rechten
Grund nit kummen kunt^ Es hiess einer den anderen Lügner,
bis Gabriel und Philipp den Schalk, welcher sich immer ver-
borgen macht, ausschütteten. Denn der Jakob sprach ihnen
in der Kraft Gottes zu: ,Ihr habt die Gemeinde beschuldigt,
und wenn dem also war, so wären wir die ärgsten Buben.'
Philipp aber leugnete und hiess den Jakob einen Lügner.
Dieser aber sprach: ,Die Lüge wird auf deinem Kopfe bleiben.'
Philipp sprach weiter: ,Ich habe wohl gesagt, du seiest ein
Götz' und sie beten dich an, und das ist auch wahr.' Darauf
ward ein grosses Getümmel unter den Geschwistern, die ihm
wie aus einem Munde zuriefen: ,Du lügst.' Da begann Philipp
zu jblümeln'. Endlich standen sie auf und sagten: Liebe Ge-
628
meiudc, wir haben nichts wider Euch, sondern nur wider
Euren Diener. Darum rathen wir: Wählet einige Männer aus
Euch, welche in dieser Sache richten sollen. Da niemand eine
Antwort gab, gingen sie fort.
Am folgenden Montag wählte die Gemeinde acht Männer,
von denen je vier den beiden anderen Gemeinden Rechenschaft
geben sollten. Philipp empfing die Boten mit Scheltworten:
Des Geldes wegen hätte man aus Jakob einen Götzen gemacht,
den SchUtzinger aus Neid und Hass ausgeschlossen. Tags dar-
auf kam Botschaft von Rossitz: Philipp und Gabriels Gemein-
den würden allein das Richteramt üben und ihnen hätten die
Huter'schen Rechenschaft zu geben. Während nun diese zur
Nachtzeit in grosser Versammlung über die Botschaft berath-
schlagten, kamen die Sendboten der beiden feindlichen Lager
herangeschlichen und horchten, was da verhandelt werde. Da
Jakob ihrer gewahr wurde, zog er sie hervor und eröffnete
ihnen, was die Gemeinde beschlossen. Da fragte einer von
ihnen, ob wir den Gabriel ausgeschlossen hätten, und als Jakob
entgegnete: ,Wir halten ihn flir keinen Bruder, auch für keinen
Diener mehr; nun mochte es den Wolf nicht mehr in der Schaf-
haut leiden, und einer aus ihnen, der Hans von Strassburg,
sprang hervor und hiess den Jakob einen Lügner und falschen
Propheten.* ,Da begehrte Jakob ein Urtheil der Gemeinde, ob
diese Männer den Frieden gesucht, und ein Bruder fing zu
reden an: Da diese nur unter dem Vorwand des Friedens zu
uns gekommen, in Wirkhchkeit aber, um die Gemeinde zu
schmähen und zu lästern, so seien sie dem Gabriel und PhiUpp
gleich zu halten.' Weitere Verhandlungen zwischen den feind-
Uchen Brüdern fUhrten zu keinem Ziele. Philipp und Gkibriel
sammt ihrem Anhange wurden aus ,der Gemeinde Gottes'
ausgeschlossen. Diese sah sich veranlasst, die Gründe, um
deren Willen dies geschah, au&eichnen zu lassen,^ und Huter
wurde aus demselben Anlasse in einer eigenen Apologie* ver-
theidigt.
Nun hat, wie die Geschichtsbücher melden, der Bruder
Jakob Huter die wahre Gemeinschaft durch die Hilfe und
» Cod. Amsterdam von 1692, fol. 75—79.
' Ibid. In Kürze werden diese Streitigkeiten auch in den Geschichto-
büchem, 8. 113, berührt.
529
Onade Gottes in eine ziemliche Ordnung gebracht^ , daher
man uns noch heut die Hueterischen nennte
Von den einstigen Brüdern wurden die Hueterischen auf
das Bitterste gehasst: ;In disem 1534 Jar/ sagen die Q^schichts-
bücher^ ^hat der Jakob Hueter und seine Gemain grossen
truebsal von den Abtrtlnnigen mit vil schmach und läster-
Worten erlitten^ auch sonderlich vom Philipp und seinem yolk.
Denn — so ein Herr, Burger oder Bauer — Brüeder oder
Schwestern von beiden G^mainden nach notdurfft zu seiner
arbeit hett angenommen, so haben die Philippischen bei den
Hueterischen weder arbeiten, sitzen, essen noch trinken wollen,
ungeachtet dass es ihnen die Herrn gaben, denen sie gearbait
haben. Wiewol die Hueterischen lieber an irer Arbeit aUein
mit Rue wären gewest, haben sie die Arbait, dazue speiss und
trank, wers ihnen geben hat, mit grossem Dank von Gott an-
genommen, und haben an Zal der glaubigen täglich zuege-
nommen/
Den Brief an seine Freunde und Genossen in Tirol, in
welchem Huter von den jüngsten Ereignissen in Auspitz Kunde
gab, hatte Peter Voyt dahin gebracht. Dieser ftlhrte die Woche
vor Simon und Juda (28. October) ein Völklein nach Auspitz,^
das die Brüder Hans und Offerus herabgesandt hatten. Gleich
darauf kamen zu der Gemeinde mehrere yGeschwistriget' aus
dem Inn- und Pusterthale mit etlichen Kindern, dann der
Bruder Klaus aus Kärnten mit sieben Brüdern, die in Auspitz
* Die Daten aus Hnter's Brief vom November 1533. Hueter sagt im Be-
ginn, es sei dies schon das dritte Schreiben, das er an sie richte. Am
Pfintztag nach. Simon und Juda (30. October) habe er den Kunz Maurer
und Michael Schuster zu ihnen abgefertigt. Die werden mündlich er-
zählen, was hier in dem Briefe nicht steht, und wie es in der Gemeinde
geht. Den anderen Tag, nachdem die Brüder weggezogen waren, sei
Peter Vojt mit allen denen gekommen, die ihr mit ihm geschickt habt.
,Davon wir ein gross herzliche Freudt haben empfangen und unser herz
ist vor Freuden gesprungen . . . Bald hernach über etUch tag sein mer
Qeschwistriget kumen aus dem Pusstertal und Inntal mit etlichen kin-
dem. Ir wisst wol, welche es sind. Es sind auch gleich denselbigen
tag kumen unser liebe Bruder Clauss aus Kärnten und hat mit im bracht
7 personen, die seindt hie gläubig worden, got sei lob. Nit lang dar-
nach ist auch kumen der Brueder Stadler mit seinen Kindern. Bald
hernach ist auch kumen der Brueder Peter Hueter mit 24 seelen und
ein tag sein kumen aus Hessen 18 Seelen, dass wir vermainen, der herr
530
gläubig wurden, dann Bruder Stadler mit seinen Kindern^ Peter
Hueter mit 24 Personen; aus Hessen wanderten 18 zu, so
dass der Herr, wie Huter schreibt, in der kurzen Zeit von
3 — 4 Wochen mehr denn 130 Seelen zu der Gemain herzu-
gethan, die da getauft und aufgenommen wurden. An den aus
Hessen zugewanderten Genossen hatte Hueter freilich keine
besondere Freude: ,Els war^, berichten die Geschichtsbücher,
,zu der Zeit ein Diener des Wortes da, der ein Völklein aus
Hessen mit sich gebracht hatte — Hans Both.^ Derselbige
hatte im Sinne, er wollte dem Herrn etwas aus seiner Hand
„zwacken", aber er vermochte es nicht: die Gemeinde sah auf
den Herrn und nicht auf ihn oder einen (anderen) Menschen.
Weil er nun einen verkehrten Sinn hatte und lehrte, dass es
weder Engel noch Teufel gebe und sich nicht unterweisen
lassen wollte, ward er und alle die, welche ihm anhingen, aus
der Gemeinde ausgeschlossen. Und wiewohl er vordem oft be-
kannt hatte, er erkenne wohl, dass Philipp und Gabriel unrecht
gehabt hätten und deswegen seine Brtlder nicht sein sollten,
so ging er dennoch, nachdem er sein Urtheil empfangen, zu
Philipp und wurde dem ein gar lieber Bruder. Man sah hier-
aus seine „Schalkhaftigkeit" am deutlichsten: hätte er in die
Gemeinde einen Riss thun können, es wäre ihm eine Freude
gewesen.' *
Ein neuer Zug von Wiedertäufern setzte sich im Jahre
1534 unter der Führung des Bruders Basti Glasser ,im Ober-
landc' in Bewegung. Sie erreichten jedoch das Ziel ihrer
Wanderung — die heilige Gemeinde — nicht ungehindert, son-
dern wurden zu Hohenwarth in Oesterreich (zwischen Krems
und Meissau) gefangen und dann nach Eggenburg geführt,
hab in 3—4 Wochen herzugethan zu der gemain mer dann hundert
zwanzig oder dreissig seelen, die getauft und eingeschlossen sein worden ;
die alle wir empfangen und aufgenommen haben als den herren selber.
Huter berichtet über eine seltsame Naturerscheinung, die er mit vielen
Geschwistern beobachtet: Was der herr hiemit maint, das weiss er allain.
Mit Grüssen an die lieben Schwestern Gretl Marbeckhin und Urschl
Puchlin, beide im Rattenberger Gerichtsbezirke ansässig, und der Nach-
richt, dass die Jörg Fasserin und die Bärbl von Jenbach (wieder) auf-
genommen worden seien, schliesst dieses Schreiben.
» Vgl. die Zeitschrift für historische Theologie XXIX, 1869.
« Geschichtsbücher, S. 116.
531
von wo sie nach grossen Martern entlassen wurden. An sie
hat Huter eine trostreiche Epistel gerichtet.^ Sie ist bereits
trüber Ahnungen voll. Denn nicht blos in Tirol, •sondern
auch in Mähi*en schien ihre letzte Stunde geschlagen zu haben.
8. Der Process des Anton ron Wolkenstein nnd seiner
Familie und die Wiedertanfe in Tirol im Jalire 1584.
Noch war der Process gegen Helena von Freiberg nicht
völlig beendet und jener gegen Erhard Zimmermann, den Pfle-
ger von Neuhaus an der Ache, in vollem Gange, als die Re-
gierung die Kunde erhielt, dass auch die Familie des Herrn
Anton von Wolkenstein der wiedertäuferischen Lehre anhänge.
Erhard Zimmermannes Process bot keine Schwierigkeiten. Die-
ser Pfleger war, wie es scheint, durch den ,Tuchmacher' — ,
Hans Amon — mit der Wiedertäuferlehre vertraut geworden,
und Hess gegen ihre Anhänger Milde und Schonung walten;
ja er gewährte wohl auch einzelnen Mitgliedern Unterstand.
Da er aber die ihm von der Untersuchungscommission vor-
gelegten Fragestücke von der Kindertaufe, dem Sacramente
des Altars, der Fürbitte der Heiligen u. s. w. in befriedigender
Weise beantwortete, so wurde Herrn Friedrich Füeger am
15. Februar der Auftrag ertheilt, den Gefangenen gegen Bürg-
schaft, Ersatz der aufgelaufenen Kosten und eine Caution von
zweihundert Gulden auf freien Fuss zu setzen. Die Caution
sollte verfallen, wenn er, vor das Gericht geladen, sich nicht
stellen würde.* Aus den ,Urgichten^ des Neuhauser Schloss-
pflegers Zimmeimann und der Köchin der Wolkensteiner,
schreibt die Innsbrucker Regierung dem Hauptmann und den
weltlichen Räthen zu Brixen,' habe man entnommen, dass diese
beiden Personen auch Leute des Stiftes als Anhänger der Wieder-
^ Die Epistel von Jakob Haeter an die Gefangenen zu Hohenwarth. Cop.
in der v. Beck'schen Sammlung.
' Die Acten, welche den Pfleger Zimmermann betreffen, finden sich im
Statthaltereiarchiv zu Innsbruck, Causa Domini IV, 142, 146—148, 160/2
(hier der oben erwähnte Befehl), und Brixen, Lade 112, Nr. 5, Lit B;
Nr. 6, Lit. C. In seiner Urgicht sagt er mit Nachdruck: Er sei nicht
Wiedertäufer.
* Brixen, 1. c.
i
532
täufer bezeichnen^ namentlich den Michael von Teutenhofen,
der; ab ihm durch Zimmermann angezeigt wurde, dass sich
nächst Neuhaus in Pfaffenbach etUche Wiedertäufer aufhalten,
dem Pfleger Stillschweigen geheissen.^
Tiefere Wurzeln fasste die Lehre im Hause Antons von
Wolkenstein, der in dieser Zeit im Kirchspiele von Taufers und
Bruneck seinen Wohnsitz hatte. Schon im Jahre 1527 hatte er
dem Statthalter zu Innsbruck angeloben müssen, sich der luthe-
rischen und anderen Secten zu enthalten und der alten christ-
lichen Lehre treu . zu bleiben. Nichtsdestoweniger schloss er
sich der neuen Lehre an, und seine Hausgenossen waren ent-
schiedene Wiedertäufer. Eine anonyme Anzeige bezichtigte auch
ihn und seine Gattin der Wiedertäuferei und fügte hinzu, dass
sie seit etlichen Jahren weder gebeichtet, noch das Abendmahl
empfangen hätten.* Da erhielt Flieger am 10. Jänner den Auf-
trag, ,sich bei dem Pfarrer, dahin sie gepfarrt sind, eigentlich
insgeheim und mit gutem Qrund zu erkundigen^, was an der
Sache sei.* Der Richter von Taufers, Hans Egel, meldete am
20. Jänner: ,Er habe bei dem Pfarrer zu Taufers und dessen
Qesellpriester so viel erfahren, dass der von Wolkenstein in
langer Zeit weder gebeichtet noch das Sacrament empfangen
habe. So auch seine Frau und die Köchin. Alle drei werden
eine gute Zeit her der wiedertäuferischen Secte anhängig ge-
achtet.'
Der Hauptmann und die Räthe von Brixen meldeten so-
gar, es sei zu vermuthen, dass des ,Tuchmacher8' Hausfrau bei
Antoni von Wolkenstein ,ihre Unterhaltung' habe. Die Köchin
habe sich verlauten lassen, dass des Tuchmachers Hausfirau
,im Kindbett hege'. ,Dieweil uns bewusst, dass bemeldte Voi^
Stehers Hausfrau vorlängst schwanger gewest, so wollen wir
Euch solches angezeigt haben/ ^ Auf das hin erhielt der
jUntermarschalk' zu Innsbruck, Erasmus Offenhauser, den Be-
fehl, sich sofort mit zwei ,Ainspannigen' hinein ins Pustertbal
zu thun, Anton von Wolkenstein, seine Hausfrau und Köchin
gefangen zu nehmen, die beiden letzteren nach Schloss Tau-
fers, den Herrn von Wolkenstein aber nach Innsbruck zu
^ Caasa Domini IV, 142.
« Ibid.
» Bericht vom 26> Jänner. Prot XIV, fol. 693.
533
flihren.^ In Taufers hatte Erasmas in Gegenwart des Schloss-
heim Füeger ,(iie Frau mit Ernst aber in Güte, die Köchin,
fiir den Fall, dass sie nicht bekennen würde, auch peinlich zu
befragen', ihre Aussagen und Bekenntnisse aufzuschreiben und
nach Innsbruck zu bringen. Um alles Aufsehen zu vermeiden,
war auch befohlen worden, ,benannte Ainspannige auf dem Weg
allenthalben zum stiUisten mit beruerten von Wolkenstein durch-
zuschleifen, wie sie dann zu thun wol wissen'. Die Hausfrau
und Köchin sollten befragt werden, weshalb sie nicht gebeichtet
und das Sacrament empfangen, ob, von wem und wann sie
wiedergetauft worden, ob Anton von Wolkenstein auch ein
Wiedertäufer sei u. s. w. Herr Friedrich Füeger war ange-
wiesen, dem Untermarschall hilfreich zur Seite zu stehen. Die-
ser wurde am 3. Februar beauftragt, auch den Sohn des Anton
von Wolkenstein, ,Paulsen' (richtig Sigismund), ,so mit der
Wiedertauf auch befleckt sein soll, gefangen zu nehmen'.* Zehn
Tage später meldet die Regierung an Friedrich Füeger, sie
habe Anton von Wolkenstein, dessen Frau und ehelichen Sohn
Paulsen wegen Irrsais im christlichen Glauben ,venklichen ein-
gekehrt' und deren Hab und Gut dem zweiten Sohn Hans zur
Verwaltung übergeben.^
Unter den Personen, welche anlässlich des Wolkenstein-
schen Processes in Untersuchung kamen, waren auch zwei
Polizeiagenten, die bei den Wiedertäufern spionirten: Von den
vier Personen, wird von Brixen an die Statthalterei berichtet,
80 angezeigt worden sind, sind ,zwo unser geheimlichen be-
stellte Späher und Kundschafter', die sich mit unserem Wissen
und Willen zu den Täuferischen geschlagen und wiedertaufen
lassen und ihnen vielleicht etlichemal Herbei^ und ,Unter8chleif
gegeben haben, alles der Meinung, dadurch den ,Tuchmacher
und andere flüchtige Personen zu Gefkngniss zu bringen'.* Am
15. Februar wird an Friedrich Füeger der Auftrag gesendet,
die Köchin der Frau von Wolkenstein, da sie keine Wieder-
* Landesregierang an Friedrich Füeger in Täufers, 28. Jilnner 1534. Causa
Domini lY, 197—198, inliegend die Instruction, was der Untermarschalk
ZQ Innsbruck handeln soll, und die ,Frage8tttckS Regierung an Füeger,
30. Jänner 1634. Causa Domini lY, ISd/t.
* Causa Domini IV, 149.
* Innsbrucker Archiv.
* Brixen. Prot. XIV, fol. 546.
i
534
täuferin ist, freizolassen^ die Hausfrau aber, ^nachdem sie wieder-
taufft und derselben Sect anhänglich zu sein bekenntlich ist,
durch der göttlichen Geschriflft; Gelehrte und Verständige zu
beschicken, um sie von dem Irrsal des WiedertaulPs zu weisen'.*
An demselben Tage meldet die Regierung nach Brixen,' aus
welchen Ursachen sie genöthigt gewesen sei, Anton von Wolken-
stein und seine Gattin gefangen zu setzen. Beide Eheleute seien
mit grossem Irrsal im Glauben befunden worden. ,Da es der
geistlichen Obrigkeit von Amtswegen gebührt, sie davon wieder
abzubringen, so haben wir solches an Euch, als an die Ordinarien,
gelangen lassen und ersuchen, dass Ihr einen oder zwei der gött-
lichen Schriften Gelehrte verordnet, sich hieher nach Innsbruck
und nach Taufers zu verfügen. Solches Zusprechen soU in
Beisein einer weltlichen Person erfolgen, wozu wir Ulrich Gel-
tinger für tauglich erachten.^
Anton von Wolkenstein lag im Kräuterthurm zu Inns-
bruck gefangen. Das Ordinariat bestimmte den Pfarrer von
Brixen und den von St. Lorenzen nebst Ulrich Geltinger dazu,
die Frau von Wolkenstein von ihrem ,Irr8al^ abwendig zu
machen. Mittwoch den 25. Februar zeitlich morgens würden
sie daselbst eintreflFen.* An demselben Tage wurde das Verhör
mit Paul von Wolkenstein vorgenommen. Zum dritten Frage-
punkt antwortet er: ,Ich hab' mich nit tauffen lassen oder in
meinen sin nit genomen oder noch nit in willen han, kein
andre tauf anzunemen.'^
Wann die Wiedertäufer gekommen seien, wisse er nicht,
denn man habe das, wie vieles Andere, vor ihm verborgen.
Auch sei er grösstentheils nicht daheim gewesen. Seien sie
aber da gewesen, so hätten sie im Zimmer der Frau verweilt
Einmal habe er in Auspitz in Mähren einer Versanmilung
beigewohnt ,von Wunders wegen'. Es habe ihm aber dermassen
gefallen, dass er davongezogen sei und sich mit der Secte der
Wiedertäufer nicht eingelassen habe. Dazu bewogen habe ihn
der Thoman Liendl und der Schlesinger. Mit diesen sei er
^ Caasa Domini IV, 160/2.
• Orig. Lade 112, Nr. 6, Ui. C.
■ Brixen, 22. Februar 1634. Prot. XIV, fol. 765.
* Gleichzeitige Copie in der ▼. Beck'schen Sammlung. Das Orig. in Brixen,
Lade 112, Nr. 6, Lit. £.
535
zwar weggezogen, habe sich aber mit ihnen nicht eingelassen.
Der Taufe halben lasse er es bewenden, wie Gott sie an-
geordnet habe.
Drei Tage später sandte Michael von Teutenhofen, des
Angeklagten Schwager, eine Bittschrift an die Regierung, da
der Pfarrer von Hall, der in Gemeinschaft mit ihm und dem
Untermarschalk zu Anton von Wolkenstein und dessen Sohn
habe gehen sollen, Geschäfte halber wieder heimfaly*en musste,
so möge man ihm, zumal er sich seines Schwagers wegen gegen
die kgl. Majestät verschrieben habe, bewilligen, auch in Ab-
wesenheit des Pfarrers den Schwager zu besuchen, damit ihm
als einem alten Mann ,die Zeit etwas geringer' wäre.* Die
Unterredungen in Taufers mit der Frau von Wolkenstein, die
am 27. und 28. Februar stattfanden, verliefen zunächst ohne
Ergebniss: ,Man habe alle Mühe angewandt, sie von dem Irr-
sal wieder abzubringen, allein sie ist zuletzt auf den zwei Ar-
tikeln des Sacramentes des Altars und der Taufe stehen ge-
blieben. Sie glaubt und hält anders nicht wie ihre Vorsteher
und Brüder; auch wolle sie nicht widerrufen, doch bitte sie,
man möge sie aus dem Gefttngniss entlassen und ihr daheim
ein Jahr lang Bedenkzeit geben.'*
Auch Anton von Wolkenstein büeb den Bekehrungsver-
suchen in der ersten Zeit unzugänglich, und so erstattete die
Regierung an den Landesherrn Bericht mit der Bitte, sich der
beiden Gefangenen wegen zu entschliessen.^ Am 22. März meldet
sie Friedrich Füegem: Hans von Wolkenstein und Michael von
Teutenhofen hätten gebeten, man möge ihnen eine Besprechung
mit ihrer Mutter, beziehungsweise Schwiegermutter gewähren.
Sie geben sich der Hofinung hin, dass ihre Bekehrung gelingen
werde. Daher möge den Beiden immerhin die Erlaubnis er-
theilt werden, doch müsse der Pfarrer von Taufers der Untere
redung beiwohnen. Am 26. März schrieb König Ferdinand an
das Regiment: ,Sollten die Angeklagten auf alle Vermahnungen
^ Bruener Archiv, L&de 112, Nr. 6, Lit. C. Die Bürgschaft Tentenhofen's
und Hans von Wolkensteius für die Angeklagten ebenda; ohne Datum.
* Archiv Brixen. Prot. XIV, fol. 783. Vgl. auch den Bericht vom 7. März,
Brixen, Lade 112, Nr. 6, Lit. C, in welchem die Regierung verlangt,
man möge neuerdings nach Taufers senden, um die Oefangenen zu be-
kehren, und Prot. XIV, fol. 823.
^ An kgl. Majestät V, 293/2. 7. Mars.
536
hin nicht abstehen^ so ist unsere Meinung^ dass alsdann nach
Inhalt der ausgegangenen Ediete mit ihnen procedirt werde.
Denn unser Gemüth steht keineswegs dahin^ gegen dergleichen
Personen in der Strafe einige Gnade oder Mitdung zu thun,
sondern wollen sie darin dem gemeinen Mann gleich halten/»
Dem Verhöre Antons von Wolkenstein war endlich der
designirte Weihbischof von Brixen, Licenziat Albrecht Blraus,
zugezogen worden. Auch der Kath Dr. Johann Winkler nahm
daran Antheil. Die Berichte über das Verhör sind vom 26. März,
17. und 21. April datirt.* Was die Wiedertaufe betrifft, gestand
er schon im ersten Verhöre: ,Er sei in seiner Kindheit getauft,
findt auch im Evangelio nit, dass er einer anderen Tauf» mehr
notdürftig.^ Den Wiedertäufern habe er keinen Vorschub ge-
leistet: ,Vor drei Jahren habe er ja mit ihnen geredet und sie
mit ihm, ob er sich nicht wolle bereden lassen, ihrer Secte bei-
zutreten. Seine Frau habe wohl viel mit ihnen verkehrt, sei auch
getauft worden, aber wider oder ohne seinen Willen. Er habe
sein eigenes Gemach gehabt, sich seiner Hausfrau und ihrer
Sachen nit viel beladen, sondern in seinem Gemach gelesen,
gebetet und gethan, wozu Gott und sein Gewissen ihn gemahnt
hat. Das Abendmahl wolle er unter beiden Gestalten nehmen,
sollte ihm aber das nicht bewilligt werden, so bitte er in aller
Demuth, Se. Majestät möchte dieser Sachen eine Zeit lang
still stehen und ihn zu der einen Gestalt des Sacraments nit
nöten.'
Das zweite Gespräch bewegte sich vornehmlich um das
Abendmahl unter beiden Gestalten, worauf Wolkenstein Frist
bis zum 21. April verlangte. Albrecht Kraus liess ihn durch
Teutenhofen auf Eck's Enchiridion verweisen, worauf er ant-
wortete, man möge ihn mit derlei verschonen. Auch im dritten
Gespräch behandelte man die Frage des Abendmahls. Er er-
klärte sich schliesslich bereit, in einem Vierteljahr das Abend-
mahl unter beiden Gestalten zu nehmen; sollte ihm dies von
dem Pfarrer verweigert werden, so wolle er es unter emer
nehmen, und zwar öffentlich, um der kgl. Majestät genug zu
thun. Schliesslich wurden ihm eine Anzahl von Artikeln vor-
gelegt; über einzelne von diesen , wollte er sich weder mit Ja
> Von kgl. Majestftt IV, 826.
' Orig. Brixen, Lade 112, Nr. C, Lit. C.
537
noch mit Nein aussprechend ^ Inzwischen hatten auch Hans von
Wolkenstein, Michael von Teutenhofen und Wolfgang Wiser,
Prediger am Domstift zu Brixen, in Gegenwart des Pflegers
Egl mit Frau von Wolkenstein verhandelt ; auf Befehl Sr. Ma-
jestät wurde noch Erasmus Offenhauser nach Taufers gesendet,
,um von den Wiedertäufern mehr „nothdürftige Erkundigung"
einzuziehend* Schon am 9. Mai waren die Verordneten in der
Lage, den Widerruf der Frau von Wolkenstein einzusenden.*
Hierauf erhielt Füeger am 12. Mai den Bescheid: Wofern sie
auf ihrem Vorsatze, der Wiedertaufe abzusagen, fest besteht,
möge er sie im Namen Sr. Majestät begnadigen; doch müsse
sie eine beschworene Urfehde geben, ihren Irrthum öffenüich
und in der vorgeschriebenen Weise auf der Kanzel zu wider-
rufen, ihres Pfarrers Busse anzunehmen und sich verbinden,
der gedachten Secte nimmermehr anzuhängen. Im Falle sie
das nicht halten würde, würde sie als Eine, die Eid und Ur-
fehde nicht gehalten, mit Leib und Leben büssen. Auch soll
sie die fllr ihre ,Atzung^ im Geßlngniss zu Taufers aufgelaufe-
nen Kosten bezahlen. Der Einfluss, den Teutenhofen auf den
Wandel in der Gesinnung der Frau von Wolkenstein genommen,
ist ein unzweifelhafter. Er tritt auch darin zu Tage, dass er
die Urfehde mitunterfertigt hat. Sie bewarb sich um die Nach-
sicht des ö£fenüichen Widerrufes, wurde aber bald bedeutet, dass
ihr dieser in keiner Weise erlassen werden könne. So betrat
sie denn im Juni 1534 die Kanzel der Kirche von Taufers
und sprach dem Pfarrer die von der Regierung formulirte Ab-
sage nach:
,Ich Elspet, Anthonien von Wolkenstein's Hausft*au, be-
kenn, als ich mich in die verftlhrerische Sect' der Widertauff
und was daran hangt, bewegen hab' lassen, so mir von ganzem
Herzen leid ist, daran ich unrecht gethan hab'. Demnach wider-
ruf' imd schwör ich hiemit öffentlich, zuesag und verpflicht
mich, von dieser Stund an hinfliro mein Leben lang der Einig-
keit der chrisüichen Kirche anzuhangen und mich davon keines-
wegs weiter abzusondern.'
* Hierüber wurde an den König Ferdinand Bericht erstattet. An kgl. Ma-
jestiU V, 310; s. Beilage Nr. 13.
* CjMwa Domini IV, 166. Archiv Brixen. Orig. Lade 112, Nr. 6, Lit. C.
* Orig. Brixen, 1. c.
ArehlT. LXXYUI. Bd. H. H&lfte. 36
538
Die wiederholten Besprechungen, die Anton von Wolken-
stein mit seinen geistlichen Beiständen hatte, und wohl mehr
noch der Einfluss seiner Freunde und Verwandten führten auch
seine Umkehr herbei. In der Supplik Teutenhofen's zu Gunsten
seines Schwiegervaters heisst es, dass der Gefangene in allen
Artikeln, darin er wider Gebrauch und Herkommen der christ-
lichen Kirche Irrung gehabt, verglichen ist, von seinem Vor-
haben, das Abendmahl unter beiden Gestalten einzunehmen,
abstehe und einwillige, fortan das Sacrament nach der Anord-
nung der Kirche unter einer Gestalt zu geniessen. Auf diese
Zugeständnisse hin bat Michael von Teutenhofen um die Frei-
lassung des Gefangenen, und da sich dieser hauptsächlich da-
durch beschwert fühle, dass er öffentlich widerrufen solle, auch
um die Nachsicht des öffentlichen Widerrufes, der dem Wolken-
steiner durchaus beschämend erscheine. Da Teutenhofen im
Namen des Gefangenen die Zusicherung gab, dass dieser, ,sobald
er die Freiheit haben werde, innerhalb eines Monats das Abend-
mahl nach der Ordnung der katholischen Kirche nehmen und
sich in Allem nach dieser richten werde', entschloss sich König
Ferdinand I. am 28. Juni 1534,* ,den Gefangenen der Venknuss
nach Bezahlung seiner Atzung ledig zu lassen*. Doch soll ihm
vor dieser ,Ausla88ung' zu Innsbruck angezeigt werden, dass
in dem Falle, als er dem Erbieten seines Eidams nicht nach-
käme, gegen ihn alsdann ,nach Ungnad' gehandelt worden
würde. ,Die Grafschaft Tirol und alle anderen unsere Erblande
würden ihm versagt und verboten sein.'
Am 17. Juli stand Anton von Wolkenstein in der grossen
Rathstube der Statthalterei und vernahm die Ankündigung
seiner Freiheit. Die Worte, die ihm zu seinem Qelöbniss vor-
gesprochen wurden, lauten: ,Ihr sollt (ge)loben bei Eüdelmanns
Treu, die Venkhnus und was sich darunder begeben hat
gegen S. k. M. löblich Regiment, gemain Land der ftiretl.
Grafschaft Tirol und allen denen, die an Ewer venkhnus
schuld haben, nicht in ungüeten ausserhalb Rechtens nymer
zu ahnden noch zu rechen, den Kosten und die Atzung zu
bezahlen und vor Bezalung von hynnen nit weichen und
das, so Ewer Ayden Michael Teuttenhofen der k. M, von
^ Innsbraeker Archiv. Von k^l. MAjestftt IV, 487^488. GleieliseitiK« Ab-
Hchrift in Brixen, Lade 112, Nr. 6, Lit. C.
539
Eaern wegen angelobt, vollziehen erberlichen und nngefer-
liehen/ ^
Nachdem er gelobt, verliess er Innsbruck und reiste zu
seiner Grattin nach Brixen, woselbst sie unter der Aufsicht ihres
Schwiegersohnes stand, der flir sie Bürgschaft geleistet hatte.
Die Reihe kam nun an den jungen Wolkensteiner. Er wurde
im Mai eingezogen und auf die Veste Michaebburg in Haft ge-
tban. Seine ,Urgicht' wurde nach Brixen gesandt. Das nahm
die Regierung in Innsbruck sehr übel,' da er hiedurch dem
zuständigen Richter entzogen würde.^ Dazu kam noch, dass
der Gefangene seiner Haft in Brixen entwichen war und erst
einige Monate später im Gerichte Salem wieder eingefangen
wurde. Nachdem er mehr als vier Monate in Haft gewesen,
meldeten die bischöflichen Räthe nach Innsbruck,^ dass Sigis-
mund von Wolkenstein um Erledigung bitte und bereit sei, ab-
zustehen, wenn ihm der Widerruf erlassen werde. ,Wisset,^
schrieb man zurück, ,da8S er ebenso wie seine Mutter und die
Freibei^erin nur gegen Widerruf ledig werden kann/ Sigis-
mund war hiedurch noch nicht eingeschüchtert und brachte
sein Anliegen, das vom Brixener Ordinariate unterstützt worden
war, vor den König.^ Er berief sich auf die Vergünstigung,
die der Freibergerin zu Theil geworden, erhielt aber den schon
oben angemerkten ablehnenden Bescheid.^ Der Widerruf sei
onerlässlich. Im nächsten Jahre wiederholte der Wolkensteiner
seine Bitte, ohne ein besseres Ergebniss zu erzielen. Nun er-
klärte er sich zum Widerrufe bereit. Die Brixener liessen ihn
auf das hin vorzeitig frei und wurden darum vom Landesftirsten
getadelt Man filrchtete, er könnte, ohne den Widerruf geleistet
zu haben, abermals flüchtig werden; auch könnte man bei dem
gemeinen Mann in Tirol leicht in den bösen Geruch konmien,
dass nicht Alle gleich behandelt werden.
Sigismund von Wolkenstein wurde neuerdings gefangen
und erst im Juni 1536 befreit. Sein Vorhaben, mit einer Reiter-
schaar in den Krieg zu ziehen, benützend, machten seine Ver-
* die 14. Juli 1535. Causa Domini IV, 192.
' Erlass vom 20. Mai.
' Siehe Beilage Nr. 16.
^ Bericht vom 6. October.
* Keg. Georgü Brixen. Prot. XIV, 1326.
* Von kgl. Majestät IV, 621.
36*
540
wandten abermals den Versuch, ihm die Nachsicht des Wider-
rufes und volle Freiheit zu erwirken. König Ferdinand war
diesmal geneigter, umsomehr, als sich Sigmunds Vetter, Wilhelm
von Wolkenstein, bereit erklärte, die Büi^schaft fUr ihn zu
übernehmen.
Dass die Täuferbewegung in Tirol noch nicht zur Ruhe
gekommen, erfuhr die Innsbrucker Regierung aus zahlreichen
Meldungen. Anfangs Februar lagen vier Wiedertäufer gefangen
im Thurm zu Michelsberg. ^ Drei Wochen später wird gemel-
det, dass Nicolaus Trotter zu St. Jörgen mit der Wiedertaufe
befleckt sei.^ Zu derselben Zeit erhielt man Nachricht von
Wiedertäufern in Sterzing.^ Am 26. Februar wird von Brixen
an das Regiment nach Innsbruck gemeldet: Wir sind berichtet,
wie Hans Tuchmacher des Willens sei, das gemeine Volk, so
sie im Pusterthal und an anderen Orten in Tirol in die Seele
gebracht, auf kiinf^gen Frühling, ,sobald man das Wasser
fahren mag', nach Mähren zu schicken. Doch solle der Tuch-
macher und der Säckelmeister, wie Mrir berichtet sind, im Lande
verbleiben.^ Aus dem Februar dieses Jahres dürfte eine landes-
fürstliche Verordnung stammen, dass das, was künfdg von
Wiedertäufergütem über die Hinrichtungs- und Gerichtskosten
übrig bleibe, nicht zu Sr. kgl. Majestät Händen eingezogen,
sondern den Kindern oder nächsten Erben zugestellt werden
solle. Doch solle den flüchtigen Wiedertäufern kein Nutzen
hievon zukommen.^ Der Bischof von Brixen gibt am 1. März
dem flüchtigen Wiedertäufer Michael Waldner auf Ein, Michels-
berger Gerichts, auf Fürbitten der Aebtissin Clara zu Sonnen-
burg sicheres Geleite auf einen Monat, ,um seiner Verhandlung
abzukommend^ Die Bitte des Vormunds der Kinder, weiland
Ulrich Müller's, so in Klausen 1531 gerichtet worden, um Rück-
stellung der confiscirten Habe des Letzteren wird von Brixen aus
befürwortet.' Während am 3. März vom Regimente an Chri-
stoph von Liechtenstein und Christoph Fuchs berichtet wird,
> Prot XIV, 729.
« Ibid. XIV, 767.
' Causa Domini IV, 153.
* 8t. Prot. XIV, 776.
* Missiveubucfa 1534. Erneuert mit Mandat von Wien 1536, November 18.
* Reg. Prot. Nr. 18 ad annum 1634.
' 1534, Mäns 3. Prot. XIV, 785.
541
dass sich die Wiedertäufer fUr den nächsten Frühling zur Ab-
fahrt nach Mähren rüsten und sich ihr Säckelmeister schon
erkundigt habe, wann sie Schiffe haben können,* weshalb die
Schiffe sorgfältig zu bewachen seien, hören wir schon sechs
Tage später, dass fast alle Thäler um Sterzing mit Wieder-
täufern angefüllt seien, und dass drei Vorsteher aus Mähren
gekommen seien und sich in dieser Gegend und um Schwaz
herum aufhalten;' sie seien Willens, gegen die Etsch zu rücken.
In der Geschichte der Täuferbewegung bildet der Mtin-
ster'sche Aufstand wohl das traurigste Capitel und sind die
Folgen des Vorgehens jener Schwärmer und Unholde geradezu
entsetzlich. Er gab allen der W^iedertaufe feindlich gesinnten
Mächten die schneidigste Waffe in die Hand. An allen Orten
erklärte man: es werde nun deutlich gesehen, wie das fromme,
heilige Wesen der Täufer nichts sei als Scheinheiligkeit, ihre
Furcht vor dem Schwert nur eitle Spiegelfechterei. Man ver-
meint fast in den Schriften des Schweizers Bullinger zu lesen,
wenn man die Actenstücke liest, welche in Tirol wider die
Täufer ausgegangen sind. Auch jene Landschaften und jene
Regierungen, die dem Täuferthum bisher mit weniger Schärfe
entgegengetreten waren, wandten sich entsetzt von dem Bilde
ab, welches das himmlische Reich in Münster darbot. Die Täu-
fer sollten es bald erfahren, dass sich ihnen auch die letzte
Zufluchtsstätte schloss, die sie bisher noch gastlich aufgenommen
hatte — die Markgrafschaft Mähren.
In der Zuschrift, welche der Landesfürst am 26. März an
das Regiment sandte, heisst es: ,Aus den beigeschlossenen Ar-
tikeln werdet ihr vernehmen, worauf der Vorsteher imd Rädels-
fiihrer dieser verdammten falschen und verführerischen Secte
Grund und Fundament steht; nämlich, dass es ohne alles Mittel
auf die Zerstörung und Vertilgung aller Obrigkeit und Erber-
keit abgesehen ist, dass sie von Tag zu Tag sich erneuen
und mehren, und wann sie nun in einer grossen Anzahl zu-
sammenkonomen mugen, dass sie sich gewisslich unterstehen,
ihr blosses Fümehmen mit dem Werk zu vollziehen, alle Ober-
und Erberkeit zu unterdrücken oder doch unter dem gemeinen
Mann einen Aufstand und Empörung zu erwecken.'
» Causa Domini IV, 155/2.
* Ibid. IV, 156/2.
542
Viele Personen, heisst es weiter, durch den frommen
Schein betrogen, seien in diese Secte getreten, ohne diesen
wahren Grund der Rädelsführer zu kennen. ,Wir haben wahr-
hafte und gewisse Kundschaft, dass diese Secte im Stift
und in der Stadt Münster so weit überhand genommen,
dass sich die Wiedertäuferischen in grosser Anzahl gegen den
alten Christgläubigen in thätliche Handlung eingelassen. Des-
halb die umbliegenden Churfttrsten und andere Fürsten, die
gleichwol auch der neuen Secten (angehörig sind), aber diese
Secten (der Wiedertäufer) so wenig leiden mugen, als andere,
mit ihrem Volk in Rüstung seien und ausziehen, um die Sachen
niederzudrücken.^ ,Wo wir nit mit Tapferkeit und Ernst zur
Ausreutung dieser Secten greifen, würde daraus unwiederbring-
licher Abfall, Verlierung und Verderbung unserer Königreiche
und Lande folgen, wie es denn schon vor Augen ist, dass die
Wiedertäuferischen aus dem Reich, der Enden sie ausgeschaffen
werden, haufenweise in unsere niederösterreichischen Länder
ziehen und allenthalben das Volk vergiften und verfllhren/ Es
wird demnach angeordnet, dass alle bisher erflossenen Mandate
und Edicte auf das Sorgsamste eingehalten werden. Auch
möget Dir, wird dem Regimente befohlen, vom Neuen unter
unserem Titel und Secret allenthalben in Eurer Verwaltung
Mandate ausgeben, sie auf den Kanzeln durch die Pfarrer und
Prädicanten vorlesen und anschlagen lassen, damit der gemeine
Mann auf das Ziel dieser falschen Lehren aufmerksam gemacht
wird. ,Wer sich gegen diese unsere väterliche Verwahrung
noch fernerhin in diese Secte begibt, gegen den werde man
mit allem Ernst und ohne alle fernere Begnadigung verfahren*,
desgleichen gegen Alle, welche den Vorstehern und Anhängern
dieser Secte ,Unterschlaif* geben. Auch in den Städten sollen
Bürgermeister und Rath bei sonstigem Verlust ihrer Freiheiten
darauf sehen, dass keine fremde Person behaust und beherbei^
werde, man habe sich dann zuvor überzeugt, dass sie mit die-
sen Secten unbefleckt seien. König Ferdinand drückt zum
Schluss die Hoffnung aus, es werde ihm nunmehr gelingen,
diese Secte mit der Wurzel auszureuten: ,Wir woUen Euch
auch gnädiger Mahnung nit verhalten, dass wir in emsiger
Handlung stehen, solch' verführerische Sect' in Kürze abzu-
stellen, und seien der Hoffnung, mit Rath und Zuthnn
unserer Krön Behaim dasselb zu erlangen: das wirdet
543
nit ain klain tiirderung sein^ das dise sect in andeiii unsem
Erblanden mer und bass ausgereut werden mög/^ In einer
Nachschrift liest man: Unsere Meinung ist auch, dass Ihr in
der fürstlichen Grafschaft Tirol in allen Städten und Gerichten,
wo SchifFloute wohnen, so den Wasserstrom der Donau fahren,
gebietet, dass kein Schiffmann ,eine Wiedertäuferperson zur
Fahrt annehme und einen jeden, den er aufnimmt, zuvor fragt,
ob er nicht mit der Wiedertaufe befleckt sei^ Auch soll dar-
auf gesehen werden, dass die falschen und verflihrerischen
Bücher weder feilgeboten noch gekauft oder verkauft werden.
Das Regiment Hess dem landesflirstlichen Befehle entsprechend
am 9. Mai ein scharfes Mandat ausgehen,* in Brixen folgte man
am 26. Mai nach; dem flirstbischöflichen Hauptmann und den
Käthen daselbst hatte die Regierung der oberösterreichischen
Lande auftnerksam gemacht, dass man nun umsomehr auf
solche aufrührerische Personen, wie es die Wiedertäufer seien,
achten müsse, als die Noth und die Theuerung, sowie auch die
gegenwärtigen Kriegsläufte in Schwaben den gemeinen Mann
allenthalben schwierig und zum Aufruhr geneigt machen dürften.^
Dem Bestreben, jede Ansammlung der gefürchteten Wie-
dertäufer zu verhindern, entsprang der am 21. Mai dem Pfleger
von Steinach ertheilte Befehl, seinen Richter mit Zugebung
etUcher Knechte anzuweisen, sich ,zu Zeiten beim Mondschein,
so die Wiedertäufer am meisten umzuwandeln pflegen, auf den
ftiglichsten Pässen in den Hinterhalt zu legen und allen Fleiss
vorzukehren, um die zur Empörung geneigten Leute dieser
Secte in seiner Verwaltung, durch welche sie ziehen müssten,
niederzuwerfen'.* Die ,auf solche Aufsehung' erwachsenen
Kosten werden von der Kammer zui*ückerstattet werden.
Man kann sich die Freude vorstellen, die in Brixen laut
wurde, als man die Kunde vernahm, dass Jakob Huter in Linz
* Von kg\. Majestät IV, 312—316. Originul in der v. Beck'schen Samm-
\nng. Siehe Beilage Nr. 12.
' Causa Domini IV, 182. Auch gedruckt. Im Auszug des Pestarchivs:
,Am 9. Maij 1584 ist aber ain vermanung mandat auf die g^eistHchen und
weltlichen obrigkeiten ausgangen, dass die Widertauffer, vermüg voriger
mandata, und die so sie beherbrigen und hausen, gleichmessig gestrafft
werden sollten.*
* Innsbruck, 12. Mai. Orig. Brixen, Lade 112, Nr. 5, Lit. B.
* Embieienbuch 1534, fol. 159.
544
^efUnglich^ eingezogen wurde. Die frohe Nachricht wurde so-
fort (25. Mai) nach Innsbruck gemeldet.* Von dort erging
sogleich eine Anfrage nach Linz,^ und hier erfuhr man, dass die
Sache auf einem leeren Gerüchte beruhe.
Viel früher hätte dies Geschick den Bruder Offerus treffen
können, der in jenen Tagen mit einem Häuflein, das er aus
dem Innthale wegführte, in Auspitz eintraf. ,Der Bruder Ono-
ferus,' schreibt Huter an die Gefangenen von I^genburg, ,i8t
auch kommen mit vil andern Geschwistrigeten. Der Herr hat
sie wunderbarlich her durchgeflihret/ Wir haben uns ihrer
,Zuekunfft^ herzlich gefreut und Gott darum gepriesen. ,E8
sein nit vil geschwistriget mer oben im landt.'* Auch
diese wenigen, die meistens im Etschlande lebten, rüsteten unter
Führung des unermüdlichen Hans Tuchmacher zur Abfahrt
nach Mähren. Hier vollzog sich mittlerweile jener bedeu-
tende Umschwxmg, den Huter schon in dem genannten Briefe
andeutet: ,Wir warten noch allzeit grösserer Trübsal und Ver-
folgung, als wir jetzund leiden. Der Herr lass uns ihm be-
fohlen sein/
9. Die Verfolgung in MShren.
Der von langer Hand vorbereitete, durch Huter oft an-
gekündigte Schlag gegen die Wiedertäufer verzog sich bis in
das Frülijahr 1535. In der Woche des ersten Sonntags in der
Fastenzeit trat nämlich in Znaim ein allgemeiner Landtag zu-
sammen, bei welchem König Ferdinand persönlich anwesend
1 Causa Domini IV, 182/2.
« Ibid. IV, 184/185.
° Im Laufe des August wurde im Hause des Webers Gozmann eiu Winkel-
prediger, namens Wölfl Gayshirt, sammt anderen elf Personen, Männer und
Frauen, zur Nachtzeit ausgekundschaftet und verhaftet, bald aber wieder frei-
gelassen, worüber dem Amtsrichter von Meran am 26. August (Causa Do-
mini IV, 201 — 202) das Missfallen der Regierung ausgedrückt wurde. Es
wurde ihm der Befehl ertheilt, den Weber Gozmann und Paul Glaser in
Haft zu nehmen und zu verhören, ob sie nicht etwa mit der Wiedertaufe
befleckt seien. Da WOlfl gemeldet, er sei über Nacht bei Barkhart Gramer
gewesen und habe da in einem Testament gelesen, so sei auch dieser
zu vernehmen, ob er auch ,iu der sect der Widertauffer verwonndt sei*.
,Wir seien bericht worden, dass WOlfl ein Ursacher, dass Jakob Hutter
545
war. Hier wurde über ,Ab8ager', Mass und Gewicht, Juden
und Steuern und schliesslich auch über Wiedertäufer verhan-
delt. In Bezug auf diese liess König Ferdinand den Ständen
durch den obersten Hofmeister vortragen: ,Es sei eine bekannte
Sache (wiezy wiedomä), dass sich in den Niederlanden die
Wiedertäufer anfUngUch bescheiden und unterthänig (pokor-
nie) verhalten, allein in der Folge sich angeschickt haben,
das Oberste zu unterst zu kehren. Nachdem weder die Luthe-
raner noch die ZwingUaner, noch endlich andere Secten diese
Irrgänger unter sich dulden wollen, gehe das Begehren und
der Wille Sr. Majestät dahin, sie auch in Mähren nicht länger
mehr zu dulden (aby jich takö zde v tomto markgrabstwi ne-
trp6H).^
Was Ferdinand I. so lange angestrebt hatte, erreichte er
auf diesem Landtage. Hocherfreut meldete er von Wien aus
der oberösterreichischen Regierung: ,Eine ehrsame Landschaft
in Mähren habe ihm auf dem jüngst abgehaltenen Landtage
zugesagt, dass sie die Wiedertäufer hinflir nicht mehr gedulden,
sondern austreiben lassen wollten.'^
Zu Georgi sollten sie ihre bisherigen Niederlassungen
räumen ,und ihr Brot anderwärts verzehren'. Die Aebtissin
vom Königskloster in Brunn war der erste Grundherr, welcher
ain Voretelier der Wiedertauf worden seye.* Wölfl habe seine ,Urgicht*
zu gebeUf dann sei er den Mandaten entsprechend zu behandeln; er sei
zweimal, ,zum ersten mit dem -Finger (sie) und nachfolgend mit dem
Wasser wiedergetauft worden*. Am 13. September wird aber schon ge-
meldet: Man wolle zwar wider diese Gnade für Recht üben, doch müssten
sie die Atzungskosten zahlen, Urfehde schweren, an einem Sonn- oder
Feiertag dem Pfarrer von Meran beichten und das Sacrament empfangen
(Causa Domini, 1. c).
Brixen, Orig., Lade 112, Nr. 5, Lit. B. Causa Domini IV, 225. April 4,
1535, Gleichzeitige Copie in der v. Beck'schen Sammlung. Siehe Beilage
Kr. 12 und 15. MeriiwUrdiger Weise wollten die mährischen Stände
später und insbesondere im Jahre 1540 von einem förmlichen Landtags-
beschlusse zu einer allgemeinen Ausweisung der Wiedertäufer aus Mähren
nichts hören und Hessen dem LandesfUrsten erklären, es sei ihres Wissens
in Znaim auf dem Landtage lediglich von jenen Ständen die Zusage,
die Wiedertäufer abzuschaffen, gemacht worden, welche solche Leute auf
ihren Gütern hatten (Mähr. Pamatkenbuch). Dies ist der Grund, wes-
wegen die Wiedertäufer sich auch fernerhin in Mähren behaupten konnten
and behaupteten.
548
und unser Wandel ist, dass wir in Gottes Wahrheit und Ge-
rechtigkeit friedHch und einig leben als wahre Naejifolger
Christi. Wir scheuen uns nicht, von unserem Wandel Jeder-
mann Rechenschaft zu geben. Dass man aber sagt, wir
hätten uns zu Feld gelegt mit so viel Tausenden, als
wollten wir Krieg und dergleichen: wer solches redet,
der redet als Lügner und Bube. Wäre alle Welt wie wir,
so würde alles Kriegen und alles Unrecht ein Ende haben.
,Wir können nirgends hinziehen. Gott im Himmel zeige
uns an, wohin wir sollen. Wir können ims das Erdreich nicht
verbieten lassen, denn die Erde ist des himmlischen Vaters.
Der thue mit uns, was er will.^
Der Appell an die mährischen Herren, mit dem die Epistel
schliesst, blieb durchaus erfolglos. Die Eingabe wurde wegen
der in ihr vorkommenden masslosen Ausdrücke wider den
Landesflirsten als eine Majestätsbeleidigung angesehen und
hatte nur eine Verschlimmerung der Lage Huter's zur Folge.
Man suchte nach ihm im Lager auf der Haide, in den Büschen
an der Thaya, auf den Dörfern in der Umgebung, am Maiden-
berge und in den Haushaben zu Schäckwitz, wo die Kranken
zurückblieben, überall vergebens. Da sie ihn nicht fanden,
nahmen sie den Wilhelm Griessbacher von Kitzbüchl, einen
Diener der Nothdurft, mit sich und führten ihn nach Brlinn,
wo er schliesslich verbrannt wurde. Dies Schicksal würde
auch dem Huter zu Theil geworden sein, wenn die Gemeinde
nicht bei Zeiten auf seine Entfernung gedrungen hätte. An-
gewiesen, sich nach Tirol zu begeben und daselbst ,dem rechten
Erzhirten Jesu Christo die Seinigen zum ewigen Leben zu
sammeln^, übertrug er sein Amt in Mähren dem Hans Amon
(Tuchmacher) und nahm Abschied von den Geschwistern, die
ihn mit Schmerz und Trauer ziehen Hessen.
,Nachdem sich aber die Uebrigen,^ sagen die Chroniken
(S. 118), ,ohne Ursache nicht leicht von einander scheiden
wollten, zogen sie von einem Ort in den andern und wussten
nicht, wo hinaus. Als man ihnen endlich allen Proviant, auch
das Wasser verbot, musst' es doch zuletzt sein, und wurden je
acht oder zehn Personen zusammen geordnet imd einem Bruder
empfohlen. So zogen sie, die einen dahin, die anderen dorthin,
ohne zu wissen, wo sie in Frieden ihr Haupt hinzulegen ver-
möchten.^ Aus diesen Tagen stammt das Lied:
549
,Dein armes Häuflein hat kein Statt,
Das man jetznnd verjaget hat.
Kein' Trost hat es auf Erden,
Der ihm möcht' hülflich werden,
Man will sie nur ermorden.* ^
Ein Häuflein war glücklich genug, zu Steinabrunn in
Niederösterreich Unterkunft zu finden, und zog weitere Gruppen
an sich; andere wurden von Gutsbesitzern, die sich durch den
Znaimer Landtagsbeschluss nicht gebunden hielten, auf ihren
Meierhöfen aufgenommen. Selbst Johann von Lipa nahm keinen
Anstand, den Brüdern für ihre Kranken, Arbeitsunfähigen und
Hochbetagten den Hof zu Schackwitz zu belassen und im Ver-
ein mit gleichgesinnten Standesgenossen den Taufgesinnten an
massgebender Stelle das Wort zu reden. Die ,Communität',
das Ideal Huter's, war zwar gesprengt, allein die Bruderschaft
blieb aufrecht und erhielt sich in zahlreichen Rotten, die unter
gemeinsamen Hirten zerstreut im Lande lebten. Einige, welche
die Noth und das Elend der Brüder nicht zu tragen vermochten,
oder die in Mähren kein Unterkommen fanden, wandten sich
der alten Heimat zu. Ein Versuch, von dem Herzog Ulrich
von Würtemberg die Bewilligung zu erhalten, sich in dessen
Lande niederzulassen, blieb ohne Erfolg, wiewohl sie sich an-
geboten hatten, ihm mit Leib und Gut unterthänig und bei-
ständig zu sein.*
10. Die allgemeine Verfolgung der WiedertSiifer In
Oestorreieh und den benachbarten Ländern im Jahre
1535. Die Gefangennahme Huter^s.
Um Jakobi des Jahres 1535 hatte Huter, dem Drängen
seiner Gemeinde nachgebend, Mähren verlassen, nicht ohne ihr
das Versprechen zu geben, bald von sich hören zu lassen. ,Ich
bin von Euch gezogen nach Eurem Willen und Begehren, nach
^ Denselben Gegenstand behandelt Caspar Braitmichel in seinem Klage-
liede ,Die Nachtraben* nach dem Rhythmus von ,Dies irae, dies illa* im
Cod. G. H. X, 27 zu Gran.
* Innsbmcker Statthaltereiarehiv. An kgl. Majestät V, 487. Das Regiment
an den König, 1535 Juli 28.
550
Eurem Rath und Beschluss/ ,Die Ursach', aus der das ge-
schehen, wisst ihr gar wohl/ ,Ich weiss auch,^ schreibt er
weiter, ,dass Ihr mit grossem Verlangen auf eine Botschaft von
uns gewartet habt, und es hat sich lange genug verzogen: ja
ich weiss es wohl, ich hab' Euch solches zugesagt, dass ich
Euch auf das AUereiligste Botschaft schicken wolle. Ich habe
hierauf keine Stunde vergessen. Aber der Bruder Jeronyme
kennt die Wege dahier nicht, zum Bruder Kränzler haben wir
auch lange nicht kommen können, denn er ist zu Sterzing
krank gelegen; dazu weiss er auch nicht alle Wege im Puster-
thal. Wir haben uns beeilt und einander besucht, um Euch
rasch Meldung zu thun.^ ,Der Herr hat unseren Weg ganz
glücklich gemacht und uns bis her in das Pusterthal und in
das Etschland abgefertigt; da sein wir kumen zu unsem Ge-
schwistrigeten; da haben wir uns mit Fried' und göttlicher
Liebe gegrüsst und erzählt, wie es allenthalben steht. Nun
aber sind wir fleissig hin und wieder gegangen zu Berg und
Thal und haben die nach Wahrheit Hungernden und Dürsten-
den heimgesucht.^ ,Etliche haben die Wahrheit angenommen
und sich Gott ergeben.' ,Der allmächtige Gott und Vater hat
hier schon wieder eine Gemeinde aufgerichtet, und der Herr
mehrt sein Volk täglich. Und wir haben fast viel zu arbeiten
in dem Herrn Tag und Nacht, und war' wol von Nöten, dass
unser mehr Diener wären und taugliche Brüder.' ,Der Be-
schluss, (dass ich) hab' müssen heraufziehen, ist nit vergeblich,
ist auch nit aus dem Fleisch kumen, sondern aus Gott.' ^ ,Da8s
aber unser mehr wären von unten heroben, hab* ich nit darum
geredt und geschrieben, dass darum ein selber nach seinem
eigenen Willen soll daher laufen. Denn welcher also kam,
den nähmen wir nit auf.'
,Die gottlosen Tyrannen aber und die Feinde der Wahr-
heit, die Gewalt haben zu tödten, die wissen uns noch nit
hie, als wir vermeinen. Gott vom Himmel geV, dass
sie verblendt werden und solches lang nit innen
werden.'
Wie hätte dieser Wunsch Huter's in ErftOlimg gehen
sollen? Seit Anfang April war ein Schreiben nach dem ande-
^ Ein andere Epistel von dem lieben Brueder Jakob Hueter, 1536 jar.
Cop. in der v. Beck'schen Sammlung. S. Fischer, Antwort J. III/8.
561
ren an die Behörden des Landes ergangen, . in denen in immer
dringenderer Weise auf die Gefahren der Ueberfluthung des
Landes durch diese mährischen Brüder aufmerksam gemacht
wurde, und noch vor den Tagen, da Huter seine Schritte ins
,Oberiand^ lenkte, erscholl von da der Ruf: Wiedertäufer aus
Mähren streifen durchs Land ! ^
Besorgt, dass die aus Mähren Ausgewiesenen in anderen
Erbländem ,Durchzug und Unterschleif erhalten könnten, be-
fahl König Ferdinand schon anfangs April dem Regimente in
Innsbruck, auf die ein- oder durchziehenden Täufer gute Kund-
schaft zu haben, gegen die eingebrachten Vorsteher und Rädels-
führer mit den gesetzHchen Strafen vorzugehen, jene Personen
dagegen, die aus Einfalt der Seele in diese Secte gerathen
sind, des Landes zu verweisen.* Im Sinne dieser Weisungen
erliess Adam von Holenegkh, Landesverweser in- Steier, am
2. Mai von Graz aus den Befehl, ,in allen Städten und Märkten,
im Viertel Voran, im Mürzthal, im Ennsthal, gegen das Land
Oesterreich unter und ob der Enns, das sich gegen dem Mär-
herischen zeucht, darob zu sein^ Wo man die Wiedertäufer
betrete, seien sie sofort in Haft zu nehmen und hierüber un-
verzüglich an den Landeshauptmann zu berichten.*
Im gleichen Sinne erliess auf die Aufforderung des Kö-
nigs Ferdinand der Administrator des Passauer Bisthums am
22. April das Verbot, irgend einem der aus Mähren abziehen-
den Wiedertäuferpersonen öffentlich oder heimlich Herberge
oder Unterkommen zu geben, sie zu Lande oder zu Wasser
weiter zu befördern, oder mit ihnen Handel und Gemeinschaft
zu pflegen. Auch bei dem Bischof von Breslau und den
Fürsten Schlesiens blieb die Werbung (Wien, 6. Juni 1535),
den aus Mähren infolge des Znaimer Landtagsbeschlusses ab-
ziehenden Wiedertäufern den Eintritt zu versagen und sie über-
haupt nicht im Lande zu dulden, nicht ohne Erfolg; denn sie
erboten sich, allen Fleiss anzuwenden, dass diese Irrgänger
* An kgl. Majestät V, 473. Statthaltereiarchiv Innsbrack. Da« Regiment
an den Cardinal von Trient, 29. Juni 1525,
« Von kgl. Majestät V, 42—43. Vom 4. April. Desgleichen vom 16. April
an Statthalter und Räthe zu Brixen. Orig. im Archiv zu Brixen, Lade
112, Nr. 5, Lit. B; Causa Domini IV, 225, vom 10 April., ibid. IV, 230,
232.
' Steirisohes Landesarchiv.
552
aus Schlesien und .sonderlich aus dem Glogau'schcn, Schweid-
nitz' sehen und Jauer' sehen verjagt, und wenn die Ausweisungs-
befehle nicht befolgt würden, ausgerottet werden.*
Als sich einzelne Rotten der Wiedertäufer, die in Mähren
keinen Platz fanden, zunächst nach dem Norden wandten, fanden
sie die Grenze besetzt So hütete auch Passau und Baiem die
Grenzmarken auf das Sorglichste. Die Herzoge Wilhelm und
Ludwig von Baiem verordneten (am 14. August), ,auf die wieder-
täuferischen Personen, so sich, eine Zeit lang in Mähren aufge-
halten haben und jetzt daraus vertrieben, ihren Weg nach Oester-
reich und Baiem suchen, gute Kundschaft zu haben, sie in Haft
zu bringen und mit ihnen nach Mass der Rechte zu handelnd
Dem Administrator von Passau wurde eröffnet, man gedenke mit
solchen Täufern so zu handeln wie er mit seinen Gefangenen.*
Allen diesen Massregeln zum Trotz wussten viele der aus
Süddeutschland und Tirol stammenden Brüder den Weg in die
alte Heimat zu finden. Am 19. Juni theilt König Ferdinand
dem Regimente zu Innsbruck mit, dass die aus Mähren ziehen-
den Wiedertäufer des Willens sein sollen, ,sich allenthalben in
unseren Erblanden auszutheilen und unterzuschlaiffen^' Neun
Tage später meldet dieses dem Cardinal Bernhard von Trieut,
dass es den erflossenen Befehlen entsprechend ohne Verzug an
alle Obrigkeiten im Lande entsprechende Weisungen habe gehen
lassen.^ Am 21. Juli wird von einem aus Mähren zurück-
gewanderten Wiedertäufer berichtet, der bussfertig sei und um
Gnade bitte.^ Dass Huter schon im Lande sei, davon hatte
man noch keine Kunde. Ende Juli taucht er im Schönecker
Gerichte auf.^ Seine ,Gemeinde' hielt er am Götzenberge,
dann in Hirschwang in einem Keller. Am 24. August fand
eine grosse Versammlung ob Erenburg im Walde statt; bei
dieser Gelegenheit wurden 19 Personen getauft. Die erste
Nachricht von Huter's Anwesenheit erhielt die Regierang zu
Anfang October von Brixen. Am 10. October meldeten Statt-
» BnchholE IV, 477—478.
* München, Staatsarchiv.
» Von kgl. Majestät V, 92.
* Orig. im Haus-, Hof- und Staatsarchiv. Correspondenz mit dem Cardinal
Bernhard von Trient.
» An kgl. Majestät V, 484.
* Siehe die Beilage Nr. 8.
553
halter und bischöfliche Iläthe daselbst, ,dass Jakob Uuter uud
andere fUnf oder sechs Wiedertäufervorsteher aus Mähren sich
wiederum in dies Land in das Pusterthal, dann nach Sterzing
and Bozen zugekehrt, auch schon zwei Versammlungen gehalten
und etliche Personen zu ihrer ketzerischen Secte bewegt haben,
auch Willens seien, am künftigen Allerheiligentag abermals eine
Gemeinde im Gerichte Taufers .oder in Götzenberg zu halten,
auch dass sie ihren „Unterschleif" auf St. Lienhart oder St. An-
dreasberg, auch auf Lüsen, Rodenegg, in Taufers, im Ge-
richte Rasen, auf dem Götzenberge und in Herschwang haben,
dass Huter's Frau gross schwanger und ihre Geburt nahe sei,
und hat sich in diesem Gericht Schöneck in Kindbett zu liegen
einlassend ^
Die Regierung liess sofort Befehle an die Verwalter zu
und um Bozen, Sterzing, Rodenegg und Taufers ausgehen:
,Da zu gewärtigen ist, dass Huter und Genossen sich noch an
den Grenzen aufhalten imd sich, wenn man ihnen nachstellt,
ins nächste Gericht flüchten, so sei die Verfolgung auch auf
fremdem Gebiete zu dulden und gegenseitig zu gestatten/ ^ Am
26. October meldet die Regierung von Brixen an die Landes-
regierung, es sei an alle Hauptleute, Pfleger und Richter Befehl
ei^angen, ,wie und wasgestalt sie sich weiter puncto der Wieder-
täufervorsteher verhalten sollen, haben auch dem Pfleger zu Guf-
fidaun angezeigt, wie dass sich die Wiedertäufer zu und um Guf-
fidaun seiner Verwaltung aufhalten, und dass er gleichermassen
wie andere seine Getreuen fleissig Aufsehen haben wolle'.'
Am 5. November schärfte die Landesregierung dem Pfle-
ger auf Guffidaun noch insbesondere ein, auf die Vorsteher und
den Jakob Huter, so aus Mähren vertrieben worden und sich
wieder in dies Land in das Pusterthal und andere Orte ge-
than, auch ,Unterschleif , Zuflucht und Zured um Guffidaun
haben sollen, zu achten.*
Getreue Stimmungsbilder enthalten die letzten drei Briefe
Huter's, die er an die auserwählte Gemeinde in Mähren ge-
* Brixener Archiv. Lade 112, Nr. 6, Lit. G. Prot. XIV, fol. 304. Wird an
Se. kgl. Majestät gemeldet.
« Causa Domini IV, 280, 281.
» Brixen. Prot. XIV, fol. 326, ibid., fol. 324.
* Lib. Causa. Domini IV, 285.
Archiv. LXXVIII Bd. II. Hälfte. 36
554
schrieben^ und in denen er sie mahnt, auszuharren bis an das
Ende, gleich jenen, die jüngstens — er meint wohl den zn
Brunn gerichteten Wilhelm Griessbacher — treu geblieben und
die Wahrheit ritterlich bekannt haben. Hier, so schreibt er,
haben wir auch Traurigkeit und Schmerzen empfangen, da-
durch, dass die grosse Unbilligkeit und Ungerechtigkeit über-
hand nimmt. Trotzdem grünen die Kinder des Herrn und
wachsen in göttlicher Gerechtigkeit und Wahrheit wie rin
schöner Garten nach einem Maienregen.
Aber schon tritt ims in diesem Briefe der ganze Ernst
der Lage, in der sich Huter mit seinen Genossen befand, mit
aller Deutlichkeit entgegen: ,Weiter thu' ich Euch kund und
zu wissen, dass wir dahier nicht mehr heimlich oder verborgen
sind, sondern die gottlosen Menschen wissen uns fast feindlich,
und ist ein gross' Geschrei von uns, denn die gottlosen diebi-
schen Pfaffen, die Wächter und Boten des Teufels, die grau-
samen Höllenhunde, sie schreien auf den Kanzeln von uns und
warnen das Volk und sagen, wir seien im Land und auf den
Bergen, und gebieten zu ihrem verfluchten Gottesdienst, Götzen
und Sacrament zu gehen. Sie drohen mit Henker imd Scher-
gen; das gottlose sodomitische Meer tobt und wüthet: ich flircht'
wohl, es wird keine Ruhe finden, bis der fromme Jonas
hineingeworfen wird und ihn der grausame Walfisch ver-
schluckt'
Wie schon in dem obenerwähnten Briefe, so zieht er auch
hier in masslosen Ausdrücken gegen den Landesfürsten und
den Papst los: , Dieser Walfisch ist der grausame Tyrann und
Feind der Wahrheit, Ferdinandus mit allem seinen Anhang,
und der verfluchte Papst mit seinen verfluchten Höllenhunden.
Aber Gott wird diesem Meere gebieten und die Seinigen wer-
den von der Gewalt der gottlosen Menschen erlöst werdep.'
,Herzliebe Brüder und Schwestern: Wir erwarten nun
täglich, stündlich und augenbUcklich die Schergen des Rich-
ters und die Knechte des Henkers imd alle Trübsal. Wir
haben uns auch dahin gerichtet und setzen uns nichts Anderes
vor. Der Herr gebe uns Kraft und Stärke, in seiner Wahr-
heit zu bleiben.'
Er mahnt schUesslich die Gemeinde, sich vor Verräthem
in Acht zu nehmen. Zwei von diesen seien herab nach Ster-
zing; in Innsbruck haben sie, was sie wissen, dem Regimen te
555
verrathen.^ Die Verräther haben im Sinne^ in kurzer Zeit nach
Mähren zu kommen. Diese Gottlosen wollen sie zu Euch
schicken. Darum trauet ihnen nicht und sehet Euch vor. In
diesen Verräthem wird man zweifellos die ^Lockspitzel^ sehen^
von denen in den Acten der letzten zwei Jahre öfter die Rede ist
Der dritte Brief, der aus dem Etschland und dem Puster-
thale nach Mähren abging und durch den Bruder Christi Schmidt
dahin überbracht wurde,* klagt nicht weniger über die herr-
schende Noth: ,Es ist auch hier grosse Noth imd die Verfol-
guDg angegangen und ein gross' Geschrei von uns, wiewohl
uns Gott noch täglich ein Auskommen gemacht hat. Wir war-
ten an vielen Orten alle Stunden und Augenblicke der Scher-
gen und Richter, am Tag und bei der Nacht. Sie drohen uns
auch und wissen die „Geschwistriget" fast wohl an etlich Orten.
Es hat auch der gottlose Richter Peter Maier zu Vientl seine
eigene Tochter und seinen Eidam und ihre Dirne, drei hebe
„Geschwistriget", gefangen. Die Dim' ist aber von Schöneck
aus dem Geschloss auskommen „mit reiner Seele**. Er liegt
noch auf Schöneck. Sie aber hat Paul, der Schalk, ihr
Fleischbruder, gen Greifenburg in Kärnten gefuhrt, da ihn der
Teufel zu einem Pfleger gemacht hat.^ ,La8st Euch,^ schliesst
Huter, ,nicht verführen oder abschrecken von der göttlichen
Wahrheit.^
Der dritte Brief Huter's aus diesen Tagen und der letzte,
den er kurz vor seiner Gefangennahme durch den Bruder Je-
ronyme im November 1535 nach Mähren sandte,* zeigt uns
bereits die grosse Gefahr, in der Huter schwebte.*
^ Die ander Epistel von Jakob Hneter an die Gemain in Mähren. Ge-
schrieben ans der Grafschaft Tirol durch W{)lflin Zimmermann. Anno 1535.
In den Handschriften Nr. 190, 212 und 219 des Pressburger Domcapitels;
im Cod. VIII g, 39 zu Pest. Cop. in der v. Beck'sohen Sammlung. In
dieser befand sich auch der Cod. Reslig (?), der daselbst nicht mehr vor-
handen ist.
' In den Handschriften Nr. 190, 212 und 219 zu Pressburg und in einer
Levarer Handschrift des evang. Lycenms zu Pressburg; in dieser wird
irrig Wolfgang Zimmermann als der Bote bezeichnet. Cop. in der v. Beck-
seben Sammlung.
' In den Pressburger Handschriften Nr. 190 und 219 und in der Pester
Handschrift V, 9. Cop. in der v. Beck'schen Sammlung.
* Die bezeichnendste Stelle ist von Beck in den Geschichtsbflchern, S. 121,
Note, abgedruckt.
36*
556
So vielen Nachstellungen gegenüber vermochte er sich
nicht zu halten. Als er, von Häschern umstellt, am Sanct An-
dreasabend mit seiner schwangeren Gattin zu Klausen in dem
Hause des gewesenen Messners Hans Steiner jenseits der Eisack-
brücke übernachtete, wurde er zur Nachtzeit und in aller Stille
von dem fürstbischöflichen Pfleger auf Sehen und dem Stadt-
richter Rieder mit bewehrter ELand überfallen, niedei^eworfen
und sammt seiner Gattin, dann einer ,fremden Dim^, Anna
Steiner von St. Georgen, und der alten Messnerin gefangen
und auf die nächst Klausen gelegene bischöfliche Veste Brand-
zoU gebracht. Die Gefangennahme war das Resultat eines
zwischen der Regierung und den bischöflichen Amtsleuten ver-
abredeten ,Anschlags, in etHchen Gerichten und Orten, wie im
Pusterthal, um Bozen, Sterzing und Klausen, da die Wiede^
täufer ihren Zukehr und Unterschlaiff hätten, auf St. Andreas-
tag zu Nacht einzufallend Durch Betrug und Verrätherei,
sagen die Geschichtsbücher, ist Bruder Jakob Huter gefangen
worden.^ Diese Thatsache wurde unverzüglich nach Brixen
und von da mittelst Eilboten nach Innsbruck gemeldet, wo-
selbst man die Nachricht von der Gefangennahme des ,Prin-
cipalvorstehers^ mit Dank und ,Hochgefallen^ entgegennahm
und gleichzeitig anordnete, dass Huter, da er kein gemeiner
Gefangener, sondern ein Vorsteher sei, an dem sehr viel li^e
und von welchem, da er etUche Jahre hier im Lande viel Un-
rath erweckt, viel zu erfahren wäre, von Brandzoll nach Inns-
bruck geschafiPt werden solle. Es wurde zu diesem Zwecke
der Untermarschalk Offenhauser mit einem ,Einspannigen^ ab-
gesandt, um ihn auf Brandzoll aus den Händen des Pflegers
zu übernehmen. Der Letztere, sowie der Landrichter von
Sterzing waren insgeheim angewiesen worden, ihm der grösse-
ren Sicherheit wegen ,in aller Stille etHche vertraute, wohl be-
wehrte verlässliche Personen, soviel er begehren mag, bei-
zugeben, die ihm helfen sollten, den Gefangenen sicher nach
Innsbruck zu bringend* Das Verhör der Gattin Huter's sollte in
Klausen vor dem Stadtrichter stattfinden.
In Anbetracht der Bedeutung Huter's billigte die Landes-
regierung den Eingrifi* der bischöflichen in die fremde Gerichts-
> 8. 122.
« Causa Domini IV, 294.
557
barkeit ^ und fand in der Angabe^ dass die Gefängnisse in
GKtffidaun nicht wohl verwahrt seien ^ einen hinreichenden
Grand, die Gefangenen nach BrandzoU statt nach Ghiffidaun
zu bringen. Weniger waren hievon die Pfand- und Gerichts-
herren von GufEdaun, Georg Freiherr von Firmian und seine
Mitverwandten, befriedigt; allein die Regierung beschwichtigte
sie am 7. December mit der Erklärung: ,Die Regierung habe
sich vor etUch Tagen mit dem Bischöfe dahin verglichen, dass
alle landesflirsthchen und bischöflichen Pfleger im Pusterthale
und an anderen Orten in einer Nacht in die verdächtigen Häu-
ser einfallen und allen Fleiss „fUrkehren sollen, den obgedachten
Hueter, dieweil man wahre Kundschaft gehabt, dass sich der-
selbe an berührten Orten aufhalten soll, gefangen zu nehmen".*
Es sei zudem in vorhinein ausgemacht worden, wenn ein
Gericht in das andere fallen sollte, dies dem letzteren in seiner
Gerichtsbarkeit keinen Abbruch thun solle. Nun sei allerdings
auch bestimmt worden, dass die Gefangenen dem Gerichte, in
welchem sie betreten werden, zu tiberantworten seien. Da
aber Huter kein gemeiner Gefangener, sondern ein Vorsteher
sei, der viele Personen verführt und zu Tod und Marter ge-
bracht und Angesichts des schlechten Zustandes der Gefkng-
niase in Guffidaun nur der grösseren Sicherheit wegen auf
Brandzoll gebracht worden ist, und dieser Fall den Gerecht-
samen der Herrschaft Guffldaun nicht abträglich sein soll, so
versehe sich die Regierung, dass er solches nit anders wie seine
fkirstliche Gnaden verstehen werde.^
In Huter's Reisetasche befanden sich Briefe des Hans
Amon (Tuchmacher) aus Mähren. Sie wurden sammt den ,Ur-
gichten^ der gefangenen Frauen und einem Bericht des Michels-
burger Pflegers über die Ansammlungen von Täufern im
Walde von Onach und Herschwang von Seiten des Bischofs an
die Innsbrucker Regierung eingesendet.^ Diese traf folgende
Bestimmungen:^ Der Pfleger auf Guffidaun sei zu beauftragen,
^ Brixen, December 4. Brixen entschaldigt sich bei JOrgf von Firmian.
Prot. XV, fol. 284.
' »Firmiaii, vengklich annemung Hutter's yorsteers in Gericht Qnffidaun.*
Causa Domini IV, 296/1-2.
' Verhör der Katharina Hueter 3. December 1535 zu Clausen, s. unten.
* 10. December 1535. Causa Domini IV, 296. An den Bischof su Brixen.
Orig. in Brixen, Lade 112, Nr. 6, Lit. F.
568
Huter's Hausfrau aus Brandzoll zu übernehmen und bis auf
Weiteres in Guffidaun zu verwahren.^ Da die alte Messnerin
mit der Wiedertaufe nicht befleckt ist, so ist sie. gegen Urfehde
und Zahlung der Kosten ledig zu lassen. Bezüglich der dorch
den Pfleger von Michelsburg iind Caspar Künigl von Emborg
angezeigten Wiedertäuferversammlungen soU man mit dem
Ueberfall verziehen, bis Jakob Huter, der hier seinen ,Unte^
schleif gehabt, nothdürftig verhört sei. Der alte Fischer in
Prags, bei welchem Huter etliche Jahre zuvor, ehe er in die
Secte kam, im Hutmacherhandwerk gearbeitet und einen bösen
Leumund zurückgelassen habe, soll hierüber befragt werden.
Mit diesen Anordnungen trat die Angelegenheit Huter's in die
letzte Phase.
11. Der Process und die Hlnrielitaiig Hnter^s.
Schon am vierten Tage nach ihrer Gefangennahme wurde
Huter's Gattin durch den Stadtrichter Lienhard Mair am Creuz
zu Klausen einem Verhöre unterworfen. Die Fragepunkte, 16
an der Zahl, waren ihm von der Regierung zugestellt worden.
Katharina Huter war eine eheUche Tochter des Lorenz Purrt.
Sie hatte im Jahre 1532 bei Paul Gall in Trens gedient und
war hier durch Gall und Paul Ruemer und andere Leute, von
denen, wie es in ihrer Aussage heisst, nun schon einige ge-
richtet, andere nach Mähren flüchtig geworden seien, zu der
Secte gekommen. In Trens habe Jakob Huter sie getauft.
Dann sei sie mit nach Mähren gezogen, wo sie um Pfingsten
1535 von Hans Tuchmacher mit Huter getraut wurde.
Um Jakobi seien sie in Begleitung des Schulmeist^«
Jeronyme, der auch durch Huter getauft wurde, aus Mähren
weggezogen und über die Tauern wieder heraufgekommen,
nach Taufers gegangen, woselbst sie sich eine Zeit lang in
den Wäldern aufgehalten. Von hier suchten sie den Waldner
auf Ellen heim; aber dieser sei ,abgestanden^ und wieder ein
,Zeichenmensch^ geworden. Dann seien sie zu Ober nach
Herschwang gekommen, der sich ihnen als ein lieber Bruder
* Causa Domini IV, 297/2. Befehl an Adam Prew, die Gefangenen anf
Guffidaun gut zu verwahren.
569
erwiesen. Auch dessen Gattin^ zwei Knechte Namens Marion^
Wolf Junghans und seine Hausfrau seien von Huter getauft
warden. Von Herschwang seien sie gegen Lüsen gekommen
zu Prader, der sei aber nicht Wiedertäufer, dagegen seine
Frau und sein Sohn. Hier fanden sie und Jeronyme oft
Wohnung und Unterhalt. Die genannten Personen wurden
von Huter zu Lüsen in einem Walde getauft. Vor ungefUhr
14 Tagen (demnach um den 19. November) habe Huter zu
Trens im Hause eines Wagners, genannt zum Schaffer, der
aber nicht Wiedertäufer gewesen, sieben bis acht Personen,
es sollen Knappen gewesen sein, in einem Keller getauft. Von
hier wären sie mit Steiner's Tochter Anna wieder nach Hersch-
wang zu Ober gegangen, hätten sich aber, als sie erftihren,
,wie man allenthalben ein Aufsehen auf sie habe^, wieder auf-
gemacht, in die Wälder begeben und wären bei der Nacht auf
der Strasse gegen Klausen zu gezogen. Um Mitternacht kamen
sie zu des Messners Haus, Willens, ,von Stund' weg^ zu gehen,
wussten aber nicht wohin. Huter habe ihnen wohl gesagt, er
wolle zum Niclauer gen Vilnöss oder zu Jöi^ Müllner ,oder
wohin sie Gott behülen werde, denn die Niclauerin sei ihre
hebe Schwester und Jörg Müllner sammt seiner Hausft*au seien
im Herbste getauft worden. Auch Niclas Niederhofer im Ge-
richte Schöneck und ein „Dirndel", so zu Kiens im Dienst,
seien Wiedertäufer geworden; bei Ersterem hätten sie wieder-
holt Unterstand gehabt^
Was Jakob Huter's Vermögen betreffe, so ,thue er sein
Geld aus an arme Witwen und Waisen oder andere arme
Brüder und Schwestern, die dessen bedürftig seiend ,Ihres
Wissens seien keine Vorsteher der Brüder derzeit im Lande,
alle in Mähren.^ ^ Die Aussagen der übrigen Gefangenen, die
am 3. December verhört wurden, bieten nichts Bemerkens-
werthes.
Am 9. December wurde Huter bei strenger Winterkälte
nach Innsbruck geftihrt. Der im Jahre 1561 zu Innsbruck bei
der Schiessstätte — der Richtstätte Huter's — enthauptete
Wiedertäufer Jörg Rock (Mayer) erzählte (und diese Angabe
findet sich auch in den Geschichtsbüchern der Wiedertäufer:*)
* Verhör der Katharina Huter.
* 8. 122, Note.
,Han V'M. «i» «r t^t;:<i'==''t:. ^ea Haler, mb nan um g^
luffpmrrk hat f^Ji.n. «:a Kk^U iis Mnl erben luboL dunä
w dj« W»rl'-'t CT aezÜ!«'B ksBL- * la d«m Bcrieltte, wetchen
da« Rfr^duKrnl *Ea 13. I>^f>-rQber sn den K3«is erataute»,* beiast
et: ,Wir ha\>fm Qtn zoent fne^cber Fragen nnd tob we-
f^en *finfr» \mah dorcb den Pred^«r Dr. GaBen drränal nacb-
eiiiaii>l*;r onterwets^D laaera: aber dieveO er solch seine Unter
w«Mang gar vemjcht nnd nit angenommen and nichts anderes
denn s(;heheD nnd flachen gethao. haben wir w^ter anf etliche
f;e«tellt« FrageMflcke mit ihm handeln lassen; welches sein Be-
kenntnisH and Urgicht wir Ew. M. hiernach aach anschicken.
I^eweil ans aber von dem Bischof (von Brixen) diese bei-
liegenden' .Schreiben, so der Hans Tachmacher and andere
SOS Mahren an gemelten Jakob Hneter gethan, zugeschickt
worden M;in, wir aach in desselben Haetters gaetiger und
[>einlieher Examination und Frag befanden haben, dass er alle
chriittenliche Ordnnng der Kirchen, als die peicht, hailig Sacra-
menten und anders Temicht and verwirft and doch sonst
bei ihnen auf erstlich beschehen zuesprechen nach-
malen nit befunden wirdet, dass er und andere Vor-
steher des gemUetB und mainung seien, solch ihr vor-
haben mit Pflanzung der wiedertaufe, wo es ihnen
gcrathen sollte, mit gewalt hindurch zu drucken,
wellen wir darnach und ehe wir weiter mit ihm verfahren,
von £w. Mt. Bescheid erwarten, dieweil er ein BiscboGT nnd
Vorsteher und oben lang in Märhem hin und wider zi^n und
bekannt ist und darinnen gepredigt hat, ob Ew. M, ihn anf
etliche Artiggel derselben seiner gethanen Handlang in Mir-
bem auch fragen lassen uud was sonst Ew. M. geruet, seinet-
halben sein welle.*
,It«m, dieweil die andern Vorsteher, so noch in Märhem
sein sollen, als der Tuchmacher, Onoflfrus, Zaunried und andere
mehr der weg und Steg im landt wohl bericht sein and zu be-
sorgen ist, so sie erfahren, dass gemelter Huetter gefangen,
dass sie sich zum Tail wieder heimlichen in das Landt tiinen
nnd ihre 8ect weiter darin bei dem gemain Manu einpflanzen
« C.^. G- J. X. 9 in Gran.
• luushnirker Sulthultoroiiin'liiv V, fol. 536.
561
werden: welle Ew. Mt. gnädigst bedacht sein, in Märhem ernst-
lich Ordnung und Befelch zu geben, denselben Vorstehern und
W.-T. nachzustellen, damit sy nit also wider in diss Landt
komen und darin weiter bösen Samen einwerffen/
Der Fürstbischof von Brixen beeilte sich, der Regierung
die Aussagen des alten Fischer von Prags, die Huter nicht
belasteten, und einige Sttlcke einzusenden, über welche Huter
gleichfalls befragt werden sollte.^ Eine dieser Fragen lautete:
Ob er nit verschines iar geraisig und wie ein kaufrnann gen
Braunegg khumen, zu herm Steffan, derselben zeit gesellen-
briester daselbs Predig gangen, und als er die selb' Bredig
gehört, wider in die herberg khumen und geredt: der pfaff
wiss die recht warhait wol, aber im sey das maul verschopt
das er die warhait nit reden durfft ... So ist auch wissentlich,
das ime der gemain man in disem Landt ein gross guet an
parschaft, silber^eschir und klainatt angehenkht und zugestelt
und wol zu gedenken, er habe das nit alles under sein brueder
oder Schwestern ausgetailt.^
Da ihm der Tuchmacher aus Mähren geschrieben, dass
er ihm die Brüder und Schwestern an der Etsch und im Puster-
thal grüssen soll, so sei er zu befragen, wer diese seien. Zu-
letzt sei er zu befragen, wie viele Personen er überhaupt ge-
tauft habe. Die Regierung antwortete dem Bischöfe am 24. De-
cemberr* Man habe den Angeklagten seit zwölf Tagen nicht
weiter besprochen noch sonst mit ihm gehandelt und nur den
Prediger Dr. Gall Müller bei ihm ab- und zugehen lassen, ,ob
er von seinem Irrsal der Wiedertaufe nit mit Grund der Schrift
abgewendet werden möchte, allein, sowie die hl. Zeit der Weih-
nachten vorübergehe, wolle man weiter gegen ihn handeln lassen
und was er bekennen wird, gegen Brixen anzeigen.^
Kurz nach Weihnachten war auch die königliche Ent-
schliessung (de dato Wien, 24. December) eingetroffen und damit
das Geschick Huter's besiegelt: ^ Wir tragen, heisst es daselbst,
* Interrogfatoria und Fragstuckh auf Jacobn Huetter den W.-T. Vorsteer,
was er im Landtgericht zu BüchelBpurg begangen und vollbracht. Con-
cept ex 1536 im Brixener fürstbischoflichen Archiv. Lade 112, Nr. 6,
Lit F.
' Innsbrucker Statthaltereiarchiv. Lib. Causa Domini IV, 298 — 299.
' Statthaltereiarchiv Innsbruck. Von der kgl. Majestät. Lib. V, 1535,
fol. 814—316.
562
Eures Schreibens wegen ein besonderes Gefallen und sind der
Zuversicht, dass die Gefangennahme Huter's nicht wenig zur
Ausrottung der wiedertäuferischen Secte beitragen werde: ,dar-
umb wir auch endlich entschlossen sein, gedachten Hueter, ob
er gleichwol von seinem irrsal absteen, denselben widerrtiefen
und puess thun wollte, in kainem weg zu begnaden, son-
dern gegen ime als dem, der in unsem filrstentumben und
lannden und an mer orten vil personen verfuert, sie in abfahl
unscrs waren heiligen christlichen glaubens zu verlierung irer
Seelen säligkhait, auch umb eer, leib und guet gebracht hat,
mit der straff, welche er hoch und vilfeltig verschul-
det hat» furgeen zu lassend Da dieser Huter, heisst es
weiter, lange Zeit her — etwa acht bis neun Jahre — nicht
nur allein in unserer Markgrafschaft Mähren, sondern auch in
anderen unseren niederösterreichischen Landen, als in den
steirischen und kärntnischen Gebirgen, in Oesterreich ob und
unter der Enns hin und wider gezogen und allenthalben seine
verführerische Secte eingepflanzt hat, so setzen wir keinen
Zweifel, ihr habet verordnet, dass Huter befragt werde, wie
er in diese Secte gekommen, in welchen Ftirstenthtimem und
Ländern er die Jahre her, Monat für Monat, herumgezogen,
welche Personen vom Adel er getauft und bei wem er seinen
,Unter8chlaif und seine Unterhaltung gehabt habe. Auch soll
er peinlich befragt werden, was die Ziffern in einem Schreiben
der Gemeinde in Mähren an Huter zu bedeuten haben.
In der Markgrafschaft Mähren sei bereits angeordnet
worden, dass nach den Vorstehern gefahndet werde, damit
,der Unrath* durch sie nicht nach Tirol oder an andere Orte
geschleppt werde. Sache des Regimentes werde es sein, jener
Personen habhaft zu werden, welche in den Briefen genannt
werden und den Dr. Gall ,zum fürderlichsten' an die Etsch,
ins Pusterthal, nach Bozen und überhaupt dahin zu schicken,
wo es Noth thut, damit das gemeine Volk gewarnt werde.
Es scheint, dass man die schliessliche Bekehrung Huter's
erwartete; es Uegen uns ,Fragestuckh auf den Vorsteer N. der
Widertäufer gestellt' aus dem Jahre 1536 vor, denen ein ,Wider-
täufer widerruf angeschlossen ist.^ Das wurde bei Huter nicht
erreicht. Wochenlange sass er im Kräuterthurm gefangen; hier
» Pestarchiv. Innsbruck XVIII, 39.
563
besuchten ihn der Stadtpfarrer von Hall und andere Theologen^
auch gelehrte Laien, alle auf das Eifrigste bemüht, ihn zu
Geständnissen zu bewegen, es war Alles umsonst. Da griff
das Regiment zu schärferen Massregeln. Am Neujahrstage 1536
erhielt der Hauptmann von Kufstein, Christoph Fuchs, den Auf-
trag: ,Dieweil wir bisher Jacoben Hutter, der W.-T. Sect Vor-
steher durch guet christenUche Leer von seinem irsal abzustehn
(nicht vermocht haben),^ so möge Fuchs die beiden Knechte,
80 ,8eine gefangenen W.-T. mit Ruetten geschlagen^, ohne Ver-
zug nach Innsbruck senden und wenn mögUch selbst dahin
kommen, um bei der Züchtigung anwesend zu sein.^ Aber
Huter war fest entschlossen, weder in Sachen des Glaubens
nachzugeben, noch auch seine Genossen zu verrathen. Mit
Erlass vom 26. Jänner erhielt der Landrichter von Sonnenburg
den Auftrag, den Gefangenen zu übernehmen und ihm sein
Recht angedeihen zu lassen, vorläufig ihn aber nochmals über
die genannten Artikel peinlich zu befragen. Die ,Gichtung'
solke an einem von dem Landrichter zu bestinunenden Tage
um 7 Uhr vormittags stattfinden und der Landgerichtsschreiber
und die sonstigen erforderlichen Personen beigezogen werden.*
Damit war das ordentUche Schlussverfahren eingeleitet. Es wird
denn wohl nur eine Fabel sein, die sich mehrfach in den
Schriften der Wiedertäufer und so auch in den Geschichts-
büchern findet,' dass Huter in eiskaltes Wasser gesetzt, her-
nach in eine heisse Stube geführt, mit Ruthen gestrichen, ihm
Branntwein in die Wunden gegossen und dieser angezündet
worden sei. Auch das, was von sonstigem Narren- und Affen-
spiel erzählt wird, das mit ihm ausgeführt wurde, mag vielfach
übertrieben sein. Sicher ist nur, dass er alle Grade der ge-
setzlichen Tortur überstanden und bis an sein Ende ,beständig^
geblieben ist.
Das Urtheil sprach ihm die verschärfte Strafe, den Tod
durch ,den Brand* zu. Vor seiner Hinrichtung erhoben jedoch
die Vollzugsorgane das Bedenken, ob es rathsam sei, das Ur-
theil öffentlich zu vollziehen, und hielten es für zweckmässiger.
^ Ibid. Causa Domini IV, 299. Am 8. Jänner wird der Lohn der beiden
Schergen mit 6 fl. 43 kr. rheinisch angewiesen. Embietenbuch, fol. 448.
* Causa Domini IV, 311.
' 8. 122.
564
ihn Früh, noch vor Tagesanbruch, in Abwesenheit der Volks-
menge, durch das Schwert zu richten. Die Entschliessong, die
an allerhöchster Stelle hierüber eingeholt wurde, lautete, dass
,S. M. keineswegs zulassen wolle, dass Huter in der Stille, vor
Tags, mit dem Schwerte, sondern nach ergangenem ürtheil
und dem Inhalt der Mandate öffentUch und mit dem Feuer
gerichtet werden müsse^, was denn auch geschehen ist^ Der
Wiedertäufer Jörg Vasser erzählt in einem Schreiben (Möd-
ling, 1. Juni 1536): Eine Erämerin sei bei ihm gewesen and
erzählte ,yon der RedUchkeit des Bruders Jakob und wie über
alle Massen viel Volk dabei gewesen^* Er starb, ,nachdem er
die Gemain drei Jahre regiert, am Freitag vor der ersten
Fastenwoche* (sie) im 1636 Jahr und hat durch seinen Tod
eine grosse Lehr gethan, denn Qott ist mit ihm gewesen'
(Hans Amon).
Ein vertrauter Bruder brachte die Kunde von Huter'B
Abscheiden den Brüdern in Mähren.
Am Tage nach seinem Tode wandte sich die Regierung
an die landesfUrstliche Kanmier: ,Nachdem Jacob Hueter, wider-
tauffer den 29. des monats November des nagst verschinen
fUnf- und dreissigsten Jar in k. k. M. vengknus allhie im
kreuterhaus gepracht und- jetzo den 25. tag dits monats Fe-
bruarii widemmb daraus genomen und mit urtl und Recht zum
Tod gericht worden, welche zeit also derselb Hueter alhie im
vengknus gelegen ist und 87 tau (sie) laufft, und unser Ratiss-
dienor, Martin Hayler beruerten Hueter die bestimmte zeit mit
spoiss und trankh underhalden hat und für jeden tag 12 kreut-
zer begert — denmach wellet verordnen, das demselben Martin
Hayler solche 17 gülden und vier und zwanzig kreutzer be-
zahlt werden.^*
Noch am 29. April 1536 klagt die Kammer über die
groHHon Kosten, die bei dem Processe ,wayland Hueter's^ auf-
gewachsen sind.
Huter*s Frau war auf wiederholte Beschwerden des Frei-
lu^rrn von Firmian und des Pflegers Adam Prew hin endlich
» CttnM. Domini V, 168.
« VüKiiHr'ii EpiBt. Cod. 190, fol. 498—600.
■ (1. I. *24. F'ebruar, richtiger am 26. Februar, s. nnten.
* Kiiiblütonbuch, fol. 449—460.
565
nach Guflidaun abgeliefert worden. Dort sollte ihr ein gelehr-
ter, verständiger und andächtiger Mann beigegeben werden,
um sie von ihrem ,Irrsal^ abzubringen. Aber noch bevor dieser
eintraf, gelang es ihr, mit Hilfe ihrer Freunde und der Fahr-
lässigkeit des Hüters aus dem Schlossthurme zu entkommen.
jDes Jakob Treindl,^ schreibt Hans Amon am 15. Mai an Jörg
Vasser, ,iBt auskommen, auch die Schwester von Michelsberg,
und seien beide fromm blieben.^ Dagegen war die Regierung
über solche Nachlässigkeit sehr ungehalten und behielt sich
vor, gegen die Schuldtragenden mit geziemender Strafe vor-
zugehen.^ In einer Zuschrift vom 5. Februar hatte die Regie-
rung an den Pfleger von GufBdaun den Auftrag gegeben, sich
zu erkundigen, wie es sich mit dem Widerruf verhalte, den
Jakob Hueter's Weib zu Rodeneck gethan, worauf sie be-
gnadigt worden sei. Ob diese Angabe richtig ist, lässt sich
nicht sicher sagen. Die Hüterin fiel zwei Jahre später aber-
mals in die Hände der Obrigkeit und wurde auf Schöneck
gerichtet
Dem Wiedertäufer Jakob Huter, der unter seinen Glau-
bensgenossen zu besonderem Ansehen gelangt ist,^ haben diese
das grosse Verdienst zuerkannt, die imter den mährischen
Wiedertäufern locker gewordene Zucht und Ordnung wieder
hergestellt, die vielfach durchbrochene Gemeinschaft den ein-
reissenden Sondergelüsten gegenüber befestigt, die Gemeinde
von unreinen Elementen gesäubert und den Missbräuchen, die
anderen Ortes die Auflösung der Gemeinden nach sich zogen,
gesteuert zu haben. Seinem erbitterten Gegner Gabriel Ascher-
ham* war Huter fi'eilich nur ein aufgeblasener, ehrgeiziger
* Causa Domini IV, 307, 335/2, 375.
* Er wurde auch im Liede gefeiert:
Die gmain, die christlich muetter)
die hat vil sön verlorn
bis auf den Jacob Hnetter,
den hat gott auserkom.
Lied des Wiedertäufers Jörg Bmckmaier, der 50 Jahre später zu ^ed
in Oberösterreich gerichtet wurde.
* In Gabriel Kirschner's Chronik: ,Was sich verloffen hat unter den Brü-
dern, die aus aller teutschen Nation vertrieben — umb des Glaubens
willen — in das Mährenland kommen su Aufenthalt ihres Lebens von
dem 1528 Jar biss auff das 1541 Jar.* Eine fast ganz verschwundene
Druckschrift, nunmehr nur noch in einem Auszuge bekannt in Dr.
566
Mensch, der ,den Sigmund verstochen und seinen Ehrgeiz nicht
habe verbergen können. Die angeblich so grosse Frucht seines
Amtes und seiner aufgerichteten Gemeinschaft sei die Zerstörung
der Liebe und Einigkeit der Völker gewesen, die vorhin einig
waren. Man möge von Huter sagen, was man wolle, er, Ga-
briel, behaupte, dieser Huter sei ein böser Mensch gewesen*
und ,habe er sich gleich sieden und braten lassen, so wisse
er doch von ihm nichts zu sagen, als dass er dies in Mähren
nicht bewiesen, vielmehr nur Rache gegen Alle geübt habe, die
dem Sigmund das Wort geredet. Er habe mit seinem Polter-
geist die Gemeinde tiberfallen. Das war nicht der Geist des
hl. Paulus, dessen er sich gerühmt habe, sondern der Geist des
Teufels, wie ihm ein Weib einstens sagte. Solche Polterei aber
mttssten andere Leute entgelten. Huter sei umgekommen unter
dem Deckmantel, als ob es um des Evangeliums Willen ge-
schehen sei, welches aber nit die Ursache war, sondern um
seines Scheltens Willen.^
Gerechter urtheilt der ebenfalls einer feindlichen Partei
angehörige, aber viel gebildetere Philipp. Dieser bekannte
öffentlich, es habe in der Zeit seines Wirkens in Mähren keiner
so treulich ftlr das Volk im Zeitlichen und Geistlichen ge-
sorgt wie Jakob. Nie sei er als treulos befunden worden und
immer habe er dem Herrn getreu und mit Erfolg gedient. Denn
durch ihn habe der Herr sein Volk gesammelt und erhalten.
Schlimmer als bei Gabriel kommt Huter bei seinem Lands-
manne, dem aus Hall gebürtigen salzburgischen Rath und Theo-
logen Christoph Erhard weg.* Ihm folgen Curaeus, Meschovius,
Fischer und Andere. Erst unseren Tagen blieb es vorbehalten,
das Wirken Huter's in einer der Wahrheit näher kommenden
Weise zu zeichnen.*
Fragt man, was Huter eigentlich gelehrt habe, so möge
hier auf die den gemässigten Wiedertäufern Süddeutschlands
und Oesterreichs gemeinsamen Schlattner Artikel^ hingewiesen
I t
1
Fischer's: Hueter-wiedertouf. Tanbeukobel. Ingolstadt 1607 und in Ottü
Ann. Anabapt. Bas. 1672.
• Gründliche, kurzgefasste Historia von Mün^ter'schen Wiedertäufern.
Mtlnchen, 1689 in 4°.
• V. Kripp, Ein Beitrag zur Geschichte der Wiedertäufer in Tirol. Inns-
bruck 1867 (vergriffen); Adam Wolf, Gesch. Bilder aus Oesterreich I, 72.
• Geschichtsbücher der Wiedertäufer, 8. 41 — 44.
567
werden. Des ,Jeronyme Kräl's Bekanntnuss und Rechenschaft
etliche Artikel christlichen Glaubens betreffend^ welche dieser
im Jahre 1536^ mit seinen Mitgefangenen dem Richter und
der Obrigkeit in Wien überreicht hat, können als Reflex der
eigenen Worte Huter's angesehen werden. Huter's Geist zeigt
sich ebenfalls in der ,Rechenschaft und Zeugnuss' der Anno
1540 von Steinabrunn nach Triest abgeführten und für die
Galeeren bestimmten Brüder;* den vollständigen Abschluss
findet das Lehrgebäude in der von Peter Riedeman im Jahre
1543 zusammengestellten ^Rechenschaft unserer Religion, Lehr
und Glaubens' (gedruckt 1565).*
Die Hoffnung, welche Ferdinand I. in seinem Schreiben
ausgedrückt hatte, dass nunmehr der Anabaptismus in Tirol
völlig niedergehalten und ausgerottet werden könne, ging zwar
nicht in ErftQlung. Wir finden noch in denselben Jahren deut-
liche Spuren anabaptistischen Lebens in Weissbach, Lüsen, Hersch-
wang und an anderen Orten, gleichwohl ist nicht zu verkennen,
dass in der Propaganda eine augenblickliche Ermattung ein-
getreten, und vielleicht hängt es mit dieser Wahrnehmung zu-
sammen, dass das Regiment der Errichtung einer ,streifenden
Rotte^ abermals Hindernisse in den Weg legt tmd auf der ande-
ren Seite Jeronyme Käls die Klage erhebt, es seien so wenig
Diener des Wortes bei der Gemeinde.
* Im Cod. Vm g, 27, fol. 374 in Pest und im Cod. 190, fol. 16 des Press-
bnr^r Domcapitels.
' Im Cod. 234 zu Pressburg und Cod. VIII g, 27 zu Pest. Copien hievon,
wie auch von den vorigen, in der v. Beck'schen Sammlung.
' Mittheilungen aus Calvary's Antiquariat I, Berlin 1870. Von Huter's
Schriften haben sich nur die obenangeführten Sendschreiben erhalten.
Andere sind aufgefangen worden und kamen in die Untersuchungfsacten,
die auch nicht mehr erhalten sind. FälschUch werden ihm zugeschrieben :
1. Riedemanu's ,Uechenschaft* etc., s. Arnold, Kirchen- und Ketzerhistorie;
2. die Schrift ,Anschläg und Fürwenden der blinden verkerten weit und
aller Gottlosen gegen die Frommen* (Cod. G. I, VII, 31. Strigon, ex
1576); 3. die Abhandlung ,Von den sieben Siegeln des verschlossenen
Buchs*; unter dieser Schrift ist entweder Sebastian Franck's »Das ver-
bütschiert mit sieben Siegeln verschlossene Buch* oder wahrscheinlich
Hana Uut's Büchlein «Von dem Buch und den sieben Siegeln, wie in
der Apocalypsi stünde* und das die Brüder das Buch mit den sieben
Siegeln nannten, zu verstehen.
BEILAGEN.
Nr. 1.
Bairische, in Tirol angenommene Generalordnung, betreffend da,
Verhör und die Verurtheilung der Wiedertäufer,
Yerzaichnns etlicher gemainer artigl und fragetuckh, darauf
die, so der widertauff auch anderer verfueriecher Secten hal-
ber zu verdacht steen, bespracht werden sollen (1528).
Anfanglich ainen jeglichen mit sonderm vleiß ze fragen , was er Ton
den heiligen Sacramenten und besonderlich von der Hess und dem hoch-
wirdigen Sacrament des Altars halte.
Furter, ob er jedes Jars bisher zu österlicher zeit nach christen-
licher Ordnung gepeicht und darauf das hochwirdig Sacrament, wie ainem
Cristen gehurt, emphangen, ob er auch seinem pharrer die schuldigen
opher und zehent albegen geraicht hab.
Item, so ainer auf solch hie obbestimbte haubtfrag ain oder mer
Irthumb, Unglauben oder widerwärtig Majnung bekhomen wurde, sol zu-
erst aigentlich und verständlich aufgeschriben und nach volgent, alsdann
zum vleissigisten weiter underschidlich bespracht werden, fumemlich, wie
er anfangs in solch Irthumb oder verfuerisch Majnung kumen sej, wie
und von wem er die gehört, gelerent und angenomen, wie lang er auch
also darin verhart und was missetaten oder ungeburlichs er bisher in
solchem schein darunder begangen habe.
Zum andern, was newerung er dai'auf in seinem glauben furge-
nomen, gejebt, und sonderlich, ob er sich mit an (sie) newerung der
widertauff auch befleckt habe.
Zum dritten, von wem er getaufft, wie und mit was Worten er auch
darzu bewegt sej.
Zum vierten, ob er von Ime selbs umb solchen widertauf gebeten hab.
Zum funfften, wer sich mit ime widertauffen lassen, mit was Worten,
zaichen und eusserlichen geparden auch solche widertauf beschehen, wie
es zuegangen und sonderlich ob der Tauffer was er darzue gebraucht, ob
569
er ioe auch damit begossen oder allain bezaichnet, was er daninder geredt
und wie die wort gelaut haben.
Zum sechsten, wer sonst ausserhalb des Tauffers seine aufruerer,
Prediger, vorsteer und brueder gewest, wie die all und ir jeder in sonder mit
namen haissen, wo sy auch gesessen und jetzt ires achtens zu finden sein.
Zum sibenden, zu warhait, wo und an welchen ort, auch wie oft sy
ror und nach der angenomen widertauf haimlich versamlung und winkel-
predig gehalden, wer ine gebredigt oder gelesen und was ir zaichen, dabey
sy einander erkhennen, gewest sey.
Zum achten, ob er selb nit ander auch widergetauft oder ine ge-
predigt, gelesen understanden habe, die in seinen Unglauben und irthumb
zu bringen, wer auch dieselben durch ine verfuerten personen seyen und
wo sy wonen.
Zum neunten, was ir, der gemainen bruederschaft, regl, Ordnung und
Satzung, ob auch die guetter under inen gemain gewest und ob ine ver-
poten worden sey, das sy nit mer peichten, möss geen,* das hochwirdig
Sacrament emphahen, noch in die kurchen geen sollen, und wie sonst in
gemain ire anslag und förnemung gestanden und sonderlich, ob sy wider
die geistlich und weltlich obrigkhait auch wider die priester und reichen
fermuglichen pei*sonen kain haimliche pnndtnus und Conspiration ge-
macht haben.
Zum zehenden, weiter ainen yedem in sonder zu fragen, aus was
Raitznng, Ursachen und bewegnussen er doch auff solch sein Maynung
kumen, und was damit für sich selbs sein fumemen, wil, gemuet und hof-
nung gewest. Zu was zeit er die angenomen, und wie lang er die also
gehalten habe.
Zum aindelfften und letzten, ob er solche sein angenomene May-
nung noch für gerecht halt, ob er auch darauf bleiben und sterben oder
dieselb widerruefen, berewen und sich wider zu ainigkhait der gemainen
mstenlichen kirchen wenden wolle.
Diese hieobgestimbte frag und besprach werden yetzo allenthalb im
furstentumb Bai er n gegen den ketzerischen und sonderlich widerge-
taufften personen gebraucht und welcher seins Irthumbs widerruefft und
das hochwirdig sacmment empfacht, der wird mit dem schwort, und die
auf irem fumemen verharren, mit dem prandtvom leben zum tod ge-
richt. Es wirdet auch hierin kain gerichtlicher process, noch ainiche
rechtfertigung gehalten, sondern der ketzerischen personen alain für das
Bathaas gefnei*t und ir jedes urgicht ofifenlich verlesen und nachgestalt
• Im Text möphern. Vielleicht: opfern.
Archir. LXXVIII. Bd. II. Hälfte. 37
570
ains yeden verprechens die straff offenbar auf form und maynwig, wie
hernach steet.
Dieweil nu die widertauf furnemblich den gotlichen evangelischen,
auch apostolischen schi'ifften und sonst an mitl allen der heiligen cristen-
lichen kii'chen hergebrachten vil hundeiii jaren Ordnungen und gebrauchen
gestracks entgegen, deshalben auch in den geschriben kayserlichen und
des Beichs rechten durch ain sonder außgedruckte lobliche ßatzung bey
Vermeidung beindlicher todtstraf offenbarlich vei-poten, auch sonst aus
solchen und dergleichen secten Conspiration, Bruederschaften, haimblichen
versamblungen, Winkhelpredigen und ergerlichen, verfuerischen und der
Seelen verdamlichen leren bisher anders nichts dann zwayung, widerwill
und uncristlichen zerspaltung in unserm heiligen glauben, und darzu
schwär ' aufrueren und gefarlich empörung wider die von got gesetzten
und geordenten gaistliche und weltliche obrigkhait gevolgt und erwachsen,
auch wo nit zeitlich dagegen gehanndlt wurde, daraus noch taglich volgen
und erwachsen möcht haben, demnach hochgedacht unser gnedig herren
als christenlicher Religion anhengig und liebhabend fursten des heiligen
Reichs zu verhQetung solches abfalls und unrats und am vordristen zu
bestanndlicher erhaltung unsers langk herkhumen waren und ganz un-
zweifenlichen cristenlichen tauffs und glaubens auch anderer Ordnung und
gesatze der heiligen cristlichen kirchen, darneben auch zu schuldiger
und verpflichter handhabung Kais. M. edicts auf der vilfeltigen allenthalb
in irer gnaden furstentumb hievor außgangen Warnungen und Landtpoten
nach gehabter ir offenlicher beratslagung in craft und nach ausweisung
oben angezogener kaiserlicher geschribner recht, geordent und bevolhen,
das der obgenannt umb sein uncristenliche missenthätig verprechen mit
dem Schwert vom leben zum tod gericht werden soll.
Gleichz. Copie in der v. Beck*8chen Sammlung, 2 Bll. fol.
Nr. 2.
König Ferdinand befiehlt der Regierung zu Innsbruck aus An-
lass des Lienhard Schiemer sehen Processes, mit allen Mitfein
wider die Neutaufe gemäss den jüngst erßossenen Mandaten
vor:[ugehen, und wenn die Zahl der zugesandten Mandate nicht
ausreichen sollte, neue zu drucken, mit dem ,Secret- Siegel* ver-
sehen und anschlagen zu lassen. — Oran, 1528, Jänner 1,
Edlen . . . Wir haben Euer schreiben und dabay Lenharden Schy-
mers von Vecklapruck, der zu Rattenberg in fenghnus kumen ist, bekantuus
571
emphangen und aus solcher mit beschwertem gemuet vernomen, dass sich
die New teuff dermassen in den Erblanden einreissen und einreitten soll.
Und dieweil nu aus solcher newen teuif, wie die gepraucht wirdet, nichts
anders zu sorgen ist, dann allerhand aufrueren und emperung von dem
gemeinen man gegen der Ober- und Erberkait, wie dann in vilher personen
urgichten befunden und anzeigt ist, die auch zum teil darauf gestorben
sein, so erfordert die gi-oss unvermeidlich notturfft, dass solchem ange-
zündet feuer in der erst mit ernst gewert werde, ehe es sich erweitert
und überhand nimt, das darnach khein rat ist solches abzutilgen: dem-
nach empfelhen wir Euch ernstlichen, das ir verr alls thuet, damit zum
ehisten gegen demselben Schemer als ainen Redelfuerer und pnncipal
derWiderteuflf und gegen andern, auf die er bekent hat, wo die beti'etten
werden mugen, nach Inhalt des jungst ausgegangen Mandat mit straff,
andern zu ainem exempel und beispiel, gehandelt und verfarn werde, und
also ob denselben den ausgegangen Mandaten ernstlichen und vestig-
lichen haltet. Und wo Ir derselben, so wir jungst hinaufgeschickt, nit
genug betten (sie), uberal in den Lannden und herschafften zu den
pfarren zu geben, alsdan dei'selben noch ain anzal truckhen und mit
dem anfgetruckten Secret Sigl verpreiten lasset und also wie obsteet verr
antwai-ten, verkünden und uffschlagen lasset und also mit ernst und
«lapferkait in solcher erschröcklicher sach thut, wie die gross notturft
eraiscbet, damit sy ausgereit und underdruckt und der gemein und un-
verstendige Mann nit also in geverlicheit seiner seele, leibs und guets
gefuert werde.
Gran den ersten Januarij Anno XXVUI.
An die Regierung zu Innsbruck.
Ck>iicept in der v. Beck*schen Sammlung. Schlecht erhalten.
Nr. 3.
Andre Walcher, Landrichter zu Sterzing, berichtet der Landes-
regierung in Innsbruck, wie er mit dem lutherischer Lehren ver-
dächtigten Ulrich Stadler aus Stullfes gehandelt, — Sterzing,
1529, Juli 6.
•
Wolgeboren . . . Als Eu. 6n. mir ainen bevelch, am 27. tag Junij
aasgangen, zugesandt, von wegen des Ulrich Stadler, E. G, deshalb bericht
zu thun . . . thun E. G. darauf zu vernemen. das ich auf E. G. bevelch
bericht sein sollt, wie der gemelt Ulrich Stadler, und nit der Steiner ge-
nennt, im dorff Stullfes meiner gerichtsverwaltung sesshaft sich offenlicb
37*
572
understee, der lutherischen und andern verfuerischen Secten mit ver-
uichtung des Sacraments, Verachtung der muetter gottes und anderer
hailigen vast zugebrauchon und anhengig zu machen,^ und so der pfarrer
in der kirchen predige, das er dann in andern hewsern haimlich be-
rueflFungen und winkhlpredigen wider cristenliche Ordnung halte. Auf
solchen E. G. bevelch, wie derselbig vennag, hab ich gemelten Stadler
von stund an vankhlich angenomen und in in beywesen der geschworen
aufs höchst befragt und besprechung gegen ine gehalten, mich seines
furnemens erlernet und erfaren, kann ich aber in beysein der geschworen
bey im gar nichts anders befinden, erfaren noch befragen mugen.
Er besteet auch kainswegs, das er der Lutherrischen und anderer
verfuerischen Secten mit Vernichtung des Sacraments gebraucht haben
sollt, er zaigt wol an, er hab das wirdig Sacrament zu der österlichen zeit
yetz und zway jar lang verschinen nit empfanngen aus ursach, der
pfarrer hat im das nicht geben wellen, er beichte dann auch zwaymal,
wie ain annderer Cristenmensch, hab er aber nur ainmal peichten wollen.
Darauf ist ime das sacrament versagt worden, auch nye wider das hailig
wirdig sacrament zu empfachen gewert oder dasselbig zu schmechen,
sondern alles das glauben und darauf! halten, das ain annder Cristen-
mensch darauf halt und gehalten hat, der muetter gottes und anderr
hailligen halben etc. zu gebrauchen und anhengig zu machen ; und so der
pfarrer in der kirchen predige, das er dan dieweil in anndem hewsern
haimliche beruefungen und winkhelpredigen wider die cristenliche Ordnung
halten solle, besteet er sollichs alles gar kains weges, das er die muetter
gottes und ander hailligin geschmecht oder ainicherlay in winkeln davon
gepredigt haben sollt, auch kain versamblung an kain ort weder in winkeln
noch sunst nie gepraucht, dann er sey selbst zum dickernmal an die
predig in die kirchen gangen, er woll auch den mit äugen gern ansehen,
das er ainicherlay winkhelpredigen gethan oder sollich Lutherisch ver-
fuerische Secten gefuert oder gebraucht haben sollt, dann das ye zu Zeiten
ainer zu im komen und in darumb gepetten, er soll im das heilig
Evangelium lesen, das hab er nit anders gepraucht, dan wie das in
der kirchen gepredigt sey worden. Des widertauffs halben sey er
wol angelangt gewest, hab' aber nie nichts daraufgehalten,
und zu sollichen tauflfen nit khomen wellen. WelJicher anders von ime
rede, verunglimff oder außgeb, derselbige thue im gewalt und unrecht und
soll sich sollichs nimmermer mit kainer warhait im grundt befinden,
dann man mus mer anzaigen, weder an im selbs, es soll auch menniglich
^ Hier scheiut im Texte etwas ansgefalleu zu sein.
673
nit anders von im sechen noch erfarn, dann alle cristenliche ordnnng zn
gebrauchen, wie dann er und ander Cristenmenschen bisher lange zeit
und vil jar gepraocht haben; erfundt sich aber änderst, dann wie er an-
zaigt, des sich mit kainer wahrhait befinden wiii;, so soll man in an leyb
und an guet straffen.
Sollichs alles seinß anzaigens und bekennen hab ich E. G. in aller
nndei-thenigkeit unangezaigt nit wollen lassen, mich alzeit underthanig
gnediglich zn bedennkhen bevelchendt; auch widerumb von Ew. 6. gne-
digen bevelch wartende.
Geben zu Stertzing den 6*®° tag Julii anno etc. im XXVIIII von
Anndre Walchen,
Landrichter zu Stertzingen.
An die Begierung zu Ynnspiiig.
Orig. Pap. 2 Bll. in der v. Beck^schen Sammlung.
Nr. 4.
Der Wiedertäufer Jörg von Werd, Tischler und Bürger von
Innsbruck, wird von Ferdinand I. begnadigt — Innsbruck,
1629, Nov. 26.
Ferdinand . . . Geti*eue. Nachdem wir aus Jörgen von Werd, Tischler,
gethane Ui-gicht befunden, das Er ab der Widertauflf, so Er Empfangen,
ain wäre Kew und Misfallen und umb gnad und Pueß angeruefTen, haben
wir in ansehung der fürbit, so ettlich von der burgerschafiFt, auch Weibs-
personen hie für Ine gethan. Ine solcher seiner Misshandlung nachvol-
gender gestalt begnadt, nemblich das er solchen seinen gehabten Irsal
drey Sonntag die negsten nacheinander in der Pfarrkirchen hie under
dem Ambt der heiligen Meß Offonlichen widenueflFen und des Pfarrers
Pneß hie aufnemen und vollbringen, Auch ain geschworn Urfehd Über
sich geben solle, sich sein lebenlang weitter damit khainswegs zu be-
fleckhen und einzulassen. Und wo Er solches nit hielt und vorbrech, das
zu seinem leib und leben, Gericht werden solle, weiter das er auch von
dato, solcher seiner entledigung aines Jarlang des negst, aus dem Burckh-
fiiden der Statt Innsprngg nit khomen. Und so das Jar aus ist, nach-
folgend sein leben lang aus diser Grafschaft Tjrol nyndei-t änderst wohin
ausser Landts Baysen und Wandern soll. Und emfhelchen dir darauf,
das du Ime Georgen von Werd, solches alles wie obbegi'iflFen ist, für-
baltest und so er des alles zu halten und zu vollbringen durch ain orden-
lich Urfehd und Yerschreibung aufriebt und schwöret, Alßdann Ine gegen
574
betzallung der Atzung, so über Ine bis zu solcher seiner Erledigung auf-
lauffet ledig lassest. Daran thuest du unser ernstliche Majnung.
Geben zu Innsprugg am sechsundzwanzigisten tag No?embris
Anno etc. XX Villi, unser Reiche des Hungerischen im dritten und des
Behaimischen im vierten Jare.
Buedolff Graff zu Sultz, Commissio domini Begis
Stathalter. in Consilio.
Bai düng, Canc. Tyrol.
Unserm getrewen Conraden Manngen, Stattrichter zu Innsprugg.
Zweites Blatt: Stattschreibers Handtschrift jetzt:
Am 26 Novembris 1529 ist gedachter Jörg von Werd, Burger hie
auf sein geschworne Urfhed ausgelassen worden. Sigler derselben: Hans
Bas von Wilthan. Testes: Simon Linder, Jacob Zeller, Mail Ferner, all
drei Burger zu Innsprugg, Gibt Püchler im Geiicht Eastlbell, Jas Majr
zu Eastlbell, Sigmund Lejtner aus dem Särntal und Peter Sclunid ab
Sennsen Perg.
Orig. Pap. y. Beck*0che Sammlung.
In der gleichen Weise wird Tags darauf Michael Resch, Tuchschererf
begnadigt. — Orig. Pap. Ebenda.
Nr. 5.
Partzner's ,Widerrueff' (1530 August 29).
Ich Jakob Partzner beken hiemit offenlich vor menigklichen, dass
ich vor guetverschiner Zeit von dem Priesterlichen Ambt und
stannd abgewichen und mich nit allein in die verfüerisch Sekt der
wideiiiauff, und Vernichtung des hoch wird igen Sakraments und der heili-
geu meß auch ander großen Irsal, so dai*an hangt, gethan und begebn. Sind
an mer dann ainem ort und sunderlichen in der Herrschaft
Kitzbüchl, Ratemberg und Euefstain soliche lersal vil lautver-
khundt; gepredigt, und dahin bewegt, dass sy sich auch in solich groß
Sekt der widertauff und Vernichtung des hochwirdigen Saki*aments und der
heiligen Apostel begeben, und durch mich von neuem tauffen haben
lassen, und zum tail auf solichem Irsal bis an ir End, als sy vom leben
zum tod mit Recht verurtailen und gericht worden, verharrt und beliben
sein, welch mein gehabter großer Irsal und Verfüerung derselben menschen,
die wie vorsteht, bis in ir sterben darauf beliben sein, mir von ganzem
576
Herzen nnd gemüet getrewlich leid ist. Und dieweil ich nun von und
durch die Weltlich Obrigkait, in der Verstrikhung und Pand ich da stee
und bin, auf mein hochfleissig urtl und erkanndtnus meiner Ii*8al,
wider zu der Ainigkait der Christenlichen Ejrchen und Haltung des
hochwirdigen Sakraments des Altars und der heiligen Apostel und ander
Christenlichen Ordnungen aufgenomen bin, das ich got dem allmechtigen
lob und dankh sag: So widerruef und verschwör ich hiemit offenlich
frej, nnbezwungen, solich vorgemelt, verfQrisch Sekt der widertanff und
was wie vorsteht daran hangt, und zusag und verpflicht mich hiemit, ob
ich gleich lenger leben solt, das ich der Christenlichen Kirchen anhängen
und mich davon kainswegs absundern, auch in solichem guetem fürsatz
mit der gnad und hilf gottes sterben und bleiben will. Also bitt ich mir
got zu helfTen und all heiligen. Actum 29. August 1530.
Innsbr. Statth.-Arch., Catisa Domini IH, 14S/2.
Nr. 6.
Die oberösterreichische Raitkammer bittet den König Ferdinand
in Anbetracht der aus den Wiedertäuferprocessen für sie er-
wachsenden Kosten ihr die eingezogenen Güter der Wiedertäufer
für die täglichen Ausgaben in diesen Angelegenheiten zu über-
lassen, — Innsbruck, 1531, August 4.
Allerdurchleuchtigister. Großmachtigister Khunig, allergnedigister
Herr. WirTernemen aus etlichen E. E. M. Befelhen an uns ausgegangen,
daß etwann Finantzen und Expectantzen auf der widorteuffer gueter, so
zu der chamer hannden eingezogen werden, und die doch klain sind,
nrsach, daß vil dai'under, so nicht klaine unerzogne kinder und weder
ligendts nach varendts verlassen, und doch vil und grosser cosstung auf
die Personen, so sich der widei*tauf tailheflFtig machen, mit zu wegen
pringen yerer person und sonnderlich der vorsteer, darauf besonder knecht
und leut mit dargebung der Tay gelegt und bestellt werden, darnach mit
Haltung und versehung der fengkhnus auch rechtfertigung und feiTer
Tolziehung zu straf irer personen, wie sich dann dem Rechten nach ge-
pnrt, auferlaofft, sonnder auch mit einziehung irer gueter, so der etwaß
gefunden und verlassen werden, auch vil cosstung geet, der aller E. K. M.,
wo anders dieselb solch haimgefallen gueter, als pillich, haben will, und
wo die begert und ersucht werden, dagegen bezalen soll und mueß, der
doch noch bisher nicht so gar vil, noch groß eingezogen noch gefallen
ist, als doch der chamer ain gi*oße tagliche und merere außgab auferlegt
576
wuerdet, dai*zu die auf solch und ander dergleichen ausgab mit gelt nit
alzeit gefasst sein mag: in ansehung desselben wir E. £. M. und der
Camer zu guet verursacht, solche E. K. M. anzuzaigen, ain gnedige ein-
sehung zu thuen^ der gestallt, daz E. M. dieselben guetter und gefeil, auf
solche täglich ausgab furan unverhindert solcher Expectanzen erfolgen
liess und weiter niemands zu geben verwilligte, wie ungezweifelt K M.
derselben camer notturfFt hier inn wol zu bedennken hat, uns damit E. M.
underthenigist befelhendt.
Datum Ynnsprugg am vierten tag Augusti anno etc. XXXI.
E. K. M. underthenigist gehorsame
Räte der Oberösterreichischen Baitcamer.
Gleichzeitige Copie in der ▼. BecVschen Sammlung.
Nr. 7.
König Ferdinand befiehlt den Richtern zu Sterzing und St Pet^rn-
berg, dem Pfleger zu Oufidaun und den Pfandherren zu Sitten,
Rodeneck, Lienz wnd Kitzbiichl, mit mehr Ernst als bisher die
Wiedertäufer auszurotten, ihre Häuser unter Umständen nieder-
zubrennen, ihre Vorsteher auszukundschaften und auf ihre Ge-
fangennahmt Preise von 60, 70 bis 100 Gulden auszusetzen, —
Innsbruck, 1533, Juni 18.
Ferdinand von gottes gnaden . . . Getrewer. Wir vernemen, daß
über die vilfeltigen unsere ausgegangne mandata und bevelh die verfurisch
Sect der widertauff noch kain aufhör habe, besonder dieselb im gericht
Stertzingen, dergleichen anderr ort mer, von tag zu tag einwurtzle und
sich weiter einreisse, daraus uns, unsern Furstentumben, Landen und
Leuten auch aller oberkait und orberkeit nit klaine soi'g und ferlichait
steet; Uns gelangt auch an, daß über unser gesetzte straffen bemelten
widei-taufferischen personen etwan in deiner Verwaltung underschlaiff
und herberg gegeben werde, sich auch die vorsteer solcher Secte darinn
enthalten sollen, das alles uns nit zu klainem mißfallen raicht, daz zu
handthabung unserr mandata nit mit mererm vleiß und ernst gehandlt
wii'dot: demnach ist unser ernstlicher bevelh an dich, daß du zu aus-
reittung dieser verfurischen Sect nu hinfur mit mererm fleiß und ernst,
dann bißher beschehen ist, handlest, und dorohalben in den Wäldern,
Höltzern, auf den Alben und Telern allenthalben gut aufsehen und
kundtschafft habest und bestellest, damit die pei*sonen zu vängknus ge-
bracht, auch gegen denen, so inen underschlaiff geben, innhalt der man-
577
data mit 8ti*aff, auch y6i*pr6DnQng der hewser oder wonungen, darynn die
beBamblungen gehalten , stracks fargangen werde, auch sonderlich in
guter gehaim vleiß habest, ob du ain tag irer besamblung, so sy zu halten
vorhetten, erfarn, daboj die vorsteer auch betretten werden möchten und
in solchem kaine costen, müe noch arbeit sparest; und nach dem diese
Sect nit baß ausgereut werden kan, dann so die vorsteer zu yänghnus
gebracht, so wellest deshalben auf ain vertraute geschickt person bedacht
sein, dieselb dahin anrichten, dass sy sich zu den Widertauifem liebe, in
dem schein ir Sect anzunemen und sich taufTen zu lassen, und daß dann
dieselb person dir anzaig und wegwais gebe, wie und welcher gestalt die
vorsteer anzunemen und zu betretten seyen. Wir bewilligen auch hiemit,
welcher ainen vorsteer anzaigt und zu vänghnus bringt, daß dem oder
denselben von ainem yeden ain Suma gelts, nemblich von sechtzig, sibentzig
und biß in hundert gülden nach gelegenheit der peraon und der mue, so
deshalben gehalten worden, bezalt werden sollen. Daz wir dir des wissen
zu haben nit wellen verhalten; beschicht auch an dem unser ernstliche
maynung.
Datum Ynsprugg am XVIU. tag Juny Anno domini 1533.
X.. , . f Stertzingen.
An Eichter zu < ^ ^ ^ °
[ Sant Petersperg.
An Pfleger zu Gufidawn.
/ Bitten.
In simili an die pfandtherren zu < ^ . ^
1 Lientz.
l Eitzpuhel.
Gleichz. Copie in der v. Beck'schen Sammlung.
Nr. 8.
Vermerckht Valtein Luckhners aus Taufers vrgiht und be-
kantnus, so er an und mit marter verjechen hat. Vor Lien-
harten Mair am Creuz Statrichter. In beisein Godthardtn
Widenman, Hainrichen Lofflholtz und Cristoffen Moser als
geschwornen am sechsten tag Octobris Anno im XXXIII^'*.
Anfanncklichen hat er bekant, das ain schuechknocht , genant
Mathe 8 des messners an der phar in Taufers brueder, so beym Petter
schuester gedient, Ime Valtein in seinem haus ietzt Weynachten vier jar
lang gearbait,^ der nachmals im Pairlandt gestorben ist. Da hab er,
> 1629.
\
678
Valtein» ain Testamentpuechl gehabt, offten darin gelesen, hab gemelt^r
Mathess schuechknecht zu ime Valtein gesagt, ob er dem aber also nach-
kome, wie er llss nnd angetzaigt. Man mues glauben in ainen got, wie
es dan der glauben ausweist.
Darauf er, Valtein, geredt, er glaub also. Darwider Mates ge-
antwurt: Es geher mer darzue; man mueß nach dem willen gottes leben
und nach dem glauben getauft werden. Und der Eindertauf sey vom
Pabst, aber die ietzig tau ff sey Ton got gesetzt, und er Valtein mueß sich
tauffen lassen, dem bevelch gottes nachfolgen. Er, Valtein, den Matessn
geforst, wo er ainen mecht bekomen, der ine tauffet. Mates geantwurt:
ZuAugspurg und ime also ful woi*t gottes furgehaltn.
Damach hab er, Valtein, kain rue gehabt, sonnder der sachn für
und für nachbedacht.
Und über ain zeit sey Peter Gerber sein brueder mit sambt dem
krumpen schuester, so auch mit disem glauben begossen gewesen, seind
zu ime Valtein komen und gleicheimassen solche reden, wie Math es
schuechknecht ime Valtein vorgesagt, er sy gefragt, wo er dan ainen fnr-
brächt, der ine tauffet; sy geredt: wellen ime wol ainen diener gotes zue-
senden.
Nach solchem, als etwo die herschafft dise handlung erfarn, sey er»
Valtein, durch den Lienhardtn am Creutz, als dazumals^ Bichter in
Tauffers, für ine eiforderth und ime Luckhner verpotn des Peter n
Gerbers muessig zu geen, dann er war vertribn worden.
Nach solchem sey sein fleyschbrueder Peter Gerber und Hannsl
Kr um schuester weg getzogen, widerrueft und sich dem teufl ergeben.
Und im monat* vor dem Auffertag (Mai 26) letzt verschinen dreu
Jar sey der Jacob Huetter und ain tischlor, der seidmals zu Kopfstain
oder Ratenborg gericht worden, zu ime Valtein in sein hausung komen,
essen und trinckhen begert, des er Inen geben. Huetter under anderm
zu ime gesagt, ob er die götlich warheit wissen welle. Er geantwurt:
Ja, wan er nur ainen hytt, der nue die saget, und also so vi 11 mit
einander beret und beschlossen, daz sy aus dem haus in Au gangen
soindt und nachmals, als der Huetter mir die gotlich warhait und tanflT
furgehalten, derselben nachzuleben; darauf er, Valtein, nider knuet, got
gebotn, ime seine syndt zu vertzeichen. Darnach hab Huetter gerodt,
ob er glaub in got dem herrn, in Jesum Cristum und in die heiligen
cristenlich Kirchen, er geantwurt: Ja. Darauf Huetter gesagt: Jetzt
seyen dir deine sundt von got vergeben, und er mues seinem vleisch und
» Nov. 1530. 2 April 1530.
I
579
plnet, weib und kindt absagen, verlassen, nnd darnach ain wasser ge-
nomen, Ine Valtein getauft im namen vaters, suns und heiligen geists.
Darnach sey er Valtein Ton inen anhaim gangen und sy lang nit gesehen.
Dann zu sand Martein tag (11. Nov.), als sein Diern auch der sect
halben in Tauffers gefangen worden, habe ine der richter dahaim ge-
snecht, aber er sich auf die padstnben verporgen, daß der richter ine,
Valtein, nit gefunden. Dieselb nacht sey der Jacob Huetter und Hansl
Mai r zu ine Valtein in sein haus komen und ine Luckhner dieselb nacht
hin zu seinem pruedem Petter Gerber, so im obern dorff zu Prauneggen
in ainem sondern haus gewesen, gefuert und alda beliben, bis sein brueder
in Märhern getzogen ist.
Nachmals er, Valtein, mit seinem bruedern als Jörgen Vasser,
Jeronimen Schreiber zu Eopfstain, seiner hausfrauen, Lamprechtea, der
seydmals zu Stertzingen gericht worden, und andern, der merer tail aber
in Märhern gezogen, allenthalben in den waldern umbgangen, gemain
gehalten. Wann sy zu ainer gemain gangen seindt, alle sachn schon
Torhin durch den Hansl Mair und ander brueder, die er darzue verordent,
berait gewesen.
Beym Schraffl zu Michelspurg, so ir brueder gewest und gericht
worden ist, haben sy ir undterhaltung gehabt. Jacob Huetter, Hans
Tuchmacher, Hannsl Mair seindt auch beym Schraffl gewest.
Sy seind sonst nyndterth dan bey iren bruedern in heusern ge-
wesen als beym jungen Hu eher zum ersten ain Jar, und darnach als
derselbig yerkaufft, bey dem alten Hueber in Gdtznperg seinem vattern
auch ain iar underhaltung gehabt.
Darnach sey er mit ainem diener Cristl genant, so zu Guffidaun
gericht worden, gen Rasen gezogen aber nyemandt gefunden, sonnder Ir
brueder achtzehen gefangen worden, darnach als. sy niemandt gefunden,
seyndt sy in der gemain Käser gangen, prot, schmaltz essende, speys,
so ir brueder daselbst verlassen, gesehen, dieselbig genomen, in staunden
verporgen; in dem haben sy die schörgen gehört, seind sy geflochen.
Die brueder und Schwestern, so zu Rasen gehaust, als Cristl Contz,
sein weib, so widerumben abgestanden, Martein Steinckhler sein weib,
ainer genant Kaiser, sein weib, so all vier in Märhern gezogen, die alt
Stainklerin ist abgestanden und der dasigen brueder knecht und diernen,
so er mit namen nit anzuzaigen wais, die haben den andern biniedern
und Schwestern profant (sie) zuegetragen.
Darnach widerumben zum Schraffl, nachmals zum Hueber im
Götznperg gangen, ainer da gewesen Michel Hueber genant, und der
Bla^y hat das wort gottes gepredigt und das gantz hausfolkh getaufft.
580
Der Hueber ist mit weib und kint in Märheiu getzogou.
Nacbmals seind sy zu Pblaurentz zu der Baderinn gangen, sy ge-
taufft. Ist nacbvolgendt in Märbern abgestorben.
Darnacb zu Vilnes undter ainem koffl zu der gemain getzogen,
alda ir achtzig ongeverlichen brueder und Schwester drey tag bey einander
gewest, welche dann zum merern tail in Märhem getzogen und ir Til
gericht worden. Und am tritten tag seyen ungeverlichen yiertzig haiden
zu Inen komen, Ir gespot.
Als solche gemain ausgewesen und sich geendet hat, seyen sy Yon
einander zu iren pruedern und Schwestern in daz Pustertal und allent-
halben umbgetzogen.
Platzer auf Gulfidaun ist auch in disen secten getaufft worden
und in Marhern getzogen.
Darnach ist er, Yaltein, mit dem Jacob H netter gen Stei*tzingen
gangen auf den Tulffer zum Taler, inen die warhait furgehalten, den
Tulffer Taler und sy, nachmals die tochter biß in die zechen personen
getaufft. Ainer gehaissen Niclas, so zu Qufiftdaun, aine genant G^rdraut,
80 zu Stertzingen gericht worden seindt, und aine, Anna genannt, ist zu
Stertzingen gefangen gelegen, die andern seyndt in Mähern gezogen.
Nachmals seyen sy zum Caspar am Puchl gangen, Ine und
sy, ir tochter und aiden oder sun getaufft. Der vater und die mueter
seynd in Märhern verruckht, aber die andern zwo personen wyder-
umben abgestanden.
Beym taler haben sy gemain gebalten. Darbey ist Tom an Weber
gewesen, so zu Stertzingen abgestanden ist. Nach diser gemain seynd
sy ganngen auf Schunders zum Bernhardt, allda ine und sy getaufft,
80 dann mit «liner dochter in Märhern verruckht seind. Aber die sun
disen glauben noch die tauff nit annemen wollen.
Im Pusstertal in ainemwaldhinder Michelspurghat JorgVasser
von Kutzpuchl gemain gehalten und in kain haus dann zum Schrat
gangen, darbey ongeverlichen zwainzig oder dreissig personen gewest, als
der Tuechmacher, Onofrus, Lamprecht, Hännsl Mair, Schraffl und Stoffl sein
knecht, so beide gericht worden seyndt. Die andern hab er nit all erkeant.
Wynters zeitten haben sy sich bey iren Schwestern und pruedern,
so unvertriben gewesen, aufenthalten, als zum Schafifer bey Stertzin^n
und Martein Bad 1er, die, dann auch ire hausfrau, alle in disem glauben
gewest und widerumben abgestannden seind, alda lange zeit sich ent-
halten und zum Schaffer zwaymal gemain gehabt, darbey Paul 6 all
sein weib und ander mer, die seydmals gencht worden und in Marhern
getzogen gewesen seind.
581
Nachmals ob Praitenperg, ob Leuffers undter Potzen gelegen,
gemain gehalten, die speis vom Mair anf dem Bitten genomen. Uli auf
Praitenberg hat sich und sein weib tauffen lassn, aber sy widerumben
abgestanden.
Cristl AI sei der aus Y ilnes ist allenthalben wol bekannt gewesen,
der hat inen essen und trinckhen znegetragen.
Darnach haben sy sich in ainem Waldt of Guffidaun nidergelassen,
acht tag gmain gehalten, ongeverlich ir achtzig gewesen; seind die
Schergen komen, etliche gefanngen und die andern vertriben.
Der Jacob Hu ett er ist 14 tag vorhin, emals sy gmain gehaltn, zu
sein des Luckhners schwager und Schwester Hainrich und Trondi genant,
so beym Weissen in Guffidauner gericht an der herberg gewesen und
nachvolgendt in Märhern verruckht, komen, inen bevolhen, sy sollen zue-
richten, er welle gemain halten. Aber der Weis hat nicht darumben
wissen gehabt.
Beym Peter Pinder zu Clausen, so gefangen worden und wyder-
rueft hat, desgleichen bey sein des Luckners Schwester Trondi ir aufent-
haltung gehabt.
Zween ochsen haben sy beym Mail- ob dem Ritten, als er weg-
gangen, genomen und zu der gemain yei*praucht.
Beym Paul Gallen, emalen er zu Sterzingen gefangen worden,
haben sy gmain gehalten, darpey 30 personen, so zum tail vorgemelt ge-
wesen, der hab inen essen und trinken geben, seind bey der nacht aus
und ein gangen, daz die nachperschafft kain wissen gehebt.
Im Freyenperg seind sy ongeverlichen acht oder neun wochen
gewesen, gemain gehalten, ire naiung aus Pias bey Serntall in das
gericht Sinesy (sie) gehörig, genomen und fünf haushaben als zum Epp,
Wegman, alten Pigauer, zu der Maurerin und noch eins des namen
er ietzt nit wais, ausgelert, die speis in freyen getragen und zween eyn
zum Eppen genomen, die sich durch Durnholtz heraus getriben und
abgeschlagen.
Beym Pecklhauben haben sy in dem stall gmain gehaltn, seind
irer bey sibenzig personen gewesen, aber der Pecklhauben, der nit,
sonder sein weib wol wissen gehabt, er, Valtein, sey offt hinab zum Peckl-
hauben umb profant gangen und bezalt. Seydmals aber der Peckhlhauben
gefencklichen gelegen und (als er gebort) umb ainhunderth gülden gesti'aft
worden, hab der Peckhlhauben inen verrer nicht mer geben wollen.
Beym untern Salier, in Neustiffter hei-schaflPt gesessen, haben
sy zu zeit ain hin- und hergeen ir zueker und underhaltung gehabt und
beym obern Salier nur ain mal, die inen essen und trunkhen umb das
582
gelt geben y auch bede wissen getragen, daz sy des glanbens und brueder
sein. Ain pueb, so der ündtersaller hof znegebört, der ist im Jauffen
tal getaufft worden und in Mäi'hern verruckht, der hab sj alda zu den
Salem gefuert. Seydmals aber die Salier durch den Probst in der Neu-
stift, der inen getrot, ire heuser zu vei*prennen, gestrafft worden seindt,
haben sy inen auch nicht mer geben wellen.
Als die Paul G all in noch bei haus gewesen, haben sy die essen
der speis von ir genoroen und in die walder getragen. Er, Valtein, sey
ainsmals zum Oberseber zu varen komen und geredt, ob er inen nit
etwas guets tun welle. Er Seher geantwurt: hab vormals ain dim des
glaubens gehabt, aber er des nit gewist, ander lent wol, und habs der-
halben muessen wegtun und sy sollen von ime gen, er kam in schaden.
Er sey sonst arm.
Zum Stockner am Cleusle sey er, Valtein, auch ainsmals umb
profant komen, aber ime nicht geben wellen, geredt, er mocht in schaden
dardurch waxen.
Zum Platner seind sy seines wissens nicht komen.
Der wirt zum Mittenwaldt ist zu Stertzingen gefangen gelegen,
umb gelt gestrafft worden, der hat ainen knecht Waltzl genannt, so ge-
rieht worden ist, und ain Köchin Margreth gehabt. So ist beym Hansen
Man, der zu Stertzingen gfangen und gestrafft worden, ain diern Katerina
gehaissen, gewesen; die dreu personen seind seines bedunckens durch
den Huetter getaufft worden, die haben inen ain hin und her ziehen,
haimlichen furschub und underhaltung in stal zuegetragen.
Lechner, Pungleider zu Grasstein haben inen vormals wol essen
und trunckn geben, aber seydmals daz sy zu Stertzingen gefangen ge-
legen und um gelt gestiafft worden, haben sy inen nicht mer geben wellen.
Die nachpauren auf Spiluckh haben inen nicht geben wellen, wie
er, Valtein, von seinem bruedern bericht worden. Sey, haben sy geredt zu
den bruedern, sy sollen weg ziehen oder aber sy wollens der herschaft
anzaigen. Er wais nit, wie die nachpern mit namen haissen ; er ist selbst
nit auf Spiluckh gewesen.
Aus Flackh in des Gärtners alben haben sy 14 haubt vich jerig
und zwayjerig, ain kue so des Gaismairs von Stertzingen gewesen, ge-
nomen und über Baffen Stainer alben getriben, abgeschlagen und zu
der gmain verzert.
Des Baismers sun von Stertzingen unter Mauls, vater, muetter
unnd tochter seind in disem glauben und in Märhern gezogen.
Er Valtein ist bey der gmain im Götzenberg gewesen, habn
Hueter und Tuechmacher gepredigt und Hueter daselbst von inen
583
Urlaub genomen^ in Märhern zu verruckn willens gewest. Dai-nach ist er
widerumben sambt dem Hänsl Decker in Freyberg gangen und die
andern seindt zu Märhem yerrueckht.
Aus dem Freyenperg haben sy die geschwistritn gen Mährhern
gesandt und der Tuechmacher sey zu ime komen, ine Valtein in das
Pustertal, die geschwistritn, so tuechmacher daselbst gewist, zu schicken,
fueren wellen, seind si über Bindlerpruggen und über Bodnegger alben
gangen, vormals und ietzt daselbst irn weg im Götznperg gehabt.
Verrer bekannt, als der Tuechmacher und er, Valtein, ongeverlichen
umb mitternacht gen Nidervintl komen, sey der Tuechmacher zu dem
neuen haus gangen, er Valtein dieweil beym Getzntempel beliben, nach-
mals der Tuechmacher widerumben zu ime komen, ine mit ime gefuert
und über den scheutterkasten auf hin in das haus eingestigen in die
kamer, zu der Mairin und ir tochter gangen. In dem sey Baisar Mair-
hofer ain mal zu inen komen, fro gewesen, aber der Fetter Lantz hab
sy bede nit gewist. Und wie sy also bey einander gewest, hab die alt
Mairin zu ainem Falckhen hinausgeschaut und darnach inen gesagt: es
lanffen die schergen unten im gaii;en umb, sy wellen euch fachen. Auf
solches hab er wie sie fliehen wellen, hab er Valtein den haubtmann
gleich auf dem östrich vor der stuben gesehen und nit fliehen künden.
Weitter bekannt, daß er durch seine prueder den merern tail in das
Etschlandt geschickht und ime bevolhen worden, allenthalben wo er
brueder wis, samtzusuechen; was dann die andern brueder in der mitler zeit
seines abwesens gehandlt oder profant genomen haben, ist ime nit wissent.
Er, Valtein, sey ain Zeitlang kranckh gewesen und seinen ge-
schwistriten kain undterhaltung zuetragen mugen.
Der Jacob Huetter hab ime Valtein ongeverlichen bey ainem jar ver-
schinen hunderth gülden geben, die hab er den bruedern und Schwestern,
so in Märhern gezogen, ausgetailt.
Und wan ains ain prueder oder Schwester worden ist, hat ains zu
Zeiten im 1 oder 2 gülden geben, die hab er darnach auch undter inen
widerumbn ausgetailt.
Als Baisar Mairhofer und sein häufen nach der erstem irer ge-
fangnus noch nit vertriben und cristen gewesen seind, ist er Valtein
und ein Schneider aus Kärntn, der auf Guffidaun gericht worden, zu dem
Mairhofer in das elter haus gangen, alda beliben, bis auf die ander nacht
und darnach weg geschiden.
Ain diem, so des Talers aus Tulfer tochter ist, dergleichen ain
knecht, der nachmals gericht worden» und baide des glaubens, seindt
dazumal beym Mayrhofer zu Nidervintl dienstweise gewesen.
584
Bey der gmain, so letzt zam iungsten im Qötzenperg gehalten
worden, ist er, Yaltein, auch erschinen, aber krank gewesen, hat Taech-
macher inen gepredigt und ist alle sachen ain und anders schon beraitt
gewesen durch den Hannsl Mair, dem es bevolchen ist. Wo sy den oxn
genomen haben, wais er nit.
Dem Brueder Conntzen hab man gelt in Marhern zue tragen auf-
gebn, wes es aber gewesen, wis er nit aigentlichen, wol vermain er, es
sey des Baiser Mairhofers gelt.
Als Christus der herr auf erdrich gangen, sej kain kirchen ge-
Wesen, sonder alain der templ, den Salomon zu Jhernsalem zu pauen
bevolhen hat.
Der pfaff sey der erst hnerer, sy bedurffen nit weiber nemen aber
hueren wol halten.
Die möss sey nicht.
Das sacrament halt er für nicht; es sey nichts anders dan ain mel,
ain prot und des teuffies gangl werth. Der pabst habs aufpracht, der
sey ain diener des teuffls.
Der pfaffen predigt halt er für nicht; sy predigen das evangelium
nit, so sey es den pfaffen nit bevolhen, aber dem Huetter sey es von
der gmain gotes bevolhen.
Die kindertauff halt er für nicht. Cristus hab nit bevolhen, die
kinder sonder die glaubigen zn tauffen. Die kinder werden durch den
heiligen geist getaufft.
Der priester peicht halt er für nicht, sonder Christus, der herr hab
zu dem ainen aussatz, so gerainigt worden, gesprochen. Er soll sich dem
priester, das er rain sey, erzaigen.
An die Junckhfrau Maria glaubt er, daz sy Jesum Cristum geporn
und vor auch nach der gehurt ain rain Junckhfrau ist.
Die pfaffen halt er für falsche propheten.
Die prueder, so im Götznperg gewesen, seind in Mäi*hem ge-
tzogen, aber der Hannsl Decker und Hannsl Maurer möcht noch im
Pustertal sein.
Er, Valtein, wil von disem glauben nit absteen. DaiTor welle ine
die gnad gottes behueten, sonnder mit der hilff und craft gottes darin
verharren, den todt leiden und, das es di getlich warhait sey, mit seinem
pluet und leib bezeugen, als war im got helf.
Und was man sich an ime verrer zu gichten veraunden welle, er
stee doch nit ab.
Orig. Pap. 9 Ell. fol. t. Beck^sche Sammlung.
585
Nr. 9.
Vitzentzon Puchlers Wyderteuffers Bekantnuss.
(1533 Nov. 11).
Nemblichen das er pey aim Maister dient und do haimat in seines
vattiers hauss zwen Widerteuflfer, der ain Hannss Tuechmacher, der ine
Chentzen, nachmals in Yilless, wideiiiaufft, der ander, Paul Pekh ge-
nant, gefunden, die ine ongeverlich in der ersten Vastwochen dits
XXXIII*®* jars mit inen von Haymat aus aufiF Khlausen zue gefuert Die
erst nacht zum Weyssensee bey aim wiei*t ubernacht, die ander zu
Lnentz in der Statt, in aim hauss, dohin sy bey der nacht khumen und
ain gantzen tag in aim gwelb verpoi*gn gelegen. In welchem hauss,
hausswii-t und sein hausfraw paide alt Leut gewesen und zwo stubn auf-
nander sein, des er aber nit nennen noch anzuzaigen wiss. Davon aus
aber bey der nacht gangen. Die drit nacht gen Wynnenpach. Aber
bey aim Schneider über nacht gewesen. Die vierd Nacht zue Sand Geor-
gen bey Andreen Zimerman; doselbs sein aber meer widerteuffer zu
inen khumen, nemblich Casperl Grembss ainer khlainen person auch
desselben Grembsen Schwester. Die fünflft Nacht sein sy zue Vintl bey
Walthasarn Grembsen, die sechst nacht zu Khlausen pey aim pinter, der
ain alter gi'osser man sey, so er nit nennen khund, ubernacht gewest,
und von dannen in Lusen aufif die Alben khumen. Davon man sy veriagt.
Verrer bekhenter, das Jacob Huetter, irVorsteer, ain gelbsludens
Bökhl, praun hosen, ain schwai-tzn Mantl und ain schwartz schlappl aufftrag.
Auch der Hannss Tuechmacher, Vorsteer, ain grauen Wappn Rockh,
lang Münchner tuechs und ain schwartz schlapl auftrag.
Er bekhent das sy, auch er, von des priesters Mess nichts gehalten,
sunder das abentmal, obangezaigt gepraucht, für die recht mess halten.
Bekhent Mai'iam die Mueter gottes für ain raine Junkhfraw vor
und nach der gepurd, ßuch heylig sein, sy sol von den menschen geert
werden, dan got hab sy auch geert.
Verrer, das in irer Sect, auch er, dermassen unterwisen, die pild-
nuss Cristi, Marie und der lieben heyligen für nichts anders als für gotzen
zn halten. Er hab auch ain Crucifix zerprochen.
Weyter, der peycht und zaichnuss der heuser und gruess auch
ansprechens halben hat er bekhent und daiTon geredt, wie in Hansel
Grembsen bekhantnuss geschriben steet.
Er acht auch nicht für guet, Mariam oder die lieben heyligen an-
zupetten oder anzurueffen, allain got anzuruffen und anzupetten.
Orig. auf einem Bogen Papier, v. BecVsche Sammlang.
Archiv. LXXVIIT. Bd. II. Hälft«. 88
586
Nr. 10.
König Ferdinand theilt der Regierung in Innsbruck die Be-
dingungen mit, unter denen die mit der Wiedertaufe befleckte
Frau Helena von Freiberg (Münichau) begnadigt wird. —
Prag, 1534, Jan. 6.
Ferdinand . . . Wolgeborner, Edlen etc. Wir haben Ewer schreiben
für Helena Anofferussen von Frejberg hausfrawen, so mit dem widertanff
beflect ist nnd aber von Irem Irsal sten, widermeffen und puess thuea
will^ alles Innhalt vemomen nnd weren gleichwoi bemelter Freybergerin
in gedacht, das sy nnd ir hauswiei*t ansehenlichs geschlecht vom adl, daz
sy auch bey einandern etliche Son, die sich in irem stannt erlich und
redlich halten sollen, erworben haben, für annder gemain personen gnad
zu erzeigen gnediglich genaigt, aber zu verhuettung des gemainen mans
Nachredt und das es auch denselben desst mer scheuchenns und ain
Ezempl gebe, sich dest weniger in dise Secten zu begeben oder einze-
lassen, sieht uns für pesser an, das bemelte Freybergeiin wie ander
widertaufFte personen ainen offennlichen widerruef thue, welchen
Ir, gedachter Freybergerin, zu volbringen auflegen sollet, wo sy aber zu
demselben offenlichen widerrueff ye nit bewegt werden mochte, so lassen
wir zue und bewilligen hiemit, daß sy den widenuf allain vor euch thue
und nach beschehen widerruf dise secten verschwere, derselben hinfur
ir lebenlanng nit mer anzehangen, sich auch des nottuiftigklich, doch on
purgschafft, zu verschreiben, das sy auch cristen lieber Ordnung nach
peichte, das hochwirdig Sacrament emphahe und gebuerliche puess thue.
Das wolten wir euch zu anntwnrt und damit ir die Fi*eybergerin darauf
abberuerter massen widerumben zu iren guettern einkomen ze lassen
wisset, nit verhalten.
Datum Prag den sechsten tag des Monats January anno etc.
im 1534.
An die Regierung zu Insprug
Nr. 11.
Paul von Wolkenstein(s) Anntwurt auf seine fragestuck am
25 tag Februari (1534) über ander sein aigen handgeschrift
sambt der anhanngenden Supplicacion.
Erschtlich das ich nit zum sacramendt pin gangen, ist daz die ur-
sach, das ich gehoil hab Spaltung darin. Da pin ich dieweil darin stil
gestanden, ist meine nachlässigkait schuld gewesen.
587
Zum andern daz ich nit in kirchen pin gangen, daz gestee ich nit,
dan ich nie von der kirchen pin abgefallen, wie manigklich wol wais.
Zum 3. hab ich mich nit tauffeu laussen (sie) oder in meinen
sin nie genomen oder noch nit im willen han, kain andere tauff an-
zunemen.
Zum 4., was ich von den 7 sacramenten holt; die lass ich beleiben
in allen eren und wirden, wie sy sein, und hats nie änderst gepraucht
oder noch nit prauchen wollen dan wie von alter her.
Zum 5., wen sy (Wiedertäufer) kumen sein, das ist mir nit wissen.
Dan man hats vor mir verporgen als vil man verpergen hat mugen. So
pin ich den wenigen tail daheim gewesen. Aber wen sy da gewesen
sein, so hat sy die frau in irem Zimer gehalten.
Zum 6., wo ich pey ainicherlay versamlung der Widertauflfer ge-
wesen pin; das hab ich zu Auspitz in Merhern gesehen von wunders
wegen, aber es bot mir dermassen gefallen, dass ich darvon gezogen pin,
und ich mich keinswegs mit irer secten der Widei-tauflf eingelassen.
Zum 7., wer mich anfankhiichen dartzue bewegt hat, das hat dan
der Doman Liendl und der Schlesinger. Mit denselbigen pin ich hierin
abgezogen, aber mich nit mit inen eingelossen, weder mit der tauff
oder mit kainerlay sachen, die mir möchten zuegemessen werden von
meinen mißgunern. Ist auch noch meins willens oder gemuets nit dahin
zu begeben.
Zum 8, was ich von der junkhfrau Maria und den lieben heiligen
halt; dieselben lass ich beleiben in allen eren und wirden, wie sy got der
allmechtige verordnet hat und die cristenlich kirchen holt. Der tauff
halben der kinder lass ichs auch beleiben, wie sy got der allmachtig ver-
ordnet hat.
Gleichz. Copie in der v. Beck'schen Sammlung. Das Original befindet
sich im Brixener Archiv, Lade 112, Nr. 6, Lit. £.
Nr. 12.
Ferdinand L tkeilt dem Statthalter und den Regenten des
Regimentes der ober österreichischen Lande die Artikel der
Münster sehen Wiedertäufer mit und befiehlt, gegen die
Wiedertäufer und deren Gönner nach Inhalt der ausgegan-
genen Mandate aufs Ernstlichste vorzugehen, die Verfolgung der
Wiedertäufer ,als grösste und toichtigste Angelegenheit zu be-
trachten* und drückt die Hoffnung aus, da^s mit Hilfe ,der
38*
588
böhmischen Krone' nunmehr auch den Wiedertäufern in Mähren
ernstlich begegnet werde, — P^ag^ 1634, März 26.
Ferdinand . . . Wolgeborner, Edlen . . . Wir schickhen Euch hierin
etliche Artiggl der widertaufferischen personen pundtnnss, daraus werdet
ir vernemen, waraof der vorsteer und Radelf uerer diser verdampten
falschen und verfuerischen Secten grundt und fundament steet, nemlich,
das dasselb on alles mitl zu ersterung und Vertilgung aller ober- und er-
berkhait, gericht, angefangen und furgenomjn ist, und das sy sich von
tag zu tag meren und hawffen, und wenn sy nun in ainer gi'ossen anzal
zusamen khumen mugen, das sy sich gewisslich understeen, ir böss fur-
nemen mit dem werckh zu volziehen, alle ober- und Erberkeit underzu-
drucken oder doch under dem gemainen Man einen Aufstand t und En-
porung zu erwerkhen, dardurch sich die vorsteer und Radlfuerer in ein
obrigkhait oder herschung eindringen möchten. Und wiewol wir hievor
gut wissen getragen, dass dise falsch verfuerisch Sect aus obberuerten
bösen grundt und furnemen entsprungen ist, von deswegen wir dann
nach wol erwogner und trefflicher beratslagung im anfang, als dise Sect
eingerissen, so ernstliche Edict und Mandata allenthalben publicieren
und ausgeen, auch den unrat, so daraus volgen werde, wie der yetzt er-
scheint, in unsern ausgegangen Mandaten notturfftiglich angezaigt und
deshalben das cristlich volkh zum offtermalen genediglich verwarnen und
vermanen lassen, sich vor solchem (sie) falschen und veifuerischen
Secten zu enthalten und zu verhueten, welche verfuerung bey dem ge-
mainen Man ungezweifelt aus dem ervolgt, das sy von den Vorsteern
und ßädlfuerern diser Secten in ainem gueten schein Ires fui'nemens
falschlich und listiglich betrogen werden, das erscheint offenbar aus dem,
das ausserhalb der vorsteer gar wenig personen, so sych gleichwol in
solche sect begeben, von den Aiiiggeln irer pundtnuss und vrarauf irer
pöser ginindt und furnemen steet, nit wissen haben, sonnder inen das-
selb verhalten wirdet, und on allen zweifei dai'umb, das die vorsteer wol
wisten, wann sy den grundt ires pösen furnemens, denen, so sy in ire
secten bewegen, anzaigten, das sich wenig personen verfueren liesen.
Das wir auch ain zeyt hero an vilen orten gegen disen personen
auf anlangen und ersuechen inethalb an uns bescheen, so genediglich
und miltiglich hanndlen und allen menschlichen und müglichen vleiß
furkeren lassen, die abgefallen personen widemmb zum rechten warn
cristlichen glauben zu bringen und bey dem leben zu erhalten, und das
an etlichen orten zu handhabung unserer ausgegangen Edict und zu
außreytung diser secten durch die obrigkaiten gar lesslich und absamiger
689
weise gehandlt worden, aus welcher lesslicben handlung nnd ungehor-
same entspringt, das sich dise valsch Sect weiter einreissen und der
gemain man je lenger ye mer in verfuerung bringen lassen will.
Dann wir haben warhaft und gewiss kundschafte das dise Sect im
Stifft und der Stat Münster so weit uberhandt genomen, das sich die
widertanfferischen in grosser Anzall gegen den cristglanbigen in thatliche
Handlung eingelassen, deshalb die umbsitzenden Chnrfürsten und andere
fursten, die gleichwol der newen Secten sein nnd die aber dise Sect so
wenig leiden mugen als andere, mit irem volckh in Busstung sein, und
die sach niderzudruckhen zneziehen, aus welchem zu besorgen yil bluet-
yergiessens, auch anderer noch grosserer unrat, verderben, schaden und
nachtail Yolgen mag; das alles wo im anfang gegen etlichen wenigen
Personen mit der straff fui*gangen worden und das man dise sect nit so
weit einwurzlen lassen woi fnrkhomen und yerhuet werden mugen, so
wir dann augenscheinlich sehen, des auch warhaftiglich erinnert und be-
richt sein, wo wir nit mit tapferkait und ernst zu ausreuttung diser
secten greyffen, das daraus unwiderbringlicher abfall, verlierung und
verderbung unserer kunigreich und lande, auch undertruckhung und Zer-
störung aller ober- und erberkait eiTolgen wurde; wie es dann schon vor
äugen ist, das die widertanfferischen aus dem Reich, der ennden sy ausge-
schaffen werden, und von andern orten hauffenweiß in unser nideroster-
reichische Lannd ziehen und sich allenthalben das volkh zu vergifften
und zu vei-fueren understeen.
Deshalb wir ernstlich entslossen, ist auch unser ernstlich will
und maynung, das ob unsern derhalben hievorauß gegangen Edikt und
Mandaten mit sonderm Ernst und vleiß gehalten und alle mitl und wege,
die zu ansreutung diser Secten fnichtber und dienstlich sein mugen, ge-
sucht und furgenomen werden, das wir Euch dann hiemit ernstlich auf-
gelegt und bevolhen haben wellen, nemlich das ir von newem under
unserm titl und Beeret allenthalben in Eur Regiments verwalltung offen
Mandata ausgeen, dieselben auf den Canzlen durch die phan-er und Pre-
dicanten verlesen auch anslagen lasset. In welchen mandaten das
cristlich volkh erinnert und bericht werden sollte, worauf der Vorsteer
und Rädlfuerer diser falschen verfuerischen Secten grundt und fur-
nemen stee, also dass sy sich selbs erheben, den gemainen man in be-
swerlich verderben fueren und allem erbern wesen und wandl zuwider
handien. Darumb wir mit allem Ernst solche verfuerische Sect auszu-
reutten entslossen seyen.
Deshalb wir menniglich nochmalen genediglich und vatterlich ver-
warnet haben wellen, das sich niemands die vorsteer mit irem betrieglichen
690
und falschen fornemen verfueren lassen^ sonder menniglich bey unserm
alten wol hergebrachtem cristlichen glauben bestendiglich verharren und
^sich vor yerliernng der Seeleo, leibes, lebens, Eren und guets verhueten
welle; dann welcher oder welche sich über dise unser gnedige und
yatterliche Terwai*nung weiter in dise sect begeben, gegen dem oder den-
selben werde man mit allem Ernst laut der hievor ausgegangen Edict
und Mandata verfarn on alle ferrer begnadung, das auch niemand diser
Secten vorsteem oder andern widerteuffern personen haimlich noch
offenlich herberg noch underschlaif geben.
Gegen wem sich aber dasselb befinde, der soll darumb an Leib und
Leben gestrafft werden, und die unwissenhait, als ob jemand der wider-
taufften personen, das sy getanfft wäin, khain erkanntnuß gehabt bete
und sich damit ausreden wolte, niemand entschuldigen, sonder sollen
alle, die dabei befunden wirdet (sie), das sy den widertaufften under-
schlaiff geben, in der straff geleich gehalten werden. Das auch in den
stetten ain Ordnung furgenomen und solches Burgermaister und Bäte
yeder Statt bey verlierung irer freyhaiten eingepunden, das khain fremde
person behausst und beherbergt, man hab dann zuvor Wissens, dass sy
mit disor secten unbefleckt seyen, und wo ain Wideiiiauffer person ge-
funden, dieselb gestracks der obrigkhait angezaigt werden. Deshalb ir
auch allen nnsern Lanndhaubtleuten, Haubtleuten, Phlegern, Landt-
richtern, Richtern und allen andern, so ambt und Verwaltung haben, in
dem newen Mandat mit allem Ernst einpinden und auflegen sollet, das
sy in den Stetten und auf dem Land allenthalben guete khundtschafft
und nachforschung haben, das sich dise veifuerisch Sect weiter nit
auspraite oder einreisse, die so damit befleckt sein, von stund an
vencklich annemen und laut der mandata gegen inen ernstlich ver-
fam lassen.
An welchem ort oder bey welcher obrigkhait Ir aber hierinn ainiche
ungehorsame, nachlassigkhait oder unfleiß befindet, alsdann dieselb unver-
zugenlich für Euch erforderet und mit der straff vermag unser aus-
gegangen Mandat gegen denselben ungehorsamen procedieret und hierinn
niemands verschonet, es seyen hochs oder niders Stannds, Mannß oder
Weibspersonen ; dann entlich unser gemuet und maynung ist, das gegen
allen denen, so sich in dise sect einlassen, ain gleiche straff gehalten
werde. Darumb sollet ir in Eur Verwaltung gegen denen so hoch Stannds
und diser Secten verwandt sein, gleicher gestalt wie gegen mindern per-
sonen, nach vermeg der Mandata handien lassen und Euch dise sach
von unsern wegen als für die grösst und wichtigst handlung
anligen lasset und mit solchem Ernst und Vleiß darin handlet, wie wir
691
uns zu Euch in bedenkhung des unwiderbringlichen abfalls und
Verderbens, so darauf steet, gnediglich und gentzlich versehen.
Wir wellen Euch auch gnediger maynung nit verhalten,
dass wir in emsiger Handlung steeA, solche verfnorische Sect
im Land zu Märhern in khurz auszereutenund abzestellen, und sein
der gnedigen Hoffnung, mit Bat und zuthun unserer Cron Beheim dasselb
zu erlangen und das auch den frembden die aufenthaltung der Enden
abgestrickht werden solle. Das wirdet unsers achtens nit ain klain für-
druog sein, das dise Sect in andern unsern Erblanden und fursten-
tumben dest mer und paß ausgereut werden mag.
Ir sollet auch in den Mandaten allen obrigkhaiten ernstlich em-
binden und aufladen, das ainer yeder in seiner verwalltung sonder
achtung und aufsehens habe, das die falschen verfherischen puecher und
schrifften nit vail gehallten, khaufft oder verkhaufft werden, das auch
sonst in andern Artiggin, so der religion zu Verachtung und verschmahung
khemen, ernstliche einsehung gethan, die so darwider handien mit allem
Ernnst Innhalt der Edict und Mandata gestrafft werden. Derhalb Ir für
Euch selbs nichts weniger gut aufsehen und erfarung haben sollet, wie
sich die obrigkhaiten in solchen fällen halten. Und wo Ir ainen unfleiß
oder ungehorsame befindet, alsdann gegen denselben vorgehorter massen
handlet. An dem allem beschicht unser Ernstliche Maynung.
Geben in unserm Sloss zu Prag den XXVI tag Marcij anno etc. im
XXXIIII, unserer Reiche des Romischen im vierdten, und der andern
im achten.
Ferdinand.
Ad mandatum domini regis in consilio
Nauner.
R. Car^* Trid. (vm anderer Hand),
In simili an die Regierung in Tirol. Adresse: Den wolgebornen,
edlen, ersamen, gelerten und unsern getrewen unserm Statthalter, Re-
genten und Reten unsers Regiments der oberösterr. Lande. Folgen
Inhalts- und Eanzleivermerke.
Orig. Pap. mit eigenhändiger Unterachrift des KOnigs in der t. Beck'schen
Sammlung.
Daran sckliesBt sich (a^f einem eigenen Blatt Papier): Unser
Mainung ist auch, das Ir in der Fürstlichen Graveschaft Tirol in allen
Stetten und Gerichten, darin Schifleut wonen, so den Wasser Stram
592
der Thnnaw ze farn gebrauchen, gebieten, solches auch offenlich bei-ueflfen
lassen, das kain Schif-Man kain widertauffer Person ze faem anneme.
Besonder ainen jeden, den er ze fuern annimbt, zuvor frage, ob er mit
diser Sect nit befleckht seye. Welcher Schifman aber darüber ain oder
meer widertauffte Personen ze fueren annemen wurden, derselb solle in
die straff so gegen den Widertauffern gesetzt ist, gefallen sein, auch
dieselb gegen ime vollzogen werden. Ir sollt auch dis unsers BevelhB
Oopey unser Regierung zu Ensishaim ubersennden, sambt ettlichen
Mandaten, so Ir unserm Bevelch nach stellen lassen werdet. Und der-
selben unsern Regierung ernstlichen Bevelhen, das ir disem unserm Be-
felh in Irer Verwaltung also nachkhomen und mit allem ernst darob
hallten. — Actum ut in literis.
Or. Pap. 6 Bl. y. Beck*sche Sammlnng.
Zu Nr. 12.
Beilage zu dem Actenstücke de dato Prag 1534 März 26:
Die Münsterschen Artikel.
Dise nachvolgennd Artiggl auf die Pundtnuss muessen sy leben
und sweren, diejhenigen, die sich von Bernhart Botman zu Munster
und den seinen widertauffen lassen.
Zum ersten, den Thumija und alles was man Gotzdienst nennet,
muessen sy versagen.
Zum andern, den Crisen und alles was man segnet.
Zum dritten, das hochwirdig Sacrament, das sy nennen den gi'ossen
,Belanndt*, nit zu sehen von Briesters hannden, auch in einer ^ Mess
zu sehen.
Zum vierdten, die ganntze weit zu verleuckhnen.
Zum funfften, mit den Qotlosen nit zu handien, khauffen oder zu
verkhauffen, auch nit zu griessen.
Zum sechsten, all Sonnabent ime Bechenschafft zu thun von Über-
fluß irer gueter, dasselbig im christlichen Bruedern, die in irem glauben,
mitzutailen.
Zum sybenden, khainer obrighkait underthenig zu sein.
Zum achten, muessen sy verloben nit zu glauben, das Cristus die
menschliche natur von Maria emphangen hab.
Zum Newndten, alle Sonabent legen sy sich creutzweiß auf den
Bauch.
* So im Text. ^ Text: auch meiner.
693
So bat der Widertauffer vil unkbeuscbhait mit demselben wider-
taufferiscben weibem. Darnacb nimbt Er ain wasser, damit so geusst
er sieb.
(Dem oben genannten Actenstück auf einem Bogen Papier beige-
scblossen.)
Nr. 13.
Ferdinand L befiehlt dem Statthalter und den Regenten der
oberösterreichischen Lande, dass sie der Frau von Wolkenstein-
Bekenntniss zugleich mit einem Gutachten in Betreff des ge-
fangenen Wolkenstein einsenden. — Prag, 1534 Mai 6.
Ferdinand . . . Wolgeborner, Edlen . , . Was mit dem gefanngen
von Wolkbenstain seines Irrsais balben, darinn er von wegen empbahung
oder niessung des beiligen bocbwierdigen Sacraments steet, dnrab die
gelerten gebandlt worden, ancb was sein antwort ist und warauf er be-
barrt, das alles baben wir aus Ewrem scbreiben am dato den XXm tag
Aprilis ausgangen und den daneben gesanndten scbrifften vernomen.
Und dieweil wir uns (sie) die Articl bemelts von Wolkbenstain gefanngen
bausfrauen, darauff sy nocb gefragt werden sol, oder villeicbt nume ge-
fragt ist, übersenden, wellen wir derselben von Eucb gewarten. Dar-
zwiscben wellet den von Wolckbenstain nocb vermanen lassen, ob er
sieb ains andern bedacbt bette und uns dan der frawen bekanntnus
sambt Ewrem Bat und guetbedunckben sein und irentbalb underscbidlicb
in Sebrifft bericbten. Dann wir kbonnen, wie Ir selbs zu ermessen babt,
dem von Wolkbenstain in khainen weg zuelassen, das er, wie sein fur-
nemen steet, in dem fall ain sonndrung babe. Das weiten wir eueb auf
Eur Scbreiben diser zeit zu Anntwoi-t nit verbalten.
Geben in unserm Sloss zu Prag den seebsten Maij Anno etc. im
XXXnn unserer Eeiebe des Römischen im vierten und der andern im
acbten.
Ferdinand.
Ad mandatum domini regis in consilio:
Nauner.
Adresse: Den wolgebornen, edlen, ersamen, gelerten und unsern
lieben getrewen, unsern Statbalter, Regenten und reten unser oberoster-
reicbiscben Lannde. Folgen Eanzleivermerkungen.
Orig. Pap. mit theilweise erhaltenem Siegel in der v. Beck*schen
Sammlung.
594
Nr. 14.
Michael von Teutenhofen bittet Statthalter und Räthe zu Brixen,
da sein Schwager Sigmund von Wolkenstein nunmehr zum Theil
auf einen guten Weg gebracht ist, um eine Erleichterung seiner
Haft. — (1534 August.)
Edl, Erwirdig . . . Nachdem mein seh wager Sigmund von Wolken-
stain der Widerteufferischen Seckht halben nun, wie ich bericht pin,
drejtzehen wochen in meines gn. herrn und fürst zu Bricbsen fronnfest
swärlichen gefanngen ligt, als ich aber yetz kurtz verschiner tag auf
Ew. herlichkait und gunst verwilligen mit ime in pejsein des statrichters
geret und im so vil bewegt, das er (hoff ich) zum. tail auf ain guetten
weg gepracht ist, der ganzen Zuyei*slcht, er werde sich ymer zue pass
weisen lassen, damit er der freuntschafft nit zu verrenn spot khum, die-
weil ich mich dan guetter bekennung bei ime numalen versieh und er
furwar vil schwächlich, wie Ew. herrlichkait und gunst ungezweifflet
wissen, geffangen ligt: ist an Ew. herrlichkeit und gunst mein und
meiner hausfrauen hochfleissig ansuechen und pit, Ir wellet uns und
zuvor der meinen freuntschaft zu sondern gunstigen gefallen und . . .
also zu guetem angezaigten mein schwager Sigmunden solcher seiner
schwären gefanknus in annseung seiner freuntschafft, auch seins langen
ligens, auch seines leibs der zeit schwachait halben und auch damit er
sich dest ennder (als ich hoff), wie aim guetten crist gepurt, auch
schickhen wurde, gnediglich ringern. Des wil ich sambt den meinigen
umb E. H. und gunst, wo ich mög, zu verdinen nit vergessen und mich
hiemit Ew. H. und gunst sambt mein schwager mit gnaden zu bedenkhen
gehorsamlich bevolhen haben.
E. H. u. G.
g. M. V. T.
Concept; schlecht erhalten; in der Mitte durch einen Fleck zeiBtOrt,
V. Beck'sche Sammlang.
Nr. 15.
Die Innsbrucker Regierung an Christoph Fuchs von Fuchsperg:
Da die Wiedertäufer nunmehr auch aus Mähren av^sgetrieben
werden und gemeldet tvird^ dass sie neuerdings rottenweise in
die Erblande kommen, um da Zuflucht zu suchen, so möge
595
ßeissig Kundschaft auf sie gemacht werden, — Innsbruck 1Ö3Ö,
April 10.
An herrn Cristoffen Fuchsen von Fuchsperg von der Regierung zu
Ynnsprugg.
Nachdem uns von I. K. M'. etc. unserm allergnedjgisten herrn
aus Wionn den vierten dits Monets geschiiben und anzaigt worden iat,
wie ain Landtschafft in Märhern auf jungst gehalten Lanndtag under
anderm bewilligt und zuegesagt haben, das sy die widertauffei*, sovil in
derselben Margarfschafft (sie) weren, hinfüro nit mer gedulden, sonder
allenthalben austreiben lassen wollten, alles ferrer vermeldens und be-
velhens, ob die anderer ortt und sonderlich in Irer M. Erblanden rotten-
weiß komen, oder sonst iren durchzug oder villeicht underschlaipf suchen
möchten, das wir allenthalben in den herrschafften und obrigkaiten unser
Verwaltung ernstlichen verfliegen und guet kuntschaflften machen und
bestellen sollen, dieselben widertaufferischen personen, so die betretten,
fänncklichen annemen und gegen den vorsteern und Radlfuerern laut
Irer M'. vorausgangen Mandata mit gopurlicher strafT zu vollfuren und
dann die andern personen so aus ainfalt in solche secten gewachsen und
komen sein, aus dem Lanndt diser fürstlichen Graflfschafft Tirol hinweg-
zuschaffon: bevelhen wir Euch in namen Irer K. M'. ernnstlichen, das
ir in still und gehaim Eur vleissig aufmerkhen und kuntschafft in Eurer
Verwaltung auf solh wideiiaufiferisch volkh und sonderlich die vorsteer
und Rädelfuerer haben und bestellen und gegen Inen wie solcher yetz-
bemelter der K. M. boveih uns gethan, veimag, mit ernnst und dapferkeit
handien lasset, damit solch widertaufferisch Sect nit einwurzle sondern
verhuet werde. Daran thut Ir in namen Irer K. M. unser ernstliche
Mainung.
Datum Ynnsprugg am 10'®° tag Apprilis Anno etc. XXXV.
In simili \
An herrn Veitten Freiherm zu Wolkhenstein.
An Friderichen Fueger.
Concept in der v. Beck'schen Sammlung.
Derselbe Befehl (mit unbedeutenden stilistischen Aenderungen) am
28. Juni 1535 a) an die Landvögte, Vögte, Hauptleute, Städte in den Vor-
landen, b) an die Landrichter und Pfleger in Tirol.
596
Nr. 16.
Ferdinand L theilt der oberösterreichischen Regierung die Gründe
mit, weshalb Sigmund von Wolkenstein nicht einfach begnadigt
werden könne. Da man ihn zu Brixen gegen Ver Schreibung^ den
Widerruf zu leisten, ausgelassen, er ihn aber nicht leisten dürfte,
so sei er wieder gefänglich einzubringen und zum Widerruf zu
verhalten. — Wien 1595, Juni 4,
Ferdinand . . . Wolgeborner . . . Wir sein abermals von wegen
Sigmunds von Wolkenstains, denselben des Widertauffs, umb daß er in
die Sect der Widertauif gefallen, zu erlassen, angelangt und ersuecht
worden. Nun seyen wir ingedenckb, daß dise hanndlung hievor mermals
furkomen und daz wir Eucb jungstlich in der sach geschrieben, daz wir
ine des Widertauffs nit erlassen mugen, aus Ursachen, nemblich daß er
nun zum andern mal diser Sect halben fennglich einkomen, daz erstmal
einem seinem freundt vertraut worden, der sich für ine angemechtigt,
ine von seinem Irrsall zu weisen, dem er aber nit gehalten, zum andern
daß es bei dem gemainen Man in Tyrol, nachdem die recht durch die-
selben ofTenlich besessen werden, ain böss geruech bringen, so nit in
dem faal ain glaichait gehalten werden sollte. Und zum dritten, daß
dem von Wolkenstain zu seiner Seel Seligkeit ain offenbare bekanntnus
und Rew hoch von noten ist. Dise Ursachen dann bey uns noch hoch er-
wogen sein.
Nachdem aber die von Brichsen den von Wolkenstain über solchen
bevelch auf ain verschreibung außgelassen, daß er auff Pfingsten negst
verschinon den Widerruef thun oder sich widenimb in venknus stellen
solle: bedencken wir, daß er sich nit leichtlich stellen, wo man ine des
Widerrueffs nit erlassen sonder ehe fluchtigen fneß seyen werde. Dar-
umb so ist an Euch unser ernstlicher bevelh, daß ir gedachten Sigmunden
von Wolkenstain mit allem Vleiß nachstellet und den widorumb zu fenck-
nus bringet und ime aufleget, daß er den Widernieff laut ersten unsers
außganngen bevelhs unverzogenlich thue. Wo er sich des aber widern
und auf seinem versteckten weg verhan'en wurde, dann gegen ime nach
laut unserr außganngen Edict und Mandat handlet und verfaret. Daran
thuet ir unsern ernstlichen willen und maynung.
Datum Wien den vierten tag Junii anno etc. XXXV*®".
An Statthalter, Begennten und Bäte der oberosterreichischen Lande.
Gleichz. Copie in der ▼. Beck^schen Sammlung.
597
Nr. 17.
Ein abgeschrifft od-
er Sendbrüeff so Jacob
Huetter für sieb selbs vnd
an stat aller Brüeder
dem Lanndts Haubt-
man in Märhern zue-
gescbriben hat.
Anno. 1 . 5. 35. Jar. ^
Datum Auspitz. Steurowitz.
■
Wier Brneder vnd Uebhaber Gotes vnd seiner Götlichen Warhait,
vnd warhafftige Zeugen vnsers HeiTn Jesu Christi, die wier vertriben
seindt aus villen landen, vmb des namen gotes vnd vmb seiner götlichen
warhait willen vnd hieher ins Märherlandt komen ynd yersamlet vnd
gewont haben, vnder dem herrn Marschalckh, durch den schütz vnd
schirm des allerhöchsten, dem wir auch allein eer vnd preiß Geben vnd
sagen, Im lob Ewigklich.
Wir lassen euch wissen, lieber Herr Haubtmann des lands Mehr-
hern, das eure dienner zue vns komen seindt, vnd vns ain beuelch vnd
botschafft bracht haben, wie auch woll wissent ist, darauff wier geannt-
wort haben, mindlich, vnd geben sie auch letzt schrifftlich, nemlich also,
das wir die weit, alles vnrecht vnd gotloß wessen haben verlassen,
glauben in den almechtigen und in seinen sun, unsern Herrn Jesnm
Christum, der wirt uns hinfür ewiglich vor solchen allen behüeten, und
wir haben vns got den heiTen ergeben vnd geschenckht zu leben nach
seinem götlichen willen, zu halten gebot nach dem ebenbilt vnsers
HeiTen Jesu Christi. Nun aber, das wir Ime dienen, seinen willen thuen,
halten seine gebot, lassen alle sfind vnd vngerechtigkait, darumb seindt
wier verfolgt vnd veracht von der ganzen weit, vnd beraubt aller vnserer
güeter, Gleich wie es allen Heiligen vnd propheten auch Christo selbs
ergangen ist. Sonderlich der fürst, der künig Ferdinandtus, der fürst
der finsternus, der Graussam tirrann vnd feindt der göttlichen wahrhait
vnd gerechtigkait, der hat vill der vnsrigen vnschuldig on alle barm-
hertzigkait lassen vmbringen, ei*töden vnd ermördern, der hat vns auch
^ Aus der ältesten Handschrift von 1577. Cod. Brickm., f. 1 — 11. Das
Schreiben findet sich ausserdem in den Codd. Poson. 215, 219, Pest,
VIII g., 39 und Cod. Michniay, ebenda; die (uncorrecten) Drucke siehe
bei Beck, Geschichtsbücher, S. 117 Note. Das Schreiben wurde der ober-
österreichischen Regierung mitgetheilt.
598
gnomen vnd beraubet, hauß, hoff vnd alle vnsere güeter, auch vertriben
vnd vervolgt erschreckhenlicb, nun aber seindt wier hieber komen, durch
gotes gnadt vnd hilff in das Märherlandt, vnd ein zeit hie gewont, vnd
zuletzt auch vnder den herrn Marschalkh, wir sein aber vnbeschwerlich
vnd an schaden gewessen allen menschen, vnd haben vns treulich mit
harter Arbait, in grosser forcht Gotes aufFenthalten, das vns alle menschen
mit der warhait, Zeugknus geben müssen. Nun aber hat vns auch der
Marschalckh vrlaub geben, mit grossem gwalt von vnsern heüssern vnd
güetern vei-triben, nun sind wir da in der Wüeste auff einer wilten
haiden, vnder dem Hechten himel. Das aber nemen wier an mit grosser
gedult, vnd loben Got, der vns wirdrge gemacht hat, zu leiden ums seines
namen willen, wie wol es vns eurenthalb ein schmertz vnd hertzenlaidt
ist, das ir so vbel thuet an den fromen vnd kindern gotes, vnd wir
clagen Got eur ellendt vnd den grossen vnbill vnd ungerechtigkaitt, die
teglich vberhandt nimbt, vnd wir schreien zu got tag vnd nacht, das vns
got der herr behüet vnd bewar vor allem vbel ; vnd wir befelchen im alle
unser sach, das ers hin ausfür nach seinem göttlichen willen vnd nach
seiner väterlichen barmhertzigkait, vnd er wirts auch thuen, vnser haubt-
mann vnd schirmer sein vnd für vns streiten. Aber es hat der heilig
prophet Esaias vorhin geredt auch der frumb Esdnis, nemlich das alle,
die vom bössen aller vngerechtigkait lassen vnd absteen, Got von hertzen
lieben, fürchten vnd dienen, vnd seine gebot halten, die selben müessen
beraubt vnd von iren heüssern vertriben vnd Verstössen werden, darbei
wier erkennen, das wier gotes kinder seindt vnd er vnser vater ist, vnd
das wir seindt miterben seiner henligkait, vnd das wir im vom Hertzen
lieb vnd angenehm seindt, wie alle heilligen, darumb leiden wir solches
gern mit grosser gdult, vnd sein getrost in vnserm hertzen, durch sein
heiligen geist. Ach vnd wee vnd abermals wee allen denen, die vns on
vrsach allain vumb der Götlichen warhait willen verfolgen vnd vertreiben,
vnd hassen, dan ir verderben, straff vnd verdamnuO nahet sich herzne,
vnd wirt on alle bai'mhertzigkait erschreckhenlicb vnd Grausamme über
sie komen, hie vnd dort ewigklich, dan Got will vnd wi]*t alles vnschnldig
bittet vnd alle trübsall seiner heilligen erschrecklich von Innen fodern,
nach dem woi*t seiner heilligen propheten. Nun aber wie ihr vns ent-
boten habent, on allen verzug wegzuziehen, Geben wier euch diesse ant-
wort, das wier nindert wissen, wo hinaus, vnd vns das schwer ist, aus
vrsach, das des Künigs landt vmb vnd vmb vns feindt, vnd wo wir hin-
außziehen, so ziehen wir den raubern vnd tirannen in den rächen, wie
die schaff vnder die reisen ten wölff vnd grümige lewen; dar zue haben
wier auch eilender wittwen vnd waisen, vil krankben, kleine vnertogene
599
kindlen, die Innen selbs mit helffen künnen und zue züehen und wandten
vngeschickht seindt, welcher väter vnd müeter der Gotloß tirrann vnd
feindt der götlicben gerechtigkait, der Ferdinandus zum tail hat er-
mördern lassen, innen Ire güeter gnomen, vnd sy bei*aubt, dieselben
Witwen vnd waisen, krankheu vnd klainen kinder, so vns von 6ot befolhen,
vnd ist vns auch von dem aln^ecbtigen 6ot geboten, das wii* sie sollen
speissen vnd beklaiden vnd beherbrigen, vnd zu dienen von Heiiizen in
allen dingen. Darumb künnen und mugen wier si auch nit also ver-
lassen vnd verschupffen, ja got woll vns in ewigkait darvor behüeten
vnd bewaren, wir megen gotes gbot nit verlassen, vmb der menschen ge-
bot willen, ob es gleich gilt leib vnd leben; den man sol vnd mueß Got
mer gehorsam sein den den menschen. Nun aber haben wir auch do hauß
vnd hoffe, vnsere güeter, die wir mit vnserer hörten arbait, im schwaiß
vnseres angesichts treulich gwunen haben, die vns vor Got vnd den
menschen billich zngehören, die seindt vnuerkaufft, darzne wier auch
weil vnd zeit bedörffen, dan wier derselben güeter zu gi'osser not be-
dürfifen vmb der krankhen, witwen vnd waisslen, auch vmb der klainen
kindlen willen, der wir nit wenig sonder vil haben, Got sei gelobt, schir
so vil als der gsunden.
Nun liegen wier auff der weiten Halden, Gott will, Jederman an
schaden; wier begeren vnd wollen kainen menschen laidt oder vnbille
nit thuen, Ja vnsern grössten feinden nit, weder dem Ferdinando noch
jemandt andern, klein oder groß; es ist auch alle vnser thuen vnd lassen,
wort, werckh, leben vnd wandl allen menschen offenbar vnd am tage.
Ja ee wir ainem mit wissen umb einem pfening vnrecht thetten, ee Hessen
wir vns vmb hundert Gulden berauben, vnd vnrecht thuen, vnd ee wir
vnsern grösten feinden einen stiaich geben, mit einer handt, geschweigen
mit spueß, schwort vnd helleparten, wie die weit thuet, ee stürben wir
vnd Hessen vns vnser leben ee nemen ; wir haben auch kain eüsserlich
Waffen, weder spieß noch pixen, das jederman wol sieht, vnd am tag ist:
In sume: vnser predigen, reden, leben vnd wandel ist, das man in gotes
warhait vnd gerechtigkait fridlich vnd ainig leben soll, als die waren
nachfolger Christi. Wir reden vnd wandlen auch öffentlich vor Jederman,
vnd schämen vns nit, rechenschafft zu geben vor allen menschen; das
man aber vill vbels vnd böses von vns redet vnd sagt, das hat Christus
uns vorhin gsagt vnd angezaigt, das es also ergeen werde, dan von an-
fang der weit ist es allen heiligen, Christo selber vnd allen seinen
apostlen also ergangen.
Das man aber sagt, wier haben vns zu velt gelegt mit souil tausent,
alls wollten wier krüegen, und dergleichen, wer solches redt, der redt als
600
ein viinatzer vud ynerfarner, als ain lugner vnd als ain bueb; wir klagens
aber got, das der fromen, als wier in der warhait sein, so wenig sindt,
wier sagen vni woilten, das alle weit war wie wir, vnd mechten ieder-
man zu disem glauben bringen vnd bekeren, so wurt alles kriegen Tnd
vngerechtigkait ain end haben. Nun geben wier weiter antwort, das wier
ietz dismall nindert hinaus aus dem landt wissen oder künen ziehen.
Got der Herr im himel geb ynd zaige vns noch an, wo hin wir solten;
wier künen vns auch das landt vnd das erdtrich nit lassen yerbüeten,
dan die erdt vnd alles, was darinen ist, ist ynsers gotes im himel, darzu
wan wir euch zue ziehen zusagten vnd solches im sin haben, mechten
wir villeicht solches nit halten, dan wir seint in der haut gotes, der ihuet
mit vns, waß er wil, vnd villeioht will vns got in diesem landt haben,
vnd vnsern glauben probieren» welches wir aber nit wissen, sonder wir
bevelhens dem ewigen vnd warhafftigen got.
Herwiderumb aber sagen wir, also die weil man vns veruolgt, ver*
ti'eibt, vnd die sach also vmb vns stet, wen vns nun got der almechtig
von himel vrsaeh anzeigte, oder gnugsame Zeugnus gebe, etwas anders,
wohinaus, aus dem landt zu ziehen, das solches sein wil wer, wollen
wir solches gern thuen. Ja an alles gebot, vnd wir wolten nit saumig
sein, wan wir wisten nach gotes willen wo vns got haben wölt; wir biten
auch got tag vnd nacht, von hertzen, das er vns für wohin er will, wir
wollen vnd künen auch seinem götlichen willen nit widerstreiten, vnd ir
werdt es auch nit thuen, ob ir auch solches vnderstunden ; es mechts
aber der allmechtig got gleich halt schickhen, vber nacht, und vns solches
zu erkennen geben, vnd offenbaren, das wir sollen oder müessen dan
auch ziehen, Ja wir wolten nit saumig erscheinen, vnd vns schickhen
nach dem willen gotes zu leben, zue ziehen oder zu sterben, dan ir mecht
villeicht nit wirdig vnd werdt sein, das wir weiter vnd länger sollen bei
euch wonen. Darumb Ach vnd wee vnd abeimals wee in ewigkait euch
Merherischen herren, das ii* den graussamen tirannen vnd feindt der
göttlichen warhait, Ferdinandum, habt zugsagt vnd verwiligt, die fromen
vnd gottfürchtigen zu vertreiben, aus euren landen, vnd fürchtet den
sterblichen vnützen menschen mer den den allmechtigen got vnd herren.
Das ir die kinder gotes, klein vnd groß, die elenden vnd betrüebten,
Witwen vnd waislen, des herrn also wollent ou alle baimhertzigkait ver-
treiben, vnd sie dahin geben in beraubnng, angst vnd not, in schmertzen,
trübsal vnd ellendt, vnd grosse armuet, es ist gleich souil als erwirgt ir
sie mit euren aignen henden, es war vns weger vnd vil lieber zu sterben,
vnd eimordt zu werden vmbs herren willen, dan solchen jamer zu ver-
suechen, vnd anzusehen an den vnschuldigen vnd gotsferchtigen heiizen,
L "
601
68 wirt auch warhafftigelich nit lär hin geen, vnd wirt anch kain ausredt
nit helffen, als wenig als pillatum, der auch den herren Jesum nit gern
wolt Creützigen vnd teden, aber aus schreckhen ?nd foreht des Kaisers,
wie im von den Juden getroet wardt, verhengt vnd verurtailt er das vn-
schuldige bluet, gleich also wollet ir auch thuen, vnd auch mit dem
Etinig ausreden, dan got redt durch den mund seiner heilligen propheten
das er das vnschuldig bluet gar erschreckhlichen wirt suechen an allen
denen, die ire handt darzu bemälligen vnd besudlen; darumb groß vnglick,
jamer, angst, not vnd marter geet vber euch daher, vnd wirt von got im
himel vber euch angeschlagen, hie vnd doii; imer vnd Ewigklichen.
Bas sagen vnd verkündigen wir auch in dem namen vnseres herren
Jesu Chnsti, das auch das gewisslich vnd in der warhait nit ausbleiben wirt,
vnd ir werdts in kurtzem sehen, vnd innen werden, das wir die götliche
warhait in dem namen vnsers HeiTn Jesu Chi'isti gered haben auch zu
ainer Zeugnus, vnd allen denen, die wider got thuen vnd wandlen, vnd
sündigen; wir wollten aber gern, das ir von solchem abstuendt, vnd auch
bekeren zue dem lebendigen got, damit ir solchem allem mecht entt-
rünen, vnd wer vnser wünsch vnd begeren, das ir vnd aJle menschen mit
vns s&llig wurdt, vnd das ewige leben erwerbent. Wir biten euch aber,
vnd ist vnser hertzliches begeren umb gotes willen, das ir Gotes wort,
vnd vnser redt wollet im gueten, vnd zu besten an£fnemmen, vnd zu
hertzen fassen, dan wir reden vnd zeugen, was wir wissen vnd was die
warhait ist vor got, vnd wir thuen solches aus reiner warer gütlichen
foreht, die wir tragen zu Got dem herren, vnd zu allen menschen. Damit
befelhen wir vns Got dem ewigen hen-en, vnder seinem schütz vnd
schirm, der woll vns gnedig vnd in allen dingen mit vns sein, durch
Jesum Christum Amen. — Euch aber woll got der hen* sein väterliche
Haimsuchung vnd warung zu erkennen geben vnd sein barmhertzigkait
mittailen durch vnsern Herren Jesum Christum nach seinen göttlichen
willen, Amen.
Nr. 18.
Aus einem Schreiben des fürstbischöflichen Kanzlers an den Fürst-
bischof von Brixen. Wiewohl man lange Zeit von Wiedertäufern
nichts gehört, so dass man meinen mvsste, sie seien bereits ausge-
rottet, seien jüngstens in Lüsen wieder siebzehn Personen ,abge-
wichen' und treibe sich Hans Tuchmacher (Amon) wieder im
,Stifte' herum. — Brixen, 1536 April 28.
Hochwirdiger, hochgebomer fürst etc. Uns hat E. F. G. Rath-
secretaij Sebastian Sauerzapf vergangner tag zu banden mein Sigmunden
ArchiT. LXIVIII. Bd. U. H&lfte. .H9
602
Han Cantzlers etc. geschrieben und ander andern angezeigt, das E. F. 6.
unser schreiben, so wir derselben am jüngsten gethan, znkomen und sj
des gnedigen willen and gemüets seye, uns zum beldesten darauf ant-
wurt zuschreiben ze lassen, welches wir dann (nachdem wir etwa lang
kain schreiben von E. F. 6. emphangen) ganz gern gehördt haben und
sein also E. F. G. 'gnedigen Vorhabens nach Antwurt und bescheids ge-
wartendt.
Verrer gnediger fürst und herr, wiewol wir uns endtlich verhoflft
betten, die verfuerisch und verdambt Sect des widertaufs solte (weil wir
von derselben ain gute Zeit her sonder nichzit vernemen mugen)
erloschen und fen'er nit eingewurzelt sein, der halben wir dann E. F. 6.
in nnserm jungst gethanen schreiben neben andern angezeigt haben,
das es diser sect halben ganz still sey etc., so fnegen wir doch £. F. G.
in underthenigkeit zu wissen, das wir glaubwirdig bericht sein, wie Hans
Tuchmacher vorsteer wider in diser fürstlichen Graveschafft Tyrol und
£. F. G. Stifft zukhördt, sein verfuerische Sect ausgebrait und das sledit
ainfeltig volck damit bewegen soll, wie wir dan gewisse und warhaffüge
gute kuntschafft haben, das aus £. F. G. gericht in Lüsen bei den
Sibentzehen Personen abgewichen und sich solcher verdambter Sect auch
anhengig und theilha£ftig gemacht, darunder etlich personen sein, so
hiefar von wegen dises Irrsais in fankhnus einkhomen aber in ansehen
das sie widemieft und sich zu unseim heilwertigen, unzweifelichen, rechten,
waren, christenlichen glauben gekhördt, solcher gefäncknu3 widerumb er-
ledigt und entlassen also daz angezeigt abermols abgewichen sein: des-
halben wir von stunden auf bei^irten vorsteer und andre auch obange-
zeigte obgewichne personen und namen unsre getrew fleissig und gute
kundschaft gemacht und fürderlich fünf personen in Lüsen verordent
und etlich behausungen, aus denen dann ainsthails die wider abge-
wichnen sich zu den widertauffern geslagen, besichtigen und zum thail,
was vorhanden gewest, inventieren lassen. Auch denselben fünf personen
im namen E. F. G. ganz ernstlich eingebunden und befolhen, daz sy auf
angezeigte ausgetretne und ander widei*thauferische Personen insonder-
heit den Tuchmacher ir getrew und fleyssig aufsehen, spehde und kunt-
schafft haben und machen und sovil ymmer muglich zu gefenkhnus und
geburliche straf pringen; so hat uns E. F. G. Landtiichter und Ambt-
mann zu Michelspurg Christoph Ochs heut dato angezeigt, das in M u 1-
w a 1 d auch etlich personen hinweg und zu den widertaufferischen ge-
zogen sein.
In dem allen wollen wb-, was zu ausreutung und Vertilgung diser
verdambten Sect dienlich sein khan und mag, in massen wir dann E. F. G.
603
zu mermaln zugeschriben haben, dhainen fleis, muehe oder arbait under-
lassea, das sich E. F. G. zu uns endlichen versehen 'soll. . . .
Datum Brixen den 28 tag Aprilis 1536.
Concept auf zwei Blättern Papier in der v. Beck'schen Sammlung.
INHALT.
Cap. Seite
1. Die Wirksamkeit der Doctoren Jakob Strauss und Urbanus Rhegius
in Hall. Protestantische Regungen in Tirol in den Jahren 1520
bis 1626 431
2. Die Anfllnge der Wiederteufe in Tirol 448
3. Das weitere Eindringen des Anabaptismus. Massregeln der Regie-
rung dagegen 461
4. Ausbreitung und Abwehr des Anabaptismus nördlich und südlich
vom Brenner (1628— 1629) 470
6. Jakob Huter und die Verfolgung der WiedertÄufer in Tirol in den
Jahren 1629—1630. Die Tiroler in Mähren 482
6. Höhepunkt der Verfolgung der Wiedertäufer in Tirol. Das Haupt-
mandat vom 12. Mai 1632. Das Etsch- und Eisackland und das
Pusterthal als Heimstätten der Wiedertäufer 498
7. Die ,Huterischen Brüder" in Mähren 522
8. Der Process des Anton von Wolkenstein und seiner Familie und die
Wiederteufe in Tirol im Jahre 1534. 531
9. Die Verfolgung in Mähren 644
10. Die allgemeine Verfolgung der Wiedertäufer in Oesterreich und den
benachbarten Ländern im Jahre 1535. Die Gefangennahme Huter*s 549
11. Der Process und die Hinrichtung Huter*8 558
Beilagen.
1. Bairische, in Tirol angenommene Generalordnung, betreffend das
Verhör und die Verurtheilung der Wiedertäufer 568
2. Schreiben Ferdinands I. an die Regierung, betreffend die Unter-
drückung der ,NeuteufeS Gran, 1528 Jänner 1 570
3. Verhandlung des Landrichters Andre Walcher mit dem der Wieder-
teufe verdächtigen Ulrich Stedler. Sterzing, 1529 Juli 6 ... 571
4. Begnadigung des Innsbrucker Bürgers Jörg von Werd. Innsbruck,
1529 November 26 573
5. Partzner's Widerruf. 1530 August 29 674
6. Die Raitkammer bittet um Ueberlassung der den Wiedertäufern ge-
nommenen Güter. Innsbruck, 1531 August 4 575
39*
604
•
Cap. Seite
7. Neuerlicher stren^r Befehl Ferdinands zur Ausrottung der Wieder-
täufer. Innflbruck, 1533 Juni 18 576
8. Valentin Luckner's Ȇrgicht*. 1(^3 October 6 6^7
9. Vincenz Puchler's 3^kantnti8s'. 1533 November 11 ..... 585
10. König Ferdinand über die Begnadigung der ,mit der Wiedertaufe
befleckten' Frau Helena von Freiberg. Prag, 1534 Jftnner 6 . 586
11. Paul von Wolkenstein's ^Antwort*. 1534 Februar 25 —
12. KOnig Ferdinand sendet die ^ünster'schen* WiedertäufSer- Artikel mit
dem Befehle an das Regiment, die Verfolgung der Wiedertäufer
als grösste und wichtigste Angelegenheit des Landes zu betrachten 587
13 und 14. Actenstücke zum Wolkenstein*schen Process. Prag, 1584
Mai 6 693
Prag, 1634 August 694
16. Das Regiment an Christoph Fuchs von Fuchsperg: Er mOge Achtung
haben, dass die mährischen Wiedertäufer nicht ins ,Land* ein-
dringen. Innsbruck, 1636 April 10 —
16. Ferdinand I. theilt dem Regimente die Bedingungen mit, unter
denen Sigmund von Wolkenstein begnadigt werden könne. Wien,
1536 Juni 4 696
17. Hnter*s Sendbrief an den Landeshauptmann von Mähren. 1535 . 697
18. Aus einem Schreiben des Kanzlers an den Fürstbischof von Brizen
über das neuerliche Auftreten der Wiedertäufer 601
Ausgegeben am 26. November 1892.
ffilPÜl
DATCDUE 1
STANFORD UNIVERSTTY LIBRARIES
STANFORD, CALIFORNIA 94305-6004